Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Carl August
Dieser Regent ward gross durch Seelenadel und hohe
Fürstentugenden; in Jugendjahren genial, in reifern
besonnen, in stürmischen Zeiten fest und männlich, der
vaterländischen Kunst und Wissenschaft ein erhabener
Mäcen, führte er als Mensch wie als Fürst ein ausgezeichnetes
und ruhmreiches Leben.
Carl August ward als herzoglich Sächsischer Erbprinz in der Landesresidenz geboren, und verlor den Vater, Herzog Ernst August Konstantin, ehe er 9 Monate alt war. Der deutsche Kaiser sprach die noch sehr jugendliche Herzogin Mutter, Anna Amalie, geborene Prinzessin von Braunschweig Lüneburg, mündig, und sie führte nun über den erstgeborenen und den erst nach des Vaters Tode geborenen Prinzen Friedrich Ferdinand Konstantin die Obervormundschaft und Landesregierung sechzehn Jahre hindurch mit Weisheit und Würde. Die fürstlichen Söhne erhielten tüchtige Lehrer und Erzieher, Graf Görz, durch König Friedrich II. empfohlen, wurde zum Oberhofmeister ernannt, unter den Lehrern waren auch Wieland und von Knebel. Bevor Carl August’s mündigwerden erfolgte, machte er mit seinem Bruder, von v. Görz, v. Knebel und v. Stein begleitet, 1775 eine Reise, zunächst nach Straßburg, dann durch die Schweiz nach Paris. In Straßburg waren viele deutsche Prinzen, auch der Erbprinz Georg zu Sachsen Meiningen und dessen jüngerer Bruder Carl August, als Studirende anwesend. Auf dieser Reise wurde die später so folgenreiche Bekanntschaft mit Goethe angeknüpft, den der Herzog bald nach dem Antritt der eigenen Regierung nach Weimar berief und mit dem höchsten Vertrauen beehrte. Wie zwei Sterne gleicher Größe wandelten beide Männer, der Fürst und der Dichter, über ein halbes Jahrhundert neben einander, und der Einfluß, den Goethe, bald mit den höchsten Aemtern des Staates betraut, auf den Herzog übte, verschönte das Leben des Hofes im Bunde mit den großen Geistern, welche den Dichterkreis und Musenhof Weimars lange Zeit hindurch bildeten, und kam der Kunst, kam der Wissenschaft, kam dem Lande vielfach zu Gute.
Auf der erwähnten Reise wurde auch der landgräflich Hessen-Darmstädtische Hof besucht, und Carl [Ξ] August schloß einen Herzensbund mit der ebenso geistvollen als liebenswürdigen Prinzessin Luise, mit welcher er sich noch in demselben Jahre vermählte. Unterstützt von gediegenen Staatsmännern als Räthen, von geistreichen Gelehrten als Freunden, die angebetete herrliche Mutter, die zartsinnige und feinfühlende Gemahlin zur Seite, wurde es dem jungen Regenten leicht, sein Leben glücklich zu gestalten, und mit unvergänglichem Glanze zu schmücken. Vom Hofe bannte er den steifen Etikettenzwang mit seinen barocken Formen und Trachten, und auf des Landes Gedeihen und Blühen richtete sich mit Liebe und Sorgfalt sein väterlicher Blick. Wie der Herzog in seiner Residenz glänzende Talente und Namen zu vereinigen wußte, so auch gab er der Landesuniversität Jena durch Berufung ausgezeichneter Männer, wie Fichte, Schelling, Paulus, Reinhold, Boß, Feuerbach, Schiller u. a. den Glanz hoher Wissenschaft, und führte die Gründung seiner Ahnen dem erfreulichsten Aufblühen entgegen. Rechtspflege, Waisen- und Armenwesen, Forst-, Land- und Gartenwirthschaft erlitten zeit- und zweckgemäße Neugestaltung. Berg und Salinenbau wurden nach Kräften gefördert, nützliche Institute eingerichtet, die Kirchenbuße abgeschafft, Handel, Manufacturen und Gewerbe erhielten neue Anregungen und Unterstützungen. Stets bemüht seine Kenntnisse zu vermehren, erwarb sich der Herzog von manchen Zweigen der Wissenschaft einen außergewöhnlichen Einblick in deren innerstes Wesen, so in Mineralogie, Botanik, Kunstgärtnerei. Ein hoher schmaler Rain längs des Ilmufers nach Oberweimar zu wurde in den berühmten Park umgewandelt, im nahen Lustschloß Belvedere entstanden die herrlichsten Anlagen. Oeftere Reisen gewannen dem Herzog stets neue Bewunderer und ließen ihn Kenntnisse der Dinge außerhalb seines nicht großen Staates gewinnen. Am Hofe Friedrichs II., seines Großoheims, entflammte sich Carl August’s Sinn mächtig für das Heerwesen, er gedachte wohl des Kriegsruhmes seiner Ahnen, eines Bernhard des Großen, eines Herzog Wilhelm, beide Heldenführer im dreißigjährigen Kriege, nächstdem daß die politischen Verhältnisse Deutschlands mehr und mehr eine Gestalt gewannen, die große Kämpfe vorausahnen ließ, und so galt es, bei Zeiten und thatkräftig Partei zu nehmen. Der Herzog studirte nun mit Vorliebe Kriegswissenschaft, machte den Feldzug in Holland 1787 persönlich mit, erhielt 1790 vom Könige Friedrich Wilhelm II. ein Kürassierregiment, zog 1792 und 1793 als preußischer General gegen Frankreich und brachte später durch sein treues ausharren bei den preußischen Fahnen sowohl sich persönlich, als sein ganzes Land in eine sehr mißliche Lage, denn Napoleon, dem er durchaus keinen freundlichen Schritt entgegen that, grollte ihm heftig, und die Residenz wie das Land erlebten nach der unglücklichen Schlacht bei Jena alle Schrecknisse feindseligen Ueberzugs. Nur die Geistesgröße und sittliche Hoheit der Herzogin, vor der sich der mächtige Sieger völlig beugte und ihr die ungeheucheltste Verehrung zollte, rettete das Land vor noch größerem Schaden und den Herzog vor der förmlichen Entthronung, die schon beschlossen war.
Die Herzogin hatte ihrem Gemahl zwei edle Söhne geschenkt, den Erbprinzen Carl Friedrich, der später als Regent ein Fürst des Friedens voll Gerechtigkeit, Milde und Menschenfreundlichkeit wurde, und den Prinzen Bernhard, der schon unter Napoleon kämpfend, von diesem nach der Schlacht bei Wagram mit dem Orden der Ehrenlegion geschmückt wurde und zu einem Manne voll hoher Einsicht, wahrhaftem Biedersinn und glänzenden Kriegergaben sich ausbildete. Tapfer kämpfte Herzog Bernhard bei Waterloo mit für die deutsche Freiheit, während sein erhabener Vater als russischer General den Feldzug von 1814 mitgemacht hatte. Vom Congresse zu Wien kehrte der Herzog Carl August als Großherzog zurück.
Mit erneutem streben wirkte Carl August, als der Deutschland knechtende wälsche Dämon für immer hinweggebannt war, für das Wohl seines Landes und Volkes, und trug auch dem immer allgemeiner werdenden Ruf nach einer Verfassung bereitwillig, und einer der ersten unter Deutschlands Fürsten, Rechnung, wodurch er sich viele Herzen gewann, vorzüglich aber die der patriotisch begeisterten, politisch schwärmenden deutschen Jugend, durch deren Köpfe eine großartige Idee ging: Carl August sollte deutscher Kaiser werden. Gar manches erfreuliche Zugeständnis wurde der akademischen Jugend Jena’s gemacht, ja die Burschenschaft durfte Taufpathin des Enkels Carl August’s, des jetzigen Großherzogs zu Sachsen-Weimar-Eisenach, Carl Alexander, werden, in dessen edlem Innern des Großvaters Sinn für alles Hohe und Würdige in Kunst und Wissenschaft, für Geschichte und Poesie, wie für des Landes Wohlfahrt verjüngte Blüthen trägt. Der Großherzog erlebte das seltene Glück, sein 5Ojähriges Regierungsjubiläum zu feiern, sein ganzes Land feierte es freudig mit, es geschah im Jahre 1825. Noch zeigte er mehr ein Bild männlicher Vollkräftigkeit, als das eines Greises bei diesem Feste, aber die nächsten Jahre brachen seine Kraft – er machte noch eine genußreiche Reise nach Berlin, und auf der Rückkehr traf ihn im Schlosse Graditz bei Torgau, fern von den Seinen, ein tödtlicher Schlagfluß, der ihn schmerzlos in die Geisterheimath, an die er glaubte, hinüberführte. – Das Land Sachsen-Weimar-Eisenach wird seinen Carl August nie vergessen.