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Zweierlei Recht für die Reichen und für die Armen in England. Nachtrag

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Titel: Zweierlei Recht für die Reichen und für die Armen in England. Nachtrag
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aus: Die Gartenlaube, Heft 15, S. 239–240
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1864
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[239] Zweierlei Recht für die Reichen und für die Armen in England. Nachtrag. – Nachdem unsere letzte Nummer bereits geschlossen war, ging uns vom Verfasser des Artikels „Zweierlei Recht für die Reichen und für die Armen in England“ das folgende Nachwort zu, aus dem allerdings ersichtlich wird, daß die englische Justiz die begangene Ungerechtigkeit einigermaßen zu sühnen versucht hat, – aber freilich bleibt das Maß, womit man den reichen Mörder und den armen Todtschläger gemessen hat, noch immer ein sehr verschiedenen.
D. Red.

Im Verlaufe des Monats Februar d. J. lief bei dem Minister des Innern in London eine neue Protestation der Richter von Derbyshire ein, welche sich auf die Thatsachen stützte, daß einer der Aerzte, welche in dem Memorial an den Minister den Verurtheilten für wahnsinnig erklärt hatten, den Sinn dieser Erklärung dahin erläuterte, er habe damit nur eine neue Untersuchung bezwecken wollen, während der andere Arzt, als „nicht zum königlichen Collegium der Aerzte gehörig“, unberechtigt erschien, den Act zu unterzeichnen, und einer der Richter erklärte, er habe die Tragweite seines Zeugnisses nicht gekannt!

Bald darauf gaben auch die vier von dem Minister zur Untersuchung des Geisteszustandes Townley’s abgeordneten Experten ihr Gutachten ab. Dasselbe, außerordentlich klar und einfach, erklärte den Verurtheilten für geistig gesund. Derselbe sei ruhig, vollkommen Herr seiner selbst, kein Zeichen von Geistesstörung in Sprache, Blick, Benehmen, Unterhaltung wahrnehmbar. Die Ansicht Townley’s, die Menschen, als Geschöpfe des Zufalls, werden mit Unrecht verantwortlich gemacht für ihre Handlungen, sei ein Product persönlicher Schlußfolgerungen. Daß er für die Ermordung der Miß Goodwin sich verantwortlich gewußt, gehe hervor aus seiner Aeußerung zu den Aerzten: „Ich erwartete, für den Mord gehängt zu werden, denn ich bin nicht so thöricht, um nicht zu wissen, daß das Gesetz den Mord mit dem Tod durch Hängen bestraft. Ich dachte allerdings nicht daran, während ich die That verübte, sonst hätte ich sie unterlassen.“ Seine Ausrede „er habe seine Braut getödtet, um sie wiederzugewinnen“, habe Townley anerkanntermaßen erst nachher erfunden, um seine That zu entschuldigen. Er suche dieselbe jetzt als das Resultat eines plötzlichen Affectes hinzustellen, allein dem widersprechen seine eigenen Zugeständnisse, daß er seine Braut vor der That wiederholt bedroht habe. Seine klare Erinnerung an die Einzelnheiten der That und die Versuche, seinen Geisteszustand zur Zeit derselben in einem falschen Lichte darzustellen, beweisen die Gesundheit dieses Zustandes. Unter den gegen ihn „Verschworenen“ verstehe Townley Niemanden anders, als die Verwandten seiner Braut.

Indem der Minister dieses Gutachten den protestirenden Richtern mittheilte, sprach er sein Bedauern aus, daß „die Justiz durch die Anstrengungen des Vertheidigers, seinen Clienten von dem Vollzug der Todesstrafe zu retten, irre geführt worden sei“, bemerkte aber zugleich, die Regierung habe es, nachdem einmal Zweifel über den Geisteszustand Townley’s erhoben und in Folge dessen der zum Vollzug des Todesurtheils bereits angesetzte Termin wieder aufgehoben worden sei, – „nicht mehr für recht gehalten“, das Urtheil vollziehen zu lassen, weshalb dasselbe in lebenslängliches Gefängniß verwandelt und Townley aus der Irrenanstalt Bedlam in’s Gefängniß von Pentonville abgeführt worden sei. Außerdem aber halte es die Regierung für ihre Pflicht, eine Verbesserung der Parlamentsacte von 1840 zu beantragen.

Diesen Worten folgte die That auf dem Fuße. Wenige Wochen darauf bat im Parlament der Minister des Innern, unter ausführlicher Darlegung der Verhältnisse des Falles Townley, um die Erlaubniß, eine Bill einbringen zu dürfen des Inhalts: „daß nur noch die das Gefängniß besuchenden Richter und [240] die in der Medical-Registrations-Acte eingetragenen Aerzte Certificate an den Minister ausstellen dürfen über den Geisteszustand eines verurtheilten Gefangenen, und daß auf den Grund eines solchen Certificats der Minister des Innern nur befugt, nicht aber gezwungen sein solle, vor dem Vollzug der über den Gefangenen ausgesprochenen Strafe die Versetzung desselben in eine Irrenanstalt anzuordnen behufs weiterer sachverständiger Untersuchung seines Geisteszustandes.“

Das Parlament gab die nachgesuchte Erlaubniß zur Einbringung dieser Bill, und zwar sowohl das Unter- als das Oberhaus, – das erstere nicht, ohne daß einzelne Mitglieder desselben ihre lebhafte Unzufriedenheit darüber aussprachen, daß der Minister durch die Anwendung eines „Kniffes" sich habe bewegen lassen, die wohlverdiente Todesstrafe Townley's in Gefängniß zu verwandeln.