Zwei Weihnachten
Zwei Weihnachten.
Von Otto Sievers.
Nicht wahr, mein Prinz? Das flackert, blinkt!
Hör’, wie er jauchzt! Schau’, wie er winkt
Und reckt und streckt die Händchen klein!“
So spricht, im Auge des Glückes Schein,
Mein Gatte, schließt mich an die Brust,
Die treue Brust, küßt mir den Mund –
O reiner Liebe begnadeter Bund!
Wie anders einst! Da hab’ ich durchwacht
Vier Jahre sind’s, daß ich aufs Grab
Der Weihnacht Fichte gepflanzet hab’,
Daß mir mit seinen hallenden Klagen
Der Schlag der Glocke das Herz zerschlagen,
Auch von der Mutter das Schicksal geschieden.
Wohl tönen heute vom Thurm die Glocken,
Doch klagen sie nicht, sie jauchzen, frohlocken;
Auch heute Lichter, doch fröhlich ihr Schein,
Auch heute Thränen, doch Thränen der Wonne,
Thauperlen durchleuchtet vom Strahle der Sonne;
Einst Nacht am Tage, nun Tag in der Nacht:
Hell wie der Morgen die Freude lacht.