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Zwei Seelen

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Textdaten
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Autor: Kurt Tucholsky
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Titel: Zwei Seelen
Untertitel:
aus: Das Lächeln der Mona Lisa, S. 350-352
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Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1929
Verlag: Rowohlt
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Erscheinungsort: Berlin
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Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: ULB Düsseldorf und Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
Erstdruck in: Weltbühne, 24. August 1926
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[350]
Zwei Seelen


Ich, Herr Tiger, bestehe zu meinem Heil
aus einem Oberteil und einem Unterteil.

Das Oberteil fühlt seine bescheidene Kleinheit,
ihm ist nur wohl in völliger Reinheit;

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es ist tapfer, wahr, anständig und

bis in seine tiefste Tiefen klar und gesund.
Das Oberteil ist auch durchaus befugt, Ratschläge zu erteilen

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und die Verbrechen von andern Oberteilen

zu geißeln – es darf sich über die Menschen lustig machen,

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und wenn andre den Naseninhalt hochziehn, darf es lachen.


Soweit das.
 Aber, Dunnerkeil,
das Unterteil!
Feige, unentschlossen, heuchlerisch, wollüstig und verlogen;

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zu den pfinstersten Pfreuden des Pfleisches fühlt es sich hingezogen –

dabei dumpf, kalt, zwergig, ein greuliches
pessimistisches Ding: etwas ganz und gar Abscheuliches.

Nun wäre aber auch einer denkbar - sehr bemerkenswert! –,
der umgekehrt.

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Der in seinen untern Teilen nichts zu scheuen hätte,

keinen seiner diesbezüglichen Schritte zu bereuen hätte –
ein sauberes Triebwesen, ein ganzer Mann und
bis in seine tiefsten Tiefen klar und gesund.

Und es wäre zu denken, daß er am gleichen Skelette

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eine Seele mit Maukbeene hätte.


Was er nur andenkt, wird faulig-verschmiert;
sein Verstand läuft nie offen, sondern stets maskiert;
sogar wenn er lügt, lügt er; glaubt sich nichts, redet sichs aber ein –
und ist oben herum überhaupt ein Schwein.

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Vor solchem Menschen müssen ja alle, die ihn begucken,

vor Ekel mitten in die nächste Gosse spucken!

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Da striche auch ich mein doppelkollriges Kinn

und betete ergriffen: „Ich danke dir, Gott, daß ich bin, wie ich bin!“

Was aber Menschen aus einem Gusse betrifft in der schönsten der Welten –:

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der Fall ist äußerst selten.