Zur Recension der Scheda’schen Karte der Türkei
Als Entgegnung auf diese Kritik hat, während meiner längeren Abwesenheit im Orient, Herr v. Scheda eine längere Auseinandersetzung an die Redaction eingesendet, welche dieselbe jedoch an dieser Stelle zum wiederholten Abdruck zu bringen für unnöthig gehalten hat, da sie bereits in den Mittheilungen der geographischen Gesellschaft in Wien, 1870, S. 475 veröffentlicht ist. Auf irgend eine Widerlegung der von mir erhobenen Bedenken und Ausstellungen[1] ist darin nicht eingegangen; die Insinuation einer egoistischen Tendenz („Reclame!“) meiner Kritik darf ich denen die mich kennen gegenüber mit Stillschweigen übergehen und meinem Herrn Gegner versichern, daß sowohl die öffentliche Besprechung und Vorlegung seiner Karte in der Gesellschaft für Erdkunde, als die Veröffentlichung der Recension nur die Antwort war auf mehrfach an mich gerichtete Fragen über den Werth und die Zuverlässigkeit seines Werkes, Fragen deren Beantwortung sehr natürlich erwartet wurde von einem Geographen, von dem man wußte, daß seine eigenen kartographischen Arbeiten über das betreffende Ländergebiet ihn mit allem einschlägigen Material vollkommen vertraut gemacht und zu einem Urtheile befähigt hatten. Freilich Herr v. Scheda erhebt den absonderlichen Anspruch, daß gerade ein solcher Sachkenner, als angeblicher Concurrent der lieben Unparteilichkeit zu gefallen sich jedes öffentlich ausgesprochenen Urtheils enthalten sollte: wem er dann aber das Recht dazu – und den Nutzen einer öffentlichen Besprechung erkennt er ja selbst an – noch zugestehen will, bleibt allerdings räthselhaft. Herr v. Scheda mag versichert sein, daß es mir, zumal nach früherem nicht von meiner Seite abgebrochenen freundschaftlichen Verkehr, peinlich gewesen ist, in so entschiedener Weise mit seinem, einmal der Oeffentlichkeit übergebenen Werke abrechnen zu müssen und daß es mir viel größere Freude gemacht haben würde, – vorausgesetzt, daß er mich durch Mittheilung seiner Arbeit vor dem Druck dazu in den Stand gesetzt hätte, – ihm jene kritischen Ausstellungen und Berichtigungen zum Theil recht starker Fehler zu rechtzeitiger Benutzung und Verbesserung seiner Karte mitzutheilen, wie ich dies bei früheren Gelegenheiten gethan habe, obwohl auch mehrfach ohne Erfolg, denn wenigstens diejenigen Fehler in dem die Donaumündungen enthaltenden Blatte seiner großen Karte von Central-Europa, auf die ich ihn theils schon bei der ersten Vorlage des Probedruckes im Juni 1865, theils später brieflich aufmerksam gemacht habe, hat der Herr Autor nicht der Berichtigung werth erachtet, sondern das Blatt unverändert erscheinen lassen.
Dagegen ersehe ich aus seiner Erwiderung mit Befriedigung, was ich allerdings nicht wissen konnte, daß er die Benutzung der von mir bearbeiteten Karte [378] zu Herrn v. Hahn’s letzter Reise der Mittheilung eines Probeabdruckes aus der Hand des leider zu früh verstorbenen Autors selbst verdankt: um so mehr wäre es meines Erachtens passend gewesen, diese Benutzung eines zur Zeit des Erscheinens seiner Karte noch unveröffentlichten, weil ohne meine Schuld in der Correctur lange aufgehaltenen Materials auf irgend eine für den Leser seiner Karte bemerkliche Weise ausdrücklich anzuerkennen.
Daß ich in einer jener Recension beigefügten Anmerkung derselben Schweigsamkeit in Bezug auf Benutzung confidentiellen Materials Herrn Dr. Petermann beschuldigt habe, war, wie ich jetzt gern zugestehe, ein bedauerlicher Mißgriff und Gedächtnißfehler, erklärlich nur durch die mitten im Drange der bevorstehenden Abreise zu sehr beeilte Beendigung jener kleinen kritischen Arbeit, da die Kürze der Zeit eine völlige Sicherstellung des Sachverhaltes nicht mehr gestattete. Erst durch Herrn Petermann’s in den Mittheilungen der Wiener geographischen Gesellschaft S. 287 abgedruckte Erklärung wird mir jetzt, was mir in der langen Zwischenzeit entfallen und leider durch keinen zurückbehaltenen Beleg constatirt war, wieder klar, daß ich ihm jene Probeabdrücke hauptsächlich wegen des ganz neuen Inhalts der Routiers v. Hahn’s und Barth’s (also doch keineswegs nur „ein paar ganz kleine unbedeutende Einzelheiten im nordwestlichen Albanien“) und ohne Rücksicht auf die noch keineswegs vollständige Correctur zugesandt habe, welche damals wenigstens im Stich die betreffenden Stellen der publicirten Russischen Karte noch nicht enthielt, in deren Besitz ich durch zufällige Umstände erst kurz vor jener Zeit gelangt war. Daß dieselbe also direkt und ohne meine Vermittelung von Herrn Petermann benutzt wurde ist selbstverständlich und hätte es dazu des Erweises durch die in der Entgegnung speciell angeführten Belegstücke nicht erst bedurft; daß gerade das dieser Quelle (und nebenbei den publicirten Routiers von Viquesnel und Barth) entlehnte Stück für das von Herrn Prof. v. Hochstetter bereiste Terrain von Erheblichkeit war, erkenne ich ebenfalls an; daß andererseits jene Quelle mir wohl bekannt und also natürlich auch in meinen neuen Arbeiten benutzt ist, geht für den Leser schon aus der angeführten Recension hervor, worin gerade das mangelhafte Verständniß dieser Hauptquelle Herrn v. Scheda zur Last gelegt wird.
Ich habe demnach, als ich ein oder zwei Tage vor meiner Abreise jenen Passus schrieb, von dem mir nicht klar erinnerlichen Gesammtinhalt der beiden zwei Jahre früher nach Gotha gesandten Blätter, leider zu wenig an den unfertigen Zustand des östlichen Blattes gedacht und zu sehr der Empfindlichkeit darüber nachgegeben, den hauptsächlichsten neuen Inhalt des westlichen, lange vor der Publikation sowohl dieser als der Hahn’schen Originalkarte, bereits an zwei Stellen, in Wien und Gotha, ohne Angabe der Quelle in andere Bearbeitungen übergegangen zu sehen. Wer den Umfang und die Mühseligkeit der grundlegenden kartographischen Arbeit zu würdigen weiß, wird jene Empfindlichkeit begreifen, der einen öffentlichen Ausdruck gegeben zu haben mir jetzt gleichwohl leid thut, da ein so verdienter Gelehrter wie Herr Petermann dadurch mit Recht sich verletzt fühlen konnte.
Anmerkungen
- ↑ Ich könnte denselben jetzt aus Erfahrung an Ort und Stelle eine nicht unerhebliche neue hinzufügen: ich habe S. 282 die Reproduction des Plans von Constantinopel nach v. Moltke und Stolpe erwähnt, ohne noch zu wissen, wie viele bedeutende Veränderungen durch Straßendurchbrüche und Neubauten selbst seit dem Erscheinen des letzteren die osmanische Hauptstadt erfahren hat, Veränderungen, von denen jedoch der Scheda’sche Plan von 1870 noch nichts enthält und über die es doch von Wien aus nicht so schwer sein dürfte, sichere Auskunft zu erhalten.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: S. 261