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Zur Pariser Haarkräuslerei

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Textdaten
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Titel: Zur Pariser Haarkräuslerei
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 16, S. 255–256
Herausgeber: Ernst Keil
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1868
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[255] Zur Pariser Haarkräuslerei. Paris hat nicht nur seine Universität mit den vier Facultäten und sein Institut mit den fünf Akademien; es besitzt auch eine Hochschule und eine Akademie für Haarkräusler. So wie es aber den Gelehrten und Schriftstellern nicht leicht wird, Mitglied des Instituts zu werden, so ist es auch den Haarkräuslern nicht leicht, sich unter ihren unzähligen Collegen Ruhm und Unsterblichkeit zu erwerben. Indessen wird ihnen doch Gelegenheit geboten, ihr Genie zu bekunden. Jedes Jahr nämlich findet Salle Molière ein feierlicher Preiskampf statt, in welchem die glorreichen Sieger mit Ehrenmedaillen bedacht werden. Treten wir in diesen Saal, so sehen wir in der Mitte desselben einen langen mit einem weißen Tafeltuch bedeckten Tisch, auf welchem sich zwei Reihen Toilettenspiegel befinden. Neben jedem derselben gewahrt man einen zierlichen Kasten, der die Instrumente des Haarkräuslers einschließt. Vor jedem Spiegel, an beiden Langseiten des Tisches, sitzt eine Dame in einem Frisirmantel und zu ihrer Linken hält sich ein Friseur. Auf ein gegebenes Zeichen setzen sich sämmtliche Haarkünstler in Bewegung. Die Kasten werden geöffnet, die Haare der Damen rasch aufgelöst. Da wird gekämmt, geflochten und gekräuselt. Jeder dieser Haarkünstler hat seine eigene Methode, seinen eigenen Stil, seine eigenen Kunstgriffe, die sich an der Frisur seiner Dame kundgeben. Sobald die Arbeit vollendet, fällt der [256] Frisirmantel von der Schulter der Schönen. Diese wird nun von ihrem Friseur den Anwesenden vorgestellt, die den Kopfputz, je nachdem er ausgefallen, mehr oder minder bewundern. Beim Schlusse der Sitzung, wenn nämlich alle Damen frisirt sind, werden diese in Gruppen vertheilt und die Frisur derselben von den Preisrichtern mit Kenneraugen geprüft. Man stellt dann allgemeine Betrachtungen über den Zustand der Haarkräuslerkunst an und den Künstlern, welche sich am meisten ausgezeichnet, wird die Preismedaille feierlichst zuerkannt.

Die Haarkräusler geben auch zum Besten ihrer Unterstützungscasse jährlich drei große Soiréeen, die gewöhnlich im Salle Valentino stattfinden und in der That höchst eigenthümlich sind, Auf einer Estrade sitzen einige Dutzend Damen, an deren Kopfschmuck man die Geschichte der Frisirkunst studiren kann. Man sieht Frisuren aus der Epoche des Perikles, des Augustus, Franz des Ersten, Heinrich’s des Vierten, Ludwig’s des Vierzehnten, Frisuren aus der Revolutionszeit, der Kaiserzeit und der Restauration, Das sind die „Coiffures Historiques“. Man sieht aber auch Phantasie-Frisuren, „Coiffures de Fantaisie“, an denen der Künstler seine Erfindungsgabe entfaltet. Ich habe vorige Woche einer solchen Soirée beigewohnt. Der Saal war auf’s Prachtvollste erleuchtet; ein vortreffliches Orchester ließ die beliebtesten Stücke hören und die Blicke des zahlreichen Publicums wurden von den phantastischen Frisuren gefesselt, welche die Damen auf der Estrade zur Schau trugen. Man bemerkte unter denselben besonders die vier Jahreszeiten. Der Frühling trug im Kopfputz Primeln und Aurikeln und ein Vogelnestchen, in welchem die Mutter ihre Kleinen fütterte; der Sommer, eine junge, schöne Blondine, trug in der Frisur eine mit Cyanen gemischte Korngarbe, in welcher eine goldene Sichel steckte; der Herbst machte sich bemerkbar durch die schönen Früchte, unter welchen die Trauben sehr malerisch vertheilt waren, und was endlich den Winter betrifft, so war er mit Reif und niedlichen Eiszäpfchen bedeckt. Die sonderbarste originellste Frisur hatte aber der Friseur Charensol geliefert. Dieselbe hieß auf dem Programm „Coiffure Internationale!“. Die entsprechende Dame trug die Fahnen aller großen Nationen in den Haaren und auf dem Scheitel war ein Zouave zu sehen, der die französische Tricolore aufpflanzte.

Die Namen der Künstler, welche diese Meisterwerke vollbracht hatten, wurden feierlichst verkündet, und hierauf begann ein Concert, in welchem sich mehrere Sänger und Sängerinnen hören ließen. Der Abend wurde mit einem Ball beschlossen; die Künstler aber, die ihr Talent an den prachtvollen Frisuren gezeigt, wurden ruhmbeladen auf Kosten der Gesellschaft in schönen Equipagen nach Hause gefahren.