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Zur Naturgeschichte des Lachses

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Textdaten
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Autor: unbekannt
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Titel: Zur Naturgeschichte des Lachses
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 32, S. 440
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Die Fortpflanzung der Lachse
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[440] Zur Naturgeschichte des Lachses. Als wir – erzählt ein in Irland reisender Sportsman – längs der Ruine von Bunnown Castle hingingen, trafen wir auf mehrere Wasserfälle. Einer von ihnen zog besonders unsere Aufmerksamkeit auf sich, indem wir dort viele Lachse springen sahen. Wir amüsirten uns hier länger als eine Stunde damit, die Fische zu beobachten, wenn sie über den Fall sprangen.

Wenn der Fluß mit der Fluth der hineintretenden See zu steigen anfing, so nahmen die Lachse die Gelegenheit wahr, es zu versuchen, über den kleinen Wall zu kommen, über den das Wasser fiel. Es war amüsant mit anzusehen, wie die jungen Salmen sich in der Berechnung der zu nehmenden Richtung irrten, aus dem Wasser gerade in die Höhe sprangen, und natürlich auf denselben Fleck wieder hinein fielen. Die ältern und klügern Fische, die ohne Zweifel schon früher oberhalb gewesen waren, verfuhren anders. Sie schossen stets nach dem Kamme des Falls, in einer Linie mit dem Bogen, welchen die fallende Wassermasse bildete, und hielten sich dann einige Secunden, indem sie sich im Strome zusammenkrümmten. In dieser sehr schwierigen Stellung können sie allein mit ihren Brust- und Bauchflossen auf das Wasser wirken, denn die Kraft ihres starken Schwanzes, durch welchen sie sich von dem Grunde erheben, ist nun verloren, da er sich in der Luft befindet.

Dessen ungeachtet gelang es vielen, oben in das Wasser zu tauchen und den Fluß hinauf zu schwimmen; aber den meisten mißglückte es und nach tapferm Kampf fielen sie in das ruhige Wasser unterhalb des Falles zurück. Seevögel folgen ihnen oftmals aus der See dahin und richten große Verwüstungen an. Man sieht sie häufig aus dem Schaum an diesen Orten auftauchen mit einem sich in ihrem Schnabel windenden Salmen.

Es ist dies eine bemerkenswerthe Eigenheit im Instinkt des Salms, daß er aus unbekannten Fernen und Tiefen stets wieder nach den Flüssen zurückkehrt, wo er zur Welt gekommen ist. Sie mögen wohl durch ungestümes Wetter oder durch einen sie verfolgenden Feind manchmal gezwungen werden, in die Mündung eines fremden Flusses einzulaufen, gleich wie ein Schiff durch einen Sturm in einen feindlichen Hafen getrieben wird, aber die größte Menge findet den Weg zu dem heimathlichen Wasser.

Nichts kann interessanter sein, als die Manöver der Salmen während der Laichzeit zu beobachten. In meinen jüngern Jahren habe ich mich oft Stunden lang damit amüsirt, im Schatten einen Felsens oder Baumes liegend, die Liebschaften der Salmonidae und die zarten und anmuthigen Liebeserklärungen der Männchen zu beobachten, wenn sie auf der Freite waren.

Mit bewundernswerthem Instinkt wählen diese Thiere nie einen Fluß, der austrocknen könnte, denn es ist nothwendig, daß das Bette für die Eier sich auf dem Grunde eines mäßig tiefen, fließenden Wassers befindet.

Ist der Platz gewählt, so machen sich beide Fische daran, ein geeignetes Nest für die Eier auszugraben. Das Weibchen beginnt gewöhnlich die Arbeit, da sie wahrscheinlich als Hausherrin handelt und den Platz für das Bette zu bestimmen hat. Sie ist von dem Männchen leicht durch ihr matronenmäßiges Aeußere zu unterscheiden, da jenes überdies an dem merkwürdig gekrümmten Sporn zu erkennen ist, der aus der Mitte der Unterkiefer hervorsteht.

Das Weibchen also, in sonderbarer Analogie mit dem Vogelweibchen, fängt sein Nest an, indem es mit seinem Leib und Schwanz sich in den Sand wühlt und manchmal einen widerspenstigen Kiesel mit der Nase aus dem Wege räumt. Der männliche Fisch hält während dieser ganzen Zeit in der unmittelbaren Nachbarschaft seines Weibes Wache; und obwohl die Natur ihm die Fähigkeit versagt hat, es mit einer Serenade nach Art der Männchen der Vögel zu unterhalten, so ist unser Lachsen-Salm doch nicht weniger zärtlich bemüht, die Heimlichkeit seiner Ehehälfte zu beschützen, indem er in einem Kreise um sie herumschwimmt, um zu verhindern, daß fremde Eindringlinge sie nicht in ihrem interessanten Geschäfte stören. Hat die Fischdame lange genug gearbeitet, was ungefähr eine halbe Stunde sein mag, dann ruht sie ein wenig aus, der aufmerksame Gatte nimmt ihren Platz ein und fährt fort zu graben; dann schwimmt sie um ihn herum und bewacht ihn ihrerseits.

In der That, ihr ganzes Verfahren ist sehr geeignet, das moralische Interesse zu erregen, und ich könnte hinzufügen, daß die gegenseitige Pünktlichkeit und Zuneigung, mit welcher diese Arbeit elterlicher Fürsorge von dem schweigsamen Paar betrieben wird, aller Nachahmung von Seiten warmblütiger Ehemänner und Frauen werth ist.

Das Bett für die Eier ist ein Graben, 4 bis 5 Fuß Länge und beinahe 11/2 Fuß Breite und Tiefe. Bald nachdem der Roggen und die Milch durch die Fische niedergelegt sind, beginnen sie abwechselnd die Arbeit, dieselben mit dem Sand zu bedecken, den sie vorher mit so viel Mühe ausgegraben haben, und dies schien mir verhältnißmäßig leichte Arbeit zu sein.

Beide Fische bleiben gewöhnlich während des ganzen ersten Tages in der Nähe des Nestes, sind aber weder am nächsten Morgen noch im Laufe des folgenden Tages zu sehen. Das Eierbette, wenn es vollendet ist, sieht aus wie das neugemachte Grab eines Kindes, ehe der Rasen darauf gelegt ist.

Der Zustand der alten Fische nach dem Laichen ist wahrhaft kläglich. Sie sind dann so schwach und mager, daß sie kaum dem Strome widerstehen können, und suchen gewöhnlich in irgend einem tiefen Loche Einsamkeit, wo sie ruhig bleiben und wieder einigermaßen zu Kräften kommen. – Durch die Abgezehrtheit des Körpers erscheint der Kopf unverhältnißmäßig groß und als ob er zu einem andern Fisch gehöre. Sie bleiben während des ganzen Winters schwach und starr und ihre Körperbeschaffenheit ist nicht besser, wie bei andern Thieren im Winter. Das Fleisch ist weiß oder vielmehr schmutzig gelb, geschmacklos und ungesund. Fangen sie sich unter diesen Umständen an einer Angel, so sind sie ganz passiv und hülflos und lassen sich fast ohne Widerstand an’s Ufer ziehen.

Beim Beginn des Frühlings gehen sie den Fluß hernieder und suchen gleich andern Kränklichen im Seebad die Wiederherstellung ihrer Gesundheit. Salmen in dem oben erwähnten Zustande sind nicht allein nicht nahrhaft, sondern selbst in gewissem Grade ungesund oder gar giftig.