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Zur Hinrichtung der Sachsen 782

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Textdaten
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Autor: Heinrich Ulmann, Zusatz durch Herausgeber
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Titel: Die Hinrichtung der Sachsen durch Karl den Grossen 782
Untertitel:
aus: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Bd. 2 (1889), S. 156–157; Bd. 4 (1890), S. 127.
Herausgeber: Ludwig Quidde
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1889/90
Verlag: Akademische Verlagsbuchhandlung J.C.B. Mohr
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Erscheinungsort: Freiburg i. Br
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Quelle: Scans auf Commons
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[156] Zur Hinrichtung der Sachsen 782 (s. Bd. I. dieser Zeitschrift S. 75 ff.). Bippen hat die psychologischen und praktischen Schwierigkeiten der herkömmlichen Auslegung der Berichte über das Blutbad an der Aller scharfsinnig dargethan. Auch mit seiner Ausführung über die eine der beiden Hauptquellen, die sogenannten annales Einhardi, kann man einverstanden sein: dagegen scheint seine Interpretation des wichtigsten und ausschlaggebenden Berichtes, der annales Laur. maj., nicht recht zulässig. Ich möchte Folgendes zur Discussion stellen. Die Stelle lautet: „(Saxones) reddiderunt omnes malefactores illos, qui ipsud rebellium maxime terminaverunt, ad occidendum, quatuor milia quingentos“. Es ist bisher versäumt worden, den Wortsinn von terminare scharf zu fassen. Das Zeitwort bedeutet im classischen Latein zuerst begrenzen, dann bestimmen, festsetzen. Dass es auch in der Zeit Karl’s des Grossen in dem gleichen Sinne gebraucht wurde, lässt sich nachweisen. Zwar die annal. Laur. bedienen sich seiner, so viel ich sehe, nur noch einmal, doch gerade in dieser Bedeutung: z. J. 787 petierunt apostolicum, ut pacem terminaret (so und nicht terminarent muss mit einigen Handschriften auch der Verfasser der ann. Einhardi gelesen haben). Häufiger stösst das Verbum in den Capitularien in derselben Bedeutung auf. So im cap. de justitiis faciendis (Capitul. regum Francorum ed. Boretius I, 176) causae vel lites… discutiantur et congruo sibi judicio terminentur. Aehnlich juditium terminetur und judicium non terminetur S. 148 und 153, 3 (vergl. 176, 4 hinsichtlich des Sinnes der letzteren Stelle). Endlich gehört hierher die hübsche Parallelstelle zu unserem Passus der Lorscher Annalen im capit. missorum bei Boretius S. 66: infideles homines magnum conturbium in regnum d. C. r. voluerint terminare.

Aus alledem erhellt meines Erachtens zur Genüge, dass terminare in jener Zeit nicht etwa im Sinn des Ausführens, Unternehmens [157] (peragere der ann. Einh.), sondern im Sinn des Beschliessens, Festsetzens, Entscheidens angewendet wird. Die Sachsen liefern demnach alle Uebelthäter zur Hinrichtung aus, welche „hauptsächlich jenen Aufruhr beschlossen hatten“. Das sind aber nicht die irregeleiteten Massen, sondern die Rädelsführer, wie denn selbst in der pragmatisirenden Wiedergabe der ann. Einh. der König nur de auctoribus factae defectionis inquisivit. Das so gewonnene richtigere Verständniss des Relativsatzes steht aber nun im inneren Widerspruch mit der als Apposition folgenden Zahl 4500. Der Anstifter können unmöglich so viele gewesen sein. Man wird demnach unausweichlich zu der Vermuthung gedrängt, dass in der Zahl der Fehler steckt. Am wahrscheinlichsten dürfte die Annahme sein, dass der Verfasser der annales Laur. in Folge falschen Lesens seiner Vorlage ein paar Nullen zu viel entnommen habe. Wie letzterem aber auch sei, so viel scheint gewiss, dass nicht Tausende von „Urhebern“ des Aufstandes als ausgeliefert bezeichnet werden sollen. Damit fällt meines Erachtens die Hauptschwierigkeit des Verständnisses nach jeder Beziehung hin, wie dem aufmerksamen Leser des Bippen’schen Aufsatzes nicht näher dargelegt zu werden braucht. Ebensowenig braucht dem Kenner gesagt zu werden, dass es durchaus nichts Besonderes ist, wenn die auf Irrthum beruhende Tradition jegliches Wissen von dem thatsächlichen Hergang völlig verdrängt hat[1].

H. Ulmann.     


[127] Zur Hinrichtung der Sachsen 782. Ulmann hatte im 2. Band dieser Zeitschrift S. 156 f. im Anschluss an eine Darlegung Bippen’s es unternommen mittelst Interpretation einer Stelle der ann. Laur. darzuthun, dass die Zahl der hingerichteten Sachsen nicht 4500 betragen haben könne, sondern dass an eine weit kleinere Anzahl von Rädelsführern gedacht werden müsse. Dabei war ihm gelegentlich einer Andeutung über die muthmassliche Quelle des in der Zahl steckenden Fehlers der Ausdruck entschlüpft, der Annalist habe wohl seiner Vorlage ein paar Nullen zu viel entnommen. Es ist ohne Weiteres zuzugeben, dass diese Wendung nicht glücklich gewählt war; denn, wie eine Notiz im NA 15, 426 bemerkt, „wer U. nicht kennt, könnte auf den Gedanken kommen, er glaube an die Anwendung arab. Ziffern in Karoling. Annalen“. Wenn aber jetzt ein Kritiker in den MIÖG 11, 506 jenen unbedachten Ausdruck in einer weder durch die sonstigen Darlegungen noch durch die wissenschaftlichen Antecedentien unseres Mitarbeiters zu rechtfertigenden Weise ausbeutet und daran die schadenfrohe Frage knüpft, ob unter so bewandten Umständen nicht Karl d. Gr. mit weiteren „Rettungen“ zu verschonen sei, so ist es unerlässlich, im Interesse der Sache festzustellen, dass der Kern der kleinen Mittheilung U.’s durch diesen Angriff in keiner Weise auch nur berührt ist.



Anmerkungen

  1. Ich benutze die Gelegenheit ein weiteres Missverständniss in der Ueberlieferung der Lorscher Annalen zu verbessern. Zum J. 774 heisst es ganz sinnlos, die Sachsen hätten sich gegen den in Italien weilenden Karl empört, nulla omnino foederatione suscepta. Es ist gewiss zu lesen: faide (oder faidae) ratione. Im Folgenden ist dann das in vielen Hss. fehlende vero als Flickwort zu streichen. Damit wird die gezwungene Erklärung Abel’s (Jahrbücher I, 150) überflüssig.