Zum Inhalt springen

Zum Gedächtnis Mozarts

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Rudolph Genée
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Zum Gedächtnis Mozarts
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 39, S. 655–658
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1891
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[655]
Nachdruck verboten.     
Alle Rechte vorbehalten.

Zum Gedächtniß Mozarts.

Die letzten Monate dieses Jahres bringen zwei Gedächtnißtage, welche unsere Blicke um ein Jahrhundert zurückwenden zu dem Bilde des größten deutschen Komponisten; am 30. September 1791 ging Mozarts „Zauberflöte“, eine der kostbarsten Gaben seines Genius, zum ersten Mal über die Bühne, und kurze Zeit nachher, am 5. Dezember, wurde der große Tonkünstler auf der Höhe seines Schaffens aus dieser Welt abberufen, nachdem er sie mit seinem Reichthum an Tönen überschüttet hatte.

Es ist über Mozart so unendlich viel geschrieben worden, daß man denken könnte, das Wesen und die Bedeutung seiner Musik wie seiner Persönlichkeit sei erschöpfend dargestellt. Aber das eben ist der Zauber echter Größe, daß deren Schöpfungen weit hinaus von Geschlecht zu Geschlecht die Gedanken der Späteren bewegen und stets aufs neue der Nachwelt zu thun geben, damit sie durchdringe zu immer tieferem Verständniß. Erschöpfen kann sich die bewundernde Kritik gegenüber einer solchen Größe nicht, ebensowenig wie wir uns in der Bewunderung der Natur selbst und ihres stets aufs neue wirkenden Zaubers erschöpfen können. An dieser Stelle sollen dem außerordentlichen Künstler und liebenswürdigen Menschen nur einige Worte in Bezug auf die beiden Gedächtnißtage gewidmet sein!

Wolfgang Amadeus Mozart wurde am 27. Januar 1756 in Salzburg geboren; zur Freude seines Vaters, des trefflichen Musikers und erzbischöflichen Vicekapellmeisters Leopold Mozart, entwickelte das Kind so frühzeitig eine erstaunliche musikalische Begabung, daß sein Vater, der bei seinem spärlichen Einkommen darauf bedacht sein mußte, seine Einnahmen zu vergrößern, schon in Wolfgangs sechstem Jahre mit diesem und seiner um fünf Jahre älteren Schwester Marianne Kunstreisen nach München und Wien unternahm, auf welchen das geradezu wunderbare Talent des Kindes das höchste Aufsehen erregte. In den folgenden zehn Jahren schlossen sich ähnliche Reisen nach Frankreich, England, Holland und Italien an. Dem italienischen Aufenthalt Mozarts im Jahre 1770 verdanken wir eines seiner reizendsten Bildnisse, welches in Verona gemalt und erst 1850 dort aufgefunden wurde. Jetzt befindet es sich im Besitze der Frau Therese Kammerlacher in Wien.

Seine Schwester Marianne. 0 Mozart im   Vater.  
25. Lebensjahr.       Bild der Mutter.  

Die Familie Mozart. 0Nach dem Gemälde von Joh. Nep. de la Croce.

Mit sechzehn Jahren hatte der Knabe bereits zahlreiche Orchesterstücke, Streichquartette und Motetten, Duos und Trios für verschiedene Instrumente verfaßt, und in Mailand waren sogar bereits 1770 und 1772 zwei Opern von ihm zur Aufführung gekommen. Auf deutschem Boden debütierte er als Opernkomponist 1775 in München mit einer Opera buffa „La finta giardiniera“; München hat auch den Ruhm, diejenige seiner Opern, welche die Periode seiner Meisterschaft einleiten sollte, „Idomeneo“, unter des Komponisten eigener Leitung im Januar 1781 zur ersten Aufführung gebracht und ihm damit seine Bahn auf dem dramatischen Gebiete eröffnet zu haben.

Bisher hatte Mozart im Dienst des Erzbischofs von Salzburg gestanden, eines herrischen, geizigen Machthabers. Die Erfolge in München gaben dem Beglückten die Kraft und das Selbstvertrauen, die Fesseln abzuschütteln und seinen Wohnsitz in Wien zu nehmen, wo er schon als Kind angestaunt und verhätschelt worden war. Allein auch hier konnte er an höherer Stelle nicht die seiner Bedeutung entsprechende Förderung erlangen. Der Neid, den seine außerordentlichen Fähigkeiten erweckten, die Ränke seiner Nebenbuhler, durch welche seine Fortschritte auf dem neu betretenen Wege gehemmt werden sollten – sie wurden durch seinen ersten großen Wiener Erfolg auf dem Gebiete der Oper nur gesteigert, und auch die volle Bewunderung, welche ihm Joseph Haydn, der Schöpfer der neueren Instrumentalmusik, freudig zollte, vermochte die Bosheit und den Unverstand nicht zu entwaffnen. Jene erste, mit allseitigem Beifall aufgenommene Frucht seines Wiener Aufenthalts war die Oper „Die Entführung aus dem Serail“, nachher auch „Belmonte und Constanze“ genannt; sie fiel in die Zeit seiner Liebe zu Constanze Weber, seiner späteren Lebensgefährtin, die er sich gegen den anfänglichen strengen Widerspruch seines Vaters in treuem Festhalten zu erringen wußte.

Auf die „Entführung“ folgte die „Hochzeit des Figaro“, das Meisterstück eines musikalischen Lustspiels; aber mit dem, was Mozart in diesem Werk geschaffen hatte, war er dem herrschenden Musikgeschmack in Wien so weit vorausgeeilt, daß ihm seine Hörer nicht zu folgen vermochten. So kam es, daß nach dem großen Erfolge der vorangegangenen Oper diese neue Schöpfung in der Kaiserstadt völlig ungewürdigt blieb, während sie in Prag die glänzendsten Triumphe feierte. Aus Dankbarkeit schrieb Mozart seine nächste Oper, „Don Juan“, ausdrücklich für das empfänglichere Publikum der böhmischen Hauptstadt, dort vollendete er sie und leitete selbst die Einstudierung und Aufführung.

Der einunddreißigjährige Komponist stand jetzt auf der Höhe seiner Schaffenskraft. Auch die besten seiner kleineren Werke, namentlich seine vorzüglichsten Symphonien, fallen in diese Zeit. Sein Ruhm war so hoch gestiegen, daß er auch von allen materiellen Sorgen hätte befreit sein müssen, wäre er ebenso praktisch wie schöpferisch gewesen, oder hätte er in einer andern Zeit gelebt und ein anderes dankbareres Vaterland gehabt. Theater, Konzertsäle, Privatsalons – alles war von seinen Werken erfüllt. Der „Don Juan“ hatte die ganze gebildete Welt erobert, nie hatte es in deutschen Landen ein musikalisches Talent gegeben, das so allgemeine Begeisterung erregte. Nur in Wien hatte Mozart auch mit „Don Juan“ seine Lage nicht verbessern können, die Oper hatte dort einen entschiedenen Mißerfolg. Ob die schlechte Rollenbesetzung im Verein mit der nachlässigen Inscenierung daran schuld war, ob die stets bereite Kabale seiner Gegner, ob vielleicht auch [656] die Eifersucht der Wiener auf das Urtheil Prags dabei mitspielte, oder endlich ob auch hier das Publikum dem kühnen Fluge seines Genius nicht zu folgen vermochte – gleichviel: die Thatsache des Mißerfolgs war da, und Mozart blieb nach wie vor der armselige Musiker, welcher Mühe hatte, von Tag zu Tag für sein Auskommen zu sorgen. Daß er es als eine richtige Künstlernatur mit den Geldangelegenheiten leicht nahm, war auch nicht geeignet, seine Lage zu bessern.

Mozart im 14. Lebensjahre.
Nach dem Veroneser Bilde

Um seinen Verhältnissen aufzuhelfen, unternahm er 1789 eine neue, seine sechste Kunstreise, sie führte ihn nach Dresden, Leipzig und Berlin. Der Fürst Karl Lichnowsky, der ihm die Reise anempfohlen hatte, stellte ihm seinen Wagen zur Verfügung und vermittelte persönlich die Bekanntschaft des Komponisten mit dem König von Preußen, der sich auf die Begegnung mit dem berühmten Manne außerordentlich freute. Friedrich Wilhelm II. hat das entschiedene Verdienst, nach dem Tode Friedrichs des Großen sich der bisher verachteten deutschen Musik und besonders der deutschen Oper eifrig angenommen zu haben. Mozart, welcher im April in Berlin anlangte, wurde vom König in jeder Weise ausgezeichnet; er ward zu den Hofkonzerten geladen und spielte dem Fürsten einige seiner Klavierkompositionen vor. Friedrich Wilhelm war von dem Künstler so entzückt, daß er ihm in einem Gespräche den Vorschlag machte, als Hofkapellmeister nach Berlin zu kommen mit einem Gehalte von jährlich 3000 Thalern. Der Gewährsmann für jene Unterredung ist Herr v. Nissen, Mozarts erster verdienstvoller Biograph, der nachmalige Gatte von dessen Witwe Constanze. Diese selbst will die Mittheilung über das großherzige Anerbieten aus des Königs eigenem Munde erhalten haben, als sie mehrere Jahre später sich in Berlin aufhielt. Von ihr wissen wir ferner, daß Mozart das verlockende Versprechen mit den Worten zurückwies: „Kann ich meinen guten Kaiser verlassen?“ Was aber hatte dieser gute Kaiser – und es war der tolerante und vielgeliebte Josef der Zweite – für den anhänglichen Künstler gethan? Mozart war in Wien lange ohne eigentliche Anstellung gewesen, erst 1787 hatte man ihn zum „Kammerkomponisten“ Seiner Majestät mit einer Besoldung von 800 Gulden ernannt. Und der sorglose und gemüthsweiche Mann schlug ein mehr als fünffaches Gehalt aus, um in Wien zu bleiben und dort unter Josefs Nachfolger noch zwei Jahre lang sich mühselig durchzukämpfen. Wohl wurde er in Berlin auch pekuniär anständig honoriert, allein bei seiner großen Freigebigkeit und Herzensgüte blieb ihm von dieser Reise wie von früheren nicht viel Gewinn übrig.

Als er nach Wien zurückgekehrt war, erhielt er vom Kaiser Josef den Auftrag, eine neue Oper nach einem Texte von da Ponte zu schreiben, es war dies die komische Oper „Cosi fan tutte“. Trotz ihrer zahlreichen musikalischen Schönheiten konnte auch sie wegen des unsäglich schlechten Textes keinen dauernden Erfolg haben.

Das Grünhofsche Medaillon.[1]

Das letzte Jahr seines Lebens brachte indessen dem Künstler doch noch in Wien selbst auf dem Boden des Theaters einen großen, ja sensationellen Erfolg mit der „Zauberflöte“, welche am 30. September zur ersten Aufführung kam. Um dieses Werk nach seiner musikalisch-dramatischen Bedeutung richtig zu beurtheilen, muß man die Geschichte seiner Entstehung mit ins Auge fassen. Die „Zauberflöte“ war seit der „Entführung“ die zweite eigentlich deutsche Oper, denn für „Figaro“, „Don Juan“ und „Cosi fan tutte“ hatten italienische Texte die Unterlage geben müssen. Schon aus Anlaß der „Entführung“ hatte sich Mozart in einem Briefe an seinen Vater auf interessante Weise darüber ausgesprochen, wie er über den Werth von Operntexten denke. Es komme dabei keineswegs auf gute Verse und einen poetisch ausgearbeiteten Text an, sondern einzig auf einen geeigneten Plan, welcher dem Komponisten freies Spiel lasse, um auch aus der mittelmäßigsten Dichtung etwas zu machen. Was er hier gefordert hatte, das bot sich ihm bei der „Zauberflöte“ in bester Weise, obwohl er dem Textdichter Schikaneder weitgehende Zugeständnisse machte. Die Worte gingen nicht über platte Handwerkspoesie hinaus, aber der scenische Plan des Ganzen war ein solcher, daß er dem Komponisten ein ungemein günstiges und reiches Feld für die musikalische Behandlung ließ. Als Schikaneder, ein mittelmäßiger Komödiant, aber spekulativer Theaterdirektor, sich in großer Noth befand, begab er sich zu Mozart, um ihm den Vorschlag zu einer Oper zu machen, die ihnen beiden wohl aufhelfen könne. Er theilte ihm mit, wie bei dem Entwurf zu der Oper ganz der Geschmack des großen Haufens in Betracht gezogen werden müsse, denn nur so sei auf Erfolg zu hoffen; er setzte ihm seine Ideen im großen und ganzen auseinander und durch was für bunte Bilder und Späße man das Ding so recht zum Gaudium der großen Menge gestalten könne: zu den Priestern, dem liebenden Paare, zur Königin der Nacht mußte sich der Vogelmensch Papageno gesellen, ferner der Mohr, die Schlange, die Wanderung durch Wasser und Feuer, kurz der ganze Aufwand an abenteuerlichen Mitteln. Mozart war nicht der Mann, der jemand leicht etwas abschlagen konnte, besonders wenn der Jemand in Noth war; auch sagte ihm die märchenhafte Handlung, das Bunte und Phantastische, das zum musikalischen Ausdruck so recht geeignet war, entschieden zu; so nahm er den Vorschlag an. Da Schikaneder selbst in Verlegenheit war, so wollte Mozart in seiner Gutmüthigkeit [657] zunächst keine Forderung in Betreff eines Honorars stellen, und er erhielt auch vorläufig nichts.

Wie lange ihn die Arbeit an der „Zauberflöte“ in Anspruch nahm, können wir nicht mit Sicherheit nachrechnen. Jedenfalls hat er die Komposition während der Sommermonate des Jahres 1791 begonnen und vollendet. Im eigenhändigen Verzeichniß seiner sämmtlichen Werke aus dem Zeitraum von 1784 bis 1791 steht unter dem Juli 1791 verzeichnet: „Die Zauberflöte“, mit dem nachträglichen Vermerk: „Aufgeführt den 30. September“ Und später, unterm 28. September, heißt es: „Zur Oper ‚die Zauberflöte‘ einen Priestermarsch und die Ouvertüre,“ Dies war sonach der Abschluß des Werkes.[2] Die Hauptarbeit wird in die Monate Juni und Juli gefallen sein, denn im August, noch vor Vollendung der „Zauberflöte“, schrieb er die ganze Oper „Titus“, die ihm zur Krönungsfeier Kaiser Leopolds II. in Prag aufgetragen worden war. Die Anspannung seiner Kräfte, mit der er die beiden Tondichtungen so schnell zustande zu bringen hatte, muß – selbst wenn wir seine wunderbare Leichtigkeit des Schaffens in Anschlag bringen – eine große gewesen sein. An der „Zauberflöte“ arbeitele er wie an seinen früheren Opern, indem die Klavierproben einzelner Nummern gehalten wurden, noch ehe das Ganze fertig war, und auch vom Texte wurden verschiedene Stücke ihm erst nachträglich geliefert. Schikaneder, der hier fortwährend seinen Einfluß geltend machte, damit die Musik recht populär und leicht verständlich werde, hatte ihm zur Arbeit einen kleinen Gartenpavillon ganz nahe beim Theater eingeräumt, der später den Namen „Zauberflöten-Häuschen“ erhielt.[3] Mozarts Frau hielt sich in dieser Zeit krank in Baden bei Wien auf. Da hierdurch dem Komponisten die behagliche Häuslichkeit fehlte, so ist es begreiflich, daß sein Zusammenleben mit Schikaneder und dem Theaterpersonal ein ungebundeneres wurde, allein die Gerüchte und Klatschereien, die sich daran knüpfen, sind übertrieben. Daß es in dem Zauberflöten-Häuschen bei gemeinsamen Mahlzeiten lustig zuging, vollends da Schikaneder Mozart und sich selbst stets in angeregter Stimmung zu erhalten suchte, ist sehr wohl glaublich, allein völlig undenkbar ist, daß bei einer so wunderbaren Arbeit, die in so kurzer Zeit gefördert wurde, Mozart sich der Schwelgerei habe ergeben können.

Die Salzburger Erinnerungsstätten.

Schikaneder soll nach der Ueberlieferung dem Komponisten einzelne Melodien vorgepfiffen haben, damit dieser immer am gewünschten volksmäßigen Ton festhalte, und Mozart soll gefügig genug gewesen sein, um auch solche Anweisungen gelten zu lassen. Es ist auch dies sehr wohl möglich, aber wenn es jemals einen Menschen gab, der es verstand, aus Häckerling Gold zu machen, so war es Mozart. Was vom Hauche seines Genius berührt wurde, und mochte es das Gewöhnlichste sein, das wurde durch ihn geadelt.

Nachdem der Künstler aus Prag, wohin er sich zur Aufführung der Oper „Titus“ begeben hatte, zurückgekehrt war, legte er die letzte Hand an die „Zauberflöte“, sodaß sie am 30. September auf die Bühne gebracht werden konnte. Er war in dieser Zeit schon sehr angegriffen, und wohl deshalb überließ er die Hauptproben dem jungen Kapellmeister Henneberg, während er selbst die beiden ersten Aufführungen am Klavier leitete.

In dem vorhin erwähnten Verzeichniß seiner Kompositionen hat Mozart die „Zauberflöte“ als eine „teutsche Oper“ bezeichnet. Auf dem Theaterzettel jedoch hieß sie, wohl nach Schikaneders Bestimmung, „eine große Oper in zwei Akten von Emanuel Schikaneder.“ Erst nach der Aufzählung des gesammten Personals stand dann am Schluß des Zettels: „Die Musik ist von Herrn Wolfgang Amade Mozart, Kapellmeister und wirklichen k. k. Kammerkompositeur. Herr Mozart wird aus Hochachtung für ein gnädiges und verehrungswürdiges Publikum und aus Freundschaft für den Verfasser des Stückes das Orchester heute selbst dirigieren.“

Der Erfolg am ersten Abend entsprach zunächst den Erwartungen nicht. Vermuthlich hatte manches, so besonders die Priestergesellschaft mit ihren freimaurerischen Geheimnissen, zuerst etwas fremdartig berührt. Und obwohl sich im Verlaufe des Abends die Zuhörerschaft immer mehr erwärmte, so war doch Mozart anfangs über die Aufnahme sehr unglücklich. Das wurde indessen sehr bald anders, denn mit jeder neuen Aufführung steigerte sich der Beifall und der Besuch. Schon am 7. Oktober, also eine Woche nach der ersten Aufführung, konnte Mozart an seine Frau [658] nach Baden schreiben: „Eben komme ich von der Oper. Sie war aber so voll wie allzeit. Das Duetto ‚Mann und Weib‘ und das Glöckchenspiel im ersten Akte wurde wie gewöhnlich wiederholt, auch im 2. Akte das Knabenterzett – was mich aber am meisten freut, ist der stille Beifall! Man sieht recht, wie sehr und immer mehr diese Oper steigt.“ Im ersten Monat konnte die „Zauberflöte“ vierundzwanzigmal bei vollem Hause gegeben werden.

Was wäre nun heute, nach hundert Jahren, noch über dieses Werk zu sagen? Diese Musik hat ihre Jugendfrische, ihre Tiefe und Helligkeit bis heute so ungetrübt behalten, daß man trotz ihres Alters kein Verblassen der Farben entdecken kann. Die weihevolle Würde der Priestergesänge berührt uns noch immer wie die heitere Vornehmheit eines klassischen Tempelbaus, die Gesänge der drei Knaben leuchten wie wolkenloses Himmelsblau. Die einzigartige Gabe, kontrapunktliche Wunder zu schaffen, in denen wir über die Tiefen der musikalischen Technik mit leichter Anmuth und melodischem Reize hinweggeführt werden, bewährt Mozart auch hier aufs höchste. Keine Mühsal der Arbeit ist bei ihm zu erkennen, alles fließt dahin in lichter Klarheit und sonniger Schönheit der Formen. So verstand er es, dem Verlangen Schikaneders nach einer Musik für das große Publikum gerecht zu werden und dabei doch, sogar nach einem Jahrhundert noch, auch den Musikverständigen in Staunen und Entzücken zu versetzen. Wenn wir außerdem erwägen, daß das Werk entstand, als schon der Tod mahnend bei ihm anklopfte, daß zwei Monate später seiner Hand die Feder für immer entsank, so will es uns dünken, als ob in diesen ätherreinen Weisen der „Zauberflöte“ schon die Heiterkeit eines von allem Irdischen losgelösten Daseins wiederklinge.

Mozart nach dem Langeschen Bildniß.[4]

Die Freude über den andauernd glänzenden Erfolg seines Werkes wurde dem Künstler leider durch zweierlei Umstände aufs schmerzlichste getrübt, durch seine zunehmende körperliche Schwäche und im Zusammenhang damit durch die Sorge um eine Arbeit, welche ihm unter merkwürdigen Umständen aufgetragen worden war. Es war das Requiem, welches ein Unbekannter bei ihm bestellt hatte, noch ehe er mit der Musik zur „Zauberflöte“ zu Ende gekommen war. Da Mozart nicht wußte, für wen er das Werk zu komponieren habe, so plagte ihn der Gedanke daran unaufhörlich, ja bei seinem zunehmenden körperlichen Uebelbefinden wurde ihm das Requiem in trüben Stimmungen zu einem düstern Hinweis auf seinen Tod, und während im Theater die heitere „Zauberflöte“ das Haus allabendlich füllte, saß der Schöpfer dieser Melodien krank in seinem Zimmer und konnte den Gedanken nicht loswerden, daß man ihm Gift gegeben habe und daß er das Requiem für sich selbst schreibe. Erst spät, nach seinem Tode, kam es an den Tag, daß der Auftraggeber ein Graf Walsegg war; dieser hatte an den Komponisten einen Vermittler geschickt, der aber weder des Grafen Namen nennen, noch sich selbst zu erkennen geben durfte. Welche Grille den Grafen Walsegg dazu bewog, die Sache als Geheimniß zu behandeln, ist hier gleichgültig, doch scheint es fast, er habe die Absicht gehegt, das Requiem als sein eigenes Werk auszugeben, wenigstens für einige Zeit. Wie dem auch sein mag, für Mozart wurde die Sache fast zum Verhängniß. Sein Uebelbefinden und seine Schwäche steigerten sich, und da er eine bestimmte Summe für das Requiem im voraus erhalten hatte, so quälte er sich um so mehr mit der Sorge, daß der Tod ihn an der Vollendung hindern werde. Seine Frau mußte ihm daher auf Wunsch des Arztes die aufregende Arbeit wegnehmen, allein sobald er sich wieder etwas wohler fühlte, verlangte er sie mit aller Dringlichkeit zurück. Man weiß, daß er die Komposition wirklich nicht zum Schlusse bringen konnte, und über die viel umstrittene Frage, wie weit sich der Antheil seines Schülers Süßmayer an einigen Sätzen erstrecke, sind die Akten noch nicht geschlossen. Als Mozarts Requiem aber ist es der Nachwelt überliefert worden und wird noch kommenden Geschlechtern die Herzen erheben.

Die Geschichte von Mozarts Tod ist bei seinen Biographen, welche hierbei im wesentlichen auf Nissens Angaben fußen, ausführlich behandelt, und wir brauchen hier auf die Einzelheiten nicht einzugehen. In der zweiten Hälfte des November, es ist wahrscheinlich der 20. gewesen, war der Leidende noch ausgegangen, in ein Gasthaus der Kärntnerstraße, wo er etwas Wein trank, um sich jedoch bald wieder zu entfernen. Am andern Tage mußte er sich niederlegen: er sollte nicht wieder aufstehen. Die Berichte über die Art seiner Krankheit lauten verschieden. Ins Sterberegister wurde als Todesursache „hitziges Frieselfieber“ eingetragen, nach anderen starb er an der Brustwassersucht. Noch einen halben Tag vor seinem Hingang mußte man ihm die Partitur zum Requiem ans Bett bringen, er ließ einzelne Sätze daraus von seinen Freunden singen und übernahm dabei selbst die Altstimme. Bald danach erklärte er mit Bestimmtheit, daß er in der Nacht sterben werde. Er hatte wahr gesagt, am fünften Dezember um ein Uhr morgens ist er verschieden.

Daß die irdischen Reste des großen Mannes in ein Massengrab gesenkt wurden, weil ein eigenes Grab für ihn nicht bezahlt werden konnte, daß bei dem abscheulichen Wetter am Begräbnißtag, am 6. Dezember, die wenigen Freunde, die dem Toten das letzte Geleit gaben, unterwegs umkehrten und daß so kein liebender Blick mehr auf die Stätte fiel, wo der Sarg in die Erde gesenkt wurde, das ist schon in Nr. 23 dieses Jahrganges der „Gartenlaube“ erzählt worden. Ueber die kläglichen Umstände, in denen er seine Witwe und seine Kinder hinterlassen mußte, schweigen wir. Es fruchtet nichts, noch heute seine Mitwelt deshalb anzuklagen.

Bei Schnee und Regen ward der Meister einst in die Erde gesenkt, aber was er uns in seinen Schöpfungen hinterließ, ist ewiger heller Sonnenschein. Rudolph Genée.     


  1. Dieses Bild, weitaus das beste unter allen vorhandenen, ist nach einem kleinen kostbaren Medaillon-Relief gefertigt, welches Mozart im Jahre 1788 seiner Frau Constanze schenkte, die es als Gürtelschmuck trug. Das überaus zarte Relief, aus einer Komposition von Wachs und Gips, hat eine dunkle Stahleinfassung. Es kam von Mozarts Witwe in den Besitz ihres ältesten Sohnes Karl Mozart, welcher als Beamter in Mailand lebte und daselbst 1859 verstorben ist. Aus seiner Hand erhielt es 1857 Frau v. Grünhof, welche als ehemals ausgezeichnete Sängerin mit ihren Eltern in Mailand lebte und dem Sohne Mozarts viel aus den Opern seines Vaters vorgesungen hatte, wofür ihr dieser durch jenes kostbare Geschenk dankte. Er fügte eine schriftliche Versicherung bei, daß dieses Porträt „unter allen ohne Ausnahme der vielen und verschiedenartigen Abbildungen seines Vaters als die vollkommen ähnlichste von seinen sämmtlichen Angehörigen und Bekannten sowohl, als auch von ihm selbst anerkannt war.“
  2. Die vollständige Partitur der „Zauberflöte“, von Mozarts eigener Hand geschrieben, befindet sich in der Musikabtheilung der Berliner königlichen Bibliothek. Es ist ein makellos erhaltener Band von 224 Blättern in Querfolio.
  3. Das hölzerne Häuschen wurde in neuerer Zeit von der Stadt Salzburg erworben, dorthin verbracht und auf dem Kapuzinerberg aufgestellt.
  4. Das Porträt ist in Mozarts letztem Lebensjahr von seinem Schwager, dem Hofschauspieler Lange, gemalt worden, aber unvollendet geblieben, wie das Original im Salzburger Mozartmuseum zeigt und auch auf unserer Darstellung zu erkennen ist. Es ist nur eine dilettantische Arbeit, da jedoch auf den Kopf ersichtliche Sorgfalt verwendet wurde, so läßt sich annehmen, daß es in den Hauptformen des Kopfes getreu ist wenn auch der Gesichtsausdruck etwas Fremdes hat.