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Zu den Sagen über Constantin’s des Grossen Jugend

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Textdaten
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Autor: Eduard Heydenreich
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Titel: Zu den Sagen über Constantin’s des Grossen Jugend
Untertitel:
aus: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Bd. 12 (1894/95), S. 153–154.
Herausgeber: Ludwig Quidde
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1896
Verlag: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr
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Erscheinungsort: Freiburg i. B. und Leipzig
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Quelle: Scans auf Commons
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[153] Zu den Sagen über Constantin’s des Grossen Jugend. Im 9. Bande dieser Zeitschrift, Heft 1, Seite 1 ff., habe ich ausgeführt, dass die Jugend Constantin’s des Grossen, auch abgesehen von seiner Geburt, Anlass zu sagenhaften Ueberlieferungen geworden ist. Die zwei Hauptgruppen derselben, die Erzählung von der merkwürdigen Wiedererkennung des Kaisersohnes durch den Vater und der Bericht von den betrügerischen Kaufleuten, liegen in einer Gruppe abendländischer Erzählungen, darunter in dem von mir herausgegebenen „Lateinischen Constantinroman“ vereinigt vor, wurden aber früher ursprünglich getrennt von einander überliefert. Als Vertreter der so getrennt überlieferten Geschichte von der Wiedererkennung zwischen Vater und Sohn wurde a. a. O. S. 14 ff. das Eusignius-Martyrium erörtert, das in Petri Lambecii comment. de biblioth. Caesarea Vindob. VII (1781), 222 ff. aus einem Wiener Pergamentcodex des 14. Jahrhunderts abgedruckt ist. Aus der vollständigen Unwissenheit, die der Verfasser dieses μαρτύριον τοῦ ἁγίου μάρτυρος Εὐσιγνίου mit den Staatsverhältnissen des Abendlands zeigt, folgerte ich, dass dieser Bericht im Orient entstand.

Diese Orientalische Ableitung hat inzwischen eine frappante Bestätigung durch die Mittheilungen erhalten, welche A. Carrière in seiner Schrift „Nouvelles sources de Moïse de Khoren“ (Vienne 1893) S. 15 f. auszugsweise gibt von einer Armenischen Sage, einer „des plus intéressantes à étudier et à comparer avec d’autres, lorsque le texte entier en aura été publié“ (Carrière a. a. O. S. 16). Ihr erster Theil wird von dem genannten Gelehrten mit folgenden Worten umschrieben: „Constantin naquit des amours de Costantius avec une fille trouvée dans une auberge. Cost. qui revenait de la guerre des Sarmates, continue son chemin, arrive à Rome, y devient roi et épouse la fille du roi Maximianos dont il a un fils dénué d’intelligence et incapable de lui succéder. Il fait alors chercher dans tout l’empire [154] un enfant qu’il pourrait adopter, et ses émissaires prennent logement dans l’auberge où Hélène se trouvait encore avec son fils Constantin dont elle est en mesure de prouver l’origine royale. L’enfant est immédiatement ramené à Rome, reçu avec joie par Cost. qui le fait élever et bientôt le proclame César“. Zug um Zug dieser Französischen Inhaltsangabe findet sich im Eusignius-Martyrium wieder: nur wird in diesem die Frau des Constantius ἐξ ἧς ἔτεκεν υἱὸν μωρὸν (Lambecii comment. VIII, 232) nicht näber bezeichnet.

Carrière würde sich durch die vollständige Veröffentlichung jenes Armenischen Sagenberichtes ein entschiedenes Verdienst erwerben. Denn nicht nur mit dem Anonymus de Constantino Magno hat diese Armenische Sage „quelques points de contact“, sondern noch mit zahlreichen andern Berichten, über die am vollständigsten Coen in seinem vortrefflichen Buche „Di una leggenda relativa alla nascita e alla gioventù di Costantino Magno“ (Rom 1882) gehandelt hat.

Die Griechischen Berichte über die Jugend Constantin’s des Grossen habe ich inzwischen in meinem Beitrag zu den „Griechischen Studien, Hermann Lipsius zum 60. Geburtstag dargebracht“ (Leipzig 1894, S. 88 ff.) einer eingehenden Quellenanalyse unterzogen. Ausser in dem Eusignius-Martyrium findet sich die Legende noch bei Nikephorus und bei Suidas, der sie, allem Anschein nach, dem Excerptenwerk des Constantinus Porphyrogenetus verdankte. Georgius Monachus nahm sie in seine Weltchronik nicht auf; und dieser Umstand scheint es hauptsächlich gewesen zu sein, der das völlige Verschwinden derartiger Berichte in der späteren Griechischen Literatur herbeiführte.

Das gegenseitige Verhältniss der Griechischen zur Armenischen Version lässt sich gegenwärtig, da diese von Carrière nur auszugsweise mitgetheilt ist, nicht sicher feststellen. Nicht einmal die Zeit ist für beide Versionen klar. Das 7. und 8. Jahrhundert, welche Coen S. 58 für das Eusignius-Martyrium annahm, ist nur als frühstmöglicher Zeitansatz zu betrachten, und gar das Alter der Armenischen Legende entzieht sich bis jetzt der Beurtheilung. Wie schwierig aber die Chronologie derartiger Armenischer Berichte ist, erhellt z. B. daraus, dass Carrière noch 1891 in dem Buche „Moïse de Khoren et les généalogiques patriarcales“ die Abfassung der Armenischen Geschichte des Moses von Khorene zwischen die Jahre 460 und 480 verlegen zu können meinte, während er jetzt in der genannten Schrift des Jahres 1893, zu der 1894 noch ein Supplement erschienen ist, nachzuweisen sucht, dass dieses Geschichtswerk Documente aus dem Ende des 6. Jahrhunderts verwerthete.

Eduard Heydenreich.