Zedler:Winckler, (Andreas) ein Magister der Philosophie
Winckler, (Andreas) ein Magister der Philosophie, wie auch Erb- Lehn- und Gerichts-Herr auf Starsiedel, ward gebohren zu Leipzig den 29 Julius 1684 aus einer uralten und vornehmen Familie. Sein Herr Vater war Paul Winckler, auf Dölitz, Stintz und Starsiedel, vornehmer des Raths und wohlverordneter Vorsteher des Hospitals zu St. Johannis, und die Mutter, Frau Dorothee Sophie, gebohrne Friesin, des weyland Magnifici, Hochedelgebohrnen und Hochgelahrten Herrn Martin Friedrich Friesens, der Philosophie und Medicin Doctors und Professors, wie auch der Medicinischen Facultät zu Leipzig hochansehnlichen Dechantens älteste Tochter. Sein Herr Groß-Vater war Andreas Winckler, auf Dölitz, Stintz und Starsiedel, Vornehmer des Raths, Vorsteher des Hospitals zu St. George, wie auch weit berühmter Handels-Herr zu Leipzig. Die Frau Groß-Mutter, Frau Marie Elisabeth, gebohrne Klemmin. In seinen ersten Jahren liessen ihm seine sorgfältigen Eltern eine Zeitlang durch geschickte Informatores zu Hause unterrichten, unter denen sonderlich gewesen D. Friedrich Werner, so als Archidiaconus an der Nicolai-Kirche zu Leipzig, den 21 April 1741 gestorben. Als nun unser M. Winckler unter getreuer Anweisung dieses so geistreichen als gelehrten Mannes einen guten Grund geleget, gaben ihn seine Eltern unter die Aufsicht des zur selbigen Zeit berühmten [490] Rectors an der St. Nicolai-Schule, M. Crells. Unter diesem geschickten Schulmanne nahm er in den schönen Wissenschafften dergestalt zu, daß er gar bald auf die Universität in seiner Vaterstadt seine Theologische und Philosophische Studien antreten konnte. Er trieb auch dieselben unter der Anführung der damahls berühmten Männer und sonderlich des Herrn D. Günthers, mit solchem Erfolg, daß er im Jahr 1705 die höchste Würde in der Weltweisheit annehmen konnte. In eben diesem Jahre wurde er auch als ein Mitglied des Donnerstägigen grossen Prediger-Collegii zu Leipzig aufgenommen. Doch der ungemeine Trieb zu den Wissenschafften und sonderlich zu den Orientalischen Sprachen verursachten, daß er, um dieselben gründlich zu studiren, fremde Länder besuchte. Zu dem Ende begab er sich nach Engelland, und hatte das Glück, der so gründlich als getreuen Anweisung des D. Edzards und Heinrich Sikens zu genissen. Eben zu der Zeit, als er sich in Engelland aufhielte, erfolgte 1710 zu Leipzig das Absterben seines Herrn Vaters. Hierdurch wurde er zwar schmertzlich betrübt, aber doch noch nicht zurück geruffen: Denn die allzu grosse Begierde sich in den Orientalischen Sprachen feste zu setzen, hielte ihn noch einige Zeit auf, so daß er zusammen fünff Jahre in Engelland blieb und dadurch Gelegenheit hatte, sich mit den gelehrtesten Männern zu besprechen, und die Sprache des Landes zugleich vollkommen zu erlernen. So kam er denn mit einer weitläufftigen Wissenschafft aus Engelland in seine Vaterstadt wieder zurück. Jederman, der ihn kannte, war versichert, daß seine Bemühung nicht vergebens gewesen, immassen er denn vor allen andern das Lob besaß, daß er ein grosser Kenner von der Ebräischen, Syrischen, Arabischen, Coptischen, Rabbinisch-Jüdischen und andern Sprachen war. Er hatte sich deswegen auch eine zahlreiche Bibliotheck von den schönsten in diese Materie einschlagenden Büchern gesammlet. Wie er denn von denen besten Jüdischen und Rabbinischen Schrifften einen guten Vorrath besaß, auch nicht wenig Handschrifften von den Juden selbst erhalten. Denn seine Liebe zu den Jüdischen Wissenschafften gieng so weit, daß er sich nicht nur viele Jüdische Gebete zu seinem eigenen Vergnügen schreiben, sondern auch eine so genannte Jüdische Thora mit allen Zubehör und Kostbarkeiten verfertigen ließ, welche hernach der höchstseelige König von Pohlen, Friedrich August der Andere, an sich gekaufft, und ihr in Dero Königl. Bibliotheck zu Dreßden einen Platz vergönnet. Es hatte sich auch unser Herr M. Winckler durch öffters Lesen der Jüdischen Schrifften und Umgang mit gelehrten Juden eine solche Fertigkeit in ihrer Sprache und Schreibart erworben, daß er auch bey den verworrensten Schreibarten der Juden einen Dollmetscher mit aller Fertigkeit abgeben konnte. In der Arabischen Sprache hatte er nebst andern schönen Büchern auch ein kostbares Exemplar von dem Türckischen Alcoran, das sauber und zierlich auf Pergament geschrieben [491] ist. Anderer kostbaren Stücke anjetzo nicht zu gedencken, woraus seine Neigung zu diesen Sprachen und Alterthümern sattsam erhellet. Er war nicht lange aus Engelland wieder zurückgekommen, so richteten die sämmtlichen Mitglieder des gedachten Donnerstägigen grossen Prediger-Collegii, seiner weitläufftigen Wissenschafften und Meriten wegen, ihr Absehen auf ihn. Und da der damahlige Senior Herr M. Kettner, so jetzo noch in einem sehr hohen Alter als Pastor an der St. Johannis-Kirche zu Leipzig stehet, sein in die vierzehen Jahr verwaltetes Seniorat niedergelegt und sich verehliget, so wurde er einstimmig 1715 zum Senior dieses Prediger-Collegii erwählet, welches er auch bereitwilligst übernahm, und dieses Amt mit aller Wachsamkeit und Sorgfalt bis an das Ende seiner Tage verwaltet hat. Währender Zeit dieses Seniorats hat er alles in der schönsten Ordnung gehalten und ist beständig um den Flor und Wachsthum dieser Prediger-Gesellschafft besorgt gewesen. Zu dem Ende hat er nicht nur viele Gesetze, die zur Aufnahm und Nutzen besagter Gesellschafft gereichen könnten, gemacht und verändert, sondern auch überhaupt sich alles angelegen seyn lassen, was zu derselben Ruhm und zum Vergnügen der sämmtlichen Mitglieder etwas beytragen können. Er hat auch unter seinen Seniorat das Glück gehabt, das Jubel-Fest dieses Prediger-Collegii zu erleben, da dasselbe 1740 den 20 Octobr. das Andencken der vor hundert Jahren geschehenen Stifftung feyerlich begieng. Bey dieser Jubel-Feyer hat er als Senior alles nöthige besorgt und veranstaltet, indem er auch nach gehaltener Danck-Predigt und mit Musick abgesungenen Lateinischen Ode eine Zusammenkunfft zur Ergötzung und Verbindung der sämmtlichen Mitglieder angestellet, und dazu die vornehmsten Männer in Leipzig einladen lassen, um dadurch dem Collegio eine Ehre zu machen. Er war zwar in seinen letzten Jahren mit dem Podagra behafftet; dennoch aber wurde er dadurch nicht verdrießlich gemacht, sein Amt, wie zuvor mit aller Sorgfalt zu verwalten. Endlich aber wurde er durch den Tod den 19 April 1742 aus dieser Zeitlichkeit abgefordert, nachdem er sein rühmliches Leben gebracht auf 57 Jahre, 8 Monate, 2 Wochen und 6 Tage. Es wurde ihm darauf den 10 May besagten Jahres von dem öffters erwehnten Donnerstägigen grossen Prediger-Collegio, dessen Senior er in die 27 Jahre lang gewesen, in der Pauliner-Kirche durch Herrn M. Christian Samuel Forbigern, so zur Zeit als Pastor Substitutus an der St. Johannes-Kirche zu Leipzig stehet, die Leichen-Predigt, und durch Herrn M. Ludwig Wilhelm Wildenhayn, so gegenwärtig Pfarr zu Langenhennersdorf bey Freyberg ist, in Beyseyn der mehresten Mitglieder, so sich damahls zu Leipzig befanden, die Parentation gehalten.