Zedler:Wild oder Wildt, (Aegidius)
Wild oder Wildt, (Aegidius), der Welt-Weisheit Magister, wie auch Pastor und Superintendent zu Plauen, ist gebohren zu Reichenbach im Voigtlande den 16 May 1601, hatte zum Vater Aegidius Wild, Bürgern und Tuchmachern daselbst, zur Mutter aber Magdalenen, eine gebohrne Bauerin.
Diese seine Eltern, und sonderlich die Mutter, haben ihn in der zarten Kindheit schon zum Heil. Predigt-Amt gewidmet, weil sie solchen in ihren hohen Alter von GOtt geschenckt bekommen, und die Brüder alle der Handlung und dem Tuchmacher-Handwerck sich ergeben. Doch dieser gute Vorsatz wäre bald unterbrochen worden, da eine unvermuthete Feuers-Brunst die Eltern um Hauß, Hof und alles Vermögen gebracht, als dieser ihr Sohn kaum das 12 Jahr erreichet. Es erweckte ihn aber GOtt an Johann Artzten, Bürgern und Tuchhändlern einen andern Versorger, welcher ihn ins Hauß und an seinen Tisch nahm, dafür er seinen Sohn nach der Schule privatim zu informieren hatte.
Hierauf begab er sich 1618 nach Gera, dasiges Gymnasium zu frequentiren, und weil er um eine freye Wohnung bekümmert war, solche aber in der Stadt nicht gleich finden konnte, muste er sich eine viertel Meile von der Stadt in einer Mühlen gantzes Jahr mühselig behelffen, drey Kinder informiren, grosse Kälte ausstehen, und alle Tage einen so weiten Weg in die Schule gehen; 1619 fand er seine Versorgung in der Stadt, allein in einem Gasthofe, wo er ausser der Schule denen Gästen [685] mit aufwarten, und Bier und Wein auftragen müssen.
Bey dieser kümmerlichen Lebens-Art, die er drittelhalb Jahr hingebracht, hat er doch fleißig studirt, des Nachts beym Mondenschein, in Ermangelung der Kosten zu Lichten seine Lectiones gelernet, und unter Anführung derer Rectoren M. Hubmeiers und M. Genselii einen tüchtigen Grund geleget, daß er 1622 zu Michaelis die Universität Leipzig mit Nutzen beziehen können. Ehe er darzu sich entschloß, machte er vorher Friedrich Metzschen, Churfürstlich-Sächs. Appellations-Hof- und Justitien-Rath, auf dem Schloß zu Mylau seine Aufwartung, und erhielte aus sonderbarer Gewogenheit von ihm alsbald 10 Gülden und durch seine Vermittelung von dessen Bruder Hannß Dietrich Metzschen auch 10 Gülden zum Geschencke, womit er hernach getrost nach Leipzig gieng, und GOtt bat, ihm nur 2 Jahr auf der Universität bleiben zu lassen. GOtt aber seegnete sein Vorhaben dergestalt, daß, weil ihm die Metzschische Wohlthat noch etliche Jahre angediehen, er auch ein Churfürstliches Stipendium zu geniessen hatte, und Zacharias Schürers, Buchhändlers daselbst, Jugend etliche Jahre zu informiren bekam, er 9 Jahr zu Leipzig bleiben, und was rechtschaffenes lernen konnte. Worzu ein vieles beytrug, daß er bey D. Andreas Bauern, Archi-Diacono zu St. Nicolai und Professor der Hebräischen Sprache, einen freyen Zutritt hatte, und sich dessen zahlreichen, wie auch der Nicolai-Kirchen zugehörigen Bibliotheck bedienen durffte.
Im Jahr 1624 erlangte er den ersten Lohn von seinem Fleiß, da er zum Baccalaureo der Philosophie öffentlich erkläret wurde, bewieß auch durch 2 gehaltene Disputationes, deren die erste de Substantia in Logicis, und die andere de tempore in Physicis handelte, daß er der Ehre würdig sey, worauf er 1626 den 26 Jenner den Magister-Titul bekam, und so fort eine Disputation de Enunciatione, wie auch eine Oration de tremendo SS. Trinitatis mysterio, welche auch gedruckt worden, rühmlichst hielte.
Von der Zeit an hat er sich mit besonderm Fleiß auf die Theologie geleget, und sich darinnen der getreuen Führung D. Heinrich Höpffners gantzer 3 Jahr lang zu nicht geringem Nutzen öffentlich und privatim bedienet, auch die Collegia D. Johann Höpners und D. Christian Langens ohnausgesetzt besucht, und zweymahl öffentlich, als unter dem Vorsitz D. Höpners de Anti-Christo. 1629 und 1631 unter dem Vorsitz D. Langens ex dicto 2 Tim. III, 15. 16. 17. mit grossem Ruhm disputirt, mithin öffentliche Ehren-Aemter zu bedienen sich wohl geschickt gemacht.
Im Jahr 1631 muste er am Mariä-Verkündigungs-Fest auf dem Hause Weissenstein bey Pirna eine Gast-Predigt ablegen, welche dem Patron, Heinrich von Bünau, so wohl gefallen, daß er bald darauf zum Pfarrer und Schloß-Prediger dahin beruffen, und den 17 November gedachten Jahres von dem Ober-Consistorio darzu confirmiret worden. Er trat den I. Advent-Sonntag diesen Dienst so fort an; kaum aber hatte er solchen fünff viertel Jare verwaltet, wurde er auf ergangenen Chur-Fürstl. Befehl unter dato den 27 Jenner zu einem [686] Pastor und Inspector nach Waldheim beruffen, und dieses Amt von ihm am Sonntage Septuagesimä angetreten.
Es waren damahls elende Kriegs-Zeiten, und die Pest räumte in seinem ersten Jahr über 400 Menschen hinweg. Seine Magd wurde auch damit angesteckt, und er sahe sich genöthiget, seine Pfarr-Wohnung zu verlassen, und vor der Stadt in das Schloß-Haus sich zu begeben. Seine Liebste bekam die Pest auch, und war doch niemand im Städtgen zu finden, der sich seiner erbarmete. Doch ließ GOtt ihm selbst die Pest nicht berühren, ob er schon seiner Liebsten nicht von der Seite kam, und hatte ihn zu einem wichtigern Amte aufgehoben.
Im Jahr 1643 wurde er von dem Rath zu Plauen zu einer Gast-Predigt eingeladen, und obwohln wegen der im Lande schwebenden grossen Kriegs-Unruhe sehr unsicher zu reisen war, machte er sich dennoch auf den Weg, in Willens den XIV Sonnag nach Trinitatis die angetragene Predigt abzulegen. Weilen aber wegen eines unversehenen feindlichen Einfalls der Gottesdienst an bemeldten Sonntage eingestellet werden muste; als hat er Montags darauf den 4 September in volckreicher Versammlung sich hören lassen, und den Dienstag die Vocation zum verledigten Pfarr-Amte eingehändiget bekommen, worauf ihm nach ausgestandenen Theologischen Colloquio im Ober-Consistorio die Churfürstl. Confirmation zur Superintendur gnädigst übergeben worden. Er hielte so dann am XXII Sonntage nach Trinitatis seine Anzugs-Predigt, und verwaltete dieses Amt gantzer 30 Jahr.
Seine erste Bemühung gieng dahin, daß die vom Jahr 1635 noch in der Asche liegenden Pfarr- und Schul-Gebäude bald möchten wieder erhaben, und in vorigen Stand gebracht werden. Weil aber bey denen damahligen Kriegs-Unruhen der Vorsteher des Deutschen Hauses und desselben Einnahme nicht im Stande war, solches zu bewerckstelligen, gab er sein eigen von Waldheim mitgebrachtes Geld auf die 500 Thaler zum bauen her, damit das wichtige Gebäude zum gewissen Stand kommen, und sonderlich die Schul-Jugend in der Information nicht versäumet werden möchte.
Er war auch so glücklich in seiner Veranstaltung, daß er seinen Einzug in die neuaufgebauete Pfarr-Wohnung den 21 Junii 1645 mit singen und beten halten können, wobey alle Anwesende GOtt vor diese Wohltat gedancket. Den 18 August darauf geschahe auch die Einweyhung und Introduction der Schulen, wobey er eine Lateinische Oration gehalten, und zugleich den neu vocirten Rector Christian Leißnern vorgestellet, und zu seinem Amte eingewiesen. Im Jahr 1651 wurde er den 23 Aug. oder 13 Sonntag nach Trinitatis von D. Johann Hülsemann aus Leipzig zu seinem Amte investiret, da denn der Text zur Predigt aus Jerem. XV, 19. genommen war. Es richtete auch unser Wild sich genau nach dieser gegebenen Vorschrifft, er trug die Lehre rein und unverfälscht vor, und lebete, wie er lehrete.
Sonderlich war er bemühet, der Unwissenheit seiner Gemeinde durch deutliche Catechismus-Examina abzuhelffen, die er nicht nur selbsten fleißig hielte, sondern auch andern zur Anweisung eine kurtze Erklärung des kleinen Catechismi [687] abfassete, und drucken ließ. Er brachte die vom Superintendent Pamlern aufgerichtete Priester-Witwen-Casse in bessere Verfassung und holete darzu so wohl die Churfürstl. als auch Hoch-Fürstl. Sächsische Confirmation unterthänigst ein. Jene erhielte er den 9 Decembr. 1667 diese aber den 20 Febr. 1668 und machte solche hernach durch den Druck bekannt. Ueberhaupt hatten die Armen an ihm einen gütigen Wohlthäter, und noch kurtz vor seinem Tode sorgete er vor dieselben. Er entdeckete diesen seinen Willen seinem andern Sohne, und meldete, wie er entschlossen wäre ein Legat in die milden Kästen zu vermachen. Ob ihn nun schon die Schwachheit und darauf erfolgte Tod an der Vollziehung gehindert, so haben solches doch die sämtliche Erben bewerckstelliget, und zum unvergeßlichen Nachruhm und Andencken ihres Vaters hundert Thaler in den Schulen-Kasten dergestalt gestifftet, daß die gewöhnlichen Zinsen davon jährlich am Tage Egidii halb unter die armen Schüler, und halb unter die Hauß-Armen sollen vertheilet werden.
Seine Amts-Treue erhellet auch aus denen Synodal-Colloquien, deren er mit seinen untergebenen Geistlichen nur in ersten 15 Jahren neune gehalten, und wovon das 9te sehr beträchtlich war, welches den 1 Septemb. 1658 gehalten wurde. Das Thema zur Unterredung hiese: Ob die in der Augspurgischen Confeßion verfaste Lehre der Lutheraner sey 1) die rechte reine, 2) älteste und 3) allein seeligmachende Lehre. Zum Respondenten hatte er sich Johann Bleymüllern, Predigern zu Auerbach, erwehlet. Die Predigt aber verrichtete über Ebr. XIII, 8. Johann Fidler, Diaconus zu Reichenbach, welcher auch solche, nebst dem Synodal-Ausschreiben des Superintendentens vom 4 Aug. 1658 zu Zwickau 1660 in 12 dem Druck übergeben. In dem gemeldeten Ausschreiben saget der Superintendent, daß dieses Synodal-Colloquium das 9 und wo es der Göttlichen Vorsehung nicht anders gefallen solte, vielleicht zum Abschied gewiedmet sey. Es ist hieraus zu schliessen, daß schon damahls die lange hernach erfolgte Separation der Schrifftsäßigen Pfarren und Schulen, und Translocation nach Reichenbach vielleicht von dem Pastor daselbst, als welcher nebst denen andern Adjunctis beym Synodo nicht gegenwärtig gewesen, gesuchet worden, und hohen Orts resolviret gewesen, aber seinen Fortgang nicht bekommen. Die Dancksagungs-Rede, welche Bleymüller bey diesem Synodo gehalten, bestätiget solches mit mehrern. Denn gleich auf dem Titul stehet, daß sie in dem Jahr gehalten:
Und in der Vorrede bedienet er sich der Worte: Viri Ephoriam hanc Plaviensem procul dubio adhuc agnoscentes etc. sagt auch bald darauf, es käme auf GOtt und den Churfürsten an, wenn es im alten Stand solte bleiben. Es bliebe auch damahls in dem alten Stand, und Herr Wild behielte seine Inspection unzertheilt bis an sein Ende, welches den 4 Septemb. 1673 erfolgete.
Er war sonst von einer gesunden Leibes-Constituion, und hatte [688] Zeitlebens wenig Beschwerung gehabt, also daß er sein Amt ohne Abgang des Gesichts, Gedächtnißes, Verstandes und Sprache bis zum 28 Aug. bemeldten Jahres verrichtet. Er stund auch mit denen berühmtesten Theologen damahliger Zeit in und ausserhalb Sachsen in Correspondentz, und ist Schade, daß man die an ihn abgelassenen Briefe nicht gesammlet hat. Den Doctor-Titul anzunehmen, hat er sich niemahls überreden lassen, ob er schon darzu invitiret worden, doch hat er den Nahmen eines rechtschaffenen Gelehrten billig verdienet, und auch davon einige Specimina, ausser denen schon angeführten Academischen und andern Schrifften, der Welt mitgetheilet, davon unten nachzusehen.
Seinen Ehestand betreffend, so hat er sich 1631 den 18 Octobr. mit Jungfer Marien, Clemens Klemmens, Viehhändlers zu Sörnitz Tochter, verheyrathet, aus welcher Ehe er vier Söhne und eine Tochter erhalten, nemlich: 1) M. Theophilum, Land-Diaconum zu Jößnitz zu Plauen, gebohren den 23 April 1633 2) Theodoren, gebohren den 31 Mertz 1635. 3) Gottfrieden, gebohren den 6 Junii 1638 war beyder Rechte Doctor, Practicus und Vice-Bürgemeister zu Plauen; 4) Aegidius, gebohren den 19 Junii 1643 war Kauff- und Handelsmann zu Plauen; 5) Marien Magdalenen, gebohren den 4 Jenner 1645.
Seine Schrifften sind ausser den schon gedachten:
- Protevangelii Fodina, d. i. die reiche Fund-Grube der ersten Paradieß-Verheissung in 6 Predigten über Genes. III, 15. ausgeführet, Zwickau 1651 in 8.
- Fünff Ehe-Rosen, aus dem Hohenlied Salomon Cap. II,1. Bey der Copulation, Johann Zürners, Amtschössers zu Plauen etc. und Jungfer Rosina, Herr D. Johann Dettlefs, Rechtsgelehrten daselbst Tochter den 30 Octobr. 1649 erklähret, Zwickau in 4.
- Aller treuen Kirchen-Lehrer und gläubigen Davidischen Hertzen seelige Eigenschafft aus dem Psalm XIII, 6. bey Beerdigung, M. Friedrich Dörffels, P. L. C. und Land-Diaconi zu Plauen etc. etc. den 2 Aug. 1672 gezeiget, und gedruckt zu Plauen, in 4.
- Treuer Kirchen-Lehrer Himmels-Glantz und Sternen-Klarheit aus Dan. XII. Bey Beerdigung M. Andreas Spitzners, Pastor zu Auerbach, vorgestellet, Plauen 1671, in 4.
- Ministerii Ecclesiastici angelica eminentia das ist, des Heil. Predigt-Amts Englische Hoheit und Würde, bey der Investitur dreyer Kirchen-Lehrer zu Elsterberg, Zwickau 1661 in 4.
- Catechismus-Erklärung in Fragen und Antworten gestellet, für die liebe Jugend und andere Christen, so von M. Joh. Avenario, vermehrter herausgegeben worden, 1698.
Joh. Paul Oettels zuverläßige Historie aller Pastoren und Superintendenten zu Plauen, p. 70. u. ff.
Frehers Theatr. Eruditor.