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Zedler:Weinhausen, (Adolph)

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Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste
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Wein-Hefen

Band: 54 (1747), Spalte: 785–789. (Scan)

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Weinhausen, (Adolph) ein ehemahliger Calvinischer Bürger in Leipzig, welcher bey Lebzeiten und der Regierung Churfürst Augusts sich allda niedergelassen, auch von dem Rath zur selbigen Zeit zu ihren Bürger auf und angenommen wurde, und allda seine bürgerliche Nahrung, als Kaufmannschafft und Factorey triebe, also daß er neben andern Bürgern sein ehrliches Auskommen hatte. Es war aber derselbe der Calvinischen Lehre anhängig und verkleinerte hierbey die reine Evangelische Lehre, hielte auch mit seines Glaubens Genossen heimliche und öffentliche Gemeinschafft und Berathschlagung, ungeachtet er von den Visitatoren, dem Rath und insonderheit von D. Nicolaus Selneccern, der ihn seines Glaubens-Bekänntnisses wegen Rechenschafft zu geben, vor das Ministerium hatte fodern lassen, zur Rede gesetzet worden; weswegen er bey männiglich, sonderlich beym gemeinen Manne verhast wurde. Dieser Weinhausen hatte sechs Studenten, so von Bern aus dem Schweitzerlande bürtig, die ihm wegen der Religion anvertrauet waren, bey sich in seinem Hause [786] und Tische. Unter denselben war ein Studiojus der Theologie, welcher D. Samuel Hubern, ehe er noch aus dem Berner-Gebiete in der Schweitz sich heraus gemacht, sehr wohl gekennet, und mit ihm Freundschafft gepflogen. Demnach nun D. Samuel Huber zu Wittenberg erfahren, daß dieser Student zu Leipzig bey Weinhausen anzutreffen, schickte er ihm im Jahr 1592, als er seine Protestation-Schrifft ausgehen lassen, dieselbe mit einem eigenen Bothen zu, die vormahls gepflogene Bekanntschafft hierdurch zu verneuern und zu continuiren. Als hierauf dieser Schweitzerische Student im Jahr 1593. nach Wittenberg reisete, hat D. Huber, als er solches erfahren, sich zu ihm in seine Wohnung begeben, auch ihn sodann zu sich zu Gaste gebeten, und zugleich vermeldet, wie er bald nach Leipzig kommen würde, da er denn auch ihr Gast seyn wolte. Als er nun darauf auch würcklich in Leipzig ankommen, haben ihn die Schweitzerischen Studenten in Weinhausens Hauß und zwar in seiner Studier-Stube zu Gaste gebethen, wie denn auch D. Johann Major allda mit gespeiset; Hierauf nun hat D. Huber unter andern Reden, auch Anlaß genommen, von den Calvinisten, und wie sie greuliche Lehre führten, viel zu reden; da sich denn Weinhausen der Calvinisten angenommen, und unter andern die Formulam Concordiä verachtet, auch dabey geläugnet, daß Christus nach seiner Menschheit allgegenwärtig sey; auf welches denn D. Huber vieles argumentiret und das Gegentheil dargethan, deme D. Major auch Beyfall gabe. Hierauf liesse sich Weinhausen sehr hart wider der Chur-Sachsen Administrator heraus, wie auch wider die Geistlichen, und wolte behaupten, D. Gundermann habe die Formulam Concordiä nicht unterschrieben, welches D. Huber nebst andern Sachen behaupten wolte, da es denn geschahe, daß derselbe mit D. Majorn auch im Streit, sonderlich wegen seines Buchs contra Kemedoncium geriethe, welcher so hefftig wurde, daß sie beyde fast zusammen gekommen wären, wenn nicht D. Huber endlich seinen Abschied genommen hätte. Darauf wurde Weinhausen den andern Tag auf das Rathhauß gefordert, und dieser Sache wegen auf etliche Artickel gefraget, davon er aber das meiste geleugnet, weswegen sie ihn auch nach Hause zu gehen geheissen. Den 26 May aber ist er wiederum auf das Rathhauß beschieden worden, da er denn auch D. Hubern daselbst gefunden. Worauf man sie denn alle beyde zugleich vor die vom Rath darzu verordnete Herren vernahm und gegen einander hörete. Da sich denn Weinhausen auf die ihm vorgelegte Artickel nach aller Möglichkeit verantwortete, allerhand Ursachen und Entschuldigungen, seine Sache zu beschönen und sich frey zu machen, hervor suchte, und endlich diesen Bescheid erhielte: Er solte nach Hause gehen, man hätte von dieser Sache nicht weiter mit ihm zu reden. Als nun D. Huber gesehen, daß er durch diese Mittel des Inquisition-Processes gegen Weinhausen nichts erhalten können, soll er dreyerley gesucht und gebethen haben. Erstlich, daß man ihm eine Abschrifft des Zeugnisses, so abgeleget worden, mittheilen solte, wie gleichfals die Universität deren Zeugen Aussage, so von ihnen abgehöret, ihm unter ihren Insiegel, in Abschrifft allbereit gegeben hätte; [787] Zum andern, solten sie Weinhausen auflegen, daß er ihm die Zehrung, so er in Leipzig verthan, zahlete; Zum dritten, solten sie Weinhausen in Arrest oder gefängliche Hafft nehmen. Welches ihm aber alles von denen Herren rund abgeschlagen wurde, denn es wider ihren Stylum und Brauch, daß sie Zeugnisse, so bey ihnen deponiret, einer Parth mittheileten; wüsten auch nicht, aus was Ursachen und Gründen des Rechtens, Weinhausen ihm seine Zehrung zu bezahlen schuldig seyn solte; vielweniger könnten sie Weinhausen mit Arrest oder Gefängniß belegen, sintemahl er ihr Bürger, und gegen diese Ansprüche gnungsam gesessen. So bald das Gerüchte von Weinhausen erschollen, ob solte er das gefährliche Gezäncke in seinem Hausse muthwilliger Weise angestifftet, angefangen, oder nur Anlaß darzu gegeben haben, war der gemeine Pöbel, bey welchem ohnedem Weinhausen verhast war, auf Mittel und Wege bedacht, sich an Weinhausen, in dessen Hausse D. Hubern dieser Schimpff wiederfahren, zu rächen. Denn man fand den 19 May Zettel nicht allein auf dem Marckte ausgestreuet, sondern auch an denen Eckhäusern und Collegiis angeschlagen, ohngefehr dieses Innhalts: „Ein jeder, der ein recht Lutherisch Hertz habe, solte sich des Abends um 6 Uhr auf dem Marckte einfinden, allda Adolph Weinhausen, des Calvinisten, Hauß zu stürmen, und welche Bürger recht Lutherisch wären, solten den Stürmern keinen Einhalt oder Hinderung thun.“ Als es nun Abend worden, hat sich auf bestimmte Zeit, ungefehr halb 9 Uhr, das dienstlose Gesinde, auch Handwercks-Pursche, eine grosse Anzahl (aber wenig Bürger) Bürgers-Söhne und Studenten auf dem Marckt zusammen gefunden, und gedachten Adolph Weinhausen die Fenster eingeworffen. Ob sich nun wohl die Stadt-Knechte, nebst der zugegebenen Bürger-Wache möglichen Fleisses bemüheten, solchen Muthwillen zu steuren, hat sich doch daran niemand gekehret, sondern immer fortgefahren, und die Wache mit Pflastersteinen zurück getrieben, daß sie die Flucht unter das Rathhauß nehmen müssen. Als auch Weinhausen etliche Schüsse aus dem Hausse gethan, hat erwehnte Rotte allererst angefangen, am hefftigsten zu stürmen, und die Hausthüre mit Hebe-Bäumen aufzulauffen, auch beständig geschrien: Es solte keiner, so im Hausse wäre, lebendig bleiben. Doch haben sich diesen Hausstürmern zwey Kaufleute, welche nicht allein Weinhausen aus dem Hausse zu gehen gerathen, sondern sich auch erboten, im Hausse zu bleiben, und nach aller Möglichkeit sein Weib und Kinder auf allem Fall zu schützen, behertzt widersetzet, und sich dermassen tapffer gewehret, daß keiner hinein kommen dürffen, wie gerne sie auch gewolt hätten. Mittler Zeit haben die andern Tumultuanten, weil sie sich wegen des beständigen Schiessens zu dem Hausse nicht nahen dürffen, einen Galgen auf den Naschmarckt, so gut sie denselben in Eil zusammen bringen können, aufgerichtet, und daran geschrieben: Hieran soll Weinhausen gehencket werden; welches vielleicht auch geschehen wäre, wenn sie ihn bekommen hätten. Endlich ist es zu Mitternacht stille und weiter nichts vorgenommen worden. Des andern Tages darauf aber hat sich der Lermen wieder angefangen, da es denn hefftiger [788] als vorhin angegangen, immassen nicht allein die Jungen mit kleinen Steinen in die Küchen-Fenster geworffen, sondern auch allerley Gesindel u. Handwercks-Pursche die Haußthüre mit Gewalt eröfnet, alles, was sie im Hausse angetroffen, zerbrochen, zerschlagen, und verderbet, dergestalt, daß sie auch seiner Kinder nicht verschonet hätten, wenn nicht dieselbe auf des Raths Verordnung aus dem Hausse geschaffet worden; worauf denn auf eine Zeitlang auf Anordnung des Amt-Hauptmanns zu Leipzig, wie auch des Hauptmanns auf der Pleissenburg, der Lerm etlichermassen gestillet und das Hauß zugeschlossen worden, so bald sie aber den Rücken gewendet, hat der gemeine Pöbel Weinhausens Hauß zum drittenmahl angefallen, dasselbe aufs neue erbrochen, und gestürmet. Biß endlich dieser Tumult von der bewehrten Bürgerschafft völlig gestillet und desselben ein Ende gemacht wurde. Es hat sich aber obgemeldeter Adolph Weinhausen bald im Anfange des Tumults verstecket, und ist in D. Reiffschneiders Brauhause im Prühl verborgen gelegen, von dannen er auf Helleborns Heu-Boden kommen, und allda sich verhalten, bis das eine Thor eröffnet worden, da er denn auf einer Gutsche, mit Jungfer Sara, Reiffschneiders Tochter, unter ihrem Rock oder Springer verborgen hinaus gefahren, und davon kommen. Ein mehreres von ihm und des daher entstandenen Tumults trifft man in Vogels Leipziger Annal. p. 279 u. ff. an, desgleichen auch beym Sleidano Continuat. p. 583. Thuano Lib. CV. Hist. p. 218. Dressero in der Sächß. Chron. p. 763. Heident. p. 204. in dem Autore des Calvinischen Postreuters im andern Theil; in Jacob Franci Relation Historic. Continuat. 1593. gedruckt, und andern mehr. Insonderheit sind hiervon auch unterschiedliche Beschreibungen in öffentlichen Druck ausgegangen, unter welchen Johannes Häßleji von Petnav kurtze jedoch gründliche und wahrhafftige Beschreibung des den 19 May in Leipzig erhobenen Tumults, darinnen, wie derselbige mit Plünderung und Beraubung der Häuser, Mord, Brand und andern des Orts zuvor unerhörten Thaten vollbracht worden, wer die Ursache und Rädelsführer desselbigen seyn, ohne Abbruch der Wahrheit mit allen Umständen, und mit mehrern Grund, als bis anhero von etlichen desselbigen Beschreibern geschehen, vermeldet, und der Wahrheit begierigen in Druck verfertiget worden. Gedruckt im Jahr nach Christi Geburt M.D.XCIIII. darinnen gemeldter Autor in der Vorrede schreibet, daß er dieser Tragödie mehrentheils selbst beygewohnet, berufft sich auch im Schluß gedachter Vorrede auf das Zeugniß und Copie, so bey E. E. Rathe der Stadt Leipzig beygeleget, wie auch auf die Confrontation so mit Weinhausen und Hubern gehalten, ingleichen gerichtliche Abschrifft M. Ludovici Trübens, Schöpp-Schreibers, M. Erasmi Ortlobens, Unter-Stadt-Schreibers, und Tobiä Mostels, Notarii im Churfürstl. Sächß. Ober-Hof-Gerichte zu Leipzig, und dahero diese Geschichte unpartheyisch, gründlich und der Wahrheit gemäß beschreiben wollen. Allein daß besagter Autor die Wahrheit ziemlich gesparet, zeuget so wohl die vorangesetzte Vorrede, als die Beschreibung gemeldeten Tumults zur [789] Gnüge; Gestalt er die Lutherisch-gesinnten darinnen zur Ungebühr angreifft, seinen Glaubens Genossen aber, und Weinhausen jederzeit das Wort redet, und so viel ihm möglich, denselben vertheidiget und vertritt. Dahero des gemeldten Autoris Beschreibung vor unpartheyisch nicht paßiret werden kan.