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Zedler:Vorrede Band 21

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Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste
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Band: 21 (1739), Spalte: . (Scan)

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Vorrede zu dem XXI. und XXII. Bande dieses grossen Universal-Lexicons.

DA anjetzo abermahls zwey Theile von dem grossen Universal-Lexico aus der Presse gehoben werden; so will nöthig seyn, auch diese mit einer kleinen Vorrede zu begleiten. Nicht zwar deswegen, daß man die Liebhaber eines so kostbahren, als wichtigen Werckes nochmahls versichere, wie man sich euserst angelegen seyn lasse, dieses Lexicon in möglichster Vollkommenheit darzustellen, und zu dem Ende keinen Fleiß und keine Kosten spahre. Keinesweges! Selbst die Durchblätterung gedachter beyder Bände muß jedermann überführen, daß bey nahe jedes Blatt viele sauere Arbeit in Zusammensuchung der Artickel, viele, nicht geringe Mühe in Bestätigung der vorgetragenen Wahrheiten, und viele Attention auf die Reinlichkeit der Sprache aufweise. Der Bewegungs-Grund zu gegenwärtigem Vorberichte ist hauptsächlich dieser, die Gönner der freyen Künste und Wissenschafften würcklich zu überzeugen, wie man, nebst der Sorgfalt vor die vollständige, bündige und zierliche Ausarbeitung, annoch auch beständig ein Auge dahin richte, auf was Art und Weise dieses grosse Werck noch nutzbahrer gemachet werden möge, damit der Nutze ihm an Grösse nicht allein gleichkomme, sondern vielmehr es noch weit übersteige. Von denen vortreflichsten Vortheilen, dadurch sich dieses Lexicon, als ein Lexicon, vor allen andern Büchern dieser Art ausnimmt, ist das nöthigste schon in der Vorrede zum XIX. und XX. Bande zureichend beygebracht worden. Allein wir wollen nicht dabey stehen bleiben, daß dieses Werck nur als ein Lexicon könne gebrauchet werden. Wir gedencken durch einen oder höchstens zwey Bände, die nach dem völligen Beschluß desselben sollen geliefert werden, ihm den so höchstwichtigen Vortheil zu verschaffen, daß es auch zugleich einen wahrhafftig systematischen Zusammenbegriff oder Cörper aller Künste und Wissenschafften abgeben könne. Ein solcher vollständiger Cörper nebst allen Theilen beydes der gemeinen als gelehrten Erkenntniß und deren Verknüpffung wurde von den Alten mit dem Namen einer Encyclopädie beleget, und unter demselben gar sehr angepriesen. Es ist auch kein Zweiffel, vielmehr eine ausgemachte und unumstößliche Wahrheit, daß eine nach allen Regeln ihrer Vollkommenheit abgefaßte Encyclopädie ein solches Werck sey, dessen Nutzen nicht genugsam gerühmet und beschrieben werden kan. Alle Künste und Wissenschafften sind Inbegriffe gewisser Wahrheiten. [(2)] Alle Wahrheiten haben eine so genaue Verwandschafft unter einander, daß immer eine die andere bestätiget und erkläret. Will nun jemand diese oder jene Art der Wahrheiten in ihrer rechten Verknüpffung einsehen, muß er sich wenigstens eines kleinen Vorschmackes von den andern übrigen Arten der Wahrheiten rühmen können. Mit einem Wort: Niemand kan ein gründlich Gelehrter geheissen werden, der nicht, ausser seiner Haupt-Wissenschafft, auch in denen übrigen einigermassen bewandert ist. Zum Exempel: Eines gründlichen Theologen sein eintziges Augenmerck ist die Gottesgelahrheit, nach deren vollkommenen Erkenntniß strebet er, bey der will er bleiben: aber er kan seinen Endzweck nicht mit einem Sprunge erreichen, er muß andere Wissenschafften und Künste zuförderst durchwandern, ehe er an den Ort seiner Ruhe gelanget. So ist es auch mit dem Rechtsgelehrten, Arzeneyverständigen und Philosophen beschaffen. Es gehet denen Gelehrten wie denen Reisenden, die zielen zwar nur vornemlich an einen Ort, können es aber doch nicht Umgang haben, andere Oerter zuförderst zu betreten, ob sie sich wol nicht hier, sondern nur dort lange aufhalten. Die Künste und Wissenschafften hangen so feste in einander zusammen, wie die Glieder in dem menschlichen Cörper; wie hier die Adern eines Theiles durch mehrere gehen, und solchen mit jenen verknüpfen: so lauffen auch die Wahrheiten eines Theiles der Gelehrsamkeit durch andere derselben. Damit wir bey dem Gleichnisse der Maschine des Menschen bleiben; so wollen wir nur einen Theil derselben vor uns nehmen. Solcher mag einer der kleinesten, obwohl desto unschätzbarsten, nemlich das Auge, seyn. Soll ein Oculist in seiner Cur solche Proben ablegen, die jedermanns Verwunderung verdienen, und die an den Tag legen, daß er in seiner Kunst kein Pfuscher, sondern derselben vollkommen Meister sey; so ist es nicht genug, daß er die Structur des Auges wisse, nein: er muß die Zergliederungs-Kunst des gantzen Cörpers verstehen, ob er wol mit den andern Theilen niemals etwas zu schaffen zu haben sich vorgesetzet hat. Da nun also der Zusammenhang der Wahrheiten zur vollkommenen Erkenntniß einer Wissenschafft oder Kunst auch die Einsicht in die Verwandtschafft der Künste und Wissenschafften mit Recht fordert: so ist es ja Sonnen-klar, daß eine vollständige Encyclopädie der menschlichen Erkenntniß und deren Wachsthum einen vortreflichen Vorschub thue. Es ist ein noch unerkannter Fehler derer Lehrer auf Academien, daß man auf selbigen keine Collegia Pansophica lieset, das ist, in welchen der Zusammenhang und kurtze Inbegriff der gantzen Gelehrsamkeit vorgetragen wird; daß also folglich die Academische Jugend gleichsam mit ungewaschenen Händen ihre sich zu erlernen vorgesetzte Facultät angreiffet. Wer sich um den Zustand dieser oder jener hohen sowol als niedern Schule bekümmert, der hört zwar dann und wann, daß pansophische Stunden gehalten werden; aber man setze sich nur zu dieser Pansophisten ihren Füssen, so wird man mit Erstaunen wahrnehmen, daß sie den Cörper der gantzen Gelehrsamkeit durch ein überaus verkleinerendes Glaß ansehen und zu ihren Zuhörern schon das Gratias, das singen wir, erschallen lassen, wenn man meynt, sie hätten allererst nur ein und das andere Glied dieses sonst so grossen Cörpers vorgezeiget. Und dieses rühret daher: Ein gründlich Gelehrter betrachtet den Inbegriff aller Wissenschafften als einen sehr hohen Berg, den er zu übersteigen sich kaum getrauet; er verspricht der leichtgläubigen Jugend lieber nicht, daß er sie bis auf den Gipfel desselben führen wolte, als daß er sie schon unter der Hälffte sitzen lassen und sie bereden solte, sie hätten den Berg nun völlig überschritten, und befänden sich bereits wieder unten auf der Ebene. So sind denn demnach diejenigen, die pansophische Collegia halten, insgemein Brodthungerige Gelehrte, oder gelehrte Marcktschreyer, die sich der Pansophie [(3)] statt des Cartesianischen Teufels oder Männgens im Glase bedienen, wodurch die medicinischen Krippenreuter, oder deutlicher zu reden, die eigentlich sogenannten Marcktschreyer sich den Zulauff des gemeinen Stadt-Pöbels und des neugierigen Landmannes zu wege zu bringen wissen. Durch solche Pansophen Vorlesungen wird der wahre Endzweck eines pansophischen Collegii, daß die Zuhörer einen hinlänglichen Begriff von dem Stamm-baume der gantzen Gelehrsamkeit bekommen, keinesweges erhalten; vielmehr empfindet die studirende Jugend daraus den unersetzlichen Schaden, daß sie sich das Reich der Wissenschafften als sehr klein vorbildet, welches leicht zu durchwandern sey; dahero sie auf die Studien desto wenigere Zeit und desto wenigere Mühe anzuwenden nöthig hätten, glauben. Wie es nun also in der That etwas ungewöhnliches ist, daß man von dem Catheder eine vollständige Encyclopädie höre; also muß man zu den todten Lehrern allein seine Zuflucht nehmen, und diejenigen Bücher mit gehöriger Aufmercksamkeit durchlesen, welche den Zusammenhang und Inbegriff aller Künste und Wissenschafften vor Augen stellen. Es wäre zu wünschen, daß man bey der nicht kleinen Menge dergleichen Schrifften nicht ebenfalls das Klagelied anheben müsse, es sey auf den Titeln der meisten derselben mehr versprochen worden, als sie würcklich in sich fassen. Dem grossen Leibnitz hat vor allen andern des Johann Heinrich Alsteds Encyclopaedia besonders gefallen, wie ich dieses mit mehrern in meiner Historie der Leibnitzischen Philosophie §. 215. des ersten und §. 29. des andern Theiles ausgeführet habe; woselbst aber auch zugleich erinnert worden, daß andere ebenfalls grosse Gelehrte vieles daran auszusetzen gefunden haben. Bey dem so grossen Mangel also einer so höchst nöthigen Arbeit kan gewiß gegenwärtigem grossen Universal-Lerxico keine grössere Pracht gegeben werden, als wenn man den Beschluß desselben mit einer vollständigen und accuraten Encyclopädie machet, daß man demnach nicht nur die rechtmäßige Verknüpfung aller Künste und Wissenschafften, gleichsam als in einem Stammbaume, vorstelle, sondern auch aller dererselben hinreichende Systemata mittheilet. Solches gehet bey diesem Lexico am allerfüglichsten an, weil aller Künste und Wissenschafften Wörter und Sachen in selbigem nach alphabetischer Ordnung weitläuftig erkläret und vorgetragen werden: solchemnach man sich nur auf die ausgearbeiteten Artickel beruffen darff, wo sodann ein jeder, der von dieser oder jener Materie ausführliche Nachricht verlanget, sich sofort ohne grosse Mühe Rathes erhohlen kan. Es müste ein Fremdling in dem Reiche der Wahrheiten seyn, der nicht alsbald erkennen solte, daß solche gewiß zuhoffende Zierde dieses grossen Universal-Lexicons dem Ausarbeiter eine Erstaunens-würdige Last sey; gleichwol aber wird man sich durch nichts abschrecken lassen, dieselbe auf die Schultern zu nehmen, und solches deswegen, damit dieses ohnedem gantz unvergleichliche Werck der Nachwelt eine beständige Bewunderung unserer Zeiten bleibe, und die Besitzer desselben sich freuen mögen, ihr Geld so vortheilhafft angeleget zu haben.

Wann demnach der geneigte Leser hierdurch nunmehr wird sattsam vergewissert seyn, daß man bey gegenwärtiger Arbeit sich des Wachsthumes der Wissenschafften und Künste euserst lasse angelegen seyn, und dießfalls sich Centner schwere Lasten selbsten aufbürde; so lebet man auch zu demselben des zuversichtlichsten Vertrauens, er werde durch geneigten Beytrag uns unsere Arbeit in etwas erleichtern und zu mehreren Unternehmungen zum Vortheil dieses Lexicons anfeuren. Dieses hoffen wir um so vielmehr, da ein jeder wenigstens durch Einsendung seiner oder seiner Anverwandten Lebens-Läuffe, sicherer Nachrichten von seinem Geschlechte oder deren mit demselben erblich verknüpften Ehren-Aemtern seinen und seines Geschlechtes Namen verewiget. [(4)] Will auch ein hochangesehenes Adeliches Hauß die Kupfferplatten ihrer Ahnen-Tafelen uns gnädigst mittheilen, und die wenigen Kosten zum Abdruck nicht scheuen; so wird man ihm hierunter zu willfahren um so viel weniger entstehen, jemehr Zierde hierdurch dem Lexico selbst zuwächset. Alle Einschickungen können entweder unmittelbar an mich oder an den hiesigen vornehmen Kauff- und Handels-Herrn, Hn. Johann Heinrich Wolffen, der die Vorschüssung der so schweren Geld-Summen zu diesem kostbaren Wercke freywilligst und zum Besten des gemeinen und gelehrten Wesens über sich genommen, geschehen. Nur gelobter Herr Wolff hat auch die bisher gefehlten Theile von neuem auflegen lassen, damit jedermänniglich mit completen Exemplarien gedienet werden könne. Künfftige Oster-Messe des GOtt gebe glücklich herannahenden 1740. Jahres werden unausbleiblich, dem Versprechen gemäß, abermahls zwey Bände erscheinen, in welchen man die Buchstaben N und O zu liefern gedencket. Bis dahin empfehle meine und meiner Mitarbeiter Bemühungen zum geneigtem Wohlwollen. Geschrieben Leipzig, am 23. September, 1739.

Carl Günther Ludovici,
Ordentlicher Professor der
Weltweisheit auf der Academie
zu Leipzig, und der
Königl. Preußischen Gesellschafft
der Wissenschafften
zu Berlin Mitglied.