Zedler:Unsichtbar machen
Unsichtbar machen, diese Kunst sich unsichtbar zu machen, ist nicht erst heute oder gestern auf die Bahn gebracht worden, sondern man hat sich schon in den Zeiten des grauen Alterthums davon träumen lassen. Giges war ein Schaaf-Hirte in Lydien, und als er einsmahls mit seinen Schaafen auf den Felde war, entstand ein grosses Ungewitter, mit Donner, Blitz und hefftigen Regen, worüber sich der Erdboden aufthat, und darein eine grosse Höhle ward. In dieselbe gieng er hinein, und fand unter andern ein grosses Pferd von Ertz, welches inwendig hohl war. In dem Bauche des Pferdes war ein kleines Fenster und Thürlein, wodurch Giges einen grossen menschlichen todten Cörper erblickte, welcher gantz nackend und nur einen Ring am Finger stecken hatte. Diesen nahm er zu sich, und lernte aus der Erfahrung, daß, wenn er den im Ringe befindlichen edlen Stein gegen seinen Leib zukehrete, er dadurch unsichtbar würde, und von niemanden konnte gesehen werden. Dadurch hat er endlich auch sein Glück am Lydischen Hofe gemacht. So erzehlet Plato Lib. II de Republica diese Fabel. Justinus Histor. Lib. I cap. 7 und andere melden, Giges wäre von dem Lydier Könige Candaules einer besondern Freundschafft und Vertraulichkeit gewürdiget worden. Einsmahls schwatzte ihn der König viel von der Schönheit seiner Gemahlin vor, und damit er ihn davon recht überzeugte, so solte er dieselbe nackend sehen; zu dem Ende muste er sich in des Königes Schlaf-Kammer verstecken, da er denn dazu Gelegenheit fand. Als er wieder weggehen wolte, ward die Königin seiner gewahr, und weil sie der Handel mächtig verdroß, erwürgete sie mit Hülffe des Giges den König, und nahm jenen zum Gemahl an, wodurch er König von Lydien ward. Allhier möchte man sich wundern, warum der gute Giges sich damahls nicht unsichtbar gemacht, als er in der Königlichen Schlaf-Kammer verborgen war, und wieder davon gehen wolte. Allein man muß hier wissen, daß es eine Fabel sey, worinn eben nicht alle Umstände gantz genau dürffen mit einander übereinstimmen. Die Heydnischen Magi rühmten sich auch der Kunst, sich unsichtbar machen zu können, welches man endlich wohl zugeben kan. Denn weil sie sich meisterlich in ihren Tempeln, oder gar in den ausgehölten Götzen-Bildern zu verstecken wusten, und allerhand Gauckel-Spiele zu treiben, so waren sie zwar zugegen, aber unsichtbar, auf die Weise, wie man nehmlich in Schertz vornimmt, da man sich unsichtbar machen, und von keinen gesehen werden, hingegen alle Umstehende sehen könne. Die Kunst ist lächerlich, und bestehet darinnen, daß man in ein Faß kriege, welches voll kleine Löcher ist, so ist man den Umstehenden unsichtbar, und kan sie doch alle sehen. Der Heydnische Wunderthäter Apollonius Thyänäus soll sich auch einsmahl unsichtbar gemacht haben. Der Kayser Domitianus hatte ihn ins Gefängniß werffen lassen, und mochte wider ihn nicht viel gutes im Sinne haben. Als er nun vor den Kayser gefordert ward, und durch seine Vorstellungen die Freyheit nicht erhalten konnte, so verschwand er aus der Gerichts-Stube, und ward nicht mehr gesehen. Dieses geschahe Vormittags zu Rom, und um Mittag war er schon in Puteolo bey seinen Freunden Demetrio und Damide, welche über seine Ankunfft sehr erschracken, und nicht wusten, wie sie mit ihm daran wären, bis er ihnen seine Hand und Leib zeigte, und ihnen damit den Wahn benahm, daß er nicht ein Geist, sondern Apollonius selbst wäre. Dieses ist eine Geschichte, die sich sehr wohl in einen Zauber-Roman schickt, dergleichen das von Philostrato beschriebene Leben Apellonii ist. Sie ist auch eben so glaubwürdig, als des Fortunati Wünsch-Hütlein, womit er sich unsichtbar machen, und in Augenblick von einem Ort zum andern, wenn sie auch noch so weit von einander entfernet waren, gelangen konnte. Ausser diesen findet man sonst wenige Geschichte von Leuten, die sich unsichtbar gemacht hätten. Nur meldet noch der Jude Benjamin Tudelensis in seiner Reise-Beschreibung, wie ein Jüdischer Zauberer, Nahmens David Alruy sich unsichtbar gemacht, und doch geredet habe, auch auf einer Binde übers Meer gefahren, und also seinen Verfolgern entgangen sey.
Es kommet überdies einigermassen verdächtig vor, wenn man zu den geheimen Künsten vielerley verschiedene Mittel angiebt, die einerley Würckung thun solten. Man kan dabey gedencken, einer und der andere habe die dabey vorgeschlagene Mittel nicht bewehrt befunden, und sey daher auf andere bedacht gewesen, die es aber eben so wenig ausrichten können. Solte nun gleich diese Muthmassung nicht Grund haben, so bleibt soch eine ausgemachte Wahrheit, daß die zum unsichtbar machen angegebene Mittel dazu nicht hinlänglich sind, auch zu einer unmöglichen Sache keine Mittel mögen erdacht werden. Die so beliebte Edelgesteine sind das erste Mittel, welches die Unsichtbarkeit würcken soll. Dazu hat sonder Zweifel des Giges Ring, worinn auch ein edler Stein war, Gelegenheit gegeben. Ein gewisser Graf in Engelland ward ohngefehr im 13 Jahrhundert beschuldiget, er habe aus des Königes Schatz-Kammer einen Stein entwendet, der einen Menschen unsichtbar machte und solchen Lewellyn, des Königes Feind, gegeben. Hurchinsons Historischer Versuch von der Hexerey, cap. 2. p. 41. Albertus Magnus schreibt von einen Stein Ophthalmius, oder Augen-Stein genannt, daß derselbe, wenn ihn jemand in ein Goldblat eingewickelt bey sich trage, unsichtbar mache, und spricht, daß er virtutem excoecativam habe, und solche Strahlen von sich werfe, die alle Umstehenden verblenden. So wird auch von Kayser Constantino erzehlet, daß er würcklich diesen Stein gehabt, und wenn er ihn in die Hand genommen, unsichtbar worden. Etliche wollen vorgeben, dieser Stein wäre nirgends als bey dem Zeisige im Neste zu finden, und könne durch keinen Menschen, sondern nur von den Vögeln angetroffen werden. Da denn einige die Kunst und Vortheil, das Zeisig-Nest zu bekommen wissen wollen, und soll es durch den Schatten im Wasser, oder einen Spiegel geschehen. Andere geben vor, daß er auch bey den Raben zu finden sey wenn man nehmlich einen jungen Raben aus dem Neste nähme ihn erwürgte, und bey dem Nest an einem Faden aufhenckte; Denn solte der alte Rabe wegfliegen, und den Stein der Unsichtbarkeit bringen, welcher, wenn er den todten Jungen in den Schnabel gestecket worden, denselben unsichtbar machte, daß er von keinen Menschen gesehen würde. Deswegen hänge man dem Raben einen langen rothen Faden an dem Fuß, damit man durch denselben den jungen Raben bemercken, und also den Stein der Unsichtbarkeit erlangen könnte; S die geheime Unterred. von der Magia Naturali, p. 148. Dieses wird wohl ein unsichtbarer Stein seyn, weil ihn noch kein Mensch mit Augen gesehen, aber daß er unsichtbar machen solte, ist schwerlich zu glauben. Es ist eine gantz irrige Vorstellung, wenn man sich einbildet, der Stein könne durch den Glantz seiner Strahlen jemanden unsichtbar machen. Dazu würde zuförderst nöthig seyn, daß der Stein durch ein äusserliches Licht erleuchtet wäre sonst könnte er keine Strahlen von sich werffen. Wie kan aber solches geschehen, so man den Stein in ein Gold-Blat einwickelt, und noch dazu verborgen bey sich trägt? Solte er etwa die Eigenschafft des so genannten Phosphori haben welches ein Stein ist, der im finstern leuchtet, so würde er etwa auf vor angezeigter Weise nur des Nachts, aber nicht bey Tage unsichtbar machen, weil seine Strahlen durch des Tages-Licht geschwächet würden, daß sie keinen zu verblenden tüchtig wären. Indessen macht die dunckle Nacht einen ohnedem schon unsichtbar, und man braucht keinen Stein dazu. Ein jeder wird von selbst erachten können, daß wenn auch ein Stein die Kräffte hätte des Menschen Augen zu verblenden, dieses noch lange nicht sich unsichtbar machen hiesse. Sondern sobald die Umstehenden nur ihre Augen von den Strahlen des Steines abwendeten, würden sie den Taschenspieler mir seinen Stein gantz gewiß sehen. Mit einem Worte zu sagen: Der Stein ist erdichtet, und wenn er auch würcklich vorhanden wäre, könnte er doch nicht leisten, was man sich von ihm verspricht. Andere wollen die Unsichtbarkeit durch die Constellation und Krafft der Sterne zuwege bringen, und setzen deswegen zu einer gewissen Zeit in der Nacht, wenn die Sterne am Himmel scheinen, ein zinnern Becken unter den freyen Himmel, mit reinen und klaren Wasser, und geben Acht darauf, wenn sich die Sterne im Wasser präsentiren; Dann nehmen sie ein rein Papier und Feder, reissen geschwinde die Sterne ihrer Grösse und Gestalt nach, ab, verbrennen darauf das Papier, und machen eine Tinte daraus, womit sie einige Characteres auf Jungfer-Pergament schreiben, und solche Characters sollen den Menschen unsichtbar machen, S die Unterredung von der Magia Naturali, p. 150. Der Proceß ist wunderlich genung, daher diejenigen, welche gerne ihrer Phantasie folgen, sich leicht überreden lassen, auf einen wunderlichen Proceß müsse auch eine wunderbare Würckung, nehmlich die Unsichtbarkeit, folgen. Wer hingegen mehr der Vernunfft als Einbildung folgt, kehret diesen Schluß um, und weil er in den wunderlichen Verfahren keinen Grund gewahr wird, warum daraus auch eine wunderbare Würckung entstehen solte, glaubt er gar nichts davon. Unter die allerabgeschmackteste Mittel, die Unsichtbarkeit zuwege zu bringen, gehöret folgendes. Man nimmt eine gewisse Bohne, und pflantzt sie auf eine sonderliche Art in einen Katzen- oder Raben-Kopf; Besiehe die obbesagten Unterred. p. 149. Wie man aber weiter damit verfähret, ist uns nicht bekannt. Ist auch endlich nichts daran gelegen. Auf solche thörichte Dinge verfallen die Menschen, und schmeicheln sich dabey mit der Hoffnung eines guten Fortgangs, müssen sich aber zuletzt weil sie keinen Grund haben, betrogen finden. Joh. Baptist. Helmontius hat behauptet, es könne mit dem unsichtbarmachen natürlich zugehen. Das Scheidewasser löset die Metalle dergestalt auf, daß sie durchsichtig wie Wasser werden, und durchs Gesichte von dem Scheidewasser nicht mehr zu unterscheiden sind. Auf gleiche Weise soll, seiner Einbildung nach, der Archeus oder Welt-Geist, die Cörperlichen Dinge in sich verschlucken können, daß sie gleichsam geistlich werden, und nicht mehr zu sehen sind. Besiehe dessen Tractat de Insectis Materialibus, Tom. I. Oper. p. 567. Er schreibet darinnen dem Archeo eine wunderbare Würckung zu, und weiß nicht einmahl, ob ein Archeus in der Welt ist. Das Scheidewasser löset zwar die Metalle auf, macht sie aber dadurch eigentlich nicht unsichtbar, sondern bringt nur zuwege, daß, da sie sonst dichte Cörper sind, sie eine flüssiege Gestalt annehmen, und von dem Wasser nicht mehr mögen unterschieden werden. Die Theile des Metalls werden von einander getrennt, und sehr subtil gemacht, breiten sich auch durch alles Scheidewasser aus. Nun kan man dieses auf das Verschlingen der Cörper vom Archeo appliciren. Wenn der Archeus die Cörper in sich verschlingen, sie durchdringen, und dadurch geistlich und unsichtbar machen solte, müste er sie sehr weit aus einander dehnen. Er müste sie beynahe so subtil machen, als die Lufft ist, welche man nicht sehen kan. Nun können zwar irrdische und Cörperliche Theile so subtil werden, das sie schwerlich in die Augen fallen; Z. E. es steigen täglich mit den unsichtbaren Ausdünstungen viele Mineralische, Sulphurische und andere irrdische Theile in die Höhe, welche Blitz und Donner verursachen, aber indem sie aufsteigen, uns unsichtbar sind. Solchergestalt ist es möglich, daß die Metallische Theile gantz unsichtbar werden, da man, wenn ein Metall durchs Scheidewasser aufgelöset worden, dessen Theile nicht schlechterdings unsichtbar nennen kan. Jedoch hat man zu bedencken, wie die Metallischen Theile von einander getrennet, sehr subtil gemacht, und weit ausgedehnet seyn müssen, wenn sie sich dem Gesichte entziehen sollen. Also müste der Archeus die Cörper auch sehr weit aus einander trennen, wenn man sie nicht mehr sehen solte. Sonst ist fast nicht zu sehen, wie er sie wolte unsichtbar machen. Das blosse Verschlingen, oder durchdringen der Cörper, welches Helmontius dem Archeo zuschreibet, kan es nicht ausmachen; Sintemahl unbegreiflich ist, wie ein unsichtbares Wesen einen sichtbaren Cörper also durchdringen solte, daß der letzte die Eigenschafft des ersten, nehmlich die Unsichtbarkeit erhielte. Man giebt zu, der Archeus könne die Cörper sehr subtil machen, und weit aus einander dehnen, dann entstehet aber die wichtige Frage, ob er die Theile des Cörpers, wenn ihre Structur durch die Ausdehnung zerrissen und verdorben worden, wieder zusammen setzen, und in den vorigen Stand bringen könne, daß es wieder eben derselbige Cörper werde? Wenn es das nicht kan, so heisset sein Unsichtbarmachen nichts. Denn dabey liegt zum Grunde,, entweder daß ein Cörper seine Grösse und Structur behalte, und doch unsichtbar werde; oder weit aus einander gedehnet und subtil gemacht werde, hernach aber wieder in den vorigen Stand komme. Hier zeigt sich klärlich das Unvermögen des Archei, und aller andern endlichen Geister, sie mögen Nahmen haben, wie sie wollen. Einen dichten Cörper seine Grösse lassen, und ihn doch unsichtbar machen, ist eben so viel, als ihm seine von GOtt anerschaffene Eigenschafften benehmen, und machen, daß er nicht mehr ein Cörper sey. Wird solches wohl eine Creatur bewerckstelligen können? Nimmermehr. Einen festen Cörper weit auseinander dehnen, und wieder in den vorigen Stand versetzen, also daß nichts daran fehle, und seine Structur keine Veränderung leide, ist auch ein Werck, welches GOtt allein und keine Creatur zukommt. Cörper, die aus einerley oder homogenischen Theilen bestehen, lassen sich zwar trennen, ausdehnen, und wieder zusammen fügen, wie man es bey den Metallen gewahr wird, welche dergleichen Theile haben. Aber Cörper, die aus verschiedenen oder heterogenischen Theilen bestehen, und daneben von besonderer Structur sind; Z. E. Eine Pflantze, Baum, Thier und dergleichen, wird keine Creatur, wie künstlich sie auch ist, wieder zusammen setzen können, wenn ihre Theile einmahl getrennet und ihre Structur gäntzlich zerrissen worden. Daher schreibet man ja die Auferweckung der Todten allein GOtt zu, weil er allein die Theile unserer Leiber kennt, und ihnen ihren vorigen Zusammenhang wiedergeben kan. Hieraus erhellet deutlich, wie auch der Teufel, den man sonst für einen grossen Künstler hält, keinen Menschen unsichtbar machen könne, weil er nicht vermögend ist, weder dem menschlichen Cörper seine Eigenschafften zu benehmen, noch dessen Structur, wenn sie einmahl zerrissen, (denn eines von beyden muß beym Unsichtbarmachen nothwendig geschehen) wieder herzustellen. Helmontius will zwar, der Teufel könne mit seinem unsichtbaren geistlichen Wesen die sichtbare Dinge umwickeln, daß sie mit unsichtbar würden. Wie dieses aber zugehen soll, kan man nicht sehen. Vielleicht wird es wohl eben das heissen sollen, als was er von dem Archeo gesaget, nehmlich daß er die Cörper verschlinge, oder mit seinen geistlichen Wesen durchdringe; Wovon aber bereits dargethan worden, daß es unmöglich sey. Noch fähret Helmontius fort und spricht, der Teufel, welcher gemeiniglich die Leute unsichtbar machen muß, verblende der gegenwärtigen Augen, daß sie was sonst sichtbar ist, gleichwohl nicht sehen können. Siehe dessen Tractat Injaculatorum modus intrandi Tom. I. Oper. p. 569. Allein es kan die Unsichtbarkeit so wenig durch des Teufels List und Macht, als natürliche Mittel zuwege gebracht werden. Davon unter den Artickel: Zauberey mit mehrern nachzusehen. Tharsanders Schau-Platz II Theil p. 720 u.ff. Uebrigens ist das Unsichtbarmachen eine Art der Zauberey, und wird also auch nach Verordnung der Rechte und nach Beschaffenheit der Umstände bald härter und schärffer, bald etwas gelinder bestrafft, nachdem nehmlich dadurch andern Leuten einiger Schaden und Nachtheil zugefüget worden, oder nicht. arg. der P. H. G. O. Art. 109. Besiehe hiervon ein mehrers unter dem Artickel: Zauberey.