Zedler:Toden-Tantz
Toden-Tantz, ist ein Gemählde, welches den
Tod vorstellet, und anzeigen soll, wie derselbe keines
Menschen schone, sondern alle von den vornehmsten
bis zum Geringsten gleichsam an seinen Tantz mitnehme.
[712] Es finden sich verschiedene solche Gemählde,
in Basel, in Dreßden, und Lübeck, unter denen das
Baseler vor das vornehmste und Künstlichste gehalten
wird. Dasselbe ist bey der jetzigen Frantzösischen
Kirche zu Basel zu sehen. Dieser Toden-Tantz bestehet
fast aus sechzig Figuren in Lebensgrösse, welches
alles Personen aus allen Ständen sind, Päbste,
Kayser, Könige, gemeines Volck, desgleichen
von allerhand Arten und Handthierung welchen
sich der Tod in einer gantz erschrecklichen Gestalt
vorstellet, und die unterschiedlichen Gemüths-Neigungen,
welche sie bey dessen Anschauung einnehmen,
sowohl ausdrücken, daß es eine überaus schöne
Abbildung gewesen. Weil aber der Kalckgrund an
der freyen Lufft stehet, befand sich dieses Gemählde
zu Anfange dieses Jahrhunderts so verdunckelt,
daß man dem besten Mahler, den man finden konnte,
anbefohl, dasselbe wieder mit frischen Farben anzustreichen:
Allein er machte es so schlecht daß man
viel lieber den Schatten der Toden von dem ersten
Meister als dieses neue Werck sehen würde. Die erste
Erfindung wird insgemein Holbein zugeschrieben;
andere aber, darunter auch die Verfasser des
Baslerischen Lexicons sind, eignen dieselbe Hug.
Glaubern, einen berühmten Baslerischen Mahler,
zu. Allein man hält mit mehrern Grunde Niclaus
Manuel vor den wahren Erfinder, der zuvor
zu Bern schon dergleichen Gemählde verfertiget,
welches andere Mahler nach der Zeit nachgemacht
haben. Scheurers Bernerisches Mausoleum
II Th. p. 221. Uebrigens soll der Baseler Toden-Tantz
zu den Zeiten des Kaysers Sigismunds
zum Andencken der Pest, die 1439 unter
währenden Concilio daselbst gewütet, gemahlet worden
seyn. Von diesem Toden-Tantze ist 1725 ein
besonderes Buch zum Vorscheine gekommen, welches
den Titel führt: Toden-Tantz, wie derselbige
in der Stadt Basel abgemahlet, und zu sehen ist, mit
Merians Kupffern. Wier haben also nicht Ursache
uns bey diesem Gemählde länger aufzuhalten, weil
man in diesem Buche genugsame Nachricht antreffen
wird; sondern wollen vielmehr diejenigen Bildnisse
beschreiben, welche den Toden-Tantz in
Deutschland vorstellen. Zu Dreßden, und zwar in
der Neustadt an der auswärtigen Seite des Kirchhofs
bey der Kirche zu den Heil. drey Königen, siehet
man auch einen solchen Toden-Tantz, der aus sieben
und zwantzig in Stein ausgehauenen Bildern bestehet.
Diese Bilder oder Statuen stellen folgende
Personen vor: Erstlich macht der Tod den Anfang,
welcher mit der lincken Hand eine Pfeiffe an dem
Munde hält, und eben dergleichen, aber verkehrt, in
der rechten Hand hat. Ihm folget der Pabst in seinem
gewöhnlichen Pontifical-Habit, welchen mit
der rechten Hand ein Cardinal in seinem langen
Cardinals-Kleide führt. Der vierte ist ein Ertzbischof
mit einer zweyhörnerichen Mütze auf dem
Kopffe, der mit der lincken Hand den ihm nachfolgenden
Bischoff fasset, an dessen Kleid sich ein Prälat
anhält. Nach diesen folgt ein Domherr, und den
Beschluß von dem geistlichen Stande macht, ein gebückter
Mönch mit einer geschornen Platte. Hierauf
folgt der weltliche Stand, den abermahls ein
Todengerippe aufführet, worauf ein Kayser erscheint,
nach diesem ein König, so denn ein Hertzog
[713] George zu Sachsen, als den Erfinder dieses Toden-Tantzes
vorstellet, nach solchem kommt ein
Graf mit einem Knebelbart, dem folgt ein geharnischter
Ritter. Denn stellet sich ein Edelmann dar,
nach welchen ein Raths-Herr, ein Handwercks-Mann,
ein Soldat, ein Bauer, und endlich ein
Bettler folgen. Nach diesn kommt eine Aebtißin
zum Vorschein, die mit der lincken Hand eine Edelfrau
anfasset, an die sich wiederum eine Bäuerin anhält.
Weiter erscheint ein kleiner Knabe, ein junger
Mann, ein alter gebückter Greiß mit einem langen
Barte, und endlich beschliesset den Reihen ein Todengerippe,
das eine grosse hauende Sense führet.
Es sind diese Figuren insgesamt weiß angestrichen,
und stehen in einer Reihe auf einem rothem sehr abstechenden
Grunde. Auf jeder Seite, und unter den
Figuren, sind etliche darauf eingerichtete Reime angeschrieben,
um die Bedeutung solches alten und erbaulichen
Denckmahls den Leuten desto begreiflicher
zu machen. Vormahls hat dieser Toden-Tantz
an der Burg in Neu-Dreßden gestanden, und ist
von Hertzog Georgen 1534 daselbst angemacht
worden; weil aber solcher Tantz in dem grossen
Schloßbrande 1701 mit ruinirt worden, so hat man
solchen nach der Zeit 1717 nach Neustadt an den erwehnten
Ort gebracht. Allein 1732 wurden bey
Absteckung der neuen Hauptkirche nicht allein alle
Schwibbögen um den GOttes-Acker in einer Zeit
von acht Tagen gäntzlich niedergerissen, sondern
auch dieses vortrefliche Monument zugleich mit hinweggenommen.
In Lübeck in der Haupt-Kirche zu unserer Lieben Frauen ist eine Capelle, in der auch der Toden-Tantz abgebildet ist. Der Tod tantzet auf diesem Gemählde mit Personen von allerhand Ständen, welche solche Kleider tragen, die etwa vor drey hundert Jahren Mode gewesen. Bey jedweden stehet ein artiger Verß, die nun auch ins Hochdeutsche übersetzet worden, davon wir nur folgende anführen wollen. Es ist das Compliment des Todes an eine schöne Jungfer, welches also eingerichet ist:
Ich halte wie die Welt, von Complimenten nicht;
Muß! heißt mein hartes Wort, das Stahl und Eisen bricht,
Und warum wolt ihr mir den letzten Tantz versagen?
Die Jungfern pflegen sonst kein Täntzgen abzuschlagen.
Das Gegen-Compliment der Jungfer an den Tod ist dieses:
Ich folge, weil ich muß, und tantze, wie ich kan,
Ihr Schwestern! nehmet euch bey Zeiten einen Mann
So reichet ihr die Hand dem Bräutigam im Leben,
Die ich dem Tode doch muß halb gezwungen geben.
Hübners Geographie III Th. p. 665 u. f. Antiquarius des Elbstroms p. 310 u. ff.