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Zedler:Regierung

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Regierung (gesammte)

Band: 30 (1741), Spalte: 1793–1817. (Scan)

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Regierung, Regiment, Regence, Gouvernement, ist im eigentlichen und rechtlichen Verstande die Verwaltung des gemeinen Wesens und Besorgung alles dessen, so zur Erhaltung und Beförderung der Wohlfahrt des Staats ersprießlich ist, oder die höchste und oberste Bothmäßigkeit eines ordentlich regierenden Landes-Fürsten oder Herrn, welche von ihm über die Stände und Unterthanen und das ihm unterthänige Land, zur Erhalt- und Behauptung des gemeinen Nutzens und Wohlwesens, im geist- und weltlichen Stande, und zu Ertheilung des Rechtens verführet wird.

Der höchste Zweck einer wohleingerichteten Regierung ist, oder soll seyn, wie in allen anderen menschlichen Handlungen, die Ehre Gottes; der nächste Zweck hingegen die schon gedachte Behauptung des gemeinen Nutzens und Wohlstandes. Die hiezu gehörigen Hauptstücke sind: Die Erhaltung der Ehre, Hoheit, Macht und Ansehens des Landes-Fürsten, die ihm in Ansehen seines Standes zukommen; die Handhabung der Gerechtigkeit, Friedes und Ruhe, zu Beförder- und Verbesserung der Nahrung und des Vermögens der Einwohner; die Ertheilung eines gleich durchgehenden Rechts zwischen den Unterthanen, daß ein jeder bei den Seinen geschützet, und ihm zu seinen rechtmäßigen Forderungen schleunig verholffen werde; die nöthige Anstalt, den Unterthanen Schirm und Sicherheit wider auswärtige Gewalt zu halten.

Diejenigen in Deutschland, die dergleichen Regierung führen, werden zum Unterscheid der andern, regierende Herren genennet.

Wenn einem auswärtigen Printzen, entweder durch Testamente oder durchs Succeßions-Recht, so auf [1794] die Fundamental-Gesetze des Landes gegründet, ein Königreich oder ander Land zu Theil worden, so fehlet es denn nicht an mißgünstigen und boßhafften Gemüthern, welche dem Volck einen Haß gegen ihren künfftigen Regenten beybringen wollen, und alles unvollkommene von seiner Person und von seiner Gemüths-Beschaffenheit aussprengen, bißweilen geben Sie wohl gar vor, er wäre lahm, einäugigt, krumm und ungestalt, so daß sie bey dieser Lästerung öffters genöthiget werden, ihre Portraite in Lebens-Grösse allenthalben auszutheilen, und herum zu schicken, um die Wohlgesinneten damit zu beschencken, und die Lästerungen dadurch einiger massen zu wiederlegen.

Bey turbulenten Zeiten, wo die Gemüther in allerhand Factionen zertheilet, lassen die vor denen rechtmäßigen Erben oder Thronfolger treugesinnte, ein Manifest publiciren, und es in allen Ländereyen und Districten des Königreichs austheilen, darinnen sie mit denen allergrösten Betheurungen versichern, daß sie vor ihren rechtmäßigen Souverain Gut und Blut aufsetzen wollen; sie declariren vor der gantzen Welt, und bey allen Puissancen, daß sie an der Ungerechtigkeit der anderen kein Antheil nehmen, und protestiren auf das solleneste wider alles gegenseitige Unternehmen.

Wird ein Printz durch ein Testament oder auf andere Weise zu einem Regenten eines auswärtigen Reichs[WS 1] bestimmt, so berufft dessen Königlicher oder Fürstlicher Herr Vater, so wohl die Herren Brüder des Printzens, dafern einige vorhanden, als auch die sämmtlichen Printzen vom Geblüte, die vornehmsten Ministers des Reichs und des Hofes, und die fremden Gesandten zusammen, eröffnet ihnen, auf was Art göttliche Providentz seinen Sohn diese neue Dignität destinirt, stellt ihnen allen als einen König und Regenten des Landes vor, welches er in kurtzem beherrschen soll, und läst ihn von der selben Zeit einen, so wohl bey der Tafel, als auch sonst, nach dem gewöhnlichen Ceremoniel, als König tractiren.

Er theilet ihm auch wohl bei solchen die Regeln und Vermahnungen mit, die er vor dienlich erachtet, und die sämtlichen Printzen vom Geblüt, Gesandten und Ministers müssen ihm die Felicitations-Complimente abstatten, und die Honneur erzeigen, die seiner neuen Dignität eigenthümlich ist, zuweilen geschiehet die Declaration nur vor einigen hohen Ministers. Also hielten der Römische Kayser Leopold der I eine Anrede an derer geheimde Conferentz-Räthe, als sie ihren andern Durchlauchtigsten Herrn Sohn, Ertz-Hertzog Carln, zum König in Spanien declarirten.

Vor dem Antritt der Regierung machen sich die grossen Herren anheischig, daß sie ohne der Reichs- und Land-Stände Einwilligung die Fundamental-Gesetze nicht ändern, viel weniger neue Ordnungen, so dem Lande präjudicirlich seyn könnten, einführen, noch die Interpretation der Reichs-Satzungen und Friedens-Schlüsse vornehmen, sondern mit gesammter Stände Rath und Vergleichung, auf Reichs- und Land-Tägen, damit verfahren, zuvor aber nichts darinnen verfügen noch ergehen lassen.

Sie versichern in den allerbündigsten Expreßionen, ihre Unterthanen bey ihrer Religion, bey ihren Freyheiten, und hergebrachten [1795] Gerechtigkeiten zu erhalten, sie wohl zu beherrschen, und ihr Heyl zu besorgen. Die sämmtlichen Reichs-Stände werden vor dem Antritt der Regierung convocirt; sie gehen erstlich alle zusammen in einer solennen Prozeßion in die Kirche, um den daselbst angestellten Gottesdienst abzuwarten; nachgehends erscheinen sie auf dem Königlichen Propositions-Saal, auf welchem der königliche Thron aufgerichtet.

Wenn sich nun der König auf seinen Thron verfüget, so trägt ihm der Reichs-Cantzler, nach dem Schluß der Reichs-Stände, die Königliche Regierung auf in einer langen und zierlichen Oration, welche denn der König in einer kurtzen Gegenrede, wieder beantwortet, darinnen er sich vor den Auftrag der Regierung bedancket, und sie alles guten versichert; auch hierauf die Felicitations-Complimente von Einheimischen und Auswärtigen erwartet.

Sind diese Ceremonien vollbracht, so wird Salve gegeben, es werden die Canonen abgefeuert, prächtige Taffeln und Banqueter angestellet, Illuminationen und Feuerwercke angezündet, und einige Täge und Nächte nichts als lauter Freudens-Festivitäten wahrgenommen.

Gehet mit den Regenten eine Veränderung vor, so bemühen sich gemeiniglich die Reichs-Stände, die durch die Souverainite ihrer vorigen Beherrscher um ihre Freyheiten und Rechte ziemlicher massen gekommen, so viel als möglich, zu ihren ehemahligen Rechten und Ansehen wieder zu gelangen, insonderheit arbeiten einige Reichs-Collegia, welche aus ansehnlichen Mitgliedern und Reichs-Ständen bestehen, an Vermehrung und Vergrösserung ihrer Rechte. Nachdem Tode des Königs in Franckreich Ludwigs des XIVten bemühete sich das Frantzösische Parlament mit aller Gewalt, wieder auf den alten Gipffel zu steigen; es wurde aber gar bald in ziemliche enge Schrancken wieder getrieben, und den 26 August 1719 ein solenner Gerichts-Tag dieserhalb angesetzt. Sie sind nicht alle so glücklich, wie das Königreich Schweden, welches das Joch der Souverainite vor ein zwantzig Jahren vom Halse geschüttelt.

Die Liebe der Unterthanen ist wohl die beste Souverainite der Regenten. Wir können nicht umhin folgende merckwürdige Stelle aus dem I. Theile der Europäischen Fama p. 82. hiermit anzuführen: Heißt dieses Souverain seyn, wenn man zwar der Unterthanen Leiber und Güter, aber nicht ihre Hertzen beherrschet. Erkennt ein solcher König, welcher Tag und Nacht von Furcht und Argwohn gequälet wird, keinen Obern in der Welt, und lebet derjenige ohne Gesetze, an welchen der Dolch seiner mißvergnügten Unterthanen, alle Augenblicke, und wenn er sichs am wenigsten versieht, noch ehe sein bestimmtes Lebens-Ziel verflossen, das allgemeine Gesetz der Sterblichkeit vollstrecken kan? O! wie elend ist ein Monarch in solchem Zustande bey aller seiner eingebildeten Souverainite.

Dagegen ist ein Regente, welcher seiner Unterthanen Hertzen und Gemüther beherrscht, vor weit souverainer und mächtiger zu halten, ob auch schon seine Gewalt mit viel Fundamental-Gesetzen, und mit den stärckesten Capitulationen umschränckt wäre. Worinnen können ihm in diejenigen ungehorsam oder widerspenstig seyn, welche nichts wollen, als was er verlangt, [1796] und welchen nichts mißfällt, als was ihm zuwider ist.

Bevor die grossen Herren ihre Regierungen antreten, so notificiren sie den andern Puissancen, mit denen sie ein Commerce haben, insonderheit mit denen sie verwandt oder benachbart sind, den Todes-Fall ihres Herrn Vaters oder Herrn Vettern, und den auf sie gekommenen Anfall der Lande, entweder durch Schreiben oder abgeschickte Ministers, offeriren ihnen alle Freundschafft, und bitten sich davor wieder die ihrige aus. Hierauf erhalten Sie wieder von ihren Mit-Regenten entweder durch Gesandte, oder durch schrifftliche Antworten respective Condolencen und Gratulationen wegen des Absterbens dero Herrn Väter oder Gevettern, und wegen des Antritts zur Regierung, nebst Dancksagungen vor die beschehene Notification.

Stehen sie mit einem oder dem andern der Succeßion wegen oder eines andern Puncts in einigem Nexu oder in einer kleinen Irrung, so errichten sie vorher gewisse Compactata, Vergleiche und Recesse, darinnen sie alles reguliren. Bei den Succeßions-Gesetzen wird offters ein Fluch angehängt, auf diejenigen, welche sich unterstehen wollen, dieses oder jenes bey dem Königlichen Hause lange eingeführte oder von neuen hergebrachte Gesetz in Verwirrung und Zweiffel zuzühen.

In Engelland ist es die Straffe des Hochverraths, so diejenigen zu erwarten haben, die bey dergleichen Reglemens etwas ändern, oder sie nicht erkennen wollen. Werden neue Formulen eingeführt, so müssen die Unterthanen selbige beschwören. Also musten im Jahr 1724 die Stände in Böhmen so lange sie die Majorennität erlangt, die in Faveuer der von dem Kayser stabilirten Succeßion eingeführte Formul beschwören.[LA 1]

Wenn die Reichs- oder Land-Stände auf den Fall, daß ihr itziger Regente mit Tod abgehen solte, einen auswärtigen Successoren in ihrer Succeßions-Ordnung denominiren, so pflegen sie auch gemeiniglich mit auszudrücken, auf was vor Art das Ministerium soll besetzt seyn, und von wem die Regierung des Königreichs soll geführt werden, bis der fremde Kronfolger in dem Reich angelangt.

Da im Jahr 1705 den 28 Novembr. die Englische Succeßions-Sache in Beyseyn der Königin, die sich incognito dabey aufhielt, in dem Parlament zu Londen vorgenommen, und der protestirende Successor, auf dem Fall des erledigten Throns, auf Ordre des geheimden Raths-Collegii in Engelland und Irrland, für König ausgeruffen ward, so wurde auch zugleich mit declariret, daß das Regiment bis zu seiner Ankunfft ins Reich, durch den Ertz-Bischoff von Cantelberg, den Cantzler, Schatzmeister, den geheimbden Raths-Präsidenten, den Groß-Admiral, geheimden Siegel-Verwahrer u.s.w. versehen werden solte.

Ist nun die Succeßions-Acte etablirt, so wird eine ansehnliche Legation abgeschickt, ihnen eine ansehnliche Suite und kostbare Equipage mitgegeben, welche dem declarirten Nachfolger denen abgefaßten Schluß der Reichs-Stände hinterbringen muß. Diese Gesandtschafft wird hernach von dem künfftigen Successor auf das herrlichste empfangen, auf das kostbarste bewirthet, und offters [1797] auch auf das reichste beschenckt.

Wird ein Nachfolger in dem Testament designirt, so wird es eben so gehalten, die Executores testamenti, oder die Reichs-Regierungs-Räthe, denen dieses aufgetragen, notificiren ihm oder seinem Vater schrifftlich den Todes-Fall, und beruffen ihm ins Reich. Dieser schickt eine obligeante Antwort wieder zurück, acceptirt die Notification des Testaments und versichert die baldige Ankunfft ins Reich. Die Reichs-Regierung dancket wieder wegen versicherter Acceptation des Testaments, und sollicitirt um baldige Ankunfft.

Bißweilen ist es nöthig, daß der künfftige Successor noch bei Lebzeiten des andern ins Reich beruffen werde, damit das Volck das Unterpfand der allgemeinen Sicherheit gleich vor Augen haben, und sie bey einem jählingen Vorfall ihre Zuflucht zu ihm nehmen können.

Bey dem Actu declarationis muß sich der Regente gemeiniglich eydlich verbindlich machen, die Stände und das Volck nach dem Inhalt der Fundamental-Gesetze bey ihrer Religion, bey ihren Rechten, Freyheiten und Privilegien allenthalben zu erhalten. Damit die Succeßion eines Hauses desto mehr befestiget werde, so wird dieselbe gar offters in den Friedens-Schlüssen von andern Puissancen in verbindlichen Terminis mit assecurirt, und guarantirt.

Spühren die Reichs- und Land-Stände, daß eine ungerechte Domination und Gewaltthätigkeit wider die Fundamental-Gesetze des Reichs und die Freyheit der Stände einbrechen will, so kommen nicht selten die Stände zusammen an Noblesse, Bürgerschaft und andern getreuen Gemeinden des Landes und Königreichs, versprechen einander in geheim und gegen einander, daß sie sich derselben, so viel als in ihren Kräften steht, widersetzen wollen, und lassen auch wohl zu dem Ende durch die Hand eines Notarii publici, eine von ihnen allerseits unterschriebene solenne Protestation registriren.

Wo andere Europäische Puissancen sehen, daß einige mächtige Königreiche und Länder durch die Succeßion möchten zusammen kommen, und also nachgehends das Aequilibrium aufgehoben, und einer allein gar zu mächtig werden, so wird der eine durch die andern nicht selten obligirt, daß er auf das solleneste auf ein Königreich renunciren, und die Renunciations-Acta beschwören muß.

Wenn auswärtige entweder wegen eines pacti successorii, oder auch sonst vermeynen, in ihrer Anforderung zur Succession fundirt zu seyn, so lassen Sie nichts ermangeln, was so wohl in jure als facto zu Ausführung ihrer gerechten Befugniß und billigmäßigen Zwecks Erreichung gehört, zu bewerckstelligen. Sie lassen in besondern Schriften ihr unwidersprechlich Recht zur Folge im Reiche oder in Landen ausführen. Sie schicken Gesandte an auswärtige Höfe und Puissancen, und suchen Aßistenz, sie bemühen sich, die Stände auf alle Weise zu gewinnen. Sie beruffen sich auf die, mit dem letztern Fürsten errichteten Eventual-Vergleiche, oder erweisen auch justitiam causae auf andere Art.

Sie protestiren wider die jura und facta des Gegners auf das feyerlichste, sie widersprechen ihnen in der beständigsten Forme der Rechte, und wollen gegenwärtigen Besitzern oder Prätendenten nichts einräumen, sondern ihnen [1798] vielmehr competentia und Competituren vorbehalten haben, des zuversichtlichen Vertrauens lebende, es würde ein jedweder ihr Sonnen-klares Recht an diesem Lande dermahleinst erkennen, ihnen zu dessen geruhiger Posseßion wieder verhelffen, und dabey mächtig schützen. Vermeynen sie, daß ihnen etwan durch ein Testament zu wehe geschehen, so übergeben Sie schriftliche Protestationen, in Ansehung der Nullität und Ungültigkeit der Stellen, so in diesem Testament enthalten, auch wider alles dasjenige, so aus Krafft solcher Passagen zum Nachtheil ihrer unbezweifelten Rechte gereichen möchte.

Es geschicht bißweilen, daß sich zwey hohe Controvertenten der Posseßion des Landes zugleich anmassen, und actus possessorios vornehmen, der eine läst z. E. in der Residenz die Wapen anschlagen, der andere hingegen einen Land-Tag seinem Namen halten und schlüssen, nimmt die Siegel der Collegiorum in Verwahrsam, und schickt Miliz ins Land, u. s. w.

Wenn sich nun in Deutschland dergleichen zuträgt, so mahnen Kayserliche Majestät beyde Theile an, ihre actus possessorios zu verlassen, die Wapen abzuthun, die Miliz aus dem Lande zu führen, und die jura rechtlich auszuführen, sie erklären sich, daß ihnen die Begebung solcher Actuum künftig nicht präjudiciren soll, und lassen bey dergleichen Fällen das Land mehrentheils sequestriren.

Bisweilen ergreiffen einige zugleich die Composseß eines gewissen Landes oder Residenz-Schlosses; alsdenn lassen sie einen Notarium und Zeugen dazu requiriren, der ein Instrument hierüber ausfertigen muß, sie hauen zusammen ein Stück Holtz aus der Schloß-Kirche ab, und berühren die Rincken im Thore, ingleichen ein Holtz von der Schloß-Pforte, sie löschen das Feuer in der Küche aus, und Befehlen im Namen der neuen Besitzer wieder neues anzumachen, sie hauen auch einige Stücke Holtz ab, von den Thüren der unterschiedenen Collegiorum, und setzen hin und wieder Wachen vor die Thüren.

Zu Entscheidung der Differentien, die sich in Deutschland unter denen Ständen des heiligen Röm. Reichs bey den mancherley Succeßions-Fällen zu entspinnen pflegen, wird des Römischen Kaysers Majestät implorirt, dieselben nach denen Reichs-Fundamental-Gesetzen zu entscheiden; er setzt sodann gar öffters eine Kayserliche Commißion zum gütlichen Vergleich nieder, und rescribirt an die sämmtlichen uneinigen Fürsten: Damit die Succeßions-Irrungen zu sämtlicher Theile Befriedigung aus dem Grunde gehoben, und völlig abgethan werden mögen, so gesinnen sie an, daß sie sich fördersamst dazu anschicken, damit sie innerhalb einer gewissen Zeit alles dasjenige, was zur Information der Commissarien und zur Vertheidigung ihrer Gerechtsamen gereichen möchte, einschicken, und den Vergleich zu Stande bringen, oder in Entstehung eines andern Falles eine anderweitige Verordnung erwarten mögen.

Wenn in Deutschland ein Hauß auf dem Fall stehet, und ein Reichs-Stand, zumahl wenn er mächtig ist, keine männliche Leibes-Erben hinter sich läßt, so müssen gar öffters die sämmtlichen Magnaten und Mitbelehnten noch bey des andern Lebzeiten alle die Urkunden, woraus sie ihre jura dereinsten in casu aperturae erweißlich [1799] machen wollen, an den Kayserlichen Hof einschicken, damit Ihro Kayserl. Majest. bey Zeiten erkennen, wie weit ein jedweder von allen denen, die einsten Prätension darauf formiren würden, in seinen Rechten gegründet sey, und also bey Zeiten desto sichere Anstalten vorkehren, daß in denen künftigen Zeiten allem besorglichen Unheil vorgebeuget werde.

Es werden bey unterschiedenen Fällen gewisse feste und verclausulirte Succeßions-Pacten errichtet, und Ihrer Kayserl. Majest. als Ober-Lehns-Herrn unterthänigst vorgezeigt, und Kayserl. Confirmation darüber ausgebeten. Kayserliche Majestät nehmen denn solche Pacta allergnädigst an, lassen solche beylegen, und versprechen, daß auf erfolgenden Fall diesen Pacten nachgelebet werden soll.

Also schlüssen einige Reichs-Grafen und andere, zu Conservation des gantzen Geschlechts, ein gewiß Pactum und Vereinigung, sie unterschreiben es alle, besiegeln und beschwören es. Sind die übrigen, die zu diesem Geschlecht gehören, noch minderjährig, so müssen sie nach erlangter Majorennität, bey der Reception zu den Geschlechts-Conventen und Seßionen, nicht allein mit Hand und Siegel, sondern auch bey dem Wort der ewigen Wahrheit angeloben, der Geschlechts-Vereinigung und allen Familien-Pacten in allen Stücken nachzuleben, und in keinerley Weise darwieder zu handeln.

Es werden zuweilen andere Häuser ersucht, die Guarantie eines gewissen Vergleichs des Succeßion-Tractats über sich zu nehmen.

In den Erbteilungs-Recessen wird öffters mit verabredet, daß ohne Consens aller Fürstl. Interessenten von Land und Leuten nichts veralienirt noch verpfändet, auch bey künftigen Anfällen an Land und Leuten, oder deren Revenuen ein gleichmäßiges, als itzo besorget worden, beobachtet werden soll.

Bißweilen müssen die Kinder die Fürstl. Testamente nicht allein unterschreiben, sondern auch so gar eydlich versprechen, daß sie der väterlichen Disposition Folge leisten wollen; doch man hat genung Exempel, daß wenn gleich beydes geschehen, es doch nachgehends von den Erben nicht gehalten worden.

Die Theilung geschiehet entweder auf eine ungleiche oder gleiche Art. Der erste Casus trägt sich zu, wenn der Vater in Testament das Reich oder Land unter seine Kinder theilet, und gehet diese Theilung bißweilen nach Affecten, so daß die Gleichheit nicht allezeit darinnen beobachtet wird, und der eine viel mehr bekommt, als der andere. Bißweilen wird auch die Theilung dem Loose überlassen. In Deutschland ist bey Privat- und hohen Standes-Personen die Regel im Gebrauch, daß der älteste theilet, der jüngste aber wählet.[LA 2]

Die gleiche Theilung verhält sich nicht auf einerley Weise, denn es kömmt hierbey entweder das gantze Land, und alles, was darzu gehörig, in Theilung, oder es werden nur gewisse Ländereyen und Rechte getheilet, da die anderen ungetheilet bleiben, welche entweder gemeinschafftlich beherrschet werden, oder nur bloß von dem Ältesten dependiren.

Ob die Reichs-Vota nach Theilung der Ländereyen deßwegen vor getheilt zu achten, ist unter denen Rechts-Lehrern noch sehr streitig; die meisten behaupten es bey diesem Fall, wenn der Kayserliche Consens zu der Theilung gekommen, und ein jeder [1800] Fürst über sein Territorium besonders investirt ist.

Nach der Theilung wird ein jeder Fürst in seinem getheilten Stück Landes ein regierender Landes-Fürst, er geneust die Würden, Vorzügen, Rechte und Privilegien seiner Antecessoren, und behält auch wegen der Hoffnung der künftigen Succeßion den völligen Titel.

Die Mit-Erben, oder die Fürstlichen Herrn Brüder, sind allesamt einander gleich, und kan sich keiner über den andern etwas zum voraus zueignen, wenn es ihnen nicht von dem andern ausdrücklich vergünstiget, jedoch pflegen die jüngeren dem ältern die Präcedenz nicht leichtlich streitig zu machen. Es werden daher auch bey den Votis, bey den Unterschriften, und bey den andern Rechten die ältesten meistentheils den jüngern vorgezogen.

Bißweilen pflegen die Fürstlichen Herren Gebrüdere in einem besondern Fürst-Brüderlichen Vergleiche die hohen jura dem ältesten Herrn Bruder und dessen Nachfolgern an Regiment gleichsam vigore commissionis perpetuae unwiederrufflich zu übergeben und aufzutragen. Sie überlassen ihm alle Reichs- und Kreyß-Sachen, mit allen dahin gehörigen Expeditionen, Beschickung der Land-Täge, Eintheilung der Vollmachten, Instructionen und Verordnungen, Führung der Votorum, die Cammer-Gerichts-Visitationen, Verwilligung aller Reichs-Anlagen am Gelde und Volck, Suchung der Reichs-Lehen, alle Landschaffts-Sachen, die Land-Tags-Propositionen und Abschiede, die Ausschreiben und Eintreiben der Steuern und Anlagen, die Direction des gantzen Steuer-Wesens, die Verpflichtung der Bedienten, Einführung aller gemeinen, Kirchen- Policey- und Landes-Ordnungen, ausserordentliche Collecten, das jus belli et pacis, und was hierzu gehörig, die Aufforderung des Ausschlusses der Gesandtschafften und was ad Statum publicum mag gehörig seyn, u.s.w.

Diese Prärogativ wird das Directorium genennet, und pflegt denen ältesten vor diese Function etwas zum voraus, entweder aus der väterlichen Disposition, oder aus den Pacten der Familie aßignirt zu werden. So wird auch die Clausul bisweilen mit eingerückt, daß der älteste Bruder das Directorium mit gebührendem Rath führen soll, und sich aller Einführung eines fremden denen Fürsten-Band und Einigkeit ebenbürtiger Gebrüder oder Vettern höchst schädlichen, unbilligen und ungebührlichen Dominats enthalten.

Es geschicht bey unterschiedenen Fürstlichen Häusern, wenn ein von den Eltern hinterlassenes Stück Landes zu einer Landes-Fürstlichen oder Fürstenmäßigen Portion nicht genug zu seyn scheinet, und die Landes-Fürstliche Hoheit allen gemeinschafftlich verbleiben soll, daß nur eine Theilung der Einkünfte vorgenommen wird, biß sie durch neue Acceßionen des Landes zu einer erblichen und austräglichen Landes-Theilung können fortschreiten.

Einige Fürstliche Herren Gebrüdere errichten auf folgende Weise einen Provisional-Rezeß. Sie vereinigen und vergleichen sich zu Erhaltung ihrer selbst und Ihrer Posterität freund-brüderlich mit einander, daß sie nichts von einander trennen, keiner von ihnen den bösen Mäulern, wie sich in dergleichen Fällen [1801] gemeiniglich zuzutragen pflegt, Glauben zustellen, sondern einer den andern getreulich davon informiren und Part geben, auch den Personen selbst, um zu sehen, ob es auch aus einiger Paßion geschehen möchte, zu wissen machen soll, sie versprechen auch heiliglich und vor dem Angesicht GOttes, daß keiner von ihnen ohne des andern Vorwissen einige Posseßion apprehendiren, keiner ein mehrers Recht vor den andern prätendiren, sondern alles in statu quo lassen, nichts verändern noch vornehmen, vielmehr eine gesammte Cantzeley anstellen, und so lange auf gemeine Unkosten durch getreue Leute unterhalten, biß sie sich, wegen der ihnen angefallenen Land und Leute, sammt denen Pertinentien freund-brüderlich verglichen, und aus einander gesetzt haben würden.

Sind Pacta vorhanden, daß ein Land oder Fürstenthum nicht weiter getheilet werden soll, und der eine oder der andere von den Fürstlichen Herren Brüdern oder Vettern dringet doch auf die Theilung, so kommt der Primogenitus ein bey andern Fürsten und bittet um Vorschriften bei Kayserlicher Majestät zu intercediren, und zu effectuiren, daß sie allergnädigst geruhen möchten, die Geschlechts-Pacta de non amplius dividèndo zu confirmiren, und denselben gemäß, ihn als Primogenitum unter seinen Brüdern bey der alleinigen Besitzung und Regierung des Landes zu lassen, und zu schützen, und Gegentheil mit dem Gesuch der dem introducirten juri primogeniturae, und Conservation des Stammes auch dem interesse publico zuwider lauffenden Theilung mit seinen unmündigen Brüdern abzuweisen.

Das Recht der Erstgeburth ist bey den meisten Häusern in Europa und in Deutschland eingeführt. Zu den Zeiten der alten Deutschen wuste man von den Rechten der Primogenitur nichts, weder bei der Succeßion der Könige, noch in den Reichs-Lehen. Die Succeßion der Könige geschahe nach der Wahl, auch zu der Zeit der Francken.[LA 3]

Nachgehends aber ist das Recht der Erstgeburth durch gewisse Fundamental-Gesetze der Reiche und Lande durch Gewohnheit oder einige Verjährung, von gantz undencklichen Zeiten her, durch Testamente, und durch besondere Pacten und Statuten der Familie eingeführet worden. Bey den Churfürsten ist es in der güldenen Bulle gegründet, und wird es jederzeit in denen Kayserlichen Capitulationen bestätiget: Wir wollen allewege die weltlichen Chur-Häuser, bey ihrem Primogenitur-Recht, und ohne dasselbe wider die Gebühr restringiren zu lassen, nach Inhalt der güldenen Bulle verbleiben lassen.

In vielen Testamenten wird es angeordnet, man findet aber auch bisweilen Exempel, daß die Primogenitur darinnen ausdrücklich verbothen, hingegen die Aequalitas successionis mit folgenden Worten bestätiget wird: Das leidige Primogenitur-Wesen wollen wir bey unserer Posterität, um allerhand daraus flüssender schädlicher Consequentien willen, bey Vermeidung zeitlichen und ewigen Segens, abgestellet wissen.

Wird das Recht der Erstgeburth im Testament eingeführet, so erklären sie den ältesten Printzen zu einem völligen Successor der Land und Leute, auch aller ihm [1802] stehenden Hoheiten, Jurium und Regalium, dergestalt, daß derselbe künfftighin der regierenden Landes-Fürst alles dessen, so sie an Land und Leuten besessen, und ihnen annoch bey ihrem Leben, oder nach ihrem seligen Absterben heimfallen möchte, verbleiben soll; sie haben das Vertrauen zu dero übrigen Printzen, daß sie sich dieser zu ihres Hauses Conservation und Aufnahme zielenden väterlichen Verordnung gehorsamst submittiren werden, wobey sie sich denn des göttlichen Segens können versichert halten.

Es geschicht auch wohl, daß sie eine mächtige Puissance in dem Testament versuchen, diese Verordnung mit zu guarantiren, und darüber halten zu helffen.

Bißweilen haben die Durchlauchtigsten Herrn Paciscenten und Gebrüdere bey Fürstlichen Ehren, Treu und Glauben, an würcklich geschwornen Eydes statt sich verglichen, daß sie sich der väterlichen Disposition unterwerffen wollen.

Man findet auch wohl in der Deutschen Historien Exempel der Fürsten, die das unter sich aufgerichtete Primogenitur-Recht durch einen Jurament bestärcket, und von einem Notario ein Instrument darüber verfertigen lassen.

Mehrentheils ersuchen die Fürsten des heiligen Römischen Reichs die Römisch-Kayserliche Majestät, es wollen dieselben zu möglichster Vorkommung und Abwendung aller etwa besorgenden Irrungen, welche sich nach ihrem Ableben ereignen könnten, als regierender Römischer Kayser und oberster Lehens-Herr[WS 2], ihr Fürstenthum, zur Erhaltung und Fortführung ihrer Fürstlichen Posterität, auch ihrem Land und Leuten, und zuförderst dem Heiligen Römischen Reich zu mehrerm Besten allergnädigst geruhen, das in ihrem Fürstenthum eingeführte Primogenitur-Recht aus Kayserlicher Macht und Vollkommenheit mit verbindlichen Clausuln, und wie dasselbe an beständigsten und kräfftigsten geschehen könnte oder möchte, durch dero Kayserliche Confirmation zu befördern und zu befestigen.

Wenn sie nun durch ein allerunterthänigstes Memorial bey Römisch-Kayserlicher Majestät um Confirmation angesucht, so müssen sie hierauf beybringen, wie alt die Herren Söhne seyn, ingleichen bey ihren Fürstlichen Namen, Worten, Treue und Glauben, Gerichte und Attestate einschicken, daß durch die Disposition der Primogenitur, und die darinnen verordnete Apanagia und Deputata, den jungen Printzen und denen folgenden, da deren GOtt mehr bescherete, nicht zu kurtz geschähe, sondern ihnen vielmehr ein erkleckliches zugeordnet und zugedacht sey, als ein jeder nach Proportion der Lande und der Gefälle, worauf bey Erb-Vertheilungen in dem Fürstlichen Hause reflectirt zu werden pflegt, nach Abzug der obliegenden Onerum zur Legitima zu gewarten habe.

Die Confirmations-Formul pflegt auf folgende Weise eingerichtet zu seyn; So confirmiren wir aus wohlbedachten Muth, gutem Rath und rechtem Wissen, als jetztregierender Römischer Kayser nicht allein die Primogenitur-Disposition in allem deren Inhalt, sondern bewilligen und verordnen auch krafft dieses gnädiglich, daß zu jederzeit nur ein eintziger regierender Landes-Fürst aus der ältesten Geburts-Linie Posterität in den Fürstlichen Landen seyn, und nach dem Recht der Erstgeburth admittirt werden soll. Thun das, [1803] confirmiren und bekräfftigen vorgeschriebene Disposition, bewilligen und verordnen auch sothanes Recht der Erstgeburth, für uns, unsere Nachkommen am Reich, Römische Kayser und Könige, hiermit und krafft dieses Kayserlichen Briefes von Römischer Kayserlicher Macht, Vollkommenheit, Hoheit, Würde und Gütigkeit, als solches am beständigsten geschehen soll, kan und mag.

In den Fürstlichen Vergleichen wird ebenfalls ausgemacht, auf was Art dieses Recht der Primogenitur bey einigen Fällen zu rechnen sey. Also ist in dem im Jahr 1672 errichteten Altenburgischen Haupt-Vertrage unter andern folgendes disponirt; Gleichwie nun dieser gantze und wichtige Vergleich nichts anders als auf beständige Stifftung unaufhörlicher Freundschafft und vertraulicher Zusammensetzung angesehen und erbauet; Also vereinbahren und erklären wir uns auch bey dem Haupt-Stück und Fundament dieses Vergleichs allerseits dahin, damit unsere beyderseits Fürstlichen Häuser ins künfftige um so viel desto mehr in ständiger Einträchtigkeit erhalten, und alles Mißvernehmen abgewendet werde, des Inhalts, daß die bey diesem Fürstlichen Sammthause aufgerichtete Verträge, und ausgelassenen kundbahren Schrifften, auch Judicial- und Extrajudicial-Einwendungen die Primogenitur allewege nach dem würcklichen Alter, so in natürlichen Lauff der Jahre, Monathe und Tage bestehet, nicht aber nach den Linien und Repräsentation noch Fictione juris gerechnet und geachtet werden soll.

Die Deutschen Fürsten machen die Antretung ihrer Landes-Regierung der sämmtlichen Reichs-Versammlung bekannt, und versichern, daß sie nach dem rühmlichen Vorbilde ihrer Vorfahren, zu allem, was des heiligen Römischen Reichs Wohlfahrth befördern könnte, mit behülfflich seyn würden, dagegen vermuthend, daß man ihnen hinwiederum alle ihre Prärogativen genüssen lassen würde.

Bißweilen wird unterschiedenen zugleich entweder durch die gesammte Hand und Mitbelehnschafft, oder durch ein Testament, oder durch Tractaten und Compactaten die Regierung eines Landes aufgetragen. Bey diesem Casu pfleget denn der Älteste und Erstgebohrne im Namen der übrigen Herren Brüder die Mandate und Rescripte zu resolviren, und die andern zur Regierung gehörige Handlungen zu expediren, und ist die Formul hierbey folgende: Für uns, und die Durchlauchtigen Fürsten unsere freundlich geliebte Herren Brüder Hertzog Albrechten und Moritzen etc. fügen hiermit öffentlich zu wissen.[LA 4]

Sie constituiren auch wohl einen gemeinschafftlichen Procurator durch ein Procuratorium, daß der Gevollmächtigte dasjenige verrichten soll, was die Principalen von selbst zur Stelle verrichten könnten, solten und wolten. Bißweilen wechseln Sie die Regierung einige Monate oder einige Jahre nach einander um, so daß sie diese Zeit über bey diesem, und eine andere bey jenem ist, welches die Mutschierung genennet wird. Bey andern wird die Jurisdiction auf gewisse Districte und Quartiere eingerichtet, in die sie sich theilen. Stehet es denen, die eine gemeinschafftliche Regierung bißher gehabt, nicht länger an, in Communion zu bleiben, so können Sie allezeit auf die [1804] Theilung provociren.

Es ist fast in allen Provincien Deutschlandes keine gleiche und in allen Stücken überein kommende Landes-Regierung, sondern es sind fast so viel unterschiedene Arten der Regierungen als Provincien anzutreffen.[LA 5]

Die neuen Regierungen zühen grosse Veränderungen nach sich so wohl bey den Staats-Geschäfften, als insonderheit unter den Bedienten. Viel Officianten, die sich bey dem Successor nicht in besondere Gnade gesetzt, werden abgedanckt. Sind etwan Schulden vorhanden, die abgetragen müssen werden, so wird die Hofstatt auf das engeste und genaueste eingezogen. Mancher Minister muß Rechnung seines vorigen Haushaltens ablegen, ein anderer wird wohl gar in ein Staats-Gefängniß gelegt, oder in das Exilium verwiesen, viele, die sonsten in schlechtem Ansehen stunden und gar nichts galten, kommen hoch ans Bret.

Vielmahls bemühen sich die jungen Regenten durch eine besondere Gnade merckwürdig zu machen, weil die Unterthanen aus den ersten Linien einen Schluß von dem künfftigen Erfolg des gantzen Lebens machen. Es werden ebenfalls nicht selten gantz neue Collegia und Judicia etabliret, bey welchen folgende Ceremonien merckwürdig sind. Es wird vorhero nach der Verfassung des Landes mit denen Ständen Communication gepflogen, insonderheit aber mit den Collegiis, die einiger massen mit dem neuen Collegio concurriren, damit man ihr Gutachten dabey vernehme.

In den besondern Ordnungen und Statuten, werden die Pflichten, Verrichtungen und Eydes-Notulen aller und jeder Bedienten vom obersten Präsidenten biß auf den untersten Aufwärter exprimirt, und die Gräntzen ihrer Jurisdiction beniemet. Es geschehen Notificationen an alle Collegien des Landes wegen Titulaturen und Expeditionen, so dieses Collegium zu besorgen hat, damit dieses alles zu der Unterthanen Notiz gelange. Vielmahls wird auch die gantze Verfassung gedruckt, damit sich ein jeder desto besser darnach richten könne.

Es wird eine solenne Proceßion angestellt, von den Gliedern des neuen Collegii, der sämmtlichen Hofstatt und Deputirten der Stände, aus demjenigen Orte, wo sich das neue Collegium versammlet, in die Kirche, wenn nun daselbst die sich zu dieser Handlung schickende Predigt abgelegt, und der Gottesdienst geendiget, so gehen sie sämmtlich in ihrer Ordnung wieder zurück. Hierauf wird im Nahmen des Regenten die Proposition gethan, die Statuten und Ordnungen des neuen Collegii werden öffentlich abgelesen, und die Installation und Verpflichtung der neuen Glieder wird nach abgelegten solennen Reden und Antworten vorgenommen. Nach Endigung dieser Handlung werden entweder unter dem Trompetenblasen und Pauckenschlagen die Stücke abgefeuert, oder doch von der, unten vor dem Hause stehenden Soldatesque ein paar mahl Salven aus Mousqueten gegeben.

Finden sich grosse Herren genöthiget ihrer Angelegenheit wegen entweder auf eine kürtzere oder längere Zeit ihr Land zu verlassen, so tragen sie inzwischen die Regierung entweder ihren Räthen und Ministern, [1805] oder ihren ältesten Printzen, oder auch ihren Gemahlinnen auf.

Also constituirte der Chur-Fürst zu Bayern Maximilian Emanuel im Jahr 1704, da er sich nach der unglücklichen Schlacht bey Höchstädt retiriren muste, seine Gemahlin in einem Decret zur Regentin des Landes, legte ihr die absolute Gewalt und Autorität bey, um bey seiner Entfernung von dem Lande die durchgehende Regierung so wohl in publicis als militaribus zu führen, und alles dasjenige zu beobachten, zu handeln, und zu beschlüssen, was sie ihm und dem Lande am besten zu seyn erachten würde.

Dieser Schluß wird allen ihren Collegiis und den sämmtlichen Land-Ständen notificirt, damit sich das gantze Land darnach zu richten wisse.

Nachdem die Könige nicht allenthalben zumahl in entfernten Ländern in Person gegenwärtig seyn können, so erfordert es die Nothwendigkeit, daß sie an statt ihrer gewisse Vice-Rees, oder Königliche Statthalter verordnen. Sie schreiben Ihnen vorhero gewisse Reglemens und Instructionen vor, wie weit sich die Gräntzen ihrer Gewalt und Jurisdiction erstrecken sollen. Sie verwenden mehrentheils solche, deren Treue sie durch vielfältige Proben vorhero gewiß versichert, die sich bey ihnen auf vielfache Weise allbereit meritirt gemacht, die der Gebräuche des Landes, in welches sie geschickt werden, kundig, und bei dasigem Volck, dem sie vorstehen sollen, lieb und in Ehren gehalten werden möchten.

Bisweilen wird auch die Statthalterschafft, oder das Gouvernement einigen von dem Hochfürstlichen Hause selbst aufgetragen, wenn sie die Capacität und Erfahrung besitzen, die zur Vice-Regierung eines Landes nöthig ist, und die Regenten, die ihnen die Administration des Landes übergeben auf keiner Seite etwas präjudicirliches in Ansehung ihrer zu besorgen haben. Also werden auch wohl Hochfürstliche Weibs-Personen zu Gouvernantinnen eines Landes erklärt. Die Statthalter und Gouvernantinnen, so von den Hochfürstlichen Anverwandten darzu erwählet werden, haben ein mehrers Pouvoir als die andern, des geschicht aber auch nicht so gar leichtlich und nicht so gar öfters, daß ihnen das Gouverno aufgetragen wird; es steckt gemeiniglich eine kleine Jalousie und Furcht dahinter, als ob ihnen die Unterthanen allzusehr anhangen würden, zumahl wo sie mehr Hoffnung zur Succeßion hätten, oder sie die Gräntzen ihrer Administration weiter erstrecken möchten, als der Intention des Landes-Regenten gemäß wäre.

Die die Ober-Auffsicht über ein kleines Fürstenthum, über eine Grafschafft oder einen anderen District Landes in Deutschland erhalten, werden nicht so wohl Statthalter, als vielmehr Ober-Land-Troste, Ober-Lands-Haupt-Leute, Ober-Auffseher u.s.w. genennet, und wird ein solch Gouverno mehrentheils alten und meritirten Ministern zu Theil, die sonst Treue und ersprießliche Dienste geleistet.

Wenn ein neuer Regente eine andere Puissance nicht dazu bewegen kan, daß sie ihn davor erkennet, so pflegt er alles Commerce mit derselben völlig abzubrechen, er rufft seine Ministres, Secretairs, Residenten und Agenten von ihr wieder zu sich, er entzühet den gegenseitigen Unterthanen alle Privilegien und Freyheit, die ihnen vorhero zugestanden, er läst nichts von ihren Schiffen, Waren und Effecten [1806] in seine Häfen, und in sein Land, und dieses so lange, biß die andere Puissance ihn vor den rechtmäßigen Regenten dieses oder jenen Landes erkennt, oder durch Interposition der andern ein Temperament dieserwegen gefunden worden. Zuweilen entstehet wohl gar hierüber eine solche öffentliche Feindseligkeit, die in einen blutigen Krieg ausbricht.

Ein freywilliges Niederlegen der Krone ist zwar eine Sache, die sich gar selten zuträgt, indem es den meisten Menschen natürlicher ist, den Scepter freywillich zu ergreiffen, als ihn von sich zu geben; inzwischen sind dennoch einige wenige Exempel aus der Historie vom Kayser Carl dem Vten, von der Königin in Schweden Christina, von dem König in Pohlen Johann Casimir, und von dem itzigen König in Spanien Philippo V, da er eine Zeitlang abdanckte, auch hiervon bekannt geworden.

Bey diesem Fall geschehen bisweilen eine lange Zeit vorher gleichsam gewisse Praeludia, die den Weg darzu bahnen. Die Regenten concertiren ihr Dessein, entweder mit einigen grossen Staats-Ministern, oder mit ihren künfftigen Successoren, die ihnen denn hierbey kein Hinderniß in Weg legen, sondern sich ihren Entschluß gar wohl gefallen lassen. Bringen sie aber diese Resolution an die Stände, so versuchen sie dieselben in einer solennen Deputation auf das allerflehentlichste, sie nicht zu verlassen, und ihren Schluß hierinnen zu verändern; nicht weniger pflegen andere Puissancen, wenn sie etwas davon erfahren, ihr Vorhaben auf alle Weise ihnen zu widerrathen. Beharren sie aber beständig auf ihren Entschluß, so lassen Sie ein Abdanckungs-Diploma abfassen, und exprimiren darinnen die Ursachen, die sie hierzu bewogen, welche mehrentheils folgende sind, Als die Schwachheit des Leibes, das hohe Alter, und das Verlangen nach der Ruhe, oder der Eckel zum Irrdischen, und die Liebe zu dem Himmlischen. Nicht weniger führen Sie in dem Abdanckungs-Instrument an, daß sie das Regiment freywillig, und ohne jemandes Anstifften von sich ablegten, auch allen Prätensionen auf das Reich vor itzt und künfftig renuncirten, welche sie zu keiner Zeit, weder durch sich, noch durch andere hervorsuchen wolten.

Die sämtlichen Stände werden durch Deputirte zusammen beruffen, das Abdanckungs-Diploma wird abgelesen, und zugleich das Assecurations-Diploma wegen der jährlich zu empfangenden Summe Geldes, so sie von denen Ständen biß an ihr Lebens-Ende verlangen. Sie steigen auf den Thron in Königlicher Pracht, halten in Gegenwart des Successors eine bewegliche Abdanckungs- und Valet-Rede an die Stände, empfehlen dem Successor die Wohlfahrth des Königreichs, ertheilen ihm manche heilsame Erinnerungen, und gratuliren ihm zur Krone.

Hierauf hält einer von denen Reichs-Ständen im Namen des Königreichs eine Gegenrede, er beklaget den Verlust, den sie hierdurch erlitten, ersucht ihn, die angebohrne Liebe gegen das Vaterland unverrückt zu behalten, und versichert ihn des steten Andenckens. Wenn dieses geschehen, legen Sie Ihren Königlichen Staat ab, wollen von denen Ständen und Bedienten nicht mehr die vorigen Ehr-Bezeigungen annehmen, die ihnen sonst als Königen zugekommen, sondern geben sich nunmehr als Privat-Persohnen aus. Bey diesen Sätzen wird das [1807] Exempel der Königin Christina in Schweden die beste Erläuterung abgeben. Als sie im Begriff war die Krone niederzulegen, und alle ihre Bedienten und Unterthanen von ihren Pflichten und Gehorsam loßzuzählen, wurde sie auf das prächtigste von denen vornehmsten Officialen des Reichs angekleidet, sie satzten ihr die Königliche Krone auf das Haupt, gaben ihr in die rechte Hand das Scepter, und in die lincke den güldenen Reichs-Apffel. Zwey Senatoren trugen ihr das Schwerdt und den güldenen Schlüssel vor. Sie satzte sich auf den Thron, und ihre Nachfolger Printz Carl Gustav nicht weit von ihr.

Nachdem nun das Abdanckungs-Instrument abgelesen, ließ sie sich ihres Königlichen Ornats nach und nach entkleiden, der Reichs-Cantzler nahm ihr den Reichs-Apffel, der Reichs-Admiral den Scepter, und der Reichs-Trost die Krone, die drey Auffwärter zogen ihr den Rock aus, welchen die Hoffleute in tausend Stücken zerrissen, weil ein jedweder etwas davon haben wolte. Wie sie gantz entkleidet, stund Sie in blossen Haaren, in weissen silbernem Tobin, hielt eine bewegliche Rede an die Stände, zählte sie von ihren Gehorsam loß, und verwieß sie an den Printzen.

Der Schluß ihrer Valet-Rede war folgender: Ihr wisset dieses wohl, und ohne Zweiffel werdet ihrs glauben, es bestehe die allergröste Bezeugung und Bestätigung meines Willens darinnen, wenn ich sage, daß ich zu allen Zeiten eine Christina seyn und bleiben werde. Hierauf hielt wieder einer von den Reichs-Ständen eine sehr bewegliche Gegen-Rede, beklagte die vor sie betrübte Entschlüssung der Königin, danckte vor ihre Regierung, und vor die neue getroffene gute Wahl.

Sie stieg vom Thron herunter, ließ die vornehmsten von den vier Ständen zum Valet, zum Hand-Kuß, redete den Printzen mit einer wohlgesetzten Rede an, gratulirte ihm zur Krone, und empfahl ihm das Wohl der Unterthanen. Der Printz wandte sich hierauf mit seiner Rede zu den Reichs-Ständen, welche dem König antworteten, und ihnen ihrer Treue versicherten; die vornehmsten von denen Ständen wurden zum Hand-Kuß gelassen; der Printz führte die Königin in ihr Gemach; des Nachmittags empfieng er mit gehörigen Solennitäten die Krone, und ward durch einen Herold, zum König der Schweden, Gothen und Wenden ausgeruffen.[LA 6]

Wie aber eine Regierung klüglich und löblich geführet werden möge, lehret Seckendorf ausführlich in seinem Deutschen Fürsten-Staate.

Daß den hohen Reichs-Ständen nächst der Gewalt Gesetze zu geben, zugleich die Macht zustehe, zu desto besser Verwaltung der Justitz in ihren Ländern und Staaten einige Landes-Regierungen oder Cantzeleyen, Hof-Gerichte, Schöppen-Stühle, und andere hohe und niedere Gerichte anzulegen, auch Obrigkeiten zu verordnen, ist als ein aus der festgegründeten Landes-Fürstlichen Hoheit herflüssendes Regale vor bekannt zum voraus zu setzen.[LA 7]

Es ist aber hierbey bald als etwas besonders anzumercken, daß, obwohl unterschiedlicher anderer Reichs-Stände Unterthanen, [1808] in gewissen Fällen vor die allgemeinen Reichs-Gerichte beschieden werden, oder auch die Partheyen von selbst dahin appelliren können, die hohen Vorfahren des Chur-Hauses Sachsen im Gegentheil, von sehr langen und fast undencklichen Jahren her, das Recht, ihre Unterthanen vor keine Gerichte ausserhalb Landes zühen, noch auch diese selbst dahin appelliren zu lassen, ausgeübet haben.

Wie denn Hertzog Wilhelm zu Sachsen bereits im Jahre 1446 sich mit denen Lands-Ständen dahin vereiniget, daß keiner, bei Vermeidung der Acht, von denen Unterthanen jemanden vor ausländische Gerichte, geistliche oder weltliche, zühen solte.[LA 8]

Welches schon vorher der von denen glorwürdigsten Kaysern Carln IV in der Güldenen Bulle tit. 2. und Sigismunden im Jahre 1423, auch nach diesem von Maximilian I im Jahre 1495 und Ferdinand I im Jahre 1559 bestätiget und erneuert worden. Welches Privilegium so fest gegründet ist und sich soweit erstrecket, daß auch keinen auswärtigen (Extraneo oder Forensi) dahin zu appelliren frey stehet.[LA 9]

Ebenfalls wird unter dem Vorwände der Nullität keine Appellation zu gelassen.[LA 10]

Noch weniger kan ein Unterthan zu Abstattung eines Zeugnisses vor das Reichs-Cammer-Gerichte gezogen werden.[LA 11]

Und ist sonderlich Kaysers Sigismunds Privilegium de non evocando, welches er im Jahre 1423 Churfürst Friedrichen dem Streitbaren in dem Churfürstenthume und allen seinen Landen und Fürstenthümern gegeben, nebst demjenigen, so nach den Umständen damahliger Zeiten der Pabst Sixtus IV ertheilet,[LA 12] ingleichen Kaysers Ferdinands Privilegium de non appellando[LA 13] nachzulesen.[LA 14]

Diesemnach ist die Justitz im Churfürstenthum Sachsen von langen Zeiten her, ohne Concurrentz oder Subordination der Kayserlichen und Reichs-Gerichte administriret worden, darzu vornehmlich, als das höchste und ansehnlichste Justitz-Collegium derer sämmtlichen Churfürstlichen Sächsischen Lande die Hochlöbliche Landes-Regierung zu Dreßden angeordnet, und ob wohl derselben Anfang so deutlich nicht zu erweisen, indem Cantzler und Räthe, welche das Durchlauchtigste Chur-Haus Sachsen allezeit gehalten, nicht beständig in Dreßden, sondern hier und da bey dem Hoflager mit gewesen; so hat man doch von Zeiten Hertzogs Albrechts, und ins besondere seit 1486 eine stehende Regierung oder Raths-Collegium in Dreßden gehalten.[LA 15]

Was die gegenwärtige Verfassung desselben anbetrift; so ist solches hauptsächlich zu erlangen aus denen Cantzley-Ordnungen vom 13. Julius 1642, und vom 8 Junius 1657, ingleichen aus denen vom Hochpreißlichen Geheimen Consilio vormahls ergangenen Generalien, auch Special-Verordnungen, nicht weniger Churfürst Johann Georgens II Declaration, die streitige Concurrentz der Landes-Regierung [1809] und des Cammer-Collegii betreffend, auch was eigentlich unter die Expeditionen eines jeden Theils gehöre, vom 13 August 1670.[LA 16] darinnen unterschiedene Zwistigkeiten in 15 Puncten entschieden worden. Welches Decret hernach durch einen vor die Hochlöbliche Cammer vom 25 May 1705 ergangenes Generale grösten theils geändert, und der Regierung nebst denen Hof-Gerichten alle Cognition in Jagd- Forst- Berg- und andern Cammer-Sachen untersaget, gleichwohl aber dagegen zu mehrmahlen Vorstellung gethan, und also zur Zeit nicht entschieden worden.

Es dependiret also hochbemeldete Landes-Regierung von dem hochpreißlichen geheimen Concilio, dahin in wichtigen Angelegenheiten Berichte erstattet; auch darauf und sonst aus denselben Verordnungen angenommen werden.

Zu Anfang des vorigen Jahrhunderts hatte das Regierungs-Collegium aus zehen Personen, nehmlich fünff von Adel, vier Rechtsgelehrten, und einem Cantzler, bestanden. Ihr zu sind nachgehends mehrere Räthe und ein Vice-Cantzler angenommen worden.[LA 17]

Das gegenwärtige Haupt dieses hohen Collegii ist der Cantzler, welcher ordentlicher Weise das Directorium führet, das Churfürstliche Cantzley-Siegel verwahret, und dessen sonderbarer Autorität und Ansehen unter andern aus dem §. Wo unsere Cantzler etc. u. §. Es sollen die Secretarien etc. der Cantzley-Ordnung von 1657 erhellet, und der Vice-Cantzler, welcher in Abwesenheit des Herrn Cantzlers, und wenn beyde abwesend sind, der vorsitzende von denen Herren Hof-und Justitz-Räthen, das Directorium, nebst dem Cantzley-Siegel führet.

Die übrigen Herren Räthe sind in Adeliche und Gelehrte eingetheilet. Worzu noch unterschiedene Supernumerarii kommen. Ausser diesen gehören zu dem selben noch unterschiedene theils ordentliche, theils ausserordentliche Regierungs- und Cantzley-Secretarien, nebst einigen Registratoren und Copisten, desgleichen ein Fiscal, ein Bothenmeister, Befehls-Ausgeber und Cantzley-Aufwärter.

Die ordentlichen Herren Hof-Räthe haben jährlich 1000 Gulden Besoldung zu genüssen, welche nebst der übrigen alten Raths- und Gerichts-Collegien Besoldung von dem Fleisch-Steuer-Pfennige genommen, und zu selbst beliebiger Eincaßirung ein eigener Einnehmer gehalten, der Uberschuß aber an die Churfürstliche Rent-Cammer verrechnet wird.[LA 18]

Die Supernumerarii aber haben weder ordentliche Besoldung noch ein Votum, ob sie gleich mit referiren, und zugleich Vorbeschiede abwarten. Es wäre denn einer oder der andere von den ordentlichen Hof-Räthen nicht zugegen. Denn solchen Falls haben die am nächsten sitzenden Supernumerarii derer Abwesenden Stellen im Votiren zu vertreten.[LA 19]

Es sollen aber die Herren Räthe mit Commißionen ordentlicher Weise nicht beleget werden, wenn nicht das Churfürstliche Interesse darunter versiret.[LA 20][1810]

Wenn ein neuer Hof-Rath oder anderer Beysitzer zu bestellen; so muß er nach Inhalt des angezogenen Land-Tags-Abschieds §. 2. vor der Entführung eine Probe seiner Geschicklichkeit ablegen und eydlich bestärcken. Siehe Rath, im XXX Bande, pag. 926. u.ff.

Nachdem nun solcher gestalt die allergnädigste Confirmation erfolget, wird der neu anzunehmende Hof-Rath bey der Landes-Regierung durch den geheimen Lehns-Secretar zu Ablegung der Pflicht zugelassen, und diese zugleich auf den Religions-Eyd mit gerichtet.

Vormahls ist denen Hof-Räthen eine ordentliche Bestallung bey dem Cammer-Gemach ausgefertiget worden, welches aber anjetzo nicht zu geschehen pflegt. Die Formalien der Bestallung eines Cantzlers und Hof-Raths können in Seckendorffs Deutsch. Fürsten-Staate[LA 21] nachgesehen werden.

Die Subalternen dieses hochlöblichen Collegii betreffend; so sind zuförderst die bey demselben verordneten Secretarien entweder ordentliche oder ausserordentlichen und Supernumerarii, deren die erstern Besoldung und Accidentien, die andern alleine Besoldung, und die dritten keines von beyden genüssen, sondern die blosse Hoffnung haben, nach Gelegenheit in der erstern ihre Stellen zu rücken. Ubrigens sind die selben ausser ihren aufhabenden Pflichten und Verrichtungen an den Cantzler und dessen Verordnung, oder in Abwesenheit des selben an das Directorium angewiesen; so gar, daß einem Churfürstlichen Cantzler überlassen worden, die Secretarien und Copisten; jedoch mit Vorwissen Sr. Churfürstl. Durchl. ein- und abzusetzen.[LA 22]

Insonderheit sind derer Secretarien Expeditionen entweder nach gewissen Sachen, oder nach gewissen Kreyßen eingetheilet. Denn da findet sich 1) die Lehns-Expedition, 2) die Appellations-Gerichts-Expedition, 3) die Vorbeschieds-Expedition, 4) der Ausländische, 5) der Chur- 6) der Thüringische, 7) der Meißnische, 8) der Leipziger, 9) der Gebürgische, 10) der Voigtländische und 11) der Neustädtische Kreyß.

In denen sieben letzten Kreyßen kommen also alle die unter jeden Kreyß gehörige Vasallen, Ämter und Städte betreffende Justitz- und Policey-Sachen vor, welche nicht bereits in der einen oder anderen derer vier ersten Expeditionen abgethan worden. Darunter insonderheit auch Lehns- Vormundschaffts- ingleichen die Raths-Bestätigungen gehören, und wird, wenn die Parteyen in unterschiedliche Kreyße gehören, auf den Ort des Supplicanten oder Impetranten gemeiniglich gesehen.

Von der dem Durchlauchtigsten Chur-Hause angefallenen Sachsen-Weydaischen Erb-Landes-Portion ist zu mercken, daß die daher kommende Sachen im Chur-Kreyße expediret werden. Was hingegen aus der Fürstlichen Weissenfelsischen Erb-Landes-Portion-Regierung, ingleichen von der Stiffts-Regierung zu Naumburg einläufft, pfleget im Thüringischen Kreyße, und was aus der Merseburgischen Stiffts- und Erblandes-Regierung [1811] einlaufft, im Leipziger Kreyße erörtert zu werden.[LA 23]

Ferner ist verordnet ein Fiscal, welcher die Eintreibung der von der Landes-Regierung und dem Appellations-Gerichte dictirten Straffen, so sich nicht über 10 oder 15 Rthlr. belauffen, suchet und befördert.[LA 24]

Hierüber sind anzutreffen viele Copisten und Expectanten, welcher in den Lehn-Vorbeschieds- und Appellation-Gerichts-Expeditionen, auch Kreyßen gebraucht werden.[LA 25] der Cantzley-Diener oder Bothenmeister, dessen Instruction in der Cantzley-Ordnung von 1652. §. Unser verordneter Bothen-Meister etc. enthalten. Endlich folgen die Cantzley-Aufwärter, Stubenheitzer und Bothen.

Unter der Hochlöblichen Landes-Regierung Devotion stehen alle Churfürstlich Sächsische Vasallen und Unterthanen. Und zwar entweder unmittelbar oder mittelbarer Weise. In die I Classe gehören sämmtliche Schrifftsäßige Vasallen, desgleichen die Balleyen und Comtureyen in Thüringen, die Räthe in Städten, welche auf Cantzley-Schrifft sitzen, und nicht denen Ämtern untergeben sind, ferner alle Churfürstliche, auch nur Titular-Räthe, Ministers und Hof-Bediente, alle honnetter Weise dimittirte Ober-Officirer sammt ihren Weibern und Kindern bis auf die Fähndriche; nicht weniger der Ober-Forstmeister und Ober-Förster in gemeinschafftlichen Angelegenheiten, hierüber die Doctores und Licentiaten derer Rechte in Dreßden, denen auswärtigen aber wird dieses Privilegium nicht eingeräumet, viel weniger denen Doctoren der Artzney-Wissenschafft; weiter die Secretarien und andere Bedienten bey denen Churfürstl. Collegien, und sind insonderheit die Accis-Commissarien und Inspectors vor Schrifftsäßig erkläret, also daß an dieselben aus der Landes-Regierung geschrieben wird,[LA 26]

Welches Privilegium hingegen die Cammer-Commißions-Räthe und Cammer-Commissarien nicht zu genüssen haben, sondern bey vorkommenden Fällen, denen Beamten wider dieselben Auflage geschiehet; ingleichen die Amtleute, Amtschösser und Amtverweser, sie mögen Aufrechnung sitzen, oder die Güter gepachtet haben; hingegen sind die Verwalter der Churfürstlichen Öconomien, welche keine Gerichtsbarkeit haben, vor Schrifftsäßig nicht zu achten, und wird daher aus der Landes-Regierung an dergleichen Haus-Verwalter nicht unmittelbar rescribiret.

Die Churfürstlichen Bedienten ins besondere betreffend; So behalten solche auch nach Aufgebung ihres Amtes, an welchem die Schrifftsäßigkeit hanget, nebst dem Titel das Privilegium des Gerichts. Endlich gehören hieher die vornehmen Standes-Personen von fremden Orten, welche sich in denen Churfürstlichen Landen aufhalten.

In die II Classe derer, so mittelbarer Weise unter derselben [1812] stehen, sind zu rechnen alle Unterthanen derer von Adel, Stadt-Räthe und Ämter, sonderlich die Amtsäßigen Vasallen, welche in allen Fällen vor denen Ämtern die erste Instantz haben, woselbst auch die Schrifftsassen, so zugleich Amtsäßige Lehn haben, in Ansehen derer das Amtsäßige Lehn betreffenden Sachen Recht nehmen müssen.[LA 27]

Desgleichen die Unterthanen der Stiffter, Universitäten, Consistorien, Fürstlichen Regierungen, wie auch der Grafschafft Mannsfeld, und welche sonst die Rechts-Wohlthat der ersten Instantz genüssen, und dahero in dem Falle der verzögerten oder verweigerten Gerechtigkeit, der Appellationen, Wiederklagen, zusammenhängender Rechts-Sachen, oder in Personal-Sachen, oder in Ansehung der Inspection, Abforderung derer Acten und Processen und so weiter anhero gedeyen.[LA 28]

Ingleichen ist denen, so unter der Unter-Obrigkeit gesessen sind, verboten, sich stracks an die Landes-Regierung zu wenden, und die ordentliche Obrigkeit zu übergehen; es hätte denn einer über die Obrigkeit selbst Beschwerde zu führen. In welchem Falle die Bittschrift oder Klage daselbst anzunehmen und die Billigkeit zu verfügen. Jedoch wenn zu mercken, daß über die Obrigkeit muthwilliger Weise und zur Ungebühr geklagt würde, soll Supplicant gebührlicher Weise darum bestraffet werden.[LA 29] Dahero pfleget bey dem hohen Appellations-Gerichte die Ausflucht der ersten Instantz und der Rechtshängigkeit von Amts wegen erfüllet zu werden.[LA 30]

Es erstrecket sich also die Macht und Gewalt der Hochlöblichen Landes-Regierung durch das gantze Churfürstenthum Sachsen und darzu[WS 3] gehörigen Lande, in allen so wohl Policey als Justitz-Sachen, diese mögen sonst gleich zu der peinlichen oder bürgerlichen Gerichtsbarkeit, beyderley Art, so wohl der willkührlichen, als streitigen, gehören, obschon öffters andere Gerichte entweder durch eine vorgängige Wahl oder Subordination dabey concurriren.

Dahin gehören also von denen Handlungen der willkührlichen Gerichtsbarkeit (Jurisdictionis voluntariae)

1)[WS 4] die so genannte Arrogation, welche anders nicht bestehet, es wäre denn selbige durch den Landes-Herrn oder dessen Regierung confirmiret,

2) die Anastasianische Emancipation oder Entlassung aus der väterlichen Gewalt,

3) die Bestätigung des geschehenen Verkauffs derer einem Pupillen, Minderjährigen oder Stadt und Gemeine zustehenden Güter, wenn nehmlich von der ordentlichen Obrigkeit darüber nicht bereits ein Decret ausgewürcket worden, welches aber in etlichen Fällen nicht hinlänglich ist,

4) die Offerirung derer Testamente und Codicille, welche in Person [1813] und nicht durch einen Gevollmächtigten zu verrichten ist;

5) die Nachlassung Alters halber,

6) die Legitimirung durch ein Rescript,

7) die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, desgleichen die Erlassung und Entbindung von dem Eyde,

8) die Ehrlichmachung,

9) das Begnadigungs-Recht,

10) Die Bestätigung derer in den Land-Städten errichteten Statuten und Decrete,

11) derer Handwercker Innungs-Artickel, denn wenn gleich ein Stadt-Rath einer Innung ihre Briefe bestätiget, wird doch in der Cantzley oder der Landes-Regierung nicht darauf gesehen,

12) die Ertheilung derer Privilegien, Freyheiten, Anstands-Briefe, Monopolien, sichern Geleits, u.d.g.

Ferner rechnet man hieher von denen Handlungen der streitigen Gerichtsbarkeit (Jurisdictionis contentiosae) 1) die Angelegenheiten derer elenden Personen, die Eröffnung und Direction derer zum Hochlöblichen Appellation-Gerichte, welches der Landes-Regierung gewisser massen einverleibet ist, gehörigen Rechts-Prozeße, als Pflegung der Güte, Annahmung und Verwerffung der Klagen, Ausfertigung und Behändigung der Citationen, Monitorien oder Erinnerungs-Schreiben, Ertheilung derer Fristen zum Beweiß oder Gegen-Beweiß, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Ertheilung derer Compulsorialien, Commissorialien, Requisitorialien, Promotorialien, Inhibitorialien, Remissorialien, Executorialien, Verwerffung oder Annehmung derer Appellationen, Ober- und Leuterungen, auch nachgeschehener Verwerffung, binnen zehen Tagen, ingleichen Verwandelung der Appellationen in Leuterung,

3)[WS 5] daß, wenn in einem geringen und nicht über 50 Gulden betragenden Processe ein Unter-Richter einen Bescheid ertheilet, und die Parteyen innerhalb zehen tragen sich hierwider gereget, auf erstatteten Gerichte und Gutachten, bey der von der hohen Landes-Regierung erfolgenden Resolution des schlechterdings sein Bewenden hat.[LA 31] Welches gantz besondere Recht in Commercien- Policey- Handwercks- Bau- Rechnungs- Gesinde-und Dienst-Boten-Sachen, zu Verhütung grosser Unkosten, ebenfalls statt findet.[LA 32] Und ob wohl solche Macht nicht weniger denen Hof-Gerichten und Consistorien, ingleichen denen Fürstlichen Erb-Landes- und Stiffts-Regierungen daselbst ertheilet worden; so bleibet doch denen Parteyen das Rechts-Mittel der Appellation unbenommen.[LA 33]

4) Die Befestigung des Kriegs Rechtens durch die blosse Ubergebung des Klag-Schreibens; jedoch nur nach gewissen Umständen.[LA 34]

5) Die Verstattung derer General-Arreste,

6) die Bestimmung derer Dienste, welche die Bauern ihren Gerichts-Herren leisten müssen,

7) die Anordnung und Direction derer Inquisitionen bey denen Ämtern,

8) die Ertheilung einiger Fristen und anderer Hülffs-Mittel.

Ferner gehören hieher alle Lehns-Sachen und Erkennung der Lehn- und Mitbelehnschafft überhaupt; ins besondere [1814] aber

1) alle Belehnungen und Investituren der Lehn- und Mitbelehnschafft, über Mann- Weiber- und Erb-Lehn, an Lehn-Gütern, Lehn-Stämmen, Lehn-Ämtern, z.E. dem Erb-Marschall-Amte, ingleichen über Schrifftsäßige Erb-Güter; jedoch haben unterschiedliche Schrifftsäßige Erb-Güter den Vorzug, daß derselben Besitzer die Lehn nicht suchen dürffen, sie wolten denn über eine aufzunehmende Schuld Consens auswürcken,

2) die Lehns-Vormundschaffts-Bestätigungen,

3) die Dotalitia und Leibgedinge und deren Bestätigungen,

4) alle Contracte über Lehn- und Schrifftsäßige Erb-Güter, Kauffe, Tausche, Pächte, Pacten, Vergleiche, Consense, Cessionen etc. und deren Bestätigungen, Adjudications-Recesse,

5) die Verstattung der Hülffe in die Schrifft und Amtsäßigen Lehen,

6) die Erörterung derer zwischen dem Lehns-Herrn und Vasallen vorfallenden Streitigkeiten,

7) die Beruffung zu denen Ritter-Diensten, als bey Beylagern, Begräbnissen, Landes-Huldigungen und andern Festivitäten,

8) die Lehns-Verwandlungen, Conferirung der Schrifftsäßigkeit, Anwartschafften, Begnadigungen, oder Bestraffungen der Vasallen.

Ubrigens gehöret zu denen Vorzügen der Hochlöblichen Landes-Regierung unter andern, daß die daselbst errichteten Transacte und Verträge nicht leichtlich umzustossen, davon die in Bergers Disp. cit. de Judic. Cancell. Praerog. §. 36. angezogene Praejudicia Erläuterung geben, massen die Verkürtzung weitläufftiger Processe und Pflegung der Güte von der Landes-Regierung durch öfftere Vorbeschiede mit besonderm Eyfer mühsam getrieben und über die daselbst errichteten Recesse und ertheilten Decrete ernstlich gehalten wird.

Sonderlich ist der hohen Landes-Regierung nachgelassen, in denen Händeln, so entweder aus dem selbsteigenen Geständnisse derer Parteyen, unstreitigen Documenten, ertheilten Abschieden und Urtheilen, oder aus ergangenen Acten, alsobald erweißlich, so gleich summarisch zu entscheiden.[LA 35]

Es sind aber unter denen Sachen, welche insgemein in die Vorbeschiede gezogen werden, vornehmlich diejenigen zu verstehen, so zwischen Obrigkeiten und Unterthanen, sonderlich in Bau- und Dienst-Differentzien, Eltern und Kindern, auch andern nahen Anverwandten sich eräugnen, milde Sachen und Alimente oder Verpflegungen, Arme und zu Fortstellung weitläufftiger Processe nicht vermögende Wittwen und Waysen, oder andere elenden Personen, Innungs- und Handwercks Commercien- und Manufacturen- Policey- und andere summarische, die Chur-fürstlichen Ämter und Regalien angehende, auch sonst schleunige Expedition erfordernde und zur Auffnahme des gemeinen Besten gereichende Sachen, oder so sonst an sich selbst klar sind, und auf unstreitigen Documenten, ertheilten Abschieden und Urtheln beruhen, oder dabey sonst zu vermercken, daß selbigen entweder in der Güte, oder durch summarische Weisung, ohne Proceß am füglichsten abzuhelffen.[LA 36] [1815]

Ausser diesem stehen der Hochlöblichen Landes-Regierung auch noch andere höhere Rechte zu. Als nehmlich 1) die Auffricht- und Erhaltung guter Policey im gantzen Lande, dahero denen Unterrichtern verboten, in Policey-Sachen ordentliche Processe zu verstatten, sondern sie sollen die Parteyen mit ihren Beschwerungen so gleich an die Regierung verweisen.[LA 37]

Dahin gehöret nun die Obsicht auf der Räthe in Städten Administration, Commercien, und Manufacturen, Handwercks- und Innungs-Fleisch- Steuer- Bau- Brau- und Schenck-Sachen, das Müntz- Gesinde- Bettel- und Armen-Wesen, die Aufsicht über Comödianten und dergleichen Leute, Juden- Diebs- Räuber- und Zigeuner-Rotten; ingleichen die Ober-Inspection auf das allgemeine Armen- und Zucht-Haus zu Waldheim, wie auch den Vestungs-Bau zu Dreßden, die Cognition derer Brandt- und Wetter-Schäden, Contagionen, feindlichen Invasionen, Tumult und Aufrühre, Land-Plackereyen und würckliche Duell-Sachen.

2) Die Aufsicht über hohe und niedere Gerichte im gantzen Lande, und zwar über die beyden Hof-Gerichte in Leipzig und Wittenberg, die Stiffts-Regierung zu Wurtzen, auch aller andere, die die Erb- und andere Gerichte verwalten, desgleichen über die Dicasterien zu Leipzig und Wittenberg.[LA 38] Insonderheit gehen aus denen Stifftern Meissen, Merseburg und Naumburg, wie auch denen Fürstlichen Regierungen,[LA 39] aus den Fürstlichen Landes-Portionen,[LA 40] ingleichen aus denen Hof-Gerichten zu Leipzig und Wittenberg, aus denen Ober- und andern Consistorien, wie nicht weniger der Grafschafft Mannsfeld und Schwartzburg, die Appellationen sonst nirgendshin, als an die Landes-Regierung.[LA 41] Jedoch sind aus dem Schwartzburgischen die Appellationen nicht nur vormahls an das Ober-Hof-Gerichte zu Leipzig ergangen, sondern sie ergehen auch, was die Ämter Kelbra, Heringen und Ebeleben betrifft, noch dahin.

3) Das Recht die Sachen abzufordern und vor sich zu zühen, wie nicht weniger die Unterrichter gantz und gar zu entfernen, oder ihnen doch gewisse Commissarien an die Seite zu setzen.

4) Die Sistirung, Bescheid und Examen derer Beamten und Actuarien, welche vor Ubernehmung ihres Amts eine Probe fertigen müssen.

5) Die Bestätigung derer Notarien, gestalt in denen Sächsischen Gerichten keinen Notarius zugelassen werden soll, welcher nicht seiner Geschicklichkeit halber, von denen Juristen-Facultäten dieser Lande ein beglaubtes pflichtmäßiges Zeugniß aufzuweisen hat, und so denn bey der Hochlöblichen Landes-Regierung immatriculiret worden.[LA 42]

6) Die Admißion derer Advocaten im gantzen Lande zum Practiciren, ingleichen derselben Correction, entweder durch Verweise [1816] oder Geld-Buße, Suspension oder Remotion von der Praxi, ferner die Moderation der Advocaten- und Gerichts-Gebühren.

7) Die Ausfertigung und Promulgation derer ins Land ergehenden Gesetze und Mandate, auch Avocatorien;

8) die Convocation und Verschreibung zu denen allgemeinen Land-Tägen; wenn aber ein Ausschuß-Tag angeordnet ist, werden die Stände unmittelbar aus dem Hochpreißlichen Geheimen Consilio beruffen.

9) Die Verwahrung des Cantzley-Archivs, darinnen alle Lehns- und andere Cantzley-Acten aufbehalten werden.

10) Hierüber stehen der Hochlöblichen Landes-Regierung, in etlichen Fällen, gewisser massen, einige besondere Rechte, z.E. in Cammer-Gerichts-Gräntz-Marsch- und Einquartirungs-Sachen, bey Werb- und Ausführung fremder Mannschafft, ingleichen wenn zwischen denen Herren Vettern, und etlichen mächtigen Churfürstlichen Vasallen Irrung vorfallen, u.s.w.

Ubrigens wird in diesem hohen Collegio durch das gantze Jahr täglich, auch da es nöthig ist, Nachmittags Rath gehalten, ausser wenn nach uraltem Herkommen, zu gewöhnlichen Zeiten, die Expeditionen in etwas ausgesetzet werden, welches man das Schlüssen der Cantzley nennet, und vor den drey hohen Festen jedes mahl 10 Tage, bey angehender Fasten-Zeit aber 8 Tage lang geschiehet.[LA 43] Worzu noch die Meß-Ferien kommen, welche 4 Wochen über anhalten, und der einen Hälffte von denen Herren Räthen auf 14 Tage zu verreisen verstattet wird; da inzwischen die andere Hälffte zur Stelle bleibet, und die Expedition fortstellet.[LA 44]

Es sollen aber alle Handlungen und Verhören in der Raths-Stuben geschehen. In der Cantzley-Stube hingegen, wo die Secretarien und Copisten sitzen, sollen dergleichen nicht vorgenommen, auch nicht das Zechen daselbst, weniger jederman dahinein zu gehen verstattet werden.[LA 45] Weil aber heutiges Tages die Vorbeschiede sehr häuffig vorfallen; so werden die wenigsten vor dem sitzenden gesammten Rathe vorgenommen, sondern gemeiniglich durch zwey Deputirte, nebst dem Vorbeschieds-Secretar, in dem Beygemache gehalten.

So viel die Art und Weise, vor diesem hohen Collegio zu verfahren, anbelanget, davon soll unter dem Artickel Verfahren, ein mehrers beygebracht werden.

Wegen des üblichen Cantzley-Styls ist endlich noch mit wenigem beyzufügen, daß ein jeder, der etwas bey der Landes-Regierung anzubringen hat, solches ordentlicher Weise Supplications-Weise aufsetzen lassen müsse.[LA 46]

Und werden diese Bitt-Schreiben an den Landes-Herrn, mit Aufschreibung dessen vollständigen Titels, unmittelbar eingerichtet, sondern auch der Concipienten Tauff- und Zunamen, bey willkührlicher Straffe, mit hinzu gefüget werden.[LA 47] Welches sich insbesondere dahin erstrecket [1817], daß, wenn in denen Unter-Gerichten Appellationen an Se. Churfürstl. Durchl. übergeben, solche von denen Concipienten ebenfalls zu unterschreiben, oder diese, bey erfolgter Verwerffung, von denen Appellanten allenfalls eydlich anzugeben, und nachgehends zu bestraffen. Nichts desto weniger sind auch die, ohne der Concipienten Namen gefertigte Appellationen aus Respect gegen die hohe Landes-Obrigkeit anzunehmen.[LA 48]

Hiernächst ist zwar in der offt angezogenen Cantzley-Ordnung. §. Wir wollen auch, daß unser Cantzlar. enthalten, daß, wenn der Landes-Herr ausserhalb Landes wäre, die Befehle im Namen des Cantzlers und Räthe ausgefertiget werden sollen. Es gehet aber der heutige Styl ohne Unterschied dahin, daß im Namen des Landes-Herrn folgender Gestalt: Von GOttes Gnaden, Friedrich Augustus, König in Pohlen, Hertzog zu Sachsen, Jülich, Cleve, Berg, Engern und Westphalen, Churfürst, u.s.w. rescribiret wird, welche Rescripte der Herr Cantzlar oder Vice-Cantzlar, oder vorsitzende Hof-Rath, nebst dem Secretar, unterschreiben, und werden die von Adel Veste, die andern Vasallen und Beamten aber Liebe Getreue, und Du geheissen; hingegen haben die Churfürstlichen Herren Räthe und Doctor derer Rechte zu Dreßden den Vorzug, als Herren und Ihr tituliret zu werden.

Ingleichen werden die Befehle, nach Inhalt der Matricul, an die Schrifftsassen überschrieben und unmittelbar zugefertiget.[LA 49] Wenn aber die schrifftsässigen Gerichts-Herren nicht zugegen, sondern ausserhalb Landes sind; so wird an die Gerichte des dasigen Ortes rescribiret. Welches auch so gehalten wird, wenn der Vasall mit denen Gerichten noch zur Zeit nicht beliehen ist.[LA 50] Wovon iedoch die heutige Schreibart ein anders bezeuget.

Die durch Unterschrifft vollzogenen Befehle, Decrete und Scheine, werden mit dem Cantzley-Secret besiegelt, und die Befehle zusammen gepackt, daß sie nicht zu lesen sind, viel weniger davon, ohne Vorbewust der Herren Cantzlar und Räthe, eine Abschrifft gegeben.[LA 51] alsdenn bey dem Befehl-Ausgeber gegen die aus der Cantzley-Ordnung dem Corp. Jur. Saxon. p. 1099. einverleibte Taxe abgelöset.

Sonst ist von der Hochlöbl. Landes-Regierung zwar das Appellation-Gerichte unterschieden, iedoch gewisser massen auch vereiniget und verbunden. Siehe Appellation-Gerichte, im II Bande, p.

Ein mehrers hiervon kan in Wabsts Hist. Nachr. des Churfürstenth. Sachs. Sect. II. c. 1. p. 59. u.ff. nachgelesen werden.

Andere auswärtige Regierungen betreffend; so ist deren Verfassung und Einrichtung, nebst ihren davon abhangenden Rechten und Vorzügen, unschwer aus denen desfalls ergangenen Hof-Cantzley- und Landes-Ordnungen ebenfalls am besten zu ersehen.


Literaturangaben der Vorlage

  1. S. Einleitung zur Historie XXXVI Stück p. 710.
  2. S. Springsfeld de apanag. C. 13. n. 6.
  3. Siehe Ludolph de jure Primogenit. Aphorism. X.
  4. Siehe Frommann de condom. territ. c. 9. §. 9.
  5. Siehe Lynckers Dissert. de superioritate territoriali und Hertii de specialibus Roman. German. imperii rebus publicis earumque variis nominibus et figuris.
  6. Herrn von Rohr Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der grossen Herren p. 625 u.ff.
  7. Mencken in Disp. de Foro compet. vasall. simult. invest. Sect. 3. §. 6. Besiehe auch Kayser Josephs Wahl-Capitulation art. 3. und Carls, I. art. 15.
  8. Europäischer Herold P. I. p. 922.
  9. Lyncker de Grav. Extraord. c. 5. Sect. I. p. 363.
  10. Knichen de Sax. non prov. Jur. c. 3. n. 12.
  11. Knichen l.c. c. 9. n. 84. und 85.
  12. in Weckens Chron. Dres. p. 829. u.f.
  13. in Lünigs Deutschem Reichs-Archiv P. Spec. Cont. II. Abth. 4. Abschn. 2. p. 309. wie auch in Cod. Aug. T. I. p. 1215.
  14. Besiehe auch Carpzov de Saxon. Privil. de non appell. und Knichen d. I. c. 3.
  15. Weck in Chron. Dresd. p. 175.
  16. Cod. Aug. T. I. pag. 1148.
  17. Weck l. c.
  18. S. Land-Tags-Abschied von 1716. §. 13 und 19.
  19. Siehe Rescr. Spec. vom 9 Jenner 1710 und Land-Tags-Abschied von 1718 §. 2.
  20. Rescr. vom 4 Jenner 1614 und vom 24 May 1699 Cod. Aug. T. I. p. 1062 und 1170.
  21. P. IV. n. 2. p. 603.
  22. Cantzley-Ordn. von 1657. §. obberührte. §. So wollen und Befehlen. §. Es sollen die Secretarien u.a.
  23. Cantzley-Ordn. von 1652. §. Und soll sonst
  24. Appellations-Gerichts-Ordn. von 1605 tit. von dem Fiscal, seinem Amte und Eyde, im Cod. Aug. Tom. I. pag. 1226.
  25. Cantzley-Ordn. von 1657. §. Wann auch. Mandat vom 30 Apr. 1625. §. Die Copisten betreffend. Cod. Aug. Tom. I. pag. 1247.
  26. nach dem Erläuter. Rescr. vom 12 Mertz 1705 in Cod. Aug. T. II. pag. 1891.
  27. Siehe Freund-Brüderliche Haupt-Vergleiche von 1657. §. 22. wie sich die Chur-Fürstlichen Schrifft-und Amtsassen zu verhalten.
  28. Mencken. in Disp. III. ad Proc. Sax. §. 8.
  29. Cantzley-Ordn. von 1657. §. Wo jemand von Amtsassen.
  30. Berger in Dec. 287.
  31. Neu-Erl. Proc. Ordn. tit. 1. §. 6.
  32. ibid.
  33. ibid.
  34. l. un. C. quand. libell. Princ. obl. lit. contest. fac. Wernher in Disp. ad h. Leg. und Berger in Diss. de Judic. Cancell. Praerogat. §. 23. 24. und in Decis. Summ. Provoc. Sen. Dec. 292.
  35. N. Erled. von 1661. tit. von Justitien-Sachen. §. 13. Neu-Erl. Proc. Ordn. tit. 1. §. 6.
  36. Siehe das Mandat, wie es mit denen bey der Landes-Regierung zu Dreßden angesetzten Vorbeschieden zu Pflegung der Güte und sonst gehalten werden soll, vom 4 Februar 1717.
  37. Rescr. vom 3 September 1698 im Cod. Aug. T. I. p. 1706.
  38. Cantzley-Ordn. von 1657. § Wo sich einigerley Gezäncke.
  39. Rescr. Johann Georgens II vom 15 Jenner 1628. wegen Annehmung der Appellationen
  40. im Cod. Aug. T. I. p. 1265
  41. ibid. §. Es haben sich zwar.
  42. Mandat vom 19 Februar 1721.
  43. Weck in Chron. Dresd, p. 125.
  44. Cantzley-Ordn. von 1657. §. 9 und 10.
  45. Cantzley-Ordn. §. Alle Sachen. Ingleichen das Mandat vom 11 September 1677 im Cod. Aug. T. I. p. 1158. Wider das Aus- und Einlauffen in die Hof-Cantzley.
  46. Cantzley-Ordn. von 1657. §. Wir wollen auch, daß ein jeder.
  47. Mandat von 1696. §. 7.
  48. Generale vom 4 October 1720.
  49. Erört. der Land. Gebr. von 1661. tit. von Justitien-Sachen. §. 61.
  50. Von Oppel in Diss. de Jurisd. Patrim. §. 13.
  51. Cantzley-Ordn. von 1657. §. Es sollen die Secretarien.

Anmerkungen Wikisource

  1. ergänzt aus: Rechs
  2. korrigiert aus: Lebens-Herr
  3. korrigiert aus: durzu
  4. 1) ergänzt
  5. 2) fehlt in Vorlage