Zedler:Lullistische Kunst
Lullistische Kunst, ars Lulliana, ars Lullistica, methodus Lulliana. Soll eine allgemeine Kunst seyn, alle Wissenschafften in eine einige zu bringen. Lullius hat vorgegeben, als ob sie ihm CHristus selbst gelehret und dictiret habe, siehe Lullius; da doch andere den Lullius dieserwegen zu einem Plagiario machen, und sagen, er habe sie aus einem Arabischen Scribenten Aben Etzran genannt, genommen, und vor seine eigene Erfindung ausgegeben. Sie ist eigentlich nicht sowol eine philosophische, das ludicium angehende, als vielmehr eine Buchstäbliche, dem Gedächtniß zu Hülffe kommende Wissenschafft. Gleichwol hat sie so grossen Beyfall gefunden, daß [1145] man sich nicht nur nicht gescheuet vorzugeben, es seynd gewisse Leute dadurch in wenig Monaten grosse gelehrte Wunder-Thiere worden, siehe oben Lullisten, sondern man auch diesetbe zu Maiorca und Barcellona an statt der Aristotelischen Philosophie eingeführet und öffentlich gelehret, Mariana bey Miraeo, Labbeus, und Pope-Blount. Ja sie hat auch sowol mitteler als neuerer Zeiten viele Anhänger und Vertheidiger gefunden. Im Gegentheil hat es auch niemals an grossen und tieffer einsehenden Gelehrten gemangelt, als da sind Mariana, Miraeus, Dupinius, u. a. m. welche diese vergebliche Kunst nicht nur für ein dunckeles und nichts heissendes Räthsel, sondern auch für ein unnützes, das ludicium verderbendes, und zu einem ungründlichen und nichts hinter sich habenden Gewäsche von Dingen, die man nicht verstehet, leitendes Gerire und Spiel der Einbildungs-Krafft gehalten haben. Damit nun ein Begriff von dieser Kunst beygebracht werde, so it überhaupt zu mercken, daß die gantze Kunst darinne bestehe, daß von allen Wissenschafften die allgemeinesten Termini, zumal der Logick, Metaphysick, Ethick und Theologie, aus ihren eigenen Orten in eine allgemeine Ordnung zusammen getragen, und derselbigen Eigenschafften, Praedicata und Gleichnisse u. f. w. in gewisse Circul und Fache eingeschlossen werden, da man dann sowol die Subiecta als Praedicata gegen einander halten kan, um daraus die Erfindung der Terminorum mediorum zu erlangen, Hornius in Hist. Philos. L. VI. p. 317. Wie er aber dieses angegriffen, kan aus Io. Henrici Alstedii, eines um diese Kunst sehr bemühten Mannes, Claue Artis Lullianae et verae Logicae (Straßburg 1609. in 8.) am besten erlernet werden. Er macht nemlich 5. Circulos, deren zwey die Subjecta, zwey die Praedicata, die fünffte aber die Claues darzu angehet. Die Circuli subiectorum sind entweder maior oder minor. Circulus subiectorum minor ist unbeweglich, und enthält die Substantias.
Auf diese neun Classen ziehet Lullius alle Subiecta, sie mögen Namen haben, wie sie wollen. Durch Elementatiuum verstehet er, quod habet solum esse substantiale; Durch Instrumentatiuum aber, quod habet suum esse in alio, vt in principali subiecto. Daher betrachtet er dieses Instrumentatiuum wieder auf zweyerley Art, entweder naturaliter oder moraliter. Naturaliter begreifft es die neun Praedicamenta accidentis, und daraus entstehet der zweyte Circul der Subiectorum, welcher beweglich ist.
Instrumentatiuum morale ist nichts anders als die Accidentia moralia; die haben auch neun Classen, aber iederzeit doppelt, nemlich neun Tugenden und neun Laster.
In diesen zwey Circuln (weil der dritte nur eine Erklärung des zweyten ist) sind nach Lullii Meynung alle Classen der Subiectorum nach ihrem Wesen, Eigenschafften und Umständen enthalten, so, daß man, wann man sie durchgehet, von einer ieden Materie seine gehörige Subiecta finden und wissen kan, wohin man sie setzen soll. Was die Praedicata anlanget, so theilt sie Lullius ein in absoluta et respectiua. Die absoluta haben nun entweder eine General-Eintheilung, da drey Haupt-Praedicata vorgestellet werden: Essentia, Vnitas et Perfectio; oder eine Special-Eintheilung, da wiederum neune sind, in welche die Circumferenz des Circuls, wie in [1146] die drey das Planum desselbigen, eingetheilet wird.
Wann nun diese Termini generalissimi praedicatorum mit den Subiectis verknüpffet werden, so entstehen daraus die Propositiones oder Axiomata, in deren Verfertigung aber Lullius diese Cautelen und Regeln angepriesen hat, damit nicht ungeschickte Praedicata den Subiectis beygeleget werden: Talia sunt praedicata, qualia permittuntur a suis subiectis, und: Verba sunt intelligenda secundum subiectam materiam. Woraus zu ersehen, daß diese Lullische Kunst die Einsicht und Verstand der Materie, von der man reden will, schon zum voraus setze. So werden auch diese Termini praedicatorum in ihrer gantzen Weite genommen, und daher die Termini cognati et repugnantes darunter begriffen, von welchen Alstedius l. c. p. 29. seqq. zum Behuf der Jugend ein weitläufftiges Verzeichniß gegeben hat. Gleichwie auch Lullius hundert Terminos oder Formas, wie er sie nennet, erdacht hat, die Modificationes praedicatorum, oder, wie er scholastisch redet, per quas conditionatur Subiectum, auszudrücken, wodurch er die Amplificationem praedicatorum befördern wollen, wobey wir aber uns nicht aufhalten können. Der Circulus praedicatorum respediuorum enthalt abermals neun Classen.
Diese Praedicata respectina haben nach Lullii Meynung ihre Absicht auf die dreyerley Weise eine Sache vorzustellen, nemlich per definitionem, diusionem et collectionem, von welchen iede einen Triangul eigen hat. Diesen Circulis Subiectorum et Praedictorum setzet er endlich einen Circulum compositum ex quaestionum formis & responsionum regulis bey, welchen er Clauem inuentionis nennet, weil man dadurch auf die Erfindung der Verbindung der Subiectorum mit den Praedicatis kommt. Er hat abermal neun Ordnungen und Fragen.
Diese Fragen appliciret er nun auf obige Ciculos Subiectorum et Praedicatorum, und macht daraus Axiomata, Definitiones, Diuisiones et Collectiones, wie hievon beym Alstedio l. c. c. 11. seqq. p. 50. seqq. ausführliche Exempel zu finden sind. Wie er sich dann viele Mühe gegeben, die mancherley Combinationes dieser allgemeinen Terminorum zu zeigen, welches man bey ihm selbst suchen kan, indem angeführtes schon genug ist, sich einigen Begriff von dieser erleuchteten Kunst zu machen, zumal wenn man die Circul auf besondere Blätter machet, daß man sie ausschneiden und so drehen kan, daß man die Relationes terminorum gleich darauf sehen kan. Wer noch was künstlichers hiervon lesen will, der kan Iulis Pacii Artem Lullianam emendatam (Valent. 1618. in 8.) nachsehen. So hat auch Morhof in seinem Polyhistore ein besonderes und weitläufftiges Capitel de arte Lulliana, welches das 5. ist im 2. Buche des 1. Bandes. Ingleichen handeln davon Johann Schmids Progr. de methodo Lulliana, Leipzig 1685. in 4; Brucker in kurtzen Fragen aus der philosophischen Historie, Tom. V, an welchem letztern Orte man auch die 6. Circel in Kupffer vorgestellet, antrifft.