Yburg’s Fall
Stolz blickt von Bergeszinnen
Die Yburg in das Thal,
Doch wüst und leer ists innen,
Und außen öd’ und kahl.
Hat all sein Gut verprasst,
Sitzt einsam nun im Schlosse,
Der Ratt’ und Eulen Gast.
Er schwingt nicht mehr mit Ehren
Des Wandrers Gurt zu leeren,
Ist nun sein einzig Ziel.
Sein Weib und Kind erlegen
Sind längst dem tiefen Weh;
Der Trauerburg Ade!
Die Besten seiner Mannen
Erschlug ein blut’ger Strauß,
Die Schlechten flohn von dannen,
Stolz blickt von Bergeszinnen
Die Yburg in das Thal,
Beim ersten Nachtbeginnen,
Beglänzt vom Mondenstrahl.
Trägt rabenschwarzes Haar,
Und über finstern Wangen
Ein blitzend Augenpaar.
Er pocht wohl an die Pforte –
Du triffst an diesem Orte
Nicht Labsal noch Quartier.
„Denn leer ist Küch’ und Keller,
Die Kammer spinnenvoll,
Zu frommem Pilgerzoll.“ –
„Macht auf dem Reisemüden!
Bin hergewallt zur Buß’
Aus ferner Stadt im Süden,
„Macht auf, macht auf die Thüre!
So’s Euch an Trost gebricht,
In meinem Ranzen führe
Ich manch ein fein Gericht.
„Herein, du fremder Gast!
Laß sehen, was du Feines
In deinem Ränzlein hast!“
Auf thut sich unverzüglich
Bald saßen hochvergnüglich
Die Zwei bei Mahl und Wein.
Ein Vorrath leckrer Speise
Stieg aus des Pilgrims Sack,
Vortrefflich von Geschmack.
Im Römer perlt’ und glühte
Der Wein karfunkelklar,
Als ob er Flammen sprühte,
Deß tranken sie selbander
Beim Schmauß manch wackern Zug,
Wettbechernd mit einander,
Und nie versiegt der Krug.
Der Strom der Rede schwoll,
Daß lauter, immer lauter
Der Lärm die Burg durchscholl.
Die alten Ahnenbilder
Es klangen die rostigen Schilder
Im nahen Rüstgemach.
„Ich mögt viel baß es haben,
Herr Ritter, so Ihr wollt!
Liegt Edelstein und Gold.
„Tief unter der Kapelle
Vermodert reicher Schatz,
In dumpfer Todtenzelle;
„Wie! Soll ich frevelnd schänden
Erlauchter Ahnen Staub?“ –
„Der Väter Gut verwenden,
Nur Pfaffen nennen’s Raub.
Nur frisch und flink daran,
So ist der Hort geborgen,
Eh’ wieder kräht der Hahn.
„Trinkt aus bis an den Boden
Aufs Wohlergehn der Todten,
Die niemals auferstehn!“ –
Zwölf Schläge zittern helle:
Das Werk ist schon im Gang,
Tönt ungewohnter Klang.
Die alten Ahnenbilder
Im Söller wurden wach,
Es klangen die rostigen Schilder
Gesprengt beim Fackelscheine
Erschließt sich Sarg um Sarg,
Die morschen Todtengebeine
Sie werden gerüttelt arg.
Den Frevler strafend an:
„Laß ab!“ – Unnennbar Grauen
Will innerst ihn umfahn.
„Hei! macht dich Furcht erbleichen?“
Drauf an den letzten Leichen
Will keck der Ritter zerr’n.
„Laß ab!“ – Tönt aus dem Grabe
Ein Stimmlein, engellind,
Die Hand, – sein einzig Kind.
Zu Boden sinkt der Ritter:
„Vergib, Herr Jesus Christ!“ –
Ein furchtbar Ungewitter
Es wankt die Burgkapelle
Und stürzt mit Sturmgebraus. –
Der Fremdling an der Schwelle
Verschwand in Nacht und Graus.
- ↑ Vergl. die erste Sage, S. 242 u. ff.