William Ratcliff
[1]
in einem Akte.
[2]
Mac-Gregor, Schottischer Laird. | |
Maria, seine Tochter. | |
Graf Douglas, ihr Bräutigam. | |
William Ratcliff. | |
Lesley, sein Freund. | |
Margaretha, Marias Amme. | |
Tom, Wirth einer Diebesherberge. | |
Willie, sein Söhnchen. | |
Robin, | Räuber und Gauner. |
Dick, | |
Bill, | |
John, | |
Taddie, | |
Räuber, Bediente, Hochzeitsgäste. | |
Die Handlung geht vor in der neuesten Zeit, im nördlichen Schottland. |
[3]
Zimmer in Mac-Gregors Schloß.
Margarethe (kauert bewegungslos in der Ecke.). Mac-Gregor. Maria. Douglas.
Mac-Gregor.
(Er legt Douglas und Marias Hände in einander.)
Ihr seyd jetzt Mann und Weib. Wie Eure Hände
Vereinigt sind, so sollen auch die Herzen,
In Leid und Freud, vereinigt seyn auf immer.
Zwey mächt’ge Sakramente, das der Kirche
Ein Doppelsegen ruht auf Euren Häuptern;
Und auch den Vatersegen leg’ ich drauf.
(Er legt segnend seine Hände auf beider Haupt.)
Douglas.
Mit Stolz, Mylord, nenn’ ich Euch heute: Vater.
[4]
Mac-Gregor.
Mit noch weit größerm Stolz nenn’ ich Euch: Sohn.
(Sie umarmen sich.)
Margarethe.
(Singt im abgebrochenen Wahnsinntone.)
Douglas.
(Erschrocken auffahrend und nach Margarethe schauend.)
Um Gott, Mylord, welch gläsern geller Laut?
Es fängt zu singen an, das stumme Bild –
Mac-Gregor.
(Mit erzwungenem Lächeln.)
Stör’t Euch nicht dran. Es ist die tolle Margreth’,
Gehört zum Schloß. Sie leidet an der Starrsucht,
Gekauert, manch’ unheimlich lange Stunde;
Und dann und wann, wie’n Stein der sprechen kann,
Bewegungslos, quäkt sie ein altes Lied –
Douglas.
Warum behaltet Ihr im Schloß’ solch Schreckniß?
[5]
Mac-Gregor.
(Leise zu ihm.)
Hätt’ ich sie fortgeschafft – doch darf ich nicht.
Maria.
Laßt ruhn die arme, gute Margarethe.
Erzählt mir lieber etwas Neues, Douglas.
Wie sieht’s in London aus? Bey uns in Schottland
Douglas.
Noch ist’s das alte Treiben.
Man rennt, und fährt, und jagt, Straß’ auf Straß’ ab.
Man schläft des Tags, und macht zum Tag die Nacht.
Vauxhall und Routs und Picknicks drängen sich;
Und Drurilane und Koventgarden locken.
Für Musiknoten ein. God save the king
Wird mitgebrüllt. Die Patrioten liegen
In dunkeln Schenken und politisiren,
Und subskribiren, wetten, fluchen, jähnen,
Rostbeef und Pudding dampft, der Porter schäumt,
Und sein Rezept schreibt lächelnd der Quacksalber.
Die Taschendiebe drängen. Gauner quälen
Mit ihrer Höflichkeit. Der Bettler quält
Vor allem quält die unbequeme Tracht,
Der enge Wespenrock, das steife Halsband,
Und gar der babilonisch hohe Thurmhuth.
Mac-Gregor.
Da lob’ ich mir mein Plaid und meine Mütze.
Vom Leib’ geworfen habt. Ein Douglas muß
Im Aeußern auch ein Schotte seyn, und heute
Lacht mir das Herz im Leib’, wenn ich Euch schaue,
Euch alle, in der lieben Schottentracht.
Maria.
Douglas.
Zu Wagen fuhr ich bis an Schottlands Grenze.
Das ging mir viel zu langsam. In Old-Jedburgh
Nahm ich ein Pferd. Ich gab dem Thier die Spor’n.
Mich selber aber spornte Liebessehnsucht.
Durch Busch und Berg’ und Feld, trug mich mein Roß.
Im Wald bey Invernes wär mir’s bald schlecht
Bekommen, daß ich in Gedanken ritt.
Pif! Paf! erweckten mich aus meinen Träumen
Drey Straßenräuber stürzten auf mich ein.
Ein Kampf begann. Es regneten die Hiebe.
Ich wehrte mich der Haut; doch unterliegen
Hätt’ ich wohl müssen –
O Weh! Marie erbleicht,
(Margarethe springt hastig auf, und hält die in Ohnmacht fallende Maria in ihren Armen.)
Margarethe.
O Weh! mein rothes Püppchen
Ist kreideblaß, und kalt wie Stein. O Weh!
(Halb singend, halb sprechend[1] und Maria streichelnd.)
„Püppchen klein, Püppchen mein,
Schließe auf die Aeugelein!
[8]
Püppchen fein, du must seyn
Rosenschein, will ich streu’n
Auf die weißen Wängelein.“ –
Mac-Gregor.
Halt ein, verrücktes Weib, mit Wahnsinnsprüchen
Bethörst du ihr noch mehr das kranke Haupt –
Margarethe.
(Mit dem Finger drohend.)
Die rothen Hände; du befleckst mit Blut
Klein Püppchens weißes Hochzeitkleid. Geh fort.
Ich rath’ dir gut.
Mac-Gregor.
(Aengstlich)
Die tolle Alte faselt! –
Margarethe.
(Singend.)
Püppchen klein, Püppchen mein,
[9]
Maria.
(Sie erwacht aus ihrer Ohnmacht und lehnt sich an Margarethe.)
Erzählt nur weiter wie es ging. Ich höre.
Douglas.
Es thut mir leid – was ich erzählt – doch hört:
Ein andrer Reiter sprengte rasch herbey,
Fiel jenen Räubern plötzlich in den Rücken,
Jetzt neuen Muth und freyes Spiel. Wir schlugen
Die Hunde in die Flucht. Ich wollte danken
Dem edeln Retter. Aber dieser rief:
„Ich habe keine Zeit“ und jagte weiter.
Maria.
(Lächelnd.)
Jetzt bin ich wieder wohl. Margrethe führ’ mich.
Freundinnen warten meiner in dem Saal.
Margarethe.
(Aengstlich zu Mac-Gregor.)
Du, sey nicht bös. Die arme Margreth’ ist
Nicht immer toll.
[10]
Mac-Gregor.
Geht nur wir folgen gleich.
(Maria und Margaretha gehn ab.)
Mac-Gregor. Douglas.
Douglas.
Sie ist so ängstlich heute; sie erbleicht
Und zittert bey dem leisesten Geräusch –
Mac-Gregor.
Douglas! ich will und darf’s Euch nicht verhehlen
Was heut so sehr Mariens Seele ängstigt.
Tollkühn ist Euer Muth, und die Gefahr,
Die ich mit Klugheit von Euch abgewendet,
Hättet Ihr selber rastlos aufgesucht;
Fort hätt’ es Euch getrieben ihn zu zücht’gen,
[11]
Douglas.
Wer darf Mariens Ruh’ gefährden, sprecht?
Mac-Gregor.
Hört ruhig an die traurige Geschichte.
Sechs Jahre sind es jetzt, da kehrte ein
Bey uns in’s Schloß ein fahrender Student
Den Vater hatt’ ich einst gekannt, recht gut,
Recht gut, recht gut, er hieß Sir Edward Ratcliff.
Gastfreundlich nahm ich also auf den Sohn,
Und gab ihm Speis und Obdach, vierzehn Tage.
Und sah’ dort viel zu tief, begann zu seufzen,
Zu schmachten und zu ächzen, – bis Maria
Ihm rund erklärte: daß er lästig sey.
Die Liebe packt’ er in den Korb und ging. –
Der Earl von Ais, warb um Mariens Hand,
Und warb mit gutem Glück, und nach sechs Monden
Stand am Altare, hochzeitlich geschmückt,
Die holde Braut – der Bräut’gam aber fehlte.
Im Hof, im Stall, im Garten – Ach! da fand man
Am Schwarzenstein den Leichnam Macdonalds.
Douglas.
Wer war der Mörder?
Mac-Gregor.
Lange war vergeblich
All unser Forschen, – da gestand Maria
In jener Nacht, die auf den[2] Mordtag folgte,
Sey William Ratcliff in ihr Schlafgemach
Plötzlich getreten, habe lachend ihr
Die Hand gezeigt, noch roth vom Blut des Bräutgam’s,
Ihr dargereicht mit zierlicher Verbeugung.
Douglas.
Verruchtheit! Welcher Hohn! Was thatet Ihr?
Mac-Gregor.
Ich ließ den Leichnam Macdonalds beysetzen
In seines eignen Schlosses Ahnengruft,
Pflanzt’ ich ein Kreuz, zum ewigen Gedächtniß.
Den Mörder Ratcliff suchte ich vergebens.
Man hatte ihn zuletzt gesehn in London,
Wo er, nach seiner Mutter Tod, sein Erbtheil
Von Spiel und Borg, und gar, wie ein’ge sagen,
Vom ritterlichen Straßenraube lebte.
Verstrichen waren seit der Zeit zwey Jahre,
Und Mord und Mörder waren fast vergessen,
Hielt bey mir an um meiner Tochter Hand.
Ich will’gte ein und mir gelang es auch
Marias Jawort einem Mann’ zu schaffen,
Der aus dem Stamm’ der Schottenkön’ge sproßt.
Festlich geschmückt, die heimlich bange Braut –
Und Duncan lag am Schwarzenstein erschlagen!
Douglas.
Entsetzlich!
[14]
Mac-Gregor.
Auf! steigt auf zu Roß! rief ich
Den Knechten, und wir jagten und wir suchten,
Drey Tage lang, jedoch umsonst, wir fanden
Die Spur des Mörders nirgends.
Ach! und dennoch,
Dieselbe Nacht von jenem Schreckenstag’,
Schlich William Ratcliff in Mariens Kammer,
Des Bräutigams Verlobungsring zurück.
Douglas.
Bey Gott! der Mensch ist kühn! den möcht’ ich treffen.
Mac-Gregor.
Er war’s gewiß, den Ihr schon habt getroffen,
Im Wald bey Invernes. Nur wundr’ ich mich
Denn, Graf, ich hab’ dafür gesorgt, daß ich
Nicht Euren Namen auch zu setzen brauche –
Auf das[3] Gedächtnißkreuz’ am Schwarzenstein.
[15]
Douglas (allein).
Douglas.
Aus Klugheit hat’s Mac-Gregor mir verschwiegen
Doch messen möcht’ ich mich mit jenem Trotzkopf,
Der finster grollend stets Marien ängstigt.
Mir soll er nicht den Ring vom Finger ziehen,
Denn wo mein Finger ist, ist auch die Hand.
Auch nicht geliebt von ihr. Die Convenienz
Hat unsern heut’gen Ehebund geschlossen.
Doch herzlich gut bin ich dem sanften Mädchen.
Ich möcht’ von Dornen ihre Pfade säubern –
[16]
Lesley, im Mantel gehüllt und sich vorsichtig umsehend, tritt herein.
Douglas. Lesley.
Lesley.
Douglas.
Ja ich bin’s, was wollt Ihr?
Lesley.
(Er giebt ihm einen Brief.)
So ist an Euch dies niedliche Billet.
Douglas.
(Er hat den Brief gelesen.)
Ja, ja! Sagt ihm ich komm’. Am Schwarzenstein!
[17]
Diebesherberge. Im Hintergrunde liegen schlafende Menschen. Ein Heiligenbild hängt an der Wand. Die Wanduhr pickert. Abenddämmerung.
William Ratcliff sitzt brütend in einer Ecke des Zimmers. In der andern Ecke sitzt Tom der Wirth und hält sein Söhnchen Willie zwischen den Knieen.
Tom.
(Leise.)
Sag’, Willie, kannst du auch das Vaterunser?
Willie.
(Lachend und laut.)
Wie’n Donnerwetter.
Tom.
Sprich nur nicht so laut,
Willie.
Nun soll’s jetzt losgehn?
Tom.
Ja, doch nicht zu rasch.
[18]
Willie.
(Schnell.)
„Vater unser im Himmel, dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe auf Erden, wie im Himmel. Gieb uns unser täglich Brod immerdar. Und vergieb uns unsre Sünden; denn auch wir vergeben allen die uns schuldig sind. Und führe uns nicht –
(stottert)
führe uns nicht – führe uns nicht –“
Tom.
Siehst du? Du stotterst. „Führe uns nicht in Versuchung;“
Fang’ wieder an von vorn’.
Willie.
(Sieht immer nach William Ratcliff und spricht ängstlich und unsicher.)
denn auch wir vergeben allen die uns schuldig sind. Und führe uns nicht –
(stottert)
führe uns nicht – führe uns nicht –“
Tom.
(Aergerlich.)
„In Versuchung!“
Willie.
(Weinend.)
Lieber Vater, sonst ging mir’s
Vom Maul wie Wasser. Aber der dort sitzt –
(Er zeigt auf William Ratcliff.)
Der sieht mich immer an mit schlimmen Augen.
Tom.
Heut Abend, Willie, kriegst du keine Fische,
(Drohend.)
Willie.
(Weinend und im Vaterunsertone)
„Führe uns nicht in Versuchung!“
[20]
Ratcliff.
Laßt nur den Buben gehn. Auch ich hab’ nie
Im Kopf behalten können diese Stelle.
(Schmerzlich.)
„Führe uns nicht in Versuchung!“
Tom.
Wie Ihr und diese dort.
(Zeigt nach den Schlafenden.)
Jetzt geh’ nur, Willie.
Willie.
(Abgehend und weinerlich vor sich hinmurmelnd.)
„Führe uns nicht in Versuchung!“
Die Vorigen ohne Willie.
Ratcliff.
(Lächelnd.)
Wie meint Ihr das?
[21]
Tom.
Fromm, christlich soll er werden;
Kein solcher Galgenstrick, wie ich, sein Vater.
Ratcliff.
(Spöttisch.)
Tom.
Jetzt freilich bin ich
Ein zahmes Thier, und zapfe Bier, ein Wirth.
Und weil mein Häuschen hübsch versteckt im Wald’ liegt,
Beherberg’ ich nur große Herrn wie Ihr,
Die gerne das Inkognito behaupten,
Ich gebe Tagsquartier statt Nachtquartier.
Ja einst mondsüchtelte ich auch, und schwärmte
(Macht eine Fingerbewegung.)
In fremde Häuser und in fremde Taschen.
Doch nie hab ich’s so toll gemacht wie diese.
(Er zeigt nach den Schlafenden.)
Der hat ein angeborenes Gelüste
Nach[4] fremden Taschentüchern. Stiehlt wie’n Rabe.
Ey, seht, wie er im Schlafe hastig fingert!
Er stiehlt sogar im Traum. Seht nur er schmunzelt.
War einst ein Schneider; mauste anfangs Läppchen,
Bald aber Lappen, endlich Stücke Tuch.
Mit Noth ist er dem Hängen einst entronnen;
Seitdem hat er das Zucken in den Beinen.
Von einer Leiter, wie der Vater Jakob.
Doch seht mahl dort den alten, dicken Robin,
Wie er so ruhig liegt, und schnarcht, und Ach!
Der hat schon zehn Mordthaten auf der Seele.
Und absolviren könnt’! Er ist ein Ketzer,
Und nach dem Hängen muß er dort noch brennen.
Ratcliff.
(Er ist immer unruhig im Zimmer auf und abgegangen, und sieht beständig nach der Uhr.)
Glaubt’s nicht, der alte Robin wird nicht brennen.
Dort oben giebt es eine andre Jury
Ein Mann; und einen Mann ergreift der Zorn,
Wenn er betrachtet wie die Pfennigseelen,
Die Buben, oft im Ueberflusse schwelgen,
In Sammt und Seide schimmern, Austern schlürfen,
Des Doctor Grahams ihre Kurzweil treiben,
In goldnen Wagen durch die Straßen rasseln,
Und stolz herabsehn auf den Hungerleider,
Der, mit dem letzten Hemde unter’m Arm,
(Bitter lachend.)
O seht mir doch die klugen, satten Leute,
Wie sie mit einem Walle von Gesetzen,
Sich wohlverwahret gegen allen Andrang
Der schreiend überläst’gen Hungerleider!
Bereit sind Richter, Henker, Stricke, Galgen, –
Je nun! manchmal giebt’s Leut’, die das nicht scheu’n.
[24]
Tom.
So dacht’ ich auch, und theilte ein die Menschen
In zwey Nationen, die sich wild bekriegen;
Weil ich zu letzterer Parthey gehörte,
So mußt’ ich mit den Satten oft mich balgen.
Doch hab’ ich eingesehn der Kampf ist ungleich,
Und zieh’ allmählig mich zurück vom Handwerk.
Niemand in’s Aug’ zu schau’n, das Licht zu flieh’n,
An jedem Galgen, im Vorbeigehn, ängstlich
Hinaufzuschaun ob ich nicht selbst dran hänge,
Und nur zu träumen von[5] Botany-Bay,
Wahrhaftig, das ist nur ein Hundeleben!
Man wird durch Busch und Feld gehetzt wie’n Wild,
In jedem Baume sieht man einen Häscher,
Und sitzt man auch in still verborgner Kammer,
[25]
Lesley tritt hastig ein. Ratcliff stürzt ihm entgegen. Tom fährt erschrocken zurück mit dem Ausruf „Jesus!“
Lesley.
Er kömmt! Er kömmt!
Ratcliff.
Er kömmt? Wohlan so gilt’s.
Tom.
(Aengstlich.)
Wer kömmt? seit ein’ger Zeit bin ich so schreckhaft –
Lesley.
(zu Tom)
Beruh’ge dich, und laß uns jetzt allein.
Tom.
(Mit pfiffiger Miene.)
Ha! Ich versteh’, Ihr habt jetzt was zu theilen.
[26]
Die Vorigen ohne Tom.
Ratcliff.
(Er greift nach Huth und Degen.)
Lesley.
(Hält ihn zurück.)
Ho! ho! so geht’s nicht.
Erst muß es dunkler seyn. Man paßt dir auf.
Mac-Gregors Knechte lauern. Wie du aussiehst
Weiß jedes Kind; man hat dich gut beschrieben.
Wahrhaftig sag’ mir mahl, was soll der Spaß?
Geh’ mit zurück nach London; bist dort sicher.
Du solltest meiden diese schlimme Gegend.
Man weiß es daß du Macdonald und Duncan
So abgemurkst[7].
Ratcliff.
(Mit trotziger Würde.)
Nicht abgemurkst[7]. Im Zweikampf
Und auch mit Douglas will ich ehrlich fechten.
Lesley.
Erleichtre dir’s. Verstehst ja italienisch.
(Macht eine Banditenbewegung.)
Doch sprich, wo trat dir Douglas in den Weg?
Was that er dir? Woher dein Groll, dein Haß?
Ratcliff.
Mir niemals was zu leid; ich hass’ ihn nicht.
Lesley.
Und doch willst du sein Lebenslicht auslöschen?
Bist du verrückt? Bin ich verrückt? daß ich
Behülflich bin zu solchem Tollhausstreich!
Ratcliff.
Weh’ deinem Hirnfutral, es müste bersten,
Und Wahnsinn würde gucken aus den Ritzen!
Wie eine Eyerschale würde bersten
Dein armer Kopf, und wär’ er so geräumig
[28]
Lesley.
(Fühlt sich ironisch ängstlich den Kopf.)
Du machst mich bang; O schweige lieber still!
Ratcliff.
Glaub’ nicht ich sey ein weicher Mondscheinheld,
Ein Bilderjäger, der vom eignen Windhund,
Von Phantasie, durch Nacht und Höll’ gehetzt wird,
Der mit den Sternen Unzucht treibt, der Leibschmerz
Vor Rührung kriegt, wenn Nachtigallen trillern,
Der sich aus Seufzern eine Leiter baut,
Und mit dem seidnen Strick verschlungner Reime
Lesley.
Das könnt’ ich selbst im Nothfall wohl beschwören.
Ratcliff.
Und doch gesteh’ ich – spaßhaft mag’s dir klingen –
Es giebt entsetzlich seltsame Gewalten,
Die mich beherrschen; dunkle Mächte giebt’s,
Zu jeder That, die meinen Arm regieren,
Und die schon in der Kindheit mich umrauschten.
Als Knabe schon, wenn ich alleine spielte,
Gewahrt’ ich oft zwey neblichte Gestalten,
Sehnsüchtig sich in Lieb umfangen wollten,
Und doch nicht konnten, und sich schmerzlich ansahn!
Wie luftig und verschwimmend sie auch schienen,
Bemerkt’ ich dennoch auf dem einen Antlitz
Und auf dem andern milde Frauenschönheit.
Oft sah ich auch im Traum die beiden Bilder,
Und schaute dann noch deutlicher die Züge;
Mit Wehmuth sah mich an der Nebelmann,
Doch als ich auf die hohe Schule kam,
Zu Edinburgh, sah ich die Bilder seltner,
Und in dem Strudel des Studentenlebens
Verschwammen meine bleichen Traumgesichte.
Zufall hierher, und nach Mac-Gregors Schloß.
Maria sah ich dort! Mein Herz durchzuckte
Ein rascher Blitz, bei ihrem ersten Anblick.
Es waren ja des Nebelweibes Züge,
Die mich so oft im Traume angelächelt!
Nur war Mariens Wange nicht so bleich,
Nur war Mariens Auge nicht so starr.
Die Wange blühte und das Auge blitzte;
Auf dieses holde Bild herabgegossen;
Die Hochgebenedeite hatte selbst
Mit Heil’genschein umschmückt die Namensschwester;
Und von der Liebe Sehnsuchtweh ergriffen,
(Pause.)
Ich weiß nicht wie es kam, im nahen Spiegel
Sah ich mich selbst – Ich war der Nebelmann,
Der nach dem Nebelweib die Arme ausgestreckt!
War’s eitel Traum? War’s Phantasieentrug[8]?
So liebend, so verheißend! Aug’ in Auge
Und Seel’ in Seele tauchten wir. O Gott!
Das dunkle Urgeheimniß meines Lebens
War plötzlich mir erschlossen, und verständlich
Der Blumen, und der Liebesgruß der Sterne,[9]
Der Hauch des Zephyrs und des Baches Murmeln,
Und meiner eignen Brust geheimes Seufzen!
Wie Kinder jauchzten wir, und spielten wir.
Sie gab mir Blumen, Myrten, Locken, Küsse;
Die Küsse gab ich doppelt ihr zurück.
Und endlich sank ich hin vor ihr auf’s Knie,
Und bat: O sprich, Maria, liebst du mich?
(Versinkt in Träumerey.)
Lesley.
Die starken Fäuste bittend fromm gefalten,
Das funkelnd wilde Aug’ sehnsüchtig schmachtend,
Und zärtlich sanft die Stimm’, die auf der Landstraß
Dem reichen Lord so schrecklich in’s Gehör schallt.
[32]
Ratcliff.
(Wild ausbrechend.)
Und Widerwillen fast, sah sie mich an,
Und höhnisch knixend sprach sie frostig: Nein!
Noch hör’ ich’s lachen unter mir: Nein! nein!
Noch hör’ ich’s seufzen über mir: Nein! nein!
Lesley.
Das war ja ganz infam und niederträchtig.
Ratcliff.
Mac-Gregors Schloß verließ ich, und ich reiste
Von dort nach London; im Gewühl der Hauptstadt
Dacht’ ich des Herzens Qual zu übertäuben.
Verlor ich früh’, noch eh’ ich sie gekannt hab’.
Schlecht, schlecht gelang mir der Betäubungsplan.
Portwein, Champagner, alles wollt’ nicht fruchten;
Nach jedem Glase ward mein Herz betrübter.
Forttändeln und fortlächeln meinen Schmerz.
Sogar beim Pharo fand ich keine Ruh’.
Maria’s Aug’ schwamm auf dem grünen Tische;
Maria’s Hand bog mir die Parolis;
Sah ich Maria’s himmelschöne Züge!
Maria war’s, kein dünnes Kartenblatt;
Maria war’s, ich fühlte ihren Athem;
Sie winkte: ja! sie nickte: ja! – va banque! –
Lesley.
(Lacht.)
Ha! ha! da zogst du aus dem Stall dein Rößlein,
Schwangst dich hinauf, wie’s Schottlands Rittern ziemt,
Und wie die Ahnen lebtest du vom Stegreif.
Die Liebe ist dir jetzt gewiß vergangen;
Durch Wind und Wetter reitet, und beim Galgen
Vorbeikömmt, und dort gute Freunde sieht,
Die pendulartig mit den Beinen grüßen.
Ratcliff.
Oehl kam in’s Feuer. Wilder nur entbrannte
In England ward’s mir oft zu eng; nach Schottland
Zog’s mich mit unsichtbaren Eisenarmen.
Nur in Mariens Nähe schlaf’ ich ruhig,
Und athm’ ich frey, und ist mir nicht so ängstlich,
Geschworen hab’ ich bey dem Wort des Herrn,
Und bey der Macht des Himmels und der Hölle,
Und hab’ mit grausem Fluch den Schwur besiegelt, –
„Von dieser Hand soll fallen der Vermess’ne,
Die Stimm’ in meiner Brust sprach diesen Schwur,
Und blindlings dien’ ich jener dunkeln Macht,
Die mit mir kämpft, wenn ich Mariens Freyern
Am Schwarzenstein ein Rosenbett bereite.
Lesley.
Ratcliff.
Billg’ ich’s denn selbst? Nur jene Stimme hier,
Die fremde Stimm’, die sich hier eingenistet,
Sagt: ja; nur jene Bilder nicken Beifall,
Die ich im Traume seh’ –
(Aufschreyend.)
Jesus Maria!
(Es ist dunkler geworden. Man sieht zwey neblichte Gestalten über die Bühne schwanken und verschwinden. – Die im Hintergrunde liegenden Räuber und Gauner, durch Ratcliffs Schrey aus dem Schlafe geweckt, springen auf, mit dem Ausrufe: „Was giebt’s? Was giebt’s?“)
Lesley.
Bist du des Teufels Ratcliff?
Ich sehe nichts.
Mehrere.
Was sieht er? Sieht er Häscher?
Lesley.
Nein, just das Gegentheil, denn Geister sieht er.
(Alle Lachen.)
Robin.
(Verdrießlich.)
God damn! man hat auch keine Ruh’ am Tag.
[36]
Ratcliff.
Lesley.
Ich gehe mit.
Ratcliff.
Das leid’ ich nicht.
Lesley.
Nur bis zum Schwarzenstein;
Vielleicht stehn Wachen dort.
Ratcliff.
Die Angst treibt sie
Schon weg; dort ist es nicht geheu’r des Nachts.
Lesley.
Lebt wohl, Ihr Herrn!
Ratcliff.
Lebt wohl!
Alle.
Gott segne Euch.
[37]
Die Vorigen ohne Ratcliff und Lesley.
Robin.
Dick.
So war er immer, denn ich kenn’ ihn noch
Von London her. In Rascal-Tavern hab’ ich
Ihn oft gesehn. Er pflegte Stundenlang
Mit krauser Stirn’ zu sitzen in der Ecke,
Oft saß er zwischen uns vergnügt und lachend –
Nur lacht er gar zu hell – erzählte Späße –
Nur gar zu wilde Späße – und er war
Vergnügt und lachte – O da zuckte plötzlich
Ein Ton des Schmerzes pfiff aus seiner Brust,
Und wüthend sprang er auf: „Johann, mein Pferd“ –
Und ritt zum Teufel, und er kam nach ein’gen
Monaten erst zurück. Nach Schottland, sagt man,
[38]
Robin.
O, der ist krank.
Dick.
Was kümmert’s mich? Lebt wohl.
Bill.
Es ist schon Zeit daß man zur Arbeit geht.
(Betend vor dem Heil’genbilde.)
Beschütz’ mich in Gefahr und gieb mir Segen!
Robin.
(Hält sich[11] seine Faust vor’m Gesicht.)
Mein Schutzpatron, beschütz mich in Gefahr.
[39]
Zwey Gauner bleiben schlafend liegen. Tom, der Wirth, schleicht herein und stiehlt ihnen das Geld aus der Tasche.
Tom.
(Mit schlauer Miene.)
(John und Taddie wachen auf.)
John.
(Gähnend.)
Der Schlaf ist doch die köstlichste Erfindung!
Taddie.
(Gähnend.)
Komm, John, zum Frühstück.
John.
Frühstück! Was giebt’s neues?
Taddie.
Gewiß hat man Freund Riffel heut gehängt.
John.
Das Hängen ist die schlechteste Erfindung.
[40]
Wilde Gegend am Schwarzenstein. Nacht. Links abentheuerliche Felsenmassen und Baumstämme. Rechts ein Denkmal in der Form eines Kreuzes. Der Wind braust. Man sieht zwey weiße Nebelgestalten, die sehnsüchtig die Arme gegen einander ausstrecken, sich nahen, immer wieder aus einander fahren, und endlich verschwinden. Ratcliff tritt auf.
Ratcliff allein.
Querpfeifer ausgesandt. Die spielen auf.
Der Mond hüllt sich in seinen weiten Plaid,
Und schüttelt nur ein sparsam Licht herab.
Ha! ha! mein’thalb kann er sich ganz verhüllen.
Bedarf nicht der Laterne um zu schaun
Wohin sie rollen soll; es wird das Eisen
Den Weg zu dem Magnet’ von selber finden;
Und ohne Meilenzeiger findet Ratcliffs
Ob auch das Gräflein kömmt? Ob nicht der Sturm,
Die Furcht vor Schnupfen, Husten und Erkältung
Es gar zurückhält? Und es denkt vielleicht:
Ich will’s auf Morgen Nacht verschieben. Ha! ha!
Kömmt er nicht her, so komme ich zu ihm
In’s Schloß.
(An sein Schwert schlagend.)
Der Schlüssel paßt für alle Zimmer;
Und diese Freunde
(Legt die Hand an die Pistolen im Gürtel.)
decken mir den Rücken.
(Nimmt eine Pistole heraus und betrachtet sie.)
Der sieht mich an so ehrlich; gerne möcht’ ich
Und drücken –
Ach, nach solchem Feuerkusse
Da wär’ mir wohl, und wich’ mein wildes Weh!
(Sinnend.)
Vielleicht im selben Augenblick’ drückt Douglas
Gleichfalls den Mund fest auf Mariens Mund –
Ich müßt’ allnächtlich aus dem Grabe steigen,
Und als ohnmächt’ger Schatten knirschend zusehn:
Wie’n Gimpel, mit dem lüstern Mopsgesicht’,
Beschnüffelt und begafft Mariens Reitze.
Und schaute, durch den Ritz der Himmelsdecke,
Zufällig in Graf Douglas Schlafgemach –
Ich würde fluchen, daß den frommen Englein
Erblassen würden ihre rothen Backen,
Das wäss’rig langgezogne Hallelujah.
Und bin ich mahl verdammt zur ew’gen Hölle,
Wohlan, so will ich auch ein Teufel seyn,
Und nicht ein jämmerlicher, armer Sünder.
[43]
Ratcliff. Douglas.
Ratcliff.
(ruft laut.)
Holla! holla!
Wer bist du, der sich dorten naht? Gieb Antwort?
Douglas.
Die Stimm’ ist mir bekannt. Es ist die Stimme
Des edeln Reiters, der mich jüngst gerettet
Aus Räuberklau’n, im Wald bey Inverneß.
(Nähert sich ihm.)
Ich muß Euch danken für die edle That.
Ratcliff.
O, spart den Dank. Es war nur eine Grille
Daß ich Euch half. Drey lagen über Euch.
Das war zu viel. Wär’s Einer nur gewesen,
Douglas.
Seyd nicht so grämlich. Laßt uns Freunde werden.
[44]
Ratcliff.
Wohlan es sey. Doch als Beweis der Freundschaft,
Müßt Ihr mir eine Bitte gleich gewähren.
Douglas.
Sprecht nur. Mit Leib und Seel’ gehör’ ich euch.
Ratcliff.
(Lachend.)
Es seye denn daß ihr Graf Douglas hießet.
Douglas.
(Befremdet.)
Bey Gott, so heiß’ ich.
Ratcliff.
Was? Ihr heißt Graf Douglas?
(Lachend.)
O, das ist schlimm, so ist es ja schon aus
Mit unsrer hübschen, neugebacknen Freundschaft;
Douglas.
(Wild und das Schwert ziehend.)
Du bist der Mörder Macdonalds und Duncans?
[45]
Ratcliff.
(Zieht sein Schwert.)
Ich bin’s, und um das Kleeblatt vollzumachen
Hab’ ich auch Euch, Herr Graf, hierher beschieden.
Douglas.
(Stürzt auf ihn ein.)
Verruchter Mörder, wehr’ dich deiner Haut.
(Gefecht.)
Ratcliff.
Douglas.
Lach’ nicht so gräßlich auf.
Ratcliff.
(Lachend.)
Ich lache nicht,
Das thun die bleichen Nebelmenschen dort –
Douglas.
Lach’ wie du willst. Ihr Schatten Macdonalds
Und Duncans steht mir bey!
Ratcliff.
Teufel und Hölle!
Misch’ dich nicht ein, verfluchter, todter Fechter!
Douglas.
Ha! ha! der Hieb der saß!
Ratcliff.
Tod und Verrath!
Jetzt kommt der Macdonald noch obendrein, –
Das ist zuviel – Drey gegen Einen –
(Er weicht zurück, und stolpert über das Piedestal des Monuments.)
Ha!
Stoßt zu, stoßt zu! ich bin Eu’r gröster Feind.
Douglas.
(Kalt.)
Ihr habt jetzund des Douglas Schwert erprobt.
Vielleicht verdankte ich Euch jüngst das Leben.
Jetzt sollt Ihr’s mir verdanken. Wir sind quitt.
Hat Euch vielleicht das böse Herz gebessert.
[47]
Ratcliff liegt regungslos am Fuße des Monuments. Der Wind heult wilder. Die zwey Nebelgestalten erscheinen, nahen sich mit ausgestreckten Armen, fahren wieder auseinander, und verschwinden.
Ratcliff.
(Er steht langsam und betäubt auf.)
War’s eine Menschenstimme? War’s der Wind?
Ein wahnsinnschwangres Wort summt mir im Ohr.
War es ein toller Traum? Wo bin ich denn?
(Er liest die Inschrift des Monuments)
„Graf Duncan und Lord Macdonald sind hier
Von Gottverfluchter Hand ermordet worden.“
(Auffahrend.)
Es ist kein Traum. Ich bin am Schwarzenstein,
Und bin besiegt, verspottet und verachtet!
Hier steht der Mann, der starke Riesengeist,
Der Großbritaniens Menschen und Gesetze
Verhöhnt[12], der trotzig mit dem Himmel rechtet –
Nun kann er’s nicht verhindern daß Graf Douglas
Heut Nacht in seines Liebchens Armen liegt,
Der William Ratcliff heißt, am Schwarzenstein
Sich krümmte, jämmerlich am Boden krümmte,
Und wie des Douglas Fuß ihn nicht zertreten,
Um sich nicht zu besudeln –
(In Wuth ausbrechend.)
O, verfluchte,
Reibt nicht verhöhnend Eure Zeigefinger!
Ich werfe Felsen auf Eu’r scheußlich Haupt,
Ich reiße Schottlands Tannenwälder aus,
Und geißle Euch damit den gelben Rücken,
Aus Euren dürren, Gottverhaßten Leibern!
Rast, Winde, rast, zersaust, zerreißt die Welt!
Brich, Himmelsdecke, und zermalme mich!
Erde, vernachte und verschlinge mich!
(Halb wild, halb ängstlich, und in einen geheimnißvollen Ton übergehend.)
Anglotze mich nicht mit den stieren Augen –
Mit deinen Augen saugst du aus mein Blut,
Erstarren machst du mich, Eiswasser gieß’st[13] du
In meine glüh’nden Adern, machst mich selbst
Mit langem Nebelarm zeigst du dorthin?
Soll ich? Marie? Die weiße Taube? Blut?
Soll ich? Hollah, wer spricht? Das war kein Wind.
Maria soll ich mit mir nehmen? Nickst du?
Und ist allmächt’ger noch als Gott und Teufel.
[50]
Mac-Gregors Schloß. Erleuchtetes Zimmer mit einem verhängten Kabinette in der Mitte. Man hört verhallende Tanzmusik und Mädchengekicher.
Maria, festlich geschmückt, und Margarethe treten eben herein.
Maria.
Ach Gott! mir ist so ängstlich –
Margarethe.
’s thut das Schnürleib.
Komm’ her, ich will dich ausziehn, liebes Püppchen
(Sie hilft Marien bei’m Auskleiden.)
Maria.
Das Herz ist mir beklommen.
Margarethe.
Ey, mein Püppchen,
Maria.
(Heiter lachend.)
Das ist er!
Und lustig, und verträglich, und ein Mann!
[51]
Margarethe.
Ist Püppchen auch verliebt?
Maria.
Verliebt? verliebt?
O, das ist dumm. Man muß sich leiden können.
Margarethe.
Man sprach nicht immer so. Als William Ratcliff –
Maria.
(Hält ihr ängstlich den Mund zu.)
Den bösen Namen, es ist Nacht und spät –
Margarethe.
Mein Püppchen war verliebt.
Maria.
Ach nein! Im Anfang
Da schien er lämmchensanft, und sein Gesicht
Das schien mir so bekannt, und seine Stimme
That meiner Wange heimlich wohl, sein Auge,
Das schaute gar zu spaßhaft lieb und fromm –
(Zusammenschauernd).
Doch plötzlich sah er aus wie ein Gespenst,
So blaß, so starr und wild verzerrt und blutig,
Er sah fast ähnlich jenem Nebelmann,
Der oft im Traum’ die Arme nach mir ausstreckt,
Und mich so lang entsetzlich zärtlich anschaut,
Bis daß ich selbst ein luft’ges Bildniß werde,
Margarethe.
Du bist doch just wie deine sel’ge Mutter;
Sie that so bös, und doch wie eine Katz’
War sie verliebt in Ratcliff –
Maria.
Wie, in Ratcliff?
Margarethe.
In Edward Ratcliff, William Ratcliffs Vater –
Sie hieß Schön-Betty. Locken hatte sie
Wie pures Gold, und Händ’ wie Marmelstein,
Und Augen – O die kannte Edward Ratcliff!
Der sah den ganzen Tag hinein, und hat
Und singen konnt’ sie wie die Nachtigall;
Und wenn sie an dem Heerde saß und sang:
(sie singt.)
„Was ist von Blut dein Schwert so roth, Edward? Edward?“
So blieb die Köchinn still stehn, und der Braten
Ich hätt’ ihr nie das böse Lied gelehrt.
(Sie weint.)
Maria.
O, liebe Marg’reth, O erzähl’ mir das.
Margarethe.
Schön-Betty, deine Mutter, saß allein
Und sang:
(sie singt.)
Da sprang in’s Zimmer plötzlich Edward Ratcliff,
Und sang im selben Tone trotzig weiter:
(sie singt.)
„Ich habe geschlagen mein Liebchen todt, – Mein Liebchen war so schön, O!“
Da hat Schön-Betty sich so sehr entsetzt
Wollt’ wiedersehn; und um ihn noch zu ärgern
Heurathete sie deinen Vater. Edward Ratcliff,
Der wurde toll vor Wuth, und um zu zeigen
Daß er Schön-Betty leicht entbehren könne,
Lord Campbels Jenny, und der William Ratcliff,
Das ist der Sohn aus dieser tollen Ehe.
Maria.
Die arme Mutter!
Margarethe.
Ey, Schön-Betty war
Ein eigensinnig Ding. Ein ganzes Jahr lang
Doch wie zum zweiten Mahl October kam –
Ich glaub’ es war just Ratcliffs Namenstag –
Da frug sie, wie von ungefähr: „Margreth’
Hast du von Edward nichts gehört?“ O, sagt’ ich,
Genommen. „Campbels Jenny?“ rief Schön-Betty,
Und wurde blaß und roth, und bitterlich
Fing sie zu weinen an – dich hielt ich just
Im Schooß’, Marie, drey Monath warst du alt –
Um nur Schön-Bettys Thränen fortzuschwatzen,
Erzählte ihr: der Edward könne doch nicht
Ablassen von Schön-Betty, Tag und Nacht
Säh’ man ihn schleichen hier um’s Schloß, man sähe
Sehnsüchtig ausstreckt, – „O, das wußt’ ich längst!“
Rief jetzt Schön-Betty lachend; hastig flog sie
An’s Fenster, streckte aus die Arm’ nach Edward –
O, das war schlimm, Mac-Gregor sah das just,
(Hält erschrocken ein.)
Maria.
Nun, und da?
Erzähl’ doch weiter.
Margarethe.
Nun, und da ist’s aus.
[56]
Maria.
Erzähl’ doch weiter.
Margarethe.
(Aengstlich.)
Nun, am andern Morgen
Lag, bey der alten Schloßmau’r, todt und blutig
Der Edward Ratcliff –
Maria.
Und die arme Mutter?
Margarethe.
Maria.
O das ist gräßlich!
Margarethe.
(Im kalten, höhnischen Wahnsinntone.)
Hättest du erst selbst
Gesehn mit deinen kleinen Augen, Püppchen,
Wie an der Schloßmau’r Edward Ratcliff lag –
Hu, hu, das blut’ge Bild klebt mir im Kopf!
Und weil ich das niemanden sagen darf,
Und weil ich toll bin – hu! kann ich nicht schlafen,
Und überall seh’ ich den Edward Ratcliff,
Den bleichen, blutigen, mit seinen starren,
Gespenstisch aufgehoben, langsam schreitend –
William Ratcliff bleich, verstört und blutig, tritt herein. Die Vorigen.
Margarethe.
(Wild aufschreyend.)
Jesus Marie, der todte Edward Ratcliff!
(Sie kauert nieder in einer Ecke des Zimmers, und bleibt dort starr und regungslos sitzen.)
Maria.
(Aufschreyend.)
Entsetzlicher! Bringst du mir Douglas Ring?
[58]
Ratcliff.
(Bitter lachend.)
Das Karoussel, das Ringestechen, ist
Wollt’ sich nicht stechen lassen, und ich stürzte
Hinunter von dem Holzpferd.
Maria.
(Plötzlich im vertraulich ängstlichen Tone.)
William! William!
Du blutest ja. Komm her ich will die Wunde
Verbinden.
(Sie zerreißt ihren weißen Hochzeitschleyer.)
Gott! Wo bin ich? Böser William –
Dein armer Kopf ist blutig, und der mein’ge
Ist so verwirrt – Ich weiß nicht was ich thu’ –
Komm her; wenn du mich lieb hast, kniee[14] nieder –
(Sie will ihm die Kopfwunde verbinden.)
Ratcliff.
(Stürzt zu ihren Füßen. Schmerzhaft zärtlich.)
Neckt mich ein Traum? Ich liege vor Marien?
Seyd Ihr nicht Nebel, die der Wahnsinn bildet,
Und die zerrinnen wenn ich sie umfasse?
Maria.
(Beschwichtigend und ihm den Kopf mit dem Schleyer verbindend.)
Bleib’ ruhig. An den goldnen, hübschen Locken
Klebt Blut. Lieg’ still; du machst mich selber blutig.
(Sie küßt ihn.)
Ratcliff.
Mir ist die Nacht vom Auge fortgeküßt;
Die Sonne kann ich wieder sehn – Maria!
Maria.
(Wie aus einem Traume aufgeschreckt.)
Maria? Und du bist auch der William Ratcliff?
(Hält sich die Augen zu.)
O das ist gar zu traurig!
(Schaudernd.)
Fort! geh fort?
Ratcliff.
(Springt auf und umschlingt sie.)
Und du hast William lieb –
(Vertraulich.)
Im Traum’ hast du’s
Mir oft gesagt. Weißt du, wir sehn uns ähnlich?
Schau’ in den Spiegel.
(Er führt sie an einen Spiegel und zeigt nach beiden Spiegelbildern.)
Deine Züge sind
Zwar schöner, edler, reiner als die mein’gen;
Umzuckt derselbe Stolz, derselbe Trotz.
Hier sitzt der Leichtsinn eben so wie dort.
Sprich mahl ein Wörtchen?
Maria.
(Sich[15] sträubend.)
Laß mich! laß mich!
Ratcliff.
Hörst du?
Die Stimm’ klingt wie die mein’ge, nur weit sanfter.
Nur glänzender bey dir. Gieb her die Hand.
(Nimmt ihre Hand und vergleicht sie mit der seinigen.)
Siehst du dieselben Linien?
(Erschrickt.)
Sieh mahl her,
Die Lebenslinie ist so kurz wie hier, –
Maria.
O laß mich, William, und entflieh! entflieh! –
Ratcliff.
Ja, du hast Recht,
Wir wollen fliehn. Komm folge mir, mein Lieb.
Komm folge mir. Gesattelt steht mein Roß,
Das schnellste in ganz Schottland.
(Zieht sein Schwert hervor.)
Hier, mein Schwert
Bahnt uns den Weg. Sieh mahl wie’s funkelt! Horch!
Margarethe.
(Wahnsinnig singend.)
Ich habe geschlagen mein Liebchen todt, – Mein Liebchen, war so schön, O!“
[62]
Ratcliff.
Wer sprach das blut’ge Wort? War’s dort die Eule,
Die sich an’s Fenster klammert? War’s der Wind,
Der im Kamin pfeift? War’s die bleiche Hexe,
Ihr Leib ist marmorstarr, doch aus der Brust
Schrillt ihr der heisre Sang. Ich soll mein Liebchen
(Im höchsten Schmerz.)
Todtschlagen, singt sie – O das muß ich ja –
Maria.
Entsetzlich rollt dein Aug’, dein Odem brennt –
Ratcliff.
O sträub’ dich nicht, mein Lieb. Der Tod ist ja
So süß. Ich nehm’ dich mit in’s schöne Land,
Wovon wir oft geträumt. Komm mit, mein Lieb.
Maria.
(Sich von ihm losreißend.)
Entflieh! entflieh! Denn trifft dich hier, Graf Douglas –
[63]
Ratcliff.
(In Wuth ausbrechend.)
Kein Gott soll dich besitzen. Mir gehörst du –
(Er will sie erstechen.)
Maria.
(Sich in das verhängte Kabinet flüchtend.)
William! du willst mich morden –
Ratcliff.
(Stürzt ihr nach in’s Kabinett.)
Mir gehörst du –
Mein ist Maria –
(Man hört Marias Stimme: „William! Hülfe! William!“)
Margarethe.
(Singt.)
„Ich habe geschlagen mein Liebchen todt, – Mein Liebchen war so schön, O!“
(Die zwey Nebelbilder erscheinen von entgegengesetzten[16] Seiten, stellen sich am Eingang des Kabinetts, strecken die Arme nach einander aus, und verschwinden bey Ratcliffs Hervortreten.)
[64]
Ratcliff.
(Das blutige Schwert in der Hand, stürzt aus dem Kabinette.)
Du bleiches Nachtgespenst, du hast’s gethan.
An deiner Nebelhand klebt rothes Blut.
Komm ficht mit mir, du hast Marie ermordet –
Mac-Gregor stürzt herein mit bloßem Schwerte. Die Vorigen.
Mac-Gregor.
Um Hülfe rief’s –
(Erblickt Ratcliff.)
Dich treff ich hier, Verruchter,
Ratcliff.
(Wild auflachend.)
Das bin ich, und auch du bist mir verhaßt,
Weiß nicht warum, doch bist du mir verhaßt,
Nach deinem Blute lechz’ ich –
(Sie stürzen fechtend auf einander ein.)
Mac-Gregor.
Bösewicht!
Ratcliff.
Ha! ha! ha!
Margarethe.
(Singt.)
Mac-Gregor.
(Stürzt nieder.)
Verfluchtes Lied!
(Er stirbt.)
Ratcliff.
(Erschöpft.)
Die gift’ge Schlang’ ist todt.
Nun ist mir’s leicht um’s Herz. Den Vorgeschmack
Der Ruh’ genieß’ ich schon. Marie ist mein.
Mein Tagwerk ist vollbracht. Ich komm’ Marie.
(Er geht in’s Kabinett; man hört innwendig seine Stimme:)
(Es fällt ein Schuß im Kabinette.)
(Die zwey Nebelbilder erscheinen von beiden Seiten, stürzen sich hastig in die Arme, halten sich festumschlungen, und verschwinden. Man hört lautes Rufen und verworrene Stimmen.)
[67]
Douglas, Gäste und Diener treten bestürzt herein. Die Vorigen.
Ein Diener.
Jesus Marie! hier liegt der edle Herr!
Viele Stimmen.
Mac-Gregor!
Douglas.
Todt! todt ist der edle Laird.
Sucht nur den Mörder. Schließt des Schlosses Pforte.
Margarethe.
(Richtet sich langsam in die Höhe, nähert sich der Leiche Mac-Gregors, und spricht im wahnsinnigen Tone:)
Ey! ey! so blutig und so bleich lag auch
Der böse, zornige Mac-Gregor hatte
Den armen Edward Ratcliff todtgeschlagen!
(Weinend.)
Ich hab’ es nicht gethan, hab’s nur gewußt.
Und den
(Zeigt nach Mac-Gregors Leiche.)
Hat William Ratcliff todtgeschlagen –
Jetzt bey Marie – still! still! – weckt sie nicht auf –
(Sie geht auf den Fußzehen nach dem Kabinette, und hebt die Gardiene desselben auf. Man sieht die Leichen von Maria und William Ratcliff.)
Alle.
Entsetzlich!
Margarethe.
(Vergnügt lachend.)
Sie sehn fast aus wie Edward und Schön-Betty!
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: sprechrnd
- ↑ Vorlage: dem (s. Verbesserungen)
- ↑ Vorlage: dem (s. Verbesserungen)
- ↑ Vorlage: Rach (s. Verbesserungen)
- ↑ Vorlage: van (s. Verbesserungen)
- ↑ Vorlage: ew’gem (s. Verbesserungen)
- ↑ a b Vorlage: abgemuxt (s. Verbesserungen)
- ↑ Vorlage: Phantasientrug (s. Verbesserungen)
- ↑ Vorlage: hinter Sterne steht ein Punkt (s. Verbesserungen)
- ↑ Vorlage: alsdenn (s. Verbesserungen)
- ↑ Vorlage: stch (s. Verbesserungen)
- ↑ Vorlage: Verhönt (s. Verbesserungen)
- ↑ Vorlage: gießt (s. Verbesserungen)
- ↑ Vorlage: knie (s. Verbesserungen)
- ↑ Vorlage: Sie (s. Verbesserungen)
- ↑ Vorlage: entgegesetzten (s. Verbesserungen)
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