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Wilhelm Löhes Leben (Band 3)/Erstes Kapitel

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Wilhelm Löhes Leben (Band 3)
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Erstes Kapitel.
Anfänge der amerikanischen Mission bis zur Vereinigung der Sendlinge Löhes mit den ausgewanderten Sachsen in Missouri.


 Der vorige Halbband hat Löhes kirchliche Kämpfe in der Heimat geschildert. Doch Löhe war keine polemische Natur, die nur in und von dem Kampf hätte leben mögen. Noch vor dem Schwert hatte er die Kelle zur friedlichen Arbeit an dem Bau der Mauern Zions in die Hand genommen. Bereits im Jahre 1841 begann seine Thätigkeit für die lutherische Kirche Nordamerikas, die etwa zwei Jahrzehnte seines kräftigsten Mannesalters hindurch sich fortsetzte und ohne Zweifel ein kirchengeschichtlich hochbedeutsames Stück seiner Lebensarbeit darstellt.

 In ungesuchter Weise wurde Löhe zur Mitarbeiterschaft an dem Werk der inneren Mission in Nordamerika berufen. Wie alle seine Unternehmungen, so trug auch diese in ihrem bescheidenen, senfkornartigen, naturgemäß aus dem Bedürfnis erwachsenen Anfang das Siegel eines Gotteswerkes. Löhe war nicht der erste, der auf die Not der kirchlich verwahrlosten Glaubensgenossen in Amerika aufmerksam wurde und aufmerksam machte. Er empfing die Anregung hierzu von andern. Aber allerdings fiel der Funke am zündendsten in seine Seele und bald ward er für geraume Zeit der persönliche Mittelpunkt aller in Deutschland sich regenden Bestrebungen für die amerikanische Missionsthätigkeit.

|  Im Jahre 1841 kam ihm nämlich bei einem Besuch in Erlangen der von einem Verein in Stade erlassene „Aufruf zur Unterstützung der deutsch-protestantischen Kirche in Nordamerika“ zu Gesicht, in welchem nach Mitteilungen Wyneckens die kirchliche Not der evangelischen Glaubensgenossen in Amerika beweglich geschildert und dringend um Hilfe gebeten war. Löhe benützte diesen Aufruf, um durch geeignete Mitteilungen aus demselben die Leser des damals von Wucherer herausgegebenen „Nördlinger Sonntagsblattes“ mit der Not der Glaubensgenossen in Nordamerika bekannt zu machen und zu teilnehmender Fürsorge für dieselben zu bewegen. Die Nr. 2 des Nördlinger Sonntagsblattes vom Jahre 1841 enthält Löhes „Ansprache an die Leser.“ Wir wollen wenigstens ein Bruchstück aus derselben hier mitteilen.
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 „Unsre Brüder – heißt es dort – wandeln in den Einöden Nordamerikas ohne Seelenspeise. Wir legen unsre Hände in den Schoß und vergessen der Hilfe. Desto eifriger nahen sich die Diener des Papstes und die Liebhaber der Sekten. Auch ihre Liebe scheint heilig; die Notleidenden verschmähen sie nicht. Sie erwidern die Liebe, sie wenden sich mit ihren Kindern zur römischen Kirche, zu den Sekten. Den Dürstenden scheint trübes, unreines, ungesundes Wasser immer noch vorzüglicher als der Tod durch völliges Verschmachten. Und wir sollten nicht Hilfe leisten? Wir sollten zusehen, wie unsre Glaubensgenossen aus Mangel an Hirten verführt werden, – zusehen, wie sich die evangelische Kirche Nordamerikas auflöst? Schmach über uns, wenn wir hier nicht thäten, was wir können! Die Heidenmissionen unsrer Kirche unterstützen wir, und die vorhandenen Gemeinden lassen wir untergehen? Tausende lassen wir verschmachten, da wir uns so viel Mühe geben, um einzelne zu gewinnen? Wir beten, daß sich der Herr eine ewige Kirche aus den Heiden sammle, und gesammelte Gemeinden lassen wir der Verführung zum Preis? Die uns so nahe stehen, vergessen wir, und strecken| uns nach denen, die noch den Götzen dienen? Eins sollte man thun und das andere nicht lassen! Auf, Brüder, lasset uns helfen, soviel wir können!

 „Vernehmet,Brüder, den Aufruf eines andern und beherziget ihn.

 „Tausende von Familien, eure Glaubensgenossen, vielleicht gar nach dem Fleische eure Brüder und Schwestern, hungert nach der kräftigen Speise des Evangeliums; sie flehen zu euch mit Jammergeschrei: O helfet uns, gebt uns Prediger, die uns mit dem Brot des Lebens stärken, die uns durch das Wort des Herrn erbauen, die unsere Kinder in der Heilslehre Jesu unterrichten! O helfet uns, oder wir sind verloren! Warum helfet ihr nicht? Ist das Liebe zu Jesu? Ist das sein Gebot halten? Bedenket die Worte: Was ihr einem der geringsten meiner Brüder thut, das thut ihr mir.“

 „Es ist buchstäblich wahr, daß viele unserer deutschen Brüder im Westen Nordamerikas also klagen. Und vieler Orten erhebt sich für sie überdies eine drohende Gefahr. In keinem Lande der Welt giebt es so viele christliche Sekten, als in Nordamerika; einige derselben haben schon auf die Niederlassungen unserer deutschen Brüder und Glaubensgenossen ihr Augenmerk und ihre Thätigkeit gerichtet; fremde Arbeiter wollen die Ernte gewinnen, während der HErr die Seinigen ruft. Sollen ihre Brüder nicht mehr in dem von dem Odem des HErrn erfüllten Dome ihrer Väter gläubig und beseligt anbeten, sondern in den Krankenhäusern der Sekten ruhen? Soll die deutsche Frömmigkeit in der neuen Welt unter Menschensatzungen verkümmern? Ich bitte euch um Christi willen, legt Hand an, tretet schleunigst zusammen! Beratet nicht lange! Eilet, eilet! Es gilt unsterbliche Seelen zu retten.“

 Dieser Aufruf blieb nicht ohne Erfolg. In einem 1847 erschienenen Rechenschaftsbericht schildert Löhe selbst die weitere Entwicklung der Angelegenheit folgendermaßen:

|  „Auf jenen Aufruf hin wurden teils mir, teils der Redaktion des Sonntagsblattes so viele Gaben zugestellt, daß wir bald eine Summe von 600 fl. beisammen hatten. Bereits während diese Summe heranwuchs, hatte sich zwischen mir und meinem Freunde Wucherer die Frage nach der zweckmäßigsten Verwendung des Geldes erhoben. An den Stader Verein es einzusenden, trugen wir damals Bedenken. Dagegen fanden wir es ganz thunlich, durch unsre geringen Erfolge die Thätigkeit des eben entstandenen Dresdener Vereins für Nordamerika zu unterstützen, denn zu selbständigem Wirken hatten wir keine Lust. Man hatte uns auch immer gesagt, daß in einem Binnenlande, wie unsre Heimat ist, eine selbständige Missionsthätigkeit nicht gedeihen könne. Da wir nun eben drauf und dran waren, unser Geld nach Dresden zu schicken, schickte uns seinerseits der Dresdener Verein einen jungen Mann zu, der für Amerika vorbereitet werden sollte, – und dadurch bekam unsere Sache eine unerwartete Wendung. Ein wackerer Schüler meines Freundes Wucherer, der Schuhmachergeselle Adam Ernst aus Öttingen, arbeitete zu Asch in Böhmen und las da den Hilferuf für Nordamerika. Schon längst hätte er gern sein Leben dem Missionsberuf weihen mögen; nun wußte er erst recht, wohin, und sein Verlangen wendete sich zu den deutschen Lutheranern Nordamerikas. Seine Freunde in Asch bestärkten ihn in seinen Vorsätzen und er bat deshalb den Dresdener Verein für die lutherische Kirche Nordamerikas um Aufnahme unter die Dresdener Zöglinge. Wäre er aufgenommen worden, so würde eben dadurch unser Entschluß, unsere Gaben nach Dresden zu schicken, befestigt und zur Ausführung gebracht worden sein. Allein die Dresdener Freunde wiesen den Bittsteller ab und machten ihn aufmerksam, daß er in seinen heimatlichen, bayrischen Gegenden Gelegenheit genug finden könne, sich für eine heilbringende Thätigkeit in Nordamerika vorzubereiten. Ernst wandte sich nun an seinen ehemaligen Seelsorger, Herrn| Pfarrer Wucherer, in dessen Sprengel er sein Handwerk erlernt hatte, – und nun hatten wir doch einen unverkennbaren Wink empfangen, die Sache selbständig anzugreifen. Wir thaten also von außen gedrungen, was zu thun wir nicht begehrt hatten.

 „Bald fand sich ein zweiter Schüler, Georg Burger aus Nördlingen, dazu. Wir hatten nun zwei Schüler und mußten uns besinnen, wie wir es anfangen wollten, um zu unserm Ziele zu gelangen. Wir müssen gestehen, daß es uns ging, wie allen, die ein neues Werk ohne alle Unterweisung anfangen: wir wußten nicht Bescheid. Nur so viel sahen wir, daß wir aus unsern zwei Schülern nichts Großes machen könnten. Zwei Schullehrer, die etwa nebenher aus ihrem Handwerk arbeiten und sich ihren Unterhalt selbst verdienen könnten – das war’s, was wir aus ihnen machen wollten.“

 Demgemäß war denn auch der Unterricht, den beide bei Löhe genossen, ein sehr einfacher. Sie machten den Kurs der verschiedenen Elementargegenstände durch, als wären sie selbst Schüler. Sie übten sich alle Tage im schriftlichen Ausdruck der Gedanken und machten sich bei Erlernung des Englischen mit dem Grammatikalischen ihrer Muttersprache durch Vergleichen bekannt. Sie übten sich im Schönschreiben, lernten die Erdoberfläche genau kennen, trieben Welt- und Kirchengeschichte und lasen selbst viel kirchenhistorische Schriften. Auch hatten sie Gelegenheit, nicht bloß katechisieren und lehren zu hören, sondern sie teilten sich auch in den Unterricht eines fähigen, aber blinden Knaben. Biblische Geschichte und Glaubenslehre trieben sie mit Eifer, lernten auch die Gegensätze, namentlich der nordamerikanischen Parteien möglichst genau kennen. In der Gemeinde Neuendettelsau hatte ihr bescheidener und stiller Wandel ihnen Liebe erworben, auch waren sie für manches Gemeindeglied gute Engel gewesen und hatten an manchem Kranken- und Sterbebett zu Löhes großer Zufriedenheit die Friedensbotschaft| ausgerichtet, so daß Thränen und Dank von gar manchem Gemeindeglied ihnen nachfolgte, als sie – nach etwa einjähriger Vorbereitungszeit – am 11. Juli 1842 nach Amerika ausgesandt wurden.

 Das war der Anfang der amerikanischen Mission, die seitdem eine so unerwartete Ausdehnung gewonnen und einen so gesegneten Erfolg gehabt hat. Es waren bei der Ankunft der Sendlinge Löhes gerade 100 Jahre verflossen, seitdem „der Patriarch der lutherischen Kirche in Nordamerika“, Heinrich Melchior Mühlenberg, seinen Fuß auf amerikanischen Boden gesetzt hatte. Er war von dem jüngeren Francke in Halle zu den seit 1710 in Pennsylvanien eingewanderten deutschen Lutheranern gesendet worden, um sie mit Wort und Sakrament zu bedienen und zu Gemeinden zu sammeln. So war Halle wie die Wiege der lutherischen Heidenmission, auch der Ausgangspunkt der inneren Mission der lutherischen Kirche geworden, und Löhe war mit seiner auf kirchliche Versorgung der ausgewanderten Glaubensgenossen gerichteten Liebesthätigkeit in die Fußstapfen und gewissermaßen auch in die Arbeit jenes edlen Säemanns getreten, dessen Andenken von der lutherischen Kirche Nordamerikas heute noch dankbar verehrt wird. Eine so weit in die Vergangenheit zurückreichende und so ehrwürdige Vorgeschichte hatte das von Löhe in der unscheinbarsten Weise und mit den bescheidensten Absichten begonnene Missionswerk.

 Wie bescheiden in der That die Ziele waren, die Löhe seiner Thätigkeit oder vielmehr derjenigen seiner Sendlinge steckte, ist am besten aus der schönen Instruktion zu ersehen, die er den beiden ersten „Nothelfern“ erteilte, und in welcher er ihnen, ohne es zu wissen, den besten Empfehlungsbrief, der ihnen allenthalben die Herzen gewann, auf die Reise mitgab. Wir glauben den Lesern wenigstens einige Bruchstücke aus dieser Instruktion mitteilen zu sollen.


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Im Namen Jesu!

 1. Geliebte Brüder, Adam Ernst und Georg Burger! Ihr geht freiwillig nach Nordamerika, es hat Euch niemand überredet. Es ist Euch Euer Wagnis oft und nachdrücklich genug vorgestellt worden. Ihr habet die Schwierigkeiten selber eingesehen, seid aber dennoch bei Eurem Entschluß, zu gehen, geblieben. So lassen wir Euch ziehen. Der HErr nehme Euer Reisen zu Herzen! Er gebe Euch Weisheit, Stärke und Geduld, und setze Euch zum Segen! Es müsse von Euch geschrieben stehen: „Nach Deinem Siege wird Dir Dein Volk williglich dienen im heiligen Schmuck!“

 2. Ihr reiset mit dem Wanderbuche als Handwerker. Das seid Ihr, das sollt Ihr bleiben. So Ihr Euch des schämen würdet, würdet Ihr eine Gnade entbehren, die Ihr so sehr bedürfet, die Demut. Gedenket an Apostelg. 18, 1–4; 20, 34. 1 Kor. 4, 12. Gedenket an den hl. Paulus 1 Kor. 9, 13 ff. und achtet es nicht für Verlust oder Schaden, wenn Ihr vom Evangelio, zu dessen Dienste Ihr Euch begebet, Euch weniger, als von Eurer Hände Arbeit nähret. Das „Wohl Dir“, welches Ihr Ps. 128, 2 leset, sei Eure Freude.

 3. Ihr reiset in des HErrn Namen zu Seinem Werke. Lasset Euer Reisen durch Gottes Wort und Gebet geweiht werden! Wir machen es Euch im Namen Jesu zur Pflicht, keinen Morgen noch Abend Eurer Reise ohne Gebet, keinen Tag ohne Lesen der hl. Schrift hingehen zu lassen. Was allen Menschen allezeit geboten ist, ist Euch bei Eurem Reisen vornehmlich geboten, auf daß Ihr geheiligt werdet zu dem Werke, das Ihr begehret.

 4. Gleichwie der HErr die Seinigen sandte je zween und zween, so bringen auch wir Euer zween dem HErrn zum Opfer dar. Seid aber Eins in brüderlicher Liebe! Zanket nicht unterwegs! Eure Rede sei allezeit lieblich und mit Salz gewürzet! Habt Salz bei Euch und Frieden untereinander! (Kol. 4, 6. Mark. 9, 50.) Trennet Euch nicht ohne Not! Seid Ihr aber beisammen, so verlange keiner von dem andern, was er nicht geben oder leisten kann! Seid zufrieden mit dem, was da ist, mit dem HErrn, dem Wort, dem Glauben, der Euch gemein ist! Einer trage des andern Last, so werdet Ihr das Gesetz Christi erfüllen.

 5. Vergesset uns nicht, Eure Lehrer, die Euch das Wort Gottes gesagt haben, und Eure Freunde und Brüder im Vaterlande! Betet für uns, gleich wie wir für Euch, auf daß die Einigkeit des Geistes und die Gemeinschaft der Heiligen zwischen uns bestehe und grüne, und wir allezeit Glieder an Einem Leibe bleiben. Wir aber wünschen Euch Glück um Jerusalems und um Euretwillen.

|  6. Wenn Euch der HErr gnädiglich ans jenseitige Ufer gebracht hat, so wende sich ein jeglicher ungesäumt seinem Geschäfte zu und arbeite, bis der HErr ihm eine Thür aufthut. Lernet alsbald die dortige Weise Eures Geschäfts, auf daß Ihr Brot habet und dem HErrn an Seinem Evangelio nicht um Brot dienen müsset unter den Kindern der Welt. Sollte der eine oder der andere in seinem Geschäfte keine Arbeit finden, so schäme er sich keiner andern Arbeit. Der HErr wird Euch vielleicht wunderlich führen, aber Er wird Euch nicht verlassen, noch versäumen. Lasset Euch Seine Wege gefallen, wenn sie im Dunkeln gehen; so wird Euch das Licht immer wieder aufgehen, und Ihr werdet am Ende Ihn preisen, daß Er freundlich ist denen, die auf Ihn hoffen.

 7. Wenn Ihr angekommen seid, so erbietet Euch, sei’s durch eine gelesene Zeitschrift, sei’s auf anderm Wege, Euren Brüdern im Westen zu Elementar- und Religionslehrern....

 8. Könnet Ihr Euch mit Eurer Arbeit an rechtgläubige und treue Prediger der Kirche anschließen, so versäumet es ja nicht, sondern seid freiwillig und mit Freuden denen unterthan, welche das Ältestenamt des HErrn bekleiden. Wohl Euch, wenn Ihr Euch anschließen könnet! Nichts ist gefährlicher, als allein stehen, sich selber raten, eigne Wege gehen. Nichts ist lieblicher dem Demütigen, als weisen Befehlen gehorchen. – Jedoch schließet Euch nicht leichtlich an, sondern prüfet die Geister, ob sie aus Gott sind. Denn wir hören, daß in Nordamerika die Schalkheit der Menschen groß sei.

 9. Kommet Ihr in eine Gegend, wohin kein reisender Prediger der evangelisch-lutherischen Kirche leichtlich kommen kann und kommt, wo die Kinder ohne Taufe und Konfirmation, die Konfirmierten ohne Absolution und ohne das Sakrament des Altars, die Brautleute ohne Kopulation dahinleben und die Toten nicht bestattet werden, wie sich’s ziemt, so erbietet Euch einer evangelisch-lutherischen Synode oder einem evangelisch-lutherischen Ministerium zur Ordination auf die symbolischen Bücher der Kirche. Lasset Euch prüfen, wie der Apostel befiehlt, und wenn Ihr tüchtig erfunden werdet, so dienet dem HErrn im heiligen Amte bescheidentlich und nach der Kraft, welche der HErr darreichet. Es ist besser, daß die armen verlornen Schafe von Euch, als von gar niemand zur grünen Aue und zu den kühlen Bächen geleitet und geweidet werden, so bleiben sie doch bei der hl. Kirche und fallen nicht in die Hände der Irrlehrer und Sekten. – Werdet Ihr aber in diesem Notfall durch die Prüfenden nicht für tüchtig erfunden, so unterwindet Euch nicht selbst des hohen Amtes, (Jak. 3, 1 ff.) sondern dienet dem HErrn in der Schule.

|  10. Kämet Ihr je ins heilige Amt, so würdet Ihr von uns aus angewiesen sein, zu bedenken, daß es nichts Leichtes ist, Gottes Wort recht zu predigen, so leicht sich’s auch manche in jenem Lande machen, wo ein jeglicher an jeglichem Orte frei zu reden unternimmt. Für einen solchen Fall seid Ihr von uns zum voraus angewiesen, Euch aus Luthers Postillen oder den Predigten anderer rechtgläubiger Lehrer ehrlich und gründlich vorzubereiten und nichts Unbedachtes zu reden....

 Wir weisen Euch auf alle Fälle ernstlich an, alles lärmende, trommelnde, die Nerven und das Gefühl erregende, die Heilsordnung überrumpelnde Predigen der Methodisten zu vermeiden. Der HErr bewahre Euch vor dieser Weise und lasse Euch pflanzen und begießen in Frieden, wenn es sein Wille ist.

 11. Ihr möget nun aber im priesterlichen oder im Schulamte arbeiten, so gebt Ihr uns durch Eures Namens Unterschrift, sowie durch dargereichte Bruderhand das Gelöbnis, Euch strenge zu der apostolischen, nun in der Zeit ihres Kampfes evangelisch-lutherisch genannten Kirche zu halten, und jede kirchliche Gemeinschaft andern Namens und Wesens zu vermeiden. Um der Verfassung, um des äußern Wandels ihrer Glieder willen ziehet keine andere Gemeinschaft, keine Sekte der Kirche vor. Da ist die Kirche Gottes, wo man das Wort und die heiligen Sakramente ohne Zu- und Abthun festhält. Bei der bleibet! – Nur für ihren Dienst haben wir Euch bisher unterstützt, nur für sie werden wir Euch ferner unterstützen. Wir verlangen daher von Euch zu möglicher Beruhigung unsrer Seelen und zur Kräftigung Eures Gewissens das schriftliche Gelöbnis, daß Ihr

1) bei den drei uralten Symbolen der heiligen Apostel, der Kirchenversammlung zu Nicäa, des heiligen Athanasius,
2) bei der unveränderten augsburgischen Konfession und deren Apologie,
3) bei den schmalkaldischen Artikeln,
4) bei den beiden Katechismen Luthers,
5) bei der Konkordienformel

verbleiben wollet.

 12. Auch wenn Euch der HErr zum heiligen Amte beruft, sollt Ihr, sofern nicht das heilige Amt alle Eure Zeit wegnimmt, bei Eurem Handwerk bleiben, auf daß Ihr gedenket, von wannen Euch Gott genommen, – auf daß Ihr eine Erinnerung mehr zur Demut habet. Denn weil kein Mensch unter der Sonne ist, welcher zum Hochmut nicht immer neue Anfechtung hätte; so ist es gut, jedes gute Mittel gegen den Hochmut zu ergreifen, daß wir ja nicht Gott den HErrn selbst zum Widerstande haben.

|  13. Euren Wandel anlangend vermahnen wir Euch, daß Ihr Euch befleißiget, Euren Beruf mit jenen Tugenden und guten Werken zu zieren, welche St. Paulus seinen Schülern Timotheus und Titus und allen denen, die dem Evangelio dienen, befiehlt. Wandelt würdiglich, dem HErrn zu allem Gefallen. Wandelt vorsichtiglich, eingedenk, daß der Satan Euch und Euer Werk verderben will! Enthaltet Euch von fleischlichen Lüsten, welche wider die Seele streiten, und jaget nach der Reinigung und Heiligung der Seelen, ohne welche niemand den HErrn schauen wird! Der HErr aber wolle Euren Beruf und Erwählung fest machen, fest behalten bis ans Ende.

 14. Wir erwarten von Euch regelmäßige und fleißige Berichte und Briefe, auf daß wir allezeit wissen, was wir für Euch bitten und thun können und sollen. Die zwischen uns geschlossene Verbindung ist zu enge, auch für einen zu großen Zweck, als daß sie aufhören könnte. Wir müssen sie auch mit Aufopferung aufrecht erhalten.

 15. Nach alledem sprechen wir noch unsern herzlichen Wunsch aus, daß es unsern Brüdern im Vaterlande möglich werden möge, eine umfassendere, kräftige Hilfe für die verlassenen lutherischen Glaubensgenossen in Amerika zu bereiten. Mögt Ihr die ersten Schwalben sein, die einen reichen Frühling verkündigen! Mögen aus den gesegneten deutschen Gauen Scharen von Evangelisten, begabt mit mancherlei Gaben, ausziehen, auf daß auch Amerika zu den Landen versammelt werde, von denen wir singen, daß sie „Seiner Ehre voll sind.“ Der HErr mache unser Hoffen wahr!

 Dieses alles schreiben wir Euch nicht als Herren, sondern als Väter, – nicht im eignen Namen, sondern in Jesu Namen, – nicht in Hochmut, sondern in herzlicher Lust, Euch und dem Werke des HErrn zu dienen!

 Gleichwie wir unsre Namen unter dieses Abschiedsschreiben setzen, also setzet auch Ihr, wenn Ihr mit uns einig seid, Eure Namen darunter und bezeuget dadurch vor uns und Euren Freunden, daß Ihr gelobet, was wir verlangen.

 Der HErr segne Euch etc.

 Neuendettelsau, am Sonnabend nach St. Johannis Bapt. Tag,
 am 25. Junius, an welchem unsre Väter und Fürsten vor Kaiser
 und Reich die Wahrheit bekannten, die auch wir bekennen.

 Im Jahr 1842.

Johann Friedrich Wucherer,
Hospitalprediger zu Nördlingen und Pfarrer
von Baldingen.
Johann Adam Ernst,
Johann Konrad Wilhelm Löhe,
Pfarrer zu Neuendettelsau.
Johann Georg Burger.


|  Mit dieser Instruktion in der Tasche machten sich die beiden Erstlinge der Neuendettelsauer Mission auf den Weg, durchwanderten zu Fuß einen großen Teil Deutschlands und schifften sich am 5. August 1842 in Bremen ein. Am 26. September landeten sie in New-York: „zwei Körnlein Salzes (wie Löhe an Dr. Petri schrieb) für ein Brosamlein Gottes, für etliche verlassene Glaubensgenossen in Nordamerika.“ Der eine von ihnen fand sofort in New-York auf seinem Geschäft Arbeit, der andere, dem dies nicht gelang, suchte Rat bei Pastor Stohlmann, der dem Hilfesuchenden freundlich entgegen kam. Hier fand er mehr, als er suchte, nämlich den Mann, welcher, wie von Gott gesendet, ihm und seinem Gefährten zur Wirksamkeit verhelfen sollte.

 Dies war der ehemalige Pfarrer von Newark bei New-York, Friedrich Winkler, damals Professor am theologischen Seminar in Kolumbus, ein Mann, der Liebe zum deutschen Vaterlande im Herzen trug und auf den Universitäten Deutschlands auch deutsche theologische Bildung gewonnen hatte. Dieser sowohl als Pastor Stohlmann an der St. Matthäuskirche in New-York fanden Wohlgefallen an dem bescheidenen Vorhaben der zwei jungen Männer und an ihrer Instruktion. Die letztere nahm Professor Winkler, der ihnen voran nach Kolumbus reiste, in Abschrift mit sich und gewann damit den nachfolgenden Inhabern des Originals das Wohlwollen manches einflußreichen Mannes.

 Bald fanden Ernst und Burger eine erwünschte Stellung in Kolumbus, Ohio. Der erstere übernahm eine neu errichtete deutsche Schule, die er mit steigendem Erfolg leitete, während er abends nach apostolischem Vorbild aus seinem Handwerk als Schuhmacher arbeitete; der andere, dessen Handwerk in Amerika keinen Boden fand, trat zu seiner weiteren Ausbildung in das dortige theologische Seminar ein.

 Indessen war, noch im Sommer 1842, Pastor Wyneken, von| Geburt ein Hannoveraner, der aber nach Vollendung seiner Studien aus Mitleid mit der Not der verlassenen Glaubensgenossen nach Amerika ausgewandert war, – ein Mann von großer Energie des Willens und brünstigem Liebeseifer – nach Deutschland gekommen. Sein schriftlich von Amerika herüber erschollener Notruf war es gewesen, der von dem Stader Verein verbreitet worden war und in Deutschland überall großen Eindruck gemacht hatte. Das für das amerikanische Missionswerk auf diese Weise bereits angeregte Interesse blies seine Gegenwart allenthalben, wo er erschien, zur hellen Flamme an. Er kam auch ins Frankenland, und gar mancher schämte sich – wie Löhe schreibt – „neben der brennenden Liebesflamme seines Eifers kühl zu stehen.“ Wo sein beredtes mündliches Wort nicht hinreichte, da warb sein in der Zeitschrift für Protestantismus und Kirche 1842 erschienener Notruf der von ihm vertretenen Sache Freunde und Helfer. Die lutherische Christenheit Deutschlands vernahm aus seinem Munde vom Gestade des atlantischen Oceans her den dringenden Hilferuf des macedonischen Mannes: „Komm herüber und hilf uns!“ Sein machtvoller Appell an die Gewissen seiner deutschen Glaubensgenossen brachte diese zur Erkenntnis, daß die lutherische Kirche auch, ja vornehmlich, den Kindern vom eigenen Hause, ihren in der Zerstreuung gehenden Gliedern, ihre Liebe und Fürsorge schulde, daß neben der Heidenmission auch die sog. innere Mission ein gottgefälliges Werk sei, daß neben dem Befehl: „Gehet hin in alle Welt und lehret alle Heiden“ auch der andere stehe: „Als wir denn nun Zeit haben, so laßt uns Gutes thun an jedermann, allermeist aber an des Glaubens Genossen. Gal. 6, 10. Dieses Gotteswort aus apostolischem Munde hat die amerikanische Mission von Anfang an als ihren göttlichen Legitimationsbrief angesehen und in ihr Schild und Wappen genommen. Schon in Nr. 3 der kirchlichen Mitteilungen läßt sich Löhe hierüber also vernehmen: „Wir wollen den| Heiden keine Hilfe entziehen, wir helfen aus allen Kräften für sie mit. Wir erheben für die Nordamerikaner bloß deshalb unsre Stimme, weil man über den Heiden die armen Anverwandten und Glaubensgenossen[1] vergißt, weil die Liebe nicht bloß nach einer Seite hin, sondern nach allen Seiten hin thätig und hilfreich sein soll, weil es unchristlich und unnatürlich ist, die verlassenen Deutschen in Nordamerika zu vergessen und den Heiden nachzujagen, weil es thöricht ist, in Nordamerika mit Scheffeln auszuschütten und unter den Heiden wieder mit Löffeln einzufassen. Lobst Du den Jüngling, der in der Zeit seiner Erweckung alle Leute bekehren möchte, der Zeit und Kraft für das Seelenheil der Fremden aufopfert, während er gegen seine Angehörigen stumm, verschlossen, mürrisch, lieblos ist? Du lobst ihn gewiß nicht. Du strafst ihn, und mit Recht. Du rufst ihm ein: Dieses thun (dem Seelenheile Fremder dienen) und jenes nicht lassen (dem Seelenheile der Angehörigen dienen) zu. Dasselbe thue ich Dir. Hilf den Heiden, hilf mit aller Macht, aber vergiß nicht den Spruch von den Hausgenossen, nicht jenes „allermeist“ des Apostels, welches den Glaubensgenossen zu gute kommt; vergiß nicht, daß viele nordamerikanische Christen wirklich wieder ins Heidentum zurücksinken, weil sie der Hilfe des Vaterlands entbehren.“

 Während Wynekens Aufruf im Norden und Süden Deutschlands seine Wirkung that, und auch Löhe dadurch einen neuen Anstoß zu kräftigerer Fortsetzung seines eben begonnenen Werkes empfing, schien sich in Amerika der gewünschte kirchliche Anschließungspunkt zu finden, nach welchem die fernere Hilfe und Unterstützung von Deutschland aus hingelenkt werden könnte.

|  Bald nach der Ankunft der ersten Sendlinge Löhes nämlich versammelte sich die Ohiosynode in Kolumbus und faßte hier den Beschluß, sich im Interesse der lutherischen Kirche Amerikas mit den Glaubensbrüdern in Deutschland in Verbindung zu setzen. Es ging auch alsbald ein Schreiben an Löhe und Wucherer ab, in welchem dringend um jährliche Zusendung einer Anzahl so vorgebildeter junger Männer (wie Ernst und Burger) und um Unterstützung der sehr dürftigen Bibliothek des Seminars der Synode mit guten theologischen Werken gebeten wurde.

 Damit waren verheißende Aussichten auf eine nachhaltigere und planvollere Thätigkeit zum Besten Amerikas eröffnet. So wurde denn eine Versammlung von Freunden der amerikanischen Sache nach Nürnberg anberaumt, die über die Mittel und Wege der Hilfeleistung beraten sollte. Man schwankte anfangs, ob man vor allen Dingen die Lehrkräfte des Seminars vermehren oder sich auch ferner mit Ausbildung und Zusendung von Nothelfern befassen sollte. Die erstere Hilfe schien die gründlichere zu sein. Es bestand auch – wenigstens für einen Augenblick – die Hoffnung, eine so ausgezeichnete Kraft, wie Dr. Delitzsch, damals Privatdocent in Leipzig, für das Seminar in Kolumbus zu gewinnen. Indes erkannte man bald, daß dieser Plan schon aus Mangel an Mitteln unausführbar sei, und beschloß deshalb, die Synode von Ohio nach ihrem Wunsch durch Zusendung von in der bisherigen Weise vorgebildeten Arbeitern und Sammlung guter theologischer Werke, davon mehrere bedeutende Sendungen rasch aufeinander nach Kolumbus gingen, zu unterstützen.

 Aber auch dazu bedurfte man pekuniärer Mittel, die erst zu beschaffen waren. Einen Verein zu diesem Zweck zu gründen, der mit seinen Gaben das amerikanische Missionswerk trüge, fand man aus mancherlei Gründen nicht ratsam. Es ging aber auch nicht an,| die Sache, wie bisher, in den Grenzen eines Privatunternehmens weiter zu führen, da in diesem Falle das Gesetz nicht gestattete, Beiträge für den beabsichtigten Zweck zu sammeln. Da kam Löhe auf den kühnen Gedanken, ein Missionsblatt zu gründen, welches das Unternehmen nicht bloß geistig, sondern auch finanziell tragen und erhalten sollte. So entstanden die „kirchlichen Mitteilungen aus und über Nordamerika“, deren erster Jahrgang im Jahre 1843 und zwar in einer Auflage von 8000 Exemplaren gedruckt wurde. Gott ließ das Wagnis gelingen: das Blatt warf in der That am Ende des ersten Jahres einen Reingewinn von fast 2000 Gulden ab. Auf dieser Höhe hielt sich allerdings der Absatz nicht, doch wurde es im Jahre 1847 immer noch in einer Anzahl von 5500 Exemplaren verbreitet – ein nicht unbedeutender Erfolg bei einem Blatte, welches sich durch seine Eigenart so bestimmt von der Masse der „populär sein sollenden Missionsblätter voll Histörchen, Bildchen und pietistisch stereotyper Reden“ unterschied und weniger ein Blatt für geistliche Unterhaltung, als vielmehr „eine Art Aktensammlung sein sollte, die es den Freunden der Sache durch Darlegung von Thatsachen ermöglichte, ihren Zusammenhang und historischen Verlauf festhalten zu können.“ Höher noch als dieser materielle Erfolg war die kirchliche Mission anzuschlagen, die dem unscheinbaren Blatte von dem HErrn der Kirche vertraut wurde: an seinem Teile zur Vereinigung der edelsten Kräfte der damaligen lutherischen Kirche Deutschlands zu gemeinsamer Liebesarbeit auf Grund des Einen Glaubens und Bekenntnisses zu dienen und dem amerikanischen Missionswerk in seiner ersten Periode einen ökumenischen Charakter in des Wortes schönster Bedeutung aufzuprägen.
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 So entsprach es nicht bloß den Absichten Wynekens, der die geistliche Versorgung der verlassenen Glaubensgenossen in Amerika gern zu einem Gegenstand des Interesses der ganzen lutherischen Kirche Deutschlands erhoben gesehen hätte, sondern auch den| Wünschen Löhes, der ebenfalls nicht daran dachte, die Thätigkeit für Nordamerika als eine Art persönlicher Domäne betrachten oder bei derselben eine leitende Rolle spielen zu wollen.

 Er wünschte vielmehr, die amerikanische Mission der allgemeinen „Synodalkonferenz“, einer Versammlung von Lutheranern aus allen deutschen Landeskirchen, die unter Dr. Rudelbachs Vorsitz im Jahre 1843 zum erstenmal in Leipzig zusammentrat, in die Hand zu legen. In seiner Zuschrift an diese Versammlung, der er nicht persönlich beiwohnen konnte, sagte er: „Mein Freund Wucherer und ich haben bisher die Sache geführt, und wo wir konnten, haben wir Hilfe, Rat und Teilnahme gesucht. Wir haben uns als Diener der Kirche in dieser Sache angesehen. Von dem Augenblick an, in welchem Sie dies lesen, sind wir nicht mehr allein. Unsre Brüder in der Nähe und die in der Ferne: in Sachsen, Schlesien und Hannover mögen diese Sache als die ihrige ansehen. Es liegt uns nicht daran zu regieren; Gott weiß es, daß wir nur dienen wollen. Wir wünschen nicht, daß Sie diesen Ausdruck unseres Sinnes als bescheiden aufnehmen und uns durch Belassung der Sache in unsern Händen wieder ehren. Hier herrsche kein eitles Rücksichtnehmen, sondern Wahrheit und Treue gegen den Erzbischof unsrer Seelen und Seine Sache. Was zu seines Reiches Mehrung, zum Heil der Seelen dienen kann, das werde von Ihnen beschlossen, und wenn Sie dann auch uns in die Gemeinsamkeit Ihrer Beschlüsse ziehen mögen, so wollen wir die Liebe preisen, die von Gott kommt und zu Gott die Herzen führt.“ Die allgemeine lutherische Konferenz begnügte sich jedoch mit einer, übrigens in würdigem Tone gehaltenen, Rudelbachs Geist atmenden Zuschrift an die lutherische Synode von Ohio und ließ das Werk in den Händen, in welchen es sich befand.

 Dagegen fanden die Freunde des amerikanischen Werks in Bayern kräftige Beihilfe aus Hannover, wo gleichfalls von Wyneken| angeregt, der reichbegabte Dr. L. A. Petri, Pastor in der Stadt Hannover, in die Mitarbeit an dem in seiner ganzen Bedeutung für die lutherische Kirche Amerikas und Deutschlands von ihm erkannten Werk eintrat. Auch er lehnte bescheiden die ihm und den hannöverischen Freunden der Sache angetragene Leitung des Ganzen ab und schloß sich freudig Löhe und seinen Mitarbeitern als Helfer an. „Wir haben – so schrieb er am 19. Juli 1843 an Wucherer (denn der Name von Löhes Wohnort war ihm entfallen!) – nicht so viel tüchtige Kräfte bei einander als Sie in Bayern. Darum aber müssen nun Sie auch das Ganze leiten, es ist Ihnen historisch zugewachsen, und in Dresden hat man genug mit dem Missionswesen zu thun. Das öffentliche Organ dafür haben Sie zu meiner Freude (in den kirchlichen Mitteilungen) schon gegründet.“ Petri wollte, hierin ganz einig mit Löhe, das Werk der amerikanischen Mission in kirchlichem Geiste, „im Sinne von 1 Kor. 12“ (wie er schreibt) geleitet und betrieben wissen. Nicht in eigens ad hoc konstituierten Vereinen, sondern im Schoß der Gemeinden, durch deren freie Liebe sollten die Mittel für den Zweck aufgebracht, daher vor allem die Geistlichen für das Werk gewonnen werden. Das moderne Vereinswesen auf dem Gebiet kirchlicher Liebesarbeit sah Petri überhaupt als eine bedenkliche Erscheinung an. „Das Leben – meinte er – fliehe nur zu leicht aus der Kirche in die Vereine und die Kirche zerbröckele. Von Hamburg her werde bereits die Meinung laut, daß die Kirche sich aus den Vereinen neu konstituieren müsse.“ Er seinerseits wollte daher das Amt zum Mittelpunkt der kirchlichen Liebesthätigkeit gemacht wissen. Er teilte zu diesem Behufe das ganze hannöverische Land in gewisse Kreise und stellte für jeden derselben einen Amtsbruder auf, der die Sache in seiner Umgebung vertreten und mit den Freunden in der Hauptstadt, die als Komitee fungierten, sich ins Benehmen setzen sollte. In dieser frei organisierten Weise wurde eine geraume Reihe von| Jahren hindurch das amerikanische Missionswerk von den Freunden in Hannover aufs kräftigste unterstützt. Für eine ganze Anzahl von Sendlingen Löhes wurden durch Petri die Kosten der Überfahrt nach Amerika ganz oder teilweise gedeckt. Fleißige Frauenhände in Hannover fertigten für andere die Ausstattung an Leib- und Bettwäsche. Häufig sprachen die Neuendettelsauer Sendboten auf der Reise nach Bremen bei Petri vor und fanden bei ihm oder in befreundeten Häusern die gastfreieste Aufnahme. Als die ersten für Frankenmut bestimmten Kolonisten in Hannover eintrafen, wurden sie in Petris Haus gespeist und von ihm mit Gebet und Segenswunsch entlassen. Eine Reihe trefflicher hannöverischer Kandidaten wie Wolter, Röbbelen, Sievers etc. wurden durch seine Vermittlung der Arbeit in dem amerikanischen Weinberg zugeführt. Seinem ökumenisch gerichteten Geiste genügte es jedoch nicht, in seinem Heimatlande für Amerika Teilnahme geweckt zu haben; er hätte gern die ganze lutherische Kirche, zunächst deutscher Zunge, zur Mitarbeit an dem amerikanischen Missionswerk beigezogen. Darum war er eifrig bemüht, zwischen den in den verschiedenen lutherischen Landeskirchen Deutschlands entstandenen Vereinigungen für Amerika Verbindungslinien herzustellen.
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 In der That vereinigte auch eine Zeit lang, wie schon gesagt, das amerikanische Missionswerk alle Lutheraner in deutschen Landen zu gemeinsamer Liebesarbeit. In Sachsen hatte sich um dieselbe Zeit, da in Franken und in Hannover das Werk der amerikanischen Mission begonnen wurde, ein Verein zur Unterstützung der lutherischen Kirche in Nordamerika gebildet, der gleichfalls ein, wenn auch kleines, Kontingent zu der Schar von Sendboten stellte, welche die Liebe Christi zu den verlassenen Glaubensgenossen in Amerika führte. Der bedeutendste unter den Dresdener Sendlingen war ein Kandidat der Philologie, Dr. Sihler, der von Löhe bald zu dem Vertrauensposten eines Direktors des neugegründeten Seminars in| Fort Wayne berufen, mit Verständnis und Hingebung in dessen Gedanken einging und bis zur erfolgten Trennung der Missourisynode von Löhe mit letzterem in lebendigem Zusammenhang blieb. Auch der später zu erwähnende Heidenmissionar Baierlein kam aus Dresden.
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 Enger als die Verbindung mit dem Dresdener Missionsverein, der eine mehr selbständige Stellung behauptete, war das Verhältnis zu den Freunden der amerikanischen Missionssache in Mecklenburg. Petri hatte auch dort zum Anschluß an die fränkischen Brüder geraten, und in der That kam zwischen dem sonst so in sich abgeschlossenen Mecklenburg am fernen Gestade der Ostsee und dem lutherischen Franken eine Verbindung zustande, welche sich bald in kräftiger Unterstützung des amerikanischen Missionswerks fruchtbar erwies. An der Spitze der Mecklenburger Freunde der amerikanischen Sache stand der edle Freiherr, Landrat Karl von Maltzan, den bald eine enge, bis zu seinem Tod gepflegte Freundschaft mit Löhe verband. Sein einflußreicher Name warb der amerikanischen Missionssache Freunde und Wohlthäter selbst in den höchsten Kreisen Mecklenburgs. Sofort nachdem die Verbindung mit Neuendettelsau zustande gekommen war, übernahmen die Freunde in Mecklenburg die Kosten für Ausstattung und Aussendung zweier Sendlinge Löhes: Crämers und Lochners, zu welchem Zweck von ihnen die Summe von 1104 Gulden aufgebracht wurde. Da Crämer der kleinen, später zu erwähnenden Kolonistengemeinde schon während der Seereise als Pastor vorstehen sollte, so war es nötig, für ihn die Ordination von seiten eines lutherischen Kirchenregimentes in Deutschland zu erwirken. Auf Verwendung des Landrats von Maltzan gab der Großherzog dem damaligen Superintendenten Kliefoth den Auftrag, dem Petenten ohne Bedenken die Ordination zu erteilen, die denn auch am 4. April 1845 im Dom zu Schwerin stattfand. Ein Glied des regierenden Fürstenhauses steuerte zur Ausstattung| der beiden genannten Sendlinge 100 Thaler in Gold bei. Auch in den folgenden Jahren trugen die Mecklenburger Freunde die Ausstattungskosten für mehrere von Löhe ausgesandte Nothelfer, so daß die Beziehungen zu Neuendettelsau, deren Träger allerdings vorzugsweise der Landrat von Maltzan blieb, sich immerzu mehrten. Die von ihm in Mecklenburg angeregte Teilnahme für Amerika trug auch noch späterhin ihre Früchte. So wurde z. B. im Jahr 1853 für das Concordia-College, die Lehranstalt der Missourisynode in St. Louis, durch eine vom Großherzog genehmigte Kirchenkollekte in Mecklenburg die ansehnliche Summe von 2337 fl. 30 kr. aufgebracht. – Franken, Hannover, Sachsen und Mecklenburg zur Teilnahme an einem Werk des Glaubens und der Liebe vereinigt zu sehen – in der That, das war ein Schauspiel, das den Liebhaber kirchlicher Einigkeit mit freudigem Hochgefühl erfüllen mußte. Oft hat es Löhe später mit einer Art von Wehmut gerühmt, wie zu jener Zeit in dem einträchtigen Zusammenwirken so vieler treuer Söhne der lutherischen Kirche in allen Gauen Deutschlands in lieblichster Weise die Gemeinschaft der Heiligen sich spürbar und greifbar vor Augen stellte.
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 Doch ist es Zeit, daß wir unsre Leser wieder nach Amerika versetzen. Die äußeren Verhältnisse der beiden ersten Sendlinge Löhes hatten sich bald geändert. Zuerst verließ Ernst Columbus und übernahm eine Gemeinde in Union Co., der er in dankbarem Andenken an den Ort, der seine geistliche Heimat geworden war, den Namen Neuendettelsau gab. Die Erinnerung an das amtliche Walten Löhes, von dem er ein ganzes Jahr Augen- und Ohrenzeuge gewesen war, mußte bei ihm die Stelle einer Pastoraltheologie vertreten. Seine Schule in Columbus wurde von einem bayrischen Schulverweser, einem von Löhe getauften ehemaligen Israeliten, Paul Baumgart, übernommen. Auch Ernsts Freund, Burger, hatte noch im Jahre 1843 eine Gemeinde angenommen. Die schreienden| Notstände, denen es in Amerika abzuhelfen galt, hatten genötigt über Löhes ursprünglichen Plan, der lutherischen Kirche Amerikas durch Ausbildung von Schullehrern zu dienen, hinauszugehen. Löhe ergab sich in diese Änderung und Erweiterung seines ursprünglichen Plans. „Not hat kein Gebot“ – sagte er. „Es ist immer mißlich, wenn die Hebammen Nottaufen verrichten müssen, aber es ist doch besser, die Kinder werden von Hebammen getauft als gar nicht. So muß man auch die Anstellung von weniger ausgebildeten Predigern in Amerika ansehen. Sie sind Nothelfer, sollen und wollen nichts anderes sein, und ihre Aufgabe ist es, mit heiliger Selbstverleugnung dahin zu wirken, daß über ihren Gräbern bessere Zeiten der Kirche erblühen. – Wer sich übrigens einen rechten Begriff von der Möglichkeit einer Wirksamkeit solcher Prediger machen will, der denke nur an die Brüdergemeinde von Herrnhut und deren Sendboten. Wer waren denn die Leute, welche in und außer Europa die großen Erfolge der Herrnhuter Gemeinde anbahnten? Es waren Handwerker etc., die mit heiligem Eifer und in der Furcht des HErrn zum Werke griffen.[2] Warum sollten Leute, welche von gleicher Not und Liebe gedrungen, dazu mit reinerer Lehre ausgestattet, zu ihren Brüdern übers Meer gehen, nicht einen gleichen Segen Gottes finden können? Je länger wir dem Gedanken nachgingen, desto mehr empfahl er sich uns.“ So entschloß man sich denn, die Herrnhuter Weise, natürlich in kirchlich ausgeprägter Gestalt, nachzuahmen und Nothelfer zu erziehen, welche durch ihre Bildung zur Einfalt angewiesen, nichtsdestoweniger ganz bestimmt wüßten, was sie sollten und wollten, und mit den Mitteln vertraut wären, welche zur Erreichung ihres Zweckes dienen| konnten. Diesem Ziel gemäß gestaltete sich auch der Unterricht, den Löhe zeitweilig mit, oft auch ohne Beihilfe anderer gab. Während er sich den Vormittag für die Geschäfte seines Amtes frei hielt, widmete er den Nachmittag dem Unterricht der Missionsschüler. Da lehrte er denn in einem Zug „stans pede in uno,“ von 1 Uhr bis 6 oder 7 Uhr abends – ein Zeugnis für die Leistungsfähigkeit und Ausdauer des Lehrers wie der Schüler. Alle Abende fand Vesper in seinem Hause statt, wobei immer einer der Schüler einen kurzen Vortrag hielt. Auch durften sie unter seiner Aufsicht katechisieren, ihn bei Krankenbesuchen begleiten etc. Löhes Unterricht, der Eindruck seiner Persönlichkeit, die unmittelbare, lebendige Anschauung seines pastoralen Waltens, die Teilnahme an dem reichen gottesdienstlichen Leben seiner Gemeinde – dies alles mußte in hohem Maße erziehend und fördernd auf junge Leute einwirken, die zwar keinerlei gelehrte Vorbildung, dafür aber gute natürliche Begabung, Willenskraft und nicht selten auch schon eine gewisse Reife christlicher Erfahrung mitbrachten. Indessen gingen doch nicht lauter unstudierte „Nothelfer“ nach Amerika. Vielmehr stellte sich auch bald eine Anzahl akademisch gebildeter Jünglinge in den Dienst des amerikanischen Werks. Kandidaten der Philosophie, Philologie und Theologie, namentlich aus Hannover, ließen sich für diese Missionsarbeit gewinnen. Gegen Ende des Jahres 1844 waren aus zwei Arbeitern bereits acht geworden.
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 Waren dies hoffnungsvolle Aussichten, so fehlte es doch auch nicht an Anzeichen betrübender Art, die sehr bald die Befürchtung wachriefen, daß die mit der Ohiosynode eingegangene Verbindung nicht von langer Dauer sein werde. In den beiden Professoren am Seminar zu Columbus, Schäffer und Winkler, begegneten sich zwei verschiedene Richtungen. Winkler war deutsch gesinnt und wollte, daß das Seminar deutsch und lutherisch sein solle; Schäffer hingegen war dem Englischen zugeneigt, dem Deutschen schon ziemlich| entfremdet, und seine Überzeugung war auch nicht allewege dem Bekenntnis der lutherischen Kirche ähnlich. Winkler hatte den Buchstaben der Synodalkonstitution, Schäffer den Einfluß der herrschenden Strömung für sich. Dieselben Gegensätze fanden sich auch in den Gemeinden. Letztere waren aus mancherlei protestantischen Parteien zusammengesetzt, ihre Kirchen hießen reformiert-lutherische (!), die Pfarrer waren verpflichtet, nichts gegen die Unterscheidungslehren oder geradezu die Unterscheidungslehren der verschiedenen Parteien zugleich zu lehren, sie mußten beim heiligen Abendmahle Formen wählen, mit denen sie sich vor allen Parteien rechtfertigen konnten. An eine Bemühung, die Deutschen bei deutscher Sprache und Sitte zu erhalten, war ohnehin kaum zu denken.

 So dämmerte denn schon im Jahre 1843 die Überzeugung, daß Gottes Absicht, in welcher er Löhes erste Sendlinge nach Columbus geführt hatte, nicht die war, ihnen dort einen bleibenden Wirkungskreis anzuweisen, sondern nur, ihnen dort im lebendigen Widerstreit der kirchlichen und sprachlichen Gegensätze Gelegenheit zu verschaffen, das recht klar kennen zu lernen, was der lutherischen Kirche in Nordamerika not that. In Ohio, der damaligen Grenze des Ostens und Westens von Nordamerika, war man auf eine Warte gestellt, wo man das Gebiet des sektiererisch versetzten englischen Luthertums im Rücken, vor sich aber die unabsehbaren Strecken des Westens und seines unbebauten Landes voll neuer Ansiedler hatte, unter denen es eher gelingen mochte, deutsch-lutherische Gemeinden zu gründen. Das letztere wollten Löhe und seine Freunde. Es lag ihnen mehr an dem lutherischen Elemente als an dem deutschen; sie sahen aber, daß in Nordamerika beide sehr ineinander griffen, und daß man nur zum Schaden der ganzen Sache von der Pflege deutsch-nationalen Wesens absehen konnte.

 Eine Weile freilich schien es, als ob die konfessionelle Richtung,| gestärkt durch Löhes Sendlinge, in der Ohiosynode die Oberhand gewinnen würde. Auf der Synode von Zanesville 1844 errang die deutsch-lutherische Sache einen vorübergehenden Sieg. Allein schon die nächste Synodalversammlung in Lancaster vom Jahr 1845 stieß die in Zanesville gefaßten Beschlüsse wieder um. Die englisch gesinnte Mehrheit entschied – unter Verletzung der Seminarskonstitution – daß im Seminar zu Columbus neben der deutschen Sprache die englische als Unterrichtssprache dienen sollte, ein Beschluß, der nach Lage der Dinge nur der erste Schritt zur völligen Anglisierung des Seminars sein konnte. Schlimmer noch war es, daß dieselbe Mehrheit einer Bittschrift der konfessionell gesinnten Minderheit um Abschaffung verschiedener unlutherischer Mißbräuche (Gebrauch der unierten Spendeformel beim heiligen Abendmahl, Bedienung reformiert-lutherischer Gemeinden etc.) in keinem Punkte Berücksichtigung zu teil werden ließ.

 Unter diesen Umständen war für Löhes Sendlinge nicht mehr länger ihres Bleibens in der Ohiosynode. Sie erklärten im September 1845 ihren Austritt aus derselben. Aus ähnlichen Gründen sagten sich im folgenden Jahre die der Michigansynode beigetretenen Sendlinge Löhes von derselben los.

 So war eine Verbindung gelöst, welche beiderseits unter schönen Hoffnungen geschlossen war. Doch schied sich freilich nur, was innerlich nicht zusammengehörte und was sich von Anfang an nicht vereinigt haben würde, wenn man sich beiderseits richtig erkannt hätte.[3] Daß die Trennung dennoch nicht ohne Schmerz vor sich| ging, war begreiflich, ebenso daß man das Bedürfnis nach einem neuen Anschluß an wirklich gleichgesinnte Brüder fühlte, den auch Löhe für seine Sendlinge wünschte. Der Blick lenkte sich bald auf jenen kleinen Kreis sächsischer Geistlichen und Gemeinden, welche seiner Zeit von dem berüchtigten M. Stephan nach Amerika geführt, schrecklich getäuscht, aber auch durch Gottes Führung gnädig enttäuscht und durch das Feuer einer heißen Prüfung geläutert worden waren. Bereits im Jahre 1844 hatte ein Sendling Löhes, Hattstädt, den Auftrag erhalten, die Ansiedlungen der Sachsen in Missouri, namentlich den P. Walther in St. Louis zu besuchen, um, wo möglich, mit den sächsischen Brüdern eine Einigung anzubahnen. P. Ernst hatte gleichfalls schon länger auf diesen Plan hingearbeitet und in seinen Briefen an Löhe den Anschluß an die Sachsen empfohlen.
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 Da Hattstädt verhindert war, den ihm gewordnen Auftrag auszurichten, so leitete P. Ernst nach seiner Trennung von der Ohiosynode zunächst eine briefliche Verbindung mit den Brüdern in| Missouri ein. P. Walther antwortete folgendermaßen: „Wer auf das Konkordienbuch sich von Herzen gern hat verpflichten lassen, kann unmöglich aus menschlicher Hoffnung auf Segen mit denen an einem Joch ziehen, die auf gewisse deutlich geoffenbarte Lehren kein Gewicht legen zu dürfen meinen. Soll eine lutherische Synode den Keim der Auflösung nicht in sich aufnehmen, so muß auch solche feine Synkretisterei durch ihre Grundregeln ihren Gliedern unmöglich gemacht werden. Was hilft alles Bekennen mit Worten, wenn diesen die That widerspricht? Nein, wir wollen Fleisch nicht für unsern Arm halten. Wir wollen treu die Wahrheit bekennen, dem Reiche Gottes nicht dadurch aufzuhelfen suchen, daß wir von Gottes Instruktion abgehen; wir können die Seelen nicht erlösen, noch die Kirche erhalten: das ist Gottes Sache, Ihm sei und bleibe sie allein befohlen. An uns Haushaltern wird nichts gesucht, als daß wir treu erfunden werden.... Lassen Sie uns auch ferner nicht mißtrauisch gegen unsern Gott werden, wenn Er auch zu Zeiten, da wir doch so wenige sind, uns noch sagen läßt: „Des Volks ist zuviel, das mit euch ist.“ Genug, daß wir die Posaune des Evangeliums in unsern Händen und die Fackel des Glaubens in den leeren Krügen unsrer Herzen haben.“
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 Nachdem auf diese Weise mit den sächsischen Lutheranern in Missouri Fühlung gewonnen war, traten im Mai des Jahres 1846 die Pastoren Dr. Sihler, Ernst und Lochner die Reise nach St. Louis an. Sie empfingen von P. Walther und dem kirchlichen Gemeindeleben in St. Louis den vorteilhaftesten Eindruck. „Ein Mann, durch eine heiße Schule nach innen und außen gegangen, durch andächtiges und fleißiges Forschen in der heiligen Schrift, in den Schriften Luthers und der folgenden edlen Lehrer unsrer Kirche aus den Banden des Stephanismus nach allen Seiten vollkommen befreit, auf den gesunden kirchlichen Standpunkt gelangt, mit vorzüglicher Schärfe des Verstandes und praktischem Blick, sowie mit| der Gabe der Leitung der Gemeinde trefflich begabt, durchaus lauter, aufrichtig und einfältig in seiner gesamten Herzensgesinnung, selbstverleugnend und aufopfernd, wo es die Ehre des HErrn und das Heil der Kirche gilt, fest und klar im Bekenntnisse und dessen praktischen Konsequenzen, kühn und scharf wider mutwillige Fälscher der Wahrheit, geduldig und langmütig wider Unwissende und Irrende.“ – Dies ist das Charakterbild, welches Dr. Sihler von P. Walther unter dem Eindruck der ersten Begegnung mit ihm zeichnete. Auch die lutherische Gemeinde von St. Louis, ihr kirchliches Leben, ihre Opferwilligkeit erschien ihm im günstigsten Licht. Der nächste Zweck der Zusammenkunft der Sendlinge Löhes mit den sächsischen Pastoren war die gemeinsame Beratung und Ausarbeitung von Vorlagen zu einer Synodalverfassung, auf Grund deren die synodale Vereinigung beider Teile erfolgen sollte. Dieser Entwurf wurde auf einer bald darauf erfolgenden Konferenz in Fort Wayne, bei welcher bereits einige 20 Sendlinge Löhes vereinigt waren und zu welcher auch die sächsischen Pastoren Walther und Löber sich eingefunden hatten, einer neuen Beratung unterzogen und mit etlichen Abänderungen angenommen. Die Konstitution, im wesentlichen Walthers Werk, trägt bereits unverkennbar die Grundzüge der „missourischen“ Anschauung von Kirche, Amt und Kirchenregiment an sich, wie es denn überhaupt überraschend ist, Walthers kirchlich-theologischen Standpunkt so bald nach seiner Heilung von den Stephanistischen Irrtümern bereits fertig und abgeschlossen zu finden.
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 Löhe hatte – neben einigen untergeordneten Ausstellungen – gegen die neue Synodalverfassung ein doppeltes Bedenken. Er vermißte in den Bestimmungen über die Synodalleitung das episkopale Element, sodann erschien ihm auch die völlige Gleichordnung der Gemeindedeputierten mit den Pastoren bedenklich. Er fand diese Verfassungsbestimmungen „demokratisierend“ und „amerikanisierend“.| Nicht als ob er sich gegen die synodale Verfassung der Kirche an und für sich ablehnend verhalten hätte, aber er wünschte dem Synodalpräses als dem primus inter pares eine bedeutendere und einflußreichere Stellung, die eine väterliche Aufsicht und Leitung des Ganzen ermöglichte. Und anstatt einer Laienvertretung gegenüber dem Amte wünschte er eine Wiedererweckung des Diakonats nach Akt. 6. Allein die sächsischen Pastoren in Missouri, bei welchen die Erinnerung an die erst kürzlich überwundene päpstische Tyrannei eines Stephan noch zu frisch war, traten solchen Gedanken mit einem leicht erklärlichen Mißtrauen entgegen.
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 „Ich muß gestehen, – schrieb P. Walther an Dr. Sihler – daß ich vor einer eigentlichen Repräsentativverfassung einen gewissen horror habe. In der heiligen Schrift kann ich sie nicht finden. Nun ist’s wohl wahr, daß wir Christen in der Verfassung Freiheit haben; aber ich kann mich kaum von der Meinung trennen: je freier die Kirchenregierung in einem Freistaat wie der unsrige ist, desto wirksamer wird sie sein; vorausgesetzt, daß das Wort in aller seiner Kraft in den Gemeinden gepredigt wird, während alles Zwingende, das nicht unmittelbar aus dem Worte fließt, leicht Renitenz hervorruft und den Grund zu häufigen Separationen legt. Ich habe bisher die Synodalverbindung nicht als eine Konzentrierung der Kirchengewalt betrachtet; ich meinte, sie sollte nur die kirchliche Einigung der Specialgemeinden darstellen, deren Gaben und Kräfte vereinigen zum Kampfe wider eindringendes Verderben in Lehre und Leben, zur Ausführung der das allgemeine Wohl der Kirche betreffenden Werke, zur Erhaltung und Förderung der Einigkeit im Glauben und in der Liebe, zur Erstrebung einer größtmöglichen Gleichförmigkeit in der Liturgie auf dem Wege der Anempfehlung, zur Ermöglichung einer geordneten Bestellung des Ministeriums, zur Konstituierung eines Schiedsgerichts für Prediger und Gemeinden, zu welchem man einen Rekurs nehmen könnte| oder auch nicht u. dergl. Ich meinte, daß alle Sachen, die zur inneren Verwaltung der einzelnen Gemeinde gehören, der verordnenden und richterlichen Gewalt der Synode nicht unterworfen sein sollten.“

 Diesen Anschauungen gegenüber vertraten die Neuendettelsauer Sendlinge, namentlich Dr. Sihler, im Anfang die Löheschen Verfassungsideen nicht ohne Verständnis. Aus Stellen wie Akt. 15, 36; 1 Tim. 1, 3; 5, 20 etc. suchten sie die Schriftmäßigkeit und Ersprießlichkeit eines kirchlichen Aufsichtsamtes darzuthun.

 Indes der ihnen imponierenden theologischen Überlegenheit Walthers gegenüber ließen sie die Vertretung dieser Gedanken nur zu bald fallen. Ihre Bedenken wegen der Gleichberechtigung der Gemeindedeputierten in der Synodalversammlung wußte Walther durch Hinweis auf Akt. 15, wonach man annehmen (!) müsse, daß auch die Gemeinde in der dem Apostelkonzil vorliegenden Frage mit beraten und beschlossen habe, zu beschwichtigen. Ihr Antrag, eine etwas größere Vollmacht in die Hände des Präses zu legen, wurde unter den in Amerika obwaltenden Verhältnissen als unausführbar bezeichnet und abgewiesen. Doch war der Wunsch nach einer synodalen Einigung auf beiden Seiten zu lebhaft, als daß man ihn so leichthin aufzugeben geneigt gewesen wäre.

 Die sächsischen Pastoren in Missouri, damals erst 12 an der Zahl, sahen in dem Beitritt von Löhes Sendlingen, deren Zahl die ihrige bereits um das Doppelte überstieg, und die zum Teil schon ansehnliche Gemeinden im Osten Amerikas bedienten, eine willkommene Verstärkung ihres eigenen kleinen Heerlagers und eine Erfolg verheißende Förderung der Sache der lutherischen Kirche in Amerika überhaupt. Als P. Walther Löhes Sendlinge, die Pastoren Ernst und Lochner, zum ersten Male in St. Louis predigen hörte, vergoß er Thränen vor Freude, in ihnen Glaubensbrüder und Bundesgenossen gefunden zu haben. Andernteils fühlten Löhes| Sendlinge das lebhafte Bedürfnis einer Anlehnung an die in wissenschaftlicher und praktischer Hinsicht tüchtiger geschulten sächsischen Pastoren, durch welche sie – wie einer sich ausdrückte – von der eigenen theologischen Unzulänglichkeit befreit zu werden hofften. Sie hatten nur das Bedenken, ob sie ohne innere Untreue die Vertretung der Löheschen Gedanken über Kirchenverfassung fallen lassen könnten, und wandten sich deshalb an Löhe um Rat und Weisung. Löhe besaß Geistesfreiheit genug, sie unter den obwaltenden Umständen von einer solchen Pflicht zu entbinden. „Die Bedenken der sächsischen Brüder zu heben – schrieb er am 12. Oktober 1846 an Dr. Sihler –, bedürfte mein Gedanke einer Vertretung, welche gegenwärtig jenseits unmöglich ist. Ich schätze aber die Einigkeit viel höher als die Ausführung meiner liebsten Gedanken in dieser Sache. Es ist mein vollster Ernst, daß die Einigkeit auf Grund – nicht aller Worte Luthers (denn die Kirche ist ihm nicht in allem und jedem gefolgt) –, aber auf Grund der Concordia von 1580 die Hauptsache sei. Deswegen entbinde ich auch alle meine Freunde, welche gegen die neue Synodalverfassung einige Bedenken haben, hiermit einer jeden wahren oder geglaubten Verbindlichkeit, etwas anderes geltend zu machen, als in der Konferenz von Fort Wayne angenommen wurde. Sie können meines Ermessens mit voller Seelenruhe der Synode beitreten, und, wäre ich drüben, ich würde auch beitreten.“
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 Allerdings verwahrte sich Löhe gleichzeitig gegen die Mißdeutung, als habe er seine eigene Überzeugung in der Sache geändert. „Indem ich aber das sage – fuhr er fort –, habe ich kein Wort von dem zurückgezogen, was ich meine Schüler gelehrt. Ich wünschte es nur aus allem Streit entnommen und der stillen Überlegung und dem Studium der betreffenden Schriftstellen anheim gegeben. Möge bei den praktischen Erfahrungen, die Sie alle machen, das, was die Schrift und die erste Zeit über Verfassung| lehrt, Ihr Augenpunkt sein und Gott verleihen, daß, was seine Kirche ziert und nach außen ihr Form und Gestaltung giebt, auch von Ihnen allen mehr und mehr trotz widerstrebender Verhältnisse erkannt werde, und Sie je länger je mehr den Mut und die einfachen Mittel finden mögen, das Bessere herbeizuführen.“

 Auf die einzelnen missourischen Argumente und Einwendungen eingehend bemerkt Löhe sodann, daß die Berufung auf Akt. 15 irrig sei. „Wo steht dort von Deputierten? Die Gemeinde nimmt freien Anteil (an den Verhandlungen), was ihr natürlich zugestanden bleibt, aber von Vertretern der Gemeinden gegenüber den natürlichen und von Gott selbst bestellten Vertretern, den Hirten, ist Akt. 15 keine Rede. Das ist aber der casus, von dem sich’s bei Ihnen handelt. In Jerusalem beschließt das Presbyterium im Namen der freiwillig Anwesenden und Abwesenden etc.“ Auf die gegen seinen Wunsch einer mehr episkopalen Gestaltung des synodalen Regiments erhobenen Bedenken erwidert Löhe: „Mit dem Bischof fängt die Sache nicht an. Aber es muß doch visitiert, ordiniert etc. werden, und insofern muß, wenn irgend eine Ordnung sein soll, einem Geistlichen, er heiße nun Bischof, oder Inspektor, oder Superintendent etc., oder für verschiedene Bezirke mehreren Geistlichen, eine gewisse Pflicht, also auch ein Recht, aufgetragen werden. Dazu braucht’s aber wieder die Gemeinden nicht. Es ist das meiste erreicht, wenn der Pastor sich visitieren läßt und gehorcht. Auf der Gemeinden herzukommen kann man ruhig warten.“

 Zuletzt schließt Löhe aber doch mit den Worten: „Die Einigkeit ist mir der schönste Punkt in der ganzen Entwicklung der Sache; ehe diese aufgegeben würde, dürfte alles andre weichen.“

 Wirklich kam auch auf Grund jener in Fort Wayne entworfenen Vorlage die synodale Vereinigung der sächsischen Pastoren und der Sendlinge Löhes zustande. Im April 1847 hielt „die| deutsche evangelisch-lutherische Synode von Missouri, Ohio und andern Staaten“ ihre erste Synodalversammlung in Chicago. Eine für beide Teile wichtige und folgenreiche Verbindung war damit geschlossen worden. Hatten die Sachsen den Vorzug einer größeren Vertrautheit mit den amerikanischen Verhältnissen, einer schweren, aber heilsam läuternden Schule der Erfahrung und einer gründlicheren theologischen Durchbildung voraus, so waren sie doch in dem neu entstandenen Verhältnis keineswegs bloß der gebende Teil. Eine ganz objektive Betrachtung der geschichtlichen Thatsachen lehrt, daß erst von dieser Vereinigung an der Aufschwung und die gewaltige Expansionskraft der jetzigen Synode von Missouri datiert. Durch den Anschluß der Sendlinge Löhes wurden die sächsischen Pastoren und Gemeinden aus ihrer numerischen Unbedeutendheit, sowie aus ihrer Isoliertheit im Westen Nordamerikas herausgehoben und ihnen die Gelegenheit gegeben, auch in den gerade damals sich stark besiedelnden östlichen Staaten festen Fuß zu fassen; erst durch diesen Anschluß wurde unter Löhes Vermittlung wieder eine engere Fühlung zwischen ihnen und der heimatlichen Mutterkirche hergestellt und die Teilnahme der lutherischen Kreise Deutschlands für sie erweckt; ganz abgesehen von den bedeutenden materiellen Mitteln, welche Löhes Name und eifrige Fürsprache für sie warb. Beträchtliche Unterstützungen an Geld und an wertvollen theologischen Büchern flossen jahrelang durch seine Vermittlung den Brüdern in Amerika zu. Ein neu gegründetes praktisch-theologisches Seminar in Fort Wayne, sowie die Missionsstationen Frankenmut und Bethanien, von welchen später noch mehr die Rede sein wird, wurden nach kurzer Zeit der Synode von Missouri als Eigentum überlassen und auf diese Weise der Kreis ihrer Thätigkeit, sowie ihr synodaler Besitzstand erweitert. Nicht geringer war, was der Missourisynode durch Löhe oder durch seine Vermittlung zugesandt wurde. Kurz Löhe hatte nicht unrecht, später einmal zu sagen, er dürfe seine| und seiner Mitgenossen Arbeit zu dem jetzigen Stande der Missourisynode immerhin in ein ähnliches Verhältnis bringen, wie das des Säemanns zur Ernte und dürfe darum auch an dem mächtigen Gelingen und Gedeihen der Missourisynode sich freuen, wie man sich freuet in der Ernte.“
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 Schon bevor indes die Vereinigung mit den Sachsen zustande gekommen war, bald nach Lösung des Verhältnisses zur Ohiosynode, war in der amerikanischen Missionssache ein nicht unbedeutender Schritt vorwärts gethan worden in der Gründung des oben bereits erwähnten Seminars von Fort Wayne. Die Errichtung einer solchen Anstalt war, nachdem das Seminar von Columbus für die konfessionell-lutherische Richtung verloren gegangen, ein unbestreitbares Bedürfnis. Die Anregung zu diesem Plan ging von Dr. Sihler, Pastor in Fort Wayne, aus. Löhe hatte in einem Kreis von Freunden den Wunsch ausgesprochen, daß für Amerika „eine großartigere Hilfe“ als bisher eingeleitet werde. Man faßte darauf den kühnen Beschluß, zu diesem Zweck ein Kapital von 50000 fl. aufzubringen, Dr. Sihler, aufgefordert Vorschläge über die zweckmäßigste Art der Hilfeleistung zu machen, riet vor allem zur Gründung eines deutsch-lutherischen Seminars in Fort Wayne. Löhe ging mit Freuden auf diesen Gedanken ein und stellte als Angeld weiterer Unterstützungen sofort eine Summe von 5000 fl. in Aussicht, wiewohl er im Augenblick nur etwa 700 fl. in Kassa hatte. Die Schüler, welche er selbst und Pfarrer Brock in Auernheim, Löhes frühester Mitarbeiter bei der Ausbildung von Nothelfern, bereits eine Zeit lang für Amerika vorbereitet hatte, sollten – 11 an der Zahl – sofort dem neuen Seminar zugewiesen werden, damit dasselbe gleich von vornherein in einer für Amerika achtunggebietenden Weise auftreten und die Früchte seiner Thätigkeit bald den Gemeinden zu genießen geben könnte. Das neue Seminar sollte zunächst nur für Ausbildung von „Nothelfern“ sorgen, da das| Bedürfnis nach geistlichen Arbeitskräften eine raschere Befriedigung erheischte, als dies bei der Forderung eines gelehrten Studiengangs für die Zöglinge möglich gewesen wäre. Den Gehalt für einen oder zwei Lehrer versprach Löhe auf seine Missionskasse zu übernehmen, auch stellte er in Aussicht, durch Sammlung unter Freunden und Bekannten dem Seminar zu einer Bibliothek helfen zu wollen. Da sich um eben diese Zeit auch etliche wohlbegabte Kandidaten der Theologie aus Hannover in den Dienst des amerikanischen Missionswerkes stellten, so war auch bereits die Frage nach Beschaffung der nötigen Lehrkräfte gelöst, Dr. Sihler erklärte sich bereit, die Direktion des Seminars sowie einen Teil des Unterrichts an demselben unentgeltlich zu übernehmen, und der treffliche Kandidat Wolter wurde sein Gehilfe. So wurde denn Ende Oktober 1846 das Seminar in Fort Wayne mit 11 Schülern zunächst in einer Mietswohnung eröffnet.

 Die neue Pflanzschule gedieh sichtlich; bereits nach zwei Jahren konnten 14 fertig ausgebildete Schüler von ihr entlassen werden. Auch die äußeren Verhältnisse gestalteten sich günstig. Es gelang Dr. Sihler, in nächster Nähe der Stadt ein sehr schönes 15 Acres großes Grundstück, auf dem sich ein massiv gebautes steinernes Haus mit verschiedenen landwirtschaftlichen Nebengebäuden befand, und zu dem ein wertvoller Obstgarten, ein hübsch angelegter Gemüse- und Blumengarten, außerdem gutes Acker- und Weideland, von einem munteren Bächlein durchrieselt und mit schattigen Baumgruppen bestanden, gehörte, um den Preis von 2500 Dollars zu kaufen. Andere Landerwerbungen hatten schon früher stattgefunden.

 Zu der Zeit, in welcher diese Besitzerwerbung vor sich ging, war das Seminar indes schon der Missourisynode auf deren Bitte zum Eigentum übergeben worden. Löhe knüpfte die Cession des Seminars nur an die Bedingung, daß es für immer der lutherischen| Kirche durch Erziehung von Predigern und Hirten diene, daß die deutsche Sprache das alleinige Lehrmittel in demselben bleibe und daß es seiner ursprünglichen Bestimmung: eine praktische Pflanzschule von Predigern und Seelsorgern zu sein, treu erhalten und nicht in eine gelehrt-theologische Anstalt umgewandelt werde.

 Bezeichnend, weil bereits den Keim der späteren Differenzen ahnen lassend, ist der Schluß der Cessionsurkunde. „Wir haben – schreibt Löhe – mit herzlichem Bedauern bemerkt, daß sich Ihre Synodalkonstitution so, wie sie nun feststeht, dem Vorbild der ersten Gemeinden nicht völlig anschließen konnte, und wir fürchten gewiß mit vollem Rechte, daß die grundsätzliche starke Einmischung demokratischer, independentischer, kongregationaler Principien in Ihre Kirchenverfassung größeren Schaden anrichten wird, als ihn die Einmischung der Fürsten und Obrigkeiten unsrer heimatlichen Kirche gebracht hat. genaue Kenntnisnahme der vielen Belehrungen der heiligen Apostel über den Organismus der Kirche und der Seelsorge im großen hätte die teueren Brüder aus den Laien ein Besseres lehren können. Verfassung ist ein dogmatisches, aber kein praktisches Adiaphoron. Möge, was das Neue Testament über Verfassung, Organismus und Seelsorge der Gemeinden im ganzen und großen lehrt, ein rechtes Augenmerk des neuen Seminars sein.... Will man eine größere zusammenhangende Kirche sammeln, die eine Freistatt gejagter Seelen sei, so muß man dafür sorgen, daß sie eine heilige Form und Gestalt habe, an welcher sie erkannt und gefaßt werden kann.“

 Die hier sich bereits ankündigenden Differenzen führten leider bald genug zu einer Spannung und endlich zu einer Lösung des Verhältnisses zwischen Löhe und dem Seminar zu Fort Wayne. Die geflissentliche Betonung ihrer eigenen Überzeugungen in den streitigen Lehren, wozu sich die Missourisynode durch ihren Gegensatz gegen Grabau veranlaßt sah, machte sich auch in dem theologischen| Unterricht im Seminar fühlbar. In den einheimischen Zöglingen des Seminars und den aus der inzwischen ins Leben getretenen Vorbereitungsanstalt in Nürnberg demselben zugesandten Schülern stießen die beiden Richtungen aufeinander, was zu mancherlei Reibungen und Unzuträglichkeiten führte. Und wenn, was ja leicht begreiflich der häufigere Fall war, die deutschen Sendlinge rasch nach ihrer Ankunft in Amerika der im Seminar herrschenden Richtung der Synode zufielen, so konnte es nicht fehlen, daß sie in eine peinliche Stellung zu ihren alten Lehrern in Deutschland gerieten, ja manchmal in dem Eifer von Neubekehrten der schuldigen Pietät gegen dieselben vergaßen, so daß Löhe in einem Brief vom 22. Februar 1851 sich bei Sihler über unehrerbietige briefliche Äußerungen ehemaliger Schüler der Nürnberger Anstalt gegen ihre dortigen Lehrer beschwerte, ja bereits den Plan bewegte, bis zum Austrag des Streits die Absendung weiterer Schüler nach Fort Wayne zu sistieren. Sihler, der in seiner Stellung als Vorstand des Seminars in Fort Wayne von dem drohenden Konflikt am unmittelbarsten berührt werden mußte, ließ es sich ein großes Anliegen sein, den Riß zu verhüten. Allein bei aller Lauterkeit und Herzlichkeit der Gesinnung, die seine Briefe atmen, konnten seine Bemühungen nicht gelingen, da er selbst bereits völlig in der missourischen Doktrin gefangen war. Noch erhoffte er ein günstiges Resultat von der Besuchsreise der beiden missourischen Delegaten Walther und Wynecken in Deutschland und ihren mündlichen Verhandlungen mit Löhe. Allein auch diese Hoffnung ging leider nicht in Erfüllung. Doch davon werden wir später zu berichten haben.
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 Ebenso versparen wir uns auf einen späteren Ort die Mitteilungen über eine andere Anstalt, welche der Gründung des Seminars in Fort Wayne ihre Entstehung verdankte, nämlich die oben schon einmal gelegentlich erwähnte „Missionsvorbereitungsanstalt“| in Nürnberg, das Samenkorn, aus welchem die jetzt noch blühende Neuendettelsauer Missionsanstalt erwachsen ist.

 Zunächst liegt es uns ob, über zwei andere Unternehmungen, durch welche der ursprüngliche Plan des amerikanischen Missionswerks erweitert wurde, zu berichten, nämlich über die Missionsthätigkeit unter den Indianern und über die Kolonisation in Michigan.





  1. Wyneken berechnete die Zahl der damals (1842) in Amerika zerstreut lebenden lutherischen Christen auf etwa 11/2 Millionen, zu deren geistlicher Bedienung nicht mehr als etwa 350 Prediger vorhanden waren.
  2. „Persönlichkeit – schrieb Löhe an Petri – ist mehr als Gelehrsamkeit. Vor meiner Ausgabe des Raymundus de Sabunde (oculus fidei) ist eine Eule, eine Taube und ein Adler abgebildet. So sehr ich den Adler der Taube vorziehe, so sehr diese der Eule.“
  3. Allerdings fanden manche Freunde des amerikanischen Werks in Deutschland diese Trennung der Sendlinge Löhes von der Ohiosqnode übereilt und sein Dringen auf Pflege und Erhaltung nationaldeutschen Wesens in Amerika unnötig. – Löhe rechtfertigte sein und seiner Sendlinge Verhalten. „Deutsche Seminarien – sagte er – sind durchaus notwendig, wenn bei fortschreitender Anglisierung der Deutschen dereinst eine lutherische Kirche in englischer Zunge [25] bekennen soll. Von ihnen aus muß eine englisch-lutherische Literatur erblühen. Dann können sie, wenns sein soll, der Kirche wegen schlafen gehen. Noch aber giebt es (anno 1846) keine englisch geschriebenen Bücher unsrer Kirche, nicht einmal eine englische Übersetzung der symbolischen Bücher.“ Über Recht und Pflicht der Trennung von der Ohiosynode äußerte er: „Die Verhandlungen der Synode beweisen, daß der Wille nicht da ist, den Lehren unsrer Kirche sich völlig anzuschließen. Wir haben unsre Leute nicht hinübergeschickt, um in einem Lande voll werdender Verhältnisse sich mit einer unreinen Synode zu schleppen. Wo jedermann baut und pflanzt, wo man ungehindert Neues und Besseres bauen kann, da wäre es meines Erachtens Sünde, wenn man beim Alten, das man beim Anschluß nicht so gekannt, aus verkehrter Rücksicht festhalten wollte. Man muß auch nicht vergessen, daß unsre Brüder durch ihr Verbleiben in der Ohiosynode auch den edelsten Kindern unsrer Kirche in Nordamerika, den ehemaligen Stephanisten in Missouri etc. Ärgernis gegeben hätten, denen man jedenfalls die erste Rücksicht schuldig war, weil Wahrheit und Liebe die innigste Verschmelzung mit ihnen erheischt.“


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