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Wilde als Spurensucher

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Walther Kabel
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Titel: Wilde als Spurensucher
Untertitel:
aus: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1916, Siebenter Band, Seite 218–220
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1916
Verlag: Union Deutsche Verlagsgesellschaft
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Erscheinungsort: Stuttgart, Berlin, Leipzig
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung:
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[218] Wilde als Spurensucher werden im Dienste der australischen Polizei schon seit Jahren mit bestem Erfolge beschäftigt, [219] wie Polizeirat Dr. Heindl berichtet, der zum Studium der Einrichtungen fremder Polizeibehörden längere Reisen unternommen hat. „Im australischen Busch,“ erzählt Heindl, „habe ich Gelegenheit gehabt, die unglaubliche Sinnesschärfe der Eingeborenen zu bewundern und nachzuprüfen. In Australien wird ihnen dieselbe Aufgabe zugewiesen, die man in Deutschland den Polizeihunden überträgt. Die mit allen Eigentümlichkeiten des Landes außerordentlich vertrauten Burschen, denen die Natur selten feine Sinnesorgane mitgegeben hat, werden hauptsächlich zum Aufspüren von gestohlenem und vermißtem Vieh, dann aber auch bei schweren Verbrechen zum Absuchen des Tatortes nach Spuren des Täters verwendet. Hat ein Buschmann einmal die Fährte eines Verbrechers ermittelt, so gibt er sie nicht so bald wieder auf. Ich kenne Fälle, in denen die Black Tracker (schwarze Spurensucher) der australischen Polizeiwache wochen-, ja sogar monatelang die Spur des flüchtigen Verbrechers verfolgten und sich dabei langsam, aber unfehlbar ihrem Opfer näherten. Von einem Black Tracker ist mir erinnerlich, daß er eine Fährte vom nördlichsten Queensland bis nach Sydney verfolgte. Der von ihm gesuchte Verbrecher, dessen Bild alle Zeitungen brachten, mußte die Farmen und jede Begegnung mit Menschen vermeiden. Der Black Tracker konnte daher nicht durch Befragen seinen Weg ermitteln, sondern war ausschließlich auf seine Augen angewiesen. Trotzdem konnte er nach einigen Monaten den Flüchtigen stellen.

Um selbst ein Bild von der Arbeit der Black Tracker zu gewinnen, ließ ich mir von der Landespolizeibehörde ein Empfehlungsschreiben geben, auf Grund dessen jede beliebige Polizeistation mir einen Fährtensucher zur Verfügung stellen mußte. Darauf begab ich mich ins nördliche Queensland, wo die besten Tracker zu finden sein sollten. Ich ritt, ohne daß die dortige Polizei vom Zweck meiner Anwesenheit etwas wissen konnte, allein und unbeobachtet eine weite Strecke durch den Busch, wobei ich alles tat, um meine Fährte zu verwischen. Auf felsigem Boden umwickelte ich die Hufe meines Pferdes mit Decken, [220] schraubte ihm nachher andere Eisen unter und vermied alle Stellen, wo die Spur sich deutlich ausprägen mußte – kurz, ich handelte ganz so wie ein flüchtiger Verbrecher, um die Verfolger irrezuführen. Schließlich ließ ich mein Pferd nach einem Nachtlager im Busch auf einer felsigen Anhöhe zurück und ging, alle List anwendend, zu Fuß weiter. In großem Bogen näherte ich mich von rückwärts her wieder dem Standort meines Pferdes und brach sodann nach der Polizeistation des Distriktes auf. Hier meldete ich mich aber erst am folgenden Tage, überreichte mein Empfehlungsschreiben und bat mir den dortigen Black Tracker aus. Der Schwarze sollte meine jetzt zwei Tage alte Spur bis zum Ausgangspunkt zurückverfolgen.

Als er verstanden hatte, was von ihm verlangt wurde, besah er sich zunächst sehr eingehend meinen Gaul und mein Schuhzeug und begann dann seine Arbeit, die ich ihm ja absichtlich recht schwer gemacht hatte. Er fand aber trotzdem fast Schritt für Schritt die Strecke, die ich zu Fuß und zu Pferde zurückgelegt hatte. Nur ein paarmal wich er von dem Wege ab, den ich nach meinen genauen Aufzeichnungen gegangen sein mußte. In diesen Fällen entdeckte er aber stets nach wenigen Metern wieder die von mir eingeschlagene Richtung. Ich selbst würde, hätte ich mir den Weg nicht durch sorgfältige Notizen gemerkt, meine Fährte unfehlbar verloren haben. An manchen Stellen gab mir der Schwarze auch freiwillig genau an, welche Kniffe ich zur Erschwerung seiner Arbeit angewendet hatte. Jedenfalls löste er seine Aufgabe, bei der der beste Polizeihund versagt hätte, in jeder Beziehung tadellos.“
W. K.