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Wikisource:Musik-Werkstatt/AMZ 1882 (SWQPAAAAYAAJ) Teil 2

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Die Allgemeine HnuftiUeche ZMtnng

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biodJ äugen in beziehen.

Allgemeine

Pro»: JuhrHoh 18 Ift. n«rUUIklUeM

I'rinum. 4 Hk. 50Pf. Anzoigen : die fe«pll- t«nu Petitieile oder deren Baum 30 PC

Briefe und Gelder werden frinco erbeten.

Musikalische Zeitung.

Verantwortlicher Rédacteur: Friedrich Chrysander.

Leipzig, 2. August 1882.

Nr. 31.

XVII. Jahrgang.

Inhalt: Sourindro Mohun Tagore, ein indischer Dichter-Componist. (Schluss.) — Theobald H .hm. Ein merkwürdiges Künstlerleben. (Forlsetzung.) — Deutsche Opcrngesellschaften in London t88ï. — Anzeiger.

Sourindro Mohun Tagore,

ein indischer Dichter-Componist.

Von Felix Vogt.

(Schluss.)

Kür jedes Tonstück wird nun ein Haga oder eine Rägini festgestellt, was wir etwa mit Melodiegattung übersetzen können. Der Unterschied zwischen RAga und Ragini ist kein grundsätzlicher. Tagore nimmt sechs Ragas, d. h. Hauplinelodiegalliingen an, Andere mehr theils mit anderen Namen.

In unserem Stücke herrscht die Ragini Sohini, deren Wesen in folgenden Eigenthümlichkeilen besteht: I) Die benutzte Tonleiter ist khadava, d. h. unvollständig, es fehlt ihr der Ton pa (g), î) der Ton ri ¡d) trägt das Zeichen A, ist also um zwei cTiiti. d. h. einen Halbton vertieft, 3) von den benutzten Tönen kommt am häufigsten ma (/") vor, er heisst Vadi, d. h. der Anzeiger, 4) am zweilhäufigsten sa (ci , er heisst Samvadi, wobei zu bemerken, dass fast regelmässig der Samvadi eines Rugas oder einer Ragini die Quinte des Vadi ist , 5) die übrigen Töne der Scala heissen dann Anuvadi und der ausgeschlossene pa (g) vivädi (d. h. widersprechend). 6) die Ràgini schliesst mit dem Vadi, wie es im ladischen meist, aber durchaus nicht immer der Fall ist, 7) sie beginnt mit ga (e), einem Ton , der weder vudi noch samvadi ist, während gewöhnlich einer dieser beiden Anfangston ist.

Vadi dürfen wir unbedenklich mit unserm Grundton iden- tificiren. Wir haben also für die Ragini Sohini eine /-Scala, die so aussieht :

f — a h с des e f

8СГ. + ЗСГ. + îçr. + îçr. + Sçr. + îçr. = 5Î Çr. Gegen unsere Uebung verstösst in dieser Scala einmal die über- mässige Quart f-h, dann die kleine Sexl [f-rles) neben der grossen Terz (f-a) : durch beide Umstände entsteht die Kolge von zwei Halbtonintervallen A-c c-des, die in der Diatonik unmöglich ist. Vergleicht man das Griechische, das dem Indischen schon durch den Mangel der Harmonie und die Benutzung von Vierteltönen näher steht, und das daher von Tagore oft und gern, aber ohne jede Einsicht bei theoretischen Auseinandersetzungen zur Parallele herbeigezogen wird , so findet man auch dort keine volle Rerechligting 7.11 einer solchen Tonreihe. Die chromatische dorische Tonleiter heissl zwar abwärts gehend

e des cha ges f e,

so dass man nur ges auszuschliessen braucht, um die Tonreihe unserer Ragini zu bekommen, aber für den Griechen ist a un- XVII.

umgänglich Mese, d. h. der in der Melodie meist benutzte Ton, und kann unmöglich durch die Parypate f in dieser Function ersetzt werden.

Wenn wir uns die Tonart nach modernen Begriffen klar machen wollen, so liegt uns am nächsten der lydische Kirchenton :

f g a k с d e.

Das des neben a erinnert an das Vorkommen der kleinen Seul in Dur-Melodien und Dur-Accorden, welches den Theoretiker Hauplmann dazu geführt hat, neben Dur und Moll ein gemischtes ToiiKCM-hlechi zu statuiren, das auf der Stufe / heissen würde :

f g a b с det e f.

Die, für uns freilich ganz unmögliche Vereinigung des lydischen Kirchentons mit Hauptmann's gemischtem Tongeschlecht würde die Tonart der Ragini Sohini ergeben :

f (g] a h с des e f.

Um zu zeigen, dass die Ragini Sohini mit ihren chromatischen Intervallen keine Ausnahme von anderen Ragas und Raginls bildet, wollen wir hier die Tonreihen hersetzen, welche Tagore seinen sechs Rag&s oder Hauptmelodiegattungen zulheilt, wobei wir die vorkommenden Dreiviertelton-Erniedrigungen durch einen darübergesetzten Punkt bezeichnen :

Criräga : e dés e fit g dt h e

~T "T ~TT \ T I

vadi с oder de», samvadi äs Anfang c, Ende c. Vasanta : с des e fis — aha

T TT 6 ГТ vadi /. samvadi с Anfang c, Ende c. Bhairava : с des e f g äs Ь с

vadi f, samvadi с Anfang 6, Ende с oder 6. Panchama : с des e f g a h с

~T T T* "T "Т1Г "T

vadi f, samvadi с Anfang f. Ende e. Megha : с d e f g — Ac

"T 3 ~T 4 8 "5Г vadi /'. samvadi с oder d Anfang /, Ende d.

II

Nattan&rayana : cdefnahc

~Г ~Г~Г 4 "TT^T vadi f, samvadi с Anfang c, Ende r.

Von diesen sechs Tonreihen mit ihren Bestimmungen über Ilaupltöne und Anfangs- und Schlusstöne hat nur die allerletzte für uns nichls befremdendes und gerade von ihr macht Tagon-, der von jedem Raga eine genau beschriebene und bildlich dargestellte Personification giebl, eine abschreckende Beschreibung : »Dieser Haga wird personih'cirl als ein mächtiger Krieger, welcher über das Schlachtfeld reitet. Sein Kürper ist ganz mit Blut bespritzt. Dieser Raga wird im Winter gesungen,« und setzt noch dazu, dass er sehr selten im Gebrauch sei. Von dem ersten Raga dagegen mit dem doppelt vorkommenden Vielellon- Inlervall heisst es: »Der Halbgott Cririiga , berühmt über die ganze Erde, spielt zärtlich mit seiner Nymphen u. s. w.

II. Melodiebildung.

Unsere moderne Melodiebildung ist so sehr auf die Harmonie berechnet, dass es uns sehr schwer ¡st, uns gegenüber Melodien anderer Zeilen und anderer Völker, welche eine Harmonie in unserem Sinne gar nicht kannten, auf einen vor- urtheilsfreien Standpunkt zu stellen. In der vorliegenden Melodie fallen uns die Stellen am wenigsten auf, für welche wir unwillkürlich den tonischen Dreiklang in K-dur als harmonische Grundlage supponiren können. An drei Stellen, die uns besonders abstossen, scheinl geflissentlich die chromatische Verbindung h-c-des, die, wie wir gesehen, auch in drei Ragas (einmal als h-o-dii] vorkommt, hervorgehoben zu werden, so gleich am Anfang e-iles-c-h. Es giebl dies dem Liede von vornherein einen klagenden Ton, der zum Texte recht gut passl. Durch die Auslassung von g kommt etwas Gebrochenes in die Melodie, die für uns geradezu widerwärtig ist, namentlich in der dreimal am Versende vorkommenden Figur f-a-a-f, wo wir das schlussvermillelnde // schwer entbehren. Monoton sind diejenigen Takte, wo der vadi (f) oder samvadi ¡c) stets wiederholt werden. Nach den nicht völlig klaren Angaben Tagore's ist es wahrscheinlich, dass solche Stellen dazu bestimmt sind, bei der Wiederholung des Stückes beliebig zu Coloraluren benutzt zu werden. Im letzten Takl ist der Ton / dreimal auf dieselbe Silbe notirt, eine bei uns ganz in Abnahme gekommene Verzierung' die bei Tagore sehr oft verwandt ¡st. Von einer Benutzung eines bestimmten Motivs der Melodiebildung findet sich weder hier noch sonst bei Tagore eine Spur. Das gleich Anfangs erscheinende charakteristische Intervall e-des kehrt nicht mehr wieder. Der Umfang der Melodie ¡st für ein so kurzes Stück ziemlich bedeutend, er umfasst nine verminderte Undecime a-des, und dabei ist die Höhe, besonders der Ton c, bedeutend mehr ¡n Anspruch genommen als die Tiefe. Tagore giebt nirgends an, ob er eine Composition für hohe oder tiefe Stimme bestimme, und wo er über Ausdehnung der menschlichen Stimme sprichl, die er zu 2'/2 Saplakas oder Octaven angiebt, macht er eine Unterscheidung weder zwischen Männer- oder Frauenstimmen , noch zwischen Sopran und All oder Tenor und Bass. In einem ändern Gesang Jayadeva's fordert er einen Stimmumfang von zwei Octaven von h bis /t. An ungewöhnlichen Melodieschrillen finden wir ¡n unserem Stück eine übermässige Secunde c-des, eine verminderte Terz Jcs-h, mehrmals f-a-h, das als übermässige Quart auffallt trotz des dazwischen gesetzten a. In jenem ändern Gesang kommen sogar Sepliimfn- und Nonensprünge vor.Alle diese Merkmale lassen srhliessen , dass der Indicr, oder wenigstens Tagore , ¡mf tue Natur der menschlichen Summe wenig Rücksicht nimmt und dass es ihm an dem schon dem Griechen der allen Zeit

eigenen Schiinheilsgcfühl fehlt, welches die miniere Region, in der alle Stimmen gut klingen, aiisschliesslich oder hauptsächlich zu benutzen lehrt.

III. R h y Ib m us.

Der Rhythmus der indischen Musik biclel merkwürdige Analogien mit demjenigen der griechischen Musik und atirli .Miffallcnde Abweichungen. Gemeinsam isl beiden das Ausgehen von dem Rhythmus der Poesie und in dem Rhythmus der Poesie die alleinige Berücksichtigung der Ouantilät, d. h. der s|irach- hchen Län^e und Kürze der Silben und die völlige Vernachlässigung des Accentes. Wir beschränken uns hier auf den D.mi der uns vorliegenden Verse des Jayadeva und deren Hhylhmi- siriing. Das Grundelement des Rhythmus isl das Matra, ein Worl, das in der Philosophie die Monade bezeichne!. Die verschiedenen Allen von Matra heissen Laghumalra, welches die Dauer einer kurzen Silbe bezeichnet, Gurumiilra, welches das doppelle Zeilmaass, die Dauer einer langen Silbe bedeutet; Plutamàtra isl gleich drei oder mehr Laghumatra. Die Unler- abtheiluogen, die llälfle und der Viertel des Laghumatra heissen Ardhamalra und Anumälra. Bei Tagore wird das Laghumalra ¡n diesem Lied durch ein Sechszehnlel ausgedrückt, so dass also die Nolenwerlhe die folgenden sind .

Anumäfra = /* g

Ardhatnalra = "*

Laghumalra = ** Gurumalra = é Plutamàtra = J ¿ o

Matra schlechthin ist hier gleich , denn das vorgeschriebene Taklmaass Madhyamana soll nach Tagore immer 8 Matra einhalten. Madhyamana ist also ein 4/4-Takt oder genauer ein */&" Takl, den wir als zwei 4/8-Takle schreiben würden, weil Sechszehnlel die vorherrschende Nolengattung darin sind. Ich deute durch piinktirtc Linien die4/8-Taklstriche an, die uns die Ueber- sicht erleichtern. Wie bei uns, so scheinen auch bei den Indiern die geraden Taklarlen 4Д, */8, 1§Д °¡e bevorzugten zu sein. Daneben kommt ein 3/4-Takl vor (% -+ */8 + Ve)- Kin Cu~ riosum ist der indische u/8-Takt. Bei uns ist der "Д-Takl ein dreilhciliger Rhythmus, bei den Indiern aber ein vierteiliger. Wer nur dieses hört, hall das für eine contradictio in adieclo, für eine Unmöglichkell. Und doch giebt Tagore Notationen in diesem Takt. 'J/8 gelheilt durch i giebt 2/8 + '/3I, also wird der indische 9/8-Takl so eingetheilt :

In diesem Rhythmus notirt Tagore mehrere seiner Ragas ohne Wortunterlage, niemals aber Gesangsstücke, so dass es scheint, dass dieser Rhythmus (Tala Ara genannt) nur für Instrumentalmusik Bedeutung hat. Der Merkwürdigkeil halber geben wir hier in unserer Notenschrift den Anfang des Ragas Natlana- râyana wieder :

Da der Rhythmus vom Versbau abhängt, müssen wir vor allem den Bau der vorliegenden Verse feststellen. Die drei letzten Verse haben den gleichen Bau und enthalten je ig Laghu- i-..ïir,i. die wir zu theilen haben in 8 + 8 + 8 + 4 Laghu- malra. Der kürzere erste Vers enlhlilt ^ l Laghuraalra = 8 + 4. Dit Rhythmus ist daktylisch, doch kann jede Länge des Daktylus ausser der letzten des Verses ¡n zwei Kürzen aufgelöst werden, nie aber dürfen die beiden Kürzen in eine Länge zusammengezogen werden, ausser im letzten Kuss, wo dies Riegel ist. Der indische Daktylus bat also die Formen — ^^ und ^>ЛА^ und am Versschluss — —, während der griechisch-römische im Gegensatz dazu die La'nge nie auflöst und die beiden Kürzen beliebig zusammenzieht, —ww oder — — und am Versschluss ebenfalls nur --.

Die rhythmische Disposition unserer Strophe ist also folgende :

  • J* * *

SA vi - ra - hé ta - va Sie von der Tren-nung er-

Mádha - va ma - na - si - ja- Krislmn ge - schrecket von A-

?**?**

1 'Vi - va - nay - a t va - gi ¡к - zi - gen Hort noch um-

ï * * * * *

nin - da - U cban - da - nam San - del ver - bannt sie, die

  • * * * * * — w w « w w

vin - da - ti khe - dam a- uor sie für Qoa - len - um-

di - na krankend,

  • * * *

vi - cl-kha-bhay-ad i - v» nan-gns Pfei-len, dich nur als

It - né

ran-kend,

  • * * * *

in - du - ki ra - nam a - im - Strahlen des Monds er-ken-net

dht-ram ischnUrung,

vya-la

la -yam -i - la-

Nennet so - gar die wUrzgen *******

ka - la - ga - U ma-la-ga sa- Schlangenber-ges tödt-li-che Be-

no - na ga - ra - lam i - va Liif-te ver-gif-tet durch des

ml - ram. rub-rung.

Dies ¡st der Versrhythmus, dem der musikalische Rhythmus in einer Weise theils folgt, theils widersprich!, die für das rhythmisch-musikalische Gefühl des Indiers höchst charakteristisch ¡st. Die grossie Abweichung besteht darin, dass die vier vers- schliessenden Spondeen (--) von zwei Achteln, die ihnen eigentlich zukommen, auf 4 erhöhl sind, so dass wir es nur noch mit rhythmischen Gliedern von 4 Achteln oder 8 Laghu- malra zu thnii haben :

a. l, 8 + 8

t) 8 + 8 + 8 + 8

b. 3) 8 + 8 + 8 + 8 4) 8 + 8 -j- S + 8.

Da nun, wie wir gesehen haben, die La'nge des versschliesseo- deu Daktylus nie aufgelöst wird und ihm ausserdem durch den Heim ein besonderes Gewicht verlieben wird, so dürfen wir den Scliluss ziehen, dass die vou Tagore vorgenommene Verlängerung der, schließenden Spondeen, welche bei Auflösung der Länge (""-) nicht möglich wäre, eine althergebrachte und für dieses Versmaass gebotene ist.

Festgehalten ist bei der musikalischen Khylhmisirung, dass die drei (-W4 oder vier (^wv^w) Silben, die einen Daktylus bilden, zusammen vier LaghumAlra, d. b. eine Viertelnote aus-

füllen müssen, frei gestellt dagegen ist, wie diese drei oder vier Süben ¡m Einzelnen auf die Viertelnote verlheilt werden. In diesem eng umschriebenen Gebiet erlaubt sich nun der Com- ponist rhythmische Künsteleien, die für uns schwer zu würdigen sind. Stall * S S finden wir nicht nur '. "». was

wir noch begreifen, sondern auch «J /> «f »~* oder J ~' *

oder ч «N . wo die Pausen auf gute Takltheile und oft mitten in die Worte hinein fallen, dann die Triolenverbindungen

oder é J~S~Í und stall * * * * mit Triolen

-U -s

_ Unnatürlich und unbefriedigend erscheint uns auch die Behandlung der Versschlüsse. Wir würden bei diesen gewichtigen Spondeen , die zwei Viertel ausfüllen, die zweite Silbe auf das drille und nicht, wie Tagore, auf das zweite oder

vierle Achtel fallen lassen : П ** j J j j stall Л ** Л Л dt - na di - -\ n«.

Dass diese Wunderlichkeiten, namentlich aber jene Pausen auf gute oder relativ gute Takttheile möglicherweise individuelle Verirrungen sind , scheint mir aus der von Tagore selbst gegebenen allindischen Taktlebre und Taktbezeichnung hervorzugehen. Die guten und schlechten Taktlheile werden bei den Incliern nicht blos, wie bei uns, in der Ausführung unterschieden, sondern sogar bei der Notation angegeben ; bei vierteiligem Rhythmus heisst das erste Takltheil sama (Zeichen), das dritte âghàta (Schlag) , das zweite und vierle virama (Ruhe) und dies wird ausgedrückt durch die vier Zeichen : + S O S, welche in jedem Takt über den beireffenden Buchstaben stehen, welche die Tonhöhe bezeichnen, z. B.

pa

Wenn wir in dem angeführten Gesangstück die genannten rhythmischen Künstlichkeiten eliminiren und an ihre Stelle die ursprüngliche rein daktylische Hhythmisirung treten lassen, so kommt uns dasselbe viel näher und wird für uns auch singbar mit dem deutschen Text. Hit diesem Versuche wollen wir hier schliessen, und wenn auch die Ausbeule aus dem indischen Musikgebiet uns wenig Anmuthendes geliefert hat, so besitzt sie um so mehr den Reiz des Fremdartigen und giebt uns darüber manchen Fingerzeig, wie wenig in der musikalischen Kunst allgemein gültige Principien angenommen werden dürfen, und welche grosse Verschiedenheit in der musikalischen Auffassung zwischen zwei stammverwandten Cullurvölkern, von denen jedes seit undenklicher Zeit die Kunst der Töne gepflegt hat, bestehen kann.

Sie von der Tren - n»ng er - kran - kend,

~^ДШ-^-;^^|

Krish-na, ge-schrecket von A - nangas Pfeilen, dich nur als

Fine.

ein - si - gen Hort noch um - ran - - kend,

^^y=£=j4=g

San -del verbannt sie, die Strahlen de* Monds er-ken-net

Mr nur sie fur (Jua - len - um - sclmü

Nennet so-gar die würzgen Luf - te ver-gif-tet durch des

Schlan-gen-bcr-ges Uidt-li - che Be - ruh - ruog.

Theobald Bohm. Ein merkwürdiges Künstlerleben.

Von

Professor Dr. v. Srliufliiiull.

(Fortsetzung.) Gordon's Experimente im Flfilenbau und trauriges Ende.

Böhru ging im Jahre 1833 wieder nach Paris, wo er am 9. .M.n rmii.ii und ebenso grosse Bewunderung durch sein Spiel, wie durch seine neue Klüte erregte. Von da richtete er seine Schrille nach London, wo er mit seiner Flöte in Coucer- ten und in den Zwischenacten im Theater auftrat, wodurch sich seine Klöle immer mehr Eingang verschaffte. Da suchte der schon einmal erwähnte Obrisl Gordon sogleich seinen Freund Böhiu auf. Gordon halte die neue Flöte Böhm's studirl — Böhm's Löcherslellung gefiel ihm, allein sein Griflsyslem wullie er dem alten GriHsysteiu angepassl haben, obwohl schon Drotiet und Tulou sich dagegen ausgesprochen hatten. Bühm hatte, gleich bei seiner ersten Bekanntschaft mit ihm, Gordon immer die Unmöglichkeit nachgewiesen, (i Grifflöcher mit 7 Kingern zu beherrschen. Gordon verliess enttäuscht, kurze Zeit, nachdem Böbm von London nach München abgereist war, London, setzte in Paris seine Arbeit mit seinen Verbesserungsversuchen an der Flöte fort ; allein er war in seinem Erfolge wieder so unglücklich wie in London. Am < 5. Februar < 833, nachdem Bölmi auf seiner neuen Flöte im Jahre l 832 in München und Paris öffentlich aufgetreten war, schrieb Gordon endlich an Böhm einen Brief nach München , der im Originale vor mir liegt und so lautet:

Lausanne <S. Kevr. 4833. Mon cher Monsieur!

Je suis depuis quinze jours de retour chez moi à Lausanne, après un séjour assez long à Paris, où ju suis venu du Londres peu après vous avoir vu lorsque vous en ¿tea parti pour Munich.

.!. n'ai pas perdu mon temps, et j'ai travailléavec persévérance à uno Ilute nouvelle que j'ai faite moi-même, aussi bien que j'ai pu, et que je viens de terminer

Je ne vous ai point oublie, et j'ai toujours attendu que vous m'enverriez une flûte perfectionnée que vous proposiez de chercher a faire à votre retour en Allemagne. Selon votre offerte à Londres, je veux vous envoyer ma flûte en vous priant de m'en faire une belle sur ce modèle; ou que je possède entièrement le doigte pour la ¡ouer. Je vous enverrai en même temps la tablature du doigte.

Je n'ai pas voulu vous envoyer ma flûte avant d'avoir reçu de vos nouvelles. Veuillez donc m'écrire à l'adresse ci-après : A M o n - sieu r Gordon à Lausanne en Suisse, et de me dire la manière que vous croyez sûre de vous la faire parvenir sans accident; et si vous pourriez m'en faire une semblable, vous en occuper le plus-tôt possible. Dans l'espérance que ma lettre vous trouvera ù Munich, je vous l'envoyé a l'adresse que vous m'aviez donné.

Acceptez l'assurance de toute ma consideration. Votre dévoué serviteur

Gordon.

P. S. Avez vous toujours vôtre bon ouvrier dont vous m'avez parlé à Londres?

J'ai vu Drouet à Paris. Il aprouve ma Flûte, mais il recule devant un changement dans le doigté. Tulou en est la aussi.

liiilim antwortete ihm und meinte, es -<-i am besten, wenn Gordon selbst nach München komme. Kr setze ihm seine Fabrik und seinen besten Arbeiter ¡Grève) zu Gebole, er könne mit seiner Flöte so viel Versuche machen, als es ihm beliebe. Gordon folgte auch wirklich Böhm's Käthe, kam km/r Zeit nach liöhin's Antwort gegen Ende Miir/. nach München und inachle sich in Bühm's WerksUitle heimisch. Er war von der Vorzüglichkeil seines Systems so überzeugt, dass er unlenn l.'i. Juli (H33 von München aus an den liistruinenlen-Fabri- kanlcn Mercier in Paris eine grosse Лп/..ihl von Exemplaren, in welchen er seine Ideen über seine neue Flöle auseinander sel/.le, sandte und ihn bat, den benannten Musikern und Flöten- viriiiosen in Paris einhändigen zu wollen. Er lasse nämlich in München durch einen ausgezeichneten Arbeiter ¡Böhrn'.-,) seine vervollkommnete Flote narh seinem Muilellc verfertigen und werde nächstens nach London reisen. Der Brief lautet im Originale folgeuilerweise :

Monsieur! Connaissant depuis long-temps vôtre obligeance, je n'ai crains pas île vous demander uit service. Il s'agit de faire remettre них ci-Hjirés minimes quelquesexempliiires des imprimes que je vous adresse de Munich . où je viens île faire exécuter par un habile ouvrier un ш -шт..-ni excellent d'après mon modèle. Je partirai prochainement pour Londres, où mon adresse est New-castle street, Strand ïî. Veuillez m'y adresser un mol sur la réception des imprimés, que j'affranchis aussi loin queje puis. Nous compterons plus tard vos déboursés. Vous pouviez lais>er vôtre adresse chez quelques uns des ci-dessous nommes, pourvue, s'il se présenle des amateurs, vous puissiez leur indiquer la mienne à Londres. Pour M. Pleyel, au magasin de musique, boulevard des Italiens, 6 exemplaires; pour l'aeeini iilem nr. M ; Mr. Fi e\ . place des victoires nr. 8 ; Schlesinger, rue Iliehelieu nr.9; Mr. Laurent, facteur de flûtes, Palais royal 65 ; Mr. Tultili, rue des Martyrs nr. 47 ; Mr. hrouel, rue de l'Arcade nr. SX; Mr. Farrcnc, rue M. M,n . ni .J. l. Mr. Camus, rue Montmartre, en face de la rue Мип1оцеш1 ; Mr. Lemoine, ruede l'Echelle, nr. 9 ; Jeanet et Colellc, rue St. Honoré lia ; au bureau de Mr. Félis, rédacteur du journal des beaux-arts, rue St. Lazare nr. 31.

Allein die ersle nach seinem Modelle ausgeführte Flöle entsprach ihm nicht und seine Hei.se nach London unterblieb. Es wurden weitere Modelle gemacht und wieder verworfen. Eine Flöle wurde vollendet und an ihr so lange veräuderl und ver- ми hl , bis sie ganz unbrauchbar war — eine zweite theille dasselbe Schicksal. Endlich kam eine drille zu Stande, die seiner Idee genügle. Nach der Arbeit beinahe eines ganzen Jahres verliess Gordon München , ging nach Paris und publicirle da einen lilhographirlen halben Bogen , auf welchem seine Flöle nebsl dem dazu gehörigen Grilfsyslem in Lithographie dargestellt war, den er auch im Jahre <834 an Böhm sandle und der ebenfalls im Originale iu meinen Händen ist. In der Anweisung seines Grilfsyslems auf der erslen Seile erklärt er: »La suppression de deux Clefs de Fa naliirel et leur remplacement par un Clef de Fa dicze est une Idee donl l'applicalion offre de grands avantages. L'Idée de celle Clef de Fa dièze communiquée par Mr. T. Boehm de Munich a élé avec son agrément adoptée pour la présenle Flùle dont elle completle les moyens d'exécution.« Dies Bekenntniss slamml aus dem Jahre (83Í, nachdem Gordon Böhm's Werkställe bereits verlassen halle.

In dieser neuen Flöte ist nicht mehr wie in der alten englischen Flöle Gordon's z. B. das £-Giiffloch zu tief gestellt, gegen die übrigen Grifflöcher zu weil und noch überdies mit einer Klappe bedeckt. Das e-Griffloeh lui nun ganz die Stellung wie in der Böhm'schen Flöle. Gordon nannte seine Flöte Flùle diatonique. Man sieht die Aehnlichkeit iu der Stellung der Grifflöcher mit der Flöle Bühm's, aus dessen Werkställe sie hervorging. Dagegen Irill uns ein Gewirre von Klappen und liebeln, das allerdings sinnreich, aber zur künstlerischen Ausführung irgend einer Passage viel zu unbehilflich war. Indessen Gordon liess seinen Muth um) seine Ueberzeugung nicht sinken. Er arbeitete fort und fort an seiner Flöte. In einem ändern in Paris ausgeführten Instrumente , das Coche abbildet, ist das Klappengewirre ill der Höhenlage noch grosser, ja ein Hebel ist mit einer Klappe sogar durch ein Drahtseil aus Stahldraht verbunden. Gordon schrieb, schon geistesschwach, 1837 an den Arbeiter liülim's. Grève, der ihm seine erste Klöle ¡n München verfertigt hatte, sich mit ihm zu verbinden und eine Flöten- l.ilirik für Paris, London, Wien etc. zu etabliren, obwohl Gordon schon ein Jahr zuvor alles Vertrauen zu seiner eigenen Flöte verloren zu haben schien, als er mit Böhm im Jahre (836 wieder in London zusammentraf; denn er verlangte von Böhm eine Flöte nach Böhin's System. Gordon halte durch seine Manie seine Vermögensverhällnisse ruinirl und schien überhaupt sehr missmulhig- Mithin schrieb nach seiner Zurück- kunfl von München aus noch an Gordon in Lausanne, ob er eine solche Flöte nach seinem (Böhni's) System wünsche; allein seine Frau schrieb ihm, Mai (838: Böhm möge die Sendung unterlassen, Gordon sei bereits sehr krank. Nun vernahm Böhm nichts mehr von ihm. Allein nach der Aussage eines Landsmannes von Gordon erfuhr mau, Gordon habe seine Flöte in den Genfersee geworfen und sei im Irrenhause verstorben.

Verbreitung, Anerkennung und Anfechtung der Böhm sehen Fíete.

Ich lebte seit dem letzten Drittel der zwanziger Jahre ununterbrochen in den freundschaftlichsten Verhältnissen mit Böhm und inussle noch überdies leider sein Biograph werden. Ich war mit den täglichen Vorkommnissen in Böhm's Werk- slälte vertraut und habe alle Operationen Gordon's in München mit durchlebt.

Die erste kurze Nachricht über Böhm's neue Flöle war in der hämischen Anzeige in der Allgemeinen Musikalischen Zeitung, die wir schon kennen gelernt haben. Die erste ausführliche Nachricht über Böhm's neue Flöle habe ich vor meiner Abreise nach England in derselben Allgemeinen Musikalischen Zeitung, 4834, gegeben; sonsl war bis zu dieser Zeil in Deutschland nichts über die Böhm'sche Flöte bekannt geworden.*) Böhm halle um diese Zeit seine neue Flöte in einem Hofconcerte und zwei Concerlen der musikalischen Akademie mit außerordentlichem Beifall zu Gehör gebracht. Allein bei allen neuen Erfindungen erhebt die Missgtmst ihr Haupt; das gewöhnliche Manöver ist immer dasselbe. Man versichert, die erste Idee zu der neuen Erfindung längst gehabt zu haben oder versucht nachzuweisen, dass die Erfindung keine neue sei und dergleichen. Schon unterm 25. Mai 4838 schreibt der berühmte Flötenspieler Jean Baptiste Coche aus Paris an Böhm : On dit dans le monde artiste, que la flûte que porte vôtre nom a été découverte et inventée avec tous ses perfectionnemens actuels par un nommé Gordon etc. Coche war der erste, welcher die neue Flöle Böhm's nicht nur mit der alten vertauschte, sondern eine glänzende Vergleichung der allen mit der neuen Böhm'scheu Flöle publicirle, und Ursache war, dass die Böhm'scbe Flöte аш Pariser Conservatorium eingeführt wurde. Er hat auch eine guie Schule für die neue Böhm'sche Flöle publicirt.»*)

Was Félis in seinem bekannten Dictionnaire über die Böhm'sche Flöte sagt, ist ein lächerliches Operiren von Irrtbümern und Ungenauigkeilen aller Arl in einem so kleinen Arlikel — ein würdiges Seilenstück von Oberflächlichkeil zu vielen übrigen Arlikeln dieses Diclionnaires. Félis legl die Erfindung Böhm's in das Jahr 1849 (da war Gordon bereits gegen 41 Jahre lodl), während Böhm's französischer Brief, ia welchem er genau das Verhällniss seiner Flöle zu der Gordon's darlegl, bereits

  • ) Allgemeine Musikalische Zeitung. 36. Jahrg. 4834. S.74—71.
    • ) Examen critique de la Hute ordinaire comparée à la Flute de

Boehm, présenté à M. M les Membres de l'Institut Académie Royale

de Baux Arts, Section de la Musique, par V. Coche, Professeur en

Conservatoire. 4818.

vom 42. Juli 4838 dalirl ist und in demselben Jahre das ausgezeichnete Werk von Coche »Examen critique« etc. erschien. Félis ¡st also schon in Beziehung auf die Jahrzahl 4 849 um 14 Jahre /.n spät. Auch in der Schrift Böhm's: »Ueber den Flölenbau« aus dem Jahre 4847, im Jahre 1848 bereits ins Französische übersetzt, hat Böhm sein Verhältniss zu Gordon und seiner Flute durch Gordon's eigenhändige Corresponden: erläutert. In diesem famosen Arlikel Félis' heisst es : Zur selben Zeil (1849) beschäftigte sich ein Engländer Gordon*) mil derselben Unlersuchung zur Verbesserung der Flöte und Gordon hätle das Problem gelösl ! — was nun folgl, isl unverständ- lich ; ich gebe es deshalb im französischen Originale. Die Lösung des Problems geschah »par un syslème d'anneaux remué par un lige mobile , donl les combinations attaquaient à peu près le but«. Aus diesen wenigen Worlen gehl hervor, dass der Bcrichtcrstaller auch nicht eine Idee vou dem Bau der Flöte und dem Kingklappen-System Böhm's besass.

Fétis spricht vou der Verbesserung der Flöte durch Gordon im Jahre 4849 (in welchem Gordon bereits 4 2 Jahre lodl war), dem Böhm ersl das Geheimniss abgelauscht haben sollte, während ein Referent aus München über ein Divertissement von Böhm, das er ¡m Concert spirituel am 4. November 4 83Î in München spielte, ausdrücklich erwähnt, dass Böhm dies Divertissement auf seiner neuen Flöte gespielt habe , »die er mit eigener Hand mil mehreren Klappen umgeschaffen. **) Ein Jahr darauf referirte ich in derselben musikalischen Zeitung 36. Jahrgang 4834 über die neue Böhm'sche Flöte Nr. 5 S. 74—80, und der gute Fétis lässt unsern Gordon sich erst im Jahre 4849, in welchem er längst aus dem Leben geschieden war, mit der Verbesserung der Flöle beschäftigen, während Böhm im Jahre 4832, also vor 47 Jahren, bereits in Paris auf seiner neuen Flöte gespielt hatte.

Au der Gordon'schen Flöte befanden sich gar keine Ringe, ebenso wenig eine Verbindung von Ringklappen. Gordon hat seine Flute dialouique im Jahre 4834 in seiner lilhographir- ten Grifflabelle abgebildet. Eine andere Abbildung der letzten Gordon'scbeu Flöte findet sich aus dem Jahre 4838 in Coche's Examen critique, der Klappenmechanismus ist da noch compli- cirler, als in seiner Flöte von 4834, aber Ringklappen finden sich nirgends, ja es sind ein paar Klappen sogar mit Slahldrabt verbunden, wie in der Abbildung zu ersehen.

Bei der Industrie-Ausstellung aller Völker zu London 4854 hatte ich als Mitglied der Jury für musikalische Instrumenle weilläufig die mil der erslen grossen Verdiensl-Medaille gekrönte neue Flöte Böhm's beleuchtet. ***) Bei der allgemeinen deutschen Industrie-Ausstellung zu München im Jahre 4854 habe ich gleichfalls die Erfindung Böhm's analysirt, die auch in dieser Ausstellung wieder einstimmig mit der grossen Denkmünze gekrönt wurde, |) Bei der Industrie-Ausstellung in Paris vom Jahre 1855 erhielt Böhm wieder die erste grosse goldene Medaille nebst einer Erklärung des Prinzen Napoleon : ce nom est une autorité et une puissance. f|) In der Allgemeinen Musikalischen Zeitung 4879 habe ich gleichfalls die Geschichte der Böbm'schen Flöle bis auf die neuesleZeit herauf entwickelt.|||)

Nach Böhm's'Tode tauchte selbst in England die alte Mähre wieder neu auf, so dass sich ein Flötenvirluose nach München

  • ) Gordon war kein Engländer und um diese Zeit schon lodl. **) Allgemeine Musikalische Zeilung. Jahrgang 4885. — 4833 S. 44.

" Amtlicher Bericht Über die Industrie-Ausstellung aller Völker zu London im Jahre 4 854, von der Berichterslallungs-Commis- sion der deutschen Zollvereine-Regierungen l, S. 882.

H Bericht der Beurlheilungs-Commissioii bei der allgemeinen deutschen Industrie-Ausstellung zu München im Jahre 4854, S. 444. H") Visites de S. A. I. le Prince Napoléon aux Produits collectifs des Notions qui ont pris part à l'Exposition de 4855. H-H Allgemeine Musikalische Zeitung 487», S. 64>.

wandte, um über das Eigentumsrecht Bölim's auf die Flöle, die seinen Namen trägt, nähern Aufschluss zu erhallen. Ich habe die gan/.e Geschichte der Böhm'schen Erfindung entwickelt uml sein Eigenlhumsrechl auf die Böhm'sche Klöte so klar als möglich dargelegt. Meine Erläuterung ist in der Musical World vom 48. Februar und aus dieser in der Musical Opinion März (s.ч i- S. ÎÎ6—Í11 abgedruckt.

Böhm's abermalige Reise nach England. Schafhiutl's Verbesserung des Ciavierbaues.

Böhm ging mit seiner neuen Klöle im Jahre 4833 über Paris nach London und erregte durch die Fülle des Tones seiner neuen Klöte allgemeines Aufsehen, wie wir bald hören werden. Er lernte hier die grossarlige Fabrication musikalischer Instrumente kennen, die ihn mit dem Wesen der englischen Fabrication überhaupt vertraut machte, einer Fabrication, die in ihrer Grossartigkeit ebenso sein Erstaunen als seine Bewunderung erregle und die Seele des Mechanikers wie Technikers so erfüllte, Hass wir nun für einige Zeit seine Thätigkeit in einem ganz ändern Zweige des industriellen Treibens bewundern werden, die von der Musik und ihrem Leben sehr weit seitwärts lag.

Böhm halte schon von seiner ersten Zuriickkunft von London ein wunderbares Bild entworfen von Englands grossartiger Thä- tigkeil; von seiner lebensvollen politischen und technischen Entwicklung, die alles mit Freude in sich aufnahm, was in die gewaltigen Fortschritte der Technik fördernd eingriff, über die Freiheit dieses gewalligen grossartigen Lebens und Treibens dieser mächtigen Nation, über die Fülle des Glanzes und Reich- thums, die London zu einem Cenlralpuiikte erhob, der Alles an sich zog, was sich Schönes und Grosses, namentlich ¡m Gebiete der Musik und im Leben der Well entwickelte. Böhm malte dieses grossartige Bild mit den feurigslen Farben und er- weckle in mir eine Sehnsucht nach diesem gelobten Lande der Technik.

Ich halte mich sehr lange Zeit mit einer Idee beschäftigt, unsern Pianofortes oder den sogenannten Flügeln einen Bau zu geben, der den grossen Umfang ihrer Töne zu einem einheitlichen harmonischen Ganzen zu verbinden vermöchte. Ich habe noch kein Pianoforte gefunden, in welchem sich alle Theile des Tonumfanges in voller Harmonie befanden. Es fehlte immer etwas, entweder oben , ¡n der Mille oder unten. Böhm fand meine Idee sehr interessant und griff sie mit seinem gewöhnlichen Feuer auf. Die Idee musste zur Ausführung gelangen. Er entwarf rasch die notwendigen Pläne und gewann für die Ausführung ein Handlungshaus. das mit Hilfe von drei Clavier- machern zur Ausführung unserer Idee schrill. Allein zwei treulose Arbeiter machten von dem ihnen zur Ausführung über- gebenen Modelle eine das Wesen des Princips zerstörende Abänderung, gingen mit ihrem Modelle, von dem nicht sehr scru- pulösen Chef des längst verschwundenen Ilandlungshauses unterstütz! , nach London und nahmen ein Patent auf ihre angebliche Erfindung. Der Pianoforte-Fabrikant, welcher mil Böbm in Verbindung gelrelen war, wurde in einen gewalligen Process verwickelt, ich ging i s t i selbst nach London, der Process wurde gewonnen ; allein die Frucht des gewonnenen Processes war in der Kegel wie überall und namentlich in London dieselbe. Die eigentlich disponibeln Millel zur Ausführung des Projects halle der Process verschlungen — der Bau eines Pianoforte nach meiner Idee würde das Piano kostspieliger gemacht haben, und deshalb wurde die weitere Ausführung natürlich fallen gelassen. Indessen isl ein gewalliger Process von zwei Fremdlingen in London durchgeführt immer eine merkwürdige, interessante Episode im Lehen.

Im Jahre 4833 ging, wie schon bemerkt, Böhm mil seiner neuen Flöle nach London und erregte da .inier den Musikern

ebenso grosses Aufsehen als unter den Dilettanten, namentlich unter Dilettanten der hohen uml höchsten Classe der englischen Gesellschaft. Sein Spiel wurde überall bewundert, die meisten Flötendileltantcn der Nobility und Gentry ziihllen zu seinen Schülern, und der Gentleman wurde sehr bnlil als Freund in die Familien seiner noblen Schüler eingeführt.

DI* englischen ElMnfabriken und SchmtlzOfen.

Seine Flöte und seine Tournure ölfnelen ¡hm den Weg zu der grösslen metallurgischen Fabrik , die sonst kein fremder Fuss betreten durfte. Ich machte von diesem günstigen Verhältnisse Böhm's fleissig Gebrauch. Die gewaltigen weltberühmten Gussstahlfabriken Cheflields inleressirlen mich ebenso sehr : deyn was von der englischen Fabric»!ionsweise aus unseren technischen Werken zu ersehen war, gab nur einen unvollkommenen Begritr von dem grossarligen Fabrikbetriebe, ja Vieles, was in diesen Werken angegeben war , beruhte sogar auf Irrthum.

Ebenso interessirle uns, dass das in so grossarligem Maassstabe erzeugte Eisen in England zur Herstellung des berühmten, feinsten englischen Gussslaliles nicht lauglich war, dass die Engländer zu diesem Stahl nur das reinste schwedische Stab- eisen aus dem Magneteisenslein zu Danncmora oder in zweiler Qualität aus den russischen Eisenwerken des Fürsten Demidoff gebrauchen konnten. Die eigentliche Production von Guss- und Slabeisen war ebenso interessant ¡ils neu, und ebenso die gigantische englische Ausführung.

Wenn uns Schiller in seinem Gang nach dem Eisenhammer von dem Hüttenwerke des Grafen erzählt, wo ihm in hoher »Ofen-Gluth die Eiseuslufe schmolz«, .so waren unsere hohen Oefen damaliger Zeit Ï Meter, höchstens 6 Meier hoch. Die hohen Oefen Englands sind 4 5 bis 4 8 Meier hoch, Thürme, die man an Bergabhänge baut, um mittelst Brücken zu ihren oberen Mündungen gelangen zu können, oder wo Berge fehlen, man sich genölhigl sieht. durch schiefe Ebenen oder Aufziige die Kohlen und Erze auf den oberen Theil des Thurmofeus zu bringen. Am merkwürdigsten war die neue englische Methode, Schmiedeisen und Gusseisen in bisher unmöglich scheinenden grossen Quantitäten in verhältuissmässig kurzer Zeit zu erzeugen. Dieser merkwürdige Process isl es, welcher nicht allein unser ganzes technisches, sondern auch sociales, politisches Leben geändert und dasselbe in eine ganz neue Phase unserer socialen Verhältnisse geleitet hat. Ohne diesen englischen Hültenprocess wäre die Herstellung unserer Schienen und deshalb unserer Eisenbahnen, welche nun Völker mit Völker verbinden, die früher nie oder nur durch die Sage bekannt waren, unmöglich gewesen — unsere gewalligen Schiffe von 4001'ferde- dampfkräften durchfurchen alle Theile des Oceans, der die Well umspannt — der Gedanke an solche Dinge wäre Wahnsinn gewesen — wäre nicht der einfache Eisenmeister Cort in Gloucestershire mit seiner Erfindung in die Welt getreten. Das Holz war nämlich in England immer seltener geworden, eigentliche üppige Wälder, wie sie unser Continent auf/weist, exislir- ten seit langer Zeil nicht mehr. Als Brennmaterial benutzte man Steinkohlen, an welchen England auch gegenwärtig noch einen Ueberfluss besitzt ; allein mit Steinkohlen konnte des Schwefelgehaltes der Steinkohlen halber kein Schmiede-Eisen erzeugt werden ; alles feine Schmiede-Eisen mussle deshalb vom Continente bezogen werden und war bereite auf das Doppelte des früheren Preises gestiegen. Da kam Cort auf den Gedanken, da das Roheisen mit den Steinkohlen seines Schwefel - gehalles wegen während des Schmelzens nicht in Berührung gebracht werden durfte — das Roheisen blos der Flamme der brennenden Steinkohlen auszusetzen , und siehe , der Versuch gelang vollkommen. Das Roheisen wurde in einem flachen Herde mit Slemkohlenflamrnen zu einem Brei geschmolzen, und der Brei dann ununterbrochen mittelst Eisenslangen gerührt, bis das flüssige Eisen sich in ziihes Schmiedeisen verwandelt halte. Das Kühren und Herumarbeilen in einer breiigen Masse oder ursprünglich im Kotbe, hiess in der englischen Sprache Puddeln, und daher wird auch jetzt noch diese neue Methode Schmiedeisen im Flammenofen zu erzeugen, das Puddelu genannt, und der Ofen mit seinem flachen Herde heisst Puddelofen. Gort nahm auf seine Erfindung ein Patent, allein er ginp, wie das meistentheils allen ersten Erfindern geht, mit seinem Patent zu Grunde, und erst als der Process des Puddeln freigegeben ward, wurde er zur gegenwärtigen Vollkommenheil gebracht. Das neue Verfahren des Puddling-Processes halle neben dem speciellen Vortheil für England noch den grossen V'orlheil für die ganze Welt, dass ¡n derselben Zeit eine viel grössere Quantität von fertigem Schmiedeisen hervorgebracht werden konnte, als dies mit dem Verfahren auf dem Continente der lili war, und diese Eigentümlichkeit des Puddlings-Pro- cesses war es, die unserm socialen und technischen Leben eine neue Wendung gab. Wenn unsere Eisenfrischherde des Continents wöchentlich 50 bis 60, höchstens 70 bis 80 Centner Schmiedeisen zu erzeugen im Stande sind , so liefert ein einfacher Puddlingsofen wenigstens 300 Centner. (Fortsetzung folgt.)

Deutsche Operngesellechaften in London 1882.

Vnii lunger Zeit hat die deutsche Oper es wieder unternommen, sich in London geltend zu machen, und zwar durch zwei Gesellschaften auf einmal. Die Schicksale beider hat man bereits einigermaassen aus den Zeitungen erfahren. Es hängt aber so viel Merkwürdiges drum und dran, und dabei steckt noch so viel Unbekanntes hinter dem Berge, dass es dem Verfasser, welcher den Gegenstand in der Nähe betrachten konnte, gestattet sein möge, dem Leser das Ganze noch einmal vorzuführen.

Den Anfang machen wir mit einer Erklärung oder Rechtfertigung, welche Herr Pollini in Hamburg, ein Hauplacteur in dieser Geschichte, dem deutschen Publikum vorzutragen für nölhig gehalten hat. Er schreibt auf Veranlassung von Aeusse- rungen, die uns den Eindruck bestellter Arbeit machen, Folgendes.

Hamburg, U. Juli 188!. Geehrte Redaction !

Hierdurch erlaube ich mir, die ergebene Bitte an Sie zu richten, die nachstehende Erklärung in Ihrem geschätzten Blatte zum Abdruck zu bringen:

Die von Hrn. Hermann Franke im Verein mit mir in dieser Saison arrangirte Deutsche Oper in London ist mit dem l. Juli d. J. zu Ende gegangen. Mit Abschluss dieses Unternehmens hat Hr. Franke, wie dies inzwischen bereits allgemein bekannt geworden ist, seine Zahlungen eingestellt und die Einleitung des Conçu rsv erfahre ns gegen sich beantragt. Um Missdeutungen vorzubeugen, sehe ich mich veranlasst, diesen Umstand durch Anführung der nachfolgenden Thatsachen in das rechte Licht zu setzen. Die diesjährige Deutsche Oper in London war von Hrn. Franke und mir auf Grund eines im vorigen Jahre /wischen uns abgeschlossenen Vertrages unternommen worden. Gemäss diesem Vertrage hatte Hr. Kranke alleindie ganze pecu oiBre Verantwortlichkeit des Unternehmens zu tragen. Er stellte zunächst die rühmlichst bekannte, unter der Leitung des Hrn. Hans Hic h te r stehende, seit fünf Jahren von Hrn. Franke in England selbständig geführte Kapelle zur Verfügung. Er verpflichtete sich weiter, ein zweckentsprechendes Theater zu pachten und erklärte sich bereit, die nötliigcn Anschaffungen und Auslagen zu bestreuen. End

lich lag ihm die ganze fina n ziel I e Leitung des Unternehmens ob. Ich hingegen sollte, gemäss jenem Vertrage, lediglich die artistische Leitung der Saison übernehmen. Hierfür wurde mir von Hrn. Franke eine Gewinnbetheiligung, ohne jede Verantwortlichkeit meinerseits für einen eventuellen Ausfall, bewilligt. Dieser Vertrag ist in allen Theilen zur Ausführung gelangt, mit der alleinigen Ausnahme, dass ich nachträglich einer Anzahl von Künstlern gegenüber, deren Engagemenlsverlräge ich auf unser Beider Namen halte stellen lassen, die Verpflichtung für die richtige Auszahlung der Gagen übernommen hatte.

Der Erfolg, den das Unternehmen in künstlerischer Beziehung hatte, ist bekannt und в. Z. von der gesammten Presse entsprechend gewürdigt worden. Die Vorstellungen fanden fortgesetzt vor vollen Häusern statt, und war das Interesse des Publikums für das in seiner Art neue Unternehmen bis zuletzt ein reges. Dem künstlerischen Erfolge entsprach der finanzielle. Die Einnahmen waren zum Theil sehr gute, und es flössen erhebliche Summen in die Kasse des Hrn. Franke.

Der Umstand , dass derselbe dessenungeachtet seine Zahlungsunfähigkeit angemeldet hat, kann nur in Folgendem seine Erklärung finden. Herr Franke hat, wie sich jetzt herausgestellt, eine vollständige Misswirthschaft getrieben. Die Mielhung eines ganzen zu Bureaux dienenden Hauses zum Preise von 800 Pfd.Slerl., die Einrichtung desselben, kostspielige Engagements eines ganzen Stabes von Bureaubeamlen, eine ungeordnete Buchführung waren die Hauptmängel seiner Verwaltung. Dazu kam, dass er durch ein Leben auf grossem Fusse, Veranstaltung glänzender Soireen etc. erhebliche Privat- schulden contrahirte. Mich versuchte er, wenn ich ihm in der Zeit meines Aufenthalles in London Vorstellungen in einer oder der anderen Hinsicht machte, durch Versprechungen allgemeiner Natur, durch den Hinweis auf seine sehr wohlhabenden Verwandlen und die bedeutenden, ihm zur Verfügung stehenden Baarmillel zu beruhigen. Es gelang ihm dies um so eher, als ich angesichts unseres Vertrages, mich zu Eingriffen in seine finanzielle Verwaltung nicht berechtigt ballen konnte. — Die unvermeidliche Folge dieser mir verheimlichten Misswirth- schaft ist nunmehr eingetreten. Nachdem die ersten Gagenzahlungen während der Saison anscheinend ohne Schwierigkeit von Herrn Franke geleistet worden waren, ist er einem Theile des Personales die beim Abschluss fälligen Gagen schuldig geblieben. Ich besann mich natürlich keinen Augenblick, die berechtigten Ansprüche derjenigen Künstler, die ich gemeinsam mit Herrn Franke engagirt balle, durch sofortige Auszahlung zu befriedigen. Rückständige Gagenansprüche an mich sind somit nicht vorhanden. — Herr Franke seinerseits machte keinen Versuch, irgend Jemanden zu befriedigen, mit Ausnahme dessen, dass er dem gesammlen englischen Orchester Checks auf ein Geldinstitut ausstellte, bei welchem er kein Guthaben hatte, die sich somit ohne Weiteres als werthlos erwiesen. Und doch musste er derzeit, wie es klar am Tage liegt, über nicht unerhebliche Baarmittel verfügen l Die letzten drei Vorstellungen hatten je ungefähr eine Baareinnahme von < 0,000 Л ergeben. Weiter halle er sich ca. 8000 Л dadurch zu verschaffen gewusst, dass er von dem Theater-Director Herrn Carl Rosa diesen Beirag unier der bündigen Zusage entlieh, denselben aus einer von mir zur Verhinderung der Katastrophe zur Verfügung gestellten Rimesse zurückzuzahlen. Herr Franke hat die Rimesse zwar erhallen, Herrn Rosa aber sein Darlehn bis heute nicht zurückgezahlt.

Mit einem Betrage von ungefähr ¿0,000 jH aber, wie er somit beim Abschluss der Saison zum Mindesten in den Händen des Herrn Franke gewesen sein muss, hallen sich die gesammten Verbindlichkeiten dieses Opern-Unternehmens erledigen lassen. Insoweit ich einen Ueberschlag zu machen im Stande bin , hiilte sich aber kein Deficit, sondern ein beträchtlicher Reinertrag als Endresultat ergehen müssen. Anstalt, dessen berief Herr Franke durch ein Circular seine Geschäfts- und Pri- valgläubiger, beantrage , ohne mir eine Abrechnung zu cr- theilen, die gerichtliche Liquidation seiner Angelegenheiten, und reiste, die Regelung derselben einein Anwalt überlassend, mit seiner Familie in eine Sommerfrische ab.

F.in doppeller Grund veranlasst mich, die vorstehende wahrheitsgetreue Zusammenstellung von Thatsachen der Oelfentlich- keit zu übergeben. Einmal wünsche ich dadurch zu vermeiden, dass die in künstlerischer und finanzieller Hinsicht gesunde

Sache um der unfähigen Geschäftsgebalming eines Einzelnen willen in Misscrodit komme ; sodann aber — und dis ist für mich ¡las ungleich Wichtigere — muss mir Alles daran gelegen sein, meinen unter den Augen der Öffentlichkeit durch rastlose Thäligkeil erworbenen Ruf nicht durch die iinsserliche VerbinduriR meines Namens mit einem durch fremde Schuld herbeigeführten Misserfolge gefährde! zu sehen. Beides hofft: ich durch die vorstehende schlichte Darstellung zu erreichen.

Mit meinem Danke genehmigen Sie, geehrte Redaction, den Ausdruck meiner vorzüglichsten Hochachtung. mit der ¡ch zeichne B. Pol l i n i.

(1451 Verlag von

J. Rieter-Biedermann in Leipzig und Wintcrthur.

für

eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte

von

Franz von Holstein.

geb. zu Braunschweig, 16. Februar 18Î6.

gest. zu Leipzig, 22. Mai 1X78.

Л 9

Op. 13. Reiterlieder aus August Becker's »Junf: Friedel, der Spielmanna für eine tiefe Stimme mit Begleitung des Pianoforte. (Herrn Director Heinrich fiphr zugeeignet.¡ . . 2 !iO No. 1. Auszug: »Blas, blas, blas und blas, Trompeter, bins

das Lied» — 50

No. 3. Vom langen Jürg : »Der lange Jörg stund immer

vorn« 1 —

No. 3. Lustiges Reilerleben : »Holiah, hei! welch lustig

Reiterleben hat der Herrgott unsclereinsl^eRcbeii l» — 50 No. 4. Der Trompeter bei Muhlbcrg: "Bei Mühlhcrg halten wir harten Stand« — 80

No. 5. Das gefeite Hemd: »Am Chrislnachtabend sass

mein jüngstes Schweslcrlcin« — 50

Op. 16. Fünf Lieder für eine mittlere Summe mit Begleitung

des Pianoforte. [Fraulein Pauline Л'омии-t r/ßNoidnut.) . . 1 SO No. l. Am Bach: "Rausche, rausche, frolier Bach« von

Fr. Oser — 50

No. ». Jagcrlied: »Zierlich ist des Vogels Tritt im Schnee«

von E. Mörike — 50

No. t. Winlerlied: »Geduld, du kleine Knospe« von E.

vonPlaten — 50

No. 4. Als ich weg ging: »Du brachl'st mich noch Us auf

den Berg« vonKlausGrotli — 50

No. Í. Komme bald ! : »Immer leiser wird mein Schlum- mer« von H. Lingg — 50

Op. 10. Seche Lieder für cineSingstimmc mil Begleitung des Pianoforte. (Herrn Joseph .SrAitd, Konigl. saclis. Ho/opern-

sfintjer freundschaftlichst gciviAincl.} i 50

No. 1. Waldfraulein: »Am rauschenden Waldessäume

da steht ein finsterer Thiirm« von W. Hertz . . -- 8l) No. 1. »Wenn etwas leise in dir spricht« von H. Lingg . — 50 No. 8. Im Frühling: »Blülhcnschnco weht durch «lie

Lande« vom Compomslcn — SO

No. 4. »Ich wohn' ¡n meiner Liebsten Brust« von Fr.

RUckert - SO

No. 5. »Sagt mirnichts vom Parodióse* von Fr. R ¡ick u r l — 50 No. 6. »Gieb den Kuss mir nur heute« von Fr. Kiic kert — so Op. 33. Fünf Lieder für eine Sin^slimme mit Beiileilmi^ <lrs Pianoforte. (Herrn Eugen Gura in l-'rcundscltaß uml t crcli-

rung gewidmet.) 3 —

No. 1. Zur Mandoline : »Schüchtern bricht das nachtue

Schweigen diese Mandoliin'iuveise«« von A. Sc h 011 - so No. 2. Trennung: »Wild saust der Winter durch die

Nacht« von W. Oslcrwald . — 80

No. 3. Abends. -Leise sinkt auf Вегя und Thal Abend- Л 9 dufl hernieder« von J u l i u s A 11 ma n n . . . . — SO

No. 4. Waiideriil'üsse : »Golt nrüss' dich, ruft die Lerche«

von J u l i u s Л 11 m a n n — 80

No. 5. Auf Ponte molle: »0 Ponte molle, du treffliche Brück« aus J. V. Scheffol's Trompeter von Siikkinpen < —

i"«iParzival,

der Ritter ohne Furcht und Adel. {Sine ;3fcßgaßc

von

Siegmey.

Mit 13 Zeichnungen von Henry Albrecht. Bieg. Ausstattung.

Geh. Preis / Л. Leipzig:. IÎOK«4it1ml"scho Vrrlasshdlg.

|147] Mitte August erscheinen in meinem Verlage mit Verlagsrecht für alle Lander:

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С dur) í'iir g1 г- о s s e í-s O i- e li ester-

componirl von

Albert Dietrich,

Op. 35.

Partitur. Orchester-Stimmen. Ciavier-Auszug zu vier Händen vom Componislen.

Symphonie

No. 2 Es dur!

für grosses Orchester

componirt von

Friedr. (xernsheim.

Op. 46.

Partitur. Orchester-Stimmen. Ciavier-Auszug zu vier Händen vom Componisteii.

Leipzig und Wintcrthur. J. Rieter-Biedermann.

[14SI Im Verlage von J. Siete r-Biedermann in Leipzig und Winterthur ist erschienen und kann durch jede Buch- nder Musikalienhandlung bezogen werden :

Nottebohm, Gustav, Beethoven's Studien. Krsier Band.

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Beethoveniana. Aufsätze und Jlillheilungen. Preis

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Die Allgemeine Mueikalixche Zeitung

erscheint regelmäßig an jedem Mittwoch

Ud ist durch eile Postämter uiid Buch-

kaudlungen ю beziehen.

Allgemeine

Freie: Jährlich IS Mk. Vierteljährliche l'raiium. 4Mk.SOPf. Anzeigen; die gespaltene Petitzeile oder deren Kaum 30 P£ Briefe und Gelder werden franco erbeten.

Musikalische Zeitung.

Verantwortlicher Rédacteur: Friedrich Chrysauder.

Leipzig, 9. August 1882.

Nr. 32.

XVII. Jahrgang.

Inhalt: Deutsche Musiker in Schweden. II. J. G. Naumonn. — Theobald Bühni. Ein merkwürdiges Künstlerleben. (Fortsetzung.) — Anzeigen und Beurteilungen (Handel-Album. Arranged from the Scores for the Organ by W. T. Best). — Anzeiger.

mann im Juni 1777 nach Stockholm übersiedelte , wo er sich ungefähr ein Jahr lang aufhielt, um das Orchester zu reorga- nisiren und Ain¡>hinn zu componiren. Die Angabe MeissutT's, dass sein Vorgänger U 11 i n i nein sehr mitlelmässiger Künstler« gewesen sei und die Kapelle des Königs sich »in solcher Unordnung befunden habe, dass Naumann nahezu an der Möglichkeit verzweifelte, Licht in dieses Chaos zu bekommen,« dürfte wohl schwerlich bei demjenigen Glauben finden , welcher mit der Geschichte des schwedischen Theaters Unter Ultini bekannt ist. Wahrscheinlich ist dieses strenge Urtheil ein Ausdruck für Neumann's persönliche Ansicht, welche von Gustav III., der Naumann mit den ehrendsten G unstbezeugungen förmlich überschüttete, unterstützt wurde. Zwar ist es glaublich , dass sich das Orchester nicht im besten Zustande befunden hat und dies ist bei den traurigen Voraussetzungen, welche bei der Gründung der Oper 1773 vorhanden waren, auch gar nicht zu verwundern. Wie dem aber auch sei, so ging Naumann seinen Weg still und ruhig. Er sammelte die in Schweden hier und da zerstreut lebenden Musiker um sich und verschrieb andere von Sachsen ; durch ruhigen Ernst rottete er so manche Missbräuche aus, und es gelang ihm, bei der Hofkapelle allmälig eine bessere Ordnung einzuführen und ein Orchester zu gründen , welches zwar seinem Ideale nicht entsprach , sich aber bestimmt mit den besten in Deutschland messen konnte. Die augenscheinliche Gewogenheil des Königs gab seinen Anordnungen Nachdruck. Diese Gewogenheit, welche infolge der Bescheidenheil des Künstlers nur noch zunahm, hatte natürlicherweise die des Hofes und der Vornehmen im Gefolge, und Naumaon wurde mit Aufträgen dermaassen überhäuft, dass r in einem Briefe schreiben konnte (ich cilire nicht wörtlich, nu dem Hauplinball nach) : »Wenn ich mich zcrlheilen könnte und der Tag i 8 Stunden hätte, so würde ich hier unermessliches Geld verdienen. Schade nur, dass ich meine allen Opern nicht mitgenommen habe, hier könnte ich sie alle in klingende Münze umsetzen, denn Alles was meinen Namen Irägl, ist jetzt neu und hübsch. Die Welt ist doch recht eigentümlich.«

Einen augenscheinlichen Beweis für Neumann's Energie dürfte man auch in dem mit der Aufführung seiner Opern im Zusammenhange stehenden quantitativen Zuwachs des Opernpersonals sehen können. Hierin ist es interessant, den Thealer- kalendern ans jener Zeit zu folgen , und es möge mir daher gestattet sein, hier mit einigen, den Kalendern für 1779, (783 und П87 entnommenen Zahlen, welche selbslverständlich das Verbältniss der vorangegangenen Jahre angeben , diese zwar ohne Gustav's III. grossartigen Eifer und Freigebigkeit nicht möglich gewesene Entwicklung näher zu beleuchten, und als

Deutsche Musiker in Schweden.*)

Von Dr. A. Lindgren in Stockholm. II.

J. G. Naumann.

Obschon Naumann in Schweden nie als Kapellmeister angestellt war, so liai er sich um die schwedische Oper, was Composition und Organisation anbetrifft, dennoch solche Verdienste erworben, dass ihm in unserer Gallerie ein Platz nicht gern versagt werden kann. Da er sich aber den grösslen Theil seines wechselreichen Lebens ausserhalb Schwedens Grenzen aufgehalten hat, so will ich hier, auf die ausführlichen Biographien von Meissner, Rochlitz und Fétis**) verweisend, nur seine Wirksamkeit innerhalb derselben besprechen.

Johann Gottlieb Naumaun, als Sohn eines armen Bauern am Г7. April 17Я in Blasewitz bei Dresden geboren, war von seinen Eltern zuerst zum Handwerker, dann zum Lehrer bestimmt und erhielt erst im Jahre 1757, durch zufällige Bekanntschaft mit einem schwedischen Musiker Namens Wessi röm Gelegenheit, seinem Beruf als Musiker zu folgen. Dieser Wesslröm, welcher erstaunt war, den Jüngling Bach'- sche Melodien spielen zu hören , nahm Naumann nach Padua mit, wo er bald Tartini's Aufmerksamkeil erregte und von ihm drei Jahre kostenfrei unterrichtet wurde. Von Wesström, von dem er tyrannisch behandelt und als Nolenschreiber und Koch benutzt wurde, trennte sich Naumann bald und unter dem Schulze Anderer gelang es ihm, seine Studien theils in Neapel, theil.s in Bologna bei Padre Mariini fortsetzen zu können. Nachdem er in Venedig mit einer Oper glücklich debutirl hatte, wurde er 4761 /ufoige einer an die Kurfürstin Willwe von Sachsen, Maria Antonia , eingesandten Composition zum kurfürstlich sächsischen Kirchencomponislen, und 1776, nachdem er Italien noch zweimal besucht und mehrere Opern componirl hatte, deren Namen uns gleichgültig sein können, zum Kapellmeister ernannt.

Durch den schwedischen Minister in Dresden , den Grafen F. A. Löwenbjelm, dessenGemahlini(dieGräfin Augusta**'] Fersen) eine Schülerin Neumann's gewesen war, wurden nun Unterhandlungen angeknüpft, welche dahin führten, dass Naii-

) S. i: J. C. F. Hoeffner in Nr. ».

  • ) A. G. Meissner, Bruchstucke zur Biographie J.G. Naumann'.s. Prag 1804. — F. Rochlitz, Für Freunde der Tonkunst. III. 3. Aufl. Leipzig 1868. — Fétis, Biographie universelle des musiciens. S.Edition. Paris 4878.
      • ) Nicht Ulla, wie Meissner unrichtig angiebt. XVII.

sprechenden Vergleich die Nummerstärke unserer gegenwärtigen Oper anzuführen :

1778 1782 1786 1882

Solisten 28 22 28 18

Choristen .... 39 49 87 4l

Ballet 43 63 63 42

Geigen (3 (6 U 12

Bratschen .... 4 5 4 4

Celli i 4 4 4

Contrablisse .... S 4 3 4

Flöten 3 4 Í 3

Oboen l 3 4 3

Clarinetten .... — t t 3

Fagotte l 2 3 :t

Waldhörner.... 2 Ï 6 5

Trompeten .... — 2 Í (9) 3

Posaunen .... — — — .1

Pauken — » l (ï) l

Türkische Musik . . — — — t

Harfe — — — l

Hieraus gehl hervor, dass Chor und Ballet in wenigen Jahren einen Umfang erhielten, von dem wir jetzt nur noch die Hälfte auf/.uweisen vermögen, und das* die Stärke der Violinen eine Höhe erreichte, gegen welche die jetzige um '/;1 zurücksteht. Clarinetlen wurden bereits (780, Trompeten und Pauken l T Hl ins Orchester aufgenommen und 4785 mit neun besonderen »königlichen Hoftrompelern« und zwei »königlichen Ilofpaukenschlügern« verstärkt. Dagegen vermisst man die Posaunen bis 1816, die Harfe bis I8H. Da aber Naumann schon in »Cora« vier Posaunen (seltsamerweise beim Opferchor und пи-Ill beim Erdbeben) vorschreibt, so ist es wahrscheinlich, dass solche den Militärkapellen entliehen wurden. (Schluss folgt.)

Theobald Böhm.

Ein merkwürdiges Künstlcrleben.

Von Professor Dr. т. Schufhiiutl.

(Fortsetzung.|

Bbhm errichtet englische Schmelzofen in Deutschland; wird Hülfen- und Puddelmeister.

Böhm sah die Wichligkeil dieser Art von Slabeisenerzeu- gung für sein Vaterland Bayern sogleich ein. Ich führte Böhm in die Theorie dieses Processes und den wunderbaren llüllen- proccss überhaupt ein, und der Flötenvirtuose Böhm war bald mit dem Puddlingsofen ebenso vertraut als mit seiner Flute.

England war nun in Bezug auf den Eisenbedarf vom Auslande mehr als unabhängig, allein zu dem sogenannten englischen Gussstahle, dem besten in der ganzen Welt, war es doch nicht zu gebrauchen. Bei Verschmelzung des englischen Eisensteines, des sogenannten Thoneisensteiues, wurden neben dem Eisen noch andere Metalle, Kiesel, auch Thonerde zu Silicium und Aluminium reducirt, die sich mit dem Eisen verbanden ; auch die Steinkohlenflamme im Puddlofen gab noch immer einen , wenn auch nur einen geringen Theil Schwefel an das Eisen ab. Ich machte mehrere chemische Analysen und gelangte bald dahin, die schädlichen Bestandteile aus dem Eisen während des Puddlings-Processes zu entfernen, allein die Mittel zu diesem Zwecke waren in ihrer Anwenduni; im Grossen viel zu kostspielig, zum Theil auch nicht ¡n so (¡rossen Quantitäten zu erhalten. Es gelang eine Verbindung von überall

zu erlangenden wohlfeilen alltäglichen Mitteln zu erfinden, welche ihren Zweck beinahe ebenso gut erfüllten, als die theuern chemischen lleagentien. Der Fabrikherr, unter dessen Auspicien wir die Versuche anstellten, nahm ein Patent auf den neuen Process, und Böhm eilte nach München zurück, um den englischen Puddlings-Process auch in Bayern einzuführen, wo man noch immer die alte Herdfrischmethode zur Erzeugung von Schmiedeisen anwendete. Die Einführung gelang vollkommen, und der Puddlings-Process wurde auf allen Eisenwerken Bayerns eingeführt ; dafür ward unserm Hofmusikus Böhm am 2. Januar 1839 vom König das Uitlerkreuz des Verdienstordens vom heil. Michael verliehen.

Böhm bereiste nun zuerst die Eisenhüttenwerke am Hhein und in der Nähe des Rheins, wo er den patentirten Process zuerst in dem grossarligen Eisenwerke des Herrn von Krämer, ebenso in dem von Stumm einführte. Mittlerweile war das in England patenlirle Verfahren durch das Journal des Patent oflice veriilfentlicht worden. Kin Patent in Deutschland w;ir natürlich nach dieser Veröffentlichung nicht mehr zu erhalten ; allein Böhm bereiste dennoch die österreichischen und böhmischen Hüttenwerke, leitete da während des Tags den Puddlings- Process als Hütten- und Puddelmeisler und war nach vollbrachtem Tageswerke Abends wieder der Flölenvirluose. Da versammelten sich dann gewöhnlich die Hütten- und Bergleute und lauschten in aller Stille, lautlos, so lange Böhm in seinem Zimmer spielte. Einst in einem böhmischen Eisenwerke glaubte er Geräusch vor der Thüre seines Zimmers zu vernehmen. Er öffnete und fand da den Vorplatz gan/. mit Hültenleulen angefüllt und selbst die Treppe war mit Hüttcnleiiten besetzt. Nacli seiner ersten Ueberraschung redet der ihm am nächsten stehende Hüttenarbeiter in seiner einfachen Weise : »Nicht wahr, Herr Böhm, Sie erlauben schon, dass wir Ihrem Spiele zuhören, wir verhalten uns ganz ruhig.« Böhm liess so viel, als das Zimmer fassen konnte, eintreten und wiederholte jeden Abend sein Flötenspiel unter der bewundernden und hoch erfreuten Menge.

Böhm reiste nun in doppelter Eigenschaft : als Flöten- virtuose und als Hüttunmann — je nachdem sich die Umstände ergaben, und seine Flöte führte ihn auch in Deutschland in Kreise, wohin sich der Fuss eines Hültenmannes nie verirrt hatte.

Aufenthalt In Paris 1834. Der Akustiker Savant.

Böhm war auf kurze Zeit wieder nach Müncuen zurückgekehrt, um sich nach seinen Fabriken umzusehen, und verliess bald München wieder und reiste nach Paris am Ende Juni 1 834, während Gordon noch immer an seiner Flöte arbeitete. In Paris angekommen, spielteer wieder auf seiner Ringklappen-Flöle. Der berühmte Flötenspieler Vincent Dorus war eben an der grossen Oper angestellt, als er, nachdem er unsern Böhm gehört, sogleich seine gewöhnliche Flöte bei Seite legte und die neue Böhm's studirle. Der junge Virtuos war damals erst 22 Jahre alt und fand sich sehr rasch in den Fingersatz der neuen Flöte.

Wir haben schon gehört, in Paris machte Böhm's Flöte gewaltiges Aufsehen , trotzdem dass sich die allen Flötisten , wie in Deutschland , gegen die Böhm'sche Flöte wehrten. Indes» die berühmten Instrumenlen-Fabrikanten im Palays-royal zu Paris Farreau, Camus & Laurent kannten schon im Jahre 1833 ebensowohl Böhm's Flöte, als das Modell Gordon's, und es war nirgends ein Zweifel darüber, welcher von beiden Flöten der Vorzug gebühre. Dass die Flöte Böhm's nicht rascher in der Welt ausserhalb Paris bekannt wurde, daran war Böhm selbst schuld, der seine Aufmerksamkeit, wie wir bereits gesehen, mehrere Jahre ganz der Eisen- und Slahlfabrication zugewendet hatte. Allein nach dem Wiedcrerscheincn Bohin's als Virtuose mit dem Anfang des Mai 1837. bahnte sich Böhm's Flülr rasch ihren Weg durch Paris und Frankreich.

Böhm wollte vor Allem das Gutachten wirklich Sachverständiger, gelehrter Akustiken hören und wandle sich deshalb an den damals berühmtesten Akustiker, den Akademiker Sa- vart. Dieser nahm anfangs wenig Notiz von der Versicherung Böhm's, dass auf seiner Flöte in allen Tonarten rein zu spielen sei, denn er erklärte, »eine in allen ihren Scalen reine Flöte herzustellen, sei eine Unmöglichkeit«, bis ihn Böhm von der Möglichkeit einer in allen Tonarten reinen Flölenscula durch die That überzeugte. Savart war ausserordentlicli überrascht, sagte Böhm viel Schmeichelhaftes und veranhissle ihn in der Sitzung der Académie des Sciences am i. Mai (837 eine Skizze über seine Erfindung vorzutragen und sie durch sein Spiel zu erläutern. Die Flöte wurde dann durch eine Commission, die aus den berühmten Akademikern und Professoren am Conser- valorium de Prony, Dulong, Savart, Paer unil Auher bestand, genau untersucht und durch das glänzende Gutachten dieser Commission erlangte die neue Flöte ein allgemeines Interesse.

Coch* in Paris verändert Böhm's Flute.

Zu den ersten, welche in Frankreich mit voller Begeisterung dem Studium der Bühm'schen Flöte sich zuwendeten, gehörte der bereits vorhin (Sp. 489) erwühnte ausgezeichnete Flötist Victor Jean Baptiste Coche , ein Schüler Tulou's vom Pariser Conservatorium, der <834 als 21 jähriger junger Mann den ersten Preis erhielt und sogleich neben Tulou als Lehrer angestellt wurde. Gerade ein Jahr später trat Böhm in Paris mitseinerneuen Flöte auf, und die meisten jungen Flötisten schwärmten für das neue Instrument.

Unterm 7. November schrieb Coche an Böhm : »Je ne puis vous exprimer toute l'admiration que j'éprouve jaque jour en travaillant vôtre magnifique et riche instrument que est appelé à faire une révolution des plus marquables dans les instrumens à vent. Aussi c'est avec beaucoup d'ardeur que je le cultive. Puisse-je un jour être digne par mon exécution de partager les suffrages que appartiennent de droit ù celle belle invention.с

Coche entwickelte in einer eigenen Schrift die Vorzüge des Böhm'schen Instrumentes*) und schrieb noch im Jahre 1839 eine ausführliche Schule für die Böhm'sche Flöte.

Leider entstanden zwischen dem anspruchslosen Böhm und seinem frühern Bewunderer Coche einige Dilferenzen. Coche hatte nämlich 1838 eine sogenannte Verbesserung an der Bühm'schen Flöte angebracht. Die Verbesserung bestand darin, dass die nach dem Böhm'schen Principe offene </is-Klappe in eine geschlossene verwandelt wurde, weil sie dem an die alle Flöte gewohnten Virtuosen in Folge des alten GrifTsystems bequemer war als die olfene lyii-Klappe Böhm's.

Diese Klappe wurde als Verbesserung in die Well hinausgeschrieben, und Böhm enlgegnele, das sei eine ganz unsystematische Verbesserung an seiner Flöte, da mit seiner Klappe alle Töne der chromatischen Scala vollkommen rein und leicht ansprächen, allein das half in Paris nichts. Böhm's Flöte mil der Verbesserung von Corhe und h.un begann nun in Paris Mode zu werden und noch gegenwärtig werden in Paris alle Böhm'schen Flöten mit der geschlossenen i/is-Klappe gemacht.

Dabei sagt Böhm : »Alle bisher erhobenen Discussionen über meine Flöte beziehen sich eigentlich nur auf die Klappon- einrichlung, welche ohnedies meistens mehr nach individuellen Ansichten beurtheilt wird, da ein Jeder dasjenige für das Beste hält, was seinen eigenen Fingern am meisten enlsprichl. Ich legte von jeher nur insofern Werth auf mein Griffsystem, als ich in der consequenten Einrichtung desselben das einfachste Mittel zur Erreichung meines Zweckes gefunden zu haben

  • ) Examen critique de la Flûte ordinaire comparée à la Flúle de Во« h m présentée à M. M. les Maîtres de l'Institut (Académie royale des Beaux Arts) par V. Coche, Professeur au Conservatoire de Musique. Paris 4838.

glaubte ; der eine Hauptpunkt war aber die Verbesserung der Flöte in allen ihren akustischen Verhältnissen, auf welchen die grössere oder geringere Vollkommenheit aller musikalischen Instrumente hauptsächlich beruht, während der Mechanismus derselben von einem untergeordneten Werthe ist. Auch ist es viel leichter, Klappen zu conslruiren, als Töne zu verbessern.«

Unser Böhm war , wie wir sahen , abwechselnd Virtuose und Hüttenmann. So trat er, nachdem er sich in Paris hatte hören lassen, in London im fünfzehnten Abendconcerle des neuen Musical Fund for the Relief of decayed Musicians their Widows and Orphans am Freilag den 17. Juni <836 mit seiner neuen Flöte auf.

Was London, was die Welt überhaupt Grosses an Sängern und Sängerinnen halte, wirkle hier vereint mil. Mad. Grisi, Mlle. Assandri, Sig. Rubini, S. Lablache, S. Tamburini reprä- senlirlen den Gesang. Als Instrumentalisier! kündigt der Con- certzeltel an: M. Öle Bull, M. Lindley und Dragonelti, der Eine einer der gewaltigsten Violoncellisten, der Andere der Paganini auf dem Contrabasse. M. Casimir Backer spielte eine Phantasie auf dur Harfe. Nach Öle Bull kündigte der Zettel M. Theobald Böhm, der eine Phantasie auf seiner neu erfundenen Flöte spielen werde, mit der Bemerkung an: being his ñrst performance al London this season.

In London begannen sich nun die Inslrumentenmacher immer mehr für die Böhm'sche Flöle zu interessiren. Böhm baute in Verbindung mit mehreren Fabrikanten musikalische Instrumente.

Böhm trat Ende Juli seine Heimreise an, um die österreichischen Hüttenwerke zu besuchen. Beim Eintritt ins Oester- reichische wurde er von einem heftigen Cholera-Anfall ergriffen. Seine eiserne Natur hat ihn auch hier gerettet. Den Kranken quälte brennender Durst. Der Arzt erlaubte ihm endlich Wasser — da überfielen ihn furchtbare Krumpfe, so dass der Arzt rathlos dastand. Böhm erholte sich wieder; der quälende Durst stellte sich neuerdings ein. Er verlangte von der Wärterin Wasser. Diese weigerte sich anfangs, weil sie die schreckliche Wirkung desselben gesehen balle, reichte es endlich. Böhm war aber vorsichtig geworden, er behielt das Wasser im Munde, bis es erwärmt war, verschluckte es dann, wiederholte dies so lange der Durst anhielt, war rasch genesen und wurde fortan einer der feurigsten Anhänger des Wassers als einziges und liebsles Getränk bis an sein Ende.

Die Flötenfabrik halte unterdessen sein ausgezeichneter musikalischer Arbeiter Grevé fortgeführt, deshalb konnte Böhm ohne Sorge seinen Geschäften als Eisenhüttenmann nachgehen. 1838 durchreiste er Oeslerreich, eigentlich Böhmen mit seinen Hüttenwerken.

Unterdessen hatte Coche in Paris der Böhm'schen Flöte eine sehr grosse Verbreitung gegeben ; zugleich tauchte aber das Gerücht, wie wir bereits gehört haben, unter den Musikern auf: Die neue Flöte Böhm's sei eigentlich eine Erfindung des schon genannten Obrislen Gordon. Coche schrieb darüber an Böhm unterm 25. Mai <835. Böhm antwortete am 2. Juni desselben Jahres. Coche publicirle den Brief Böhm's und der Madame Gordon ; denn Goidon war bereits sehr krank und geistesabwesend, wie wir oben (Sp. 489) gehört haben. Coche halle die Böhm'sche F'öle natürlich mit seiner Verbesserung der Académie royale des Beaux Arts in Paris vorgelegl. Die Commission bestand aus Cherubini, Paer, Auber, Halévy, Carafa und Berlon als Rapporleui , lauter weltberühmte Namen. Die Akademiker schlössen sich dem Rapporte Berlon's an, wie der Secretair der Akademie Quatremere Quincy bezeugte. Berlon überschickle sein Protokoll an Coche mil der vollsten Anerkennung der Gewichligkeil und Genialität der Böhm'schen Erfindung.

Dass der Gedanke der Pariser Flötisten auf Gordon nls den

SS*

Erlinder der Bühm'sehen Flöte geleitet wurde , mag ans dem Umstände hervorgehen, dass Gordon, ein früherer Schüler Drouel's, seinem Lehrer und dem berühmten Flötisten Tulou seine Ideen über eine verbesserte Flöle inittheille, welchen das System geliel, die sich aber gegen jeden neuen Fingersatz energisch wehrten. Dass si-h die beiden Virtuosen mit dem Wesen des Gordon'schen und Böhm'schen Systems vertraut gemacht hallen, ist von Virtuosen und von so berühmten V'ir- luosen am wenigsten zu erwarten.

liohin hat uns eine Geschichte seiner Erfindung in einer eigenen Broschüre: »Ueber den Flötenbau« (Mainz 1847] gegeben und unter anderm recht überzeugend gesagt : »Den sichersten Beweis für die Aulhenticilät meiner Erfindung glaube ich aber durch die Darlegung der Motive, die mich zu meiner Construction veranlassleii, und durch die Erklärung der akustischen und mechanischen Principien, die ich hierbei ¡n Anwendung brachte, geben zu können. Denn nur derjenige ist fähig, ein durchaus rationelles Werk zu liefern, welcher von der Conception desselben angefangen über das Warum und Wie der Ausführung eines jeden einzelneu Theiles vollständig Rcchen- schaft zu gehen im Stande ist.« Die Broschüre halle Böhm später auch ins Französische übersetzt und sie dem berühmten Flötisten, seinem Freunde Dorus gewidmet, der, wie wir schon gehört haben , sogleich seine Flöte bei Seile legle, als er Böhm auf der neuen Flöte gehört halle. Dorus trug ebenfalls sehr viel zur Verbreitung der Böhni'schen Flöte in Frankreich bei, was Böhm auch in seiner Dedication dankbar anerkennt: »Votre délicieux talent a popularisé en France ma (Iule de 1832.«

Böhm's Verbesserungen des Transmissions Apparates.

Böhm war noch immer mit der neuen Einrichtung unserer bayerischen Eisenwerke beschäftigt und wurde daher, wie wir schon gehört haben, am i.Juni 1839 durch den König zum Ritter des Verdienstordens vom heil. Michael erster Klasse erhoben. Trotz alledem linden wir ihn wieder in kleinen Zwischenräumen zu Paris und London , überall das technische Wirken und Treiben der Zeit zugleich im Auge behaltend.

So halten die sogenannten Transmissionen, mechanische Apparate /um üebertragen der bewegenden Ur- oder Haupl- kraft nach den verschiedensten mehr oder weniger von der HauplkraCl entfernten Theilen des Fabrikgebäudes, mehrere Complicalionen , wie Wellen, Bäder nöthig gemacht, welche durch Reibung, Torsion, Masse einen grössern oder geringem Theil der bewegenden Kraft absorbirten und für ihre Zweck« zu Verlusl brachten.

Böhm's merkwürdige Combinationsgabe fand im Vorbeigellen, möchte ich sagen, während seines Aufenthallos in London eine höchst einfache neue Art, die Transmissionen olrne Kiemen oder Wellen, die er in einem kleinen Modelle unter der Hand ausführte und die so sinnreich war, dass man ihn veranl.issle, das Modell der Society of Arts in London vorzulegen. Die Society war durch diesen einfachen neuen mechanischen líe.1.mkeii so erfreut, class sie unserm Böhm die grosse silberne Medaille volirte, die er .im 8. Juni (835 aus der Hand des Präsidenten der Soclely , des Herzogs von Sussex, in der öffentlichen Versammlung der Society in ihrem Versammlungs- hause livier Hall in London erhielt.

Bonn's letzte Verbesserung der Flöte. Die Cylinder-Flute 1847.

Wir kommen nun /,ur tel/.len gliin/.enden Umschalïïmg der Flöte, zur Cylinderllöle aus Metall oder Holz.

Sie stammt ans dem Jahre Miß bis (841. Während Rühm noch immer in Bayern mit Einführung einer neuen Krlindung Faber du Four's beschäftigt war, nämlich die bisher ans der nheren OcMiiung des Hochofens unbenutzt entweichenden

brennbaren Gase zur Heizung des Ofens seihst zu benutzen, dachle er schon in jeder freien Minute auf eine letzte endliche Verbesserung seiner Ringklappen-Flöle , indem er zahlreiche Versuche in seiner Wcrkslälle anstellte und endlich im Jahre 1847 seiner Flöte die letzte Vollendung gab.

Das beständige Beobachten in der weissglühenden Höhlung der Puddlingsöfcn halle seine Augen derart geschwächt und empfindlich gemacht, dass trotz aller angewendeten Millel das Hebel immer peinlicher wurde, so dass er sich endlich ge- nölhigt sah , den König zu lullen , ihn als Mitglied der königl. Hofmusik in den Ruhestand zu verselzen. Sein Ansuchen wurde Ende September ( 848 genehmigt, und er erhielt damit einen Ruhrgehall von jährlich 1080 Gulden.

Jelzt konnte Böhm alle seine Kraft der Verbreitung seiner neuen Erfindung zuwenden, da ihn keine weitere Verpflichtung mehr von der Lösung seiner einzigen Hauptaufgabe abhielt.

Wir haben bereits gehört, dass in Paris der berühmte Flötenspieler Coche durch sein Lxamcn critique das Wesen der Bülim'schen Ringklappen-Flöte den Franzosen erläutert und so theoretisch und praktisch zur Verbreitung der Flöle von Böhm mit dem grössten Erfolge gewirkt, einer Flöte, welche von dem Pariser Fabrikanten Godefroy aine & Lot in grosser Vollkommenheit ausgeführt wurde.

Dll Schriften des Flötisten Carte in London (Ur Böhm.

In England war es die berühmte älteste Flötenfabrik von Rudall & Rose in London, welche Böhm's Flöte in hoher Vollkommenheit ausführte, und der berühmte Flötist Л. Carle hatte schnell die alte Flöte mit Böhm's Ringklappen-Flöte vertauscht, gab jedoch dabei Unterricht auf der alten und neuen Flöte. Kr halle eine vollständige Schule für die Böhm'sche Flöle mit der geschlossenen oder offenen jis-Klappe geschrieben, *) die mehrere Auflagen erlebte, dann ein anderes interessantes Werk: »Erklärung der Böhm'sehen Flöle: eine Analyse derselben, ausgezogen aus dem vollständigen Cursus des Unterrichts nach der Böhin'schen. Flöte.«**)

Diese Analyse ist sehr lichtvoll gehallen. Sie führt Jeden nicht allein in das Wesen der Böhni'schen Flöte ein , sondern giebt auch eine vollständige Instruction über die Erzeugung der Töne in der ersten, dann der zweiten und drillen Octave. Sie behandelt in einem eigenen Paragraphen die sogenannten französischen Verbesserungen , nämlich die geschlossene gis- Klappe in Beziehung auf die ursprünglich oiïene Klapp« der Böhm'schen Flöte und erklärt hier wieder, dass die Anwendung der offenen до-Klappe an der Böhni'schen Flöte anstatt der geschlossenen Klappe der alten Flöte einen ihrer Haupt- vorzüge vorder allen Flöle bilde. Carle weist dies durch Nolenliguren auf anderthalb Seiten nach. Das allein war eine Demonslratio ad oculos gegen das französische Vorurtheil, eine praktische Begründung der Vorzüglichkeil des Böhm'sche« Systems, die man in keinem ändern Werk dieser Art wieder findet. Carle erklärte auch ausdrücklich, dass Anfänger sich in den Fingersalz der neuen Böhni'schen Flöte viel rascher finden, als ¡n den Fingersatz der alten Flöle. ***)

In Paris halte der ausgezeichnete Flölenfabrikant M. Clair Ilodefroy das Recht, die neue Flöte von Böhm zu fabriciren, unserm Böhm um 6000 Francs abgekauft. Das Gleiche that

  • , II.-Parle, A complete course of instruction for the Bnehm Klutc (bold the <i|ien and the 0-heyed l-'lule) for beginners as well as for those acquainted with Hie old Flute. 48iS. (Die erweiterte Auflage dieses Werkes von Шп siehe weiter unten.)
    • , The Bochín Flute explained. Analysis extracted from the complcl course of instruction for the lloelim l-'lule by Д. Carte. London 484».
    • ) Von Carte's Schriften und Wirken für Böhm wird in einem folgenden Abschnitt abermals die Rede sein.

der lostrumentenfabrikant Lot. Er erhielt ein Privilegium für die Flöte Bölim's uacb dem alten und neuen System. Sie verbreiteten ibre vortrefflich ausgeführten Instrumente durch ganz Frankreich. Es wareo demnach die Engländer Kudall & Rose in England und Godefroy & Lot, welche die Höhm'srlie Ring- klappenflöte durch ganz Frankreich und endlich durch die ganze Welt verbreiteten.

Es ereignete sich bei dieser ersten Wanderung der Böhm'- schen Ringklappen-Flöten durch die verschiedenen Regionen der Well manche interessante Anekdote. Sobald die Flötisten durch den ersten Anblick der neuen Flöte überrascht wurden, geriethen sie in ein Dilemma zwischen dem überraschend wunderschönen Tod der Böhm'schen Flöte und der neuen Appli- calur. Im Jahre 1850 war auch eine solche Flöte nach Neapel gekommen und erregte unter den Flötisten allgemeines Interesse. Am meisten fand sich der Professor der Flöte etc. am Conservatorium zu Neapel, Scaramelli, von der neuen Flöte angezogen. Der gegenwärtig in München lebende ausgezeichnete Schweizer Arzt Dr. Isenschmied, zu dieser Zeit im Dienste des Königs von Neapel und Schüler Scaramelli's, erzählt uns : Scaramelli hatte einen merkwürdigen Kampf durchzufechlen zwischen der neuen Flöte Böhm's und seinem alten Instrumente. D«r Ton der neuen Flöte zog ihn immer mehr und mehr an, das neue Griffsyslem dagegen stimmte seinen Enthusiasmus wieder herab. Scaramelli kam indessen immer wieder zu der verhä'BgBtssvollen neuen Flöte zurück, probirte immer mehr und, mehr und fand, dass die Sache sich immer besser und besser mache. Er fand endlich, dass die anfangs eo enl- setzlick gedachte Schwierigkeit in kurzer Zeit zu überwinden sei, und war endlich so kühn, mit den Flötisten Neapels zu wetten — in vier Monaten werde er auf der neuen Flöte dieselbe Fertigkeit wieder erreicht haben, wie auf der alten. Die Welle wurde angenommen und Scaramelli blies nach Ablauf der vierten Woche auf dem Theater S. Carlo in einem Zwi- sckenacle ein Flötenconcert mit Orchesterbegleitung auf der neuen Flöte mit ungeheurem Applaus — und die Welle war glänzend gewonnen ! Scaramelli verlheidigte zuletzt auch die Böhm'- sche Flöte gegen einen Angriff aus Florenz, indem er bewies, dass der Angreifer das Princip, auf welches sich der Bau der B&bm'sche« Flöte gründete, gar nicht begriffen habe.

Böhm's Bericht über 41« Entstehung seiner neuen Cylinder-Fläte.

Diese Riagklappen-Flöle indessen befriedigte unsern Böhm noch licht ganz , hinsichtlich des Klanges und der Ansprache hoher und tiefer Töne *) : ein letzter Uebelstand, der nur durch, eine totale Veränderung der Bohrung des Flölenrohres erreicht werden konnte.

Aas dem Bestreben, diesem noch bestehenden Hangel abzuhelfen, ging die letzte Voltendung der Böhm'schen Flöte — die cylindriscbe mit den grossen durch Deckklappen zu seh l i essend e n Tonlöchernund d em conoid ischen Kop fslü ck e hervor. »Ich hatte von jeher nicht begreifen können, warum unter allen Blasinstrumenten mil Tonlöchern und konischen Bohrverhällnissen die Flöte allein an ihrem dicken Ende angeblasen werden soll, da es doch nalurgemässer ist, dass die bei zunehmender Tonhöhe immer kürzer werdenden Luftsäulen-Abschnitte zugleich auch verhällnissmässig dünner werden. Ich versuchte es daher, die Verhältnisse umzukehren und hatte bald gefunden, daes meine Ansichten, richtig waren. Erst im Jahre 1847 gelang ек mir, Flotea nach einem wissenschaftlich begründeten System herzustellen, wofür mir bei der Weltausstellung in London 4851 uad in Pacis (855 der höchste Preis zuerkannt wurde.

  • { ВвНт, Die Flute und das Flölenspiel (München 1871) Seite ».

»Ich hatte (fährt er fort) im Jahre 1846 eine grosse Anzahl konischer und cylindriscber Kohre von der verschiedensten Dimension und aus vielerlei Holzarten und Metallen verfertigt, um die Brauchbarkeit bezüglich der Tonhöhe, Ansprache und Klangfühigkeit gründlich zu untersuchen. Es ergab sich bei diesen Versuchen

H) dass die Starke, sowie dur volle reine Klang dieser Grundlöne dem Volumen der schwingenden Luftsäule proportional sei ;

Î) dass eine mehr oder weniger bedeutende Verengung am obern Theile des Flötenrohrs, sowie die Verkürzung oder Verlängerung dieser Verengung auf die Ansprache der Töne und .nif die Stimmung der Octave einen bedeutenden Eiufliiss liât ;

»3) dass diese Verengung in einer gewissen geometrischen Progression gemacht werden muss, aus welcher sich eine von der Parabel zunächst kommende Curvenlinie bildet ;

4) dass die Bildung der Schwiugungsknoten und Tonwellen am leichtesten und vollkommensten in einem cylindrischen Flölenrohre vor sicli geht, dessen Durchschnittswerte den 30. Tlieil der Kohrliinge und dessen im obern Viertel beginnende Verengung beim Abschluss durch den Kork ein Zehntel des Durchschnitts beträgt.«

Das ¡st der Ursprung der gegenwärtigen cylindrischen Flöte. Weitere Versuche Böhm's über die Weile der cylindrischen Röhre zur Länge ergaben , dass der schönste Ton erscheine, wenn bei der Länge des Rohres von 606 mm der Durchmesser iO mm erhält.

»Allein die hohen Töne sprechen nicht mehr gut und leicht an. und ich war genöthigt, den Durchmesser bei einer Länge des Flötenrohres von 606 mm auf (9 mm zu reduciren.i

Böhm machte nun viele Versuche über die beste Grosse des Mundloches.

Die Grosse des Mundloches von 1Ï mm Länge und 10 mm Breite dürfte den meisten Spielern am besten zusagen. Nach diesen Versuchen machte sich Böhm eine dünn und hart gezogene Röhre aus Messing, auf welcher sich der Grundton с schon durch einen Hauch etc. entwickelte und leicht zu einer bedeutenden Stärke gebracht werden konnte, ohne in die Höhe zu steigen. Auch das beim Anblasen der gewöhnlichen Flöten so unangenehme Zischen des Luftstromes war hier nicht zu bemerken.

Nachdem Böhm die beste Dimension seines Flötenrohrs entwickelt halte, schrill er zur schwierigen Untersuchung übet die richtige Stellung der Griff- oder Tonlöcher.

Bölim's zweites Bestreben war, die Tonlöcher so grúas zu machen, dass man die Flöte als über der Mitte des Tonloches abgeschnitten betrachten konnte. Ein Tonloch, das nichl dem Durchmesser der Flöte gleich isl, macht natürlich , d.iss die- unier dem Tonloche liegende Luftsäule relardirend und somit verlangsamend, der Ton der Flöle also Irolz der Tonlöcher tiefer erscheint, als wenn die Flöte über der Mitle des Tonloches abgeschnillen wäre. Denn selbst Tonlöcher von dem Durchmesser der Flöte wirken noch immer etwas retardirend auf den Flölenton. Schneidet man die Flöte daher unier dem Tonroche ab, so wird der Ton höher als der Ton der ganren Flöte mit dem grossen Tonloche in der Mitte. Schneidet man die Flöte über dem Tonloche von dem Durchmesser der Flöle ab, so ist er liefer als die Flöle mit dem grossen Tonloche in der Mille ; schneidel man die Flete durch die Mitte des Tonloches ab, so isl der Ton elwas höher als der Ton der ganzen Flöle mil dem grossen Seitenloche in der Mitte.

Diese retardirende Wirkung der unier dem Tonloche liegenden Luftsäule wird nach den Versuchen Böhm's unmerk- tir.h, wenn der Durchmesser desToiiloches wenigstens 'Д Theile des Durchmessers des Flötenrohrs betrügt. Aber Tonlöcher von dieser Weite lassen sich natürlich in Holzflölen nicht ausrühren, da auch die Holzdicke auf Vertiefung des Tones wirkt.

Die praktisch mögliche Weite der Tonlöcher und die Möglichkeit ihrer Verschliessung oder Deckung ergab sich bei den Toiilöchern der Silberflöte 13,5 mm und bei der Holzflöle der Holzdicke halber 4 3 mm im Durchmesser, bei der silbernen </- oder Altnöte steigt der Durchmesser sogar auf 14 mm. Diese grossen Tonlöcher können nun nicht mehr durch die Finger geschlossen werden. Böhm machte deshalb über jedes Tonloch eine das Tonloch vollkommen deckende Klappe, und der spielende Finger drückte nun anstatt auf das Tonloch auf die Klappe, welche das Tonloch schliesst. Bei dem ebenso rationell als genial ausgeführten Klappenmechanismus ist das Spiel auf diese Weise viel angenehmer und sicherer als früher, wo der Finger selbst das Ghiïlocb genau dicht zu schliessen hatte ; jetzt braucht er nur den Finger auf die Klappe zu legen. So einfach diese Abänderung erscheint, so schwierig war sie auszuführen. Es waren Monate lange Versuche nöthig, um die lauglichen Stoffe zur Herstellung der Polster auszufinden, welche an die Klappe geschraubt das grosse Griffloch bei dem leisesten Fingerdrucke vollkommen luftdicht schliessen mochte. Es sind Scheibchen von feinem dichten Wollentuche mit einer doppellen Lage von Häutchen überzogen, die aus dem Amnion gewisser Säugelhiere bereitet sind.

Der neue Klappenmecbanismus ist ein wunderbares mechanisches Meisterstück. Die zehn Haupttonlöcher mit ihren Klappen versehen erforderten zehn Finger, allein dem Flötisten sieben nur acht Finger zu diesen zehn Klappen zu Gebole. Nach der natürlichen Lage der acht Finger auf dem Flötenrohre bleiben die Töne g und h frei. Diese zwei freien Tonklappen sind nun durch einen höchst sinnreichen Mechanismus mit einigen anderen von den Fingern zu bewegenden Klappen so verbunden, dass sie unter den weiter möglichen Tonverbindungen mittelst irgend einer anderen Klappe gespielt werden können. Das g war mit der e-, f- und /îs-Klappe so verbunden oder zusammen gekuppelt, dass die j-Klappe nach Belieben mit jeder dieser Tonklappen niedergedrückt wurde. Mit der freien Я-Klappe und mit der fi's-Klappe war die ft-Klappe in Eine Verbindung gesetzt.

Diese merkwürdige Kuppelung hat Böhm dadurch hervorgebracht, dass er die horizontale Achse seiner Ringklappenllölc ¡n eine wirkliche Charnière verwandelte, d. h. über die Achse noch eine Röhre oder mehrere Kührchen schob, an welche der Klappenhebel angelöthel war, so dass an einer Achse mehrere Klappen sich nach Erforderniss öffneten oder schlössen. Die Kuppelung ist an der ¡/-Klappe durch einen in zwei Theile ge- theillen Bügel bewirkt. Die Kuppelung der e-, f-, fs- und 6-Klappe durch verstellbare Schräubchen mit dem Stiele der Klappe, welche auf die Nase der darunterliegenden Achse drücken; ja, es kostet Mühe, das Ineinandergreifen der einzelnen Theile des genialen Mechanismus an der Flute selbst zu erfassen. *)

Diese zweite Verbesserung der Deckklappen-Fliite slamml, wie wir bereits gesehen, aus dem Jahre 4851. lliilim halle die erste Silberflöte dieser Art, sowie eine AllfliHe ausSilher, nnbsl einer Oboe nach London zur ersten grossen allgemeinen In- dustrie-Ausslellung 4854 geliefert.

Verbreitung, Anerkennung und Benutzung derselben.

Schon die Ringklappen-Flöle wurde ?.. II. in England mit grossem Hnlhtisiasmus aufgenommen. Die englischen Zeitschriften: Musical World, Morning Post, The Connoisseur, Manchester Guardian waren voll Bewunderung über dio Fiólo

) Rühm. Die Fluir und da* FlUlcnspicI. « ЛпП TaW II.

Böhm's, noch mehr stieg der Enthusiasmus für die letzte cylin- drische Flöte. Gtuiio Briccialdi, wohl der grossie Flötenvirtuos seiner Zeit, batte seine Flöle sogleich bei Seite gelegt und sich innerhalb vier Wochen so ganz in die Böhm'sehe Flöte hineingearbeitet, dass er beim ersten Auftreten mil ungeheurem Beifall überschüttet wurde. Indessen hat auch Briccialdi nicht umhin gekonnt, an der Böhm'schen Flöte eine Verbesserung anzubringen, nämlich eine geschlossene 6-Klappe, obwohl Böhm neben seiner c-Klappe bereits seinen 6-Hebel angebracht hat, der Alles leistet, was der Spieler verlangen kann.

Rudall & Rose haben ihren Preiscouranl angezeigt. Eine Böhm'sche Silberflote kostet Î6 £ 8 Shilling. Wer die 6moll- Klappe Briccialdi's dazu haben will, zahlt noch < £ 1 sh. mehr.

Bereits im Jahre 4850 (i0. August) kam eine Bestellung für die silberne Cylinderflöle aus Cannamore, Ostindien, die Empfangsbestätigung ging über Madras und kam in Augsburg 26. October l v', l an, die Flöle selbst war l Jahr und i Tage auf dem Wege. Der Besteller, Musikdirector und Kapellmeister Frohnert, schrieb an Böhm, dass er die Bekanntschaft eines Officiers der ostindischen Compagnie, Prescolt, gemacht habe, der vor einigen Jahren in London häutig Duellen mit Böhm spielte und gegenwärtig eine Ringklappen-Flöte von Itudall & Rose besitze. Unter den vielen Briefen aus allen Ländern Europas liegt z. B. ein Brief aus Shanghai [China] 0. S. 0. vom zÎ. December 1866 vor uns. Der Besteller, der berühmte Flötenvirluose der Königin von England , Remusal, sah eine cylindrische Altflöte Böhm's bei Broadwood in London und wünschte eine solche aus Neusilber zu erhallen. Er war entschlossen, die alle Flöte, die er dreissig Jahre lang gespielt, mil der neuen von Böhm zu vertauschen. Hermann Miller halle in Leipzig 30. Mai 1850 ein dreistrophiges Gedicht an Theobald Böhm's herrliche Silberflöte gerichtet. Von Königsberg kam schon unterm 42. October 48*9 ein begeisterter Brief des berühmten Flölislen W. Scherrer an Böhm, ¡n welchem es unter anderm heisst : »Ich rufe Ihnen ein herzliches Bravo Bravissimo zu und versichere, dass diese herrliche Flöte meine kiilinsten Erwartungen überlrilft, die ich mir je über Vervollkommnung dieses so unvergleichlichen Instrumentes habe machen können. Längst schon halte ich mir die classischen Sonaten von Beethoven für Flöle eingerichlel, aber viele holen enorme Schwierigkeiten dar — jelzt sind die letzten mit einem Schlage verschwunden, und eine vollkommene Well Beethoven'scher Musik bietet sich uns dar, seil ich die Flöle habe, deren Klang, Gleich- mässigkeit und enorme Knnhcil in rillen Regionen gleich ist, so dass auch nicht der Schalten eines Tones effectlos verloren geht. Wollen Sie die ganze Herrlichkeit Ihrer unüberlrelllichen Meislererfindung im Adagio mit Pianoforte gemessen, so spielen Sie gefälligst mil einem tüchtigen Pianisten Beethoven s Sonate Op. 96 und die darin enlhallenen beiden Adagios. Auch empfehle, ich Ihnen die Sonaten Op. 23, 24, 30 (Nr. 4, i, 3) wegen der darin enlhallenen herrlichen Adagios. Gleichfalls könnte ich Ihnen meine Uebertragung von drei Sonaten von J. S. Uach besorgen, der dieselben für Piano und Violine com- ponirl hat. Die darin enlhallenen Dolces und Andanles machen sich auf Ihrer neuen Flöte köstlich, aber auch die Allegros und Prestos, welche durchaus auf das Gelehrlesle fugirl sind — aber auf der allen Flöle gar nicht, auf Ihrer neu construirle!! von 1832 besser, auf dieser Melallflöle aber leicht und unter dem eclatanleslen Eflecle durchzuführen sind« etc.

Briefe gleichen Inhaltes liegen vor mir aus England, Amerika, Ostindien, Russl.md, Odessa, Mannheim, Wiesbaden. Zürich.

Ja sogar aus Petersburg halle Antoine Snnvlel, premier Flúle des Theatres Impériaux a St. Pelersboiirg, als Hommage à Monsieur Theobald Boehm, inventeur célèbre de la finie <ln nouveau syslème à Munich »im Souvenir du Volga« : »Fantaisie caractéristique (morceau de Salon) pour la Flûte avec accompagnement du Piano« gewidmet.

Der Compositeur hatte die Eigenschaft der Böhm'schen Flöte ganz ausgezeichnet zu benutzen verslanden. Seine Phantasie beginnt ¡n K-moll, einer Tonart, mit der sich wohl keine andere Flöte hervorzutreten getraute. Es ¡st ein einfacher, getragener Gesang, der sich vom meno morso zum anímalo steigert und von As-dur in der mittleren Lage der Flute in einer getragenen Canlilene voll YVehmulh bis ins d berabslügeiul sich wieder fröhlicher in der höhern Tonlage bewegt und jetzt durch C-dur und F-dur modulirt. Der musikalische Gedanke erhebt sich immer lebhafter spielend in Triolun bald im Diminuendo, bald im Rallentando durch D-moll, H-dur, E-moll, Cis dur, Fis-dur, Gis-dur und kehrt durch E-moll wieder charakteristisch zum ersten Satz F-moll zurück, der sich nach dem siebenten Takle in F verwandelt, durch D-moll, A-dur. Die Melodie geht dann in ein munteres frohlockendes Allegro über, das in Triolen sich bewegende Geplauder des Pianoforte antwortet , bis sie im Tempo primo mil dem Piano in gleicher Form tändelnd ins F-moll zurück modulirl. Nach einem momentanen Herabsinken der Melodie in F-dur im alten drei- schlägigen Khythmus der Einleitung führt ein jubilirendes Allegro vivo zum Schlüsse des Gesanges.

In jedem Falle ist die Hacht der Böhm'schen Flöte in den wenigen Takten dieser musikalischen Composition schlagend illuslrirt.

Bihm'sWiderlegung det durch Chladnl veranlassien Irrlhumt, dits das Material des Instruments auf den Ton ohne Elnfluss sei.

Böhm halle in dieser Periode, wie wir schon gehört haben, einen höchst interessanten praktischen Schritt gethan zur Widerlegung eines Irrthums der Akustiker, der durch Chadni in der Akustik aufgetaucht, sehr gläubig aufgenommen, immer weiter und weiter entwickelt und zuletzt zum vollkommenen Lehrsatze ausgebildet wurde. Chladni meinte, der SlotT, aus welchem ein Instrument gebildet sei, änssere keinen oder kaum einen Einfluss auf die Tonfarbe des Instruments. Heute lehrt man als einen Fortschritt akustischer Forschung : das Material, aus welchem ein Blasinstrument gebildet sei, äussere gar keinen Einfluss auf den Ton des Instrumentes. »Eine Flöte aus Glas u. dergl. klinge ebenso wie eine Flöte aus Holz.« Wenn sich dieser Grundsatz nicht blos aus theoretischer Anschauung entwickelt, sondern als wirkliches Resultat der Vergleichung des Tones einer Glasflöle mit dem einer Holzflöte hervorgegangen ist, so muss dem Manne die Hauptsache, ein wirklich musikalisches Ohr gefehlt haben. Schon Böhm erwähnt in seiner Broschüre «Ueber den Flötenbau« (1847) S. <6: »Man verfertigte auch Flöten aus Elfenbein, Laurent in Paris aus Kryslall-Glas, in Nürnberg wurde eine Flöle aus Papier-mâche, in Berlin für Friedrich den Grossen aus Porzellan, und von Dimler in München sogar Fluten aus Wachs gemacht. Der ärmlichste Ton aller dieser Flöten war natürlich derjenige der aus Wachs gemachten Flöte.«

(Fortsetzung folgt.)

Anzeigen und Bern thei l ungen.

Handel-Ubun. Continuing Kxlracls from Instrumental Music by Handel, now rarely performed (The Curtain Tunes, Marches, and other Incidental Music from the Italian Operas : Selections from the Sonatas for Stringed Instruments: Organ and Harpsichord Music; Oboe Concertos; Grand Concertos; Water and Fire-Music &c.). Arranged from the Scores for the Organ by W. T. Beit

London, Augener A Co. (Leipzig, K. F. Köhler.) kl. quer-folio Book 1 bis 15; zusammen 330 Seiten.

Eine ziemlich gross angelegte Sammlung, von welcher bis jetzt l S »Books« oder Hefte vorliegen, die aber hiermit noch nicht zu Ende ist. Wie wir hören, ist die Absicht, sie mit dem 20. Heft zu beschlossen, so dass das Ganze einen starken, aber noch immer bequemen band füllen würde. Der bekannte, im Anfange seiner musikalischen Laufbahn als Wunderkind angestaunte Dr. Crotch gab vor langer Zeit (in den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts) cine Collection von Orgelauszügen Haudel'scher Werke heraus, welche fast sämmlliche Oratorien und die grossen Werke der Kirchenmusik (Anthems, Te Deums etc.) einschloss, aber hauptsächlich nur die Ouvertüren und Chöre jener Werke behandelte. Nach der Partiturausgabe von Randall und der etwas vollständigeren, aber noch weit schlechteren von Arnold brachte Clarke die in jenen Ausgaben enthaltenen Hauptwerke (Oratorien- und Kirchenmusik) in Ciavierauszügen heraus, die eine grosse Sammlung bilden und noch jetzt ein stehender Artikel des Londoner musikalischen Antiquariats sind. Diesen Clavierbearbeilungen folgte Crotch in seinen Orgelbearbeitungen. Handel's Opern , Instrumentalwerke und sonstige Compositionen traten zu jener Zeit mehr und mehr in den Hintergrund ; man hielt sich hauptsächlich an das, was durch die genannten Gesammtausgaben Allen als das »Bedeutendste« vor Augen gelegt war.

Inzwischen haben wir einen Schritt weiter gelhan. Durch die Ausgabe der deutschen Händelgesellschafl sind neue Quellen geölTnet, wo man es nicht ahnte, und selbst das bisher dem Namen nach oder in unvollkommener Gestalt Gekannte hat jetzt, wo es in der Originalgestalt vorliegt, eine andere Bedeutung gewonnen. Bisher ist noch wenig geschehen, dies dem grösseren Publikum in entsprechenden Arrangements verständlich zu machen. Als das erste Unternehmen dieser Art, wenigstens auf dem Orgelgebiete, ist die vorliegende Sammlung von Best anzusehen.

Herr Best ist dem deutschen Publikum wohlbekannt, wenigstens dem Namen nach, da sein Ruf als der des bedeutendsten englischen Orgelspielers über sein Vaterland hinaus sich verbreitet hat. Er sollte uns aber etwas mehr, als dem blossen Namen nach bekannt sein, und dieses »Händel-Album« möchte sich wohl am besten eignen, eine solche Bekanntschaft zu vermitteln. Die Stücke sind verhältnissmässig kurz, es ist daher auf dem Raum von drei- bis vierhundert Seiten eine ausser- ordenlliche Mannigfaltigkeit von Musiksätzen vereinigt. F.s existir! keine ähnliche Sammlung aus Händel's Werken für Orgelspieler, was den Werth der vorliegenden natürlich bedeutend erhöht. Aber auch bei einer etwa vorhandenen oder eintretenden Concurrenz sind wir überzeugt, dass Best das Feld behaupten wird, denn der Hauplvorzug, welcher den englischen Componisten seit Händel's Zeit geblieben ist, besteht in ihrer Gewandtheit im concertirenden Stil, wogegen wir eine Stärke im Fugenstil besitzen. Dem concertirenden oder freien Stil ist eine elegante, leichte Haltung eigen, welche dem an Fugen grossgezogenen Spieler oft abgeht. Eins ergänzt das Andere, und nur wer in beiden Sätteln annähernd gleich gut sich bewegt, ist ein wahrhaft bedeutender Orgelspieler.

Die Register sind Englisch und Französisch angegeben. Es wäre wünschenswert)!, beim Abschluss diese Ausdrücke auf einem Blatte deutsch zu erklären. Sobald diese sehr empfeh- lenswerthe Sammlung vollständig erschienen ist, werden wir auf dieselbe zurückkommen.

[1*»] Soeben erschienen ¡n meinem Verlage:

Sechs kleine Lieder

JOSEPH LUDWIG HAASK für eine Singetimme mit leichter Clavierbegleitung

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Emil Keller.

Op. 21.

Camptet Pr. 2 Л ЛО 3p

Einzeln:

No. t. Naturfreuden ..... Pr. 50 3p.

No. 1. O süsser Traum . . . . Pr. SO ty.

No. ». Waldesfreuden ..... Pr. SO 3jt.

NO. t. Hinan-,: ....... Pr. S«^.

No. 5. Erwachen des Morgens . . Fr. 50 Sp. No. 6. Waldconcert ..... Pr. 50 ф.

Leipzig und Winterthur. l. Bieter-Biedermann.

_

~ Parziral,

der Ritter ohne Furcht und Adel. gime gießgaße

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Siegmey.

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J.Bieter-Biedermann ¡n Leipzig und Winterthur.

No. No. No.

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No. 10.

No. 11. No. 1i.

No. 13.

No. U. No. 15. No. 16.

van Beethoven.

Für Pianoforte zu fier Händen bearbeitet

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Vier Hefte à 4 Л. Einzeln:

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1. Triumpbmarsch zu Tarpeja

Marsch aus Egmont 1 —

Trauermarsch aus der Heroischen Sinfonie. ... 2 50

Heft 2.

Türkischer Marsch aus den Ruinen von Athen . . — Marsch mit Chor aus den Ruinen von Athen ... 1

Rule Britannia aus Wellington's Sieg —

Marlborough aus Wellington's Sieg —

Siegesmarsch aus König Stephan —

Geistlicher Marsch aus König Stephan —

Marsch aus Fidelio —

Iefl3.

Marsch für Militairmusik 4

Marsch aus Prometheus i

Heft 4

Marsch aus der Sonate Op. 101 2

Trauermarsch aus der Sonate Qp. 26 1

Marsch aus dem Quartett Op. 13Î —

Marsch aus der Serenade Op. 8

л 3>

— go

[15*] Verlag Vod

J. Bieter- Biedermann in Leipzig und Winterthur.

Ausgewählte

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Hierzu eine Beilage топ W. Schwarz in Wien.

für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte.

Ilartli, Kich., Kiste Begegnung: »Wohl mir der Stunde,, von Huk Walther ron der Vogelweide ........... 4,00

BauniKurtner, W., Abendlied : »Abend wird es wieder,« von Hoffmann von Fallersleben. Op. »0. No. 1 . . . . . . . »,80

Berilos, H., Ländliches Lied: »Wenn im Lenz milde Lüfte wehen,« nach Th. Gautier von P. Cornelius; für Mezzosopran oder Tenor. Op. 7. No. 4 ............ 1,00

- Der Geist der Rose: »Blick' auf, die du in Traume* Schoosse,« nach Th. Gautier von P. Cornelius: für Contraall.

Op. 7. No. l ................ 1 ,30

- Auf den Lagunen : »Mir ist mein Lieb gestorben,« nach Th. Gautier von P. Cornelius; für Bariton oder Contraalt oder Mezzosopran. Op. 7. No. 3 ........... 1,00

- Trennung: »0 kehr zurück, du meine Wonne!« nach Th. Gautier von P. Cornelius ; für Mezzosopran oderTenor. Op.7.

No. 4 .................. 0,80

- - Auf dem Friedhofe (Mondschein) : »Kennst du das Grab

mit weisscm Steine,« nach ГА. Gautier von P. Cornelius; für Tenor. Op 7. No. 5 ............. 4,1«

- Das unbekannte Land : »Sag', wohin willst du gehen, mein liebliches Kind?« nach Th. Gautier von P. Cornelius; für Mezzosopran oderTenor. Op. 7. No. в ....... 1,30

Dietrich, Alb., Einzug: »Dich hab' ich einst gesehen,« von M. Bernays. Op. 11. No. 4 ............. 0,50

- Frühling. »Es blühen aus demachooss der Erden die Blumen allgemach,« von M. Bernays. Op. 11. No. i .... 0,60

- Sommer: »Was soll nun all' des Trauern?« von M. Bernays. Op. 44. No. 5 .............. 0,80

- März: »Es ist ein Schnee gefallen,« von W. CoeU«. Op. U.

No. 4 ................... 0,50

- War schöner, als der schönste Tag; von W. Goethe.

Op. 11. No. 3 ................ 0,50

- Dein Auge: »Ein Himmelreich dein Auge ist,« von DUia Helena. Op. 16. No. 1 ............. 0,50

- Meine Linde : »Im Garten unter der Linde, da sitz* ich so manchen Tag,« ungenannter Dichter. Op. 16. No. l . . . o, 80

- Um Mitternacht: »Um Mitternacht hab' ich gewacht,« von

Fr. Rückert. Op. 16. No. 5 ........... 0,80

- Blühendes Thal : »Wo ich zum ersten Mal dich sah, wie üppig grünt die Wiese da!« von /ui. v. Kodenberg. Op. 17.

No. » .................. 0,80

- Frühlitigssonne: »Frühlingssonne Irin mit Funkeln aus

den Wolken,« von J. v. Rodenberg. Op. 47. No. 8 .... 0,80 -- Scheiden : »Wenn man die Hand zum Abschied giebt.«

Op. 47. No. * ................ 0,80

- - Muntrer Bach : »Muntrer Bach, was rausch'st du so?« von

Jul. D. Rodenberg. Op. 17. No. 5 ......... 1,00

Eggers, (inst., Heimlicher Liebe Pein : »Mein Schatz, der ist auf die Wanderschaft hin« (Volkslied). Op. 10. No. 3 . . . 0,50

- Rolhe Aeuglein: »Könnt'sl du meine Aeuglein sehn« (Volkslied). Op. 10. No. 5 .............. 0,50

Flecher, Gast. E., Schiffers Braut: »Komm mit, es graut im Oslen,« von Klaus Gruth. Op. 4. No. 41 ....... 0,80

Grimm, Jnl.O., Wie scheinen die Sternlein so hell ; Böhmisch. Op. H. No. 1 ................ 0,50

- Fragen : »Wozu mein langes Haar mir dann,« Slavisch.

Op. 11. No. 8 ................ o,50

- Warum bist du denn so traurig? Deutsch. Op. 11. No. 4 0,50

- Nun steh'n die Rosen in Blüthe; von Paul Heyse. Op. 41.

No. 6 .................. o,80

- Bitte: »Weil1 auf mir, du dunkles Auge,« von N. Lenau.

Op. 48. No. Ï ................ O'id

- Jagerbraut: »Mein junger Liebster zog zu Wald,« von Franz Hü/fer. Op. »5. No. » ........... o, su

- Lichesnacbt : »Du sprichst von Scheiden ?« von A. Kaufmann. Op. 15 No. * ............. 0,50

- Minnelied: »Ich unternahm's, den Falken gleich, «von Otto

v. Turne. 'Altdeutsch.) Op. 15. No. в ........ 0,80

(Fortsetzung folgt.)

Verleger: J. Kieler-Biedermann in Leipzig und Winterthur. — Druck von Breitkopf A Härtel in Leipzig. Expedition: Leipzig, Am Habensteinplalz 2. — Redaction: Bergedorf bei Hamburg.

Di« Allgemeine МомЪаНвсЪ* 7"itmip ertcheint regelmEseig an jedem Mittwoch und ut durch alle Posttmter und Buch-

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Preis: JUlrlicb 18 Mk. l'riunm. 4 Mk. r.uPf. Anzeigen: die gespaltene Mitteile oder deren JUnm 30 P£ BrKfc mmd Oelter ~rden franco erbet««.

Musikalische Zeitung.

Verantwortlicher Rédacteur : Friedrich Chrysander.

Leipzig, 16, Angnst 1882.

Nr. 33.

XVII. Jahrgang.

Inhalt: Franz von Holstein. Seine Liedercompoeitlonen. — Theobald Böhm. Ein merkwürdiges Künstlerlebcn. (Fortsetzung.) — Die Ton- künsller-Versammlung des Allgemeinen deutschen Musik-Vereins vom 8. bis 41. Juli 488S. — Nachrichten and Bemerkungen. — Anieiger.

Franz von Holstein. Seine Liedercompositionen.

T. K. Am 22. Hai waren es vier Jahre, dass der talentvolle Tonsetzer Franz v. Holstein aus dem Leben schied, ein edler liebenswürdiger Charakter, eine begeisterte Musiker- und Dichlernatur. Bereits vor längerer Zeit ist ihm ein liierarisches Denkmal gesetzt worden in dem nb'cbst anziehend und im warmen Tone der Freundschaft geschriebenen Buche :

hau m rUIsdin. Seine nachgelassenen Gedichte, herausgegeben und mit einer biographischen Einleitung versehen von leinrirh Bultbaupt. Leipzig, 4880. Breitkopf und Martel. (XII, 820 S. 8.)

Auf Grundlage zuverlässiger Quellen (eigenbändige Aufzeichnungen und Briefe v. Holstein's, Mittheilungen der Seinigen) entwirft der Verfasser ein anschauliches Bild der äussercn Lebensverhältnisse und des geistigen und künstlerischen Entwicklungsganges v. Holstein's, und veröffentlicht sodann die hinterlassenen Gedichte des Verstorbenen, deren Redaction («wenn es sich der Mühe lohnen sollte«) derselbe kurz vor seinem Tode ihm anvertraut hatte. Diese lyrischen Dichtungen, »zart und tief in der Empfindung, lauter und klar in der Form», legen beredtes Zeugniss ab von der Begabung ihres Schöpfers. Ihre Würdigung im Einzelnen müssen wir uns an diesem Orte versagen. Dagegen wollen wir, um irrlhümliche Angaben in musikalischen Zeitschriften und Lexicis zu berichtigen, von der Biographie einen kurzen Auszug geben, einige charakteristische Momente heraushebend.

Friedrich Franz von Holstein wurde am 26. Febr. 4826 zu Braunschweig geboren, als Sprössling einer alten Adelsfamilie aus dem Mecklenburgischen. Sein Vater, Werner von Holstein, Soldat und Aristokrat vom Wirbel bis zur Zehe, war im russischen Feldzug von 1812 kaum der Katastrophe an der Beresina und dem Hungertode entronnen. Seine strenge, allem Künstlerwesen im Grunde abgeneigte Sinnesweise war der musikalischen Ausbildung des frühgeweckten Knaben wenig förderlich. »Wie bezeichnend ist es, dass das erste Ciavier gegen den Willen des Vaters bei Nacht und Nebel in das Holstein'sehe Haus geschafft wurde ; wie charakteristisch, dass zur Entschuldigung die Ausrede dienen musste : es könne sehr gut als Tisch gebraucht werden.« (S. 6.) Mit dem < 6. Jahre trat der Sohn in das braunschweigische Cadeltencorps, wo Robert Griepenkerl, der bekannte Verfasser der iiherkrUftigen Revolutionsdramen «Robespierre« und »Die Girondisten«, sowie der Abhandlungen »Ritter Berlioz in Braunschweig« (Braunschweig 4843) und »Die XVU.

Oper der Gegenwart« (Leipzig 4847), sein Lehrer in deutscher Sprache und Literatur wurde. Dieser war es, welcher dem Vater v. Holstefn's den, allerdings abschlägig beantworteten, Vorschlag machte, den Sohn der Ausbildung seiner Talente zu überlassen, und der sodann dem reich begabten Schüler die Kenntniss der damals in Braunschweig aufgeführten Werke von Berlioz, Meyerbeer und Liszt vermittelte, ein Danaergeschenk, an welches Bultbaupt die allgemeine Bemerkung knüpft : »seltsam war es, dass eine so ausgesprochene, originelle musikalische und allem Raffinement im innersten Grunde abholde Natur wie Franz von Holstein gewissermaassen den umgekehrten musikalischen Bildungsgang durchmachen sollte : durch Berlioz, Meyerbeer, Liszt zu Schumann, Mendelssohn, Gade und endlich zu Mozart und Beethoven ; von der Bffeclhascherei durch die Romantik zur Classicität.« (S. 10.)

Ostern 4845 bestand Holstein sein Officiersexamen , zugleich hatte er seine erste (zweiactige) Oper »Zwei Nächte in Venedig« vollendet, eine Diletlantenarbeit, welche ihm bei ihrer Aufführung im Familienkreise die ersten Lorbeern brachte, die er aber später nebst drei anderen ans den Jahren 4845/46 »sorglos zu den Todten warf«. Mächtig trieb es ihn vorwärts: »Seine ernste Natur verlangte aus der Willkür und Planlosigkeit des Autodidaktentbums nach gründlicher Unterweisung, nach festen Nonnen.« Dnter des befreundeten Karl Richter, eines gebornen Frankfurters, Leitung »machte er ernste Compositions- studien und übte systematisch Ciavier, ohne einbringen zu können, was in der Kindheit versäumt war. Seine Finger waren während des Wachestebens und Exercirens bei rauhem Wetter erfroren, und, so leidenschaftlich gern er auch allein für sich und bei seinen Angehörigen spielte, in Gegenwart von Fremden setzte er sich noch in späteren Jahren nie ohne ein gewisses Widerstreben ans Ciavier. Das Unzulängliche seiner technischen Ausbildung peinigte ihn.« (S. 44.)

Heimgekehrt aus déni scbleswig-holsteinischen Feldzug von 4 848—49, wurde er zum Adjutanten eines braunscbweigischen LandwebrbatailloDS in dem kleinen Harzslädtchen Seesen ernannt, ein grosser Vortheil für seine musikalische Weiterentwicklung. »In Seesen lernte er zum ersten Male das Glück einer ruhigen Arbeit kennen ... die stille Einkehr in sich selbst, die dem Künstler doppelt nolhwendig, doppelt werthvoll ist.« (S. 17.) Hier war es denn auch, wo allmälig der Entschluss in ihm reifte, den Soldalenrock an den Nagel zu hängen und sich ganz der heissgelieblen Kunst hinzugeben. »Da kam plötzlich, nnerwartet die Entscheidung. Die ihm angetragene Stellung eines Flügel - Adjutanten des Herzogs [Wilhelm von Braunschweig] hatte der Vater, dem der einflossreiche und beneidete

II

Posten für seinen Sohn gleichwohl nicht geeignet erschien, kaum für ihn abgelehnt, als die neue, bestimmte Anfrage an ihn erging : ob er die Stellung eines Regimentsadjutanten zu übernehmen Willens sei. Die Büreaugeschäfle dieses Amts hätten ihm zu künstlerischem Schaffen so gut wie gar keine freie Zeit gelassen. Anfangs erschrak er darum nicht wenig über die kritische Alternative. Aber nur auf Augenblicke — ein Zweifel war ja jetzt nicht mehr möglich , die Würfel musslen fallen, und offen schrieb er an den Vater, wie es ihm ums Herz war und was er zu thun Willens sei. Der Oberst fasste sich auch hier militärisch. Er machte nicht viel Worte, aber er stellte dem Sohn eine zweite Alternative : entweder solle er auf die Kriegsschule gehen und später in den Generalstab treten, oder seinen Abschied nehmen und sieb ganz der Musik widmen. Nur verlangte er (eine billige und gerechte Forderung) vorab als Gewähr für das Talent seines Sohnes das Urtheil eines ruhigen, erfahrenen Künstlers, einer musikalischen Autorität. Moritz Hauptmann's[welchen v. Holstein bei einem flüchtigen Besuch in Leipzig im Jahre (847 kennen gelernt hatte] Entscheidung, auf die man sich einigte, sollte für Beide bindend sein. Und so reiste denn der nicht mehr ganz junge Kunst- candidat, die dickleibige Partitur seiner »Gastfreunde« [einer historischen Oper, aus der sieb später sein letztes dramatisches Tonwerk »Die Hochlanden entwickelte] unter dem Arm, nach Leipzig, um den würdigen Meister um sein Urtheil zu bitten« und dann daheim in Seesen bange Tage der Erwartung zu verleben. (S. 1 9.) Hauptmann's Entscheid, welcher sechs Wochen darauf in einem inhaltsreichen Briefe vom 11. Februar 1853 erfolgte, lautete günstig, und so begab sich, nachdem der Vater die Mittel für ein Jahr verwilligt, v. Holstein zu weilerer künstlerischer Ausbildung nach der Musiksladt Leipzig. »Mit dem lebhaftesten Eifer griff er seine Studien an : Ciavierunterricht genoss er bei Wenzel, Plaidy und Moscbeles, Theorie und Formenlehre hörte er bei Richter, Contrapunkt bei Hauptmann (zu dessen Privatschülern er überdies zähltej, Composition bei Richter und Rietz. Eine Fülle neuer Eindrücke bedrängte ihn.... Es war kein Wunder, dass seine reizbaren Nerven den Stürmen nicht Stand hielten, dass der volle Strom des Geniessens, des Strebens von 'mancher störenden Krankheit gehemmt wurde. Auch die Geselligkeit verlangte viel von ihm. Ein lebhafter freundschaftlicher Verkehr verband ihn mit Männern wie Grimm, Radecke, Papperitz, Heinrich v. Sahr, Albert Dietrich. Besonders der Letzte wurde ihm ein treuer, anregender Freund. Auch Jobannes Brahms, dessen überlegene Kraft er neidlos verehrte und lieble, gehörte zu dem schönen Kreise. Hauptmann und seine vortreffliche Frau (Susetle Hummel) nahmen ihn gastlich auf; die Häuser Frege, Moscheies, Gontard, Salomon, die Sammelpunkte der künstlerischen Welt Leipzigs, standen ihm offen. Ueber all dem Neuen verging das Probejahr, ehe ers gedacht. Eine trübe Rückkehr ins Elternhaus ! Was war er in dem einen Jahre geworden T was hätte er auch werden können ! Auf eine Anstellung und Berufung durfte doch Niemand rechnen? Und was hätte ihm eine Cantor- und Musik- lehrorstelle in irgend einem Dorfe, einem entlegenen Städtchen bieten können? Vielleicht hinlängliche Müsse, aber das peinigende Gefühl der Halbheit, eines verfehlten Lebens vielleicht. Er war »des Treibens müde«, er verzweifelte an sich selbst ' und wünschte sich den Tod herbei. Da kam unerwartet heller Sonnenschein in das Dunkel. Eine sanfte Hand führte ihn nach Leipzig zurück, und als er im Frühjahr 1855 aufs Neue nach Braunschweig reiste, begleitete ihn eine geliebte Braut, Hedwig Salomon, mit der er sich am i. Sept. desselben Jahres verbei- rathete. Sie ist von nun an von seiner ganzen Persönlichkeit und seinem Schaffen unzertrennlich.« (S. 30—32.)

Schöne Jahre folgten nun, welche das glückliche Paar theils in Leipzig, seinem (estén Wobnsilz, Iheils in Italien (1855,

1864), seit dem Jahre 1871 im Sommer alljährlich zu Obersl- dorf im Allgäu verlebte. Nach langem Warten kamen endlich auch die äusseren Erfolge, und zwar durch die dramatische Kunst, welcher sich v. Holdein nach jahrelanger Beschränkung auf Composition von Kirchen- und Kammermusik endlich wieder zugewendet hatte (vgl. S. 51, 57). Am 11. Oct. 1868 gelangte auf der Dresdner Hofbühne v. Holstein'» im Jahre 1866 vollendete Oper »Der Haidescnachl« (zu welcher er wie zu seinen übrigen Opern das Libretto selbst verfasst hatte) *) unter grossem Beifall zur ersten Aufführung, am 19. Juni 1870 im Leipziger Staditheater, und von da an ging das Werk über fast alle deutschen Bühnen.**) Im Sommer 1871 vollendete v. Holstein die Partitur einer neuen, komischen Oper, betitelt »Der Erbe von Morley«, deren erste Aufführung am 14. Januar < 871 in Leipzig slaltfand. Das Jahr 1 875 zeitigte sein drittes grosses Opernwerk, » Die Hochländer «, zum ersten Male am 16. Januar 1876 in Mannheim aufgeführt. Leider wurden v. Holstein's letzte Lebensjahre durch eine tückische, qualvolle Krankheit (Magenkrebs) verbittert, welcher er in der Nacht des 11. Mai 1878 zu Leipzig erlag, mitten unter neuen Compo- silionsenlwürfen. Seine opferfreudige Fürsorge für jüngere Talente, die er im Leben reich bethäligt hatte, offenbarte sich noch im Tode : die treue Lebensgefährtin erfüllte bald darnach seinen Lieblingsgedanken, auf seinem Grundstück (in der Salo- monstrasse zu Leipzig) eine Stiftung für junge Musiker zu errichten, ein Künstlerhaus, das unbemittelten Talenten eine sichere Zuflucht während ihrer Ausbildung auf dem Leipziger Conservatorium gewähren sollte, — das »Holstein-Stift«.

Anmutbend berühren auch den Fernerstehenden die warmen Einleitungsworte, mit denen der Biograph den Charakter und die äussere Erscheinung seines Freundes während der letzten Lebensjahre schildert (S. l) : »Als ich Franz von Holstein kennen lernte, hatten die grossen Erfolge seines »Haide- schacbli seinen Namen schon berühmt gemacht. Ich sah den gewordenen, nicht den werdenden Mann: eine schlanke, eher zarte als kräftige Gestalt, ein blasses, im Ertragen körperlicher Leiden geübtes Geeicht, eine eigentümlich scharf ausgebildete Adlernase, die dunklen Haare frei, ohne ängstliche Ordnung herabhängend, unter der hoben klaren Stirn ein helles, reines, liebevolles Auge, in seinem ganzen Wesen der lautere, um Gottes und seiner Kunst willen schaffende Künstler, der selbst begeistert auch Andere zu begeistern vermochte und der doch, in der schlichten Einfachheit seines Wesens, Alle, ob sie ihm nun an Alter und Begabung gleichstanden oder nicht, an seine herzgewinnende Persönlichkeit unwillkürlich fesselte. Ein ausgezeichneter Musiker, ein mit seinem besten Herzblut seine Gebilde tränkender Componist, ein feinsinniger, anmuthiger Dichter, ein liebenswürdiger, harmonischer Mensch, so recht geschaffen, sein Leben künstlerisch auszugestalten und Andre in seine glücklichen Kreise zu ziehen.«

Was die musikalischen Schöpfungen des Entschlafenen anbelangt, so verweilt Bulthaupt, und das mit Recht, besonders eingebend bei der Schilderung des Entstehens, des Inhaltes und des Erfolges der oben genannten drei Opern. Der übrigen Werke aber, namentlich der Liedercompositionen, gedenkt er nur im Allgemeinen an wenigen Stellen (S. 18, 36, 6l, 93). Und doch nehmen gerade die Lieder, bei Holstein'« ausgesprochen lyrischer Begabung, in seinem Kunstschaffen eine be-

  • ) Auch sonst war v. Holstein literarisch tbltig; so brachte die »Allg. Мое. Ztg.« mehrere Aufsatze aus »einer Feder, u. a. über Schumann's »Genoveva« (Jahrg. 4875, Nr. 41, Sp. 1*8 u*.), Rubinstein's »Maccabgen (Ebenda, Nr. ** f.) und Kretschmer's-Kolkunger« (Ebenda, Nr. t» f.). Vgl. Bulthaupt S. 80.
  • ) Vgl. die Aufsätze von Selmar Bagge Über den »Haideschacht« Jahrg. 4870, Nr. 5 f. und Über den »Erben von Morley« Jahrg. 4875, Nr. 19 ff.

deutende Stellung ein. Erregt schon ihre Zabi (es sind (07 einstimmige Lieder, 29 Duette u. s. w.) unsere Aufmerksamkeit, um wie viel mehr die wahrhaft künstlerische Vollendung so vieler von ihnen in Bezug auf Stimmung, Erfindung und liedmässige Behandlung. Versuchen wir daher im Folgenden die angedeutete Lücke in Bulthaupt's Biographie auszufüllen, indem wir in annähernd chronologischer Reihenfolge an der Hand der Opuszahlen die einzelnen Lieder in Kürze besprechen. Ein Anhang möge schliesslicb, um ein volles Bild der composi- lorischen Tbätigkeit Franz von Holstein's zu ermöglichen, seine übrigen Compositionen aufzählen.

I. Lieder für eine Singstimme

mit Begleitung dea Pianoforte.

Noch in die Braunschweiger Zeit gehören die Wildlleder von J. N. Vogl. Op. 1. Leipzig, Breitkopf & Hürtel. Рг. Л t. —. (Hieraus einzeln: Nr. 3. Liederkreis Nr. 180, SO ф.}

»Auf Drängen der Freunde« waren sie nebst Op. l (sechs Männerquartetten) »im Manuscript nach Leipzig an einen dortigen Verwandten (Gontard) geschickt und von diesem Moritz Hauptmann vorgelegt worden, der sich in günstigsten) Sinne darüber ausgesprochen und die anspruchslosen, gefalligen Lieder Breitkopf und llärtel zum Verlage empfohlen hatte« (Bullhaupt S. 4g). Ihre Jagendfrische und ihr leichler Melo- dienfluss gewinnen sofort unser Herz. Ein schönes Lied ist vor allem das weihevoll-innige dritte: »Waldeslust« (»Lass mich ganz in dich versinken«) mit seiner schlichten und doch so charakteristischen Begleitungsfigur ; im leichtbeflügelten Allegretto scherzando schwebt das vierte einher (»Vöglein ohne Ruh und Rast«) ; von tief tröstlicher Stimmung ist das fünfte durchweht (»Nähret Unmuth deine Seele«); fröhlich und heiter ergehen sich Nr. 4 und z (»Im Freien, ach im Freien« und Lustig, lustig, wer zum Wald seine Schritte wendet«), während das etwas schwerere sechste Lied, der poetische Abschied om Wald (»Morgen wieder, lieber Wald«), einen liebenswürdigen Abschluss bildet.

Jugendwerke sind ferner eine Anzahl Lieder für tiefe Stimme. Nach einer Angabe Bultbaupt's S. 4 8 fallen die beiden zunächst genannten Hefte in die Seesener Zeit ; wahrscheinlich gilt dies auch von den zwei hierauf folgenden.

Op. 8. Drei dcMBge von Goethe, Geibel and Spitta für

eine Bassstimme. Berlin, Bote & Bock. Рг. Л î. —. Op. 4. Irel Balladen von Slrachwitz, Heine und Geibel für eine Bassslimme. (Herrn Hofopernsänger Krause freundlichst dedicirt.) Berlin, Bote A Bock. Pr. .« 3. 50.*) Op. 6. Iwei Lieder für eine Bass- oder Baritonstimme. Braunschweig, G. H. Meyer jun. (Lilolff). Pr. .4M. 50. Op. 6. Rcm. Gedicht von Platen. Für eine Bass- oder Baritonstimme. (An seinen Freund H. Weber.) Braunschweig, Meyer (Lilolff). Pr. u» Í. 15.*») Ein Vorfahr der später erschienenen Reiterlieder ist Nr. l aus Op. 3 »Lasst mich nur in meinem Sattel gelten«; treffend illustrirt die Musik den Goethe'sehen Text aus dem west- östlichen Divan : frisch und kräftig der Anfang und das Ende, voll Weihe und Andacht der Mitteltbeil. Auch In dem lang ausspinnenden zweiten Lied : »Der Mai ist gekommen« sind die wechselnden Stimmungen hübsch nüancirt : die überquellend jugendliche Wanderlust, die Einkehr bei Wirth und Spielmann, der sorglose Schlummer am Busen der nächtlichen Natur. Den geraden Gegensatz hierzu bietet das choralarlig gehaltene »Was

  • ) Auf dem Titel von Op. B und » steht der Name des Compo- nlslen fehlerhaft: Holbtein statt Holstein; richtig dagegen beidemal tare. s.
  • ) Op. (, S. 8 und 8 lies : pochende!.

macht ihr, dass ihr weinet« ; Wehmuth der Trennung, gemildert durch religiösen Trost, ist sein Grundton. — Welch lebendig dramatischer Ausdruck dem Componisten bereits in seinen Jünglingsjahren zu Gebote stand , das zeigen uns die Balladen Op. 4. Unier ihnen hebt sich an wirkungsvoller Kraft hervor dio Composition zu dem bekannten Heine'sehen »Belsa- zar« ; der wilde Jubel der zechenden Kriegsknechte, des Königs frevelnder Hohn, die unheimliche Erscheinung der Flammenschrift und das schlotternde Erbeben der Sünder sind drastisch gemalt, jedoch ohne jemals die Grenzlinie der Schönheit zu verletzen. Ihr nahekommend an musikalischer Stimmungsmalerei, wenn auch nicht gleichmässig an dichterischem Werth, ist die Torangehende Ballade von Moritz Graf Strach- witz »Pharao«, welche den Untergang des prunkenden Aegyp- terheeres und die Drangsal und Errettung des Volkes des Herrn schildert. Mit Jugendfeuer ist der Componisl bei der Conception der Geibel'schen »Rbeinsage« ins Zeug gegangen, wir meinen besonders den frischen, fröhlichen Schlusstheil ; aber auch den feierlichen und von stillpoetischem Zauber angehauchten Partien des Gedichts, z. B. wie die Geistergestalt des altei Heldenkaisers Karl nächtlich über die goldne Moudbrücke wandelt und die Rebenblütbe am Rbeinstrom segnet, lässt er volles Recht widerfahren. — Op. 5 enthält zwei öfter componirte Texte : »Du hast Diamanten und Perlen« von Heine und »Die Höhen und Wälder schon sieigen immer tiefer ins Abendgold« von Eichendorff. Unser Componist hat ihnen neue Seiten abzugewinnen gewusst. Das letztgenannte Lied tritt vollsaftiger und minnlicher auf als z. B. die leise und innig vorzutragende Composition von R. Franz. Das erslere dagegen führt in geschickter Steigerung von leichtlebigem Eingang zu leidenschaftlichem Abschluss. Bemerkenswert!! ist, dass seine Clavier- Begleitung in Takt 7—14 der Begleitung zu Wolfram's Gesang an den Abendstern ähnelt ; um so bemerkensverther, als Holstein zur Zeit des Niederschreibens seiner Musik Wagner's »Tannhäuser« wahrscheinlich noch nicht kannte, wie aus Huit- baupt's Biographie S. 34 hervorgeht; denn ihr zufolge lernte er diese Oper erst während des Leipziger Studienjahrs kennen. — Sehr schön hat der jugendliche Künstler in Op. 6 die Grundstimmung des Platen'schen Gedichtes '»Wie rafft' ich mich auf in der NacbU) getroffen : »Reueschmerz wühlt im Ge- müth«. Der düstere Anfang kehrt verstärkt wieder im düsleren Ende, dazwischen die ruhigere nelodische Partie der lichten Sternennacht.

Eine Fortsetzung seines Erstlingswerkes gab Holstein in

Op. 9. Waldlieder Tod J. N. Vogl. (Zweites Heft.) (Frau Susette Hauptmann gewidmet.) Leipzig, Breitkopf A Härte!. Pr. .«? 3. —. (Hieraus einzeln : Nr. t und 3, Liederkreis Nr. 167 und 426, à 78 3jf,.}

Die Widmung lehrt uns, dass wir mit diesem Opus in die Leipziger Zeit kommen, und interessant wäre da die Untersuchung der Frage, welchen Einfluss, abgesehen von der theoretischen Unterweisung, Hauptmann's Lieder auf die seines Schülers geübt haben ; wir unterlassen sie hier jedoch, weil sie ausserhalb unseres Zieles liegt. Thatsacbe ist, dass man in dem jetzt zu besprechenden Liederhefte ein beträchtliches Wachsthum an künstlerischer Reife und an Originalität wahrnimmt. Frisch wie der thaustrahlende erquickende Morgen, den es schildert, giebt sich das erste Lied (»Welch neues frohes Leben erwacht vom nächt'gen Traum«). Die beiden folgenden verdienen besonders hervorgehoben zu werden, zunächst Nr. î (Waldliebe : »Fort, nur fort durch Busch und Zweige«) wegen seines schwungvoll feurigen Temperaments, dem nur einmal, bei den letzten Worten des Gesanges (»möchte werfen mich an deine Brust«) in schönen Harmonien Zügel angelegt werden. Nebenbei gesagt, haben wir in dea vier ersten Takten der Gelt»

sangsmelodie einen Anklang an Schumann's »Er, der herrlichste von Allen« bemerkt. Was Nr. t nur andeutet, das Brausen des Sturms im Wald und als jubelnder Widerhall im Menscheu- herzen, spinnt Nr. 3 (Im Sturm: »Der Sturm ist los») charakteristisch und vollkräftig weiter aus, es ist ¡n der Thal ein prächtiges Lied. Nr. 4 i Waldeinsamkeit« illustrirt, imengen Anschluss au den Text zwischen Adagio- und AUegrosätzen wechselnd, das Traulich-Einladende d,er Waldesnaolit. Graziös wiegt sich auf leichten Fittigen das Lied vow Waldvöglein (Nr. 5 : «Das Vogleia hat ein schönes Loos im Wald«) ; ganz reuend \»\ die Stelle: «Husch! ist's im Dickicht drip«. Wie in deu Waldliedern Op. l, so macb.1 a.uc^ hier ein bewegter «Abschied,« (Nr. 6 : -Aib-, du lieber Tannenwald») den, natürliche^ Scbjusü, aber iu viel vollendeterer Weise, na¿nenllicb was Eiuzelausdruok und Melodienfluss anbetrifft.

tplgL)

Theobald Babrn. Ein merkwürdiges Kftnstlerlebeit.

Vop Professor Dr. т.

Boom baile sich bei, seine» sebea berührte« Versuchen, gezogener Messingrötuea bedient., die. siebt am keulUeeleu herstellen uuil handhaben lieaeea. Die auBseiordeutlieh, Wicht« Ansprache dieser Meesiagr/obre. Uberrasobte ibn , tinj, er verfertigte deshalb , »¡u-lnloiu er die. Riogkleppan kes«itigA balle, sich, zuerst ein ttohr aus Messing, dann aus $Ш*с , NeiwJfeer. a. s. w. Er sagt dabei in, seinem leinten Werke.:- »Pen flöte«-. bau und das Flöleaepiak S. ä: »Auf die Klangfarbe oder die. Qualiläl der Töne bai die, gr.öseore- oder geringere lläcte und Sprödigkeil des Metanala den meisten. EüjfUisa. Hierüber sied viele Erfahrungen, vorbände.«, denn man. haUe Flöten, au« v.ec-< scbiedenen Holzarien,, am Elfenbein, Kryslaljglas, Porzellan, Kautschuk, Papier-nwch4, ja soga* aua Wachs gemacht. AJJe. derartigen Versuche führten jedocb. wieder auí diet Verwendung sehr harter Holzart««, zurück, bis es, mir, gelang, aus Silber und Neusilber Flöten, zu verfertigen , welche nun seil SO Jahren (dies sagle er iiu J.dire. l 471,, mit den НЫ/Jlwlo nva- lisiren, ohne dass die Frage : Welche Flöten sind besser? entscheidend beantwortet werden konnte. Die Silberflöten sind jedenfalls wegen der grossen Bf odulationsfiihigkeit ihrer äussersl hollklingenden und sonoren Töne vorzüglich sum, Spiele in grossen Räumen geeignet. Da sie aber gerade wegen, ihrer iin- gemein leichten Ansprache sehr häufig überblasen, werden, wodurch der Klang der Töne h. u l und, schreiend wird, so können ihre Vorzüge nur be,i einem, sehr, guten Ansätze und sorgfa'll.igen, T,onst,udium .iqr vollen, Geltung gelangen. Aus diesem, Grunde werden auch Uolzflölen, nach meinem System gemacht., welche dem, Ansätze, der, meisten. Iflulonspielur besser entsprechen und wegen des. vollen und angenehmen Klanges der Töne namenlljph, in tyeulechland, bevorzugt werden. In England, hat man, sich jedoqh beinahe durchaus für die Silber- flöljc. entschieden.«

So schreibt. B^udajl 4 Hose, i. September : »Es ist nicht der geringste Zweifel, über, den grossen Vorzug Ihrer, Metallflöte gegen jede aqder,e. In der T.hal, man glaubt, dass es kein, anderes Blasinstrument giebt, welches so viele Vorzüge besitzt.« Und. der FJöleavirluose G.eprg RudalJ, schreibt, zur selben Zeit: »Ich, babe in vielen Gesellschaften, gaspiqll und, Ihr« Melallflöle hat bei Jedem. Bewunderung und Bnl^ücken erregt. Alle riefen aus : es gehe, über ihre Begriffe,,, dass dje, Flöte,, zu solch einer. "Miendung gebracht «eigen kannte.«, Sq. liegen, putzende v,on,

Briefe« vor aus allen Ländern, welche ihr Entzücken über die Melallflöle aussprecben.

Nun, kam di» gross» ladustrie-Aussletlung aJler Vbiker in London — sie war die erste grossartigste in ihrer Aus- und Durchführung in London, sodann auch in Bezug auf die TbeuV nähme aller Völker der Erde. Unter den musikalischen Instrumenten, die uns hier aUein interessiren, sied es vorzüglich die Flöteu. Zu den iuteressanleslen der Ausstellung verzeichne» wir еще neue Silberflote von. Böhm mit Deckelklappen, ein. Piccolo und. «in Oboe nach denselben System.

Die älteste und berühmteste Flölenfabrik Englands Kmlall ¿t Rose hatte gleichfalls Flöten nach Böhm's System ausgestellt und erhielt die Neieotedbilhi für Verfertigung dieser '-'löte. Daneben erwähne» wir mich die verbesserte Palentflöte von dem berühmten Flötisten Carle, dann die Patenlflöle des be- rühmlen Flötenspielers Clinton.. Auch er benutzte die. Böhm'- sche Stellung der Grifflöcher, versuchte aber einen Mechanismus, der es möglich machen sollte, das gewöhnliche Griffsystem der allen Flöte beizubehalten.

Es waren da natürlich Flöten aus den verschiedensten Ländern zu sehen. Aus Frankreich h'nden wir Godefroy mit der Böhm'schen Flöte, auch Berlon in Paris halle eine Flöte nach dem Böhm'schen Princip gebracht. Dazu kam noch Tulou mit seiner sogenannten verbesserten Böhm'schen Flöle. Aus Nordamerika anden wir Pfalf aus Philadelphia. Aus dem Zollverein fanden sich Fielen von Essen, Neukirchen, Klingenthal, Mainz, ferner aus der Schweiz, auch Dänemark.

Die Ausstellungs-Jury bestand aus: Sir H. Dr. Bishop, Professor der Musik an der Universitäl in Oxford als Vorsitzender. Dazu kamen Sterndale Bennel, Professor an der kgl. Akademie der Musik in London, Hector Berlioz aus Frankreich, Dr. Robert Black aus den Vereinigten Staalen von Nordamerika, Killer Sigismund Neukomm aus Deutschland, Cyprian Potter, Vorstand der kgl. Akademie der Musik; dann meine Wenigkeil, der Biograph Böhm's zugleich als vereinsländischer Juror, ferner Sir Georg Smarl, Organist und Componist an der kgl. Kapelle, Sigismund Thalberg, Dr. Henry Wylde, Professor an der kgl. Akademie der Musik.

Die Flöle Böhm's erregle das grossie Aufsehen, das grossie Interesse aller Musiker und sie erhielt auch nach der genaueslen, lange dauernden, bis ins kleinsle Detail sich erstreckenden Prüfung einstimmig den ersten Preis, die grosse Preismedaille.*)

Die Elote Böhm's wurde nun in den, meisten bandera, und am meislen in Nordamerika, fabricirt, allein die Flölen aus der Fabrik Böhm's und Mendler's in Miincheu.sind in Beziehung auf Vollendung dennoch nichl erreicht worden. Die besten Flöten nach Böhm's System wurden in London durch Rudall Ä Rose, in Paris durch Godefroy & Loi gemach L und io, aller Herren Ländern verbreilel.

Eine grossarlige Imilalion der Londoner Ausstellung war, die Indusü-ie-Ausslellung in, Paris im Jahre 1855. Böhm,halle zu seiner Silberflote eine Holz/lote und Modelle, Rechnungen und Zeichnungen, ein Schema zur Beslimmung der Maasse für Flöten jeder Stimmung auf mechanischem oder graphischem Wege gebracht. In Paris und deshalb auch in Frankreich war die Böhm sehe Flöle schon zum musikalischen Gemeingui geworden. Die Jury erkannle Böhm einstimmig den ersten Preis, nämlich die goldene Ehrenmedaillc, und der Präsidenl der Pariser Ausslellungs-Commission, Prinz Napoleon Bonaparte, halle sich, bei der Erlheilung der Preise noch in besonders bewundernder Weise über Böhm ausgesprochen. Ein Berichterstatter sagt : Son Allesse Impériale a lerminé sa XVIII* visite par le

Arollicher Bericht Über die Industrie-Ausstellung aller Völker in, London im Jahre 1851 von der Berichlerstatlungs-Commission der deutschen Zollvereins-Regierungen Bd. I, S. 88Î und 9S4 bis »35.

27* class« Fabrication des instruments de Musique und erklärte : »Si la France, qui occupe incontestablement le premier rang pour la fabrication des instruments de Musique, pouvait redouter un concurran!, ce serait la Bavière avec ses instruments à vent en bois. Dans celte classe l'Etranger n'avait qu'un seul nom qu'il put opposer à la France, mais ce nom est une autorité et une puissance. Nous voulons parler de Mr. Boehm de Munich. Artiste, inventeur, fabricant Mr. Boehm a porté toutes les parties de son art à la plus haute de perfection ; il a donné son nom à un système nouveau, appliqué à la Flûte. U a envoyé à l'Exposition deux modèles, l'un en métal, l'autre en bois, qui lui ont valu la grande médaille d'honneur.«*) Der Prinz erklärt dann weiter und mit vollster Bewunderung : Sein Name ist eine Autorität, und eine Macht.

Der Bericht des Präsidenten der französischen Jury, des Directors des Conservatoriums der Musik in Wien, Joseph Helmesber- ger, spricht sich in derselben Weise und zugleich als Deutscher aus. **) »Der Verfasser dieser Zeilen kann ев sich beim Schlüsse seines Berichtes über die XXV'U. Klasse nicht versagen, dem bei der Pariser Ausstellung vertretenen deutschen Streben und Schaffen noch ein freudiges »Hoch« auszubringen durch einige Worte über die Fabrication von Holz-Blasinstrumenten, welche zugleich den Schlussstein dieser Besprechung bilden. Wir finden hier eine herzliche Anerkennung für den deutschen Mann, den Reformator der Flöte, für den berühmten tteister Hollín in München, dem einstimmig die Auszeichnung der grosse» Uhren-Medaille zuerkannt wurde. Das vortreffliche, ja unschätzbare System des genialen Künstlers, welches von der Flöte nunmehr auf alle anderen Blasinstrumente übergebt, muss als wahrer Fortschritt im Gebiete der Musikinslrumenten-Fabrication betrachtet werden und wird ohne Zweifel mit der Zeit die allgemeinste Verbreitung finden. Möge sich der geschätzte Meister für die Schwerfälligkeit, welche sich bisher der allgemeinen Annahme seines Systems hemmend entgegen stellte, durch die wohlverdiente Anerkennung, welche demselben bei Gelegenheil der Ausstellungen zu London, München und neuerdings zu Paris einstimmig zu Theil geworden und durch das Bewusstsein entschädigt und belohnt finden, sich in der Geschichte der Entwicklung der Musikinstrumente einen bleibenden und ausgezeichneten Namen gesichert zu haben!«

Dies Alles stand auf dem Papier und wurde vielleicht unter lausend Musikern höchstens von einem gelesen. Was das musikalische Frankreich und Nordamerika, ja selbst die Pariser Akademie ¡n Bewegung setzte, exislirte für das musikalische Deutschland so viel wie gar nicht. Ja selbst bei der Industrie- Ausstellung in Wien im Jabre < 873 war das musikalische Wien allerdings überzeugt, dass die Zukunft der Böhm'scben Flöte angehöre. «Die Gegenwart gehört Böhin schon längst an, ganz Frankreich, England, Belgieu und grossleqlheils Deutschland, Italien und Amerika. Bei uns hängt man noch treu an unserm Ziegler, das ist Ziegler's und seines Vaters Verdienst, dass die alte Wiener Flöte noch in ganz Wien ausscbliesslich herrscht.'***) Indessen ist bereits eine sehr grosse Anzahl Flöten aus der Fabrijt von Itüliin nach Wien und allen Ländern Oesler.reicbs geliefert worden, namentlich, an Dilettanten.

Von nun an gab es in Frankreich keine Fabrik musikalischer Instrumente mehr, i u. welcher man unier, ihren Instrumenten

  • ) Visite de S. A. I. le Prince Napoléon aux Produits collectifs dee Nations qui ont pris part à l'Exposition de 1855.
    • ) Amtlicher Bericht aper die allgemeine Pariser Industrie- Ausstellung im Jahre 4855 etc. durch Dr. G. von Viebabn und Dr. Schubartb. Berlin 4856, s. es?.
      • ) littvrnnliniiftle- Ausstellung«- Zeitung. Beilage der Neuen Wtenen Presse. Wien, Donnerstag den st. August 1873 Nr. 3S31. Feuilleton.

nicht der Böhm'schen Flöte ihren 1'lal/. anwies. Neben dem alten berühmten Fabrikpreis von Godefroy & Lot finden wir z. B. in Paris Desnoyers, Thulart & Cie. mil Flûtes de Boehm um «40 Francs, Neusilber 90 Fres., Petite Flute Boehm gren- dille 90 Fres., Neusilber 60 Fres., Clarinettes Boehm nouveaux system Í45 Fres., bis heute zu HO, 435, 130 Fres. Sogar in den Dörfern Cuture und Jury-la-Balaille, beide im Departement d'Eure, nordwestlich von Paris, hat die Inslrumen- ten-Fabrik Thibouville & Hérouard eine Flute Boehm mit 4 4 Klappen ausgeschrieben, und Noblel & Thibouville in Jury- la-Balaille an der Eure haben Clarinetten nach Böhm von 460 bis ÎOO- Franken und Böhm'sche Flöten zu ISO und aus Neusilber zu 95 Mark in ihren Katalogen.

Die ausgezeichnete- berühmteste Fabrik Böhm'scher Flöten in England war die alle Fabrik Rudall & Rose in London. Die Fabrik hat sich ein Patent erworben und verkaufte ihre Böhm'schen Flölen vollendet in Etuis mit allen nöthigen Zugaben aus Cocos-Holz mit Silberklappen um 18 JE 48 sh. In Silber die Cylinderflöle um z6 £ 5 sh., in Neusilber, silberplaltirt, um 48 £ 48 sh. Wer eine geschlossene до-Klappe dazu haben will, zahlt 4 £ 4 sh. mehr, ebenso wer die Bricerol'sche imoll- Klappe an der obigen Flöte angebracht haben will.

Die ausgebreitete Fabrication Böhm'scher Flölen ist indessen in Nordamerika. Tausende (darunter die Allerbesten) blasen die Böbm'sche neu verbesserte Flöte. Durch sie ist die Flöte ein geachtetes Instrument geworden, gerade wie in England, Frankreich und Belgien ausscbliesslich die Böhm'sche Flöte geblasen wird.

Bühm's Verbesserungen an dir Hoboe. Seine Alt-Flöte.

Böhm wandte endlich sein System auf alle Holz-Blasinstrumente mit Grifflöchern an. So halte er für den ersten Oboisten seiner Zeit, Lavigne, an der ilalienischen Oper in London, eine Hoboe, für den erslen Fagottbläser an der italienischen Oper in Paris ein Fagott nach seinem System verfertigt. Auch diese Instrumente fanden Beifall trotz des hoben Preises und des neuen Griffsystems. Die berühmte Fabrik Triebert & Cie. baute Hoboen nach Böhm's System. Nach einem Preis-Courant vom 7. März 4857 kostet eine solche Hoboe ins a herab steigend mit Silberklappen etc. in Etuis 600 Fres.

Eine neue Schöpfung Böhm's ist seine Altflöte (in der Londoner Ausstellung halle sie noch den Namen Flûte d'amour). Er hatte seiner Flöte auf Verlangen noch einen sogenannten //-Fuss beigegeben ; allein tiefer zu geben hielt er nicht für zweckmässig ; denn die Töne verlieren hier, je tiefer sie gehen, Mark und Klang.

Mit der Zeit überwand er auch dieses Hinderniss. Scnon im Jahre 48Í7 halle er Rohre construir!, welche das kleine /mit derselben Leichtigkeit und derselben Kraft angaben, wie die hoben Flötenlöne ; allein das Griffsystem wurde, da die Grifflöcher in der längereu G-Flöle weiler auseinander lagen, schwieriger, die Finger ermüdeten leicht bei der grossen Spannweite. Böbm blieb deshalb beim kleinen g stehen. Hier ist die Flöte trotz ihrer Länge noch verbältnissmässig leicht zu behandeln. Die G-Flöle ist HiO Millimeter lang und oben Î6 mm weit, während die C-Flöte Pariser Stimmung 620 mm lang und oben 19 mm weil ist1. Die unteren Grifflöcher haben 11 mm im Durchmesser. Böhm nannte ¿eine Flöte nun mil vollem Recble Allflöte. Das Griffsystem bleibt dasselbe wie auf der Böhm'schen c-Flöte. Die dem Grundlone G sieben nächsten Töne sprechen ebenso leicht und sicher an, wie auf der Böhm'schen c-Flöte, so dass sich für den Spieler keinerlei Schwierigkeiten bieten. Dabei sind diese tiefen Töne wunderbar schön und lassen sich zu einer überraschenden Stärke anschwellen, wodurch die Altuöte ebenso gul in den grösslen Räumen wie im Salon eine merkwürdige Wirkung hervorbringt.

Von dieser Zeit an beschränkte Büliiu seine Reiselust und beschäftigte sich hauptsächlich mit Unterricht, (n seinen Mussr- slunden componirte und publicirte er hie und da eine seiner Composiliunen, die überall die vollste Anerkennung funden und sehr gesucht sind, namentlich in Nordamerika.

Dabei lag ihm die Vervollkommnung seiner Flöte fort und fort vor Augen. Mit der Substituirung eines Kopfstückes aus Cocosholz statt des metallenen auf seiner Metallflülc hielt der 78jährige Mann seine Lebensaufgabe für gelöst. Durch dieses Kopfstück erhielt die Melallflöte auch in den höchsten Tonen das charakteristisch Milde des Flotenlones ohne Nachtheil der leichten Ansprache und der brillanten Kraft der Metallflöle.

Carl« in London. Bdhm'i Urtheil Über die an Hiner Fíete vorgenommenen Verbesserungen.

Die neue Flöte erhielt hie und da, wie wir bereits gehört, sogenannte Verbesserungen, niemals wurde jedoch das eigentliche Wesen der Bohm'schen Erfindung — die Dimensionen des Flötenrohres, die Stellung der Grifflöcher an ihrem akustisch bestimmten Platze — auch nur im Mindesten angetastet, es war immer nur ein secur.därer Tbeil der Bohm'schen Flöte, die Stellung einer Klappe, hie und da die Anbringung einer Zusatzklappe, eine geschlossene anstatt der offenen als Verbesserung angegeben, eine Veränderung, die theils aus der Liebhaberei oder Angewöhnung irgend einer Fingerbewegung. oft auch aus der Sucht hervorgegangen war, etwas Neues als eine sogenannte Verbesserung an dem berühmten Instrumente anzubringen. So die grossen Flötisten Coche, Dorus ; auch Giulio Briccialdi, welch letzterer unbestritten der grossie Virtuose auf seinem Instrumente war.

Die ganze Verbesserung drehte sich eigentlich um eine einzige Klappe, die sogenannte jis-Klappe. Böhm hielt alle seine Klappen olfen, so dass alle Finger dieselbe Bewegung, die des Niederdrückens der Klappen, auszuführen hatten. Mit dieser sogenannten Verbesserung wird die Böhm'sche Flöte in Frankreich noch immer in die Welt geschickt. Es war der bereits oben Sp. 501 besprochene R. Garte, damals der grossie Flötist Englands, der selbst ein Patent auf eine durch ihn verbesserte Flöte besass, und trotzdem die Böhm'sche Flöte mit Leidenschaft ergriff, der Böhm's System geistig durchdrungen hatte, wie keiner seiner Collegen. Er schrieb ein oft aufgelegtes Werk : *J «Ein vollständiger Cursus von Instructionen für die Böhm-Flöte mit offener oder geschlossener Gts-Klappe mit einem Vorbcrichte.« Dieser Vorbericht enthielt eine Analyse der Böhm-Flöle und der alten achtklappigen Flöte , mit einer Vergleichung der beiden Flöten, um den Flötenbläser in den Stand zu setzen, selbst ein Urtheil über die relativen Verdienste beider Flöten zu fallen. Es ist wohl das beste Werk, welches überhaupt über die Böhm'sche Flöte geschrieben worden ist — ebenso steht die Analyse der Bohm'schen Flote einzig in ihrer Art da. In dieser Analyse vertheidigt er das Böhm'sche Klappensystem als ein aus einem eiuzigen Gusse hervorgegangenes Klappen- und Griffsystem. Er sagt sehr treffend : »Bei der einzigen geschlossenen 314— Klappe ist eine doppelle Thäligkeit des Fingers nothwendig. Wie irrationell ist ein System, dem Bizarrismus des Grilfsystems der alten Flöte entnommen , wo einer oder mehrere Finger sich über den Griiriöchern erheben, der

  • ) A complete Course of Instructions for the Bochín Ilute (Both tho open and the closed G keyed Flute), designed as well for lle- ginncrs as for those acquainted with the old t'lule ; and preceded by an analysis of the Itorhm Huir and the old eight-keyed r'hilr. With a comparison between then, to enable the Hulc-phiysr to judpc-of their relativo mcrets by R. Carte. London. Addison and Hodson 410 Regentslreel and Ч King Williams Street. Price 40 shillings 6 Pence. 1846. 'Die orsle Auflage von (S45 isl oben Sp. 50* an¡(e- iiilirt und besprochen.

andere Finger aber die Klappe drücken muss. In der zweiten Octave wird diese Griffarl noch complicirter und kann höchstens kaum an dem entschuldigt werden, der sich von der allen Gewohnheit in keiner Weise losmachen kann.a

Böhm sagt : »Wenn es möglich wore, eine Klappe für dieses </u zu machen, ohne das ganze Griffsyslem zu verwirren, ich würde kein Wort dagegen sagen ; da jedoch dies nicht thunlich ist, und da für den Anfänger nicht die geringste Schwierigkeit im Gebrauche der offenen gu-Klappe entsteht und bei dem ans alte System gewöhnten Flötenspieler nur kurze Zeit nothwendig ist, um sich in mein System hinein zu finden, so würde ich nie die gegen mein System geschlossene jis-Klappe billigen. Ich wollte rathe'-, mein System zu studiren ohne alle Aende- rung, und ich bin versichert, dass ein Jeder in kurzer Zeit erfreut sein wird, meinem Rath gefolgt zu haben, und ich bin überzeugt, dass die französischen Spieler mit der geschlossenen </i'.v-Klappe nie die Vollendung in ihrem Spiele erreichen werden, als die Deutschen, welche mein System seit langer Zeit befolgen, ?.. B. Sleltmair in Hechingen.« (Forlsetzung folgt.)

Die Tonkünstler-Versammlung dee Allgemeiden deutschen Musik-Vereins

vom 8. Ms 12. Juli 1Ш.

Zum ersten Male seil seinem 23jährigen Bestehen hielt der Allgemeine deutsche Musik-Verein diesen Sommer Einkehr in der Schweiz und feierte während der Tage des 8. bis 42. Juli in Zürich das Fest der sogenannten Tonkünstler-Versammlung. Dass man in der kunstsinnigen Stadt, welche sich von je her durch treffliche Organisation wie glänzende Ausstattung ihrer Feste hervorgethan hat, Alles aufwenden würde, um den Gästen aus Deutschland nicht blos musikalisch Vorzügliches zu bieten, sondern auch einen freundlichen Empfang zu bereiten und die Feiertage so angenehm wie möglich zu gestallen, das stand von vorn herein zu erwarten. An dem mit unerbittlicher Consequent vom grauen Himmel Iriefenden Regen mussle freilich der beste Wille theilweise zu Schanden werden, und es konnte beispielsweise die Festfahrt auf dem See Dienstags den < 4. Juli nur unter den obligaten Regenschirmen vollzogen werden. Dem Feuerwerk mil nautischen Spielen und Illumination der Seeufer, welches vom Sonntag auf den nämlichen Dienstag verschoben wurde, lächelte glücklicher Weise ein günstiger Stern. Bei dunkler, windstiller Nacht war der plötzlich aufstrahlende Feuerzauber auf der Wasserfläche von unbeschreiblicher Wirkung und versetzte die Zuschauermassen auf Augen- blicke in ein Märchen von Tausend und leiner Nacht. Je ungünstiger sich übrigens die Witterung gestaltete, desto eifriger wurde musicirt, desto mehr Irat die Arbeit, welche das umfangreiche Programm Mitwirkenden wie Zuhörern auferlegte, in ihre vollen Rechte ein. Die Tendenz des Deutschen Musikvereins, Compositionen zeitgenössischer Tonkünstler, besonders seiner Mitglieder zur Aufführung zu bringen, jugendlichen Kräften Gelegenheit zu bieten, ihre Schöpfungen in vorzüglicher Reproduction vor die Oeffentlichkeit zu bringen, hat gcwiss seine Berechtigung. Immerhin lässl sich nichtläugncn, dass sich infolge dieser Tendenz neben Bedeutendem, Voll- werlhigem nicht blos zahlreiches Mittelgut, sondern auch Verfehltes, Unerquickliches in die Programme mit einschmuggelt, und dass das Günnerlhum eine keineswegs unwichtige Rolle dabei spielt. Ks wäre daher jedenfalls empfehlenswert!], wenn man neben dem Modernen, noch Unerprobten und Problematischen wenigstens ein grösseres älteres Werk zur Aufführung brächte, dessen Kunstwerlh über jeden Zweifel erhaben, dessen unverwelltliche Schönheit dazu angethan wäre, Alte und Junge, Conservative und Fortschritlsmänner, Classicisten und Zukünftler gleicherweise zu erquicken und den richtigen Haass- stab zur Beurlheilung unserer neuzeitlichen Bestrebungen darzubieten. Eine specifiscb moderne Färbung erhielt das Programm des Züricher Festes freilich schon durch die Anwesenheit von Franz Liszt, welche die Aufnahme einer grösseren Anzahl seiner Compositionen gewissermaassen bedingte. Dass der persönliche Cultus , welcher mit dem Manne getrieben wird , die ehrerbietigen Kuixe und verhimmelnden Epitheta, die »dem Meister« eine unzertrennliche Suite spendet, uns nüchternen und demokratischen Schweizern ein Lächeln entlockte, das versieht sich wohl von selbst. Mit objectivem Behagen betrachtete man das Gebahren dieser Exaltirten, welche sich Liszt gleicherweise an die Ferse hängen, wie sie es seinem Freunde Richard Wagner thun, und war weit davon entfernt, den greisen Künstler, dessen untersetzte Gestalt und colossaler Kopf mit dem geistvollen Profil übrigens sofort Aller Aufmerksamkeit auf sich zogen, etwa für die Thorheilen jener Parasiten verantwortlich zu machen oder sich die Freude über seine Gegenwart dadurch vergällen zu lassen. Mag man über Liszt's tondichterische Begabung, sowie den Werth der von ihm als Componisl vertretenen Richtung denken wie man will, seine Bedeutung als Virtuose, als genialer Vorkämpfer auf dem Gebiet der neuern Claviertecbnik steht geschichtlich nicht weniger fest, als der aufopferungsvolle Idealismus, das menschlich Edle seiner Persönlichkeit. So gab denn auch seine Anwesenheit bei der Tonkünstler-Versammlung zu Zürich den Aufführungen erhöhten Impuls, und wer hätte dem ergrauten Mann die herzlichen Ovationen, die ihm Seitens der festlich erregten Menge dargebracht wurden, missgönnen wollen l — Wenden wir uns nach diesen einleitenden Bemerkungen, welche sowohl den Standpunkt des Referenten als die Stellung andeuten sollten, die das äusserst zahlreiche Concertanditorium den deutschen Tonkünstlern und ihrem Koryphäen gegenüber einnahm, zu den musikalischen Thaten der Festwoche, so erhielten die Gäste schon am Empfangsabend, d. b. Samstags den 8. Juli, im Pavillon der Tonhalle Gelegenheil, die Qualität der Chor- und Orchesterkräfte Zürichs kennen zu lernen und sich zu überzeugen, dass die Zeiten längst verrauscht, wo Ed. Hanslick mit einem gewissen Recht schreiben konnte : Die Schweiz, diese Schatzkammer von Naturschönheiten, sei im Vergleich zu ihren europäischen Nacbbareu ein höchst tonarmes Land. Während das Tonhallen- Orchester unter Lothar Kempter's Direction den instrumentalen Tbeil des Abends bcstritt, halten sich die beiden Zürcherischen Männergesangvereioe »Harmonie« und » Männerchor », über tOO Mann stark , zum Vortrag einer Anzahl Lieder vereinigt. Sämmtliche Nummern wurden mit grosser Präcision, namentlich schöner dynamischer Nüancirung gesungen. Einen durchschlagenden Erfolg errangen Attenhofer's »Fate carimma« und das köstlich humoristische »Rothhaarig ist mein Schätzelein», ferner Rob. Schumann's "Sonntags am Rhein» für Männerchor sehr glücklich arrangirt von Gust. Weber. Alle drei mussten wiederholt werden. Aber auch die Orchesterproductionen fanden warmen Beifall, den meisten die reizend instrumentóte Orchestersuite »Sylvia» von Delibes, ferner Rakozymarsch und Sylpbentanz aus »Faust« von Hector Berlioz. Letztere Nummer, ein Cabinetstück geistvoller Tonmalerei, wurde stürmisch da capo verlangt. — Das erste Concert begann Sonntags den 9. Juli Nachmittags 4 Uhr im grossen Tonhallensaal, nachdem am Morgen die Hauptprobe vorangegangen, und brachte Liszt's Oratorium »Dio heilige Elisabeth«. Die Chöre wurden vom Gemischten Chor Zürich und dem Sängerverein »Harmonie» ausgeführt. Das Tonhallcorchester hatte man durch Zuzug von 30 Mitgliedern der königl. Hofkapelle in Stuttgart und einigen

aus Karlsruhe auf circa 85 Mann verstärkt. Die Leitung lag in den Händen des Herrn Kapellmeisters Fritz Hegar, welcher, um dies gleich hier zu sagen, Sämmtliche Chor- und Orcbester- werke des Programms mit unermüdlicher Ausdauer vorbereitet batte und seine schwierige Aufgabe in vorzüglicher Weise löste. Liszt's Oratorium enthält neben musikalisch dürftigen und namentlich zu weit ausgeführten Partien viel Ansprechendes, trifft den Ton der dramatisirten Legende glücklich und zeichnet sich durch ein reich abgestuftes Orchestercolorit aus. So ist, um nur zwei Beispiele zu erwähnen, die Harfenbegleitung bei der Illustration des Rosenwunders von magischem Effect und in der »Elisabeth» betitelten Scene, wo die Verstossene ihr Gebet zu den Sternen sendet, umspielt das Solovioloncell gleich einer tröstlichen Stimme von Oben den Gesang der frommen Dulderin. Der musikalische Höhepunkt des Oratoriums scheint uns übrigens in dem dritten Abschnitt zu liegen, wo die Kreuzfahrer auftreten. Den Fanatismus derselben hat Liszt vortrefflich wiedergegeben, und der Marsch der Gottesstreiler mit seiner Mischung von trotziger Kühnheit und demüthiger Entsagung ist ein Glanzstück. Schade nur, dass gerade hier die übermässige Länge die Wirkung abstumpft und den Hörer ermüdet l — Mit dem Chor wetteiferten die Solisten, um alle Vorzüge der Tondichtung ins günstigste Licht zu setzen. Fräulein Marie Breidenstein aus Erfurt verkörperte die rührende Gestalt Elisabeth's nicht weniger vorzüglich denn die Altistin Fräul. Luise Schännack aus Weimar die herzlose Landgräfin Sophie, die gewissermaassen das böse Princip des Dramas bildet, Herr Joseph Staudigl aus Karlsruhe glänzte als ungarischer Magnat und Landgraf Ludwig mit seinen prachtvollen Stimmmitteln, wobei nur der eigentbümlicb süddeutsche Accent unser Ohr etwas störte. Schön vertrat Herr Joseph Burgmeier aus Aarau die Rollen des Seneschals und des Kaisers Friedrich. Auch die kleineren Partien waren in den Händen der Zürcbe- rinnen Frau Sutor-Weber, Frau Hegar-Volkau und des Herrn F. Fnrrer wohl aufgehoben.

(Fortsetzung folgt.)

Nachrichten und Bemerkungen.

  • Aus HeY&l wird geschrieben: Ein noues »Perpetuum mobile« für die Geige von Perd. H il 1er erregt in den hiesigen Symphonie-Concorten kein geringes Aufseben. Der hier concerti- rende wohlrenommirte Geigenkünstler, Concertmeisler Otto Hohlfeld, brachte die originelle Composition mit eminenter Meisterschaft zu Gehör, und der Erfolg war ein stürmischer, dase er sie nicht allein noch ein zweites Mal spielen, sondern auch in dem folgenden Concert wiederholen raussle. Publikum und Kritik stellen dies Hiller'- sche Perpetuum mobile in Bezug auf Charakteristik und musikalischen Werth Über das gleichnamige Pnganini'sche Virtuosenstück, an Überraschenden, blendenden Effecten jenem mindestens gleich. Der bekannte Musiker und Schriftsteller H. Stiehl nennt es in der Revale Zeitung »ein schwieriges, doch dankbares und interessantes Stück« das heute noch wenig bekannt, wohl bald die Concertprogrammj zieren, in erster Linie von Hohlfeld auf seiner Tournée durch Russland und Deutschland dem Publikum vorgefahrt werden wird.

[<"J Bedeutende Preis -Ermässigung l

So lange der Vorralh reicht liefere ich :

L. Van BeethOVen'S Sinfonien, herausgegeben von fr. Chryitider. Partitur. Prachtausgabe. Grosse0. Plattendruck. No. t— 8 à Л !,Ï5. No. 9 .M i, 50.

(In elegantem Einbände kostet jede Sinfonie Л 4 ,80 inefar.) Leipzig und Wmtertliiir.

J. Bieter-Biedermann. [IM]

Bekanntmachang.

Durch den Abgang des Cantors an der hiesigen evangelischen Hauptkirche zu SI. Marien, Herrn Odenwald, wird vom 1. October er. ab die Cantorstelle an der genannten Kirche vacant.

Das Hinkommen der Stelle betragt incl. des Worths der freien Wohnung von 13i .# 98 Sfr circa 1*62 M 86 fy, wovon jedoch nur 6(9 Л 88 Sp feste Bezüge sind. Die Höhe der Summe, »eiche dem Gewählten zur Haltung des Kirchenchors zur Disposilion gestellt werden wird, sol! nach erfolgter Wahl bestimmt werden. Beim Vorhandensein der erforderlichen pädagogischen und did;iclischen Begabung wird dem Gewählten ferner der Gesangiuitcrriclit an dem hiesigen städtischen Realgymnasium gegen eine jahrliche Remuneration von 450 M übertragen.

Qualiflcirle Bewerber wollen sich unter Eiiireichiing ihrer Zeugnisse und eines kurzen Lebenslaufs bis zum 1. September er. bei dem unterzeichneten Magistrat melden.

Elbing, den 46. Juli issi.

Der Magistrat, gez. Thoniale.

[155] l

neu, zu verkaufen mit Masch. Adressen erbeten sub F. l. 859. ,,In~ ttlidendank" Dresden.

1156] Verlag von

J. Ru'tiT-Hicilrrniaiiii in Lei]>zig und Winterthur.

Im de». I«'u, lie n.

PERPETUUM MOBILE.

(Aus Prinz Papagei. Op. 183.)

O o 11 с с r t - ÏC t ti d e

für

\7tollne (ectec Fióte)

mit Orchester oder Pianofortebegleitung

von

Ferdinand Hiller.

Für Pianoforte und Violine . . . . Î Jt 50 3jg.

Für Pianoforle und Flöte î Л 60 ф.

(Partitur und Orchesterstimmen sind in Abschrift zu bestehen.;

[IS7] Verlag von

J. Kieter-Biedermann in Leipzig und Winierthur.

Aasgewählte

für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte.

(Fortsetzung.)

Hart Hiller, Ferd., Abendsegen : »0 lichte Gluth l o goldner Strahl,«

von H. Steinheuer. Op. 85. No. 1 1,00

Holstein, Fr. т., Auszug : »Blas, blas, blas und blas, Trompeter, bins das Lied,« von Aug. Becker. Op. 13. No. l. . . 0,50

Vom langen Jörg: »Der lange Jörg stund immer vorn,«

von Aug. Becker. Op. II. No. l 1,00

Lustiges Reiterleben : »Holiah, heil welch lustig Reiterleben hat der Herrgott uns dereinst gegeben In von Autj. Becker. Op..li. No. 3 0,50

Der Trompeter bei Mühlberg: »Bei MnhJberg hatten wir

harten Sland,« von Aug. Hecker. Op. 19. No. 4 ...... 0,80

Dafc gefeite Hemd: »Am-Christnachtabend sass mein

jüngstes Schwcstcrlein,« von Aug. Kerker. Op. 13. No. 5. . 0,50

Holstein, Fr. т., Am Bach : »Rausche, rausche, froher Bach,« von Fr.Oter. Op. 16. No. 1 ...........

- Jägerlicd: »Zierlich ist des Vogels Tritt im Schnee,« von E. .Мс/пАи. Op 16. No. l ............

- Winlcrlied: «Geduld, du kleine Knospe« von E. v. Platen. Op. l в. No. l ................

- Als ich weg ging: »Du bracht'st mich noch bis auf den Berg,« von Klaus Grollt. Op. 16. No. 4 ........

- Komme bald!: »Immer leiser wird mein Schlummer,« H. Lingg. Op. ( 6. No. 5 ............

- Waldfraulein: nAm rauschenden Waldessaume da steht ein finsterer Thurm,« von W. Hertz. Op. 10. No. I ...

- Wenn etwas leise in dir spricht, von // Lingg. Op. 10. No. » ..................

Mut

0,50 0,5« 0,50 0,50 0,50 0,80

- Im Frühling: »Blüthenschnee weht durch die Lande;« vom Componisten. Op. SO. No. 3 .........

- Ich wohn' in meiner Liebsten Brust, von Fr. Huckert. Op. 10. No. 4 ................

- Sagt mir nichts vom Paradiese, von Fr. Rücken. Op. 10. No. 5 .................

- Gieb den Kuss mir nur heute, von Fr. Rückert. Op. 10. No. в ..................

--- Zur Mandoline: »Schüchtern bricht das nëcht'ge Schweigen diese Mandolinenweise,« von A. SchöU. Op. 33. -V 1 .

- Trennung: »Wild saust der Winter durch die Nacht!« von W. OHerwald. Op. 3. No. l ..........

- Abends: »Leise sinkt auf Berg und Thal Abendduft hernieder,« von Julius Altmann. Op. 33. No. t ......

- Wandergrüsse: »Golt grüss' dich, ruft die Lerche«, von Julius AUmann. Op. 33. No. 4 . . ........

- Auf Ponte molle: »0 Ponte molle, du treffliche Brück«, aus J. V. Srhe/fel's Trompeter von Sükkingen. Op. 33. No. 5 .

Horngteln, U.v., Grillen: »Es ist ein Elfchen leicht und klein,« ungenannter Dichter. Op. 6. No. l .........

Jousen, Ad., Letzter Wunsch: »Mein Schatz will Hochzeit halten,« von IV. Hertz. Op. U. No. 1 .........

- Fernsicht: »Auf des Berges hüchslem Scheitel steh' ich allezeit so gerne,« von W. Hertz. Op. 44. No. S ....

- Mein Herz: »Mein Herz ist ein stiller Tempel,« von W. Hertz. Op. 14. No. 3 .............

- Mein Engel hüte dein : »Und willst du von mir scheiden, mein herzgeliebter Knab> von W. Hertz. Op. 14. No. 4. .

- Sternbotschaft : »Ich sass in finstrer Trauer, mir war das Herz so schwer,« von W. Hertz. Op. 14. No. 5 .....

- Lied der verlassenen Liebe : »Lieblos ist mein Lieb geworden, war mir treu doch manchen Tag,« von W. Hertz. Op. 14. No. 6 ..................

Krause, E., Sei getreu bis in den Tod ; ungenannter Dichter.

Op. 10. No. l ................

Levl, Herrn., Der letzte Gruss: »Ich kam vom Walde her

nieder,« von J. v. Eichendorff. Op. 1. No. 6. Für hohe Stimme

- Dasselbe. Ausgabe für tiefe Stimme .......

Methfessel, E., Wunsch: »Ich wollt', ich wer1 ein Vogel,« von

J?. Af. Ocllingtr. Op. (3. No. 8 ..........

Reinecke, C., Bei den Bienenstocken im Garten; von 0. Roquette. Op. 59. No. I .............

- O wie wunderschön ist die Frühlingszeit: »Wenn der Frühling auf die Berge steigt,« von Fr. Bodenstedt. Op. 59. No. » ..................

- Die Nachtigallen : »Mücht1 wissen , was sie schlagen so schön bei der Nacht,« von /. v. Eichendorff. Op. 59. No. 3 .

Tanbert, WUh., Abendlicd: »Es ist so still geworden, verrauscht des Abends Weh'n,« von G. Kinkel. Op. 154. No. 4 .

Wettig, C., Liebestrost: »Lass dich immer nur verhöhnen, Liebe kennet keinen Spott von Hoffmann von Fallersieben. Op. S3. No. I ................

- Wiegenlied : »Schlicsse, mein Kind, die Aeuglein zu,« von Alb. Träger. Op. S3. No. 5 ............

- Abendlied : »Nun ist die Sonne untergangen im rosen- rothen Schein,« von Luise Otto. Op. 23. No. в .....

WUllner, Fr., Uratiili'in meiner Seele; nach dem Spanischen von Paul Heyse. Op. 5. No. l ..........

- Ueber allen Gipfeln ist Ruh'; von W. Goethe ; Op. 5. No. 3

- Um Mitternacht : »Nun ruht und schlummert Alles,« von Jul. von Kodtnberg. Op. 5. No. 5 .........

- Wenn der Frühling auf die Berge steigt ; nach Mir:n Schaffy von f'r.'Bodensledt. Op. 8. No. I .......

0,80 0,80 0,50 0,80 0,80 0,80 0,50 0,80 1,00 0,80 0,50 1,00 0,50 0,80 0,80

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0,50 1,00

4,вО

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0,80 0,50

0,80 0,8»

Verleger: J. Hicter-Biedermann in Leipzig und Winterthur. — Druck von Brcilknpf & Härte! in Leipzig. Expedition: Leipzig-, Am Robensleinplalz 1. — Redaction: Berpedorf bei Hmnburg-.

Die Allgemeine Musikalische Zeitung

recheint regttlmusbig Hd jedem Mittwoch

und ist durch alle Postämter and Bucb-

Lamiluugcn in. be¿iehOD,

Allgemeine

Preis: Jfchrlicb 19 Mk. VierteljabrUcnt Prinum. 4 Mk. Ml Pf. Anzeigen : die gespaltene Petitzeile oder deren Ranm 30 PC Briefe and Gelder werden franco erbeten.

Musikalische Zeitung.

Verantwortlicher Rédacteur : Friedrich Chrysander.

Leipzig, 23. August 1882.

Nr. 34.

XVII. Jahrgang.

Inhalt: Franz von Holstein. Seine Liedercompositloneo. (Forlsetzung.) — Theobald Btthm. Ein merkwürdiges Künstlerleben. (Fortsetzung.) — Die Tonkünstler-Versammlung des Allgemeinen deutschen Musik-Vereins vom 8. bis It. Juli (882. (Fortsetzung.) — Anzeiger.

Franz von Holstein. Seine Liedercompositionen.

I. Lieder für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte.

(Fortsetzung.)

Id der Dud folgenden Periode seines Schaffens hat der Com- pooist die Stufe der Meisterschaft erreicht; reizvolle Gaben musikalischer Lyrik sind es, die von jetzt ab bis zum Schwanen- liede des Künstlers durch charakteristische Ausprägung und eine Fülle edler Klangschönheit unser Ohr und Herz fesseln. In der Zahl folgt zunächst

Op. 10. Fuif Lieder. Leipzig, Bartholf Senff. Pr. Jtl. 50. der einst in Leipzig hochgeschätzten Sängerin Livia Frege geb. Gerhard*) gewidmet und durch die vortreffliche Stimmungsmalerei ihrer würdig. Nr. < (Nun die Schalten dunkeln« von Era. Geibel) wiegt sich im Wohllaute innig sich hingebender Liebessehnsucht. Das zweite Lied (Am Strande : »Am Himmel ziehn die Wolken«) gewährt uns einen Blick in die umdüsterle Menschenseele im Spiegelbilde der stürmisch erregten See ; aber so gesund-kräftig ist die Färbung der Musik, dass sie die sentimentalen Stellen der Dichtung für das Gefühl des Hörers wohl- thuend verdeckt.- In leidenschaftlicher Bewegung, dabei in schöner Formung schildert Nr. 3 (»Ich fahr dahin, mein Leben« von 0. Roquette) die Bangigkeit und den Schmerz des Schei- dens vom lieben Herzensschatz. Der «Abendgang« (Nr. i: »Wenn ich an deiner Seite im Abendscheine geh», Gedicht von J. C. v. Zedlitz) feiert in schwärmerischem Drange die Wonne und Glückseligkeit der Liebe. Das letzte Lied (»Sorgenvolle, wetterschwüle Mädcbenstirne, geh zur Ruh«), das wegen seiner rhythmischen Schwierigkeiten Uebung erfordert,**) ISsst im Ciavierpart die Unruhe des klopfenden Mädchenberzens nachklingen , während die Gesangsstimme besänftigende Tröstung einflösst, die schliesslicb, mild austönend, den Sieg erlang).

Erst nach dem Tode des Künstlers erschienen als Nr. 8 der nachgelassenen Werke

EitugueelieJer. Op. 11. Leipzig, Breitkopf d Härtel.

Pr. Л Ч. 25.

Wie der Titel schon andeutet, sind sie alle in echwermülhigem Tone gebalten, das erste (»Verbleibst ihm dennoch hold gesinnt«) mehr in Mendelssohu'schem Geiste. Nr. t und 3 (»Ich glaubte, die Schwalbe träumte schon vom theuren Nest« uiul

  • ) geb. 4848 zu Géra, lebt als Gattin des Prof. Frage xn Leipzig. **) Takt 3—« erinnert an Op. 1 (Waldlieder), Nr. l (Waldesluet), Takt 10 ff. und 10 ff. XVII.

»Wenn Gott auch mir vergönnte, was er so reichlich dir verlieh U) bieten einem begabten Sänger Gelegenheit, sein dramatisches Talent durch gute Phrasirung und reichbeleblen Gefühlsausdruck zu erproben. Inbrünstig erschallt der schmerzliche Nothruf des Verlassenen im vierten Lied (»Gott hilf! Gott hilft im Wasser wächst das Schilfi). Der »Epilog« endlich (»Sie spielt mit Blumen im welken Strauss«) muss rührend auf jedes empfängliche Herz wirken : es ist wie ein ahnungsvolles Ver- mächtniss an die Seinen. Im Ganzen betrachtet, lasse» diese Lieder eine Saite in Holstein's Gemülh erklingen, die uns/sonst an ihm fremd ist ; deshalb vermutheu wir (in Uebereinslim- mung mit ungefährer Zeilberechnung), dass sie jener trüben Zeit entstammen, von welcher Bultbaupt (S. 3l g. E.) erzählt. Im scharfen Gegensatze zu den letzterwähnten Gesängen stehen die von genialem Hauch durchwehten

ReiterlMer aus August Becker's »Jung Friedel, der Spielmann«, für eine tiefe Stimme. Op. 18. (Herrn Director Heinrich Bebr zugeeignet.) Leipzig und Winterthur, J. Rieter - Biedermann. Pr. Jf 2. 50. (Einzelausgabe à 50, 80, 100 %.}

Sie sind von dem Componisten mit wabrer Begeisterung für das poetisch - Bedeutsame des Kriegeriebens geschrieben, überall mit urwüchsiger Kraft, die selbst an den pathetischen Stellen alle Sentimentalität ausschliesst. Wie ergreifend wirkt z. B. das Lied vom »Trompeter bei Mühlberg« (Nr. i), worin geschildert wird, wie ein Reilersmann aus dem geschlagenen Heere seinen todtwunden Kameraden auf dessen inständiges Bitten erscuiesst, um ihn nicht in die Hände der erbarmungslosen Mordfeinde fallen zu lassen. Und wie bedeutend ist da« Lied »Vom tangen Jörg« (Nr. i), dem- tapfern Fähndrich der »schwarzen« Gesel- len, dessen todesmulbiger Untergang seine Reiter zur Rache spornt und zum Siege führt. Von unheimlichem Zauber umwoben ist das Sthlusslied Nr.- 5 »DM gefeite Hen* (»Am Christnachtabend sass mein jüngstes Schwesterleim) ; ¡u echt künstlerischer Weise wird hier dem bittersten Schmerz Amdruck gegeben, welchen der Bruder um die treue Schwester trägt, die ihre fürsorgliche Liebe mit dem Leben zahlen músete. Sehr charakteristischen Wechsel der Stimmung leigt Nr. l »Auszug« (»Blas, blas, blas und blas, Trompeter, blas das Lied«) : Groll und webmülbige Erinnerung kämpfen im Herzen des jungen Reitersmannes, welchen ungetreue Liebe gelrieben bat, der Werbelrompele zu folgen ; aber zwischen diesen Gemülbs- regUDgen kommt das kriegerische Selbstgefühl turn Durchbruch. Trotzdem isl das prächtige Lied aus Einem Gusse. Einen reitermassigen frischen und fröhlichen Ton endlich schlägt der Com-

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ponist in Nr. 3 (»Lustiges Reiterleben«) an : als »Herren der Welt« und »Fürsten топ Schwertes Gnaden« fühlen sich die lustigen Gesellen im Bewusstsein blühender Jugendkraft.

Op. 16. ruf Lieder für eine mittlere Stimme. (Fräulein Pauline Nowack gewidmet.) Leipzig und Wintcrthur, J.Bieter-Biedermann. Pr. Л 1.80. (Einzelausgabe à 50 ф.)

Die Palme gebührt hier dem schlichten anmuthsvollen »Winterlied« (Nr. 3 : »Geduld , du kleine Knospe , im lieben stillen Wald*). Ihm kommt am nächsten das graziöse »Jägerliedt (Nr. l : »Zierlich ist des Vogels Tritt im Schnee» von Ed. Mö- rike), welches die »Gedanken treuer Liebe« preist. Hunter wie der rauschende Bacb, den es zum erweckenden Kusse der noch schlummernden Blumen auffordert, fliesst das erste Lied (»Am Bach«) dahin. Interessant ist die Art und Weise,, wie im vierten Lied (Als ich weg ging : »Du bracbt'st mich noch bis auf den Berg bei Sonnenuntergehn«) das träumerische Versunkensein in wehmütbig-liebe Erinnerung veranschaulicht wird. Nr. S behandelt das vielcomponirte »Immer leiser wird mein Schlummern топ H. Lingg; aber mit welchem Adel der Empfindung bat es der Musiker durchdrungen und über jeden sentimentalen Beiklang erhoben !

»Liebesfrüblingf möchten wir das folgende Liederheft taufen, eins der schönsten, die Holstein geschrieben hat :

Op. 20. Sech« Lieder. (Herrn Joseph Schild, König]. Sache. Hofopernsänger freundschaftlichst gewidmet.) Leipzig und Winterthur, J. Bieter-Biedermann. Рг. Л 2. 50. (Einzel-Ausgabe a 50 und 80 ¿p.)

Das wonnige Liebesleben in seinen mannigfachen Gefühlsüussc- rungen Rnden wir hier mit einer überraschenden Fülle melodischen und harmonischen Wohlklangs und feiner Nüancirung verherrlicht. Wir wissen in der Thal nicht, welchem Liede wir den Preis zuertheilen sollen, ob dem innigen »Wenn etwas leise in dir spricht' (Nr. 2 , von H. Lingg) , oder dem feurigen triumphirenden »Blüthenschnee weht durch die Lande« (Nr. 3, gedichtet von Holstein selber) *) ; ob dem hochbeglückten »Ich wohn in meiner Liebsten Brust, in ihren stillen Träumen« (Nr. ^, von Fr. Rückert) , oder dem leichtbeschwingten anmutbigen »Sagt mir nichts vom Paradiese« (Nr. 5, von Fr. Rückert), oder endlich dem von glühender Leidenschaft beherrschten: »Gieb den Kuss mir nur heule, ob du morgen es kannst, wer weiss?« (Nr. 6, von Fr. Rückert). Auch die von dem Künstler fein erwogene Reibenfolge (die wir auch anderwärts beobachtet haben) ist nicht ausser Acht zu lassen : die allmälige Steigerung von dem romantischen ersten Liede* vom »Waldfräulein«, das von finsterer Burg herab in einsamer Entsagung auf das Küssen und Kosen glücklicher Menschenkinder schaut, — bis zu dem in orientalischer Glut aufwogenden Schlüsse.

Im Jahre 1 870, wie eine dankenswert!»; Zahl auf dem Titel angiebt, erschien

Op. 23. fier Lieder. (Frau Julienne Flinsch gewidmet.) Leipzig, E. W. Frilzsch. Pr. Л 1. 50.**) (Hieraus einzeln : Nr. 2, Pr. 60 фг.)

In Nr. l (»Ich weiss einen grossen Garten, wo die wilden Blumen blühn«) ist der geheimnisvolle Märchenton der Eichendorn" sehen Muse prächtig getroffen, ebenso in dem reizenden »Klein Anna Kalhrin'« (Nr. Î, nach R. Bums) der Ton volks-

  • ) Das Gedicht steht in Bultbaupt's Ausgabe auf S. 474. Die dortige zweite Strophe fehlt in der musikalischen Composition, Holstein hat sie aus künstlerischem Formgefühl für Abrundimg und Einheit des Liedes weggelassen.
  • ) S. t, dritte Note der vierten Gesangszeile (zu dem Worte »noch«) lies см" «tat! c". — S. 9, Zeile » lies schttzen staU schützen.

Ihümlicher Einfachheil; man könnte es für ein originelles schottisches Volkslied halten. Das dritte Lied (Der welke Kranz : »Auf der Haide ist ein Platz«) stellt uns leibhaftig die ländliche Maid vor Augen, die in webmuthsvoller Erinnerung sich der jungen Liebe verschwundenes Glück zurückruft, wie der ferne Schatz sie zum ersten Mal geküsst, wie sie es bang geschehen liess, und wie nun der Kranz, der neben ihm frischgewundene, verdorrt am grünen Fliederbaume bangt. Ein Musler klarer Declamation finden wir in Nr. i, »April« von Goethe (»Augen, sagt mir, sagt, was sagt ihr?«) ; ein schwieriges Problem ist hier in der glücklichsten Weise gelöst : die Musik zeichnet rhythmisch scharf die zugespitzte Redekunst des Ostens, aber führt sie ungezwungen in so melodische Gänge, dass ein höchst sangbares Lied entsteht.

Op. 24. Tier Lieder. (Herrn Hofopernsanger Gustav Walter gewidmet.) Leipzig, E. W. Fritzsch. Pr. Л 2. —.*)

Dieses schöne, an Op. tO gemahnende Heft beginnt mit dem innigen, von froher Bangigkeit erfüllten »Fragst du mich , wober die bange Liebe mir zum Herzen kam?« (Frage und Antwort, von Ed. Mörike). Ihm reiht sich hinsichtlich der Stimmung noch am nächsten an die in hellem Jubel erklingende Composition des »Liebesfrühlings« von N. Lenau (Nr. 3 : »Ich sah den Lenz einmal erwacht im schönsten Thal«) ; sie mutbet uns an wie eine blühende Frühlingslandschaft mit blauem Himmel und goldnem Sonnenschein. Hinwiederum die beiden Gedichte von J. Grosse »Lebensüberfluss« (Nr. z : »Rauschende Bäche quellenden Lebens«) und »Bei dir« (Nr. 4 : »Die Nächte stürmen, doch die Seele singt: Du bist doch mein!«) sind mit grossartigem Schwünge aufgefasst. Das erslere Lied (Die Liebe im Vollgenuss der Wonne) muss durch seine glückselige Begeisterung Sänger wie Hörer mit sich fortreissen. Das letztere braust in wilder Leidenschaft einher ; so äussert sich die Liebe errungen in den Stürmen des Lebens. Die Synkopen erschweren zwar die Ausführung des Liedes, erweisen sich aber als äusserst wirksames Mittel, den Ausdruck des Ungestüms bis zum Gipfel zu steigern.

Wohl für Männerstimme ist berechnet

Op. 27. Zwei CeÜBge. Salem Marie ! BiUrolfs Thüringer Waldlied. (Herrn Carl Hill hochachtungsvoll gewidmet.) Leipzig, G. F. Kahnt. Pr. à Л 1. —.

»Landschaflsbilder der Wüste« zaubert der Musiker, durch prächtige, fein nüancirte Farbengebung die Mängel des Dichter- wortes ergänzend, im ersten Gesang vor unsere Blicke, indem er die feierlich gehobene Stimmung des Pilgers versinnlicht, die in dem christlichen Grusse »Salem Marie l« allenthalben zum Durchbruch gelangt, sei es im friedlichen Palmenhain am Ufer des heiligen Nilstroms oder unter den Goldorangen und liebesprühenden Rosen von Fayûm, an der schattenlosen Gräber- Stätte von Sakkarah im Sonnenbrand der Wüste oder im stillen andächtigen Abendgebet vor den Minareten Kahira's. — In grossen kräftigen Zügen , mit scharf [markiertem Rhythmus ist das zweite Lied componirt ; in ihm erschallt, im Gegensatz zu den Palmen und Wüsten des heiligen Landes, der Preis des Thüringer Bergwaldes aus dem Munde des von der Kreuzfahrt heimgekehrten Helden, der sich nun wieder am Jagen und Dichten in den hcimathlirhen Forsten des Inselbergs ergötzen kann. Victor Scheffel hat für seinen markigen Stil einen guten Interpreten gefunden !

Als ein Meister in der Kunst scharf ausgeprägter Charakteristik zeigt sich Holstein in der folgenden Liedergabe, die er mehrfach dem Sliinmmaterial und der dramatischen Begabung der kehlfertigen Sängerin angepasst hat, welcher er sie widmete:

) S. » lies: im vollen Lauf. — S. H a. E. lies: Gestalt.

Op. 29. tnt Romauei. (Frau Dr. Peschka-Leutner in Verehrung gewidmet.) Leipzig, Fr. Kislner. Preis Л 2. 50.

Welcher Contrast ¡m musikalischen Colorit der Mädchencharaktere, die uns der Künstler in den ersten drei Liedern schildert : das feurige flattrige Zigeunerblut in seiner koketten Grazie (Nr. l : »Ohne Mütterchen zu fragen*, nach dem Russischen von Bodenstedt), die sinnige tief empfindende deulsche Jägermaid mit ihrem kindlich sonnenhellen Gruss (Nr. i, Parole: »Sie stand wohl am Fenslerbogen« von EichendorfT), die schwer- mülhige wie Meeresbrandung bewegte »Matrosenbraut« (Nr. 3 : »Mein Liebster keck ist ein Malros'«, Ligurisches Volkslied von W. Hertz) l Und dann in der vierten Romanze (Heimweh : »In meiner Brust zieht auf und nieder«) der glücklich gelungene Versuch, dem zartbesaiteten Temperament des schöngeistigen Franzosen Chateaubriand mit deutscher Gemüthstiefe beizukommen ; es ist ein ausdrucksvolles Lied in getragenem Stile geworden, das seine französische Abkunft nicht verläugnel. Aber damit auch der Scherz nicht fehle, fliegt zum Schluss eine Art neckischer Puck heran (Nr. 5, »Rückkehr« von Eichen- dorff):

»Wer steht hier draussen ? — Macht auf geschwind l

Schon funkelt das Feld wie geschliffen,

Es ist der lust'ge Herr Morgenwind,

Der kommt durch den Wald gepfiffen.«

Mit den Wolken und einem Wandervöglein um die Wette reisend, hat er sich gesputet, um seine lieben Landsleule noch in den Betlfedern zu überraschen. Heraus mit euch, die ihr drinnen noch Küsse tauscht! Wie reizend macht sich in der Musik dieser frische Humor, namentlich auch gegen Ende die Wendung, wie der Schalk mit ernster wichtiger Miene von den Wundern des fernen Italiens erzähl!, — und doch gefällt ihm nichts so sehr als das deutsche Waldesrauschen !

Op. 31. Fünf Lieder. (Herrn Hofopernsanger Max Sta'ge- mann*).) Leipzig, Fr. Kistner. Pr. Л 2. 50.

Zwei allerliebste Lieder bilden den Anfang, das zart-innige »Nun gieb ein Morgenküsschen, du hast genug der Ruh« (Nr. 4, »Morgens« von Th. Storm) und das liebenswürdig-schelmische »Es hat die Nacht geregnet« (Nr. Î, »Der Winzer« von Eichen- dorff); da macht uns denn freilich die Musik leicht begreiflich, dass dem Frühauf die lächelnde Sonne im Morgendunst und die »liebe verschlafne Frau« phanlasievoll in eins zusammenfliessen. Unvermerkt anklingend an steirische Zither- und Sangesweisen, schildern die Einleitung und das Ende des dritten Liedes (»Rauscht nirgend mir ein grüner Wald« von R. Hamerling) in kräftigen Tönen die Sehnsucht des Aelplers nach den Bergesgründen und Tannenwäldern seiner Heimath ; auch das herrliche blaue Meer vermag sie nicht aus seinem Sinn hinwegzuspülen, wie dies der grüblerische Milteltheil weiter ausspinnt. Viel Kunst des Ausdrucks verlangt vom Sänger das «Abendlied« Nr. 4 (»Der Tag wird kühl, der Tag wird blass« von P. Heyse), wenn seine feinen Wendungen zu rechter Geltung kommen sollen. Dagegen singt sich das fröhliche »Wanderlied« Nr. 5 (»Es zwitschert ein Vöglein: komm mit, komm mit!« von Th. Storm) frisch von der Leber weg; mit so lebendigen Rhythmen ist der eifrige Drang des Wanderburschen in die schöne weite Welt veranschaulicht, dass er unwillkürlich auch" das Herz des Singenden erfassl, wiewohl der Dichter schliesslich doch gebieterisch voraussetzt, dass das Herz daheim bei einem ändern Herzen bleibe, das uns in seinem Reichthum die Welt und den Himmel zugleich schenkt. —

An Stelle der Opuszahl 3t, die unausgefüllt geblieben ist,

  • ) Seit Г Joli 4881 Director der beiden städtischen Theater zu Leipzig.

reihen wir hier zwei Lieder ein, die ungefähr in diese Zeit gehören. Ursprünglich sind sie als ein Beilrag v. Holstein's in der »Musikalischen Welt«, Ausgabe B, erschienen, und zwar das erste im Jahrg. 4 87Ï, Bd. I, Heft 8, das zweite im Jahrg. 4 873, Bd. II, Heft 4. Sodann veranstaltete die Verlagshandlung folgende Separatausgabe :

Zwei Lieder. (0 lüge nicht. Wiegenlied.) Deutsch und englisch. Braunschweig, Henry Litolff. Рг. Л —. 75. Endlich sind sie später noch ein drilles Mal veröffentlicht worden, in den nachgelassenen Werken Op. 42 Nr. S und Op. 44 Nr. 4 (s. unten). Das erste, »Ein schöner Stern geht auf in meiner Nacht« von H. Heine, führt in anmulhiger Melodie zu dem innig flehenden Schlüsse »0 lüge nicht«. Das »Wiegenlied« von Hoffmann von Fallersleben (»Draussen blinket im silbernen Schein schon der Mond mit den Sternelein«) fügt in zarter, wiegender Bewegung ein neues sangbares Motiv zu jenem unerschöpflichen Thema, das uralt und doch ewig jung ist.

Ein zweites Beispiel, wie v. Holstein seine Lieder dem Talente des Sängers entsprechend auswählte, welchem er sie dedicirte, bietet das im Jahre \ 873 erschienene

Op. 33. Künf Lieder. (Herrn Eugen Gura in Freundschaft und Verehrung gewidmet.) Leipzig und Winterthur, J. Rieter-Biedermann. Рг. Л 3. —. (Einzelausgabe à 50, 80, 400 fy.}

Drei Gesänge greifen wir zunächst heraus, welche im Sturm unser Herz erobert haben : Nr. 4 »Zur Mandoline« (»Schüchtern bricht das na'cht'ge Schweigen diese Mandolinenweise«), ein Abendständchen, wie man es sich zartsinniger und charakteristischer nicht denken kann; Nr. 3 »Abends«, dessen An- fangsworte »Leise sinkt auf Berg und Thal Abendduft hernieder« den Gesamniteindruck des weihevoll - ergreifenden Liedes wie in einem Kern enthalten ; endlich Nr. 6 die in ihrer Schlichtheit wahrhaft geniale Wiedergabe von Scheflel's*) »Auf Ponte molleo aus dem Trompeter von Säkkingen (>0 Ponte molle, du treffliche Brück«): der markige Rhythmus, dur volkstümliche Melodienfluss, der prächtig vermittelte Wechsel zwischen energischer und süss-schwärmerischer Stimmung (die hervorbrechende Erinnerung an die verklungene Jugendzeit, an die stille boldselige Schwarzwaldmaid) müssen dies Lied zu einem Liebling der Sängerwelt machen. Aber auch Nr. Í und 4 sind höchst interessante Lieder : in kraftvollen Rhythmen schreitet das letztere einher (Wandergrüsse : »Gott grüss' dich, ruft die Lerche«) und ¡n vollgesältigten Klängen, wie sie der Brust des Wanders- manns entsteigen, der erfüllt ist von der Schönheit der Schöpfung und der Güte und Allmacht ihres Schöpfers. In dem ersleren Liede (Nr. i, »Trennung«) hingegen sendet ein heissblütiges Herz mitten aus stürmender Winlernacht ein leidenschaftlich- sehnsüchtiges Ade an das ferne Lieb, unterbrochen (im ruhigeren Mittelsatz) von der tröstlichen Ueberzeugung felsenfester Trene.

Op. 37. Kif Lieder. (Frau Anna Schimon-Regan in aufrichtigster'Verehrung gewidmet.) Leipzig, Breitkopf A Härtel. Pr. Jf 2. —.

Dieses nicht genug zu empfehlende Heft besiebt aus einer Reihe kurzer einfacher Lieder von volkstümlichem Klang, eins immer lieblicher und liebenswürdiger als das andere, Text wie Musik von zart poetischem Duft umwoben. Wem sollen wir den Vorzug geben T dem naiven ersten, »Die Kleine« von EichendorfT (»Zwischen Bergen, liebe Mutter l weit den Wald entlang«), oder dem vom Componisten selber gedichteten »Früblings-

  • ) S. 45 steht irrthUmlich J. W. Scheffel (statt J. V. — Joseph Victor).

»**

wünsch' *), oder dem der Dichtung besonders eng sich anschmiegenden dritten (»Sterne mit den goldnen Füsschen«, von H. Heine) , oder endlich dem behaglichen »Sonst und Jetzt» von Eichendorf] [Nr. i, »Hier unter dieser Linde sass ich viel tausendmal«) ? Es ist Hausmusik im idealsten Sinne des Wortes. Nur ein Lied macht eine Ausnahme von dieser beiler-herz- gewinnenden Stimmung, das letzte (»Klage« von Paul Heyse : «Ueberm dunklen Walde steigt der Mond empor«) , das aber durch die edle Schönheit und Hilde, in welcher die elegische Stimmung sich ergiesst, hinwiederum in seiner Galtung eine wahre Perle ist. (Schluss folgt.)

{ Da das Gedicht in Bulthaupt's Ausgebe fehlt, so Iheilen wir es hier im Wortlaut mit:

Liegt die Frilhlingssonne so goldenhell

Auf dem traulichen Gartenplätzchen,

Dann schwillt mir im Herzen der Wunsch so schnell :

Ich hilf ein herzliebes Scheuchen l

Mit dem Bbss' ich dort unterm Weissdornstrauch, Und ich druckte ihm beide Hände Und spräche mit ihm und ich küsst' es auch, Da wür des Freuens kein Ende l

Doch die Zweiglein dort an dem Weissdornstrauch Habe» BlUthen noch nicht getrieben, Die harren auf wärmeren Frtihlingshauch, Drauf harrt auch Küssen und Lieben.«

Theobald Böhm. Ein merkwürdiges Künstlerleben.

Von Professor Dr. т. Sctufhintl.

(Fortsetzung.)

Man verglichenes Bild des Klappensyslems der Flöte von Böhm mit den zwei daneben stehenden alten Flöten auf der Figurentafel. Der Eindruck ist beim ersten Anblicke schon wohlthuend. Es ist eine Harmonie in diesem Klappensyslem, die Jedem auf den ersten Blick auffällt und den sichern Beweis liefert, dass diese Klappenstellung nicht durch Zufall oder ein individuelles Bedürfnis.«, sondern aus einem einzigen rationeilen Princip hervorgegangen ist. Doch wir wollen Böhm hier selbst sprechen lassen.

»An meinem Griffsysleme selbst Aenderungen zu machen, habe ich deshalb nicht für gut befunden, weil erstens durch die Leistungen der ausgezeichnetsten Künstler auf Instrumenten nach meinem System längst erwiesen ist, dass alle Arten von musikalischen Figuren, ohne Rücksicht auf Tonarten rein und sicher ausgeführt werden können, und zweitens, weil trotz vielfältiger Versuche und Bemühungen Anderer wohl Manches geändert, allein bis jetzt nichts Besseres gemacht worden Igt. Denn wenn auch durch die bekannt gewordenen, sogenannten .Verbesserungen' an meinem Griffsyslem einige Schwierigkeiten in der Behandlung meiner Flöte beseitigt wurden , so sind die erlangten Vortheile doch nur scheinbar gewesen, indem sie entweder mit einer blossen Verlegung der Schwierigkeilen von einem Finger auf einen ändern, oder von einer Stelle auf eine andere bestehen, wirkliche Erleichterungen aber jedesmal nur auf Kosten der Gleichheit oder Reinheil der Töne erreicht worden sind.

»Ich verkenne keineswegs, dass eine noch grössere Leichtigkeit in der Behandlung des Instrumentes, vor Allem aber ein weniger compKcirter Klappenmechanismus höchst wünschens- werth wäre ; allein so lange zum Schliessen und Oeffnen der zur Hervorbringung einer reinen und gleichen chromatischen Scala unumgänglich nothwendigen dreizehn Toiilocher nur

neun Finger disponibel sind, werden auch Schwierigkeiten unausweichlich bleiben ; denn es muss notwendiger Weise entweder ein Finger mehrere Löcher auf verschiedenen Stellen bedienen, wodurch das Spiel erschwert wird, oder es müssen zur Erleichterung desselben die Klappen mehrerer Löcher durch Combinalionen auf eine zusammengeführt werden, wodurch natürlich der Mechanismus complicirter wird.

»Durch geschickte Arbeiter kann jedoch ein auch sehr com- plicirler Klappenmechanismus gut und solide ausgeführt werden, und technische Schwierigkeiten im Spiele , deren jedes andere Orchester-Blasinstrument mit Grifflöchern weil mehr bietet als die Flöte, lassen sich durch Qeissige Uebung überwinden ; Ton und Stimmung müssen hingegen bei einem Instrumente vor Allem berücksichtiget werden, denn sie sind zur Vollkommenheit eines musikalischen Vertrages unerläßlich.

»Meine Flöten besitzen einen Umfang von drei Octaven oder 36 Tönen, mittelst welchen von <' bis < ' alle diaionischen und chromatischen Scalen, alle Intervallen-Verbindungen. Triller etc. rein, sicher und schön ausgeführt werden können.«

Bau und Bedeutung der Bdhm'schtn Flöte. Verhältnis* von akustischer Theorie und künstlerischer Praxis bei derselben.

Wir haben in der Thal hier an der Böhm'schen Flöte ein vollendetes musikalisches Instrument, und dieses Instrument ist in der Geschichte der musikalischen Instrumente um so interessanter, weil wir die Geschichte seiner akustisch rationellen Vollendung bis ins kleinste Detail, vom Anfang bis zum Ende, verfolgen können.

Diese Flöte von Böhm ist erstens aus der steten Berücksichtigung der Theorie hervorgegangen. Die Theorie der musikalischen Instrumente mit Grifflöchern gehört zu den schwierigsten akustischen Problemen.

Die Scala der Flöte wird unter so eigentümlichen Verhältnissen und unter dem Zusammenwirken so vieler störender Elemente hervorgebracht, dass es schwer ist, irgend ein anderes musikalisches Instrument mit der Flöte in irgend eine Parallele zu bringen. Die Flöte hat grosse Aehnlichkeit mit einer Orgelpfeife; allein eine Orgelpfeife giebl nur einen Ton, die Flöte muss die ganze musikalische Scala nach Belieben hören lassen. Man wendet die Gesetze, nach welchen die Scala »uf dem Monochorde hervorgebracht wird, nur gar zu gern ohne alle Beschränkung auf die Instrumente mit Seitenlöchern an.

Wenn die lönendeSaite eines Monochordes durch einen unier- gesetzten Sieg in zwei ganz gleiche Theile gclheilt « inl. ohne die Spannung der Saite zu verändern , so giebt jede Hälfte die Octave des Tones der ganzen Saite. Bei den Orgelpfeifen ist dies nur unter besonderen Umständen der Fall. Wenn man deshalb eine Orgelpfeife um die Hälfte abschneidet, so könnte man denken, man erhalle hier die Octave der ganzen Pfeife. Allein die beiden Hälften der ¡n der Mille abgeschnittenen Pfeife sind wieder nicht gleich ; der obere abgeschnittene halbe Tlieil ist eine hohle an beiden Enden offene Höhre oder ein eben solches Prisma , die andere Hälfte ist am uniern Ende geschlossen , und nur ein kleiner Tlieil, der sogenannte Aufschnitt an der Seite offen. Dass die unlere am untern Ende geschlossene Hälfte die Octave der ganzen Pfeife geben sollte, ist schon bei der Erwägung dieser Umstände nicht wahrscheinlich. Die unlere Hälfle der Orgelpfeife wird als eine Iheilwcise gedeckte Pfeife schon deshalb einen viel liefern Ton geben als die oben abgeschnittene Hälfte der Pfeife, und so bestätigl der Versuch diese Anschauung.

Allein die Flöte ist keine Orgelpfeife. Die Rechnung hat hier mit Dutzenden von Einflüssen und Modificationen zu luun, von denen man bei der Analyse der Orgelpfeife gar keine Ahnung hal. Die Fliile , oben durch einen Stöpsel verschlossen, wird an der Seile durch das Mundloch, das vom Stöpsel 17 mm entfernt ist, angeblasen. Dazu kommen noch Seilenlb'cher oder die sogenannten Grifflöcher.

Würde ein Griffloch dem Durchmesser der Flöte gleich gemacht werden können, so würde der Ton der Flöte dem einer Flöte entsprechen, die etwas über der Mitte des Griffloches abgeschnitten wäre ; allein die Grifflöcher können natürlich nicht so gross hergestellt werden , deswegen sind die Vibrationen der ganzen Luftsäule durch eindringende negative Luflwellen gestört, deren Wirkung von der Grosse, der Zahl der Löcher und ihrer Entfernung vom unteren cylindrischen Theile der Flöte abhängt.

Die Function dieser Seitenlöcher in Beziehung auf ihre Zahl der Vibrationen bilden ein äusserst verwickeltes mechanisches Problem. Es giebt Differential-Gleichungen, die sich nicht inte- griren lassen, und die Integration zwischen bestimmten Integralen giebt Resultate, die der Wirkung sehr nahekommen, sie aber bis jetzt nie ganz erreichten ; denn zuletzt kommt es auf ein paar Vibrationen an, die das Ohr sehr wohl bcurllieilt. Ich brachte Böhm sehr oft Resultate langer Rechnungen ; allein sobald er seine Flöte darnach construid hatte, waren immer ein paar Schwingungen zu wenig oder zu viel. Empirische Formeln können da allein helfen. Denn die Flöte ist, wie wir schon bemerkt, keine Orgelpfeife. Die Orgelpfeife, wenn sie unten auf ihrem Mundstücke im Pfeifenbrette steht, wird immer mit dem gleichen Mundstücke angeblasen. Bei der Flöte kommen eine Menge anderer den Ton beeinflussender Umstände in Betrachtung. Die charakteristische Tonerregung der Flöte bringen die Lippen hervor. Die Flöte an die Lippe gesetzt, klingt schon etwas liefer, als die freie Flöte mit einem Mundstück angeblasen, weil die Lippen zum Theil über die MundöfTnung hervorragen. Die Stellung der Lippen ¡st immer wechselnd, und gerade durch diesen Wechsel wird das Eigen- thümliche in dem Charakter des Tones hervorgebracht. Dreht der Spieler die Flöte etwas einwärts, so deckt die Oberlippe das Mundloch mehr, der Ton wird etwas tiefer; dreht er die Flöte auswärts, so wird der Ton etwas höher ausfallen oder in die Octave überspringen. Gerade bei der Flöte ist es das Spiel der Lippen, das dem Tone der Flöte die Seele verleiht, und dieses Spiel der Lippen entzieht sich jeder Berechnung.

Die Theorie allein hätte also die neue Flöte nicht hervorgerufen.

Es gehörte zweitens dazu der geniale musikalische Mechaniker Böhm, der mit seiner nie zu ermüdenden Geduld, mit seiner Unerschöpflichkeil an Erfindung mechanischer Hülfs- mitlel praktisch die Grenze festsetzte, welcher sich die Theorie nur noch nähert, ohne sie zu erreichen.

Der dritte Grund , der die Böhm'sche Flöte praktisch zu einem wirklich durchaus musikalischen Instrumente machte, das sich in der eigentlich musikalischen Welt einbürgerte, war, dass Böhm selbst ein Virtuose, ja einer der ausgezeichnetsten Virtuosen war, die je die Flöte gespielt und für sie componirl halten. Er als Virtuose und Künstler war allein im Stande, zu beurtheilen, durch welche Mittel das, was Theorie und Praxis geschaffen, den höchsten Anforderungen der Kunst entsprechend ausgeführt werden könne. Einem solchen Manne allein war es möglich, alle Ergebnisse aus theoretischen und praktischen Forschungen so lange umzuformen , bis sie den höchsten Anforderungen der Kunst entsprachen. Wäre Böhm endlich nicht selbst Virtuose gewesen, so hätte er nicht im Stande sein können, dem Künstler die Vorlreffliclikcit seiner Erfindung so schlagend vorzuführen, dass die grössten Künstler sogleich ihre allen Instrumente in den Winkel legten und ihre Studien von Neuem begannen, um nun des neuen Instrumentes Meister zu werden. Wäre Böhm nicht selbst im Stande gewesen, die musikalische Welt von der Vortrefflichkeit seiner Flöte zu überführen — nie wäre seine Erfindung zur Gellung gekommen —

ja, die gewöhnlichen Künstler auf der allen Flöte halten z. B. in Deutschland die neue Flöte nicht nur ignorirt, sondern waren naturgemäss die Gegner derselben. Es sind 30 Jahre verflossen, während die Böhm'sche Flöte in allen civilisirlen Ländern der Welt gespielt wird ; ¡n Deutschland findet sich eine Böhm'sche Flöte höchstens in den Händen von einigen Dilettanten und im Münchener Hoforchester.

Wenn die Theorie, der schaffende Gedanke im Stande ist, messend und rechnend in das innere Wesen der Bewegungserscheinungen einzudringen und zum Beispiel die Gesetze der tönenden Schwingungen dem Geiste klar zu machen , so wird es nur dem genialen Mechaniker und Virtuosen allein möglich, auf den Ergebnissen der Theorie weiter bauend ein wirkliches, d. i. praktisches musikalisches Instrument zu schaffen, zu dessen Vollendung ohne diese Eigenschaften des Virtuosen Jahrhunderle nolhwendig gewesen sein müssten.

Dasselbe Verhiliniss be! der Violine.

Alle akustischen Experimente, alle unsere Theorien sind für den Vorlesesaal, für Leute, die keine Musiker sind. Ueber den Werth eines musikalischen Instruments entscheidet nur der Künstler, der Virtuose. Man möchte vielleicht einwenden, die Violine sei ohne Theorie entstanden; sie ist allerdings nicht aus der Theorie der Gelehrten hervorgegangen, aber aus der Erfahrung einfacher, genialer, mit mechanischen Talenten begabter Virtuosen , die natürlich in Journalen nicht brillirten, aber mit ihrem Kopfe und ihren Händen so lange unermüdet arbeiteten, bis ihr Instrument ihren Anforderungen als Künstler entsprach. Die berühmten Geigenmacher waren Virtuosen auf ihrem Instrumente bis zu Steiner herauf, der die Woche über seine Geigen ausschnitt, Sonntags auf dem Musikchor Innsbrucks die Geige spielte. Die Geige ist vorzugsweise dasjenige unnachahmliche Instrument, das, wenn sich die Wissenschaft an dasselbe wagte, verdorben aus ihren Händen hervorgehen würde, und hier werden wir zu Schiller's »Welt- weisen« hinübergefübrl, von denen er unter anderem sagt:

Und hat Genie und Herz vollbracht,

Was Lock' und Descartes nie gedacht,

Sogleich wird auch von diesen

Die Möglichkeit bewiesen.

Die flachen Resonanzdecken aller Schlag- und Saiteninstrumente, die mittelsl der Finger oder eines Plectrums gespielt werden , Theorben , Lauten , Mandolinen , Zithern , alle diese flachen Resonanzdecken hat der Geigenmacher, der zugleich Virtuose war, mit der richtigsten Einsicht, von welcher unsere heuligen Akusliker keine Ahnung hatten, in eine gewölbte Decke und gewölbten Boden umgewandelt vor Jahrhunderten, während einer der grösslen Akustiker der Neuzeit, der kein Virtuose war, die Zweckmässigkeit dieser Wölbungen, die allein die Streichinstrumente charakterisiren und erst zu Geigen machen, abgeläugnet hat. Aus der Theorie und den physikalischen Cabinetten sind unsere Geigen nicht hervorgegangen, ja es brauchte bis zu unserer Zeit herauf — Jahrhunderle, bis die Theoretiker die Zweckmässigkeit dieses Geigenbaues begriffen.

[Mit dieser trefflichen, den Kern der Sache berührenden Auseinandersetzung vergleiche man die kümmerliche Ansicht über die alten Meister des Geigenbaues, welche Rühlmaan in seiner Geschichte der Bogoninstrumcnte vortragt. Man sehe die Recension dieses Werkes ¡n Nr. Î1 dies. Ztg., Sp. 4S7. D. Red.}

Ward In London «Is Gegner Böhm's.

Es trat überhaupt vor dem Publikum in Wort und Schrift nur ein Gegner der Böhm'schen Flöle auf und dieser war es nur theilweise, aus der reinsten Unkenntniss der Wirkung der Böhm'schen Flöte. Es war, wie man bereits gehört hat, der Fabrikant musikalischer Instrumente in London, Cornelius Ward, der gleichfalls eine patentirle Flöte eigener Erfindung dem Publikum anbot.*) Ward war mit der Geschichte der Flöte und den akustischen Principien, auf welchen der rationelle Bau der Flöte beruhte, durch Garte's Broschüre und Garte's Vorgang recht gut vertraut. Er kannte die Fehler der alten Flöte und war, wie wir bereits gehört, der (nslrumentenmacher, der um 1834 die ersten Ideen Gordon's hinsichtlich der Verbesserung der Flöte ausgeführt hatte. Er erörtert, dass Böhm seine Grifflöcher so ziemlich an die rechte Stelle gesetzt habe, allein mit Böhm's Griffsystem ist er nicht zufrieden, und sein Tadel ist der schlagendste Beweis, dass er die Böhm'sehe Flöle und ihr Griffsyslem nicht kannte, ein eigentlicher Virtuose nicht war. Böbm's Griffsyslem nennt er unlheorelisch im höchsten Grade, ungeschickt; schwer zu lernen und ebenso schwer auszuüben. Der Ton der Böhm'schen Flöte sei ungleich an Kraft, verschieden in seinem Charakter und schlecht in der Qualität des Tones. Man staunt, wenn man solche Vorwürfe vom Jahre (841 hört; denn von alle dem, was er an der Böhm'schen Flöle tadelt, fand gerade das Gegentheil statt. So schreibt der berühmte französische Compositeur Berlon, der Hitglied der aus französischen Musikern bestehenden Commission zur Untersuchung der Böhm'schen Flöte war, an den Flötenspieler Coche unter ändern) : »Non seulement vous avez bien merilé de vos confrères en consacrant vos soins el vos veilles à l'étude et la construction du nouvel instrument. Maintenant on pourra employer sans crainte et indifférent la flûte sur tel ou tel de l'échelle chromatique, parce qu'on trouve toujours égalité de son, intonation parfaite dans tous les tons, perfectionnement du mécanisme qui ne fait plus que le bruit ordinaire des autres instruments à vent, possible d'exécuter la musique de vôtre illustre maître Tulou el tous les trilles sur tous les degrés de votre instrument. Celtes avantages étaient plus que suffisantes pour motiver l'adhésion de l'Académie au rapport dont vous pouvez vous honorer .«**)

Die Sitzung der Akademie fand'Samstag den 24. März 1838 statt, und sechs Jahre darnach schreibt der englische Instru- mentenmacher Ward, der Ton der Böhm'schen Flöte sei ungleich an Kraft, veränderlichen Charakters und armselig in Beziehung auf die Qualität des Tones. Ward war nicht Künstler, sondern Fabrikant, und vom Standpunkte eines auf Concurren?, eifersüchtigen Geschäftsmannes sind derartige Verkennungen allein erklärlich.

Wenn Ward von der Schwierigkeit des Griffsyslems sprach, wies der berühmte Flötenspieler Carle sechs Jahre vorher durch seine Praxis nach, dass der Anfänger sich viel leichter an das Böbm'sche Griffsystem, als an das der alten Flöte gewöhne. "")

Bei der Industrie-Ausstellung in London hatte Ward gleichfalls seine Patenlflöte ausgestellt, zum Theil nach dem Böhm'schen System gebaut. Sie ging ganz unbeachtet vorüber, während die Jury Böhm einstimmig die grosse erste Preismedaille zuerkannte.

Bohm's Schüler Haindl, FUrstenau und KrUger. 3öbm halle viele Schüler auf seiner früheren und neueslen Flöle herangezogen. Der grossie, der ein Paganini auf der Flöte geworden wäre, \varHansHaindl, kurze Zeit in Wien sich aufhaltend. Als Sohn eines Thürmers von Amberg in der bayerischen Oberpfalz kam er von Wien nach Amberg zurück, um seine Braut abzuholen. Auf einer Spazierfahrt auf der an Amberg vorbeifliessenden Vils kam der Kahn an dem Kugelfang der

  • ) The Flute explained beeng en examination of the Principles of its structure and action by Cornelius Ward. London, published by the Author 4844.
    • ) Examen critique de la Flute ordinaire comparée à la Flute de Boebm, par Y. Coche. Paris 1838. pag. 4« et «0. ) Corto, The Boehm Flute explained pag. 9.

Schiessslätle vorüber, ale ihn eine Kugel traf und der unglückliche junge Künstler in kurzer Eeil an der Seite seiner Braul den Geist aufgab. Der Kugelfatg der Schützen halte nur eine einzige schmale Oeffnung in dtr Höhe, so dass es kaum zu begreifen ist, wie die Kugel von der Höhe zu dem Flusse hinüber gelenkt den unglücklichen jungen Künstler Ireffen konnle.

Haindl halte sich in Wien sogleich mit einer silbernen cylin- drischen Flöle versorgl und schrieb am 20. Mai 1848 von Wien aus an Böhm: »Herzlichen Dank für die herrliche Flöte; ich habe eine unendliche Freude damit und werde durch mein Spiel ihrer Erfindung grosse Ehre machen.«

Die Wirkung dieses herrlichen Spieles unseres Haindl war Veranlassung, dass Ende Juli 1845 der berübmie Flölisl der sächsischen Hofkapelle, Anlon Bernhard Fürslenau, seinen genialen Sohn Moritz Fürttmau zu Böhm sandle, um die neue Flöle zu studiren.

Schon am 10. November 184S trat Fürstenan in einem Concerte der kgl. bayer. Hofmusiker Faubel, Menter und Mil- terinaier mit der bekannten Phantasie von Böhm Es-dur über Schweizer Themas uil ausserordenllichem Beifall auf. Nach Dresden zurückgekehrt, veranstaltete er sein berühmtes Concert und erregte stürmischen Beifall. In einem Berichte des Dresdner Tageblattes heisst es nach dem Berichte über das Concert : »Der Concerlgeber spielte auf der sogenannten Böhm'schen Flöte.« Der Berichterstatter giebl eine ausführliche Beschreibung der Böhm'schen Flöle und ihrer Vorzüge vor den bisherigen in Gebrauch gewesenen Flöten und schliessl : »Herr Morilz Fürstenau, der sich vor Jahren schon als tüchtiger Virtuos auf seinem Inslrumenle producirte, hat sich mil dem Opfer der früher gewonnenen Applicalur dem Studium dieser neu conslruirleu Flöte unter Anleitung des Erfinders ergeben und zeigte in diesem Concerte, wie dieser sehr ehrenwerthe Enl- scbluss ihn schon in die besten, lohnendsten Resultate einer sicheren, glänzenden und ausdrucksvollen Behandlung geführt hat. Sein Ton ist in den tieferen Lagen durch eine edle gleich- massige, sonore Fülle ausserordenllich schön und brillant und bildet zu der charakteristisch unterschiedenen Höhe einen be- merkenswertben Reichthum des Instrumentes.«

In einem Berichte der Wiener Musikalischen Zeitung vom December 4846 lesen wir: »Einen willkommenen Uebergang zu den in hiesigen Künstlerkreisen besprochenen Concerte vom ersten Semester bildete die am 28. October топ Herrn L. M. Fürstenau jun. veranstaltete Akademie.« Was unsern Fürslenau mit seiner Flöte betrifft, so beisst es : »Der würdige Concerlgeber, ein wackerer Schüler seines berühmten Vaters, halle die Riesenaufgabe nicht gescheut, nachdem er schon eine bedeutende Virluositäl auf der gewöhnlichen Flöle errungen halle, nochmals ab ovo zu beginnen in der Behandlung der Flöte nach Böhm'scher Construction bei dem Erfinder selbst — eine Erfindung Übrigens, die in Deulschland bisher die wohl verdiente Anerkennung und Verbreitung keineswegs gefunden [vor 36 Jahren l]. Dieser Fleiss, diese Selbstverleugnung Fürste- nau's war mit dem schönsten Erfolge gekrönt etc. Der junge Virtuose zeigte schöne, markige und sehr tüchtige Technik, grosse Bravear und Ausdauer und woblthuende Innigkeit des Vertrages.«

So sehr ihm hier die musikalische Welt Beifall schenkte, so wenig Anerkennung fand er in seiner Heimath bei der Hofkapelle. Die allen Mitglieder und die Direction der Kapelle damaliger Zeil waren so sehr gegen die Neuerung und die neue Flöle eingenommen, dass Moritz Furstenau, der schon seit I. Februar 4842 angestellt war, im Jahre (852 genöthigt war, zu der alten Flöte wieder zurückzukehren, wenn er nicht seine Anstellung gefährden wolle, zu einer Zeit, wo England, Frankreich und Amerika über die neue Flöle jubilirtenl

Der königl. Würtembergische Hofmusiker Krüger sandle gleichfalls seineo Sohn Karl im SpStjahre 1846 zu seinem Freunde Böbm nach Hünchen, wo Karl 1 847/48 seine Studien beendigte. Der junge Krüger ist nun einer der ausgezeichnetsten FlötenTirtuosen und Kammervirtuose am kgl. Würtem- bergischen Hofe.

Wir haben hier nur einige der in Deutschland bekanntesten Schüler Böhm's aufgeführt. Seine Schüler zählen in die Hunderle , ja die ausgezeichnetsten haben in Amerika ihr Glück gemacht, England zahlte eine Menge seiner Schüler, die als Dilettanten oder Musiker von Fach nun seine innigsten Freunde wurden. Bis in die letzten Tage seines Lebens haben immer neue Schüler seine Hülfe gesucht.

Unter den Dilettanten befindet sich ein höchst origineller deutscher Arzt, der die schönsten Tage seines Lebens in Südamerika zugebracht hat. Er hatte gleichfalls aus heroischer Resignation die Applicatur der alten Flöte, die aus den ersten Jahren seines Lebens herrührt, geopfert und sich in die Bölim'- scbe hineingearbeitet ; er spielt nun die Böhm'sche c- und g- Flöte mit einer kaum zu übertreffenden Virtuosität. (Fortsetzung folgt.)

Die Tonkunstler-Versammlung dee Allgemeinen deutschen Musik-Vereins

тот 8. bis 12. Jnli 1882. (Fortsetzung.)

Reicheren und vielseitigeren Genuss als der erste Festtag brachte den Hörern, welche wiederum die Tonhalle bis in den letzten Winkel anfüllten, das zweite Concert. Dasselbe fand Montags den 10. Juli Abends 7 Uhr statt und wurde durch Richard Wagner's Vorspiel zu den Meistersingern eröffnet. Ein etwas gemässigteres Tempo hätte vielleicht die Wucht des Marschmolivs, welches das Ganze beherrscht, noch gesteigert, ohne das hinreissende Feuer zu dämpfen, mit dem das Orchester das Tonstück zu Gehör brachte. Es folgte Liszt's Cla- vierconcert Nr. 2 in A-dur, von Herrn Rob. Freund in Budapest, früherem Lehrer an der Musikschule zu Zürich, meisterhaft vorgetragen. Nach diesem Muster eines äusserlich glänzenden, aber nichts weniger als stilvollen, die Concertform bis zur Unkenntlichkeit verwischenden Bravourstücks wirkte die »Nänie« für Chor und Orchester von Job. Brahms in ihrer edlen Einfalt zwiefach erhebend. Das Werk, welches die elegische Trauer über den Untergang des Schönen in einer den Schiller'schen Distichen durchaus homogenen Weise zum Ausdruck bringt, wurde von dem Gemischten und Männerchor Zürich weihevoll vorgetragen. Vollendete Schönheil des Aufbaus und Tiefe der Empfindung gehen hier Hand in Hand und reihen die Tondichtung dem »Schicksalslied«, das einen ähnlichen Stoff behandelt, durchaus ebenbürtig an. — Den zweiten Theil des Concertes füllte Albert Becker's B moll-Messe Op. ( 5 für Soloquartett, Doppelchor, Orchester und Orgel aus. Das Werk des (834 zu Quedlinburg geborenen Componisten, eines Schülers des Contrapunktisten Dehn, zeugt vor Allem von einer Beherrschung Dicht blos der strengen Formen, sondern der musikalischen Darstellungsmittel überhaupt, besonders auch des orchestralen Apparates, wie sie nur bei wenigen Zeitgenossen zu treffen sein dürfte. Dazu gesellen sich eine Fülle schöner, l riebkräftiger Themen und eine liebevolle Versenkung in den Gehalt des Messtextes, die den ebenso phanlasiereicben wie ernst-frommen. von geiner Aufgabe innerlichst erfüllten Künstler bezeugen. Gleich das erste Kyrie ist ein meisterlich behandelter Fugensatz, mit dessen düsterer Klage das von zar

ter Innigkeit zu stolzer Zuversicht anschwellende »Christ« eleison' einen schönen Gegensatz bildet. Bei dem Gloria und namentlich dem mildfeierlicben Sanctut hat dem Componisten offenbar Beethoven's Missa solennis als Muster vorgeschwebt, ohne dass übrigens von eigentlichen Reminiscenzen die Rede wäre. Melodisch zart und einschmeichelnd beginnt das »Gratias agimuso, welches zunächst vom Soloquartett vorgetragen und dann vom Chor aufgenommen wird. Der Adagiosalz »miserere nobis« bildet dann in seiner schmerzlichen Zerknirschung, welche durch eine abgebrochene Figur der Singstimmen, wie durch die chromatischen Orchesterbässe schön ausgedrückt wird, wiederum einen prägnanten Gegensatz zu dem »Quom'am tu solus sunctus« und der anschliessenden Fuge »Curo sánelo spiritu«. Letztere ist sehr kräftig gehalten und leitet zum Gloria zurück, das in majestätischer Steigerung den zweiten, Theil abschliesst. Wohl den Höhepunkt des Werkes bildet das Credo, welches nur durch den ununterbrochenen Chorklang etwas ermüdet. Gleich das erste Grave drückt die freudige Ueberzeu- gung des Glaubensbekenntnisses vortrefflich aus. Die mystischen Klänge, mit denen Becker die Vorstellung der Gotteinigkeit des Sohnes mit dem Vater Conmbstantialem patri), sowie das >£( incarnatus* musikalisch illustrirt, erinnern unwillkürlich an Aehnliches bei Sebastian Bach, dessen Schöpfungen in Fleisch und Blut unseres Tondichters übergegangen sind. Von rührender Wirkung ist der dazwischen ertönende, von der Orgel allein vorgetragene Choral : »Ein Lammlein gebt und trägt die Schuld«, wie denn überhaupt die Verwerthung einer Reibe von Choral- melodien in der Instrumentalbegleitung von der Feinsinnigkeit des Componisten Zeugniss ablegt. Den ergreifendsten Abschnitt des ganzen Theils repräsentirt übrigens das «et exspecto retur- rectionem mortuorutn«. Hier entrollt Becker unter Zuhülfenahme aller Mittel der modernen Instrumentation, namentlich genialer Verwendung der Orgel wie des Tamtams, ein Bild des jüngsten Gerichtes, dessen packender Gewalt Weniges von neuerer Kirchenmusik zur Seite zu stellen sein dürfte. Mild beruhigend beginnt dann das »Et vitam venturi saeculi« in Dès-dur, in dessen allmälig mächtiger emporschwellende Weise die Blasinstrumente den Choral »Jesus meine Zuversicht» mischen. Aus dem dritten Theil der Messe heben wir das überaus melodische lOsanna in excelsist, sowie das »Benedictas qui veniti, wiederum einen Satz voll gesättigter Wohllaute, in welchem namentlich das Quartett zu ausgiebiger Verwendung kommt, hervor. Das Agnus dri hat Becker sehr düster gehalten ; über den dunkel wogenden Bässen lassen die Singslimmen ihre ängstlichen Rufe erschallen. Auch der kurze Fugensalz «Qui tollis peccata mvndw hüllt sich in das Gewand ernster Trauer. Erst beim Dona nobis, das durch ein zartes Instrumentalvorspiel eingeleitet wird, hellt sich die Stimmung auf. Wie milde Grüsse klingt es aus dem Vocalchor und den begleitenden Hörnern herüber, und nach einer nochmaligen energischen Steigerung verhallt der Satz in stiller Weibe. Das Werk, das Herr Kapellmeister Hegar besonders sorgfältig einstudirt, wurde, einige Schwankungen in der höchst complicirlen und schwierigen Rhythmik abgerechnet, untadelhaft reproducir!. Im Soloquartett zeichneten sich besonders Frl. Marie Breiden.stein und die mit einer prächtigen Stimme begabte Altistin Frau A lexandrine Mü ller- Swiatlowsky aus. Auch Herr Slaudigl vertrat die Basspartie gut, während der Tenorist Herr Karl L) i e rieh aus Leipzig weder stimmlich, noch durch seinen Vortrag befriedigte. Letzterer fiel in seiner Aufdringlichkeit aus dem Rahmen des Quartettes heraus und wurde stillos.

Der dritte Festtag brachte zwei Concerte, ein Orgelconcerl im Grossmünster Vormittags halb ( 1 Uhr und einen Kammermusikabend um 7 Uhr wiederum im grossen Saal der Tonhalle. Infolge einer entschieden unglücklichen Zusammenstellung des Programms wurde das Orgelconcerl trotz einzelner vorzüglicher

Leistungen zu einer dreistündigen Tortur, der sich ein grosser Tbeil des Auditoriums durch schleunige Flucht entzog. Schon der Beginn der Aufführung war kein verheissungs%poller. Ein Herr Arnold Schönhardt, Organist aus Iteullingen, spielte Seb. Bach's G moll-Phantasie nebst Fuge von A bis Z mit vollem Werk herunter und ling, nachdem er etwa die Hälfte absolvirl, nochmals von vorne an , da irgend etwas am Instrument versagt hatte. Es folgte das Adagio aus Beethoven's Hammer- claviersonate Op. 106 für Violine, Violoncell und Orgel arrangirt von D. Fritz Stade, vorgetragen von den Herren Concerlmeisler Oscar Kahl in Zürich, Fr. Grülzmacher aus Dresden und Aug. Flilner, Organist in Schaffliausen. Trotz der tüchtigen Bearbeitung und der trefflichen Wiedergabe der Composition wirkte dieselbe ermüdend aus dem einfachen Grunde, weil sie für die öffentliche Vorführung zu lang und zu intim ist, in einer subjective!) Stimmung schwelgt, in die ein nach Tausenden zählendes Auditorium nicht rasch und intensiv genug einzugehen vermag. Schön waren zwei Lieder : »Christus der Kinderfreund" von Peter Cornelius und »Treue« von Felix Drä- seke, durch die Altistin Frl. Ama lie Kling überaus stilvoll gesungen. Umsomehr fiel das darauf folgende von J. G. E. Stahle, Domkapellmeister in St. Gallen, componirte und gespielte symphonische Tongemälde »Saul« für Orgel ab, welches volle 25 Minuten in Anspruch nahm. Eine Programmsymphonie auf der Orgel stellt sich von vornherein als unglückliches Experiment dar, da der Hechanismus des Instrumentes jene Indi-

vidualisirung und Vergeisligung des Tones und der Klangfarben verunmöglichl, durch welche solch poelisirende Musik allein geniessbar gemacht werden kann. Dazu kam aber in concreto eine Dürftigkeit der Erfindung, die den Hörer vollends in einen Zustand moralischen Katzenjammers versetzte. Auch der Liszt'- sche »Engelgesanga für Streichquartett vermochte uns nicht davon zu befreien , so wundervoll derselbe durch die Herren llnh. Heckmann, Otto Forberg, TheodorAIckotle (alle drei aus Köln) und Fr. Grülzmacher vorgetragen wurde. Wenn die Himmlischen so melancholisch und sentimental musiciren, tragen wir wahrlich kein Verlangen nach einei Tonkünstlcr-Versammlung im Jenseits. Da die Phantasie für Violoncell und Orgel aus der Feder Carls von Radecky , die übrigens viel Schönes enthält, wiederum fast eine halbe Stunde dauerte, fanden wir es an der Zeit, auch unserer Seils etwas Nützlicheres zu thun als weiterzuhören. Wir können daher bezüglich der folgenden Nummern: Friedrich Hegar's »Abendmahl« für Barilonsolo und Männerchor, W. Kadelt's 'Ave Marian und Liszt's Prophetenphanlasie nur nach den Angaben compe- tenter Ohrenzeugcn berichten, dass Herr Fritz Furrer und die »Harmonie« die stimmungsvolle Männerchorcomposilion schön sangen und dass sowohl das Orgelspiel des Herrn Gusl. Weber als dasjenige von Sainl-Saens die Bewunderung der Kenner erregten.

{Schluss folgt.)

[ш) Bekanntmachung.

Königliche Akademie der Künste zu Berlin.

Wintercnrsns der Lehranstalten für Musik. A. Akademische Meisterschulen für musikalische Composition.

Vorsteher: die Professoren Bargiel, Grell, Kiel, Oberkapellmcistur Tanbert.

Die Meisterschulen haben den Zweck, den in sie aufgenommenen Schillern Gelegenheit zu weilerer Ausbildung in der Composition unter unmittelbarer Leitung eines Meisters zu geben.

Genügend vorbereitete Aspiranten, welche sich einem der genannten Meister anzuschliessen wünschen, habón sich bei demselben in den ersten Wochen des October persönlich zu melden und ihre Compositionen und Zeugnisse (insbesondere den Nachweis einer untadel- hnflen sittlichen Führung) vorzulegen, lieber die künstlerische Befähigung der Bewerber zur Aufnahme in die Meistcrschule entscheidet der betreffende Meister. Der Unterricht ist bis auf weitere Bestimmung unentgeltlich.

B. Hochschule für Musik.

Dircctorium : Die Professoren Joachim, Kiel, Rudorff, Schulze, Spltta.

Die Aufnahmebedingungen sind aus dem Prospect ersichtlich, welcher im Bureau der Anstalt, Konigsplalz No. I, käuflich zu haben ist.

Die Anmeldungen sind schriftlich und portofrei unter Beifügung der unter No. VIH. des Prospects angegebenen nöthigen Nachweise spätestens eine Woche vor der, Mon tag den Î. October, Morgens 9 Uhr, stattSndenden Aufnahme-Prüfung an das Directorium der Anstalt, Königsplatz No. 1, zu richten.

Die Prüfung Derer, welche sich zur Aufnahme in die Chorschule schriftlich angemeldet haben, wird Donnerstag, den 5. October, Morgens M Uhr, abgehauen.

Die Aspiranten haben sich ohne weitere Benachrichtigung zu den Aufnahmeprüfungen einzutinden.

C. Institut für Kirchenmusik.

Oranienburger-Slrasse No. 29. Director: Professor Напр t.

Zweck der Anstalt: Ausbildung von Organisten, Cantoren, wie auch von Musiklehrern für höhere Lehranstalten, insbesondere Schullehrer-Seminare.

Ausführliche Prospecte sind durch den Director des Instituts zu beziehen. Die Aufnahme-Prüfung findet am 16. October, Morgens 9 Uhr, im Locale des Instituts statt. Berlin, den 15. August 1882.

Der Vorsitzende der musikalischen Section des Senats.

Taubert.

Verleger: J. Rieter-Biedermann in Leipzig und Winterthur. — Druck von Breilkopf & Härte! in Leipzig. Expedition: Leipilf, Am Rabensteinplatz Ï. — Redaction: Bergedorf bei Hamburg-.

Di« Allgemeine Xailkallsebe Ztiiunft tricheint regelm&Bßig an jedem Mittwoch und lit durch uUe Poitàmter und Buchhandlungen in belieben.

Allgemeine

Freie: Jährlich 18 Mk. rerce

l'ranam. 4 Mk. 50 Pf. Anzeigen : die geiptl* teñe PetitieUe oder deren Eanm SO P£ Briefe und Gelder werden franco erbeten.

Musikalische Zeitung.

Verantwortlicher Rédacteur: Friedrich Chrysander.

Leipzig, 30. Angnst 1882.

Nr. 35.

XVU. Jahrgang.

labalt:

Robert Schumann's Werke, herausgegeben von Clara Schumann. Gesammlausgabe von Breitkopf und Härte!. — Theobald Bbhm. Ein merkwürdiges Künstlerleben, (rorlselzung.) — Die Tonkünstler-Versammlting des Allgemeinen deutschen Musik-Vereins vom 8. bis 49. Juli 4882. (Schluss.) — Berichte (Kopenhagen). — Anzeiger.

Robert Schumann's Werke,

herausgegeben von Clara Schumann.

Geeammtaasgabe топ Breitkopf and Härtel.

Seit der ersten Anzeige dieser im Jahre 4 879 begonnenen Ausgabe in Nr. 3 dies. Ztg. 4884 Sp. 33—37 ist eine Reihe von Werken publicirt, welche bisher noch nicht zur Besprechung kamen. Immerhin ist damit schon eine stattliche Anzahl erschienen, wenn dieselbe auch im Vergleich zu der Masse des Vorhandenen klein genannt werden muss und mit den Hülfs- mitteln dieser Officin in vier Jahren eine weit grb'ssere Zahl von Bänden hergestellt werden könnte. Aber, wie schon früher bemerkt, sind Breitkopf und Härtel durch Verlagsrechte gehindert, mit der Publication noch schneller vorzugehen. Erst 4886 wird Schumann »frei« ; bis dahin halten die Originalverleger an ihrem Eigenthum um so mehr fest, wen Schumann erst ¡d den letzten beiden Jahrzehnten allgemeiner in Aufnahme gekommen ist. Nur ein einziges Werk eines ändern Verlegers, wenn wir nicht irren, ist bis jetzt in dieser Gesammlausgabe erschienen, nämlich

Sechi Cujen über den Namen Bach, für Orgel oder Pianoforte mit Pedal, Op. 60. (Serie VIII: Für Orgel. 29 Seiten Fol. Preis Л 2. 55. n.)

Dieses Opus kam nämlich seinerzeit bei C. F. Peters in Leipzig heraus. Indem der Originalverleger einwilligte, dass es schon jetzt in der Gesammlausgabe erscheinen durfte, brachte er ver- mulblicb kein grosses Opfer, denn das genannte Werk ¡st doch wohl mehr künstlerisch als geschäftlich interessant.

Die sechs Fugen sind für Orgel oder Pedalflügel bestimmt und 4845 componirt. Schumann beschäftigte sich damals angelegentlich mit contrapunktiscben Studien, weil er nach den glücklichen genialen Entwürfen seiner Jugendperiode doch zu sehr die Mängel einer gründlichen Vorbildung, hauptsächlich nach der conlrapunktischen Seite bin, empfand, um nicht einen ernstlichen Versuch zu ihrer Abstellung zu unternehmen. Titel und Thema seiner Fugen sagen uns besser, als lange Auseinandersetzungen, an welche Quelle er sich hierbei wandte. Es war J. S. Bach, und zwar ausschließlich Bach. In diesem erblickte er den contrapunktischen Heiland, und seine Arbeit war noch etwas mehr, als eine blosse Studie, sie war ein dem Angestaunten dargebrachtes Opfer, kann daher ohne Uebertrei- bung als Anbetung bezeichnet werden. Nach dieser Seite bin sind die Fugen auch anziehend und gehaltvoll ; streicht man dagegen den Namen Bach und damit die Beziehungen , welche derselbe wachruft, und betrachtet die Stücke lediglich als mu-

sikaliscbe Producte, so überwiegen ihre Mängel zum Theil ihre Vorzüge.

Man kann wohl fragen, ob für den grüblerischen Schumann gerade Bach der richtige Wegweiser war. Wir glauben dies nicht, und wer namentlich die Chöre in Schumann's grösseren Werken unbefangen prüft, der wird uns beistimmen. Ein recht durchsichtiger vocaler Conlrapunkt, wie er sich noch bei den Italienern des 48. Jahrhunderts und bei Händel findet, würde für Schumann abklärender gewirkt und ihm eine grb'ssere Freiheit und Allgemeingültigkeit des Ausdrucks verlieben haben, als der Bach'sche, der doch wesentlich instrumental ist. Zugleich verleiteten die von Bach gehäuften, aber von ihm dennoch anscheinend spielend überwundenen Schwierigkeiten den Nachahmer, nun ebenfalls einen Thunn auf den ändern zu stellen. Die letzte und längste Fuge dieser Sammlung ist ein bemerkenswertes und zugleich ein warnendes Beispiel davon.

Fuga l steht in B-dur. Im Grunde sollte die Tonart selbstverständlich sein und für sämmtliche Stücke gellen; wir werden aber unten Ausnahmen davon finden, denn Nr. 3 steht in G-moll und Nr. 5 in F-dur. Diese erste Fuge ist in doppelganzen Takten aufgezeichnet, beginnend

und mit »Langsam« bezeichnet. Die zweite Fuge dagegen soll »Lebhaft« vorgetragen werden ; ihr Thema lautet :Die Ausdrücke »Langsam» und »Lebhaft« sagen hier also nur, was ohnebin schon in den Figuren liegt, sind daher überflüssig, ja sogar irreleitend, wenn man sie nach dem einfachen Wortverstande befolgen wollte, denn dann würden sie besagen, dass die langen Noten der ersten Fuge noch besonders verlangsamt, die kurzen der zweiten aber noch weiter beschleunigt vorgetragen werden sollten. Das kann aber nicht die Meinung des Componisten sein, sondern er wollte mit seinen Bezeicbungen nur sagen, was ohnehin in den Noten steht. Diese Notengruppen, diese Aufzeichnungsweisen hat Schumann seinem Vorbilde möglichst genau nachgeahmt, sowohl bei der ersten fünfstimmigen, wie bei der zweiten vierstimmigen Fuge. Dabei machen sich aber in dem ersten Satze einige Abweichungen bemerklich, die angeführt zu werden verdienen. Die Taktart bezeichnet Schumann durch C. Dieses С giebt den 4/4-Takt an, hier stehen aber nicht vier, sondern acht Viertel im Takte. С bedeutet nun unter allen Umständen, dass nach Vierteln gezählt werden muss. Sollten also hier die acht Viertel einzeln, und zwar der Vorschrift gemäss »langsam« abgespielt werden, so würde ein schöner Trauermarsch zu Stande kommen. Die entsprechende langsame Bewegung ist nur ausführbar, wenn nicht nach Vierteln, sondern nach Halben gezählt wird. Das ist aber der Allabreve-Takt, und das Zeichen desselben ist ф. Ohne uns weiter auf Vermutbungen einzulassen, aus welchem Grunde dasselbe von Schumann nicht gesetzt ist, wollen wir nur bemerken, dass ф statt С nothwendig hier stehen müsste. Gleichfalls müsste die Doppeltaktpause statt der einfachen gesetzt werden. Die Originalausgabe dieser Fugen ist uns nicht zur Hand ; wir setzen aber voraus, dass dieselbe alles genau so enthält, wie es diese neue Edition bietet, und unsere Meinung ist keineswegs, dass die charakteristischen Unrichtigkeiten Schumann's von der Herausgeberin hätten verbessert werden sollen. Eine Redaction erweist sich hier zur Verhütung der angeführten Missverständnisse allerdings als nothwendig, aber diese liesse sich auf die bescheidenste Weise bewerkstelligen, wenn man der Ueberschrift ein »Alia breve« in Klammern hinzufügen wollte; also »Langsam. (Alia breve.)«

Die Gründe, weshalb diese anscheinenden Kleinigkeiten hier so eingehend besprochen sind, werden weiter unten noch deutlicher zu ersehen sein.

Fuga III steht in G-moll. Sie ist fünfstimmig und nur kurz. Die Ueberschrift lautet »Mit sanften Stimmen«; eine weitere Vortragsbezeichnung fehlt, obwohl dieselbe nöthiger und zugleich weniger einleitend gewesen wäre, als bei den voraufgegangenen Stücken. Man wird schon aus den Anfangstakten

ersehen können, dass dies keine Musik ist, welche das richtige Tempo gleichsam in den Noten mit sich führt, wie es dagegen

bei den beiden ersten Fugen der Fall ist. Takt 6 des obigen Beispiels fehlt in der Ausgabe ein Ц vor e im Basse ; immerhin ein störender Druckfehler. Bei einem alten soliden Fugencom- ponislen hat dergleichen freilich nicht viel zu bedeuten, denn hier versteht sich ein fliessender Gang der Stimmen von selbst, und etwaige Fehler sind leicht nach den Parallelslellen zu cor- rigiren. Aber Schumann kennzeichnet sich im Fugengebiete auch dadurch als ein Späterer und zugleich als ein Neuling, dass gewisse harmonische Grundslellen nicht in der typischen Weise der Alten bei ihm erscheinen. Es ist dies eine der Ursachen, weshalb seine conlrapunktischen Gebilde den Charakter der Unruhe an sich tragen. Im fünften Takt vom Ende haben wir zwar ein $e zu demselben Thema, aber dies ist eine Orgelpunkt-Harmonie ; trotz, derselben würde man wohl in unserer Zeit, wo alle möglichen Disharmonien arglos vorgetragen werden, im obigen sechsten Takte ebenso oft zweimal es »is e spielen. Han wird schliesslich sogar zweifelhaft, ob Schumann selber nicht vielleicht es haben wollte. Der Takt würde dann kaum misslautender und incorrecter werden, als der voraufgehende fünfte Takt, wo das g im Basse sich unangenehm dis- sonirend bemerklich macht und dadurch die Aufmerksamkeit von der Beantwortung des Thema abzieht. Dieser Eintritt des Gefährten war aber ohnehin schon sehr flau ausgefallen wegen des Aufsteigens der vorher gehenden Stimme ; um so mehr müsste Bedacht darauf genommen werden, ihn nach seiner Bedeutung darzustellen.

Bei Fuga IV, welche ebenfalls fünfstimmig sich ergeht, lin- den wir die Vorschrift »Massig, doch nicht zu langsam« wieder überflüssig, weil Jedermann das Stück genau so spielen wird, was natürlich ein Lob für die Aufzeichnungsart desselben ist. Die Tonart ist B-dur, aber das Grundtbema hat eine originelle Wendung erfahren :

Dieses Stück macht sich durch gelehrte Haltung bemerklich. Mit Takt 30 führt der Componist sein Thema vor- und zugleich rückwärts ein

Man.

Ped.

und eine Engführung folgt später. Dazwischen fehlt es auch nicht an freien Sätzen und noch weniger an Orgelpunklen, ohne deren Beihülfe Schumann als Fugencomponist überhaupt nicht weit kommen würde. — In der Beantwortung schreibt er consequent ges statt fis (s. obiges Beispiel +). Wir wagen nicht, dieses als incorrect zu bezeichnen, weil vielleicht ein uns verborgen gebliebener Sinn darin stecken mag. (Fortsetzung folgt.)

Theobald Böhm. Ein merkwürdiges Künstlerleben.

Von

Professor Dr. т. Sohaflmull.

(Fortsetzung.) Di* letzten Lebensjahre. BUhm'i Grundtltze des wahren Flfftenspiels.

Böhm verbrachte endlich die letzten Jahre, nachdem Kränklichkeit seine Reiselust gedämpft, seine Zeit mit Unterricht talentvoller Schüler, Correspondenzen seiner Flöte halber, die ihn'mit allen Welttheilen, selbst Australien, in Verbindung brachte, mit Compositionen für seine beiden Instrumente, die c- und j-Flöle, mit dem Uebertragen seiner Compositionen für die c-Flöte auf die liefe Alt- oder j-Flole.

Die wenige Erholung, die er sich gönnte, führte ihn im Herbste nach Tegernsee, der Residenz des kgl. Prinzen Karl, des zweiten Sohnes des Königs Max I. König Max der Erste, der ebenfalls am liebsten seinen Aufenthalt im Schlosse der alten Abtei Tegernsee nahm, hatte, wie wir bereits gesehen, unsern Flötenspieler Böhm vom Beginne seines Auftretens her unter die Lieblinge seiner Hof- und Kammermusik aufgenommen und auch sein Sohn, der Prinz Karl, blieb bis zu seinen letzten Tagen unserm Böhm immer freundschaftlich gewogen. Der reichste aller bayerischen Prinzen halle Böhm's Sohn, Karl, schon früher zu seinem Gassier erwählt und sah überhaupt den Valer gern in seiner Residenz zu Tegernsee.

Welch schmerzlichen Eindruck der unerwartete plötzliche Tod des so hochverehrten Prinzen auf den Mann von 81 Jahren gemacht hat, den der Prinz noch überdies in seinem Testamente mit einem sehr sinnreichen Andenken bedacht hatte, lässt sich kaum beschreiben. Trotz allem diesen blieb bis zu diesem Ereignisse Böhm's physische wie geistige Kraft, trotz seines hohen Allers ungebrochen ; aber nun begann die Zeit, ihre Kraft auch an seinem Körper zu erweisen. Der Zahn der Zeit hatte ihn gerade der zu einem guten Ansätze wichtigsten, nämlich der zwei Vorderzä'hne beraubt. Indessen der gewandte Mechaniker wussle sich zu helfen. Er verfertigte sich ein paar künstliche Zähne, die er mittelsl eines einfachen Mechanismus an die Stelle der fehlenden schob , und sein Ansatz war wieder so gut wie vor 30 Jahren.

Seine Frau halte der Tod schon vor sechs Jahren von seiner Seite gerissen, seine Kinder waren alle reich versorg!. Er ver- liess München nur noch ein paar Mal u/id Iheilte seine Müsse unter Flötenspiel, Componiren , Studium classischer Compositionen und seine Schülern, alt und jung.

Wie wir wissen, war seine ganze Sorgfalt, mit welcher er auch seine Schüler in die Kunst einzuführen suchte, auf den Vertrag gerichtet, in welchem er die Vollendung aller musikalischen Kunst sah, und in dem Zauber des Vertrags war Böhm unerreichl. Daher, wie wir schon bemerkten , das Erstaunen der Milady Gresham — »es ist merkwürdig,' rief sie aus, »wenn Böhm dasselbe Stück bläst, es klingt ganz anders, als unier den Händen unserer Flötenvirluosen.«

In seiner Schrift : »Die Flöte und das Flötenspiel in akustischer, technischer und artistischer Beziehung« (München 4 874), sagt er S. ÏO unter der Ueberschrifl : »Der Vor trag« : »Wer, wie ich, noch so glücklich war, seit mehr als 50 Jahren alle grossen Sänger und Sängerinnen dieser Zeit gehört zu haben, wird die Namen Brizzi, Sessi, Catalani, Velutli, Lablache, Tamburini , Rubini, Malibran, Pasla elc. nie vergessen und sich stets mit grosser Freude ihrer herrlichen Leistungen erinnern. Sie sind alle aus der guten italienischen Gesangsschule hervorgegangen , welche noch heule wie vor hundert Jahren die Grundlage einer guten Stimmbildung ist und zur Erkenntniss einer richtigen Vortragsweise führt, deren der Instrumentalist ebenso sehr bedarf als der Sänger. Dm z. B. unter anderm

ein Adagio mit allen vorkommenden Coloraturen vorzutragen, muss der Spieler nicht nur Herr und Meister seines Instrumentes , sondern auch im Stande sein, seine Töne gleichsam in Worte zu verwandeln, durch welche er seine Gefühle deutlich auszusprechen fähig wird. Er muss auf seinem Instrumente singen lernen. Eine der elleclvullsten, aber zugleich auch der schwierigsten Gesangsverzierungen ist der Triller, der leider heut zu Tage nur no",h selten vollkommen gut ausgeführt zu hören ist.a

Böhm fügte seinem Werke mehrere Gesangsstücke bei, wie diese gesungen und von der Flole gespielt werden müssen, z. B. in der Zaubernöle die Arie »Dies Bildniss ist bezaubernd schön«. Aus Joseph Méhul »Nur meine Kinder lass glücklich stets sein«. Aus Schubert's Liedern z. B. der Lindenbaum, Trockne Blumen, Ständchen : »Leise flehen meine Lieder«, das Fischcrmädchen. Zum Schluss giebt Rohm noch das Rondo Larghetto der letzten Arie der Donna Anna aus Mozart's Don Juan (Nr. ii',) an. Er sagt : Diese wenigen (53) Takte umfassen als das schönste Beispiel alles, was bisher über den Vor- Irag gesagt worden ist, indem das Cantabile, das Larghetto mit einfachen Lauf- und Mordent-Verzierungen endet, und im Allegro Pralltriller, Rouladen und Schlusstriller, somit so ziemlich alle Coloraturen enthallen sind.

Arrangements und letzte Compositionen.

Das war mitunter die Veranlassung, dass er in seinen letzten Tagen vorzüglich originelle singende Salze grosser Meister wählte, sie der Flöte adaptirte und sie mit dem Pianoforle oder auch mit dem Orcbesler begleitete.

Dies führte Böhm weiter zu dem Entschlüsse, < 8 seiner Compositionen für die Alt-Flöte in neun umzuarbeiten. Dabei correspondirten vier Duelle für zwei c-Flölen und drei Terzelle für zwei c-Flöten und die Alt-Flöte.

In seinem 86. Jahre, im Jahre 4880, beschenkte er uns noch mit einem Andante aus der Serenade Beethoven's Op. 25. Das einfache Thema von 4 6 Takten trill uns hier in zwei Variationen entgegen. Die erste erinnert an brillante Triolen- figiiren, die zweite bietel uns ein reizendes Cantabile, dem ein feuriges Coda allegretto in sechs Takten folgt. Es giebt dem Virtuosen hinreichend Anlass, seine ganze Kunst und Macht des Vertrags zu zeigen.

Daran schliesst sich das wunderschöne Andante für Flöte C-dur von Mozart mil Begleitung von zwei Violinen, der Viola, Contrabass, zwei Oboen und zwei Hörnern. Böhm hat die Instrumentalbegleitung durch das Pianoforte ersetzt, und die Form dem gegenwartigen freieren Geschmack angepasst. Jahn hält die Composition nichl für bedeutend, allein wer die Composition auf der Böhm'schen Flöte und noch von Böbm selbst blasen gehört, der wird wohl ganz anderer Meinung werden. Das Andante isl mit Mozart Op. 86 bezeichnet, allein so findet es sich weder in dem von ihm selbst angelegten Verzeichniss seiner Werke, noch bei Köchel. Die Musiker und Musikverleger kümmern sich natürlich um solche pedanlische chronologische Angaben als völlig unbedeutend gar nichl und machen so dem musikalischen Geschichtsforscher seine Aufgabe zur wahren Pein. Im Köchel trägt es die Nummer 45. Das Autograph ist ohne Jahrzahl, es stammt jedoch wahrscheinlich aus dem Jahre 4778 und isl nach Köchel enlweder zu München oder zu Paris componirt.

Ein zweites interessantes, von der Clarinette auf die Flöte übergetragenes Werk ist bei Schott unter dem Titel erschienen : Adagio aus dem Quartett für Clarinetl von W. A. M izarl. Das Quartelt trägt bei Köchel die Nr. 581. Das Adagio, dort mil Larghetto überschrieben, bat Böhm aus dem d ins g hinaufgerückt und es hat so an Schmelz und Lieblichkeit ausserordent- lirh gewonnen.

»s*

Sein Scliwauengesang trägl ebenso cliarakterisliscli den Namen »Elegie«. Sie ist in As-dur geschrieben, eine susse Schwermut!), die sich im 40. Takle zur billcm Klage erhebt, aber allmUlig zur friedlichen Im .irinnr.; zurück sinkt. Es ist der Greis, der bereits kränkelnd in suinein 89. Jahre einmal sagte : »Das 90. mochte ich auch nuch erleben; doch wie Gült will!«

Die Elegie ist für volles Orchester cumponirl. das Orchester erhebt die Composition zu einem wahren l'rachlban , spricht hie und da recht genial nus, was die singende Flölcnstiiiuue nur aodeulet. Die Elegie ist als let/.tes 47. Werk im vorigen Jahre bei Schott in Mainz erschienen.

Böhm hatte sie seinem allen Freunde, dem vorhin erwähnten verdienten Arzte, ehemals im Dienste des Königs von Neapel, Dr. Friedrich Isenschmid, gewidmet, einem tüchtigen Flötisten, der sich später, von der alten Flute wegwendend, in der neuesten Böhm'schen Flöte heimisch gemacht halte. Dem einsamen Greise erblühten in der liebenswürdigen Familie des Schweizer Arztes die schönen Erinnerungen an seine Jugend wieder, die er als Künstler in der Schweiz verlebte.

Immer thälig, helfend, wo zu helfen war, stieg der alle Mann auf einen Stuhl, um die Pendeluhr zu untersuchen. Der Stuhl zerbrach, und Bülmi stürzte auf den Hoden des /.¡miners. Der noch im hohen Alter flinke Mann erhob sich rasch wieder und war heiteren Mulhes, als ob nichts geschehen wäre. Allein von dieser Zeit an klagte er hie und da über .Schwindel, der ihn oft auf der Strassc in Angst versetzte. Man schrieb diese Erscheinung der nervösen Heizbarkeit des Magens zu. Allein plötzlich trat heftiger Frost ein, seine Kräfte sanken so rasch, dass er seine Rechnung mit dem Himmel abschloss. Dazu gesellte sich plötzlich sich steigernder Kopfschmerz, der ihn endlich seiner Sinne beraubte. Man halte alle Ilollhung bereits sinken lassen; doch die kräftige Natur des 88jährigen Mannes überwand auch diesen Sturm des Todes, und der Greis erholte sich bald wieder zum allgemeinen Erstaunen der Aerzte.

Böhm machte nun wieder seine gewöhnlichen stundenlangen Spaziergänge, besuchte täglich des Nachmittags sein gewohntes Kaffeehaus oder auch das Museum, wo er durch seine Freunde mit den Vorkommnissen der Well und des Lebens vertraut gemacht wurde, denn das Lesen verboten ihm seine dunkeln Augen. Dennoch wurde er als ausgezeichneter Schachspieler sehr häufig gedrängt, eine Partie Schach zu spielen, nur bat er seines verdunkelten Sehorgans halber um etwas mehr Zeit, sich zu Orientiren. Trotz allem diesen blieb er gewöhnlich der Sieger.

Bdhm's Tod, Familie und körperliche Constitution. Allein sein sonst so scharfes Gehör wurde immer schwächer, desgleichen die Augen, die schon durch seine Beschäftigung mit den Eisenhütlen-Processen durch die We'ssglulli der Puddlingsöfen gelitten halten, so dass ihm zuletzt alles Lesen, Schreiben und Zeichnen unmöglich wurde. Die Lippen halten noch überdies ihre alte Spannkraft verloren, die liefen Töne seiner Flöte wollten nicht mehr ansprechen — er schied traurigen Herzens von seinem ältesten liebsten Freunde, der Flöte, für immer. Dennoch unterrichtete er noch den letzten seiner Schüler bis zu seinem Ende. An Technik fehlte es diesem Schüler keineswegs, aber es war wieder der Vortrug, durch welchen Böhm seinem Schüler die letzte Vollendung aufdrücken wollte. Wo seine Flöte nicht mehr ausreichte, half er durch Gesang nach. Einer Aufregung, in welche ihn ein junger ungerathener Mensch versetzte, vermochte seine ohnedies schon gebrochene physische Kraft den gewohnten Widerstand nicht mehr zu leisten. Er sah sein Leben rasch dahin lliessen. »Wenige Jahre älter zu werden, hülle ich noch gewünscht — ober wie Golt will.« Er hauchte seinen Geist aus am Mittwoch Abend den Î5. November 188t.

Huhin hintcrliess acht Kinder, darunter sieben Söhne, bis auf eintn alle in hervorragender Stellung sich befindend ; die meisten hatten den scharfen Geisl, die mechanischen Anlagen ihres Vaters geerbt, kein einziger aber seine musikalische Begabung. Zu diesen Kindern kommen noch 36 Enkel und zwei Urenkel.

Wir haben so, möchte ich sagen, ein schönes Bild menschlichen Lebens und Wirkens vor uns, das in steler Harmonie, in steter l'ilc-.v der Kunst, und in der Entwicklung nur seilen gestört, dahin Iloss. Aus einem der edelsten Handwerke hal ihn die Kunst in ihre Anne genommen und ihn glänzend durch die weite Welt geführl. Die eigentliche Atmosphäre des sogenannten Virtuosen- und Musikanten-Lebens hatte den charaktervollen jungen Mann nur obenhin berührt. Aus der glänzenden Welt eilte er in die Arme seiner blühenden Familie zurück , und es war eigentlich die Kunst, die sein reich verzweigtes Familienleben verklärte. Böhm war ein feiner Mann der Welt, dabei offenherzig, gutmülhig, sich selbst aufopfernd, so dass er in,nicher ernstlichen Warnung immer die Anlwort entgegenhielt : »Ich will lieber betrogen werden , als an der Menschheit verzweifeln.«

Darum war auch sein Leichenbegängniss eines der merkwürdigsten. Alle Stände des Lebens bewegten sich im buntesten Durcheinander seiner Bahre folgend. Neben den Musikern vom Fach schrillen Dilettanten, Staatsdiener, Handwerker, Billardspieler. Böhm war nämlich ein allbekannter Billard- und Schachspieler — er spielte noch täglich, aufgefordert, seine Partie, als seine Augen kaum mehr die Schachfiguren unterscheiden konnten.

Böhm war schlank und halle alle Anlage in seiner Jugend zur Lungenschwindsucht. Als er in den ersten Tagen seiner Flölenstudien in München in der Unlerhallungs-Gesellschafl des »Frohsinns« blies, jammerte Alles: Der junge Mann mit dem beschränkten Athem bläst die Flöte \ Aber eben die Flöte hat ihn gerettet. Die Thätigkeil der Lungen beim Blasen der Flöte hal seine Brust erweitert und den phlhisischen Habitus vernichtet. Böhm war der schnellste Fussgängerund durch lagelange Touren nicht ausser Athem zu bringen, das Ideal des Dauer- laufcs im natürlichen Turnen, und der geübteste Springer. Ein schlagender Beweis, wie gut der Itath unseres genialen Chirurgen Nussbaum ist, der in seinem classischen Aufsatze: »Hoch- und Wohlgeboren« unier vielem Ändern ernstlich rälh, die unselige angeborne Anlage zur Schwindsucht durch unablässiges Arbeiten , das den Brustkasten erweitere, z. B. Blasen der Flöte, zu zerstören. Böhm liefert auch hier ein Beispiel, dass die das Glück so vieler Existenzen vernichtende krankhafte Anlage ohne alle Medicin geheilt werden könne.

Böhm's Andenken In England und Amerika. Mangelnde Theilnahme ¡n Deutschland.

Der Tod des merkwürdigen Mannes schien in der musikalischen Well Deutschlands kaum bemerkt zu werden, wie sich das von selbst versteht. ') In Nordamerika wurde die Nachricht von Böhm's Tode zu einer wahren Traucrkunde. Die meisten englischen Zeitungen in Nordamerika widmeten Böhm den wärmsten Nachruf, und die bedeutendste Zeitung Amerikas, ja vielleicht der ganzen Welt, der New York Herald, gab eine der ausführlichsten Biographien des »berühmten Mannes«. Sogar aus Louisville, dein cenlralen Staate von Kentucky, er-

'; »И'/е sich той selbst rersteH!* Der würdige Herr Verfasser hol in sciiH-m Innern Lehen eht'nfnlls mehr von der Welt gesehen, als hlos si'in Vutcrlnikl, und kennt einher die allcrschimpflichste Schwache der Deutschen, die Hemmung der natürlichen Wirksamkeit bedeutender Menschen wahrend ihres Lehens und die Gleich- :4iilii:'kri[ gegen dioselhcn im Momente \\n sio diese Welt verlassen. Chr.

schien in der belletristischen Beilage zu der deutschen Zeitung Amerikas «Omnibus, der Unterhaltung, Belehrung und dem Humor gewidmet«, ein «Nachruf aus Amerika .in den berühmten Flötenvirluosen« von einer Dame, Betty Wittgenstein, unterm 25. December 4881, einer Dame, die unsern Bühm sehr oft besungen haben mussle, da das Gedicht beginnt: Einst sang ich Dir zur Wiegenfeier Mein lief gefühltes frohes Festgedicht.

In einem beiliegenden Briefe des berühmtesten Flötisten in Nordamerika, Eugen Weiner, Mitglied des New York Musician Club, an die Tochter Böhm's heisst es unter anderem : »Seit einigen Tagen sind wohl über hundert Personen, darunter die renommirlesten Musiker und bedeutendsten Flötisten von New York bei mir gewesen, um sich in Betreff der Nachricht über den Tod des Herrn Böhm zu erkundigen.» Neben dem Banquier Prentiss führt er noch die Namen von ein Dutzend Musikern und Professoren an, die ihn beauftragten, »der Familie Böhm's ihr tiefstes Bedauern und Beileid zu übermitteln.« Der Briefschreiber sagt, er finde in der deutschen Presse kaum irgend Etwas über Böhm und schliesst : »Wie beschämend für uns Deutsche in fremdem Lande l»

Indessen von Künstlern und Dilettanten, die sich vollständig mit seiner Flöte vertraut gemacht haben, wurde Böbm immer gefeiert.

l' r eine Grund dieser Unbekanntschaft des musikalischen Deutschland mit dem Namen Böhm mag wohl darin liegen, dass Böhm nur in seiner Jugend als Virtuos reiste, einer Zeit, die für den grösslen Theil unserer musikalischen Schriftsteller und Kritiker bereits weit hinter ihnen in der Vergangenheit liegt. In späteren Jahren trat Böhm als Virtuose nur in England auf, und da mehr aus Gefälligkeit, für wohlthätige Zwecke wirkend oder in geschlossenen Cirkeln der Aristokratie Cirkel, in welche eine Einführung nur den ausgezeichnetsten Mitgliedern der Kunst gestattet ist.

Die Böhm'sche Flöte mit ihrem Principe hat sich nun den Weg durch die ganze musikalische Welt gebrochen. Seit dem Jahre 184" hat die Böhm'sche Flötenfabrik in München Flöten geliefert durch ganz Deutschland, Oesterreich, Holland, England, Schweden, Norwegen, Moldau, Walachei, Rumänien, Schweiz, Italien, Griechenland, Russland, Ostsibirien, Blago- weslscbensk (am Amur), Smyrna, Georgien, Madras, Ceylon, China, Japan, Luxemburg, Belgien, Frankreich, Spanien, Nordamerika, Canada, Mexiko, Peru, Paraguay etc. Zu diesem Resultate war die Arbeit, das Studium, die Genialität und die Ausdauer eines Mannes durch ein halbes Jahrhundert vonnöthen, um das ersehnte Ziel zu erreichen.

Wenn dem Menschen in seinem Wirken eine höhere Lebensaufgabe gestellt ist, als (wie Lessing meint)Hiwmin ganzes Leben lang seinen Atliem in das Mundloch eiottJtöte zu blasen, so hat unser Böhm, obwohl er so ziemlich sein gauzes Leben lang mit seinem Odem die todte Flöte beseelte, gewiss mehr gethan, als selbst Lessing seinem Menschen als Lebensaufgabe stellt. Er war ein Denker, ein tüchtiger, genialer, nie ermüdender Handarbeiter, ein guter Mensch und braver Bürger, dabei auch ein Virtuose und schaffender Künstler, der mit seinen ästhetischen Gebilden Tausende erfreute und noch Tausende erfreuen wird. — Böhm konnte am Schlüsse seines langen Lebens getrost auf die Mühen und Früchte seines sechzigjährigen Wirkens zurückschauen, und ich kann nun die Feder weglegen mit einer gewissen Befriedigung, eines merkwürdigen Mannes, dessen Name durch die ganze musikalische Well klingt, inneres geistiges Leben und Wirken, das dem Namen erst den rechten Werlh verleiht, ¡n einem treuen Lebensbilde dem Leser vor Augen geführt /u haben. (Schluss folgt.)

Die Tonkünstler-Versammlung des Allgemeinen deutschen Musik-Vereins

vom 8. bis 12. Juli 1882.

(Schluss.l

Reichliche Entschädigung für die Langweilerei der kirchlichen Matinee gewährte das Abendconcerl. Es wurde durch Joachim RafTs D moIl-Quartelt Op. 77 eröffnet. Das poetische in allen Sätzen ziemlich gleichwerthige Werk, durch das der kürzlich verstorbene Componist aufs ehrenvollste repräsentirt war, fand durch die bereits oben erwähnten Kölner Quartet- listen, zu denen sich wiederum Grützmacher gesellte, eine unübertreffliche Darstellung. Auch die Florentiner haben wir auf ihren Instrumenten nicht herzbewegender singen, nicht geisl- sprechender vortragen hören. Trotzdem, dass die Zuhörerschaft wohl gegen ÎOOO Köpfe zählte und durchaus nicht blos aus jenen musikalisch feiner gebildeten Elementen zusammengesetzt war, welche sonst das Publikum der KammermusikcoDcerte repräsentiren, herrschte denn doch eine athemlose Slille im Saale, und wiederholter Hervorruf lohnte die Künstler Für ihre meisterhafte Leistung. Als Nummer ï ügurirten auf dem Programm sieben Gesänge aus »Lenz und Liebe« von Omar Chajjâm (deutsch von Bodenstedl) für vier Solostimmen und Ciavierbegleitung zu vier Händen gesetzt von August Riedel in Leipzig. Das Werk flösst als Op. \ Achtung vor dem Componisten ein, wenn sich auch eine gewisse Einförmigkeit, namentlich ein Mangel an rhythmischer Abwechslung wie Prägnanz der Themen nicht läugnen lässt. Die Ausführung der Quartette durch die Damen Fräulein Sara Odrich aus Aachen, Frau Müll er- Swiatlowsky, Herrn Professor Johannes Müller aus Moskau und Herrn Jos. Burgmeier verdiente unbedingtes Lob. — Ein »Moderne Suite» für Pianoforte von E. A. Max Dovell aus Darmstadt vermochte uns nicht zu fesseln , obwohl sie der Componist selbst mit viel Bravour vortrug. Das Werk ermangelt ebenso sehr der formellen Klarheit, wie der tieferen musikalischen Empfindung. Ansprechender waren drei Lieder: »In der Ferne« von Peter Cornelius, »Mein Herz schmückt sich mit dir« von Kniese und »Ständchen« von Liszt, durch deren warm empfundenen Vortrag der Tenorist Herr C. Dierich sich bis zu einem gewissen Grad rehabilitate. Namentlich das Liszt'sche Ständchen, welches den Serenadenton aufs an- mulhigste trifft, gelang ihm gut. Den beiden folgenden Streich- quarteltsälzen von Fitzenhagen (Andante molto sostenuto und Un poco agitato) fehlte es keineswegs an geistvollen Zügen, wohl aber an jener Spontaneität und Folgerichtigkeit, die wir von einem organisch gestalteten Kunstwerk verlangen. Die Ausführung durch die mehrerwähnten Kammermusiker war wiederum über alles Lob erhaben. Als vorzügliche Liedersängerin bewährte sich Frl. Odrich durch den Vertrag dreier Gesänge von Umlauft, Piutti und Sucher, die uns als Compositionen nicht bedeutend erschienen, aber durch die wohllautvolle Stimme der genannten Künstlerin gewissermaassen geadelt wurden. Den Scbluss des Concertes machten zwei Claviervor- träge des Herrn Fritz Blumer aus Glarus, der vor Jahresfrist der Nachfolger Rob. Freund's als erster Pianist an der Züricher Musikschule geworden. Die <3. Liszt'sche Rhapsodie sprach uns weniger an als die Elude Op. 23 von Rubinstein, ein prächtiges Virtuosenslück, das der Spieler mit unübertrefflicher Eleganz reproducirte.

Mittwoch den < i. Juli, Vormittags l < Uhr, folgte das zweite Kammermusikconcer!, das an künstlerischer Ausbeute noch reicher war als das erste. Es wurde durch Karl Goldmark's Bdur-Quartett Op. 8 eingeleitet, ein Werk, in dem sich echt quarteltmässiger Factur ein Klangcoloril von bestrickendem Reiz gesellt. Im Andante troffen die Instrumente förmlich von Wohllaut, um dann im Scherzo den übermütigsten Humor zu entfallen. Bei den Gesangsvortragen der Krau Müller- S « i a t lo w s k y bedauerten wir blos die unglückliche Auswahl, welche die Künstlerin getroffen. Das Lied »Zauber der Nacht« von Schulz-Beuthen ist eine geradezu triviale Composition, und die »Drei Zigeuner« von Liszt mag man geistvoll declamirl, zigeunerhaft charakteristisch finden ; aber Lieil wird man dies formlose Ding unmöglich betiteln können. Um so erquicklicher mutílete nach diesen Wunderlichkeilen das Clavier- trio aus B-dur von Gust. Weber an. Hier weht uns urgesunde Luft an, eine Frische der musikalischen Erfindung und lini|ilm- dung, wie sie in unserer überreflectirlen Zeit selten zu linden ist. Während sonst der zweite Sonaten-Satz das Adagio oder Andante gewöhnlich die Stelle bildet, wo es den neueren Com- ponisten am schwersten wird, mil den Meistern der classischen Form zu rivalisiren, die hymnische Breite und Erapnndungstiefe eines Beethoven, die ruhige Klarheit und innere Sättigung eines Mozart auch nur annähernd zu erreichen , hat Weber gerade im Andante sein Bestes gegeben. Weitalhmiger Gesang quillt durch den ganzen Satz, an dem wir keine schwache Stelle zu entdecken vermochten. Auch das Scherzo, ein Alleijro vivace, ist reizvoll, und das Hauptthema des letzten Salzes erinnert in seinem spontanen Aufblühen an keinen Geringern als Beethoven. Möge das Werk, das als Manuscript zur Aufführung gelangte, bald veröirenllicht werden und überallhin Freude bereiten. Dem Weber'sehen Trio schlössen sich, die frisch angeregte Stimmung des Auditoriums noch erhöhend, drei Solovorlräge unserer mit Recht beliebtesten Sängerin Frau Anna Walther- Strauss aus Basel an. Schon die Wahl der Stoffe bekundete den künstlerischen Geschmack derselben. Sie sang zunächst die Serenade »Leise, um dich nicht zu wecken« aus Op 58 von Job. Brahms, dann die »Schlüsselblumen«, Lied von Franz Liszt, endlich die »Musikanten« von Ed. Lassen. Gab ihr das letztere mit seinen das schwirrende Tambourin imitirenden Trillern Gelegenheit, ihre Kunst in der Coloratur zu zeigen, so bezauberte sie in den beiden ersten Liedern das Publikum durch die Grazie und sinnige Zartheit ihres Vertrags. — Die folgende Programm-Nummer, zwei Sätze für Streichquartett von Tschai- kowsky befriedigten trotz der musterhaften Ausführung weniger, wenn auch namentlich das Andante aus Op. Î2 viel Schönes enthält. Ihren künstlerischen Höhepunkt erreichte die Matinée mit der Reproduction einiger Brahms'schen Vocnlquar- tette Seitens der Frau Walther-Strauss, Frl. Amalie Kling, der Herren Müller und Burgmeier, welche von Herrn Aug. W all h er aus Basel vortrefflich begleitet wurden. Gleich das erste dieser Lieder Schiller's »Abend« (»Senke, strahlender Gott«) trifft den landschaftlichen Stirnmungston der Dichtung überaus schön. Voll Anmuth ist das Goethe'sche »Wechsellied zum Tanze«, in welchem Brahms die Gegensätze der Gleichgültigen und der Zärtlichen mit schalkhaftem Humor wiedergegeben hat. Den Schluss machten die nach einem Mährischen Volkslied bearbeiteten »Neckereien« (»Fürwahr, mein Liebchen, ich will nun in'ni'1, welche das Publikum trotz der bereits eingetretenen Erschöpfung eleklrisirlen. Der mehrfache Hervorruf der Ausführenden* war ein wohlverdienter ; denn selten dürften Quartette von vier schöneren Stimmen mit mehr künstlerischem Geschmack zu Gehör gebracht worden sein. Den Abschluss des Concertes bildete wiederum eine Claviervirluosenleislung. Herr Bertrand Both, Professor am Hoch'schen Conservatorium zu Frankfurt, spielte Valse Caprice Op. H 6 und Rêverie-Nocturne Op. I <9 von Joachim Raff, ferner »Islamei«, Orientalischer Tanz von Balakisew. Die enormen Schwierigkeilen, welche der letzterwähnte in seiner Composition aufgehäuft hat, stehen zum innern Werlh derselben in keinem Verhältnis. Das Werk hin- terlässt den Eindruck des Dürftigen , ja wir möchten sagen Rohen. Dagegen sind die RafTschen Stücke geistvolle Emanationen dieses vielseitigen Tálenles, dem nur mehr Concentration

und eine strengere Selbstkritik zu wünschen gewesen wären. Die Wiedergabe sUmmtlicher Nummern Seitens des Herrn Rolh war über alles Lob erhaben.

In die Lorbeern des sechsten und letzten Concertes, welches Mittwoch den IÎ. Juli, Abends 7 Uhr, stattfand und volle vier Stunden in Anspruch nahm, (heilten sich Componisten und Virtuosen ziemlich gleichmässig. Eine Ouvertüre zu »Don Carlos« von Ludwig De|i|x> in Berlin cumponirt und dirigirt stand an der Spitze des Programms. Das Werk bewegt sich in hergebrachten Formen, ist etwas kapellmeisterhaft nüchtern, aber hübsch instrumental und fand duher warmen Beifall. Eine glänzende Virluosenleistung war die Reproduction des zweiten Violinconcerles in D-moIl von H. Wieniawsky Seitens des Herrn Eugen Ysaye aus Lültich. Mil schönem Tun und schlagfer- ligsler Technik verbindet dieser Geiger ein Feuer und eine leidenschaftliche Energie des Vertrags, welche die Hörer unmittelbar mil sich forlreissen. Nach dem Finale alia Zíngara mit den im rapidesten Tempo dahinstürmenden Doppelgriffen wollte der Jubel des Publikums nicht enden. Fräul. Amalie Kling wussle die Sliminung auf der Höhe zu erhalten, indem sie drei Lieder: »Auf dem See« von Joh. Brahms, Rob. Emmerich's »Im Haine« und Allenhofer's anmuthiges Wiegenlied echl künstlerisch wiedergab. Eine etwas kühlere Aufnahme fanden dagegen zwei Sätze aus der Nero-Symphonie von Edgar Mun- zinger in Berlin, welche dieser selbst leitete. Von den Tilel- bezeicbnungen »Lebende Fackeln« und »Uachanale« hatte man auf eine realistisch keckere Darstellung, auf blendendere Farben- effecle geschlossen. Gerade die maassvolle Haltung, der engere Anschluss an die symphonischen Meister that daher der Wirkung gewissermaasscn Abbruch. Die »lebenden Fackeln« sind ein in düsterm Ernst dahinschreitender Trauermarsch , dessen Mütelsatz dann allerdings eine das Emporlodern der Flammen malende Figur bringl. Das Bachannle hat ausgepräglen Scherzo- charakler, ohne dass es gerade dämonisch wild und üppig darin zuginge. Von besonderem Interesse waren eine Anzahl Nummern aus Saint-Satins' Cantate : »La Li/rc cl la Harpe« für Solo- quarlelt, Chor und Orchester. Der Componisl dirigirte das nicht gerade sehr hervorragende, aber feinsinnige und klangschöne Werk selbst und erzielte grossen Erfolg damit. Am meisten sprachen uns der träumerische Eingangs-Chor »Schlaf, o Sohn von Apoll«, ¡n welchem die Harfe höchst wirkungsvoll verwendet ist, dann der Quartettsalz : »Der Bruder stütze ihn , den schwachen« und ein von Herrn Burgmeier vorgetragenes Barilonsolo an. — Den zweiten Theil des Concertes eröffneten Liszt und Saint-Saëns , indem sie den zweiten Mephistowalzer Liszt's zu vier Händen spielten. Dass die Begeisterung der Menge schon durch den eigenartigen Anblick, den das Zusammenwirken der beiden Künstler gewährle, aufs höchste entzündet wurde, versteht sich von selbst. Die Composition machte keineswegs den Eindruck des Dämonischen auf uns, was freilicli theilweise auf Rechnung der die Entfesslung sub- jecliver Genialität von vornherein verunmöglichenden vierhändigen Wiedergabe zu schreiben sein mochte. Verdienten Beifall ernlele ein vom Tondichter wiederum persönlich geleitetes Werk Jean Louis Nicodú's aus Dresden »Introduction und Scherzo« Op. ( (, das sich durch feurigen Schwung und geniale Instrumentation auszeichne!. Mil hinreissendem Pathos sang Fr'aul. Luise Schärmack Liszt's dramatische Scene »Jeanne d'Arc vor dem Scheiterhaufen« für Mezzosopran mit Orchesler- begleilung. Die Tondichtung gehört zum Gelungensten, was Liszt geschrieben, und trifft den Ton patriotischer Rhetorik, den die Alex. Dumas'schen Verse alhmen, vorzüglich. Noch stürmischer gestalteten sich übrigens Applaus und Hervorruf, nachdem Frau Sophie Menter Liszt's Phantasie über ungarische Volkslieder mit Orcheslerbegleilung vorgetragen. In dieser Virtuosin vereinigen sich mit unfehlbarer Technik eine männliche Kraft und Grosse des Vertrags, die mit Bewanderuog erfüllen. Die Composition selbst ist Tod untergeordneter Bedeutung, aber glänzend instrumentât. Nach dem Vorangegangenen und der natürlichen Ermattung, die sich infolge bereits mehr als dreistündigen Hörens der Masse zu bemächtigen begann, batte unser Landsmann Hans Huber in Basel, mit der von ihm selbst geleiteten Teil-Symphonie, der Schlussnummer des überreichen Programms einen keineswegs leichten Stand. Dm so ehrenvoller war es für ihn, dass die Composition trotzdem durchschlug. Es pulsirt echt symphonisches Blut darin, und die Orchestration ist, wenn wir vielleicht ein die übrigen Instrumente hin und wieder allzu stark deckendes Hervortreten des Blechs in Abrechnung bringen, edel und stimmungsvoll. Am besten gefielen uns der erste Salz mit seinem markigen Hauptthema und das graziöse Allegretto.

Donnerstags den 43. Juli wurde das Fest durch einen gemeinschaftlichen Ausflug nach dem Detliberg beschlossen, dem der endlich regenerschöpfte Himmel freundlich lächelte. Mögen die auswärtigen Künstler die Züricher Festtage, die des Schönen und Anregenden die Fülle brachten, in guter Erinnerung bewahren und bald wieder bei uns Schweizern einkehren 1

A. Niggli.

Berichte.

Kopenhagen, i.v August.

luí. Hi-. Als Friedrich ,V1. von Dänemark seiner Zeit nach Aliona kam, batte die Behörde daselbst eine allgemeine Illumination angeordnet. Bekannllich strebte dieser König danach, Oekonomie in die Staatsverwaltung einzuführen. Eingedenk dieses tugendlichen Vorsatzes, illuminirte ein Altooaischer sparsamer Bürger nur mit einem Lichte, und neben diesem war dann folgender Vers zu lesen : »Der König liebt die Verschwendung nicht, Deshalb illuminire Ich nur mit einem Licht.«

Als man vor einigen Wochen den Concertsaal in Klampenborg besuchte, musste man unwillkürlich an dieses Anekdotchen denken ; statt des vollen Orchesters musicirte nämlich nur ein Streichquartett, welches in dem grossen Local ziemlich dünn und wegen der starken Resonanz auch unklar klang. Der Grund dieses changement de decoration war darin zu suchen, dass im Theatergebäude eine Vorstellung stattfand, bei welcher die Hauptkräfte des Orchesters verwendet wurden. Der Pächter des Orts scheint indess weine Pappenheimer» zu kennen, denn die Oekonomie fiel der Hehrzahl der Anwesenden nicht auf. Da Klampenborg jedoch nicht nur von Pappenheimern« besucht wird, durfte eine Verkleinerung der dort wir

kenden Kräfte, wenn sie häufig vorkäme, nicht rathsam sein. Zur Ehre des Pächters sei hinzugefugt, dass die gerügte Veränderung nur selten stattfindet, und dass an bestimmten Abenden das Orchester sogar verstärkt wird. Es werden dann grössere Musikstücke als sonst vorgeführt; mit anderen Worten, die gewöhnliche Tanzmusik weicht den ernsteren und grösseren Kunstformen. In der vorigen Weise besuchte ich ein Concert dieser Art, die den Namen Symphonie-Con- certe« tragen, und ich hörte denn u. A. die B dur-Symphonie von G ade, einen Theil des Concerto romantique (die Romanze) von Benjamin Godard, die Militär-Symphonie von Haydn, einen Saltarello von Gounod, einen Rigaudon von Monsignyund einen Hochzeitsmarsch von Robert Henriquez. Die genannte Symphonie von Gade (Ludwig Spohr gewidmet) wird merkwürdigerweise nur selten hier gespielt, während sie in Deutschland die bekannteste seiner acht Symphonien ist ; reich an schönen und lieblichen Motiven, im höchsten Grade fliessend und sehr abgerundet in formaler Beziehung ; daneben ausgezeichnet instrumentât, dürfte diese Schöpfung des dänischen Tonmeisters wohl zu den gelungensten seiner instrumentalen Arbeiten gerechnet werden, und nicht ohne Grund könnte man sie als eine moderne Haydn'sche Erscheinung bezeichnen. Gar köstlich ist übrigens das Scherzo in G-moll mit seinen piquanten zwei Trios in G-dur u. s. w. Der Hupfer (Saltarello) von Gounod, ein gänzlich unbekanntes Stück des genialen Franzosen, ist sehr interessant, wenigstens thoilweise in Betreff der Instrumentation ; die an einigen Stellen angebrachten tiefliegenden Clari- uetten machen sich besonders gut.

Merkwürdig genug figurirl auch ein anderer Operncomponist in oben erwähntem Programme als Instrnmentalcomponist und zwar der fast verschollene Monsigny, dessen »Deserteur« einst die Runde der Welt machte. Gedient mit dieser Placirung ist dem Schöpfer der Opéra comique eigentlich nicht. Jedoch frischt die Malplacirung einen Namen auf, der es wirklich verdient, noch erinnert zu werden. Nur in Paris, wo der »Deserteur« noch mitunter gegeben wird, kennt man denselben. Ein hohes Alter erreichte Monsigny (88 Jahre), aber in den letzten *0 Jahren componirte er nicht mehr. Noch älter wurde sein Zeitgenosse Gossec, der Lehrer Ca- tel's, der mehr als te Jahre alt wurde.

Im königlichen Theater herrscht noch die Rnhe, die der Sommer und die Sommerwtrme den Musentempeln zufuhren. Am 4. September fangen die Vorstellungen an. Dem Vernehmen nach wird »Die Stumme«, mit tbeilweiser neuer Besetzung, zu Anfang der Saison gegeben werden; der Auber'schcn Oper wird der »Liebestrank« und »Mignon« folgen. Im December wird die bedeutende schwedische Sängerin Frl. Pyk hier Gastrollen geben; dieselbe wird in »Don Juan« (als Donna Anna) und im »Freischütz«(als Agathe) auftreten. Die Pyk hat eine ungewöhnliche Sopranstimme, vornehmlich was die Fülle betrifft, und sie singt mit vieler Innigkeit. Grund ist also vorhanden, sich über diese Acquisition zu freuen.

AJVKEIOER.

[45V] Soeben erschien In meinem Verlage:

Réminiscences iougo-slaves.

Grande Fantaisie de Bravoure

pour

VIOLON

avec accompagnement d'Orcheetre ou de Piano

composée

par

Ad. Köckert.

Op. 15.

Pour Violon et Piano Pr. 3 Jt 50 ф. Partition et Partiel d'Orchestre en copie.

Leipzig und Winterthur. J. Rieter-Biedermann.

Verlag von J. Rieter-Biedermann in Leipzig und Winterthur.

[160]

für

Pianoforte zu vier Händen

compooirt Vod

Ernst Matthiae.

Op. 14.

Preu 80 ty.

Verlag von J. Rieter-Biedermann in Leipzig und Winterthur.

«..i TRIO

(No. 2. H dor) t í"n- l ii. ii. »i <.i-(,-. Vio Him- und Vlolonoell

von

Friedrich Gernsheim.

Op. 87.

Prea /* Л.

M et]

Conservatoriiim für Musik in Stuttgart.

Mit dem Anfang des Wintersemesters, den (G. October, kuiincn in diese unter dem Protectorate Seiner Majestät des Königs stehende und von Seiner Majestät, sowie uns Milleln des Staates und der Stadt Stuttgart subventionne Anstalt, welche für vollständige Ausbildung sowohl von Künstlern, als auch insbesondere von Lehrern und Lehrerinnen bestimmt ist, neue Schüler und Schülerinnen eintreten.

Der Unterricht erstreckt sich auf Elementar-, Chor-, Solo- und dramatischen Gesang, Ciavier-, Orgel-, Violin-, Violoncrllspicl. Contrabass, Flöte, Oboe, Clarinette, Horn und Fagott, Tnnsalzlehre Harmonielehre, Conlrapunkl. Formenlehre, Vocal-und Instrumental- composition nebst Parlilurspiel , ürgelkuiule, (.¡escliirhte der Musik, Aeslhetik mit Kunst- und Literaturgeschichte, Declamation und italienische Sprache und wird crihcili von den pnifoMu-en Alwens, Bereu, Debuysere, Fällst, Keller, Koch, Krüger, Lebert, levl, Linder, Horstatt, Prnckner, Scholl, Seyerlen, Singer, Stark, ihifknpcllmcisier Doppier, Kammermusikern Wien, Cabliins und C. Herrmann; ferner den Herren Kammervirtuosen Ferling und C. Krüger und Herren Attinger, Bühl, Feint hei, frey, Götschius, W.Herrmann, Hilsenbeck, Hammel, Kram«, Laurösch, Meyer, Rein, Ranzier, Schneider, Schach, Schwab, Sittard, Spohr und Wünsch, sowie den Kraulern P. Dürr, Cl. Faisst und A. Peti.

Für das Eneemblespiel auf dem Ciavier ohne und mit Begleitung anderer Instrumente sind regelmassige Leclionen eingerichtet. Zur lehmig im öffentlichen Vertrag ist den dafür befähigten Schülern ebenfalls Gelegenheit gegeben. Auch erbalten diejenigen Zöglinge, welche sich im Ciavier für das Lehrfach ausbilden wollen, praktische Anleitung und Uebung im Ertheilen von Unterricht innerhalb der Anstalt.

Das jahrliche Honorar für die gewohnliche /ahl von Ijnterrichlsslunden betragt für Schülerinnen 240 Л, für Schüler 260 Л, in der Kunstgesangschulo (mit Einschluss des obligaten Clavierunterrichts) für Schüler und Schülerinnen 360 Л.

Anmeldungen wollen spätestens am Tage vor der am Donnerstag den 44. October, Nachmittags i Uhr, stattfindenden Aufnahmeprüfung an das Secretariat des Conservaloriums gerichtet werden, von welchem auch das ausfuhrliche Programm der Anstalt zu beziehen ist.

Stuttgart, dea 49. August 4881.

(H. 71704.)

Die Direction : Faisst. Scholl.

Verlag von i. Rieter-BiedermaHB in Leipzig und Wintc-rthur.

Lieder und Gesänge

VOD

Johannes Brahms.

Für Pianoforte allein

Theodor Kirchner.

No. 4. »Wie bist da, meine Königin, durch sanfte Güte wonnovolll« (Op. 3Î. No. 9} fr. Л t. —.

- t. Ein Sonnett: »Ach könnt' ich, könnte vergessen sie« (Op. 44.

No. 4) Pr. .A4. 50.

- 3. Die Mainacht: »Wann der silberne Mond durch die Gesträuche

blinkt« ¡Op. 48. No. 2) Pr. .4Г4.50.

- 4. Standchen: »Gut Nacht, gut Nacht, mein liebster Schatz«

(Op. 44. No. 7) Pr. UM. 50.

5. Von ewiger Liebe: »Dunkel, wie dunkel in Wald und in Feld!« (Op. 43. No. 4) Pr. Л t. —.

- 6. »Sind es Schmerzen , sind es Freuden», aus den Magclonc-

Romanzen (Op. 38. No. 3) Pr. M Î. —.

- 7. »Ruhe, Süssliebchen, im Schatten'!, aus den Megelone-Ro-

manzen (Op. 38. No. 9) Pr. Ul Î. —.

- 8. Auf dem See: »Blauer Himmel, blaue Wogen« (Op. 59. No. i)

Pr. Л 2. —.

- 9. »So willst da des Armen dich gmidig erbarmen?« aus den

Magelone-Romanzen (Op. 33. No. 5) . . . Pr. ЛМ.50.

- 40. »Muss es eine Trennung geben«, aus den Magclonc-Romanzen

(Op. 33. No. 4S) Pr. ЛМ.50.

- 44. »Wie froh und frisch mein Sinn sich hebt", aus den Mage

lone-Romanzen (Op. 83. No. 44) Pr. Л ï.—.

- 4Ï. »0 komme, holde Sommernacht« ¡Op. 58. No. 4; Pr. Л 4. 50.

- 48. Serenade: »Leise, um dich nicht zu wecken« (Op. 58. No. 8)

Pr. Л 2. —.

- 44. »Dein blaues Auge halt so still« Op. 59. No. 8) Pr. Л 4. 20.

- 45. »Wenn du nur zuweilen lächelsl« iOp. 57. No. 2) Pr. UT4.20.

- 46. »Es träumte mir, ich seidirlhcuer« (Op. 57. No. 3) Pr. Л 4. 50.

- 47. »Strahlt zuweilen auch ein mildes Licht« ¡Op. 57. No. 6)

Pr. Л *. 20.

- 48. DieSpröde: »Ichsahe eineTig'rin« iOp. 58. No. 3) Pr. Л 4. 50.

- 49. Schwermut!): »Mir ist so weh um's Herz« (Op. 58. No. 5)

Pr. Л 4. 20.

- 20. Agnes: »Roscnzeitwieschncllvorbei«(Op.59.No.5;Pr.ufi 4. 50.

- 24. Sandmännchen: »Die Blumclcin sie schlafen« (Volkskinder-

lied) Pr. Л 4. 50.

Мб*) Soeben erschienen in meinem Verlage:

"Vier Lieder

für

eine Singstimme

mit Begleitung des Pianoforte componirl

von

Louis Bödecker.

Op. 17.

Preis 2 Mark.

Einzeln: No. 4. Frühlingsanfang: »Es kommt so still der Frühlingstag«, von

H. l.iung . . Pr. 50 Sjr.

No. 2. Aeolsharfe: GeheimnissvollerKlang., von H.Lingg Pr. 50 :?.

No. 3. Kummer: »0 holder Llifthauch«, von Chr. Kiri-hho/f Pr. 50^.

No. 4. Wnnsch und Grass: »Wenn immer doch Mondschein blieb!«

von U'ülielmine Mytius Pr. 50 ф.

Leipzig und Wintertiiur. J. Rieter-Biedermann.

M6:li Verlag von

J. Rieter-Biedermann in Leipzig und Winterthur.

МагШшИШшш

von

August Freudenthal in Mnsik gesetzt

für

Männerstimmen, Soli (Tenor und Bass) und Chor

mit Begleitung von Orchester oder Pianoforte

Emil Keller.

Op. 20.

Ciavierauszug Pr. 3 ,У/. Chorstimmen : Tenor l, H, Bass l, II à 30 3f. Partitur und Orrhesterstimmen shut in Abschrift Лип-h die Verlags- lniiifllnnf/ su beziehen.

Verleger: i. Bieter-Biedermann in Leipzig und Winterthur. — Druck von Brcilkopf A Härtel in Leipzig. Expedition : Leipzig, Am Rabcnstoinplatz 2. — Redaction : Bergedorf bei Hamburg1.

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Preis: Jährlirli 14 Mk. Vi,.rl(.lj5brlic»« l'r.uunj. 4 Sil. bu IT. Ли/..'iiívii : J¡0 gcsial- tene Pelitieüü oder deren Наши 30 PC Briefe and Gelder werden franco erbeten.

Musikalische Zeitung.

Verantwortlicher Rédacteur: Friedrich Chrysander.

Leipzig, 6. September 1882.

Nr. 36.

XVII. Jahrgang.

Inhalt: Franz von Holstein. Seine Liedercompositionen. (Schluss.) — Theobald BBhm. Ein merkwürdiges Künstlerleben. (Schluss.) — Anzeiger.

Franz von Holstein. Seine Liedercompositionen.

l. Lieder für eine Singstimme

mit Begleitung des Pianoforte.

(Schluss.)

»In aller entzückenden Frische äusserte sich auch in dieser Zeit der Niedergeschlagenheil und des Leidens (im Winter 1877) *) sein Genius noch einmal: in den Liedern aus Wolffs .Rattenfänger von Ilameln', dea besten vielleicht, die er geschrieben.« Mit diesen Worten leitet Bulthaupt (S. 93) eine kurze Uebersicht des nun folgenden Werkes ein, des letzten, das v. Holstein selber veröffentlichte :

Op. 38. Lieder aus Julius Wolffs Katteifiiger Vod Ilameln. (Dem Dichter gewidmet.) Leipzig, 1877. K. W. Fritzsch. 3 Hefte à Л 3. —. **)

Es sind in der Thal seine schönsten Liederschöpfungeu, voll grossartigen Schwunges, voll bezaubernder Anmulb und scharf treffender Charaklerisirung. Das erste Heft derselben enthält Liebeslieder, und zwar unier Nr. ^ und 6 zwei von den Gesängen, welche Hunold Singuf der Spielmann in der Herberge dem ihn umdrängenden Volke zum Besten giebl***) : der liebliche »Morgengruss« (»An meiner Thüre, du blühender Zweig«) und das feurige hinreissende »Geständniss« (»Lass mich dir sagen, lass mich dir singen, dass ich dich liebe, du herrliche Maid«), ein Lied, das wegen seiner rhythmischen Verhältnisse sorgfältige Proben der beiden Partner erfordert. Nr. { bis 3 aber umfasst die Werbelieder, durch welche Hunold beim Verlobungsfesl die schöne Bürgermeislerslochter umstrickt ****): die minnige Lobpreisung der holden Frauenwelt (»Nun will ich mit dem reinsten Klang mein Saitenspiel wohl rühren«), bei welchen Lied durchgebende Arpeggien in sinn-und geschmackvoller Weise die Lauten- oder Harfenklänge des Spielmanns nachahmen ; ferner die aus tiefster Brust quellende Liebesklage (»Zwei Sterne machen mich jung und all«) und das mil stolzem Siegesjubel erbrausende Minnelied »Steige auf, du goldne Sonne,

  • ) d. h. in den ersten Monaten des Jahres 4877. ») Heft 4 , S. 5 , letzte NotenzeUe, Takt 3 fehlt 5 vor c', also :

. — Heft 8, S. 4i lies nicken (st. uiecken).

Rattenfänger IV. Сер., S. *3 und «6. Wir citiren nach der U. unveränderten Ausgabe von 4884 (Berlin, Grote; mit Illustr.) »*") XV. Cap., S. »87. 189. ISO.

aus der slurmdurchrauschlen Fluí«. Die hohe Schönheit dieser Lieder lässt es lebhaft bedauern, dass Holstein nicht auch das liebeglühende berückende vierte Lied »Du rothe Rose auf grüner Heid'«, welches die Katastrophe herbeiführt, in den Bereich seiner Kunst gezogen hat; er wie kaum ein Anderer halle den vollen Ton dafür zu finden gewussl. — In eine ganz andere Sphäre verselzl uns das zweite Heft »Wander-, Trink- und Schelmenlieden ; mit der gleichen Meisterschaft und dabei stets ¡n nobler Hallung hat Holstein hier das lustige Leben und Treiben der länderdurchwandernden Scholaren und Spielleule des Mitlelalters gezeichnet, den Frohsinn in allen Abstufungen vom fein anspielenden Humor bis zur lollen Ausgelassenheil. Aus dem heimlichen Zechgelage, das der Rathsluhlschreiber Ethe- lerus und der wohlbeleibte Kanonikus nächtlicher Weile mit Hunold Singuf im verborgnen Hinterslübchen des Rathskellers halten*), stammen die prächtigen Lieder Nr. 2, 3, 6: das Wanderlied der fahrenden Schüler »Durch die Well mit Sang und Klang ziehen wir in Schaaren« mil dem übermüthigen Chor-Refrain »Rillus Rallus, Prillus Prallus, hier herein und dort hinaus, schlagt dem Fass den Boden aus«; sodann die »Einkehr« der fröhlichen Gesellen : »Wirth , hast du nicht ein volles Fass? das wollen wir heut anstechen« und der von schalkhafter Zecherlaune übersprudelnde »Willekumm« (»Cnd habe ich gestern zu viel getrunken, so trinke ich heute noch mehr»). Dem Liederborn, der in der Herberge von den Lippen des kundigen Spielmanns unerschöpflich fliesst**), sind hier abermals drei Gesänge entnommen (Nr. 4, 4, 6): das kernige Wanderlied »Die Schuhe geflickt und den Beutel gespickt«, die humoristische Litanei »Und wenn ich des Papstes Schlüssel trüg'« und das schelmische Liebeslied iRothhaarig isl mein Schälzelein« mit seiner drastischen Schlusswendung. — Die Krone des Werkes aber ist das dritte Heft mit seinem Empfin- dungsreichlhum und seinen genialen Gestaltungen. Zunächst das von täuschend nachgeahmten Schalmeiklängen umschlossene kraftvolle Beschwörungslied des Rattenfängers, in Julius Wolfs Dichtung das drille und lelzle, welches die unheimlichen graugeschwänzlen Gäste sinnbethörend in die lödllichen Was- serflulhen lockt: »Nun Mäuse und Rallen, ob all oder jung«***). Dann 'AViill's Schmiedelied« (»Mil Gunsl zum Ersten l Eisen in Nothl«), nach feierlichem Eingang energisch und wuchtig wie die dröhnenden Hammerschläge des ingrimmigen Schmiedes, dem das Lied in den Mund gelegt ist. ****) An dritter Stelle das wunderschöne »Gertruds Lied« (»Immer schaust du in die

  • ) VIII. dp., S. 409. 40*. 406. »») IX. Cap., S. 43*.

) IV. Cap., S. «0. 47. »8. **») X. Cap., S. 4Ï7.

Ferne«), weiche elegische Liebesklage, die sich der holdseligen Fischermaid, um deren Herz sich träumerisch-sehnsüchtig die Knospen der ersten Liebe ranken, so tief eingeprägt hat.') Endlich das grossartig aufgefasste Beschwörungslied des dämonischen Rattenfängers (»Da hinter dem Berge da funkelt ein Schloss«), durch dessen bezaubernde Worte und Klänge er die KinJer- schaaren zum Auszug aus der Stadt verlockt.**) Den phantastischen Märchenbildern der Poesie entspricht in der Musik die eigentümliche kindlich-verführerische Melodie, wie sie die Situation nicht schöner treffen kann.

Wir kommen nun zu den nachgelassenen Liedern des Künstlers, die wohl grösslentheils vor den zuletzt besprochenen, einzelne sogar beträchtlich früher entstanden sind :

Op. 42. Sechs Lieder fdr eine Sopranstimme. (Frau I.iss- mann-Gutschbach gewidmet.) Nr. 3 der nachgelass. Werke. Leipzig, Breitkopf & Harte!. Рг. Л Ч. 50. Op. 43. Fiif Lieder fur eine tiefere Stimme. Nr. 4 der nacbgelass. Werke. Leipzig, Breitkopf 4 Harte!. Preis Л i. 50."*)

Op. 44. Vier Lieder. Nr. 5 der nacbgelass. Werke. Leipzig, Breitkopf A Härte!. Pr. .« t. 50.

Op. i l entspricht wiederum vorzüglich der Eigenart der Sängerin, der es gewidmet ist. Es beginnt mit »Mädchens Sehnsucht« (im altdeutschen Volkston, von F. Hirsch), einem prächtigen Liede, welches durch glückliche Nachahmung verschiedener Züge altdeutscher Volksweisen ein charakteristisches Gepräge erhallen hat : der weichen Klage folgt andachtsvolle Zuversicht zu dem Meister der Welt, welcher es auch fügen wird, dass die Maid den Herzallerliebsten wiedersieht — zur schönen Sommerszeit, mit deren freudiger Ausmalung der Gesang schliesst. Nr. Ï, »An die Vögel« von R. Hamerling (»Zwitschert nicht vor meinem Fenster«), enthält die sanft elegische Mahnung des Gefangenen an die gefiederten Lenzesboten, den Unglücklichen zu meiden. Hell aufjubelnde Klänge dagegen schlägt Nr. 3 an, »Glückliche Abkunft« (von W. Hertz : »Mein Vater war ein Gärtner«) ; das Lied birgt in sich eine Fülle jugendfrischer Anmuth , die von einem schalkhaften Temperament zu grosser Wirkung gebracht werden könnte. Einen ritterlichen Zug hat das sehnsuchtsvolle »Polnische Lied« (Nr. 4 : »Weisse Lilie, meine Lilie«); das fremdländische Colorit ist mit maassvoller Beschränkung angedeutet. Wie es sich mit dem fünften Lied (»0 lüge nicht«) verhält, haben wir bereits oben Sp. 534 auseinandergesetzt. Nr. 6 endlich (»0 selig, wem in stiller Nacht erscheint ein liebes Bild« von R. Hamerling) bietet der Sängerin reiche Gelegenheit, in vollen Tönen tiefseelischen Ausdruck an den Tag zu legen, und eignet sich deshalb vortrefflich für den Concerlsaal.

In Op. 43 gewährt das erste Lied, »Die Nachtigall« von Tb. Storm (»Das macht, es hat die Nachtigall die ganze Nacht gesungen«) eine interessante Parallele zu der bekannten Volk- mann'schen Composition (Op. 5Î, Nr. 3); wer vergleicht, wird beide Auffassungen, die übrigens manche Aehnlichkeit besitzen, gleichwertig finden. Nr. 2 , Seefahrt (»Die Wellen tragen vom Lande fort mein Schiff und schlagen um seinen Bord«) giebt ein kurzes charakteristisches »Seestückt, dessen Klang Holstein vorzüglich zu treffen und, wie uns bereits die dritte Romanze aus Op. 29 gelebrl bat, mannichfach auszugestalten wussle. Dagegen trägt das Volkslied »Ich hört' ein Sichlein rauschen« (Nr. 3) , ähnlich wie das erste Lied aus Op. 42 , die Färbung vergangener Jahrhunderte, nur dass die Clavier- begleitung hier noch zurückhaltender auftritt als dort. Ein einfaches anmuthiges Liedchen ist Nr. 4 : »Vergebliche Mühe« von

  • ) VII. Cap., S. 78. *| XVIII. Cap., S. 114.
  • ) Op. *3, S. 4Ï, Takts muss über der Silbe -6er eine Sechs- -L-liiitel- statt einer Achtelnote stehen.

Tb. Storm (»Ich hielt mein Herz verschlossen«), während das Scblusslied »Im Stürm« (»Wie sich Nebelzüge dräuend dort zu Wolken verdichten« von H. Bultbaupt) mit kühner trotziger Stirn, wie ein Held gegenüber den wilden Naturgewallen, ein- berson reitet.

Aus Op. 44 haben wir das »Wiegenlied« (Nr. 4) schon oben Sp. 534 besprochen. Die beiden ersten Gesänge (Gedichte von R. Hamerling), die sanftmelodische Warnung an das in seiner Beschränkung glückliche Kind der grünen Wälder »0 sehne dich nicht ans graue Meer« und das von den Gefühlen stillen Heimwehs und selbstbewußter Tröstung beherrschte »Einst träumt' ich im Waldgrün, nun träum' ich am Meer«, geben der Men- schenslimme breiten Kaum, sich in schönen Klängen und ruhiger Bewegung reich und voll zu entfalten. Im Gegensatz zu ihnen steht das leidenschaftliche dritte Lied, »Geständnisse von H. Bultbaupt (»Nun ist ein jeder Nerv in mir und jede Ader voll von dir«), welches mit mannhafter Begeisterung an die siegreiche Herzenskönigin gerichtet ist.

II. Duette.

4) a capella.

Wahrscheinlich angeregt durch Moritz Hauptmann's Zweistimmige Lieder ohne Begleitung Op. 46 (eine Vermuthung, welche durch die Dedication verstärkt wird), schrieb v. Holstein

Vleneki Lieder für zwei weibliche Stimmen, im Freien zu singen. Op. 15. (Frau Susette Hauptmann gewidmet.) Leipzig und Winterthur, J. Rieter-Biedermann. Î Hefte àuM.-.

Die Texte dieser wohlklingenden und unschwer auszuführenden Lieder, die sich bereits ein weiteres Publikum erworben haben, wählte der Componist zum Theil aus Ed. Mörike's Dichtungen : »Der Gärtner« (»Auf ihrem Leibrösslein so weiss wie der Schnee«) und »Mausfallen-SprüchJein« (»Kleine Gäste, kleines Haus«), zum Theil aus Hoffmann von Fallersieben : »0 wie freun wir uns, wenn ein Frühlingstag« ; zwei sind mit drei Sternchen unterzeichnet, d. h. vielleicht von ihm selbst gedichtet : »Lockung« (»Ich hört' ein Vöglein singen«) und »Abends am Strande« (»Das Mondlicht glättet die Wogen«). Die weitaus meisten aber (neun) entnahm er ans Aug. Becker's Gedichten : »Und war ich ein Vöglein und war ich ein Schwan«, »Sonnenlicht, Sonnenschein«, »Sonntag ist's und hörbar kaum klingen ferne Glocken«, Liebesleid (»Ach Gott, wie hat es sich ge- wend't«), »Die Rheinischen Schiffsleut«, »Mägdlein am Brunnen«, Nixenteich (»Die Wasserlilien im Wald«), »Am See« (»Still lieg ich in des Berges Klee«) und »Nacbtlied im Walde«. *)

2) Mit Begleitung des Pianoforte.

Während des Leipziger Studienjahrs widmete v. Holstein einem kunstbegeisterten Schwesternpaar , zu welchem er bald darauf in die nächsten verwandtschaftlichen Beziehungen treten sollte, sein

Op. 7. Vier zweistimmige Lieder für Sopran und Alt. (An Frau Elizabeth Seeburg und Fräulein Hedwig Salomon. ) Braunschweig, G. M. Meyer jun. (H. Litolff). Pr. Nr. Í und 2 à 75 ^r, Nr. 3 und i à 50 3j(.

Es sind schlichte, höchst sangbare Duette, die wir häuslichen Kreisen auf das Wärmste empfehlen : das in D-moll sanft da- hinfliessende Rückert'sche »Aus der Jugendzeit«, der anmuthige schalkhafte »Abendreihn« (»Guten Abend, lieber Mondenschein«),

) Nachträglich erhalten wir die Mittheilung, dass demnächst im Verlage von J. Rieter-Biedermann in Leipzig und Winterthur als Nr. 40 der nachgelassenen Werke v. Holstein's erscheinen: Acht Lieder für zwei und drei Stimmen, ohne Begleitung, Op. 48. Wir werden seinerzeit auf dieses neue Werk zurückkommen.

d;is melodische »Volkslied aus der Ukraine« (»Sprach zum Mond die Abendrothe«), und das wirksamste von ihnen, das stimmungsvolle «Ñachis« (»Ueberm Lande die Sterne machen die Kunde bei Nachl«). — Bedeutend mehr Anforderungen an die Technik der Sängerinnen macht

Op. B. Drei zweiiümmige Lieder für Sopran und Alt. (An Friiulein Emma und Thérèse Materne.) Braunschweig, G. M. Meyer jun. (H.LitoIff). Pr. Nr. 1 Л \. — ; Nr. 2 und 3 à 75 3jt.

denn diese wirkungsvollen Duette legen der Ausführung allerhand Schwierigkeiten in den Weg, und zwar Nr. <, das munter flatternde »Wandervöglein«*), in Folge mannigfacher Durch- schlingiing der Singstimmen, Nr. 2 das graziöse »Lied der Vöglein« (»Von Zweig zu Zweige hüpfen«) durch die Synkopen der Clavierbegleilung, das ruhige getragene dritte, das am wenigsten schwierige (»Trost der Nacht«) , durch einige eigen- thiimliche Zusammenklänge in der Stimmführung. Allein für einigermaassen geübte Kehlen bietet sich hier die dankbare Aufgabe, einen melodiösen Wetlkampf mit dem Partner auszu- fechlen und so die doppelte Virtuosität leuchten zu lassen.

Gewissermaassen zu einer dramatischen Scene hat der Compunist eine Romanze von Hermann Lingg umgeschaffen :

Op. 14. Tanhauer. Duelt für Sopran und Bass. ¡Seinem Freunde Emil Trefftz gewidmet.) Leipzig und Winter- thur, J. Rieter-Biedermann. Рг. Л \. 75. Das Gedicht, das Verweilen Tannhäuser's im Venusberg als Kernpunkt erfassend, lindert den Verlauf der Volkssage dabin ab, dass die Göttin die erwachende Sehnsucht des Rillers nach den Ja&Jgründen der Oberwell durch ihr süsses Schmeicheln einschläfert und ihn durch ihre zauberischen Reize auf ewig zu ihrem Gefangenen macht. Wie in der Dichtung Lingg's, so ist auch in Holstein's Musik nicht auf das Sinnliche , Mildern auf die poetische Verklärung des alten SagenstotTes der Haupt- accent gelegt. Mit schönen, charakteristischen Harmonien und in edler Melodieführung lässt der Componist die beiden Slim- men in Rede und Gegenrede mit einander abwechseln, die kühne männliche mit der süss bestrickenden weiblichen, bis sie sich am Ende im kunstvollen Durcheinander vereinigen.

Die hervorragendsten Dueltcomposilionen Holstein's aber sind ohne Zweifel die folgenden :

Op. 26. Setki Lieder ind Rename! für zwei Frauenstimmen. (Frau Clar.i von Colomb, geb. von Binzer gewidmet.) Leipzig, E. W. Fritzscb. 2 Hefte à Л 2. —. und Л 2. 50.

sowohl was scharfe Ausprägung der Stimmung als was Lieblichkeit und Schmelz der Melodien und der Begleitung betrifft. In wie vollendeter Weise hat der Componist den mild elegischen Ton Mörike's (Nr. < bis 2 : »Ich hall' ein Vöglein, ach , wie fein« und »Ein Slündlein wohl vor Tag«) in seine Kunst übertragen! Wie lief hat er sich in die Gebilde Geibel's (Nr. 3 bis 6) hineingelebt! Welches Feuer lodert uns aus dem na- lional gefärbten »neapolitanischen Lied« Л'г. 6 : »Du mit den schwarzen Augen«) entgegen , der sehnlichen Klage des Südländers, dessen heisscs Herz vergebens nach Gegenliebe ringt ; und andererseits, wie leichl fliesst über die Lippen das sinnige träumerische »Weil, weil aus ferner Zeil, aus grüner Jugend- wildnissa (Nr. 5, »Schollisch«)! Ganz wundervoll ist die Wiedergabe des drillen Liedes »Am Mövenslein« mil seiner Märchen- prachl, wie in blauer Nacht bei Vollmondschein singende Nixen die weissen Fusse baden und beim Naben des blonden Schif-

) Auf dem Titelblatt ist aus dem Wander- ein »WunnYrvöglein« geworden. — S. 3, vierte Notenzeile, Takt 4 lies K stall Vis.

fersknaben als wilde Schwäne davonrauschen ; über dieser Musik lagert der volle Duft zarter romantischer Poesie. Die gleiche Bewunderung muss man der liebreizenden »Melusine« (Nr. i) zollen, der holden Waldprinzess, welcher Vögel und Blumen, Rehe und Wölfe dienen, und die im Spiegel des klaren Quells ihr Goldbaar strählt und dazu lachend das lose Liedchen singt :

0 lustig Schweifen!

Mein Sinn ist wie der Wind, Wind, Wind,

Wer kann ihn greifen!

Und wie ein Schrein so ist mein Herz,

Nur fesler, feiner.

Wo liegt der Schlüssel? ich weiss es wohl,

Doch Qnd't ihn Keiner.

Solch köstliche Duetle erregen den lebhaftesten Wunsch, mehr ihres gleichen zu besitzen. Er bleibt in gewisser Beziehung unerfüllt, weil der Künstler späterhin seine Kraft und Begabung fast ausschliesslich der Bühne zuwandle, auf diesem Felde allerdings vortreffliche ein- und zweistimmige Gesänge schaffend.

Dies erinnert uns an eine Veröffentlichung aus dem Nach- lass, die leider nur eine Art Liederpublication geworden ist :

Op. 47. Aus Mtrii* fallero. Unvollendete Oper. Nr. 9 der nachgelass. Werke. Ciavier-Auszug. Leipzig, Breitkopf & Härtel. Pr. JÍ 4. 75.

Ihren drei vorangegangenen Schwestern (Haideschacht« Op.zz, »Erbe von Morley« Op. 30, »Hochländer« On*. 36) sollte sie sich nach des Künstlers Absicht als Op. iO vollbürtig zur Seite slel- li-ii. Der Tod wollle es anders. *) Jene Opuszahl ist leer geblieben, die Bruchstücke erscheinen nun unter anderer Bezifferung. Es sind zwei Duetle und zwei einslimmige Gesänge, welch letztere das Gemeinsame haben, dass sie zum Preise der fernen deutschen Heimalh erklingen: das wie eine Volksweise gestaltete hübsche Lied der Sibylle »Ich kenne ein Land so schön und so grün« (Sopran) und das anmuthige Arioso für (Sopran oder) Tenor »Am Bodensee«, dessen Sänger das väterliche Erbe, die trauliche Häuslichkeit inmitten der herrlichen Natur herbeisehnt. Die beiden Duette dagegen spielen zwischen Annunziata und Faliero (Sopran und Bassj. Die Hauptsache in dem ersten bildet die ergreifend schöne, gleichsam auf wiegenden Wellen dahingleitende »Romanze« (»Leise nur rauschen Adria's Fluthen«), welche der Dichter-Componist in ahnungsvoller Beleuchtung die Dogaressa dem in schwere Gedanken versunkenen Gemahl vorsingen lässt, — die geheimnissvolle Sage von dem alternden Dogen, welcher im Ungewitter der wülhenden See verschollen ist, weil er dem Meerweib die Treue gebrochen. Das zweite umfangreiche Duell vergegenwärtigt die Versöhnung des greisen Dogen Faliero mit seiner jungen Gemahlin, offenbar den Brennpunkt der dramatischen Verwicklung. Annunziala trill ein in das Zimmer des durch ihre Schuld ihr enlfremdeleu Gallen, in höchsler Entrüstung, dass der Hohe Rath von Venedig ihren Beleidiger, den Patricier Sleno, freigesprochen. Auf des Dogen Frage erklärt sie sich unter Eidschwur bereit, einem Fremdling, dem sie geheime Neigung geschenkt, auf Nimmerwiedersehen zu entsagen. Und nun verspricht ihr Faliero unier glühenden Liebesbelheuerungen Rache an ihrem Beleidiger und an den insgeheim regierenden Palri- ciergeschlechlern, durch deren Slurz er die Machi im Staate an sich z« reissen und so seine scheinbare Krone zu einer wirk-

) Bulthaupl berichtet über die letzten Opernentwürfe v. Hol- slein's S. 93: »Den Freylag'schen ,Ingol legte er sich im Geist als Libretto zurecht, zu einem .Ekkeoard' entwarf er die Disposition, einige Verse und einen unier den Gedichten ¡Bullhoupl's Ausgabe S. 186] abgedruckten llunnenchor, ohne das schwierige Problem, einen Bühnenschluss Гиг die kustlictic Dichtung zu linden, lösen zu können, endlich verweilte er bei ист so oft behandelten . . . StolT des .Marino Fallen'. Er skizzirte den Text, führte ihn allmBlig aus und componirte einige Nummern ;die oben besprochenen], nndrc blieben im Stadium der Skizze liegen.« liehen zu machen gedenkt. Herrschsucht und Liebe schmieden ein neues starkes Band um die Wiedervereinten. Dem Verlaufe dieser Handlung entspricht genau die charakteristisch wechselnde Musik, die mit einem feierlich bewegten Liebesduelt endel. Wahrlich, diese Fragmente lassen ahnen, welch schweren Verlust die dramatische Kunst durch den frühzeitigen Tod des hochbegabten Dichter-Componislen erlitten hat !

Die übrigen Composilionen des Künstlers stellen wir anhangsweise in folgender kurzen Uebersicht zusammen :

III. Gesangsquartette

a) für gemischten Chor.

Kirchliche Musik hat Franz von Holstein nur wenig geschrieben : Op. 19. Zwei Motetten nach Worten der Psalmen 4 und 94 (Herrn Prof. Müller-Härtung freundschaftlichst zugeeignet. Leipzig, Fr. Kistner) und Op. 24. Zwei Trauungslieder: »Das, was der Himmel hat gefügt« und »Auf Euch wird Gottes Segen ruhn« (Frau Johanna von Zahn gewidmet. Leipzig, J. Bieter-Biedermann).

Was dagegen weltliche Musik betrifft, so hat unser Componisl den Gesangvereinen manche duftige Blüthe geboten : Op. S G. Sechs Lieder für S., A., T. und B. (Seinem lieben Freunde Albert von Zahn. Leipzig, E. W. Frilzscb. 2 Hefte) enthallend: »Am alten Zwingergraben« von W. Hertz, »Im Frühling« von EichendorfT (»Tliür und Fenster hab ich offen«), »Schlaflied« von L. Tieck («Buhe, Herzliebchen, im Schallen der grünen dämmernden Nacht«) , »Seefahrt« von J. V. Scheffel («Heul wirft mich aus der Stube ein starker Sonnenschein«), »Still bei der Nacht fährt manches Schiff« von Eichendorif, »Abends im Wald« von Demselben (»Abendlich schon rauscht der Wald«). — Dem Kotzoldt'sehen Gesangverein zu Berlin, der jetzt leider nicht mehr besteht, ist gewidmet Op. 34. Zwei Frühlingslieder für vollen Chor (Ringeltanz: »Nun ruft Juchhei mit Schalle«; Mailied aus Scheffel'» Trompeter von Säckingen : »Es kommt ein wundersamer KnabV Leipzig, llrc.ilköpf & Härtel). Im gleichen Verlage erschien als Nr. 7 der nachgelassenen Werke Op. i li. Zwei Lieder für S., A., T. und B. (Marienlied : »Gegrüsst sei, Maria« und »Blülhenbaum, erst wenn sank die Sonne«).

b) für Mannercbor.

Hierher gehört das oben Sp. 547 erwähnte 0 p. 2. Sechs Gesänge (Herrn Musikdirector Hauplmann hochachtungsvoll zugeeignel. Leipzig, Breilkopf & Härtel) mit folgendem Inhalt: »Lustig durchs Leben«, »Einkehr« von Ubland (»Bei einem Wirtbe wundermild«), In der Ferne (»Will ruhen unter den Bäumen hier«), Mondaufgang (»Seht, der Mond steigt still herauf«), »Wanderers Nachtlied« von Goethe (»Der da von dem Himmel bisla) und »Heimweh nach Deutschland« (»Denk ich ans ferne Vaterland«). — Dem Leipziger Universitäls-Gesangverein »Paulus« widmete v. Holstein sein Op. 35. Sechs Lieder (Leipzig, Breitkopf &Härlel), enthallend : Abschied von Heidelberg (»Es küsst der letzte Sonnenstrahl«), An den Wind (»Trauter Genoss, lustiger Wind«), Sommerregen (»Wer pocht so leis ans Fenslerleinî«), Abends (»Der Tag beginnt zu dunkeln»), »Sechs Groschen um! drei Dreier« und »Kriegslied« von B. Gottschall 4870 (»Die Fahnen wehn«).

IV. Kammermusik

im engeren Sinne besitzen wir nur aus des Künstlers mittleren Schaffensjahren, das prächtige Op. 48. Trio i n (l-molí für Pianoforte, Violine und Violoncello (Herrn Kapellmeisler Carl Beinécke zugeeignet. Leipzig, E.W. Fritzsch) mit drei Sätzen: I. Allegro non troppo, II. Andante sostenuto quasi Adagio, III. Allegro con molo, — und für Pianoforte allein folgende

drei Coinpositionen : das reichbelebte wohllaulsvolle Op. ^ t. Andante und Variationen [40] (Leipzig und Winterthur, J. Rieter-Biedermann), das anmuthige, dem befreundeten Richard Schöne gewidmete Scherzo 0 p. 47 (Wien, J. N. Dunkl ; Pest, Rozsavölgyi), und die von Holstein erst nach einer gründlichen Umarbeitung im Jahre 487< veröffentlichte*) und »seinem Freunde und Lehrer Carl Richter in Brannschweig« dedicirte Cmoll-Sonale Op. l 8 (Leipzig, E. W. Frilzsch), welche ebenfalls drei Sätze enthält : I. Allegro con brio, un poco maestoso, II. Andante, III. Allegro appassionato.

V. Concertmusik.

Unter diese Rubrik stellen wir drei Orchester-Werke aus der letzlen Lebenszeit des Componislen, die sämmllich auch im Ciavierauszug vorliegen: Op. 38. Beatrice, Scene aus Schiller's Braut von Messina (Monolog : »Er ist es nicht! Es war der Winde Spiel«), zum Concertvorlrag für Sopransolo mit Orchester (Leipzig, Breilkopf & Härtel) ; ihretwegen verweisen wir auf die klare Auseinandersetzung bei Bulthaupt S. 84. Aus dem Nachlass des Verewigten erschien unter Nr. 6 die lief empfundene Adonis-Klage : Frühlingsmylhus Op. 45, Gedicht von H. Heine, für Sopransolo, Frauenchor und Orchester (Leipzig und Winterlhur, J. Rieler-Biedermann), und indem nämlichen Verlage auch das erste nachgelassene Werk: Frau Aventiure, Ouvertüre für Orchester, Op. Í4. Ueber Entstehung und Inhalt dieser von dem Künstler entworfenen, aber leider nicht mehr vollendeten Arbeit entnehmen wir aus Bullhaupt's Buch folgende interessante Stelle (S. 94), welche Holstein's Slil an einem concreten Beispiel gut cbaraklerisirt und die deshalb unserer Abhandlung den passenden Abschluss geben möge: »Albert Dietrich unierzog sich, als Holstein schon nicht mehr war, der schönen Aufgabe, die Ouvertüre nach den hinterlassend! Skizzen des Freundes zu instrumentiren, und in dieser meisterhaften Einrichtung kam sie im Winter 4 879 in den Concerlen der Oldenburger Hofkapelle unter Dietrich's Leitung zum ersten Mal zu Gehör. Der Eindruck war im höchsten Grade fesselnd, anregend und erfrischend. Das Werk ist ganz sein Schöpfer. Eine gesunde Romantik, weniger luftig wie die Mendelssohn'scbe und die der Oberongeister, nicht nervös- sinnlich wie die Richard Wagner's, nicht tiefsinnig und grüblerisch wie die Schumann's; helle und sonnige Lichter mitten im schlanken Buchenwald , dazwischen verlorene Hornklänge, ein Flattern wie das grüssende Wehen weisser Schleier — jene holde Traumstimmung, in der man sich eins fühlt mit der umgehenden Natur und kaum mehr unterscheidet, was in uns, was ausser uns ist.«

Theobald Böhm. Ein merkwürdiges Künstlerleben.

Von Professor Dr. T. SchafhSutl.

(Schluss.) Böhm's Compositioncn.

Um das Bild des Mannes, dessen Wirken und Schaffen, das wir in den verschiedensten Zweigen menschlicher Thätigkeit verfolgten, zu vollenden und abzurunden, müssen wir auch noch den Musiker, den Mann als Künstler in seinem Schaffen ins Auge fassen.

Von seiner ersten Composition an, die aus dem Jahre 481g herrührt, bis zu seiner letzten aus dem Jahre 4881 weht immer derselbe lebendige Geisl, der auch unter den schwierig-

, Vgl. Bullhaupl's Biographie S. «4. о о о о о о о о 0 0 0 0 0 0 0 0 о о 0 0 о о о 0 0 0 о о о о о о о о 0 о о о о о о о 0 0 о о о 0 о 0 0 о 0 о 0 о о о о 0 0 0 0 о о о 0 о о о о 0 о о 0 о 0 о -V о о о о о о о о -ч _pv о _оу о о о 0 о 0 0 о о ф о о ф 0 о 0 ф t ф 0 0 0 Q 0 Q о 0 0 0 n n о 0

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7 ;//;/ sten Aufgaben für den Virtuosen, den einen das Ganze durchwehenden lebendigen musikalischen Gedanken nie aus dem Auge verliert — wir nnden immer die ästhetische Einheit durch alle seine so mannigfaltigen Composilionen für die Flöte bewahrt und festgestellt, die ihnen einen dauernden Werth verleiht. Wir fügen hier ein Verzeichniss seiner Compositionen an, von seiner ersten Schöpfung bis zur letzten.

I.

Compositionen топ Theobald Böhm

im Druck erschienen.

Jahr

1838 4838 4840

4845

4845

April 485«

Juli 4851

Oct. 4851

4858

4858

Juni 4858 Jan. 4859 März 4859

4863

4860—64

44

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44

Compositionen

Concert für Flute mit Orchester und

Piano. G-dur

La Sentinelle [Thème (av.) varié . Andante und Polonaise. A-dur. . Nel cor piü non mi sentó. G-dur . Potpourri (Melodies suisses). G-dur Divertissement (air de Carafa), auch

mit Orchester. G-dur. . . . Concertante für l Flöten u. Orchester.

D-dur

Polonaise de Carafa. H dur. . . Variations (Thème de FreyschUlz).

D-dur

Divertissement (Thème de Rovelli}.

C-dur

Divertissement (1 Thèmes fav. suisses).

C-dur

Rondo brillant mit Orchester. C-dur. Divertissement (Almenlied). C-dur Boeh m A: Ogden '), fantasie cône.D-dur (Konnte nicht mehr aufgefunden

werden.)

Grande Polonaise. D-dnr . . . Variationen. Aus dem Marsch von

Rossini's Moise. D-dur . . . 31 Etudes propres à égaliser le doigt«

dans toutes les gammes Walzer und Potpourri, Walzer nach

einer Melodie von Schubert. D-dur

Variationen (Air tyrolien). C-moll Fantaisie (Sehnsuchtswalzer). As-moll Variât, brill. (Du , du liegst mir im

Herzen). E-moM

Fantaisie sur des thèmes suisses.

F-moll

Fantaisie sur des Airs écossais. F-dur Fantaisie sur des Airs écoss. C-dur .

14 Caprices-Etudes

Andante von Mozart. C-dur . . . Souvenirs des Alpes.

No. 4. Andante cantabile. Es-dur .

- i. Rqndo Allegretto. F-dur

- t. Andantino. Romance. D-dur

- 4. Rondo allegretto. D-dur

- 5. Andante pastorale. G-dur

- 6. Rondo-Landler. E-dur . Andante cantabile. G-dur . . . A la Tarantella. E-moll ....

Larghetto. As-dur

Rondo à la Mazurka. C-dur . . 14 Etudes, 2 Suites avec Piano ou Flùlr

solo. B-moll

Verleger

Aibl

Diabelli&Co.

Aibl

Aibl & Peters

Falter & Sohn

Aibl

Falter & Sohn

Aibl

Falter &.Soli n

Aibl

Schot«

) Ogden war ein englischer Gentleman, der sich zuerst mit der Bohm'schen Flöte vertraut machte und für sie als Protector auftrat.

Jahr

Compositionen

Fantasie über Motive von Hummel.

Flute, Piano. C-dur Aibl

Andante derScrenade von L. vanBeel-

hoven, bearbeitet für die Flöte und

Pianofortebegleitung. G-dur. Elegie p. la Flûte av. accomp. de Piano

ou d'Orchestre.

Andante con variazioni. G-dur. Hymne.

Verleger

II.

Compositionen berühmter Heister für Flöte und Pianoforte, oder hie und da auch Physharmonika.

(Böhm liess alle diese Werke, in denen er Werke berühmter Männer

blos für die Flöte umarbeitete, ohne Opuszahl, ohne sie den eigenen

Compositionen einzureihen.)

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1S6S

1871—76

4874—79

Nr.

Cuius animam gementem, Celebre Air aus dem Stabat mater von Rossini. Flöte und Piano ....

41

CompositionTM

Adagio von L. van Beethoven. C-dur

Adagio von Mozart. Aus der Ciavier- Sonate Op. 46. B-dur

Rondo-Andante von Mozart. A-moll .

Ständchen. Lied von Fr. Schubert. D-moll

Das Fischcrmadchen. Lied von Fr. Schubert. D-dur

Tre giorni. Aria von Pergolese. C-moll

Cantabile von Vogler für Pianoforte oder Physharmonika u. Flöte. D-dur

Aria cantabite von J. S. Bach für Pianoforte oder Physharmonika n. Flöte. D-dur

Serenade von Beethoven Op. 8. Daraus Adagio, Menuette, Polacca, Tema con variazioni für Flöte und Pianoforte eingerichtet. F-dur . .

Romanze von Beethoven Op. 50. F-dur

Variation von Haydn über das Thema «Gott erhalte Franz den Kaiser« für Pianoforte oderPhysbarmonika und

Flete

antasie über Motive aus einer Sonate von F. H. Himmel ,

Aria aus Orpheus von Gluck »Che faro scnza Euridice« für Pianoforte und Flöte

Verleger

Scbuberlh in Leipzig

Aibl

Schuherth in Leipzig

III.

für

Nicht gedruckte Compositionen Böhm's

die Alt-Flöle oder als Duos und Trios für zwei C-Flöten und eine Alt-Flöte eingerichtet.

Kür Alt-F16te und Piano.

Beethoven. Sonate Op. 47. Original für Piano und Hörn. F-dur. Beethoven. Serenade Op. 14. Original für Flöte, Viola und Cello. Beethoven. Adagio. Aus einem Clavier-Concert. As-dur. Mozart. Sonate. Original für Piano und Violine. G-dur. Mozart. Adagio. Original-Quintett fur Clarinette. D-dur. Mozart. Adagio. Original-Claviersonale. B-dur. Mozart. Rondo, Andante Op. 71. Original für Ciavier allein. Haydn. Variationen (»Gott erhalte Franz den Kaiser). Original-

Violinquartelt.

Schubert. Lied ¡Das Ständchen). D-moll. Schubert. Lied (Das Fischermüdchen). A-dur. Schubert. Lied (Am Meer), C-dur.

Himmel. Rondo. Original-Sonate für die C-Flüto u. Piano. G-dnr. Vogler. Adagio. Aus den Orgel-Präludien. D-moll.

Опоя für eine t'-Flütc nnd M l-1 l,.i,

mit riaiiciln'ilriiiiiiü.

4*. Rossini. Duo (Soirées musicales). A-dur 43- Rossini. Duo (Soirées musicales;. D-dur. 16. С. M. v. Weber. Romanze. F-dur.

47. C. M. v. Weber. Andantino. C-dur.

48. C. M. v. Weber. Allegretto. C-dnr.

Trios für iwel Flöten in С nnd Alt-Flute.

49. Cantabile von Vogler (Orgel-Präludium). D-dur.

50. Beethoven. Grand Trio. Original für zwei Oboen u. Cor Anglais.

F-dur.

Für Soprangtlmme nnd Alt-Flut«. 14. Gradúale von Schiedermaier mit lateinischem Text für die Kirche

und mit deutschem Text mit Clavierbeglcitung. C-dur. it. Gradúale von Walter, für All-Flöte (Soloi mit Vocal-yuartett und

zwei Violinen, Alio und Violoncello und Basso. E.dur.

Fig-nrl

stellt die Flute des Obrislen Gordon dar, wie sie aus der Flölenfabrik Böhm's in München unier Gordon's Leitung hervorging Die Grifflöcher bildete Gordon grusslcntheils nach Bohm's Rath. Die ursprünglichen Grifflöcher Gordon's hatten viel Aehnlichkeil mit Figur III.

Flgrnr II

giebt die Flöte Böhm's, mit welcher er zuerst in Paris und London auftrat.

l-'iifiir III

leigt dio Grifflöcher von so verschiedener Grosse und ihre Stellung an der Londoner achtklappigen Flöte nach Nicholson's System.

Figur IV

die symmetrische Lftcherstellung der Böhm'schen Flöte.

Figur T

die Böhm'sche Ringklappcnflöte.

Figur TI

die letzte Böhm'sche Deckklappenflölc.

Fig-пгУП

das conoid ische Kopfstuck der Silberllöte mit der Embouchure aus Gold.

Figur ПИ die Böhm'sche Deckklappcnflble in der Hand des Spielers.

Böhm hat zwischen dem cij-Griffhebel und der eigcnllichcn cïs- Klappe sehr sinnreich an seiner Flöte eine Handstütze angebracht. Die Flöl« ruht hier in der Gabel zwischen dem Daumen und ersten Finger sicher und läset dem Daumen freies Spiel zur Behandlung seiner c-Klappe und dem e-Hebel. Ohne diesen Stutzpunkt wird, so oft der Daumen die Klappe niederdrückt, die Flöte nach einwärts gedrängt und die Embouchure daher verrückt und unsicher.

Figur IX.

Das Griffsyslem der Bebm'schen Deckkloppenn.il, ist dasselbe wie das der Ringklappenflöte. Der kleine Finger der rechten Hand hat dieselbe Function wie an der gewöhnlichen Flöte. Er hat für die Töne cii d des zu sorgen.

Die dii-Klappe ist die einzige geschlossene Klappe, da sie immer geschlossen bleiben muss.

Die d- und c-Klappc bewegen sich in ihrem Scharnier um eine einzige Achse. Ihr Griffende besteht in zwei übereinander liegenden horizontalen sich um eine Achse rollenden Cylindcrchcn in der Nähe des Hebels der ¿)ti-Klappe, so dass der kleine Finger von dem untersten Cylinderchen, das der cii-Klappe angehurt, auf das obere der d-Klappe angehörende Röllchen gleiten kann.

Beide Klappen, eis- und d-Klappe, sind durch einen ßiigel mit einander verkuppelt, so dass jede Klappe einzeln oder beide durch einen Griff niedergedrückt werden können.

Der dritte Finger greift regelmässig das r, dur zweite Finger das /. der erste Finger das fis.

Zwischen der Klappe des zweiten und dritten Fingers befindet sich noch ein Hebel, dessen Achse bis zum höchsten Punkte der Flöte reicht. Da aber steht am höchsten <lic i/is-klappc für Triller, Über ihr ist die d-Klappe ebenfalls für Triller, und ihr Hebel liegt zwischen der Klappe des ersten und zweilcn Fingers Fig. VI, in

Fig. VIII ist er durch den Finger verdeckt. Vom dii-Hebel sieht man nur die Spitze.

Die g-Klappe bleibt leer, für sie ist kein Finger vorhanden, dagegen ist die p-Klappe um seine bewegliche Achse mit der vorausgehenden Klappe fls, ( und t gekuppelt, so dass das g mit jeder dieser Klappen niedergedrückt werden kann.

Die linke Hand greift mit ihrem vierten Finger das gis. Ueber dieser gu-Klappe belindet sich aber noch der Hebel, der mit seinem gebogenen Griffende über die d-Klappe reicht, also, wenn erforderlich, mit der a-Klappc zugleich niedergedrückt werden kann. Das a greift der dritte Finger, das b der zweite Finger. Nur für das h ist wieder kein Finger vorhanden. Die A-Klappe wird also mit der 6- und /"-Klappe gekuppelt, die beiden fingerfrcien Klappen y und h schliessen sich deshalb mit der mit ihnen verbundenen Klappe und öffnen sich wieder mit ihrer Verbindungsklappe.

Die Klappe des с ist dem Daumen anvertraut und auf Fig. VI mit D bezeichnet.

Zur Rechion neben dieser -Klappe ist ein Hebel, der das Л schliesst. Die o und A-Klappe zusammen gedrückt, geben gleichfalls das b. die A-Klappe ist ohne Finger und wird mit dem Finger der rechten Hand durch Kuppelung geschlossen; allein bei allem raschen_Uebergang von a auf b und allen nieder bezüglichen Trillern ist der c-und der /i-Hebel mit dem Daumen niedergedrückt, das Spiel ausserordenllich erleichternd.

Der erste Finger der linken Hand greift das eil. Das eigentliche Tonloch für das eil liegt jedoch viel zu hoch, als dass es mit dem ersten Finger gegriffen werden könnte, ohne die anderen Finger aus ihrer Lage zu verdrängen. Böhm hat deshalb an der Stelle, welche der erste Finger der linken Hand gemäss ihrer natürlichen Lage berühren kann, einen Klappen-Hebel angebracht, welcher, mit einer vcrticalen Achse wie gewöhnlich verbunden, die wirkliche Klappe auf das Tonloch des cii niederdrückt. Die eigentlichen Klappen tragen in der Zeichnung einen Kreis in ihrer Mitte, während sich bei den blossen Hebel-Klappen kein solcher kleiner Kreis in der Mitte der Klappe findet.

Die letzten zwei kleinen Klappen sind blos Trillerklappen für d und dis und werden, wie schon bemerkt, von den Hebeln zwischen fis und ' und e und f in Bewegung gesetzt. Beide Klappen schliessen die Grifflöcher, auch die untere dii-Klappe bleibt geschlossen, während alle übrigen Klappen offen stehen.

So ist es leicht, auf eine ganz regelmassige Weise die ganze

chromatische Scala von с bis Л in vollster Reinheit und verhaltniss- mässig gleicherstarke hervorzubringen.

Die Möglichkeit, die Klappen unserer Flöte in den verschiedensten Verhältnissen zu verbinden, erlaubt, dass auch sogenannt enhar- monische Töne hervorgebracht werden können, so dass man den Unterschied zwischen cTi und des recht gut hervorbringen kann, wie wir aus den Grifftabellen ersehen ; denn an die regelmBssige Grifftabelle schliesst sich deshalb auch eine sogenannte u n regel massige

Grifftabelle an, gemäss welcher fis und ges, eis und des, eis und des,

/tí und ges, gis und as, a sehr leicht hervorgebracht werden können. Ein weiteres schön ausgeführtes Griffsystem bildet die Triller- Tonleiter für alle Töne der chromatischen Scala von с bis A. Berr Fd. Spitzweg, kgl. bayerischer und herzog). Sachsen-Meiningischer Hofmusikalicn-Verleger, Firma: Aibl, der die meisten Compositionen Böhm's publicirle, hat mir die Erlaubniss gegeben, die Griffstabelle der Böhm'schen Flute, die in seinem Verlage erschien, der Biographie beigeben zu dürfen, die wir auf Tafel II. beifügen.

Böhm's i lötentaorik besteht fort. Preise dieser Fleten. Herr Karl Mendier, dem BÖhm schon im Jahre 4862 sein Fabricalionsgeschüft übertragen halle, führt die Fabrication Böhm'scher Flöten in ihrer ganzen Ausdehnung fort. Eine Flute in l von Cocos- oder Grenadillen-Holz liefert er

für 375 Л

Sollte ein //-Fuss dazu verlangt werden, so erhöht sich der

Preis um 35 uf

Zu dieser Fióle kommt ein elegantes Eluis, welches nicht allein die Flute aufnimmt, sondern auch die nölhigcn Instrumente enthält, um die Flöte auseinander zu nehmen, wenn der Mechanismus der Reinigung bedürfte, ein Klappenpolster verletzt würde oder irgend eine Störung in der Wirkung des Mechanismus einträte.

Diese Requisiten bestehen : aus einer Garnitur von Klappenpolstern zu 3*4

einem Schraubenzieher nebst Federhäkchen zu 3 ¿M

ein Stöpselmaass, um den Stöpsel wieder an die rechte Stelle

zu setzen ( Л

dazu kommt die Grifflabelle für 3 Л

und ein Holzkästchen in Emballage ¿ ,ff

Wir hätten also weitere \Ъ Л für das Etuis mit den Requisiten. Eine Silberflöte in с mit Embouchure von Gold kommt auf

40 Л

eine solche mit einem Я-Fuss 450 jH

Dieselbe Flöte nach neuestem System mit weiterer Bohrung

und vollerem Tone mit C-Fuss 485 M

Dieselbe Flöte mit Я-Fuss 5Î5 Л

Eine All-Flöte von Silber mit Embouchure von Gold . 650 Л Eine solche von Neusilber mit Holz-Embouchure kostet 450 A

Dazu kommt noch nach Böbm's neuester Verbesserung die obige Silberflöte mit einem Kopfstück aus Grenadille-Holz

mit C-Fuss i7.'i Л

in Я-Fuss 5(5 Л

Durch dieses Kopfstück aus Holz erhält die Flöte bei allem Glanz des Tones ganz den Charakter einer Holzflöte. Nach Verlangen und namentlich nach französischer Manier, wird der Böhm'schen offenen gis-Klappe noch eine geschlossene gis- Klappe hinzugefügt, ebenso der Triller-Hebel für das c, der mit dem ersten Finger der rechten Hand gegriffen werden kann. Mendier liefert ihn um 14 Л-

Auch eine Schleifklappe fügt Hendler seiner Flöte hinzu,

wodurch die Töne dis-es, d día es e, a b auch im Pianissimo leicht und sicher gegriffen werden könnte. Ihr Preis ist < 8 Л, der gleiche Preis, wenn man, statt Federn aus Stahl, Federn aus Gold haben will.

Die Preise erscheinen hoch ; allein es ist nicht möglich, den complicirten zarten Mechanismus für die Dauer auf wohlfeilere Art sicher wirkend herzustellen. Die richtige Ausführung dieses complicirten Mechanismus erfordert die Kraft eines ausgezeichneten Mechanikers. Böhm hatte einen Mechaniker aus der berühmten Werkstülle Ertel's erhalten ; allein dieser arbeitete dennoch nicht genau genug; dasselbe war der Fall mit einem Mechaniker aus der berühmten Merz'schen optischen Anstalt.

Erst als Böhm im Jahre <854 den gegenwärtigen Besitzer der Fabrik, den ausgezeichneten Klein-Uhrmacher Karl Mendier fand, war es möglich, den Mechanismus in der erforderlichen Vollendung herzustellen.

Es werden Flöten nach Böhm's System um niedrigere Preise in den Handel gebracht ; aber man lasse sich ja nicht tauschen ; der Schluss der Klappen wird z. B. sehr bald mangelhaft, die Flöte unbrauchbar und sie befindet sich oft länger in den Händen des Reparalors als des Virtuosen.

Nachtrag.

Soeben erbalte ich aus London durch den Autor ein eben erschienenes neues Werk über unsern Böbm mit einem höchst ähnlichen Portrait Böhm's, nach einer Photographie Hanfstängel's. Der Autor ist der bekannte englische Gentleman Waller Stewart Broadwood, Bruder des Chefs der berühmten gigantischen Pianofortefabrik Broadwood and Sons in London. Die Veranlassung zur Herausgabe dieses Werkchens gab eine Stelle im Londoner »Figaro», welche Böhm beschuldigte, er habe den

Fingersalz zu seiner Flöte dem supponirten Landsmanne G о г d o n gestohlen, *) sich dadurch Ansehen und Ehre verschafft, während Gordon in Arnuilh und Wahnsinn gestorben. Walter Broadwood, der Böhm seit beinahe 40 Jahren kannte, unternahm es, die Ehre seines »alten und verehrten Freundes«, wie er ihn nennt, zu retten, indem er eine Schrift Böhm's ver- öffenllichle, die von Böhm's Arbeiten und Studien, die ihn zu seiner Flöte führten, genaue Rechenschaft giebt.**)

Als nämlich Rudall & Rose 4847 ein Patent auf Böhm's neue Flöte nahmen, übergab ihnen Böhm sein englisch geschriebenes Heft : »lieber den Flötenbau und die neuesten Verbesserungen desselben.« Rudall legte dasselbe bei Seite, vielleicht weil er dessen Veröffentlichung nichl wünschle, und so kam die Schrift in Vergessenheit, bis der gegenwärtige Chef der Firma Rudall & Rose, der berühmte Flötenvirtuose Carte, von dem wir bereits gehört haben, das Schriftchen wieder auffand und es sogleich an Broadwood sandte. W. Broadwood, der deutsch ebenso gul spricht und schreibt als seine eigene Muttersprache, veröffentlichte vor wenigen Wochen Böhm's Werk- eben, das wir indessen in Deutschland seit 37 Jahren kennen, und das bereits ein Jahr nach seinem Erscheinen in Paris ins Französische übersetzt erschien.***)

Höchst interessant ist der in eben diesem Werke publicirte Briefwechsel zwischen Böhm und Broadwood, der selbst ein ausgezeichneter Flötenspieler ist und dem die Theorie eben so sehr am Herzen lag als die Praxis. Böhm's Briefe geben eine Menge Erläuterungen über höhere und liefere Stimmung seiner Flöten, über Embouchure, wechselnden Charakter des Tones unter den Lippen verschiedener Bläser ; über den Charakter und die Bedeutung der Holz- und Silberflöte. Interessant sind ebenso die privaten Aeusserungea Böhm's in diesen Briefen über die verschiedenen damals (18. April < 866) berühmten Flölenvirtuosen. So schreibt er : »Ich halte Dorus und de Vroye für die grössten Flötenspieler in Hinsicht auf Vollendung nach allen Richtungen, namentlich ist ihr feiner Geschmack zu bewundern. Den schönsten Ton jedoch besitzen meine Schüler Ott und Krüger. Ölt in Hannover besitzt den zartesten Ton auf seiner Holzflöle neben grossier Fertigkeil. Krüger, kgl. württembergischer Kammervirtuose in Stuttgart, ist ein ausgezeichneter Virtuose, gleichfalls Herr Kesewitz zu Frankfurt; sie blasen alle meine Flöte. Alle meine Schüler in Karlsruhe, Mannheim und Coburg sind wenigstens ebenso gute Solospieler als die englischen, mit Ausnahme etwa des Mr. Prallen, den ich sehr verehre.« Drei Briefe an Mr. W. P. Mills sind ebenfalls von speciellem Interesse. Die Briefe Broadwood's und Mills' an Böhm sind leider verloren gegangen. Böhm hinterliess ausser Geschäftsbriefen und was sich an diese reibt, nichts Schriftliches über sein Leben als ein paar Bogen, die er seinen Freunden zu Liebe niederschrieb. Schafhäutl.

  • ) Bereit! unterm 11. Januar dieses Jahres habe ich in der englischen Zeitschrift »Musical opinion and Music Trade Review« 4. Hay p. Sit diese Anschuldigungen widerlegt.
    • ) An Essay on the construction of Flutes, giving a History and Description of the most recent Improvements, with an explication of the principles of icoustics applicable to the manifactura of Wind- instruments, originally written in 4847 by Theobald Boehm of Munich and now first published. Edited, with addition of correspondence and other Documents by W. S. Broadwood. Rudall, Carte et Co. S3 Berners Street, Oxford-Street, London. W. 4881.
      • De la Fabrication et des derniers Perfectionnements des Flutes. Notice traduite de l'Allemand de Th. Bochni, première Flûte de la chapelle de Munich. Paris chez M. Clair Godefroy aine, Rue Montmartre «I. 4848.

И<п| Soeben erschienen in meinem Verlage:

für

JPianoforte und "Violine

componirl

und Herrn Prol. Joseph Joachim zugeeignet von

Heinrich von Herzogeiiberg.

Op. 32.

Гг. в Л SO .

ALLTBKA.

6 Stücke

für

Pianoforte zu vier Händen

(Frau Emma Engelmann-Brandea zugeeignet) von

Heinrich von Herzogenberg.

Op. 33. Heft ». Pf. 3 Л. Heft Î. /V. 3 Л.

Einzeln:

No. 4 in Adur . . Pr. 4 Л No. l ¡n F dar . No. l in H molí No. 4 in С molí. No. 5 in G dur . No. в in Cdur .

116.

Für vierstimmigen gemischten Chor

componirl

und dem Bach-Verein zu Leipzig zugeeignet von

Heinrich von Herzogenberg.

Op. 34.

Partitur 3 A. Stimmen à 50 3p.

Leipzig und Winterthur. ¡. Rieter-Biedermann.

Verlag von J. Bieter-Biedermann in Leipzig und Winterthur.

!ш] SUITE

für Pianoforte und Violine

von

Woldemar Bargicl.

Op. 17. i Л so .«?.

No. 4. Allemande . . Л 4. 50. I No. 3. Burleske . . Л 4. 50. Nc>. ï. Sicilienne . . - 4. M. | No. 4. Menuett . . - ». —.

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Preis: Jährlich 18 Mk. VierteljUtrliobe Prànum. 4Mk. 50Pf. Anteigen: die gespaltene Petitieüe oder deren Baum 30 Pt Briefe nnd Gelder werden franco erbeten.

Musikalische Zeitung.

Verantwortlicher Rédacteur : Friedrich Chrysander.

Leipzig, 13. September 1882.

Nr. 37.

XVH. Jahrgang.

Inhalt: Robert Schumann's Werke, herausgegeben von Clara Schumann. Gesammtausgabe von Breitkopf und Ha'rlcl. (Sechs Fugen Über den Namen Bach, für Orgel oder Pianoforte mit Pedal, Op. 60.) (Fortsetzung.! — Neue Gesänge von Felix Dräseke. — Anzeigen nnd Beurteilungen (Bernhard Scholz: Fünf Lieder, Op. « ; Skizzen für Pianoforte, Op. it; Ländler für Clavier, Op. 50). — Anzeiger.

Robert Schumann's Werke,

herausgegeben von Clara Schumann.

öeeammtaaegabe von Breitkopf und Hirtel.

Sech* Figea Über den Namen Bach, für Orgel oder Pianoforte mit Pedal, Op. 60. (Serie VIII: Für Orgel. 29 Seiten Fol. Preis Л 9. 55. n.)

(Fortsetzung.)

Die fünfte Fuge ist vierstimmig, wie die zweite, nod erinnert an diese auch in ihrer sonstigen Haltung. Sie steht aber in F-dur, obwohl das Thema in B-dur beginnt, wie bei den übrigen Stücken. Dieses Thema ist daher in besonderem Наавяе merkwürdig :

  • т* >^_ш^_^.

^7f—Hg^fpNo—*fFrr-^L-¿Tr1tT^ -to**1-

Das ist ein Gedanke, dessen Hauptverdienst seiner ganzen Anlage nach nur darin besteben kann, fliessend zu sein, einen lebhaften Vertrag zu erleichtern, auch möglichsten Wohlklang zu erzielen. Der Mangel an Wohlklang wird aber schon in den obigen Takten bemerkt sein, er tritt indess im Verlauf noch mehr zu Tage, denn wir haben hier Stellen wie die folgende :

Pttol.

XVII.

Man denke sich so etwas Allegro vorgetragen, mit Pedal, und letzteres noch obendrein staccato l Dieses Musterbeispiel gelehrter Kakophooie steht nicht allein, sondern wird hier eben deshalb mitgetheilt, weil es für den ganzen Satz charakteristisch ist. Wober nun dieses Gebilde auf Grund eines Themas, dessen drei letzte Takte doch höchst fliessend und angenehm gestallet sind T Die Ursache liegt lediglich in dem bach, d. h. in der Art, wie dieselben hier das Thema abgeben. Sie sind von Anfang an incorrect eingeführt und bilden dadurch in dem ganzen Satze den Störenfried. Die Tonart ist K-dur, das Thema beginnt in b, die Antwort erfolgt in der Quinte, also in /. Soll also die Tonart hier überall noch Bedeutung haben, so würde dieses heissen, dass das Thema in der Unlordominante steht und in der Tonika beantwortet wird. Das ist aber nicht der Fall, denn B-dur kommt überhaupt nicht anders vor, als durchgangsweise. Das b а с h, so wie es hier steht, erscheint in seinem Anfangston als vorschlagende Note, in seinem Endton als chromatisches h statt b, und sodann im Ganzen als missklingende Störung eines sonst ruhigen Verlaufes, die aber unvermeidlich war, weil man die betreffenden Töne haben musste ; wo wäre sonst wohl das Bach-Thema Numero V geblieben ? Dieses Thema, so wie es jetzt ist, verdankt daher lediglich einer äusserlichen Rücksicht sein Dasein, nicht einem wirklich musikalischen Impulse, nnd der Componist würde jene Rücksicht auf diese Art nicht genommen haben, wenn er in-der Fugencomposition wirklich zu Hause gewesen wSre. Kr betrachtet h und fit im Thema nicht als chromatische b nnd f, sondern als Terzen zu G-, respective D-dur, modulirt daher mit seinem vierten Ton in die Tonart der Dominante, um sie alsbald auf missklingenden Wegen wieder zu verlassen. Bin Debergang von der Anfangstonart in die der Dominante ist aber im Fngenlhema immer eine Sache von entscheidendem Gewicht, mit der sich nicht spassen lässt, da dieses zu den typischen Grundwendungen gehört. Wer solche Dinge ohne üeberlegung verpufft, der giebt die besten Hülfsmittel preis. Wir sehen daher das Thema, nach welchem dieser Satz gebildet ist, nicht als ein wirkliches Fugenthema,

17 sondern nur als eine Bachgrille an. Wie weit Schumann in der Ausgestaltung desselben die Wege guter Musik verlässl, möge hier noch an einem Beispiele deutlich gemacht werden. Takt 67 —H lauten :

Wer nun meint, dies könne ein zufälliger und insofern bedeutungsloser Einfall sein, der betrachte die Takte 94—9 K, welche dieselbe Musik sogar in erhöhter Potenz darbringen :

Indem wir uns Fuga VI und damit dem letzten dieser Con- tnponkte zuwenden, gelangen wir wohl zu einem noch grösse- ren, aber keineswegs zu einem anmulhigeren Stücke. Die letzte Fuge ist vielmehr diejenige, welche selbst von den speciellen Verehrern dieses Heisters mehr oder weniger preisgegeben wird Schumann selber dagegen halte augenscheinlich die Absicht, mit derselben sein Opus zu krönen. Sie ist fünfstimmig und durchaus im grossen Stil angelegt, noch mehr als die erste, hat auch -lie doppelte Lunge der übrigen. Der ersten ist sie gleich in der Factur, oder sagen wir in der Art der Aufzeichnung :

Massig, nach und nach schneller (AUa brau).

Man

Hier gellen nun dieselben Ausstellungen wie bei dem ersten Satze; statt С hätte ф vorgezeichnet werden müssen, weil die Bewegung der doppelganzen Takte nicht nach Vierteln, sondern nach Halben geschieht. Wir haben deshalb der Ueber- schrift - l//.; brevet in Klammer beigefügt, was schon von der Herausgeberin hätte geschehen können.

Die Triolen, welche Schumann beim Eintritt des Gefährten anbringt, sind charakteristisch für den ganzen Satz, denn sie lassen sich fast unaufhörlich vernehmen. Heist sind sie gegen Halbe, oft aber auch (wie schon oben aus dem Anfange zu ersehen ist) gegen zwei Viertel gesetzt. Der Componist gedachte in der Durchführung dieser doppelten Bewegung ein besonders schwieriges Problem zu lösen, würdig einer grossen pompösen Schlussfuge. Aber hier besonders, wo Schumann einer gewagten Spitze zuschreiten wollte, können wir erkennen, dass seine Natur nicht für dieses Fach geschaffen war oder doch der nöthi- gen Naturalisation ermangelte, denn die hervorgebrachte Wirkung steht zu den aufgewandten Mitteln im umgekehrten Verhältnisse. Man kann solches schon aus dem Anfange, aus den oben mitgetheilten sieben Takten errathen. Wer würde hiernach wohl ahnen, dass die so beiläufig eingeführten Triolen diejenige Figur sind, welche in dem ganzen grossen Satze die Hauptrolle spielt, der gegenüber selbst das Thema zur Nebensache, zur Begleitung herabsinkt' Sieht man indess dieses Thema und seine nächste Umgebung näher an, so kann eine solche Gestaltung nicht besonders überraschen. Wie lautet denn eigentlich das Thema? Nach Schumann's Aufzeichnung müsste man die beiden ersten Takte

dafür halten, denn er verbindet diese consequent durch einen Bogen. Ein solches Thema wäre aber ein Unding, da es keinen Abscbluss hat, es würde dann wenigstens noch das von uns in Klammer angedeutete e *Sf> hinzuzufügen sein. Rin Bogen von

dem anfänglichen 6 bis zu diesem e hätte einigermaassen Sinn ; aber Schumann's Bogensetzung ist entschieden vom Debel, da sie das ohnehin schon unbestimmt gelassene Thema durch den Bogen noch mehr verunstaltet, ja nahezu unkenntlich macht. Das ist nicht die Art, Grundsteine zu legen, wenn ein Fugen- bau von grossen Dimensionen aufgeführt werden soll. Das bac h-Thema hat überhaupt die Eigentümlichkeit oder vielmehr den Mangel, dass es in Verbindung mit anderen Noten leicht unkenntlich wird. Diesem Uebelstande muss also zunächst vorgebeugt werden. Es kann geschehen durch Pansen, welche das Thema von dem Folgenden abscheiden, wie bei der ersten und zweiten Fuge ; namentlich aber durch eine con- trastireode Behandlung der weiterführenden Zwischenharmonie, wofür ebenfalls die beiden ersten Fugen, die besten Stücke dieser Sammlung, als Beispiele angeführt werden können. Eine solche Gestalt auch der in Rede stehenden Schlussfuge zu geben, würde durchaus nicht schwer gewesen sein. Die Viertel- Triolen sind in diesem Satze an sieb keineswegs so unvortheil- haft, wie einige Kritiker gemeint haben ; sie können vielmehr einen ganz passenden Contrast abgeben , wenn sie nur an den rechten Ort gestellt werden. Wäre das Thema nebst seiner Zubehör etwa so

oder

£

í

m

zetc.

oder ähnlich gestaltet (unser Beispiel soll nicht als Muster, soll nur als ungefähre Andeutung gellen), dann würden guteGrnnd- elemente neben einander gestellt sein, die sich nicht ins Gehege kämen, sondern in wechselweiser Vorführung dem Tonstücke Leben und Reiz verleihen kennten. Hierbei wäre allerdings ausgeschlossen, zwei Viertel und drei Viertel gleichzeitig vorzubringen, wie Schumann thut, denn dergleichen Augenmusik, welche einen ohnehin confus angelegten Satz nur noch Konfuser macht, schreibt kein wirklicher Contrapunktist.

Ein zweites Thema tritt ein, nachdem das erste grössere Drittel absolvirt ist, und veranlasst eine etwas lebhaftere Bewegung :

r

HUÉ

"^f5^^*riïbf ir1^

und weil der Componist beide Snbjecte zusammen bringt, will er den Satz ohne Zweifel als eine Doppelfuge angesehen wissen. Die blos imitirende Beantwortung dieses zweiten Themas zeigt aber, dass dasselbe nicht allzu ernst zu nehmen ist. Was sich daraus gestaltet, ist auch wenig behaglich. Warum Schumann in diesem Mittelsatze ebenfalls die Trioleubewegung beibehielt und denselben nicht vielmehr dazu benutzte, das lange Stück durch einen sehnlich herbei gewünschten rhythmischen Contrast zu erfrischen, dürfte für Diejenigen ein Räthsel bleiben, welche in diesem Meister einen profunden Contrapunktiker erblicken. Dass die Zahl derer, die so urlheilen, nicht sehr gering sein mag, können wir schon aus den Worten des Schumann- Biographen Wasielewski schliessen. Er schreibt: »Von den beiden Fngenwerken Op. 71 und 60 beansprucht das letztere, welches sechs Fugen auf den Namen Bach enthält, eine ausser- ordentliche Anerkennung. Namentlich die fünf ersten Fugen lassen eine so sichere und meisterliche Handhabung der strengsten Kunstformen erkennen, dass Schumann schon allein durch diese vollen Anspruch auf den Namen eines tiefsinnigen Contra- punktisten [I] bat. Dabei offenbaren sie eine mannigfaltige Bildkraft auf [f] ein und dieselben vier Noten. Der Grundton ist in allen sechs Stücken von einander abweichend, und was im Verein mit formeller Beherrschung immer als Hauptsache gelten muss, von poetischer Stimmung. Es sind eben ernste Charakterstücke. Die sechste Fuge scheint ein zu Gunsten [zu Gunsten T] der Praxis vielleicht nicht ganz lösbares Problem zu bieten, w.eil die darin zur Anwendung gebrachte gemischte Bewegung auf der Orgel eine klare Darstellbarkeit in Frage stellen dürfte.« (Wasieiaeski, Schumann, S.Aufl. S. ÎOJ.) Das ist gewiss Alles in gutem Glauben geschrieben, wie auch von Vielen ebenso vor- oder nachgesprochen. Ein wohlbeschlagener Biograph sollte allerdings etwas über die romantischen Zäune hinüber blicken können ; und wir meinen, wenn Herr Wasielewski an seinem Helden Kritik üben wollte, so wäre hier eine

bessere Gelegenheit gewesen, als z. B. bei Schumann's späteren Balladen-Compositionen, denn die letzteren bilden in ihrer Art neue Versuche, denen man schon deshalb einen gewissen Spielraum gewähren muss, diese Fugen dagegen haben ihr Correc- tiv in denjenigen Werken der Vergangenheit, welchen sie allein ihr Dasein verdankten. Wean Schumann's Fugen trotz ihres mangelhaften Gefüges uns doch hie und da anziehen und oft auf weitere Strecken sympathisch berühren, so ist die Ursache dieselbe, welche veranlasst, dass Schumann überhaupt unsere Theilnahme erregt. Es ist die innere Begeisterung, mit welcher dieser Meister arbeitet und die sich dem Hörer mitthailt. Dies erstreckt sich auch auf die Fugen ; ihr Pathos (oder was Wasielewski die »poetische Stimmung« nennt) ist es, was für sie einnimmt, aber sicherlich nicht ihr tiefsinniger Contrapunkt, denn ein solcher exislirt nicht.

Uebrigens sind es nicht »ein und dieselben vier Noten«, bei denen Schumann seine Bildkraft bewährt, sondern ein und dieselben Intervalle, und das ist ein grosser Unterschied. Die Noten, die Töne sind natürlich bei jedem Thema anders, aber die Intervalle sind dieselben. Die alten Fugenmeister haben derartige Intervall-Typen, wie man sie wohl nennen kann, häufig, ja mit Vorliebe gebraucht und in ihrer Ausgestaltung eine ganz andere Bildkraft offenbart, als hier Schumann bei seinem b-a-c-h. Eben dies, dass er seine Intervalle nicht mannigfaltig genug ausgebildet, nicht ihren tonlichen Inhalt genügend erschöpft hat, ist wohl einer der Hauptvorwürfe, die man ihm machen kann. Von sämmtlichen Fugen haben wir oben die Führer und Gefährten in Noten mitgetheilt. Die Leser werden daraus ersehen, dass Schumann sein Thema stets in der Quinte beantwortet. Bei einer ganzen Serie von Fugen über dieselben Intervalle wird es doch vorteilhaft sein, diesen näcbstliegenden Weg mitunter zu verlassen. Steht der Satz in B-dur, so bietet sich

i

staU

dar, denn die Quarte (oder Cnterquinte) ist hier eigentlich natürlicher, als die Quinte. Unter allen Umständen wäre damit eine schöne Mannigfaltigkeit zu erzielen. Ist der Satz aber nach G-moll versetzt, wie bei Nr. 3, so ist die Beantwortung in der Quarte derjenigen in der Quinte vorzuziehen, weil bei dem sanften Stücke die Bewegung mehr in der Tonart bleibt. Man muss hauptsächlich bedenken, dass das Thema Ь-u-n-h eine reale oder canonische Beantwortung erfordert, nicht eine tonale nach den Regeln dor Quintenfuge. Deshalb kann das Thema auf j e d e r Stufe genau und treu nachgeahmt werden, und diese Freiheit wird sich derjenige zu Nutzen machen müssen, welcher dasselbe allseitig darzustellen bemüht ist.

Hiermit haben wir einige Bemerkungen gegeben, welche bei einer unbefangenen Prüfung dieser Bachfugen von Nutzen sein werden. Von einer weiteren Kritik der zum Fugiren benutzten Bestandtheile wollen wir absehen, können aber nicht umhin, noch einmal auf den häufigen Gebrauch zu deuten, welchen Schumann von den Orgelpunkten macht, weil dies ein echt moderner Gebrauch, das heisst Missbrauch ist. Zum Schluss dieser Besprechung müssen-wir die Frage erörtern, ob Schumann in der Wahl seiner Tonarten Im Grossen und Ganzen das Richtige getroffen hat. Bei der FJur-Fuge Nr. 5 ist solches schon verneint, und hinsichtlich der G moll-Fnge Nr. 3 verneinen wir es bedingungsweise ebenfalls. Man wird in der Sache klarer señen, wenn wir einen Blick werfen auf das, was früher in dieser Sache geleistet Ist, namentlich von Bach selber.

Die bekannteste und beliebteste der vorhandenen Bach- Fugen ist noch immer die mit einem kurzen Präludium versehene in B-ilur, und sie hat auch alle Aussicht, es zu bleiben. Um so erfreulicher ist es, dass neuerdings Spi'lfa ihren Bach'sehen Urspruog, den man früher allgemein annahm und späterhin ebenso allgemein bezweifelte, mit soliden Gründen verteidigt hat. Wir theilen die Stelle aus dem zweiten Bande seiner Bach-Biographie unten mit. *) Wenn auch die vorhandenen papiernen Beweise nicht ausreichen, die Bach'sclie Autorschaft des Stückes sicher zu stellen, so trägt doch die Musik unverkennbar das Gepräge der Tongestaltung des Jahrzehnts 4740—4 720, und da muss man fragen, wer wohl ausser

  • ) »Ein allbekanntes Präludium und Fuge über den Namen Bach, bei dem Sebastian's Autorschaft lange Zeit als selbstverständlich galt, will man jetzt allgemein dem Heister absprechen. Handschriftlich beglaubigt ist das Stück freilich nicht; auch existircn noch mehre andre Fugen Über dasselbe Thema, für welche zu Zeiten Seb. Bach als Componist in Anspruch genommen wurde. Forkel fragte einmal Friedemann Bach, wie es sich hiermit in Wahrheit verhalte. Dieser antwortete, sein Vater sei kein Narr gewesen ; nur in der Kunst der Fuge habe er seinen Namen als Fugentbema benutzt (wie Forkel an Griepenkerl und dieser an Roilzsch überlieferte). Das klingt sehr entschieden und ist doch In doppelter Beziehung falsch. Was die Kunst der Fuge betrifft, so wissen wir nunmehr, dass das von Friedemann gemeinte Stück garnicbt hinein gebärt. Dass aber Sebastian lange vorher schon eine Composition über seinen Namen geschrieben haben muss, verrath uns Walther. Er sagt in dem kleinen Artikel seines Lexikons Über Sebastian Bach: ,Die Bachische Familie soll aus Ungarn her stammen, und alle die diesen Namen geführet haben, sollen so viel man weiss der Musik zugethan gewesen sein ; welches vielleicht daher kommt, dass sogar auch die Buchstaben bac h in ihrer Ordnung melodisch sind. (Diese Remarque hat den Leipziger Herrn Bach zum Erfinder).' Niemand wird glauben, Bach habe sich mit der blossen Beobachtung begnügt, und die so sehr brauchbare Tonreihe nicht auch sofort als Thema ausgenutzt. Weither"» Lexikon erschien 4713 ; seine Kenntniss von Bach's Conipo- sitionen stammt aber fast ausschließlich aus der gemeinsam verleblebten weimarischen Zeit, und vorzugsweise wohl aus der ersten Hälfte derselben. Ihrer inneren Beschaffenheitnach muss die in Rede stehende Fuge in den ersten Jahrzehnten des 48. Jahrhunderts entstanden sein. Ware Bach nicht ihr Schöpfer, so standen wir vor der seltsamen Thatsacbe, die Fuge eines unbekannten Musikers aus jener Zeit, und zwar eine vortreffliche, zu besitzen, wehrend des berühmtesten Fugenmeisters eignes Werk verloren gegangen wäre. Stichhaltige innere Gründe gegen die Echtheit lassen sich meines E rechtens nicht vorbringen, sobald man daran festheit, dass die Fuge nur ein Jugendwerk sei. Dem Praeludium hat die französische Ouvertüre als Muster gedient, deren Form Bach schon in Weimar häufiger anwandte. Stellen wie Takt 8 ff. finden im Praeludium der grossen D dur-Orgelfuge Analogien. Das Fugenlhema in seiner Weiterbildung ist durchaus Bachisch : die Wendungen des zweiten Takts kehren im Thema der Hmoll-Fnge ans dem ersten Theil des Wohltemperirten Claviers wieder, im ,Kleinen harmonischen Labyrinth' finden sie sich sogar mit derselben Contrapunktirung. (S. Band I, S. 654. Ich vergesse nicht, dass die Echtheit dieses Werkchens nicht hinreichend beglaubigt ist. Aber es Bach abzusprechen, fehlt es auch an Grund.) Terzengänge mit aufwärts steigender Wiederholung sind der Compo- sitionstechnik jener Zeit, für die noch Kuhnan's Ciaviermusik maass- gebend war, etwas ganz geläufiges ; die virtuosenharte Unterbrechung gegen den Scbluss ist eine Stilelgenthümlichkeit der nordlandischen Meisler, deren Einwirkung sich damals Bach noch nicht entzogen hatte. Das ganze jugendlich frische, wohlklingende und spielfreudige Stück passl zu dem Charakter von Bach's früheren weimarischen Compositionen. Von den Übrigen anonym cursirenden Fugen Über den Namen Bach tragen die meisten den nicht-Bachischen Ursprung deutlich aufgestempelt. Nur eine:

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hat einen ältlichen Zug und erinnert an Buxtehude's grössere Cdur- Fuge. (No. XVII des ersten Bandes meiner Ausgabe der Buxtehude'- schen Orgelcompositionen. — Die citirte, anonyme Fuge stammt aus Scheble's Nachlass; Ich verdanke die Bekanntschaft mit ihr Herrn Roitzsch.) Sie konnte daher auch wohl von Seb. Bach sein, und müssle noch früher als die andere, etwa um 4707 angesetzt werden. Hat aber Walther eine derselben gekannt, was ich annehme, so war es gewiss nicht diese, sondern jene ; es darf darauf hingewiesen werden, dass er das Thema in der eingestrichenen Octave notirt, nicht in der kleinen.«

(Spitla, I. S. Bach II, (85—687.)

unserm Job. Sebasliaa in jener Zeit darauf kommen sollte, über den Namen eines Ändern so frisch fröhlich und frei zu fugiren, oder, falls der Ursprung der Composition in eine spätere Zeit gesetzt wird, wer denn nach 47BO, wo so Vieles anders geworden war, noch mit solcher Natürlichkeit eine um 40 Jahre zurück liegende Weise copiren konnte. Auch dass es eine t'tai'ierfuge ist und nicht eine Orgelfuge, gilt mir als Beweis gegen die Autorschaft eines Andero, denn ein Bachianer nach П50, der dem Meister zu Ehren eine wirklich meisterliche Fugencomposilion zu Stande brachte, ist nur als Organist denkbar , und ein solcher würde sein Instrument nicht vergessen haben. Wir dürfen daher zu der früheren Annahme , welche das Werk Bach selber zuschrieb, getrost zurückkehren.

Das von Spitta angeführte Thema aus einer anderen Bachfuge ist besonders interessant durch die Tonart, und diese allein möchte schon genügen, das angenommene Alter des Stückes (um oder kurz vor 4740) zu rechtfertigen. Hier haben wir so zu sagen die Urvorstellung des b-a-c-h, nämlich die Stelle in der diatonischen Leiter, wo das Thema sich ganz natürlich ohne Beihülfe der Chromatik bildet.

(Schluss folgt.)

Neue Gesänge von Felix Dräseke.

Op. 46. „WelhntMden", sechs Gesänge für eine Baritonoder Mezzo-Sopranslimme.

Op. 47. „Buch dc's Kroheuths", sechs Gesänge für eine Bariton- oder Mezzo-Sopranstimme.

Op. 48. „Bersidjlle", für eine Bariton- oder Uezzo- Sopranslimme.

Op. 49. „Rllfer Olaf", Ballade für eine Bariton- oder Mezzo-Sopranslimme.

Op. 20. „LudsehafUbllder", sechs Gesänge für eine Bariton- oder Mezzo-Sopranstimme.

(Sämmüich aus dem Verlage von L. Hoffarth in Dresden.) Innerhalb Jahresfrist ist Felix Dräseke mit nicht weniger denn fünf Lieder- oder richtiger gesagt Gesangs-Werken für eine Solostimme hervorgetreten, deren eigenartige Physiognomie und unbestreitbarer Kunstwertb eine .genauere Betrachtung hinlänglich rechtfertigen. Es hat sich ein auffälligerLSuterungs- process in dem Manne vollzogen: aus dem einstmaligen enfant terrible der jungdeutschen Schule, dem excenlrischen Stürmer und Dränger ist ein maassvoll bildender Künstler geworden, dessen ideale Begeisterung nicht mehr in verzehrenden Flammen emporlodert, sondern in gleichmässigem Lichte brennt und eben deshalb zwiefache Helle und Wärme verbreitet. Schon der Umstand, dass sich Dräseke in letzter Zeit mehr auf das Lied, auf die Wiedergabe lyrischer Stimmungen in conceotrir- tester Form geworfen hat, während ihm früher die grössteo Mittel, aller Farbenreichtum des Orchesters kaum zur Offenbarung seines leidenschaftlich gährenden Innern genügten, beweist, dass der Componist ein anderer geworden , dass er die subjective Ueberschwänglicbkeit seiner Jugend-Arbeiten überwunden hat. Die Liedcompo'silion verlangt vor Allem aus liebevolle Versenkung in den poetischen Stoff, also Objectivirung, sorgfältiges Eingeben auf Form und Inhalt, wie sie ein Anderer in der verwandten Kunst festgestellt bat. Dass Dräseke diese Künstlerpflicht treu und mit Liebe übt, das beweisen seine neuen Lieder. — Treten wir näher auf die einzelnen Tondichtungen ein, so verhalten sich Op. 16 und 17 gewissermaassen gegensätzlich. Jenes führt den Titel : »Weibeslunden« und enthält sechs Gesänge, die sich sämmtlich mit einem ernsten Inhalt beschäftigen, theilweise sogar eine ausgesprochen religiöse Färbung an sich tragen. Dieses nennt Dräseke : »Buch des Froh- mutbs« und reicht uns damit einen Liederstrauss, worin sieb die Stimmung von heiterer Grazie bis zu ausgelassenem Humor steigert. Beide Cyklen sind übrigens für eine Bariton- oder Mezzo-Sopranstimme geschrieben und bieten, was die formelle Gestaltung der Gesänge anbetrifft, mancherlei Parallelen dar. — Die »Weiheslunden« werden durch EicbendorfTs «Schiffer- gruss« (»Stolzes Schiff mit seidnen Schwingen«) eröffnet, dessen düsterphantastiscben Ton der Componist schön getroffen bat. Die strophische Gliederung wird musikalisch festgehalten, wodurch das Ganze an Concentration gewinnt, ohne an leidenschaftlicher Tiefe einzubüssen. Ergreifend wirkt der zögernde Pianlssimo-Ausgang nach Fis-dur zu den Worten «Denn der Botsmann ist der Toda. — Sehr zart bebandelt Dräseke das Lied "Im Mai« von Jul. Sturm, dem sieb der Blumenduft des Frühlings unwillkürlich in Weihrauch zur Ehre Gottes wandelt. Auch hier zeigt die Melodie anmuthigen Fluss, das Accompagnement bei aller Einfachheit ein die Farben weich in einander schmelzendes Colorit. Nummer 3 «Im Spätherbst« von Hoffmann von Fallersieben, gebt dem Stimmungston des Gedichtes gemäss aus C-moll und schauert uns kühl an. — Aeussersl schlicht ist Nr. i »Am Wege steht ein Christusbild« (von Moritz Hörn) gehallen. Die Cantilene folgt den Spracbaccenlen sorgsam und athmet innige Empfindung. Auch das Experiment des 3/2-Taktes am Scbhiss darf als gelungen bezeichnet werden, da der vollere rhythmische Athem- zug hier dem Ausdruck bewegter Ueberzeugung (»Ich dachte : wer wie diese glaubt, dem ist sein Heil geschehen«) wohl entspricht. — Nr. 5 »Das Gespräch« von E. M. Arndt enthält gleichfalls viel Schönes, wobei uns freilich das Ganze weniger aus einem Gusse zu sein scheint. Für die Krone des Werkes halten wir Nr. 6 »Treue« von Novalis ¡»Wenn alle untreu werden«), in welcher die herrlichen Verse eine ebenbürtige Unidichtung in Musik gefunden haben. Wiederum greift hier Dräseke bei der letzten Strophe zum 3/a-Takt, um das lieferregte Gefühl rhythmisch freier ausslrömen zu lassen. Der rührende Scbluss zeigt aufs beste, wie die Musik erst jene mystischreligiöse Stimmung, in welcher der Dichter schwelgt, völlig auszutönen vermag.

Das »Buch desFrohmulbs« Op. 47, welches Dräseke seinem Freunde, dem trefflichen Bassisten der Dresdener Hofoper Herrn D. Frilz Weiss zugeeignet hat, beginnt mit Wilhelm Müller's »Abendreibn« (»Guten Abend, lieber Monden- scbein«). Schon dies einfache Lied beweist, dass unser Com- ponisl trotz seiner durchschnittlich ernsten Grundstimmung auch für das schalkhaft Anmulhige, Zartsinnige die richtigen Töne zu finden weiss. Die Composition ist strophisch gegliedert, wird aber durch leichte Umgestaltung der Motive in den einzelnen Versen jeder Gefüblsnüance der Dichtung gerecht und seh Hess t überaas fein ab. — In Nr. Î «Prinz Eugen, der edle Ritter« von F. Freiligralh legt Dräseke ähnlich, wie es vor ihm schon C. Löwe getban, seiner Tondichtung die Melodie des alten Soldatenliedes zu Grunde und entwickelt das letzlere aus entfernten Anklängen bis zu seiner vollen Gestall. Es entspricht dies Verfahren vorzüglich der Art und Weise, in welcher der Poet die Entstehung des Liedes erzählt, und der glückliche Gedanke wird von dem jüngeren Componisten vielleicht noch geistvoller durchgeführt, als es dem Meister der Ballade gelungen ist. Wie Dräseke die schon durch die Volksmelodie bedingte Combination des '/j- mit dem J/2-R.hythmus verwerthet und mit welcher Frische er den realistischen Locallon wieder- giebt, mögen die ersten Takte der Singstimme darlhun :

rritch belebt, keck.

Zel-te, Posten, Werda - ru-fer,

í=£

lust' - ge Nacht am Do - nau

a - fer,

f

í

um

Pfer-de steb'n im Kreis um - her.

Von prächtiger Wirkung ist es dann, wie bei der Schilderung des bei seinem Schecken ruhenden Trompeters die Klänge de* Soldatenliedes zuerst in der Begleitung ertönen, als höbe der poetische Traum des Reiters plötzlich zu klingen an, bis er das glücklich Gefundene den Kameraden mitth'eill, und zuletzt der volle Chor die neue Weise anstimmt. Als Pendant zum ersten Lied des Heftes stellt sich Nr. 3 »Ja grüsse, Freund, mein Mädchen« von C. F. Gruppe dar. Entsprechend declamirt muss das leichtbewegte, in schalkhaftem Flüsterton gehaltene Liedchen zündend wirken. Auch die folgende Nummer »DesGlocken- tbürmers Töchterlein« (»Mein hochgebornes Schätzeleiu«) von F. Rückert giebt die Mischung von Scherz und Liebesinnigkeil, welche das Gedicht kennzeichnet, musikalisch glücklich wieder. Wie sinnig Dräseke den Rhythmus zur Charakteristik verwendet, zeigt der 3/<-Takt, der sich bei den Worten »Die Uhr geht bald zurücke«, in den 2/4-Rhythmus einschiebt. — Das Bodensledt'- sche »Es hat einmal ein Thor gesagt«, bat der Componist höchst gravitätisch behandelt. Der Humor liegt hier im Contrast der ernsten B molí-Weise zu der optimislischen Philosophie des Sängers, der auf die lustscheuen Thoren spöttisch herabblickt. Den Schluss und die umfänglichste Composition des Heftes bildet »Der grosse Krebs im Mohringer-See« von Aug. Kopisch. Trotz ihrer Länge wirkt dieselbe keineswegs ermüdend, da der drastisch erzählende Ton glücklich getroffen, die humoristischen Pointen sehr geschickt wiedergegeben sind. Indem Dräseke an einigen Hauptmotiven festhält und sie der jeweiligen poetischen Wendung entsprechend modiBcirt, erreicht er auch die nölhige Einheit des Ganzen. Mit dem Uebergang aus D-moll nach D-dur gegen den Schluss hin löst sich der komische Ernst, der Dichtung wie Tondichtung beherrscht, in graziöse Heiterkeit auf.

Nähert sich schon der Mohringer-Krebs dem Balladenton, so begegnen wir Dräseke vollends auf diesem Boden in den zwei folgenden Werken: »Bergidylle« Op. ( 8 und »Ritter Olaf« Op. ! 9. Beide sind wiederum für mittlere Stimmlage geschrieben und behandeln Heine'sehe Gedichte. Damit haben wir freilich auch die Analogien erschöpft ; denn sowohl mit Rücksicht auf den Grundton als auf die Form weichen die Compositionen wesentlich von einander ab. Während die Bergidylle das phantastisch graziöse Poem in Einem weit ausgeführten Salze an uns vorüberziehen ISsst, zerfällt Ritter Olaf der Heine'schen Dichtung entsprechend in drei gesonderte Abschnitte und kleidet sich von Anfang an in die Farben düsterer Tragik. In der B e r g i d y 11 e hat Dräseke mit grossem Geschick die 11 Seiten umfassende Composition auf wenigen Motiven aufgebaut, die er so mannigfaltig umzugestalten weiss, dass sie mit der poetischen Darstellung stets im Einklang sind, und dass für den Hörer keinerlei Ermüdung eintritt. Gleich der Anfang malt die romantische Situation, in die uns der Poet versetzt, das mond- licbtumflossene Gemach, in welchem die Liebenden tranlich bei einander sitzen, aufs stimmungsvollste. Mit drastischer Lebendigkeit werden uns dann die naschhaften Wichtelmännchen, die hexenhafte Katze, das verzauberte Schloss vorgeführt, von denen das Mädchen plaudert, bis es zuletzt verstummt, und nur noch die Wanduhr weiterschwatzt. Mit phantastischer Farbenpracht wird die Wandlung geschildert, welche das erlösende Liebeswort in dem Schloss bewirkt, und mit der Hochzeitsmusik glanzvoll abgeschlossen.

Die Ballade "Hitler Olaf«, welche Dr'.isekc dem Kammersänger Eugen Gura gewidmet und deren eigenartiges Gemisch von frivoler Sinnengluth und liebeseliger Todesverachtung sieb kaum für den Hund einer Dame eignen dürfte, führt uns im ersten Abschnitt den König und den Henker vor, wie sie die Neuvermählten, Herrn Olaf und die Königstochter vor der Kircbenthür erwarten, auf dass der strafbare Verführer gerichtet werde. Mit kräftigen Strichen sind die beiden düsteren Gestalten, sowie der Gegensatz zwischen der leichenblassen Frau und dem beiler lächelnden Ritter gezeichnet. Olaf beschwört den König mit innig beredten Worten, ihn noch bis Mitlernacht lebea zu lassen, damit er die Hochzeit zu Ende feiern könne, und der letztere gewährt die Bitte. Mit Nummer Î (A-moll 4/4) befinden wir uns am Schlüsse des Festes. Olaf tanzt den letzten Reigen, »Der Henker steht vor der Thüre«. Die Weise hat etwas düster Bewegtes, unheimlich Pochendes, das der Situation wohl entspricht. Aehnlich beginnt der dritte Abschnitt, mit dessen scharfeinschneidenden Klängen wir den Ritter todbereit in den Hof hinabsteigen sehen. Wie er dann seinen Mund zum letzten Mal öffnet und das Glück der genossenen Liebe zu preisen beginnt, klärt sich die Cismoll-Weise auf und in breitem melodischen Erguss strömt der Gesang zu Ende. — Wenn wir an den beiden Balladen Op. 46 und 47 etwas aussetzen sollten, wären es die allzu wechselvolle und complicate Rhythmik, durch welche der Fluss der Composition hin und wieder ohne hinlängliche innere Motivirung gestört und der Ausführung besondere Schwierigkeiten bereitet werden, ferner gewisse mo- dulalorische Wagnisse und Härten, die wir als Ueberbleibsel der früheren, vielfach bizarren Stilistik des Componisten bezeichnen möchten. Die erwähnten Mängel verschwinden freilich gegenüber den Vorzügen beider Tondichtungen, unter denen die Verbindung frischer Melodik mit charaktervoller Declamation und die echt musikalische Empfindung vor Allem hervorzuheben sind.

In den Landschaftsbildern Op. 10, welche Dräseke geinen Schwestern Sophie und Elisabeth zugeeignet hat, kehrt er zum eigentlichen Lied, d. h. zum speciGsch lyrischen Slim- mnngs- und Situationsbild zurück. Das Heft umschliesst sechs Gesänge, in denen warmes Gefühl mit vollendeter tonmalerischer Kunst Hand in Hand geht und die wir daher dem Bedeutendsten beizählen, was die neuere Zeit auf diesem vielgepflegten Gebiet hervorgebracht hat. Das Uhland'scbe »Schifflein« eröffnet das Werk würdig. Der melodische Umriss ist hier ebenso flüssig wie zart, die Steigerung, welche das allmälig sich entwickelnde musikalische Leben unter den Fahrtgenossen bedingt, trefflich wiedergegeben. Die Klänge des Horns und der Flöte, der Taktschlag der Ruderer, das harte Aufstossen des Schiffleins am Strande, all dies wird mit Sorgfalt und doch nicht in kleinlicher, sondern durchaus poetischer Weise illu- slrirl. — Auf gleicher Höhe steht Nummer I »Deines Odems einen Hauch« von G. Fischer. Auch der sehnsüchtige Zug, der durch die warme H dur-Weise geht, harmonirt mit der träumerischen Naturstimmung, wie sie in den Strophen des schwäbischen Dichters webt. Weniger eigenartig in der Melodie, aber voll Wohllaut ist Nummer 3 »Ich dachte nur an Leben« von Karl Mayer. — Die gebetartige Feierlichkeil des Kinkel'schen Trost der Nacht« hat Dräseke in Nummer 4 zu tief empfundenem Ausdruck gebracht. Die Klangfarben sind in diesem Desdur-Gesang wie Abendwolken in einander geschmolzen, die elegische Steigerung in der Schlussstrophe unübertrefflich nachgedichtet, Das folgende Lied »Nacht in Rom« wiederum von Kinkel, hat musikalisch wie poetisch etwas Verdämmertes, Moudenstilles. Die Schlussnummer »Venezia« von Alfred Meissner beginnt mit einem ähnlichen melodischen Moliv wie Nummer 3, wobei freilich das Colorit ein anderes, weichgediirnpfi.cs ist. Das Ganze leidet vielleicht an allzu grosser Breite und Mono

tonie, trifft aber den Ton träumerischer Trauer über die versunkene Herrlichkeil der Lagunenstadt schön.

Sämmtliche besprochene Liederhefte, deren musikalischer Gehalt keineswegs auf der Oberfläche schwimmt, sondern perlengleich aus der Tiefe gehoben werden will, verdienen die Beachtung aller gebildeten Sänger und Sängerinnen ¡n hohem Maasse und verbürgen uns weitere Früchte eines zur Abklärung gelangten Talentes, das seine eigenen Wege geht und in dem sich künstlerisches Wollen und freudiges Vollbringen die

Wage halten.

A. Niggli.

Anzeigen und Beurtheilimgen.

Bernhard Srhelz, Filf Lieder für eine tiefe Stimme mit Begleitung des Pianoforte. Op. 44. Breslau, Hainauer. 2 Л 50 ty.

Skiuei für Pianoforte. Op. 52. 8 Hefte. Leipzig,

Kistner.

Ländler fur Clavier. Op. 50. Leipzig, Kistner.

l M 50 ^.

Wir haben von den obigen Arbeiten eines der geschätz- leslen unier den lebenden Componisten mit Interesse und wahrer innerer Befriedigung Kenntniss genommen. Schulz, durch grössere Arbeiten für Gesang und Instrumente längst vortheilhaft bekannt, bewegt sich auch in diesem kleineren Genre mit Geschmack und richtigem Takte. Wir gewahren überall eine leichte Erfindung abgerundeter und wohlklingender musikalischer Gedanken , welche, wenn sie auch da und dort an bekannte Muster anklingen, doch einen selbständigen Zug nicht verkennen lassen. Scholz weiss mit Bestimmtheit und ohne jede Unklarheit zu sagen, was er sagen will ; was er aber sagt, ist immer etwas wahr und edel Empfundenes, und wendet es sich auch nicht gerade immer an die tiefsten Tiefen des Ge- mülhslebens, so regt es dasselbe überall in sympathischer Weise an und erquickt durch die Anschauung eines echt künstlerischen Wollens. Die äussere Technik ist überall eine musterhafte ; in der Entwicklung der Motive, in der Gestaltung der Sätze, in der Modulation bewährt der Componist das volle Geschick und den gebildeten Takt des gereiften Künstlers und zeigt namentlich einen Vorzug, der gerade in unserer Zeit hervorgehoben zu werden verdient : die Maasshaltung in der Verwendung der Mittel, die Fähigkeit, auch mit geringem Aufwende die beabsichtigte Wirkung leicht und sicher zu erreichen. Diese Eigenschaften gewinnen gerade in den Stücken von kleinerem Umfange eine besondere Wirksamkeit; und so sind die obigen Stücke ganz geeignet, von der Eigenart des Künstlers ein zutreffendes und klares Bild zu geben.

In den fünfLiedern, zu denen Texte von Goethe, Lenau und Kl. Groth gewählt sind, ist eine Fülle wahrer und warmer Empfindung niedergelegt. Die Melodien sind einfach, ausdrucksvoll und den Worten sich wohl anschmiegend ; die Begleitung maassvoll behandelt, doch überall den Ausdruck durch feine Züge hebend. »Das Mondlichu (Nr. 4, E-moll 0" drückt eine voll das Gemüth beherrschende, doch sich zurückhaltende Sehnsucht glücklich aus ; der Fortgang der Melodie gemahnt zuweilen an Brahms'sche Weise, namentlich in der geschickt angewendeten Transposition ; die Rückführung aus der enlfernten Tonart ist trefflich gelungen. Leidenschaftlicher, auch in der Modulation kühner ist das zweite Lied (»Zweifelnder Wunsch«, As-dur CJ, welches im festen Rahmen doch dem wechselnden Ausdrucke der Worte mit Glück gerecht wird. Einfach, doch sehr ansprechend, ist das Goethe'sche »An Lina» (B-dur C) behandelt; den Zweifel, ob sich dieses Gedicht eigentlich zur Composition eigne, beschwichligt der Componist durch eine sehr anmulhige einfache Melodie, die aber doch einer wohl vermittelten Steigerung bei dem »Zerreissen des Herzensa sieb fabig zeigt. Der Tod naiver Anmuth gelingt dem Componisten noch besser in dem Klaus Groth'schen Liede »Der Bach« (F-dur '/4), in welchem sich über der leise murmelnden und rollenden Begleitung eine Melodie erbebt, die den volkstümlichen Charakter mit Glück trifft. Ein ernste», tief empfundenes Gegenstück , in welchem wiederum, wie uns dünkt, Brahms'scher Einfluss sichtbar wird, ist die Composition von Goethe's Lied »An Lilia (»Im holden Thal« u. s. w., As-durC). Hier geht insbesondere die Begleitung in zarter, sinniger Weise ihren eigenen Gang.

Die Pianoforte-Skizzen Op. 6Í tragen säramtlich besondere Ueberschriften und kündigen sich dadurch als Charakterstücke in der in neuerer Zeit beliebten Weise an. Sie gehören ohne Zweifel zu den besseren unter denselben ; und indem die bereits angeführten Vorzüge in denselben wiederkehren, tritt hinzu das bewussle Geschick claviermässiger Behandlung und die sichere Herrschaft über das Klangliche. Die einzelnen Titel lassen die feineren Beziehungen nur erralben ; aber da wir es mit fest geformten und klar entwickelten Musikstücken zu thun haben, sind wir der Versuchung enthoben, nach diesen tieferen Beziehungen zu fragen, da wir ihrer Kenn1- niss zum unbefangenen Genüsse der Musikstücke nicht bedürfen. Vielleicht geht ein tieferer Zusammenhang durch die einzelnen Stücke, wie in Schumann's Waldscenen oder Kirchner's Dorfgeschichten ; der »Nachklang« als Scblussstück scheint das anzudeuten. Die »Frühlingsglocken« (Nr. t, A-dur C, Allegretto) locken mit vollem, einschmeichelnden Klange hinaus, sie ertönen von allen Seiten ; während eine tiefere Stimme die höhere ablöst, gesellen sich in der Höbe feinere und lebhaftere hinzu, man giebt sich dem anmulhigen Klingen, das der Componist fein in musikalische Form zu fassen weiss, gern gefangen. Es reift der »Entschluss« (Nr. I, D-moll, Ф, Allegro rooluto) ; in straffen (zweitaktigen) Rhythmen, mit Tempo rubato untermischt und keck durch mannigfache Tonarten schreitend, drückt das Stück eine entschlossene Stimmung glücklich ans. Ein sanfterer, doch immer noch entschieden auftretender Zwischensatz in D-dur giebt dem hoffenden und verlangenden Elemente Spielraum. Zu sanftem Wellenschlage wiegt uns eine anmutbige »Barcarole' träumend ein (Nr. 3, C-dur % , Allegretto non troppo) ; auch in diesem Stücke wirkt die Mittellage des Themas zu weichen Begleitungsßguren in der Höbe sehr hübsch. »Die Schmiede« hat den Impuls zu einem kräftigen, aufstrebenden Thema gegeben, welches, ohne Malerei zu sein, den Eindruck unmittelbar wiedergiebt ; daraus ist das vierte Stück (Dès-dur */4 , Vivace assai) kunstvoll gestaltet. Der kernige Grundton

dieses Stückes klingt noch nach in dem folgenden Scherzo (D-moll 9/41 Allegro con brio), welches in den weichen, sanft aufsteigenden Figuren des Trios (D-dur) einen hübschen Gegensatz erhält. In diesem Stücke zeigt sich besonders das Geschick des Componisten, mit einfachen Mitteln zu wirken ; mehrfach ist reine Zweistimmigkeit verwendet. An der Deutung des folgenden Stückes »Margarethti (C-dur C, Andante) mag sich der Spieler abmühen ; von zarteren Sebnsuchtsempfindungen wird er in demselben nichts finden ; in breiten behaglichen Figuren und vollen Harmonien strömt ein volles Genügen , wie ruhiger Genuss des Daseins an uns vorüber. Das Stück wird dem Spieler , je öfter er sich mit demselben beschäftigt, um so werther werden. Als Gegenstück empfängt uns eine Elegie (D-moll J/4, Mesto, ma non troppo lento), ausdrucksvoll klagend, wie bei einem unabweislichen Abschiede ; die Klagen steigern sich, gehen aber schließlich in eine ergebene Stimmung über, die in ihrem anmuthigen Ausdrucke, in dem Öfteren Anhalten, gleichsam einer Hoffnung des Wiedersehens Ausdruck zu geben scheinen. Der bereits erwähnte Nachklang (B-durC, Adagio) lässt in der vorzugsweise synkopirten "lestallung der Motive die Bewegung des Innern noch nachwirken, doch allmälig zur Ruhe kommen. Wir hoffen, dass diese Stücke, welche zwar geübte und geschmackvolle Spieler verlangen, aber doch nicht übermässige technische Schwierigkeiten bieten, recht Viele erfreuen mögen.

Die Ländler sind sechs kürzere Stücke in dem bekannten Rhythmus, einfache liedmässig geformte Sätze ¡n zwei Theilen, zwei davon etwas ausgeführter mit Zwischen- resp. Gegensätzen ; meist in raschem Tempo, der eine der grösseren (Nr. i) langsam und nur mit einem raschen Zwischensatze. Auch diesen Stücken fehlt es nicht an feinen Zügen des Satzes und der Erfindung, insbesondere auch der echt claviermässigen Schreibart ; im Ganzen aber stehen aie den vorher besprochenen Stücken an Gehalt bei weitem nicht gleich, sondern machen durchaus den Eindruck rascher, leicht hingeworfener Eingebungen, bei denen dann Kunst und feine Gestaltung nicht selten ersetzen muss, was der Lebendigkeit der Phantasie ermangelt. Den behaglich wiegenden, oft pikanten Läjidlerton weiss er stellenweise ganz gut zn treffen. Musikalisch bat uns das fünfte Stück am meisten angesprochen ; die Einfachheit im ersten und dritten erscheint uns nicht ganz natürlich und nngesucht ; in Nr. 6 verstehen wir nicht, warum nach dem Gegensatze, der gewis- sermaassen als Trio erscheint, nicht der Hauptsatz vor der Coda

wiederkehrt.

Dr. H. D.

[<70] Verlag von

J. Bieter-Biedermann in Leipzig und Winterthur.

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In Kupfer gestochen von H. Mers und G. Gonzenbach.

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J. Jiiicter-Hit'(lcr>ittmn in Leipzig und Winterthur.

Recueil de Compositions

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Piano

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No. *. Idylle It. .* —. Mi .

No. t. Caprice IV.. .* 1.50.

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["*] J. Stockhausen's Gesangschule ¡n Frankfurt a. M. 45 Savignystr. Eröffnung des Schuljahres am 28., 29., 30. September. Prospecte gratit.

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Leipzig und Wintert^Jrur,

Mitte September 4881. J. Rieter-Biedermann.

[474] Verlag von

J. Rieter-Biedermann in Leipzig und Winterthur.

Sechs Lieder

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mit it <>eri«> H u >i<£ dee Pianoforte

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Heinrich Michelis.

(Auswahl ans dem Nachlasse.) Complet Pr. 3 Л.

Einzeln: No. 4. Untreue : »Dir ist die Herrschaft längst gegeben«, von Ludwig

Vhland Pr. Л 0,80.

No. 1. Haientbau: »Auf den Wald und auf die Wiese«, von Ludwig

Vhland Pr. Л 0,50.

No. 8. Jägers Abendlied: »Im Felde schleich' ich still und wild«, von

1. W. eon Goethe Pr. Л 0,50.

No. 4. »01 bist du, wie ich träume«, von August Wolf . Pr. Л 0,50. No. 5. Der Schmied : »Ich hör' meinen Schatz, den Hammer er

schwinget«, von Ludung Vhland Pr. Л 0,50.

No. 6. Abschied : »Was klinget und singet die Strasse herauf?« Ro- manze von Ludwig (/Aland Pr. .44,80.

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No. 48. Arie fttr Sopran. »Voi avete un cor fedele«. (K. Nr. 147.)

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felice«. (К. No. 155.) Л 4 ,05. — 4 5. Arie für Tenor. »Clarice,

cara mía sposa*. (K. Nr. 156.) 75 3j>. — 46. Scene fur Sopran.

»Ah lo previdi«. (К. No. 171.) Л 4,85. — 17. Hecitaliv und

Arie fUr Sopran »Alcandro lo confesse«. (K. No. 1>4.) Л 4,10.

— 48. Arie für Tenor »Se al.labbro mia non credi«. (К.

No. 195.) Л 4,35.

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Verleger: J. Rieter-Biedermann in Leipzig und Winterthur. — Druck von Breilkopf «S Hilrtel in Leipzig. Expedition: Leipzig, Am Rabensteinplatz Î. — Redaction: Bergedorf bei Hamburg-.

Dl« Allgemeine Mnsiknlincne Zeitung

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Musikalische Zeitung,

Verantwortlicher Rédacteur: Friedrich Chrysander.

Leipzig, 20. September 1882.

Nr. 38.

ХУЛ. Jahrgang.

Inhalt: Neue Compositionen Theodor Kirchner's. — Porsifal-Literaliir (). Rich. Wagner's Parsifal. Erste Aufführung am Ï6. Juli (88Í lu Bayreulh. Besprochen von Mnx Kalbeck). — Anzeiger.

Aufforderung zur Subscription.

Mit nächster Nummer schliesst das dritte Quartal der Allgemeinen Musikalischen Zeitung. Ich ersuche die geehrten Abonnenten, die nicht schon auf den ganzen Jahrgang abonnirt haben, ihre Bestellungen auf das vierte Quartal rechtzeitig aufgeben zu wollen. j_ Rjeier-Biedermann.

Neue Compositionen Theodor Kirchner's.

Theodor Kirchner hat, nachdem wir vor zwei Jahren in dieser Zeitschrift seiner ausführlich gedachten, wiederum eine Fülle duftiger Blülhen über uns ausgeschulte!. Jeder, der wahre Empfindung, sinnige und feine Gestaltung, endlich sichere Beherrschung dos Klanges und des Colorits zu schätzen weiss, wird sich dieser neuen Gaben wieder recht erfreuen. Mag auch in der grossen Fülle nicht jedes einzelne Stück wieder etwas Neues und Ungesagtes bringen, so lässt man sich doch auch das Bekannte in etwas verändertem Gewände gern wieder vorführen ; wer einmal in irgend einem Stücke der Kirchner'schen Muse näher getreten ist, wird wissen, dass man nie ohne poetische Anregung von ihr scheidet, und jedenfalls nie den echten Künstler verkennen kann, der mit Besonnenheit und Geschmack seine Weisen gestaltet und dem Ciavier seine reizendsten Wirkungen zu entlocken weiss. Wir möchten daher von neuem Anlass nehmen, auf den feinsinnigen und liebenswürdigen Meister hinzuweisen, der in der Stille, seinem Berufe treu, erfreuende Gaben zu bieten fortfährt, welche der Beachtung mehr werth sein dürften wie Vieles von dem, was sich heutzutage mit Ostentation in den Vordergrund drängt. Wir geben in Kürze eine Uebersicht der uns vorliegenden neueren Compositionen Kirchner's.

Vier Elegí« für Pianoforte von Theodor Kirrhucr. Op. 37.

Breslau, Julius Hainauer. 3 Л.

Wir haben es, was schon der Titel andeutet, mit sanft bewegten Stücken von klagendem Ausdrucke zu thun. Sie haben durchaus den Zuschnitt, den wir auch bei ähnlichen Arbeiten der früheren Zeit wahrnahmen ; auch ist die Grundstimmung keine wesentlich andere, als die schon mehrfach zum Ausdruck gebrachte; aber durch den Reiz einer innigen Melodik, durch Feinheit der Modulation und der thematischen Arbeit, in welcher die Verwendung der Imitation zuweilen ungezwungen auftritt und überrascht, sowie durch den bei Kirchner selbstverständlichen Wohlklang des instrumentalen Satzes erfreuen auch diese Stücke wieder in hohem Grade; man ist bei den ersten Tönen der Alltagssphäre entrückt und von dem anmiithigen

svn.

Zauber dieser Gebilde, die ganz in romantischer Färbung glänzen, angezogen. Nr. ) (F-moll 3/4, poco Andante), ein leise klagendes, einheitlich empfundenes Stück, klingt stellenweise ein wenig an Brahms an, ohne dass darum von Nachahmung zu sprechen wäre. Durch den Vorhalt in der Mittelstimme beim verminderten Septimenaccorde wird auch hier wieder, wie auch sonst schon, ein eigenartiger Reiz hervorgebracht. Durch Vereinigung reizender Melodik und kunstvoller Mehrstimmigkeit zeichnet sich das zweite Stück aus (F-dur '/4, ruhig, singend). Nr. 3 (A-moll %, poco lento, espressivo) schlägt einen mehr wehmüthigen Ton an, ergeht sich in chromatischem Melodienzuge, zeigt dabei in der bewegteren Entwicklung ein paar kleine, wenn auch vorbereitete harmonische Härten. Sehr zart und anmulhig bewegt, im Fortgange von glücklich steigendem Ausdrucke ist das vierte Stück l--dur >/,,, Andantino]. ¡n der Modulation geschickt, zuweilen nicht ohne eine gewisse Kühnheit, aber dabei den Ausdruck einer resignirten Ruhe bis zu Ende glücklich bewahrend.

Auf diese Elegien folgen in der Reihe der Werke

Iwölf EtHei für Pianoforte von Theodor Kirchner, Op. 38.

4 Hefte à 2 Л 50 ¿p. Breslau, Hainauer. Bei diesen Etüden wiegt, wie man bei Kirchner erwarten wird, der musikalische Zweck gegenüber dem blos inslructiven bei weitem vor. Auf Ausbildung besonderer virtuoser Künste, ausgesuchter technischer Schwierigkeiten ist es hier in keiner Weise abgesehen ; die Stücke namentlich der beiden ersten Hefte wird ein einigermaassen geübter Spieler kaum technisch schwer nennen können. Dass sie aber die Hand im gleich- massigen Vortrage, im sicheren Treffen, in der Herrschaft über die feineren Nuancen des Ausdrucks, Bindung und Staccalo, Vollgriffigkeit und gesangvollem Spiele zu üben reichlichen Stoff gewähren, zeigt jeder Ueberblick über diese reiche Sammlung, und der musikalische Gehall der Stücke bietet für den Geschmack, für die Fähigkeit, den musikalischen Faden zu erkennen, den Ausdruck zu treffen, das Wichtige hervorzuheben und die Stimmen in gutes Verha'ltniss zu einander zu setzen, die vielfachste Veranlassung. So sind die Stücke belehrend, ohne dass sich dieser Zweck ausschliesslich in den Vordergrund

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drängt ; wir wissen nicht, ob dieselben alle ursprünglich dazu bestimmt wäre», Etüden zu sein.

Der Form nacli kommen sie im Ganzen den übrigen Stücken gleich ; es sind Einzelgebilde mit bestimmten Themen, die sich in der bei Kirchner beinahe feststehenden Form liedmässig entwickeln, und in abgerundeter, durch Gegensätze belebter Gestaltung ; grosse ausgeführte Sülze, etwa gleich den Chopin'- schen Etüden, hat er nicht geben wollen. Der Natur der Sache nach überwiegen die Stücke in bewegterem Tempo ; doch haben auch mehrere Stücke getragenen Charakters technisch interessante Aufgaben zu erfüllen. Im Ganzen wird, wer diese Kirchner'schen Etüden beherrscht, für das Spiel der Kirchner'- sehen Ciaviermusik überhaupt sehr gut vorgebildet sein, daneben aber auch für den Vortrag anderer moderner Meisler, wie Schumann, Schubert, sehr wesentlich gewonnen haben.

Die grosse Zahl der in dieser Sammlung vereinigten Stücke verbietet uns, auf alle im Einzelnen einzugehen. Das erste Heft bietet namentlich in Nr. l und 3 Stücke von echt Kirchner'scher Anmulli und Reinheit; nur ist der Millelsatz des im Uebrigen so stimmungsvoll concipirten dritten Stückes durch folgende harmonische Härte unterbrochen

dio uns von neuem den Wunsch nahelegt, dass der verehrte Componisl möglichst in den Grenzen des natürlich Angemessenen, in den er sich ja mit so viel Anmulb bewegt, bleiben und sich gewagter Combinationen enthalten möge. Im zweiten Hefte hat uns das dritte Stück (Nr. 6 der Sammlung) besonders angesprochen, in welchem ein naiv-herzlicher Ton uns gefangen nimmt ; die beiden vorhergehenden lassen das technische Moment überwiegen. Auch das sanft wiegende Stück Nr. 7 (das erste des dritten Heftes, 11-dur 12/8) ist ausserordentlich anmulhig, und voll feiner Züge auch das Schlussstück der Sammlung (C-dur 4/4), wo der Wechsel der Tonlage der Melodie mit grossem Geschicke, auch für den Vortrag sehr anregend, behandelt ist. An die Technik stellen die Stücke der beiden letzten Hefte grössere Anforderungen. Riñe weitere Sammlung betitelt er

Vtrfgeicbichtei. liClavierstUcke von Thetder Klrch-

er. Op. 39. 2 Hefte ä .# 3,50. Breslau, Hainauer. Die poetischen Hinweisungen zur Förderung des Verständnisses weraen seit Schumann's Vorgange immer noch vielfach angewandt, und es ist ja nicht zu IKugnen, dass die Anregung zu einer bestimmteren Auffassung, zu einer deutlicheren Ahnung des poetischen Inhaltes in weiten Kreisen der Musik treibenden Welt von gutem Erfolge gewesen ist. Die Schumann'- schen Waldscenen, an welche wir bei diesen Dorfgeschichten erinnert wurden, haben eben durch diese Hinweisungen einen grossen Theil der tiefen Wirkung erlangt, den ihr unvergleich

licher Zauber auch ohne dieselben hätte ausüben können. Zi einer Vergleichung wollen wir aber damit nicht auffordern, und würden damit auch sicher der Absicht unseres Compo- nislen nicht entsprechen ; die volle Anspruchslosigkeit dieser kleinen und zarten Gebilde widerstrebt durchaus dem Versuche, kühnere poetische Intentionen in dieselben hineinlegen zu wollen. Wie naiv nimmt sich gleich das erste Stück aus: »Grossvater erzählt von der guten alten Zeit« (Es-durC); in die harmlose treuherzige Melodie mischt sich die Erinnerung an eine fremde Volksweise, die in früher Jugend aufgenommen war, niedlich ein. »Unter der Eiche« nennt sich ein Stück von ruhig beschaulicher Stimmung, in wohlklingenden Figuren und Harmonien behaglich sich wiegend (Es-dur C). Auch der Humor soll sein Recht haben, und so verliert sich ein »verdriess- licher Fagottist», der vielleicht Besseres kennt als auf dem Dorfe zu spielen, in diese Umgebung (Es-moll 2/4, etwas langsam). Zur musikalischen Darstellung des »schlechten Wetters« (C-moll (". Allegro) ist Kirchner'» zarte und harmonische Muse nicht geschaffen ; der Anblick des iRegenbogens« jedoch (F-dur '/<) entlockt ihr wieder warme aninulhvolle Weisen, und »Im Mondenschein« (F-dur C, träumt sie im Dorfe eben so selig und mit den gleichen Gedanken und Weisen wie im Walde oder wo es auch sei. Denn überhaupt werden wir in dieser Sammlung nicht etwa in das volle ländliche Leben des Dorfes versetzt ; es ist immer der fein gebildete , in poelisch romantischen Vorstellungen aufgewachsene Städter, der auch einmal aus dieser an sich fremdartigen Sphäre Anregung entnimmt. So sind denn die eingeflochtenen Tänze (6. Menuett, F-dur '/4, 10. Ländler, G-dur >/4, selbst 4t. Bauernlanz, G-dur 2/4) zwar alle lebendig und sauber ausgeführt und stellenweise ganz originell, geben aber keineswegs das naive Behagen des Landbewohners wieder, sondern behalten alle die Züge subjecliver Emplindung des fremden Zuschauers. Von manchen Stücken weiss man nicht recht, wie sie bieher kommen, z. B. dem Gondelliede (Nr. H, G-moll %) so hübsch und sinnig dasselbe an sich ist, oder dem Zwiegesange (No. 9, U-dur 9/s)> der viel zu sehr moderne Romantik enthält, als dass er im Munde fröhlicher Dorfschönen gedacht werden könnte ; übrigens ein überaus hübsch erfundenes, in seiner klaren Gestaltung und Rundung höchst erfreuliches Stück. Die Ingredienzien, welche zu Jagdliedern (vgl. Nr. 8, F-dur I2/H) zu verwenden sind, sind wohl allgemein recipirt; das Kirchner'sehe wird neben vielem Aehnlichen seinen Platz mit Ehren behaupten. Einen ganz originellen Gedanken giebl er in dem 4 <. Stücke »Bruder Eduard muss lïulen geh'n« (G-dur J/4) Ausdruck ; vielleicht irgend einem persönlichen Erlebnisse entsprungen, wird das Stück mit seiner freundlich ermunternden Hauptmelodie

und den mit derselben sich verbindenden Klängen des Glöck- chens, mit dem sich noch der aus der Ferne herüberklingende Orgelklang mit Bruchstücken getragener Choralmelodic sich mischt, jedem versländlich und lieb werden. Die Sammlung beschliesst ein ernst getragenes Stück »Zum Abschied' (C-dur 2/4), ähnlich wie Schumann seine Waldscenen mit einem solchen schoss ; dem Inhalte nach sind freilich beide Stücke ganz verschieden.

Eine fernere Sammlung nennt der Componisl

Blumen zum Strain. 42 Ciavierstücke von Tbftdcr

klrrhncr. Op. i*. 4 Hefte à 2 Л. Breslau, Hainauer.

Wir dürfen uns über dieselben kürzer fassen. Die Form

der Stücke, die Entwicklung des Satzes, Modulation und davierleclmik, weist wenig Verschiedenes im Vergleich mit den frii- lieren Sammlungen auf; manche Themen und Gedanken sind im Charakter und der harmonischen Entwicklung früheren so ähnlich, dass man sie fast als Variationen derselben ansehen möchte. Lassen uns also diese Stücke den Componislen in keiner Weise von einer neuen Seile erkennen, so wird man doch kaum ein Stück finden, in dem nicht irgend ein feiner Zug der Modulation und Klangwirkung überraschte, und wie jedes einzelne der Ausdruck in sich geschlossener Künstlerpersönlichkeit ist, die alles Triviale und am Wege Liegende verschmäht, so werden sie auch den Geschmack des Spielers und Hörers ans Guie gewohnen helfen. Mag sich denn jeder von den Tonblu- men, die er hier in Fülle wachsen findet, diejenigen zum Winden des Slrausses wählen, die in seinem Gemülhe den lebhaftesten Wiederhall finden ; uns ist Kirchner immer in den getragenen und gesangvollen Stücken am liebsten, er scheint uns in diesen mehr gleichsam aus dem Vollen zu schöpfen. So ziehen wir im ersten Hefle das zweite (G-dur 3/4) mit seiner hübschen Klangwirkung und anmuthigen Cantileue vor ; im zweiten Hefte das sinnige Esdur-Stück (Nr. i), mit den weit ausgespannten Griffen, während das ebenfalls anmuthige Nr. 5 (ebenfalls Es-dur, Moderato) doch in ähnlicher Form schon zu häufig da gewesen ist. Die Stücke des dritten Heftes ragen sammllich nach Conception und Ausarbeitung hervor : in dem letzten (Nr. 9), welches das Schumann'sche Vorbild nicht verkennen lasst, hat uns eine überraschende enharmonische Verwechslung nicht recht munden wollen. Nr. in hat folgendes einfache Thema

wir wissen nicht, ob bei folgender Wiederkehr desselben in der Miltelslimme

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nicht vielleicht an der bezeichneten Stelle ein Slichfehler vorliegt. Die beiden letzten Stücke der Sammlung stehen nicht auf gleicher Höhe wie die meisten der übrigen.

Einen etwas höheren Flug nimmt er ¡n der folgenden Sammlung:

Serbs CUflentieke von Thetdor klrrnner. Op. 1!>. Leipzig, Kislner 3 .ff.

Die Stücke haben sämmllich noch besondere Aufschriften; Ballade (As-dur 3/i. Einfach, ruhig), Mazurka (As-dur 3/4, etwas gemessen), Novellelle (Dès-dur 3Д, sanft beweg)), Mazurka (A-dur 3/4, Tempo givste), Intermezzo (F-dur 3/4, sehr ruhig, doch nicht schleppend) , Homanze (B-dur 2Д , Andante espressivo]. Es ist bei Kirchner überflüssig, hervorzuheben, dass alle Stücke geschmackvoll erfunden und mit Geist und Geschick, namentlich in der Harmonik und dem claviermässigen Satze ausgearbeitet sind ; wir sind bei jedem Stücke sofort über alles Alltägliche hinweggehoDeii und in den Ideenkreis einer durchaus eigenartigen Künstlernatur gebannt. Insbesondere sind die beiden Mazurken, zumal bei ihnen einheitlicher Grund

charakter vorgezeichnet ist, charakteristisch und wirkungsvoll. Bei den übrigen Stücken scheinen zum Thcil besondere Ideen und Impulse wirksam zu sein, welche die Gestaltung derselben bestimmen, die aber nicht gleich verständlich werden; so beginnen z. B. Ballade und Intermezzo mit sehr einfachen, an- muthig wiegenden Motiven und gehen dann allma'lig in unruhige Bewegung und entlegene Tonarien über, ohne dass man sogleich ahnt, was damit bezweckl sei. Im Ganzen aber darf man den Stücken dieser Sammlung anderen gegenüber eine hervorragende Bedeutung beilegen. Die folgende Sammlung :

3t kinder- lid Kultier-Taue von Th.o.lor kirrhuer.

Op. 46. 3 Serien (zus. 17 jK]. Breslau, Haioauer. wenden sich an ein grösseres Publikum und sind auch ganz geeignet, in weiteren Kreisen, in welche sie hoffentlich Eingang finden werden, Interesse und Verstündniss für die Intentionen unseres Künstlers zu wecken. Die Aufschrift will nicht etwa sagen, dass die Stücke leichter und auch von weniger Entwickelten spielbar seien ; sie verlangen alle die gleichmässig und sauber ausgebildete Technik des Kirchner'sehen Clavier- stiles. Die Bezeichnung will vielmehr wohl sagen, dass eine grosse Zahl dieser Stücke leichler concipirl und an das Ver- sla'ndnissauch solcher sich wendend zu betrachten seien, welche noch im Lernen begriffen sind ; auch zeigen die Stücke selbst, dass das Absehen hierauf gerichtet gewesen ist. Kirchner behandelt die Tanzfonnen sehr glücklich, er weiss den pikanten Reiz der rhythmischen Bewegung durch reizvolle Harmonik und schöne Klangwirkung zu veredeln ; seine musikalisch-vornehme Natur hindert ihn dabei, jemals ins Triviale zu fallen. Nicht alle Stücke dieser Sammlung stehen auf gleicher Höhe der Erfindung ; es ist nicht möglich, in einer und derselben Gattung forlgesetzt neu zu erscheinen, und manche Stücke könnte man als Träumereien, Studien, Phantasien am Clavier« bezeichnen. Aber wo uns auch ein Stück begegnet, wie z. B. das in H-dur Nr. ¿s, wo über der wiegenden dreilheiligen Bewegung eine träumende melodische Figur im Tempo raboto sich ausbreitet, weiss man, dass man es mit einem Meister des Satzes und der Technik zu Ihun hat. Auch kleidet ihn mitunter ein Ton naiver Herzlichkeil, wie in Nr. 6 des ersten Heftes, sehr gut. Im Allgemeinen wird sich jeder, der sich dieser reichen Sammlung nähert, an derselben erfreuen und das ihm Sympathische herausfinden. Weiter li«gen aas vor :

federieichoiigen. Neun Claviersttlcke, componirt von Theodor Kirchner. Op. 47. 3 Hefte л i.l/ Leipzig, Forberg. (Jul. Scbulhoff gewidmet.) Der anspruchslose Titel liisst nicht ahnen, was diese Stücke bieten ; auch ist er insofern nicht hinlänglich bezeichnend, als es ihnen neben der im Ganzen einfachen und leicht verständlichen Conception an feiner harmonischer Ausarbeitung, also an demColoril zur Zeichnung, durchaus nicht fehlt. Es zeichnen sich diese Stücke aber vorzugsweise in melodischer Hinsicht aus und lassen eine ganz besondere Sicherheit und feste Gestaltung der Themen erkennen, die naiv und sinnig erfunden, in natürlicher Einfachheit und Maasshallung sich entwickeln und zu ihrer Wirkung keines grosseo Apparates von Durcharbeitung und Schmuck der Technik bedürfen. Die Anklänge an diejenigen Meister, nach denen Kirchner in früher Zeit vorzugsweise seinen Stil gebildet hat, namentlich Schumann, treten noch mitunter hervor ; daneben aber erscheint mehrfach ein frischer naiver Ton, und dann wieder jene zarten sinpigen Weisen, welche so recht das Eigenlhum des Componislen sind und durch die er am unmittelbarsten wirkt. Wir wüssten kaum ein einzelnes der Stücke als vor den ändern hervorragend zu nennen ; sie sind sämmtlich , und namentlich der Erfindung nach, unier den Erzeugnissen seiner Muse hervorragend.

Die folgende Sammlung will ein Gruss an einen Freund sein :

Ab Stephei teller. 12 GlavierstUcke von Theodor Kirchuer. Op. 51. 3 Hefte à 4 Л. Leipzig, Hofmeister. Es ist natürlich, dass der Freundesgruss, der die Individualität und Empfindungsweise des Abwesenden im Geiste vor Augen hat, nach Sprache und Ausdruck sich dieser zu nähern und den gemeinsamen Boden zu finden sucht, auf welchem das gegenseitige Versländniss um so sicherer erwächst. Wenn Kirchner daher einer Sammlung von Stücken jene Aufschrift nicht allein als Widmung, sondern als charakteristische Bezeichnung der Stücke giebl, so muss daraus geschlossen werden, dass er sich in denselben an den Stil Stephen Heller's zu erinnern beabsichtigte. In gewissen Einzelheiten Hessen sich ja auch vielleicht verwandtschaftliche Züge finden ; jene Töne weicher Melodik (die nun freilich bei Heller vielfach in Weichlichkeil ausartet), dabei die leicht fliessenden, auf beide Hunde gleichmässig verteilten Ciavierpassagen stehen auch Kirchner zu Gebote, und wenn Heller auch da, wo der instructive oder virtuose Zweck vorwiegt, doch immer die Darstellung eines ansprechenden musikalischen Gehalles erstrebt, so ist das bei Kirchner ebenso sehr der Fall, dessen Muse allerdings liefer, reicher, wärmer, kräftiger ist. So tritt denn in den Slücken dieser Sammlung vor allem eine leicht fassliche Melodik, und zwar meist in zarten, gebundenen Gängen von ruhigem Ausdrucke hervor, und daneben Verzierung derselben durch bewegtere Figuren, Verlegung in untere Stimmlage u. s. w. Da nun Kirchner's Eigenart ihn auch hier nicht verlässl, so üben die Stücke durch das theilweise Eingehen in eine andere Weise eine ganz besondere Anziehungskraft; die brillanten Passagen, die ab und zu begegnen, stehen ihm in diesem Zusammenhange besonders gut ; und so gehören diese Stücke unzweifelhaft zu dem Anziehendsien, was er geschrieben. Es gilt dies gleich- mässig von allen Stücken ; es erscheint nicht erforderlich, einzelne besonders hervorzuheben. Wer das erste , einfach und herzlich beginnende Stück (E-moll 3Д) , welches sich weiter zu einer warmen Fülle entwickelt, mit innerem Behagen in sich aufgenommen, wird gewiss nicht ruhen, bis er auch die übrigen sich angeeignet hat.

Als letzte Sammlung liegt uns diesmal vor.

Eli neues Clavierbieh von Theodor Kirchner. Op. 52. 3 Hefte à l Л 50 3j(. Leipzig, Forberg. Auch dies ist, gleich allen anderen, eine Sammlung einzelner selbständiger Stücke, im Ganzen <!. Dieselben sind ersichtlich einfacher concipirt und rascher ausgearbeitet wie die früheren und stehen namentlich den letztgenannten Sammlungen an Bedeutung entschieden nach ; Einzelnes hülle vielleicht zurückbehalten werden dürfen. Doch scheint uns, dass der Com- ponist in diesen Stücken, die auch technisch weit geringere Schwierigkeilen bieten, dem Bedürfnisse Lernender hat dienen wollen, denen denn allerdings für Technik und Geschmack hier eine bei weitem bessere Kost geboten wird, wie in zahlreichen anderen zu diesem Zwecke geschriebenen Sachen. Dass auch diese Stücke mit Feinheit gesetzt sind und überall durch Wohlklang und Ehenmaass erfreuen, bedarf keines Wortes. Wir ziehen die Stücke des mittleren Heftes den übrigen vor ; doch zeichnet sich auch das letzte durch naiv scherzenden Ton vorteilhaft aus.

Zum Schlüsse haben wir bei allen Publicationen Kirchner'- scher Werke noch die sehr geschmackvolle Ausstattung seitens der Herren Verleger zu rühmen.

(Schluss folgt.)

Parsifal-Literatur.

1. Rich. Wagaert Fanifal. Erste Auffuhrung am 26. Juli 4882 zu Bayreuth. Besprochen von In Kalbeck. Breslau, Schletter. 1883. 76 Seiten gr. 8.

Der Verfasser veröffentlichte 1876 auch über die Nibelungenaufführung einen Bericht, welcher jetzt in driller Auf* läge erscheint; derselbe erhalt nun hiermit eine Fortsetzung. Es sind Artikel, die für die »Wiener Allgemeine Zeitung« geschrieben wurden.

«Niemals empfand ich das Traurige meiner kritischen Lage, kein Wagnerianer zu sein, tiefer und schmerzlicher, als in diesen der Erlösung der Menschheit gewidmeten Hundslagen.« (S. 2.) Weil also, wie wir hiernach vermuthen dürfen, Herr Kalbeck seine 76 Seiten nicht mit enthusiastischem Bombast füllen wird, so müssen wir fragen, womit er sie denn in Wirklichkeit füllt. Der soeben angeführte Salz lässl schliessen, dass Witze und geistreiche Bemerkungen in der Broschüre dieselbe Rolle spielen, wie in den Berichten der Vollblut-Wagnerianer der Bombast. Der Verfasser ist gewandl im Ausdruck, geschickt im Auffinden von Vergleichungen und beherzt im Urtheil, besitzt also hinreichende Gaben, um die grosse Menge der Leser wenigstens vorübergehend für sich zu gewinnen.

Im »Prolog' spricht er seine Ansicht im Allgemeinen ans, und weil diese zur Kennzeichnung des Standpunktes, welchen er bei der Beurlheilung des einzelnen Werkes einnimmt, wichtig ist, theilen wir die Hauptsätze daraus mit. Das Bühnen- it'ei'A/i'sispiel will er, heisst es S. 3, bei Seite lassen und als nüchterner Beurlheiler einfach das Bühnenspiel als solches aufs Korn nehmen. »An dieses allein muss ich mich hallen, und ich gedenke dies ehrlich und besonnen zu thun, denn ich habe meinen Platz bezahlt als gewöhnlicher Sterblicher und besitze nicht das feine Unterscheidungsvermögen der Auserwähllen, welche zwischen überzeugungstreuem und gesinnungslosem Gclde die verhängnisvolle Grenze ziehen, nachdem sie es genommen haben. Da wir also zwar nicht auserwählt, aber berufen sind, die Kosten dieser nationalen, wenn auch unpopulären Spiele mittragen zu helfen, darf es uns kein Narr verwehren, unsere eigene Meinung über dieselben unverhohlen auszusprechen. Als vor sechs Jahren die Fürsten und Völker Deutschlands der Einladung Wagner's folgten und ¡n Bayreuth zusammenkamen, um zu sehen, wie beschaffen das endlich verwirklichte »Kunstwerk der Zukunft« wäre, welches bestimmt sein sollte, der deutschen Nation eine ihrem Wesen angemessene Kunst zu geben, würdig einer fortdauernden, die grossen materiellen Opfer lohnenden Pflege, und erkoren, den tonangebenden Vorsitz im Reiche der Idee zu führen, entsprach das Resultat in keiner Beziehung und nach keiner Richtung hin den gehofften Erwartungen. Enttäuscht war das Publikum, enltäuschl waren die Künstler, entläuschl war der Schöpfer des Werkes. Das Publikum, soweit es nicht Partei bildete oder nur aus leerer Zerslreuungssuchl dabei sein wollte, kam zu der Ueberzeugung, dass »Der Ring des Nibelungen« zwar ein aussergewöhnlich interessantes, an mannigfachen Schönheilen reiches, im Grunde aber unverständliches, widerspruchsvolles und ungesundes Product eines in theoretische Irrlhümer verstrickten Geistes sei, welches schon vermöge seines unglaublich coro- plicirten Apparates und seiner übertriebenen Prätensionen unmöglich zu einer Volksangelegenheit gemacht werden könne, gar nicht zu reden von der niederdrückend pessimistischen Tendenz, die im engsten Zusammenhange mit einer weltfeindlichen Philosophie nur auf die Sympathie weniger Gesellschaftsklassen zählen dürfe. Die Künstler — und hieniit sind nicht allein die bei der Aufführung unmittelbar Betheiligten gemeint — konnten sich der auffalligen Wahrnehmung nichl ver- schliessen, dass der crasse Realismus des ihnen Vorgeführten nirlit den Weg zur Höbe, sondern zur Tiefe bezeichne. Nicht ¡inf die sorgsame, gleichmässig gcförderle Ausbildung der na- liirlichen Mille! kam es dem reproducirenden Künstler gegenüber hier an, sondern fast einzig auf die letzteren selbst. Der Naturalist, welcher binnen weniger Monate die elementaren llandwerksgriffe sich angeeignet hatte, erschien, sofern er nur eine imposante Gestalt und eine kräftige Lunge besass, dem gründlich und allseitig ausgebildeten Sänger in allen Stücken überlegen — allerdings nur so lange, als er im Vollbesitz seiner Mittel sich befand. Den Übergrossen, jeder gebotenen Rücksicht spottenden Zumuthungen dieser Heldenpartien würden aber auch die geschultesten Stimmen auf die Dauer nicht Widerstand leisten können; wie wir es oft erleben, dass die sogenannten »Wagnersanger« für ihre allzu ausschliessliche Beschäftigung mit den Opern des Dichter-Componisten den völligen Ruin oder eine ihm nahekommende fortwährende Indisposition ihres Organs davontragen. Was hingegen den vielgepriesenen »Stil« der neuen Kunst anbetrifft, so fanden ihn die schallenden Künstler entweder gar nicht, oder wo sie ihn schlechterdings finden wollten, lief es doch nur darauf hinaus, dass Wagner und seine Anhänger für Stil ausgegeben hatten, was Manier war, und zwar die einem einzigen, von ganz bestimmten, kaum jemals sich wiederholenden Verhältnissen und Voraussetzungen abhängigen Geiste eigentümliche Manier. Ein blendendes Genie für das Theatralische mit seinem Complex von decorativen, scenischen und anderen äusseren Mitteln, ein grosses musikalisches Talent ohne eigentliche Originalität der Erfindung, aber voll Leidenschaft, Gluth und Wahrheil im beschreibenden Ausdruck bis zur realistischen Ueberlreibung, eine bescheidene, vom Theatralischen und Musikalischen wesentlich bedingte und hervorgerufene poetische Begabung und endlich eine von philosophischen, ästhetischen, politischen und kritischen Elementen erregte und verworrene, dabei schlagfertige und gewandte publicistische Kraft — wo käme ein Zweiter her, der so viele und heterogene Fähigkeilen in derselben Mischung besüsse und es obendrein verstände, sie in derselben Weise gellend zu machen? Nur Wagner kann von Wagner lernen, und von ihm hat er auch sehr viel gelernt. Was er jedoch niemals von sich lernen wird, ist die Selbsterkenntnis« und die aus ihr hervorgehende Selbstbescheidung. Und darum ist er auch Derjenige, welcher an seinem eigenen Werke die grossie Enttäuschung erfahren sollte. Anstalt von dem ungeheuren Erfolge beschämt zu sein, den er den grössten Künstlern aller Zeiten voraus gehabt hat, klagt er die Welt der Undankbarkeil an und machi sie für die Gebrechen verantwortlich , die nirgends anders als im Inneren seiner künstlerischen Individualität zu suchen sind. Nicht genug, dass das Unerhörte geschah, dass der Berg einmal ausnahmsweise zum Propheten kam, der Berg sollte sich auch nach Belieben des Propheten im Kreise drehen und die wunderlichen Sprünge machen, die er ihm vorschrieb. Und da ihm keiner seiner Getreuen sagen konnte oder wollte, was er sich selbst bei einiger Aufrichtigkeit halle sagen müssen, 'nämlich, dass weder seine Tetralogie das ersehnte nationale Kunstwerk, noch das eigens für sie aufgeführte Theater die Nationalbübne, noch seine in der Lufl hängen gebliebene Stilschule eine Musteranslalt vorstellen oder werden könne, so verwünschte er das Publikum, die Kritik, die Kunst, die Wissenschaft, die Industrie, das Vaterland, den Staal, die moderne Cullur. Sie alle taugen samml und sonders keinen Pfifferling und sind werth, vom Teufel geholt oder in einem Racenkriege vernichtet zu werden ; nur er mit seinem Messias-Gedanken und seine gläubigen Apostel sollen übrig bleiben, um die Chinesen, Russen oder Moslemin zu Wagnerianern zu bekehren. «Wir sind religionslos,» jammert Wagner, »und wie sollten wir es anders sein, da wir das Grosse nicht mehr zu ehren, ja nur zu erkennen fähig sind.« Was er unter diesem Grossen versteht,

wissen wir, da es aus einer Reihe uns wohlbekannter Kleinigkeiten sich zusammensetzt, als da sind : Das Abonnement der »Bayreuther Blätter«, eine möglichst splendide Mitgliedschaft des Palronatsverems, die Erhaltung des Festspielhauses und der dazu gehörigen Feste und Weihefeste , die Gründung der Bayreuther praktischen Missionsschule als Ergänzung zu den

mehr theoretisch sich betbäligenden Wagnervereinen

Wer diese Ueberzeugung nicht theilt, wer die nach Wagner dürstende allgemeine »Nolh« des Volkes nicht kennt, der ehrt das Grosse nicht und besitzt keine Religion, mag er im Uebrigen die erhabensten Erscheinungen aller Zeilen und Völker noch so genau kennen , noch so hoch verehren , mag er ein noch so guter Patriot, Mensch und Christ, ein noch so eifriger Apostel der Wahrheit, ein noch so getreuer Jünger der Schönheit, ein noch so begeisterter Kämpfer der Freiheit sein. Bei dem Meister allein ist das Schöne, das Wahre und das Guie, bei ihm ist die Kunst, die Wissenschaft und die Religion, er ¡st der Weg und dus Leben, Niemand kommt zum Frieden, denn durch ihn. Das ¡st das bis zum Ueberdruss in ewigen Variationen unermüdlich wiederholle Evangelium Wagner's und seiner Genossen, und wenn sie zwischendurch einmal etwas Anderes predigen , so geschieht es nur, weil sie, da sie unter civilisirten Menschen leben, auf welche sie doch immer wieder angewiesen sind, auch einige nothgedrungene Concessionen machen müssen. Ein grosser Künstler aber, meinen wir, zu dem Ausgang unserer Betrachtung zurückkehrend, ist kein Vereinsmeier, Reclameheld , Ränkeschmied, Scandalmacher und Sec- lirer; er stellt sein Kunslwerk hin und darf es Anderen gelrost überlassen , den Werth desselben zu beurtheilen. Sollte die Gegenwart mil der lebenden Generalien noch nicht reif sein, seine Gedanken zu begreifen, so ist er Seher und Idealist genug, um auf die Zukunft zu bauen ; denn er wirkt nicht auf die Zeit, sondern auf die Ewigkeit. Die Befriedigung persönlicher Eitelkeit und ehrgeiziger Ruhmsucht wird er Kleineren vergönnen, seinen wahren Stolz anderswo suchend ; unvermeidliche Enttäuschungen reichen nicht an das grossartige, Alles überwältigende Gefühl des unsterblichen Wertbes, der seinem Geist und dessen Werken innewohnt. Wäre die WeH so fertig und so schnell im Begreifen, so willig und bereit im Anerkennen, wie sie es nichl isl und nicht sein darf, so verschwänden die Himmelsfernen zwischen dem Auserwählten und der Masse, und die Menschheit würde aus lauter Capacitälen bestehen — wie etwa ein Wagner-Verein ; sie brauchte alsdann nicht überwunden und nicht erlöst zu werden. Ueberwinden und erlösen aber wird sie immer nur, wer sich selbst überwunden und erlöst hat, und die Liebe, nicht der Hass wird auf seiner Seite stehen. Ich kann mich nicht erlösen lassen von einem Bühnenweihfestspiel, welches Andersgläubige in jedem Sinne von sich ausschliessl oder sie, der anfänglich ausgegebenen Parole zuwider, welche lautete: »Unter uns!« nur aus materiellen Bedenken im letzten Augenblicke wieder zu sich zurückruft. Darum glaube ich nicht an das Weihefest, sondern sehe nur das Bühnenspiel, ein Spiel wie jedes andere. Und wenn ich auch an Fest und Weihe glaubte, so würde ich mich doch auch da nach dem Geschmacke des reinen Weines rich- ten, der uns von unseren Unsterblichen ohne besondere Cere- monien allerorten eingeschänkt wird. Zu einem Trunke aus dieser unversieglichen Quelle bedarf es keiner anderen Vorbereitung und Stimmung als derjenigen, die ein empfängliches Menschenberz immer in sich trägt.« (S. 3—8.)

Mit den lelzten Worten documentât der Herr Verfasser sieb als ein Anhänger der sogen, classischen Werke, wie sie jetzt namentlich in unseren philharmonischen Concerten vorgetragen werden. Das klingt nun zwar recht schön von den »Aueerwa'hl- ttiii«, die nicht sofort begriffen werden können, sondern erst wenn sie todt sind — und doch läuft diese Auseinandersetzung. wenn man ihr auf den Grund blicltt, auf eine Frivolität hinaus. Da sollen die »Auserwiilillen« z. B. keine »Vereinsmeier« %e- wesen sein , das heissl für die Aufführung ihrer Werke keine besonderen Vereinigungen benutzt haben. Aber was ist Subscription und dergleichen im Grunde anders, als ein solcher Verein? Und welche Mühe hat es die Auserwähllen gekostet, welche Erniedrigung ist oft nöthig gewesen, um für ihre Musik eine Hörerschaar zusammen zu bringen oder aus ihren Arbeiten das tägliche Brot heraus zu schlagen? Ein Verein unterscheidet sich von Subscription oder Abonnement nur dadurch, dass er sich nicht auf eine einzelne Stadt beschränkt, entspricht also durchaus dem erweiterten Verkehr unserer Zeit. Han begreift somit nicht, weshalb ein Vorwurf darin liegen soll, dass Wagner dieses Mittel, welches seine Zeit ihm gleichsam entgegen brachte, benutzt hat. So etwas macht den grossen Mann nicht kleiner und den Kleinen nicht grosser, es ist ganz harmlos und muss Jedem ohne Ausnahme gestaltet sein ; für Wagner lag es um so näher, weil sein Theater nun einmal auf die Besucher aus allen Ländern angewiesen ist. Auch an dem Bay- reulher Thealerbau reibt sich der Witz ohne Berechtigung. Es ist ja möglich , dass diesem Institut keine längere Dauer beschieden ist, als Basedow's Pädagogium in Dessau aus dem vorigen Jahrhundert ; aber immerhin hat es seinen Zweck erfüllt, wenn es das versucht, was auf andere Weise dem Aulor unmöglich schien. Der Künstler ist niemals Philosoph, der sich beschaulich hinsetzt und die Welt laufen lässl ; er arbeilel für das Leben und strebt nach der praktischen Verwirklichung seiner Ideale. Die »Auserwähllen« haben uns dies auf recht handgreifliche Weise unter anderm auch dadurch illuslrirt, dass sie einen grossen Theil ihrer Unsterblichkeiten auf directe Bestellung schrieben. Die fortgehende Zeit erleichtert allerdings die Unterscheidung des Dauernden von dem Vergänglichen, des Wabren von dem Falschen, aber sie erzeugt auch wieder Missverständnisse anderer Art, und es ist eine Irrlehre , die »Auserwählten« an die Zukunft zu verweisen. Was würde daraus folgen? Dass der ganze Tross der Feuillelonisten Tag um Tag witzeln, spötteln, eine missliebig gewordene Persönlichkeit nach Gefallen verleumden und mit Sticheleien herum hetzen kann, ohne sich ernstlich Gedanken darüber zu machen, noch eine wirkliche Verantwortlichkeit zu tragen , weil überhaupt nicht die Gegenwart, sondern erst eine viel spätere Zeit über die Angelegenheit ein richtiges Urtheil haben könne. Und diese absurde Ansicht ist, durch die Tageszeitungen praktisch und theoretisch gelehrt, nahezu die allgemeine Meinung geworden. Den alleinigen Nutzen davon haben die Schlauköpfe unter den Künstlern, die sorgsam den Philosophenmanlel zu tragen und nach dem Winde zu kehren wissen, dabei aber die Bekanntschaft mit den Literallein sorglichst cultiviren, entweder selber in die Blätter schreiben, oder durch studirle Zurückhaltung die Freunde dazu anfeuern. Wer diese Geschicklichkeit zur Kunst ausgebildet hat, der ist wohl gebettet ; er kann sogar, wenn er es wünscht, schon bei lebendigem Leibe den »Auserwähllen« zugezählt werden, denn diese Inconsequenz begeht der »Kritiker« zu Gunsten seiner Lieblinge unbedenklich, wenn ihm dafür пот verstauet wird, die Missliebigen entweder durch Stillschweigen zu tödteri oder durch öffentliche Erklärung um ihre Unsterblichkeit zu bringen.

Der Leser sieht also wohl ein, dass das Raisonnement des Herrn KalbeCk seine Mähgel Und Gefahren hat. Der »Parsifal« wird hierauf von ihm ziemlich ausführlich durohgenommen, wobei er ein Hauptgewicht legt auf die Prüfung der einzelnen Personen dieser neuen Oper. In dieser Hinsicht bietet er auch manche Auseinandersetzung, die Beachtung verdient. Wir Ihei- ten als Beispiel das mit, was er über die seltsame Zauberin K u o d ry sagt. Dieses merkwürdige Geschöpf Wagner's wird von dem Herrn Verfasser folgendefmaassen rfnarysirt :

»Ehe der kranke König, von seinem Leidensmotive vorher verkündigt, auf der Scene erscheint, deutet die wilde Sechzehntelbewegung im Orchester auf ein neues unvorhergesehenes Ereigniss hin ; der kurze, gehämmerte Galopp einer musikalischen Figur, welche die Ausrufungen der Riller und Knappen unterstützt, zeigt das Naben einer wilden Reiteria an. Mit einer durch vier Octaven abwärts rasenden Passage schwingt sie sich vom Pferde und stürzt aus dem Gebüsch hervor, ein Fllischchen in der Hand haltend, das sie Gurnemanz aufdringt. Kundry ist es, die mit köstlichem, in Arabien geholtem Balsam durch die Luft geritten kam, Kundry, die Unberufene, Allgegenwärtige, Dienstfertige, Freundlich-Rauhe, Dankverweigernde, Teuflisch-Lachende , Schmerzlich - Schreiende , Schlafverlangende, Wachenwollende. Aus diesen vielen, schnell auf einander sich betätigenden Eigenschaften und Zuständen gehl hervor, dass Kundry für etwas ganz Besonderes, keineswegs für ein gewöhnliches hässliches Weib angesehen werden muss, als welches sie dem harmlos hinblickenden Zuschauer erscheint. Wer oder was ist diese Kundry? fragt der Leser. Fragte er lieber: »Was ist sie nicht?« Die Antwort wäre dann leichter. Um diese arme, von so vielen dunklen Beziehungen geplagte Person einigermaassen zu legitimiren. müssen wir den Tbat- sachen vorgreifen. Bei Wolfram bilden die Gralsbotin Kondrie la Sorziere und ihr BruderMalkrealüre ein seltsames Menschenpaar von ausgesuchter Garstigkeit, welches die Gemahlin des IMbmohren Feiretiz, des Stiefbruders Parzival's, Sekundille, dem König Amforlas zum Geschenk gemacht halte. Zwerge, Krüppel und missgebildete Menschen, auch aus fernen Ländern impertirte Farbige (sie Alle führt Wolfram als »Denkmäler weiblicher Gelüste« in einer köstlich naiven Auseinandersetzung den Frauen zur Abschreckung vor) slamlen im Mittelalter hoch im Preise und waren als Narren oder Läufer bei den Hofhaltungen der Grossen gern gesehen. Die morgenländische Königin konnte daher dem Beherrscher der Gralsburg kein kostbareres Geschenk machen als dieses missgeslaltete farbige Zigeuner-Pärchen. Amfortas gab Malkrealüre an die schöne Orgeluse, die er lieble, weiler, während Kondrie bei dem Gral Botendienste verrichten musste. Sie war, nach Wolfram's Versicherung, in vielen Künsten erfahren, versland »Französisch, Heidnisch und Latein ; hatte erlernt obendrein Dialektik und Geometrie ; auch von Astronomie war ihr Alles wohlbekannt.« Aber sie sah Denen »wenig gleich, die man gerne beau gent nennt,« hatte Schweinshaare, Eberzähne, Löwenklauen, Bärenohren und trug die Augenbrauen in Zöpfe geflochlen. Ihr modischer, ausserordentlich reicher Anzug erhöhte noch den scheusslichen Eindruck, den sie hervorbrachte. Da sie meistens Hiobsposten zu bestellen halle, wird sie von dem Dichter »der Freuden Schlund und Hagelschauer» genannt. Der Tafelrunde und dem bei ihr weilenden Parzival verkündet sie die schreckliche Unterlassungssünde des Helden, dass er nicht nach dem Gral gefragt habe, und sagl ihm, dass er dafür verdammt sei. Dass jedoch Kondrie la Sorziere nicht allein die »Unsüsse«, sondern auch die »Fiere«, die Treue, genannt zu werden verdient, zeigt sich am Schlüsse des Gedichtes ; da bringt sie dem in die Tafelrunde des Königs Artus wieder aufgenommenen Parzival die Freudenbotschaft, dass er zum Herrscher des Grals ernannt worden sei. Mit dieser Figur wusste Wagner nichts Besseres anzufangen als sie zu »verliefen«. Zu diesem Behufe that er sie in die Retorte seines Witzes, wo allerlei Schmelzzeug beisammen lag, und überzog sie mit einer mythologisch-symbolischen Glasur, die d«m unglücklichen Wesen den Odem auspresste und es in ein vieldeutiges Pelrefacl verwandelte. Dank den Bemühungen eines Herrn H. Lötfler, welcher versichert, Ludwig Uhland würde seine grossie Freude an dieser neuesten germanistischen Errungenschaft Wagner's gehabt haben — vielleicht eine eben solche, wie sie Arthur Schopenhauer an den philosopliischen und ästhetischen Versuchen des Meisters gefunden —

und auf Grund eigener Untersuchungen sind wir über Wagner's Kiindry zu folgendem Resultat gelangt: das liefsinnig etymologisch - symbolisch - mythisch- mystisch - allegorisch - metaphysisch urfassle Geschöpf ist demnach: I. Die Gralsbotin , Kou- ilrie la Sorbiere; Ï. die Gundrvggin. eine der kampfriistemlen Wiilkyren ; 3. die nordische Göttin Idun, die den ßlällerschmuck der Erde bedeutet und daher auch mit der auf dem Felsen sclihfenden lirünhilde, sowie dem in der Dornenhecke verzauberten Dornröschen identisch ist; i. die Herodias, welche Johannes den Täufer so heiss geliebt hat, dass sie sein Haupt auf eine Schüssel legen liess, um es bequemer küssen z» können; 5. auch wieder nicht die llerodias, sondern eine aus der Art geschlagene Tochter Jerusalems, welche den kreuztragenden Christus auf dem Gange nach Golgatha verlachte und dafür zum ruhelosen Wandern auf der Erde verflucht worden ist, also der weibliche ewige Jude; 6. Maria von Uethanien, die Schwester der Martha und des Lazarus, welche die Küsse des Heilands mit köstlichen Narden salbte und mit ihren Haaren abtrocknete; ". auch wieder nicht die Maria von Bclhanien, sondern die schöne Sünderin Maria Magdalena, die, der höllischen Lust verfallen, durch Busse гит Seligkeit kommt; 8. der Inbegriff der Erbsünde, die im Weibe verkörpert erscheint, wie auch das Weihliche überhaupt, mit seinen guten und schlechten Eigenschaften ; 9. ein drangsalirter Mezzosopran, und endlich 10. alles Mögliche. Auch bei den übrigen Figuren werden wir spiiler eine Menge von symbolischen und allegorischen Beziehungen finden, durch welche sie sämmtlich aus der sinnlichen Sphäre in das Abstráete hinausgestossen und um ihre dramatische Glaubwürdigkeil gebracht werden. Nur Gurnemanz steht auf eigenen Küssen, während die Anderen auf Stelzen gehen, und auch er kann es sich nicht nehmen lassen, einmal vorübergehend Johannes den Täufer zu spielen.« (S. 47—SO.)

Als allgemeine Kegel ist bei diesem Spiel überhaupt zu merken, dass die Personen das sind, was sie bedeuten. Sein kann man in der Welt nicht viel, wohl aber bedeuten, namentlich heim Thealerspielen ; daher die Chamäleon-Gestalten. Mit diesem Faden kommt man in dem Parsifal - Labyrinth schon ziemlich weit. Und wohin kommt man? Was zeigt uns das neueste Musikdrama? Die ganz alte Bühnenweisheit, dass man hauptsächlich für drastische Scenen zu sorgen hat, worauf Einem Sinn und Verstand, planvoller Zusammenhang und liefsinnige Harmonie mit Hülfe der Erklärer von selber zufallen. Von dieser Seile, durch Aufdecken von Widersprüchen oder Zusammenhangslosigkeiten im Charakter der Personen, kann man daher einem Bühnenstück wenig anhaben, falls dir einzelnen Scenen etwas besitzen, was ihnen dauernde Anziehungs- krafl gewährt. Käme es auf Sinn oder Unsinn an , dann wäre schon manche Oper in die Grube gefahren, die doch noch ganz lustig lebt. Die Kunslgestallen, welche der Mensch schafft, sind ohne Ausnahme Werke der Composition; damit ist im Grunde Alles gesagt.

Der Zusammenhang von Schopenhauer's Morallheorie mit Wagner's Spiel wird S. ÎÎ erörtert, wobei eine schärfere Kritik der Mitleids-Theorie des genannten Philosophen erwünscht gewesen wäre. Wenn die gegnerische Kritik auf diesen Philosophen zu sprechen kommt, so vergissl sie nie, Wagner damit zu necken , dass seine Verehrung Schopenhauer's von diesem mit Spott gelohnt sei ; auch Herr Kalbeck äusserte oben etwas Aehnliches. Die Gerechtigkeit erfordert aber, daran zu erinnern, dass Schopenhauer's Abneigung gegen Wagner nicht aus einer sehr lauteren Quelle floss , wenigstens nicht aus seinem System, denn sie war ihm von Aussen eingeblasen. Unier seinen Leibjüngcrn, mit welchen ersieh in den letzten Lebensjahren gütlich that, befand sich auch der Literat 0. Lindner in Berlin, ein betriebsamer, kleinlicher, engherziger Mensch, der

in weiten Kreisen als musikalische Autorität galt. Dieser (damals Rédacteur der Vossischen Zeitung) war in der Oper vorgeblich ein Verehrer des Classisclien, im Grunde aber ein Anhänger der Meyerbeer'sehen Richtung und trug dem Allen in Frankfurt am Main alles brühwarm zu , was die Musikweisen der Vossischen und Nalionnlzeilung mit ebenso grosser Unfehlbarkeit als Erfolglosigkeit gegen Wagner vorbrachten. Schopenhauer respondirtc dann getreulich und beifällig, nur von einer höheren Warte aus, etwa wie Goethe seinem Zeller ; aber dass diese Abweisung der Musik Wagner's nothwendig aus seinem philosophischen System erfolgen mussle, wird Niemand beweisen können. Wer nicht kleinlich verfahren will, sollte also Wagner mit dergleichen verschonen. Von Wagner als Philosophen kann man Irotzdem denken, was man will. Als reiner Philosoph sieht ein Mann in unseren Augen nicht hoch, der 1850 das in Feuerbach erblickte, was er später, als Schopenhauer aufkam, ¡n diesem zu finden glaubte; er zeigt sich dadurch nur als ein im Geistigen sinnlicher Mensch, der den stärksten Impulsen seiner Zeit mit einer solchen Lebendigkeit folgte, dass die unklaren Köpfe versucht wurden, ihn, der doch nur ein Geführter ist, als Führer anzusehen.

Ueber das Verderben, welches Wagner's Opern unter den Stimmen der Sänger anrichten, äusserle Herr Kalbcck sich vorhin sehr entschieden ; ja er sagte sogar, »der Naturalist, welcher binnen weniger Monate die elementaren Handwerksgritfe sich angeeignet halte«, erscheine , »sofern er nur eine imposante Gestall und eine kräftige Lunge« besitze, dem gründlich und allseilig ausgebildeten Sänger in allen Stücken überlegen, allerdings nur so lange, als er im Vollbesitze seiner Mittel« sich befinde (S. i). Das steht in der Einleitung, man hält es also für das Thema, nach welchem die Kritik der Sängerleistungen erfolgen soll. Nun lesen wir aber S. 15: «Herr Scaria, dein mit Gurnemanz die dankbarste, aber anstrengendste Partie zufiel, hat ein Meisterstück musikalisch-declamatorischcr Charakteristik geliefert ; auch die Herren Winkelmann (Parsifal) und Reichmann (Amfortas), sowie Frau Malerna (Kundry) sind ihren wenig verlockenden Aufgaben vollkommen gerecht geworden .... und für den Klingsor Hill's wird wohl ein anderer Vertreter der anständigen Miltelmässigkeit sich finden lassen.« Das ist die ganze Kritik. Wie nun? Will Herr Kalbeck, der Wiener Keuille- lonist, damit seine Wiener Hofopernmilglieder, denen 'der Löwenantheil an den Lorberen« der Parsifal-Solislen gebühre, hinstellen als Naturalisten von imposanter Gestalt und kräftiger Lunge mit schnell angeeigneten Handwerksgriffen ? und den Bassisten Hill dagegen als »gründlich und allseitig ausgebildeten Sängen, weil jene ihm »in allen Stücken überlegen« waren? Zu dieser Folgerung müsslen wir um so mehr gelangen, da Herr Scaria als der Meislbelobte wirklich ein solcher hand- werksgriffiger Naturmensch ist, und Hill dagegen seit 20 Jahren bewiesen hat, dass er noch etwas anderes kann, als mit Aiis- ruferstimme in Zukunftsopern declamircn. Aber trolzdem meint Herr Kalbeck dieses nicht, er ist himmelweit davon entfernl ; nicht Tadel, sondern Schmeichelei bietel er seinen Landsleuten. Seite i wollte er lediglich Wagner etwas Unangenehmes, Seite 75 dagegen den befreundeten Sängern, die er jeden Tag auf der Sirasse trifft, etwas recht Verbindliches sagen. Ob Seite 4 und Seite 75 nun zusammen passen, wer kümmert sich darum? Genug, wenn jede Seile für sich ihren Zweck erreichl. Wir meinen aber doch, dass Jemand, der sich selber in so an- mulhige Widersprüche verwickeil, im Aufstöbern von Ungereimtheiten bei Ändern wohl etwas massiger sein könnte. (Fortsetzung folgt.)

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Briefe und Gelder werden franco erbeten.

Musikalische Zeitung.

Verantwortlicher Rédacteur: Friedrich Chrysander.

Leipzig, 27. September 1882.

Nr. 39.

XVÏÏ. Jahrgang.

Inhalt: Mozart's Werke. (Leipzig, Breilkopf und Hörlei.) (Serie V, Opern, Nr. 9: La finta Giardiniera. Serie VI: Arien, Duette, Terzette und Quartette.) — Neue Compositionen Theodor Kirchner's. (Schluss.) — Theodor Kirchner's neueste Compositionen. — Parsifal- Literatur (i. Thematischer Leitfaden durch die Musik des Parsifal nebst einem Vorwort von Hans von Wolzogen; t. Parsifal. Einführung in die Dichtungen Wolframs von Eschenbach und Richard Wagner's, nebst einer Zusammenstellung der hauptsächlichsten Motive in Wagner's Parsifal, von 0. Eichberg). (Fortsetzung.) — Anzeiger.

Aufforderung zur Subscription.

Mit dieser Nummer sehliesst das dritte Quartal der Allgemeinen Musikalischen Zeitung. Ich ersuche die geehrten Abonnenten, die nicht schon auf den ganzen Jahrgang abonnirt haben, ihre Bestellungen auf das vierte Quartal rechtzeitig aufgeben zu wollen. j Rieter-Biedermann

Mozart's Werke.

(Leipzig, Breilkopf und Härte!.)

Serie V, Opern, Nr. 9 : U linl» tiardinier«. Opera buña in 3 Aden. Partitur. 277 Seiten Fol. Pr. Л 21. —.

Im Jahre l 77i für München geschrieben und dort zuerst am 13. Januar 4775 mit vielem Beifall aufgeführt, gehört dieses Werk zu den letzten Erzeugnissen der mittelfrühen Periode des Meislers. Auf die Giardiniera folgten »II Re Pastoren, Zaide, Musik zu l liamos, und sodann kam der Idomeneo.

Die Musik ist zwar durchweg schön , man kann aber doch wohl sagen mehr reich als schön, denn sie ist nicht immer sacbgemäss, sondern schwimmt jugendlich übermütbig in der Fülle der Gedanken, ohne sich um die exacte Bühnenwirkung und um das rein Gesangliche viel zu kümmern. Den Text neun! Jabn »elend', doch möge man sich dadurch nicht bange machen lassen , denn er ы genau so gut, wie hundert andere Texte, die erfolgreich iu Musik gesetzt wurden. Für mannigfaltige Scenen und possirliche Zusammenstösse ist gesorgt; und ob man die agirenden Personen als 'Charaktere» oder blos als Theaterpuppen ansehen will, ist für die Sache ziemlich unerheblich, da die Personen gut mit einander contrastiren. Es gab allerdings weit bessere Texte der Opera bufla in jener Zeit, aber Mozart's Musik zu der Giardiniera ist ebenfalls kein Musterwerk dieser Gattung geworden , denn wer , wie Jahn , meint, seine Composition habe «selbst über die vortrefflichsten gleichzeitigen komischen Opern ein entschiedenes Uebergewichl behauptet« (Mozart II2, ÎÎ41, der muss jene »gleichzeitigen komischen Opern» von vornherein über die Achsel angesehen haben. Mozart sollte etwas Anderes leisten, als Piccinni, Paisiello U.A., aber Anno 1774 halte er sie wahrlich noch nicht übertroffen.

Auch die Musik dieser Oper ist, wie so manches andere herrliche Product Mozart's . nie recht in die Welt gekommen. Nicht einmal die Partitur ist in ihrer Integrität erhallen. Von dem Autograph sind nur die beiden letzten Acte ¡II und III) erhallen, welche André besass (oder noch besitzt?). Der erste Act muss früh verzettelt sein, wahrscheinlich hat Mozart ihn aus der Hand gegeben, als eine deutsche Bearbeitung des Stückes vorgenommen wurde. Von einer erweiterten deutschen Be

arbeitung hat sich der erste Act erhalten in einer Abschrift, die Hauser in München besass ; dieselbe geht bis zum Anfange des Finales und sind »in der Musik mancherlei Veränderungen vorgenommen«, namentlich ist »die Instrumentation nach Maassgabe des modernen Orchesters verstärkt worden«. So berichtet Jahn II, 213 und fügt hinzu : »Wer diese Arbeit unternommen hat, ist nicht bekannt«. Aus den Worten , die Begleitung sei »nach Maassgabe des modernen Orchesters verstärkt worden« muss man schliessen, dass diese deutsche Abschrift aus einer erheblich späteren Zeit herrührt, doch findet sich darüber weder bei Jahn noch bei Köcbel eine Andeutung. Dies ist aber nicht die Verdeutschung, an welcher Mozart selber sich betheiligte, denn diese wurde wahrscheinlich bald nach der Münchener Aufführung in Salzburg unternommen. Der deutsche Text ist nämlich von Vater Mozart's Hand in die Originalpartitur eingetragen , wobei der Declamation wegen die Noten hie und da etwas geändert sind. »Dass Wolfgang dieser Bearbeitung nicht fremd geblieben war, erkennt man daraus, dass auf besonderen Blättern die begleiteten Recitative, welche in der deutschen Oper beibehalten wurden, von seiner Hand umgeschrieben beiliegen. An die Stelle des Seccorecitativ trat gesprochener Dialog, die deutschen Stichwörter sind von einer dritten Hand eingetragen. In Reinhardl's Theaterkalender ist seit 1781 unter Mozart's Werken die Operelle Das verstellte Gärtnermädchen aufgeführt und unter diesem Titel wurde sie <789 in Frankfurt aufgeführt. Wahrscheinlich hat Mozart die Bearbeitung nach seiner Rückkehr aus Paris in Salzburg vorgenommen, wo er sich mit mancherlei Arbeiten für die deutsche Oper beschäftigte. Die Ueberselzung kann man Schachtner zutrauen. Die Partitur ist in Abschriften erhalten und unter dem Titel Die Gärtnerin aus Liebe wurde bei Andre eine Auswahl der Arien, neuerdings in Mannheim [bei Heckel] ein vollständiger Ciavierauszug gedruckt.« (Jahn, Mozart II, 2Kl.) Hier haben wir nun die wirkliche Partitur, die aber ein etwas buntscheckiges Ansehen erhalten hat. Der erste Act hat nur deutschen Text und hier fehlen die Recitative. Im zweiten und dritten Act haben wir Recitative mit italienischem Text und Arien mit italienischem und deutschem Text; auch die mehrstimmigen Gesangstücke sind übersetzt.

Wir theilen diese Notizen mit, weil Iq der Ausgabe ein orientirendes Vorwort fehlt. Um das Werk nocli vollständiger erscheinen zu lassen, hätte wohl passend der vollständige italienische Text des ersten Actes entweder zwischen der deutschen Musik, oder auf einem besonderen Blatte, milgetheil! werden können. Doch auch ohne eine derartige-Beigabe heissen wir die schone Edition herzlich willkommen.

Serie VI : Ariel, OuHir, Temtte und tluartette mit Begleitung des Orchesters. Erster Band, Nr. 1 bis 23. Partitur. 222 Seiten Fol. Pr. Л 16. 80.

Der vorliegende erste Band enthält von den in dieser Serie vereinigten Arien, Duetten, Terzetten und Quartetten zunächst die Arien. Neun von diesen werden durch .ein Recitativ eingeleitet, eine der Arien steht in einer »Scene«, und Nr. 46 ist lediglich als »Scene« bezeichnet. Die übrigen zwölf Stücke sind einfache, für sich bestehende Arien ohne weiteren musikalischen Zusammenhang. Die 23 Nummern stehen in folgender Reihe : f. Arie für Tenor \a, dal furor pórtala«. C-clur. Text aus Melastasio's Ezio. 4765 in London componirl , also der früheste Versuch dieser Art. Das Orchester ist vollstimmig, Hörner, Oboen, Fagotte nebst den Streichern, und arbeitet lustig darauf los.

Î. Arie für Sopran »Conservati fedelet. A-dur. Text aus Melastasio's Artaserse. 4766 im Haag componirt, also bald nach der ersten. Ist nur von Saiten begleitet. 3. Recitativ und Arie für Tenor (Licenza) »Or che il douer —

Tali e cotanti sofio«. D-dur. Mit grossem Orchester. i. Recitativ und Arie (Licenza) »Л Berenice e Votogeso — Soi nascente in questo giorno'. G-dur. Recitaliv und Arie haben dasselbe Orchester, denn beide werden ausser den Streichern von Oboen und Hörnern begleitet, was als ein Mangel gesanglicher Oekonomie bemerkt zu werden verdient.

5. Recitativ und Arie für Sopran 'Misero me — Misero par- golettoo. Es-dur. Text aus Metastasio's Demofoonte. 4 770 in Mailand componirl. Was von dem vorigen Stücke hinsichtlich der Begleitung gesagt wurde, gilt auch von hier — sogar in verstärktem Maasse, da das Recilativ ein grösseres Orchester (Oboen , Fagotte , Hörner , Violine I und H, Viola I und II und Bässe) hat, als die Arie, welche letztere sich ohne ausgeschriebene Fagotte und mit einer Violastimme behelfen muss. Die Absicht, das lange Recitativ sehr reich zu illustriren , liegt klar zu Tage : aber ebenso klar ist auch , diiss der 4 4jährige Tonsetzer sich in den Mitteln vergriff. Jedoch Musik ist darin von Anfang bis zu Ende, und dies war es , was die Hörer einnahm. Das Stück bildete nämlich mit den beiden folgenden zusammen gleichsam eine Probearbeit, welche der junge Mozart machen mussle, als er in Mailand anwesend war, und deren Gelingen durch eine derartige Aufführung bei dem Grafen Firmian bestätigt wurde, worauf er die Oper Milridate für das nächste Jahr zur Composition erhielt.

6. Arie für Sopran «Per pietá, bell' idol mió*. Es-diir. Text aus Metastasio's Artaserse. Gleichzeitig mit der vorigen 1770 in Mailand geschrieben und aufgeführt, wie auch die folgende Nummer :

7. Recitativ und Arie für Sopran »O temerario Arbace — Per quel paterno ampíeme«. Das Recilativ beginnt in Es- dur, die Arie steht in B-dur. Dies war das letzte und ist wohl das schwächste der drei Mailänder Probestücke. Für Quintenjäger liefert die Arie eine reiche Ausbeute. Text ebenfalls aus Artaserse.

8. Arie für Sopran »Se tutti i mali «nt'n«. Es-dur. Text aus Metastasio's Demofoonte. 4770 in Rom componirl.

9. Arie für Sopran »t'ra cento affawii«. C-dur. Text aus Melastasio's Artaserse. Ein au-geführles Stück für volles Orchester, ebenfalls (770 in Mailand und wahrscheinlich auch für eine Aufführung bei dem Grafen Kirnnan geschrieben, aber augenscheinlich zu Ende dieses Jahres, da es eine reifere Gestalt zeigt, als die vorigen Arien Köchel führt es deshalb wohl mit Recht als Nr. 88 nach der Oper Mitridate auf. Er fand das Stück 1860 in der Münchener Bibliothek in Mozart's Handschrift : bei Jaln, ist es nicht erwähnt.

10. Arie für Sopran ¡Passionslied, »Kommet her . ihr frechen Sünder». B-dur. Liedarlig und kurz, ein wenig colorir!

4 t. Arie für Tenor »St mostra la sorte». D-dur. Am ( 9. Mai (775 in Salzburg componirt.

41. Arie für Tenor »Con ossequio, con rispelto". C-dur. Enl- stand mil der vorigen gleichzeitig, nämlich ebenfalls im Hai 4775 zu Salzburg.

43. Arie für Sopran «Voi avete un cor fedele«. G-dur. Am z6. October 4775 in Salzburg geschrieben. Ein sceni- sches Stück, für »Donna« ; lang und wechselreich.

4 4. Recilaliv und Arie (Rondo) für Alt »Ombra felice — lo li luscio«. F-dur. Der Text ist der von Morlellari compo- nirlen Oper »Didone abbandonata« entnommen und im September 4776 in Salzburg geschrieben. Es ist als »Rondo« angelegt, eine Form der Arie, die damals allgemein beliebt war; Mozarts Stück ist aber mehr ein In- slrumenlal- als ein Gesang-Rondo.

45. Arie für Tenor »Clarice cara mía sposa". D-dur. Ebenfalls im September 4776 in Salzburg componirt. Das Stück ist »Arie« betitelt, muss aber mehr als eine mit Recilativen durchwehte kleine Scene angesehen werden. Der Hauptsängcr ist »Capitanon ÍTenorl , dieser singt die komische Arie und wird von »Don Timoteo« recitaliviscl: unterbrochen.

4 6. Scene für Sopran »Ah, lo previdia. Anfang E-dur. Schlug B-dur. Der Text ist der von Paisiello componirten Oper Andromeda entnommen und im August t 777 [Jahn I. 23i hat »4776« als Schreib- oder Druckfehler] in Salzburg geschrieben. Zwei längere Recitative und eine Arie laufen in eine »Cavatina« in B-dur aus, die, ¡n Rondoform gehallen, zu den besten canlablen Sologesängen von Mozart gehört. Man nimmt an, dass diese ebenso gross angelegte wie ausgeführte Scene für die damals besuchsweise in Salzburg anwesende Sängerin Josepha Duschek componirt wurde. Es ist eine der bekanntesten der von Mozart geschriebenen Solo-Scenen , die sich auch fortdauernd als die wirksamste derselben erweisen dürfte. Die Recitative sind blos von Saiteninstrumenten begleitet, wodurch sich die Arien bedeutend heben.

47. Recilaliv und Arie für Sopran »Alcandro, lo confessa — .Von so <Ionde viene«. Das Recilativ beginnt B-dur, die lange Arie steht ¡n Es-dur. Der Text ist Metaslasio's Olimpiade entnommen.

48. Arie für Tenor r.Sc ni labbro mió non redi«. B-dtir. Text »>us Hasse's Oper Artaserse" steht in der Ueberschrift S. 418; es wäre deutlicher gewesen zu sagen: »Der Text ist von Melastasio, aus Hasse's Oper Arlaserser. Die Composition entstand in Mannheim am Î7. Febr. 4778 : sie ist sehr lang.

49. Recitativ und Arie für Sopran *Popoli di Tfssaijlia — lo nnn chiedo«. Das lange Recitativ steht in C-moll, die noch breiler ausgeführte Arie in C-dur. Die Composition entstand in München am 8. Januar 4779 und nimmt schon dadurch unsere besondere Aufmerksamkeil in Anspruch, dass der Text aus Gluck s Oper Alceste stammt. Mozarl trat also hier mit seinem grossen Vorgänger inConcurrenz. doch können wir für jetzt nicht naher darauf eingeben ; vgl. Jabn I, 517—20. wo hiervon ausführlich die IteJe ist. Es war zum Bravourstück bestimmt tur die Aloysia Weber, Mozart's alle Klamme.

JO. Recitativ und Arie für Sopran »ila ehe oi fecc — Sperm псшо«. F-dur. Text aus Metaslasio's Demofoonte. An- geblich 1781 comyionirt. Die Arie ist sehr lang. i l. Scene und Arie für Sopran »Misera, </o« sun — Ah! non ionio«. Es-dur. Text aus Melaslasio's Ezio, und am 8. März t ; ч in München geschrieben. Weil .Melaslasio's allbewunderte Texte damals schon 50 Jahre lang von den grössten Meistern um die Wette componirt waren, hat man ein sehr reiches Material. um Mozart's Arien ver- gleichen zu können. In dieser Hinsicht 1-1 bisher noch wenig geschehen.

Ja. Recital!v und Arie "Ah i/uesto »eno — Or che ¡l cielo«. Recitativ B-dur. Arie Es-dur. 1781 in Wien geschrieben. Die Arie ist ein Rondo. 13. Arie für Sopran »Xehmet meinen Dank*. G-dur. Am

10. April 178! in Wien componirt.

Diese 23 Stücke enthalt der erste Band . der dadurch sowohl äusserlich gewichtig, wie innerlich gehaltvoll geworden ist. Bei weitem das meiste davon war bisher ungedruckt, also der Well gänzlich unbekannt.

Wie man aus der Aufzahlung ersehen hat, sind hier Gesänge für Sopran. Alt und Tenor durcheinander gestellt. Die Herausgeber haben, wie es scheint, die chronologische Reihenfolge gewählt, wobei eine andere Anordnung allerdings nicht wohl möglich war. Eine Zusammenstellung nach den Stimmen Sopran — Alt — Tenor — Bass würde für die Besitzer der Ausgabe freilich auch seine Annehmlichkeiten gehabt haben.

Mozart hat etwa fünfzig Sologesänge dieser Art geschrieben. Von denselben liegt in diesem ersten Bande also ungefähr die Hälfte vor.

Nene Compositionen Theodor Kirclmer's.

iSchluss.

Lieder von Theodor Kirchner.

1. Hn i l.ciliihii' von l i.iii/ von Holstein für eine Singslimme mit Begleitung des Pianoforte conipouirt von l liritiltir Kirchner. Op. 10. Leipzig, Leuckart. á JÍ. i. Serbs Lieder von Victor BlUlhgen für eine .Singslimme mit Ciavierbegleitung componirt von Theodor Kirchner. Üp. 50. Leipzig, Hofmeister. 5 ,#. Eine früher ausgesprochene Hoffnung. Kirchner auch wieder auf anderen Gebieten, als dem der kürzeren Claviercom- position. zu begegnen, sehen wir in den beiden obigen Heften erfüllt, und zwar in der erfreulichsten Weise. Während wir alle Vorzüge seiner Ciaviermusik, einfache und ungesucht schöne, vom Zauber der Romantik angehauchte Melodik. Herrschaft über die feinsten Züge der Harmonik und Kbentnaass der Gestaltung hier wiederfinden, gesellt sich dazu eine Wahrheit und Tiefe der Empfindung, eine ergreifende Innigkeit des Ausdrucks, ein glückliches Geschick der Behandlung des Wortes und der Stimme, welche diese Lieder zweifellos dem Besten gesellen, was die neuere Zeit in dieser Gattung hervorgebracht hat.

Die erste Sammlung isl ein rührendes Erinnerungsopfer an einen zu früh geschiedenen Freund ; die Texte sind Dichtungen des aro îi. Mai 1878 verstorbenen Componislen Frani v. Holstein, die er in seinen letzten Lebenslagen und im Vorgefühle des nahenden Todes schrieb. Daher der lief laslende Druck, der grossarlige Ernsl, dem auch der Componist Ausdruck gegeben bal. In dem düstern As-moll 2/4' bewegt sich die Melodie des ersten Liedes ;»Und ist es ein Traum gewesen«)

'langsam und schwermülhig«, dabei in den einfachsten, schmucklosesten Weisen: das Vertrauen auf den Heiland hebt den Ausdruck, die Hoffnung des künftigen Lebens, durch enharmonische Verwechslung der Accorde ahnungsvoll eingeleitet, wird mit ebenso einfachen Zügen wiedergegeben, der am Schlüsse gehobenen Hotrnungsslinimung giebt das Nachspiel eine schöne Bestätigung , wenn auch die unheimlichen Klänge , die an das Ende mahnen, nicht цяпг verstummen. Noch glücklicher gelingt ihm dieser Ausdruck frommer, hochernster Ahnung indem zweiten Liede '»Holl'nungsslern«, E?-moll 2/4), wo in der Thal Visionen, von unheimlichen Schauern umrauscht, uns gespannt hallen, bis zum Schlüsse die hoffende Ergebung siegt. Das dritte Lied »In der Nacht«, C-moll /„, Andante) lässt in dem Miltelsatze noch einmal die Erinnerung an das Wohlgefühl besserer Tage erklingen, und das Ganze hat beweglere Stimmung. Vielleicht könnte der durchweg trübe Inhalt die Lieder manchen Kreisen , in denen Gesang gepflegt wird , ferner halten ; wir würden das bedauern : sie sind echte Meislerwerke sowohl der Erfindung als der Charakteristik und formellen Gestaltung.

Die z weite Sa mm l u ng isl von leichterem, mehr heiterem Charakter ; die Lieder von Blüthgen sind sämmtlich in verschiedener Weise erotischen Inhalts. Die ganze Anmuth des Ausdrucks, die Kirchner zu Gebote steht, ist über dieselben ausgegossen. Auch sie sind einfach erfunden , natürlich sangbar und werden jeden, der Geschmack und richtige Empfindung hat. sofort anmuthen. Das erste Lied '"Schweigende Liebe«, A-dur2,4, nicht schnell) haleine einfache, doch belebte und sich hübsch entwickelnde Melodie, die bei aller Zurückhaltung doch eine feste Gesinnung glücklich ausdrückt. Das Transponiren der Motive um einen Halbton , wodurch in kurzem Schritte entlegene Tonarten geslreifl werden — dieses von Brahms so meisterhaft angewandte Ausdrucksmittel — weiss auch Kirchner geschickt anzubringen. 'Glücks genug«

heissl das zweite Lied (A-moll

»im Tempo wie das Gedicht

gesprochen werden müssle«j ; eine wenig bedeutende Poesie wird hier durch die ansprechende Weise, die sich den Strophen leicht anbequemt (das Lied isl volksthiimlich gehauen und nicht durcheoinponirl), zu einiger Bedeutung erhoben. Dasselbe lässl sich auch von dem folgenden Liede sagen (»Mein Herz, nun lass das Weinen«, D-moll C). welches einen trüberen Ton an- schlägl ; das rechte Glück , meint der Dichter, müsse immer erst noch kommen, daher solle man das Verlorene nicht beweinen. Der subjecliven Stimmung hat die leicht zugängliche ausdrucksvolle Melodie, die zu sehr ernstem Abschlüsse führt, erst den allgemein gültigen Charakter gegeben. Nun, ein neues Glück erscheint ja ; »Verwandelt» (A-dur C, bewegt; zeigt das Folgende den Dichter ; die Liebe hat ihn alles Frühere vergessen machen. Der Componisl deutet die Bewegung in der Begleitung an, über welcher sich die charakteristische Melodie in einfacher natürlicher Declamation erhebt. Folgende Modulation (aus F-dur)

Singet.

dürfte Bedenken erregen. Warum der Dichter in seinem Glücke gerade »des Asphodelos Dufl« alhinet, ist uns nicht klar, zumal ihm auch die Quantität dieses Homerischen Gewächses undeutlich geblieben isl; der Componist musste ihm freilich darin folgen. Das fünfte Lied (»Woher?« D-dur C, ziemlich langsam, träumerisch kling! in den Wendungen der Melodie, namentlich dea Abschlüssen, vielfach an Schumann an, mit dessen Empfindungsweise verwandt zu sein, von Anbeginn als charakteristisch bei Kirchner bezeichnet worden ist. Die Modulation ist hier wieder von besonderem Reize und bebt den wonnig-träumerischen Ausdruck. «Durch den Tanz der Abendschatten« ist das letzte der Lieder (H-dur %, zart, in massiger Bewegung); das Bild des Kahnes, der zu Lande fahrt, und den Schiffer seinem Glücke znführi. hat den Componisten zu einer sehr anmulh- vollen Behandlung des Textes geführt; sowohl die selig sieb wiegende Melodie der Singstimme, als auch die in glücklicher Malerei hinfliessende Begleitung geben dem Stück eine besonders einschmeichelnde Wirkung.

Der Beruf Kirchner's zum Liedercomponislen war schon durch die Arbeiten seiner ersten Zeit ausser Zweifel gestellt und wird durch diese, nach langer Unterbrechung folgenden Gaben von neuem bestätigt. Wir geben dem Wunsche Aus- druck, ihm auf dem Gebiete des Liedes und der Gesangscom- position auch in Zukunft noch häufig zu begegnen.

Dr. H. Betters.

Theodor Kirchner's neueste Compositionen.

Op. 57. 12 flrlí¡nalc«ep*s¡tieneo filr Pianoforte zu vier Händen. Leipzig, C. F. Peters.

Op. 58. Kindi-rlrios für Ciavier, Violine und Violoncell. Berlin, N. Simrock.

Op. 59. Ntfellettee ftlr Ciavier, Violine und Violoncell. Berlin, N. Simrock.

Op. 60. riaudwicn am Ciavier. Berlin, N. Simrock.

Op. 61. Charaktentaeke ftlr Clavier. Leipzig, Friedrich

Hofmeister.

Wie es bedeutende Maler giebl, die ein höchst beschränktes Kunstgebiet pflegen, welche in knappen Dimensionen stets denselben landschaftlichen Slimmungston, den nämlichen wolkenbedeckten Himmel oder dasselbe Wald und Flur verklärende Sonnenlicht wiedergeben und nur durch die liebevolle Sorgfalt, mit der sie sich in ihr Darstellungsobject versenken , den Beschauer immer neu zu fesseln verstehen, so finden wir auch hochbegabte Musiker, denen eine bestimmte Kunstform, ein einzelnes Instrument genügt, um ihr inneres Leben daraus zurücktönen zu lassen. Chopin, dessen feinorganisirte, nervös leidenschaftliche Natur jeder Lufthauch gleich einer Aeolsharfe zu wundersamen Klängen bewegte, hat, abgesehen von einzelnen Liedern und wenigen Kammermusikarbeiten, nur für Pianoforte geschrieben. Von Stephen Heller , einem der geistreichsten jener Davidsbündler, die sich dereinst um Robert Schumann's Fahne geschaart, besitzen wjr blos Ciavierwerke. Beschränke sich doch Schumann selbst längere Zeit, d. h. bis zu Op. 2i , auf dies Eine Instrument und ging erst, nachdem er dem jugendlich phantastischen Sturm und Drang entwachsen und namentlich Mendelssohn's Einfluss erfahren, zum Lied und dann zu den grösseren Chor- und Instrumentalformen über! — Theodor Kirchner, wohl der talentvollste, dem Meister geistig verwandteste unter Schumann's Jüngern, ist gewis- sermaassen bei dessen erster Periode stehen geblieben. Sein Instrument ist wiederum das Ciavier, seine Darstellungsform das sogen. Charakterstück, d. h. jenes bald liedartig gegliederte, bald dem Scherzo oder Rondo sich annähernde Gebilde, das zur Wiedergabe subjecliver Stimmungen, poetischer Bilder, wie sie wolkengleicb durch die Seele des Tondichters ziehen, besonders geeignet erscheint. Rechnen wir einige hauptsächlich in des Künstlers Jugend fallende Lieder, ein Streichquartett und einige kleinere Sachen für Ciavier, Geige und Cello ab, so sind es bis auf die neueste Zeit nur Compositionen für Pianoforte, welche Kirchner veröffentlicht hat. So mannigfaltig er nun auch den lyrischen Ausdruck zu nüanciren, so meisterlich

er dasColorit dem jeweiligen Empfindungsion anzupassen weiss, eine gewisse Gleichartigkeit in Form und Farbe dürfte sich auf die Dauer unmöglich vermeiden lassen, wenn der Componisl am zweihändigen Ciaviersatz und seiner kurzatbmigen Kleinkunst unverrückt festhalten würde. Um so mehr freut es uns. heule auf eine Anzahl Tondichtungen Kirchner's hinweisen zu können, in denen er keineswegs die gewohnten Pfade wandelt und wobei er sich theilweise nicht mit seinem geliebten Ciavier begnügt, sondern Streichinstrumente zur Darstellung heranzieht. Die Compositionen Op. 57 — 6t, alle innerhalb Jahresfrist ans Tageslicht getreten, werden durch eine Arbeit zu vier Händen eröffnet, mit welcher Kirchner dies Gebiet annulling geselliger Kunst besonders glücklich betritt. Sie umfassen des Fernern zwei reichhaltige Werke für Pianoforte, Geige und Violoncell und schlössen in Op. 60 und 6l mit Claviercompo- sitionen zu zwei Händen ab, in denen sich der Künstler abermals als ein wesentlich verschiedenartiger zeigt.

Fassen wir zunächst die als Op. 57 bei C. F. Peters in Leipzig erschienenen ( t Originalcompositionen zu vier Händen ins Auge, so vereinigt sich hier mit blühender Frische der Erfindung eine Sorgsamkeit der Factur, die dem schlichtesten Gebilde den Stempel künstlerischer Vollendung aufdrückt. Gleich Nr. t (Moderato, E-dur *Д) ist ein Stück voll Wohl- lau!, jeder Ton gleichsam von mildem Sonnenlicht bestrahlt. Ihm folgt in knappem Zweiviertelrhytbmus ein Scherzosatz aus E-inoll, dessen Humor etwas kurz Angebundenes hat. Breitere Form zeigt Nr. 3 , ein marschartiges Allegro ma non troppo (E-dur 4|4'. Dem scharf markirlen Hauptsatz tritt ein С dur- Trio gegenüber, das ebenso zarten wie eindringlichen Gesang entfaltet. In Nummer 4 {poco vivace, 2,4 G-durj pulsirt kecke Lebenslust. Nur im Mittelsatz gewinnt tieferes Empfinden folgende melodische Gestalt (wir ziehen der Kürze halber in Ein System zusammen)

Nummer 5 und 6 verhalten sich gegensätzlich. Dort ist alles gleichmässig gebunden, von ruhigem Ernst erfüllt ; hier hüpfen die Noten dahin wie emporgeschnellt von unbezwinglichem Uebermuth. Das zweite Heft wird von einer Liedweise (Andante espressivo, D-dur 4/4) eröffnet, die in ihrer gesätligten Empfindung unmittelbar an Aehnliches bei Rob. Schumann gemahnt. Nr. 8 und 10 sind Scherzosätze, der erstere aus ll-moll. der letztere aus G-dur, beide fast durchgängig staccato gehallen, voll prickelnden Lebens. Ein wiederum liedförmig gegliederter H moll-Satz von schönem Ausdruck tritt als Nr. 9 dazwischen. Ueber dem erslen Theil der Nummer l ) (E-moll, poco lento 2/4) liegt ein Hauch wehmüthiger Trauer, die auch der Edur- Miltelsalz nicht völlig zu schwichligen vermag. Capriciös ge- launl ist Nr. <2, ein Geplauder, dem die herben Accente und dynamischen Steigerungen etwas Streitsüchtiges geben. Um so unmittelbarer wendet sich der Schlusssatz an des Hörers Herz, ein Abschiedslied, das wiederum Schumann geschrieben haben könnte.

Eine originelle Idee war es, die Form des sogen. Clavier- trios, d. h. die Combination der drei Instrumente: Pianoforte, Violine und Cello auf das Kinderstück anzuwenden und somit »Kindertrios" zu schreiben, wie es Kirchner in seinem Op. 58 gethan hat. Die < 5 Skizzen, welche die beiden Hefte um- schliessen , sind Fraulein Eise Simrock, wie wir vermuthen einer Tochter des Herausgebers N. Simrock in Berlin dedicirt. Dass Kirchner an eine Ausführung der Trios durch jugendliche Spieler gedacht hat, beweisen die Einfachheit des Ausdrucks, wie die leichte Spielbarkeil sämmtlicher Stücke. Mögen sich die feineren Schönheiten des Werkes , die poetische Grazie mancher Wendungen erst dem gereifleren Geschmack enthüllen, anregend werden diese anmuthsvollen Tongedichle auch auf die Jugend, auf Lernende jeder Altersstufe wirken. Besonderes Gewicht legen wir darauf, dass die Kirchner'sehen Stücke dem Schüler Gelegenheit bieten. sich schon früh im Zusam- tnenspiel mit anderen Instrumenten zn versuchen , gleichsam die ersten Stufen jenes geweihten Tempels zu betreten, welchen unsere elastische Kammermusik auf dem Boden .1er Tonkunst darstellt. Werweiss, wie schwer es oft selbst geübten Ciavierspielern füllt, sich zu den Streichinstrumenten beim Trio . Quartett oder Quintett ins richtige Verhältniss zu setzen, den leinen Conversalionston zu (reffen, der sich ¡n solcher Gesellschaft geziemt, der vermag auch den Wertli frühzeitiger Uebung auf diesem Gebiet z'i schätzen , und wir sind daher überzeugt, dass sich gerade die Musikschulen, zu deren schönsten Aufgaben die Pflege der Kammermusik gehört, die Kirchner sehen Trios als werlhvollen Lehrstoff nicht werden entgehen lassen. Dass der Satz ein musterhafter, die Stimmführung gewählt. das Klangcolorit bei aller Schlichtheit der Harmonisation wirkungsvoll und schön abgestuft ist, das bedarf Kirchner gegenüber keiner besonderen Versicherung. — Wir können auf all die einzelnen Nummern nicht eintreten und wollen blos auf einiges besonders Anmulhige hinweisen. In Nummer l steht dem С dur-Scherzo ein Trio aus A-moll gegenüber , dessen zweitheiliger Rhythmus und ruhigere, mehr in sich gekehrte Haltung mit dem kecken Ungestüm des Hauptsatzes schön contrastiren. Köstlich ist Nummer 7, welche die Vorlragsbezeichnung »Etwas betrübt« an der Stirne trägt und deren klagende G moll-Weise das rasch verflüchtigte Leid einer Kinderseele wiederspiegelt. Das zweite Heft wird durch einen warmempfundenen Liedsatz aus As-dur eröffnet. In Nummer ( 3 beginnen die Streichinstrumente eine Art Reigen von schalkhafter Zärtlichkeit. Das Ciavier imitirt zunächst echoartig und kommt erst später zum selbständigen Wort. Das Ganze ist voll Humor und schliesst mit einem viermaligen Sechszehnlelgang der Streicher, der wie muthwilliges Gelächter tönt. Vielleicht das graziöseste Tonstück des Werkes bildet Nummer 14, eine Art Landler aus G-dur. Das Melodische des Hauptsatzes bestreuen hier Geige und Cello ziemlich gleichmässig, während das Pianoforte mehr nur accompagnirt. Erst im Mittelsalz aus Es vertheilt sich der überströmend innige Gesang auf sämml- liche Instrumente.

Grosser geformt, inhaltlich vielseitiger und bedeutsamer sind die wiederum für Pianoforle, Violine und Violoncell geschriebenen Novelletlen Op. 59, welche in zwei Heften ( î Nummern enthalten und die Kirchner dem als Componisten vortheil- hafl bekannten Heinrich von Herzogenberg und seiner Gemahlin Elisabeth geb. von Stockhausen , einer vorzüglichen Clavier- spielerin, zugeeignet hat. Gleich als erste Nummer tritt uns ein ziemlich weil ausgeführtes Tonstück (Allegro con fuoco, G- moll 3/t; entgegen, das alle drei Instrumente gleichmässig beschäftigt. Mit der Herbigkeit des Ausdrucks, dem leidenschaftlich feurigen, das sämmlliche Motive dieses Satzes kennzeichnet,

tritt die ruhige Haltung der zweiten Nummer in Gegensatz. Das Cello stimmt hier folgenden Gesang an : Cantabtie.

Cello.

espressii-o.

der dann von der Geige aufgenommen wird, bis er sämmtliche Instrumente gleichmässig beherrscht. Ein eigenartig düsterer Zug gehl durch Nr. 3 i'Es-moll J/t), ¡n welcher der Componist

mit dem Motiv :^J-»-,J-jE: sein phantastisches Spiel treibt.

Der trioartige Mittelsatz aus Ges-dur bringt übrigens auch schönen Gesang, der freilich die trübe Grundstimmung keineswegs verleugnet. Aehnlich gefügt, aber trotz der Moll-Tonart heiterer und kräftiger anmulhend isl Nummer 4. Die zarte Haltung der Nummer 5 cbarakterisiren die ersten Takte, deren Gesang sich für das Cello trefflich eignet : Nicht schnell, doch nickt schleppend.

Cilio. yiSip

doke. f>

Ein kurzer Dmoll-Satz, in welchem die Streichinstrumente das Wort führen und der in seiner keuschen Zurückhaltung an Brahms gemahnt, schliesst das erste Heft ab. Im zweiten stehen wiederum die rasch beschwingten . capriciösen und die getragenen , liedarligen Sätze ziemlich im Gleichgewicht. Der ersteren Kategorie gehört Nummer l an, ein kraft- und schwungvoller A dur-Satz, dessen Fis moll-Trio in weitalhmi- gem Gesang dahinslröml, ferner die pikanle Nummer In. in welcher der Pizzicato-Effect der Streichinstrumente geistreich verwerthet isl, endlich die keck-humoristische Nummer < l, deren Motive wie von Federn emporgeschnellt werden. Unter den langsamen Stücken ragt Nummer 9 hervor, eine Art Romanze, die von verrauschter Zeit erzählt. Still und mild klingt Nummer <2 aus, mit welcher Kirchner in der ihm eigenen zartsinnigen Weise vom Hörer Abschied nimmt.

Mit Op. 60 kehrt der Componisl von den Ausflügen ins Gebiet der Kammermusik bezw. des Trios zu seiner eigentlichen Domäne, dem zweihändigen Ciavierstück, zurück, um in dem genannten und dem nächstfolgenden Werk wiederum eine Fülle frischduftender Tonblumen vor uns auszubreiten. Die 15 Nummern , aus denen Op. 60 besteht und welche Frau Amalie Wimderlv geb. Muralt zugeeignet sind, nennt der Componisl »Plaudereien am Ciavier«. Der Tilel drückt das Wesen der Tonstücke treffend aus ; es sind zwanglose Gespräche, wie man sie in giter, geistig angeregter Gesellschaft führt, nicht gerade lief geltend, meist kurz abgebrochen, den Kern der Dinge mehr streifend als erschöpfend, theilweise humoristisch angehaucht, aber niemalsgewöhnlich oder schablonenhaft, sondern durchwegs mit dem Stempel einer eigenartigen Subjectivilät gezeichnet und voll Feinheit ¡n der Form. Wir gehen auc'i hier auf die einzelnen Nummern, die öfters aus wenigen Takten bestehen, nicht ein und machen nur Einiges vom Reizvollsten namhaft. In den beiden ersten 1 5 Stücke umfassenden Heften überwiegt das graziöse Element, der Ton heiterer Schalkhaftigkeit oder zarter Anmuth. Gleich die Gdur-Weise Nr. l schlägt letzteren schön an. Von bestrickendem Wohllaut ist Nr. \i aus Dès-dur, deren Melodie sich im :t ^-Rhythmus gleich der Blume im Lenzhauch wiegt. Während durch Nr. )4 (H-dur) ein Zug liebender Sehnsucht geht, erscheint die folgende (A-dur 2/4i als eine Verkörperung unbewusster Grazie, der selbsl das leise Schmollen im Mittelsalz reizend zu Gesicht steht. Durchschnittlich etwas breiter behandelt und kecker auftretend sind die neun Stücke der beiden letzten Hefte. Nummer < б aus G-moll hat in ihrem Hauptsatz elwas energisch Vordringendes, und die beiden D dur-Gavotten 2l und í i gemahnen in ihrem rüstigen Dahinschreiten unwillkürlich an ähnliche Gebilde von Sebastian Bach. Dis r'ismoll-Weise in Nummer ÎJ charatte- risirt sogar ein entschieden pathetischer Zug. Doch fehlt es auch hier keineswegs an dem Gegensatz des Weichen . Zartsinnigen. Ein köstliches Tonslück dieser Art bildet die schmet- terlingsleicht dahinschwebende Nummer l 6 aus As, und ¡n der Schlussnummer Es-dur3/4) wird die Melodie von einer überaus schönen Begleitungsfigur wie von zarten Schleiern umwoben.

Anders geartet als die »Plaudereien« sind die »Charakterstücke für Ciavier« welche als Op. 61 in drei Heften mit je zwei Nummern bei Friedrich Hofmeister in Leipzig erschienen. Kirchner hat sie der trefflichen Pianistin Frl. Mary Krebs gewidmet, deren sinnige Vortragsweise sich für derartige, weniger virluosenhafte aber durch und durch poesievolle Musik vorzüglich eignet. Wohl die bedeutendste Nummer des Werkes, in ihrem leidenschaftlichen Charakter an die Allegrosätze aus Schumann's Novellellen gemahnend, ist gleich die erste. Der Hauptsalz aus F-moll drängt rastlos vorwärts ; unausgesetzte Sechszehntelfiguren umbrausen die Melodie gleich schäumenden Wellen. Um so zarter klingt dann der Desdur-Mittelsalz, dessen träumerischen Gesang Kirchner bei der Repetition in ein Arabeskengewand von Chopin'scher Zartheit hüllt. — Im Andantino Nr. ï fesselt besonders die harmonische Ausgestaltung, welche wiederum den feinen Klangsinn des Componislen bezeugt. Nummer 3 (Lento, Cis-moll) ist eine Art Trauermarsch, ernst und -till. Der Mitlelsatz aus Des hätte vielleicht etwas kürzer und mit dem Grundgedanken stärker conlrastirend gehalten werden dürfen. Auch die Viertelstriolen der Begleitung vermögen bei dem langsamen Tempo einer gewissen Monotonie nicht zu wehren. — In Nummer i (Allegro, E-dur 4/4Î steigt der Gesang unter einer leise schwingenden Sechszehntelfigur der rechten Hand aus der Tiefe auf, um, nachdem er sich einen Moment im Sonnenglanz gewiegt, wieder niederzutauchen. Es webt ein eigener Zauber durch das Tonstück, der uns unwillkürlich an die Geschichte von der schönen Melusine erinnert. Auch Nummer 5 (D-dur 2/4, Poco vivace] ruft ähnlichen Vorstellungen , nur dass wir hier statt des Wellengeräusches das Summen eines Spinnrads vernehmen, welches eine träumerisch holde Liedweise begleitet. Eine Art Recilativ von melancholischem Ausdruck tritt dazwischen, worauf das Lied von neuem beginnt. Den Schluss des Werkes macht ein A dur-Allegro, dessen Hauptmotiven wir schon in früheren Kirchner'schen Kompositionen begegnet sind. Der Mittelsatz hat etwas Stillfeierliches, das man fast fromm nennen möchte.

Die besprochenen Werke Kirchner's zeigen uns den Tondichter im Vollbesitz seiner producliven Kraft und geben uns die freudige Gewissheil, dass noch zahlreiche künstlerische

Chillen von ihm zu erwarten stehen.

A. Niggli.

Parsifal-Literatur.

(Fortsetzung.)

Unter den Broschüren über diese neue Oper, welche auf dem Markte erschienen sind, fehlt es nicht an Abwechslung. Die Gegensätze sind genügend zur Geltung gekommen. Auf Kalbeck's Schrift lassen wir zwei Bücher folgen, welche schon vor der Aufführung herauskamen und ihrem Inhalte nach hätten zuerst genannt werden können : 2. Thematischer Leltfadei durcb die Musik des Parsifal nebst einem Vorworte über den Sagenstoff des \Vag- ner'schen Dramas von Hans T»d Wollige«. Leipzig, Gebrüder Senf. 1882. 82 Seiten in kl. 8. :>. Parsifal. Einführung in die Dichtungen Wolframs von Eschenbach und Richard Wagner's. Nebst einer Zusammenstellung der hauptsächlichsten musikalischen

Motive in Wagner's Parsifal, von 0. Elrbberg. Leipzig, E. Scbloemp. 1882. Í8 Seiten und 8 Seiten Musikbeilage in kl. 8. ,Рг. Л \. 50.,

Dies sind also gewissermaassen Schulbücher, welche Mündigen und Unmündigen zur Unterstützung dienen sollen. Bei den Nibelungen war Wolzogen alleiniger Interpret und Fremdenführer, jetzt hat er ¡n Herrn Eichberg einen Genossen oder Concurrenten gefunden ; doch setzen wir voraus, dass sie sich friedlich vertragen werden. Max Kalbeck, unsere Nr. l, sagt über diese Nr. Î und 3 in seiner Art: »Hans v. Wolzogen, der Erretter der deutschen Sprache und autorisirte Bädeker der Zukunftsmusik, hat neuerdings in einem Herrn 0. Eichbergs [Eichberg], dem ,kleinen Meyer' der Zukunftsmusik, einen Concurrenten gefunden, welcher nur die eines oder zweier Sterne würdigen, besonders empfehlenswerten Leitmotive, dreiundzwanzig an der Zahl, in sein Handbuch aufgenommen hat. Für Reisende, die sich nicht länger als einen Tag im »Parsifal« aufhalten können, genügt die bescheidene Auslese ; diese aber ist, wie Meyer versichert, .geradezu zum Auswendiglernen bestimmt'. Man werde also gut thun, vor der Reise die nützliche und stärkende Gedächtnissübung vorzunehmen, denn sonst könnte es dem Fremden passiren, dass er sich gründlich verläuft und möglicherweise wieder abreist, ohne auch nur die hervorragendsten Schönheiten des Werkes gesehen oder gehört zu haben. Wäre es wirklich so schlecht um Wagner und seine Kunst bestellt, wie seine Erklärer uns glauben machen wollen, dann müsste sich Mancher das Lehr- und Reisegeld wiedergeben lassen. Gott schütze uns vor unseren Freunden.» (S. Î5.) Wir glauben nicht, dass dieser letzte Satz hier gut angebracht ist. Die genannten Freunde führen doch nur aus, was ihr Herr und Meister ihnen aufgetragen, oder wenigstens durch Winke deutlich gemacht hat. Wir sehen dies namentlich bei Herrn v. Wolzogen, der wie ein Mond ohne Eigenbewegung seiner Sonne folgt, wohin sie nun auch steuern möge. Die officielle Bedeulung, welche er hierdurch besitzt, giebt ihm allerdings auch eine gewisse persönliche Wichtigkeit, aber diese hält doch nur vor, so lange er das Amt führt, bezieht sich daher mehr auf den Rock, als auf das was der Rock umschliesst. Es ist wie bei den Federn, welche Tag um Tag die Regierungsmaassregeln vertheidigen müssen ; wie gescheut und talentvoll die Leute auch von Haus aus sein mögen, Individualität und geistige Spannkraft gehen ihnen mit der Zeit verloren. Es sind die Opferlämmer der »Idee» (oder wie mans nennen will), welche ihre innere Leere erst recht empfinden werden, wenn einmal die Impuls gebende Macht verschwunden ist. Herr v. Wolzogen wird auch eines Tages die Folgen bemerken, welche daraus entstehen, dass man unter Preisgabe aller Selbständigkeil den Geist abrichtet, lediglich das zu erklären und zu verherrlichen, was von einem superioren Drillen vorgesetzt wird. Derartige »Freunde« möchten wir daher mehr beklagen als tadeln. Man kann einen grossen Künstler verehren, ohne ihm geradeswegs die geistige Existenz zum Opfer zu bringen. Als Beispiel aus dem Wagnerkreise wollen wir nur Herrn W. Tapp er l anführen. Dieser macht ebenfalls die Zukunftstänze mit und reibt sich, wenn er hitzig geworden ist, scharf an den Gegnern ; aber er besitzt Gebiete der Wissenschaft, in welche er sich wie in seine Heimath jederzeit zurückziehen und in denen er, wie wir glauben, mit voller Befriedigung schaffen kann, wenn auch Nibelungenzauber und Gralwunder einmal nicht mehr wirksam sein sollten. Sich so zu stellen, ¡st einfach die Pflicht der Männlichkeit ; denen, die uns so viel von »deutschem« Wesen zu erzählen wissen, kann man nur bemerken, dass das willenlose officielle AfTenlhum, welches in Wagnerkreisen gepflegt wird, so undeulsch wie möglich ist.

Wolzogen's »Leitfaden« beginnt mit einem »Vorwort« über den -t.'il des in Rede stehenden musikalischen Drama , und eben dieses Vorwort ist- am -bestem geeignet, < das, was wir soeben im Allgemeinen bemerkten, im Einzelnen noch etwas deutlicher zu machen. Wir theilen zunächst seine Worte im Wesentlichen mit. Er sagt :

»Die BeurtheUer der Dramen Richard Wagner's haben meistens den Irrlhum begangen, dieselben, weil sie altgermanische oder mittelalterliche SagenstolTe behandelten, nach dem Maassstabe bereits vorhandener altdeutscher Dichtungen aus jenen Stoffkreisen zu messen. Für den »Tristan« lag das Epos Gottfried's von Strassburg vor; für den »Hing des Nibelungen« das Nibelungenlied. Solche, die eingesehen halten, dass die Nibe- lungendicbtung Wagner's mit dem Nibelungenliede nur wenig gemein hat, zogen statt dessen die Edda-Lieder hervor und behandelten das neue Drama wie eine Dramatisirung jener alien Skaldenpoesien ; was unserem Dichter den Vorwurf eintrug, er habe den deutschen Boden verlassen, um seine Stoffe sich aus dem fremden Island herzuholen.

»Alles dies ist unrichtig und sehr thöricht. Die »Stoffe« Wagner's, um sie einmal in Kürze so zu bezeichnen, sind weit älter als die nur verworren und zerslückt auf uns gekommenen skaldiscben Fassungen aller Glaubens- und Sagen-Erinnerung im Nordlande; gar nicht zu reden von den epischen Bearbeitungen durch die ritterlichen und bürgerlichen Singer des <3. Jahrhunderts in Deutschland. Ihre Grundzüge sind schon mit den arischen Wandervölkern aus Asien herübergekommen und seitdem in immer neuen Wandelungen und Zusammenfassungen der recht eigentlich erworbene Besitz des germanischen, insbesondere des deutschen Volkes geworden. Denn während die Eddalieder, soweit sie die Siegfriedsage bebandeln, nachweislich auf Einführungen aus Deutschland selbst beruhen, so sind andererseits keltisch-französische Sagenbildungen, wie die des Tristan und des Parsifal, erst in deutscher Dichtung zur vollendeten, ethischen Verwerthung des in ihnen geborgenen allgemein-menschlichen Stoffes, und so zu unserem National- gute geworden. Ursprünglich aber war der ganze an die Völker des westlichen Europas vertheilte Sagenstoff bereits wesentlich arisch-germanisches Gut; und jeder deutsche Dichter, der wieder danach, als nach einem unserem Volksgeiste eigentümlichen Grundgebilde poetischer Phantasie griff, suchte dieses Gut nur von Neuem und um so inniger uns zu eigen zu geben. Was er damit, wenn es ihm wirklich bedeutend gelang, uns geschaffen bat, war dann nicht nur eine neue in sich abgeschlossene Form des alten Stoffes, sondern zugleich eine neue Erweiterung und Ausdeutung des geistigen und sittlichen Gehaltes. Beides hing aber ab von den speciellen Tendenzen des Neudichters, von der Eigenart seiner Kunstrichtung und Kunstform, und diese wiederum ward bestimmt von der Zeit, in welcher er dichtete. Der mittelalterliche Singer schuf auch nur mittelalterliche Epen ; und keine andere Zeit hätte sich einfallen lassen dürfen, an diesen fertigen Kunstwerken, als dem Ausdrucke einer anderen Epoche, modificirend zu rühren. Daher war es Tborheit zu wähnen : wenn man den In jenen Epen eigenartig gestalteten Stoff nun schlichtweg in eine dramatische form umgiesse, dann habe man dem modernen Sinne genug gethan und ein wirkliches Tristan- oder Nibelungen-Drama für das heulige Publikum geschaffen. Mit Recht durfte dieses Publikum sich solchen literarischen Kunststücken gegenüber theil- nahmlos verhalten.

»Nicht in der äusseren Veränderung der Form, i och in der einfachen Aufnahme des in bester dichterischer Fassung gestalteten Gehaltes, hat eine Neuverwerthung des alten Stoffes zu bestehen. In der That will er »täglich« neu »erobert« sein ; und eine solche Eroberung ist es, welche Wagner vollzogen hat, als er die Stoffe für die Form des neuen musikalischen Dramas und für die Theilnahme einer durch diese Kunstart begeisterten Zeit neudichtete. Der allgemein-menschliche Grundinhalt

dieser vielfach umgestalteten Sagenwelt war, -wie von jedem wahren Dichter, zunächst wieder rein herauszuheben. Danach aber war er in derjenigen Weise zu formen und auszubilden, wie es erstens dem inzwischen eigenartig fortentwickelten nationalen Geiste, seinem Wissen und seiner Weltanschauung ge- mäss war, — und wie es zweitens gerade dieser Kunstform entsprach, welche, aus demselben Geiste erzeugt, ihm einen wahrhaftigen und stilvollen Ausdruck zu verschaffen bestimmt war.

»In diesem Sinne dichtete einst der Singer des »Nibelungenliedes» jenen alten Sagenstoff, soviel damaliges Sängerwissen ihm davon zugeführt hatte, nach den Bedürfnissen des damaligen Epos, und mit der Kraft und Eigenart des damaligen christlich-deutschen Geistes, in eine ganz bestimmte neue Form. Je weiter der nationale Geist sich aber aus seinen früheren historischen Umschalungen entwickelt, um so näher vermag er wieder den» fdlgemtiu-mtiiiscbliclien Kerne d«s Stoffe« und damit der Möglichkeit einer wahrhaft stilvollen Kunst zu kommen. Was in diesem Geiste heutzutage zuvörderst «1s wirklich deutsches Wesen, dann als dem Allgemein-menschlichen sympainisch zugewandte Daseinsempfindung, endlich als künstlerisch-idealistische Anlage lebt, das concentfirte sich in der einzelnen künstlerischen Persönlichkeit eine« tragischen Dichters , dessen Scbaffensathem die Musik war; — und diese Persönlichkeit legte nun wieder den derart forlgebildeten Gehalt des nationalen Geistes in die dementsprechend neugestaltete Form der alten nationalen Stoffe.

»Eben dadurch, dass die Musik, als die neue und höchstentwickelte künstlerische Ausdruckweise das echtdcutschen Gemüthes, ihm zur eigentlichen Muttersprache mitgegeben ward, vermochte es Wagner, diese Stoffe auch unserer modernsten Zeit noch in jener ergreifenden Weise wieder lebendig werden zu lassen, welche wir bei jeder guten Aufführung seiner Werke an dem Publikum derselben erleben. Die hohe Idealität dieser Stoffe ertaubte ihnen nicht nu,jene heidnische Göller- well, der sie ursprünglich angehörten, nämlich die heroischen Abbilder des dichtenden Volksgeistes der alten Germanen selbst, sondern auch Has Reich des höchsten christlich-religiösen Ideales, wie es im Gral symbolieirt erscheint, zur Basis ihrer Phantasiebildungen zu nehmen. Die Realisirbarkeit dieser Idealität aber müsste uns versagt bleiben, wie sie zum Tbell schon dem nur mit dem Worte dichtenden Nibelungensinger der Hohenstaufenzeit versagt, blieb, wenn w<r die Musik nicht hätten, die Musik von Bach bis Beethoven. Diese deutsche Musik verwirklicht in ihrer Sphäre auch das uns entfremdetste Ideale /.n ni-H.-r Mirtranlich-erhabener.Wahrhaftigkeit. Im mtuika- lischen Drama werden die Götter der Vorzeit lebendig, als grossartige Typen derjenigen Leidenschaften und Gedanken, welche die Grundlräger des ganzen poetischen Stoffes selber sind; und lebendig wird in ihm auch die-himmlisch entrückte Erhabenheit der christlichen Gottesidee, wie sie in der Gral- Sage niedergelegt ist .... Ein nach. .Welfta.m's Zeit dichtender Neubildner des alten Stoffes durfte Parsifal und den Gral nicht mehr trennen; auch er müsste in Hem Gral den Inbegriff tiefster Religiosität darstellen, — aber nunmehr derjenigen tiefsten Religiosität, wie sie in einem wahrhaftigen Christengemütbe unserer Zeit bei erleuchteter Geisteskraft zur vollen Entwickelung zu kommen vermag.« (S. (—4.)

Diese Einleitungeworte, die in dem gleichen Redestrome ebenmässig hinfliessen, bieten scbon einen reichen- Anlass zu Bemerkungen dar, mag man nun die Prüfung beim ersten oder beim letzten Satze beginnen. Wir wollen den Schlusssatz zuerst ins Auge fassen und näher betrachten, was Wagnor ff* das Christentum geleistet hat.

(Fortsetzung folgt.)

( 'onsm atoriimi ll,r Mnslk in Stuttgart

In der Anieige vom 49. August 4 881 sollte es beissen:

Mittwoch den 11. October, Nachmittags 2 Uhr,

statt Donnerstag den 41. October, Aufnahmeprüfung etc.

[485] (H. 70974.) Die Direction.

[484] Im Verlage von Rob. Forberf i» Leipzig, Thalstrasse No. 9, sind soeben erschienen und durch alle Musik- und Buchhandlungen zu beziehen:

Barth, Ct., Op. 19. Drei GUrlerittcke. * »

No. 4. Impromptu !H-moll) 4 —

- 1. Polonaise (Fis-moll) — 75

- 3. Serenade A-dur) 4 —

Hajdn, Jos., Sérénade célèbre, jouée par le quatuor florentin

Jean Becker. Arrangée pour Violon et Piano par G. Hol-

laender 4 —

Rhelnberger, Joe., Op. 4>o. „Ли Weitphalen". Sieben Gesänge für vierstimmigen Mannerchor nach Gedichten von F. W. Weber. No. 4. Nenuphar. Partitur und Stimmen — 75

- 1. Du sonnige, wonnige Welt. Partitur und Stimmen

- 3. Die Hunnen. Partitur und Stimmen 75

- 4. Kreuzfahrers Abendlied. Partitur und Stimmen .

- 5. Lied der Schmiedegesellen. Partitur und Stimmen

- 6. Im Juni. Partitur und Stimmen

- 7. Verschmäht. Partitur und Stimmen

[4 8iJ Neuer Verlag von

J. Rieter-Biedermann in Leipzig und Winterthur.

für g-rossee Orchester

componirt

TOO

Albert Dietrich,

Op. 35.

Partitur netto .// 7,50. Orchester-Stimmen netto ,ti 48,75.

(Violine 4, Î, Bratsche, Violoncell, Contrabass à netto Jt 4,10.) Ciavier-Auszug zu vier Händen vom Componisten uf 3,—.

[488] Im Verlage von A. BBKm & Sohn in Augsburg erscheinen demnächst :

Joh. Mich. Keller's treffliche Kirchencompoeltionen,unter welchen sein "Canticum /ocharme« als ein Meisterwerk bezeichnet wird. Ausführlicher Prospectus steht gratis und franco zu Diensten.

!< 84] Verlag von

J. Rieter-Biedermann in Leipzig und Winterthur.

für

vier -weibliche Stimmen

(ohne Begleitung)

componirt

und Frau Anna Regan-Schimon zugeeignet TOD

Ferdinand Hiller.

Op. 199.

No. 4. Marienlled: .0 du heiligste, o du frommeste-, nach dem Lateinischen von Folien. Partitur 50 3f. Stimmen à 45 Sp.

No. t. Lledeigruil: »Liedergrusse sind die Glocken«, von Karl Steiler. Partitur 60 3j/. Stimmen à IS ф.

No. I. Wiegenlied: »Die Blumelein sie schlafen«, aus Kretztchmer't Volksliedern. Partitur 50 Sp. Stimmen à 15 ,ф.

No. 4. HorgengeiULg : »Horch, horch, die Lerch«, nach Shakespeare. Partitur 60 Э}. Stimmen à 15 .ф.

No. 5. Abend im Thal: «Tiefblau ist das Thal«, von Martin Greif.

Partitur 30 ф. Stimmen à 45 ф.

Verlag von t/. Kieter-Bifilernumn in Leipzig und Winterthur.

für

eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte

von

Franz von Holstein.

geb. zu Braunschweig, 46. Februar 4816.

gest. zu Leipzig,

M.Mai 4878.

-* 9

Op. 41. Reiterlieder aus August Becker's »Jung Friede!, der Spielmann« für eine tiefe Stimme mit Begleitung des Pianoforte. (Herrn Director Heinrich Behr mgeeignet. ) . . l 50 No. 4. Auszug : »Blas, blas, blas und blas, Trompeter, blas

das Lied«. — 5«

No. 1. Vom langen Jörg : »Der lange Jörg stund immer

vorn« 4 —

No. 3. Lustiges Reiterleben: »Holiah, heil welch lustig

Reiterleben hat der Herrgott uns dereinst gegeben l« — 50 No. 4. Der Trompeter bei Mühlberg: »Bei Muhlberg hatten wir harten Stand« — 80

No. 5. Das gefeile Hemd : »Am Christnachtabend sass

mein jüngstes Schwesterlein — 54)

Op. 4*. Fünf Lieder für eine mittlere Stimme mit Begleitung des Pianoforte. (Fräulein Pauline Nawack gewidmet.) . . 4 80

No. 4. Am Bach: »Rausche, rausche, froher Bach« von

Fr. Oser — 50

No. 1. Jegerlied: »Zierlich ist des Vogels Tritt im Schnee«

von E. MBrike — 50

No. B. Winterlied: »Geduld, du kleine Knospe« von E.

vonPlaten — 50

No. 4. Als ich weg ging: »Du hracht'st mich noch bis auf

den Berg« von KlausGroth — 50

No. 5. Komme bald) : »Immer leiser wird mein Schlum- mer« von H. Ling g — 50

Op. 10. Sechs Lieder für eine Slogstlmme mit Begleitung des Pianoforte. (Herrn Joseph S(hild, Ktinigl. sächs. Hofopern- sänger freundschaftlichst gewidmet.) l 50

No. 4. Waldfreulein: »Am rauschenden Waldessaume da

steht ein finsterer Thurm« von W. Hertz . . . — 80 No. 1. »Wenn etwas leise in dir spricht« von H. Lingg . — 50 No. 8. Im Frühling: »Blüthenschnee weht durch die

Lande« vom Componisten — 80

No. 4. Ich wohn1 in meiner Liebsten Brust« von Fr.

Rückert — 80

No. 5. »Sagt mir nichts vom Paradiese« von Fr. Rückert — 50 No. 6. »Gieb den Kuss mir nur beute« von Fr. RUckert — 80

Op. 83. Fünf Lieder für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte. {Herrn Eugen Gura in Freundschaft und Ver- ehrung gewidmet.) 3 —

No. 4. Zur Mandoline: »Schüchtern bricht das nächt'ge

Schweigen diese Mandolinenweise« von A. Scholl — 80 No. 1. Trennung: »Wild saust der Winter durch die

Nacht« von W. Osterwald — 80

No. 8. Abends: »Leise sinkt auf Berg und Thal Abendduft

hernieder« von Jul ius A It man n — 50

No. 4. Wandergrüsse : »Gott grüss' dich, ruft die Lerche«

von J u l i u s A 11 m a n n — 80

No. 5. Auf Ponte molle: »0 Ponte molle, du treuliche Brück« aus J. V. Scheffel's Trompeter von Sakkingen 4 —

Verleger: J. Rieter-Biedermann in Leipzig und Winterthur. — Druck von Breitkopf 4 Härte) in Leipzig. Expedition : Leipzig, Rabensteinplatz 1. — Redaction : Bergedorf bei Hamburg.

Dio Allgemeine Mmlkalierhe trecheint regelmassig an jedem Mittwoch und iit «lurch alle PoüUmter und Buck- biDdlungea zu bezieboii.

Allgemeine

Prtii: «brück 18 ». fl«rt«yitoU»k.

l'ianum. 4 Mk. MI Pf. Antigen: die goipal- ten» l'etitieile oder deren Kaum 3« R. Briefe und Gelder werden frinco trboton.

Musikalische Zeitung.

Verantwortlicher Rédacteur: Friedrich Chrysander.

Leipzig, 4. October 1882.

Nr. 40.

XVQ. Jahrgang.

Inhalt: Anzeigen und Beurteilungen ¡Wilhelm Speidel: Ouvertüre und Intermezzo zu »König Helge*, Op. 50 ; Zwei Sonaten für Ciavier. Op. 46; Sonate für Pianoforte und Violine, Op. 61. Philipp Scharwenka : Serenade für Orchester, Op. <9 ; Wald-und Berggeister, ein Intermezzo für Orchester, Op. 37 ; Polnische Tanzweisen, Op. 38; Liebesnacht, FantasiestUck für Orchester, Op. 40. Edmond Weber: Berceuse fürVioloncell oder Violine milClavierbegleitung, Op.17; Suite für Violoncell und Ciavier, Op. 18 ; Sonate für Violine und Ciavier, Op. 19. Carlowitz Ames: Musikalische Skizzen für das Ciavier. Reinhold Seyerlen : Choralfigurationen für die Orgel. Anton Krause: Instructive Sonaten für das Pianoforte zu vier Hunden. Emil Krause: Ï40 Aufgaben zum Studium der Harmonielehre, Op. 43 ; Ein Beilrag zum Sludium der Technik des Clavierspiels, Op. 38. E. Th. Weimerhnus : Theoretisch-praktische Flulenschulc. W.A. M11/,u i Ouvertüren zu den Jugcndnpern, für das Pianoforte zu zwei HUnden bearbeitet von Paul Graf Waldersee. L. van Beethoven : Triumph-Marsch zu dem Trauerspiel »Tnrpeja«, Arrangement für zwei Pianoforte zu acht Händen von Carl Burchard. Franz Liszt: Tasso, symphonische Dichtung, fiir Pianoforte zu zwei Händen von Th. Forchhammer. Edmond von Mihalovich : Eine Faust- Phantasie für grosses Orchester). — Uebcr die junge Nonne von Schubert und la religieuse von Diderot. — Anzeiger.

Anzeigen und Beurtheilungen.

Wilhelm Speidel, irertöreund Intprnrizo zu »KönigHelge«. Op.50. Partitur zurOuverttlre Л tO.—., zum Intermezzo Л 4. —. Hamburg, Hugo Pöble.

Zwei Sonaten für Ciavier. Op. 46. Nr. t. C-moll.

Л 3. —., Nr. 2. A-dur. Л 4. 50. Wien, J. P. Gott- hard.

S»«»te in E-moll für Pianoforte und Violine. Op. 61.

Л 8. —. Leipzig, F. E. C. Leuckart.

Д. Wilhelm Speidel besitzt schon längst einen wohlaccre- ditirleo Namen in der musikalischen Welt, und seine verdienstvolle Thätigkeit namentlich auf dem Gebiete des Männergesangs, welcher wir eine stattliche Zahl gediegener Chorwerke, welche zum Besten der Gattung zählen, verdanken, ist bekannt genug, als dass wir hier näher darauf einzugehen brauchten. In fast allen musikalischen Formen hat sich Speidel und zwar mit Glück und Erfolg versucht, und seine Werke documenliren nicht nur den gründlich gebildeten Musiker, sondern dieselben legen auch Zeugniss von tüchtiger und gewissenhafter Arbeit ab. Hie und da vergrübe)! er sich zwar in Absonderlichkeiten, die oft an das Bizarre und Gesuchte streifen und die Grenzen der Schönheit manchmal überschreiten, aber im Ganzen machen seine Werke einen durchaus wohlthuenden Eindruck. Frische und Ursprünglichkeil der Erfindung, durchsichtige, klare Form und melodischer Gehalt sind Vorzüge, welche die meisten seiner Composilionen auszeichnen ; man fühlt es aus ihnen heraus, dass sie dem innersten Born echt künstlerischen Fühlens und Empfindens entsprungen sind, und dies giebt denselben ihren positiven musikalischen und ästhetischen Werth.

Die Ouvertüre zu »König Helge« von Oehlenschläger, Kapellmeister Carl Reinecke gewidmet, ist ein wirksames und dankbares Orcbeslerstück, dessen Hauptsatz mit dem frischen Kampfmotiv den kühnen nordischen Recken schildert, »dessen Ruhm schallte weit und weiter«, der kämpft »ein Aar, der hoch in Lüften kreist, und wirft zum Sturm seine leichte Leiter«. Doch die Minne folgt auf der Fahrt dem Streiter, und der Sei- lensalz mit seinem süssen Liebessang unter Harfenklang führt uns zur Königin »Olaf« :

»Und oft küsst' er die Hand ihr, er war so rolh und mild, Die Augen nicht verlie.«s°n das schöne Frauenbild.« XVII.

Sehr interessant, namentlich auch in harmonischer Beziehung, ist der Durchführungssalz, in welchem das kriegerische Motiv des Hauptsatzes vortrefflich verarbeitet ist. Die ganze Ouvertüre als solche ist überhaupt eine schöne und gediegene Arbeit, und die Instrumentation bekundet den ästhetisch fühlenden Musiker, dem die Instrumente nur die Mittel sind, der musikalischen Idee Ausdruck zu geben und welche niemals Selbstzweck sein sollen.

»Helge's Liebestrauin« ist das Intermezzo betitelt, und es ist in der That eine liebliche musikalische Idylle, die sich hier vor uns abspielt. König Helge schlummert und lächelt im Heldentraume. Drei Walkyren scheinen ihm vom Regenbogen zu steigen, sie singen ihm ein Heldenlied und küssen ihm alle die Wange, und er streckt die Arme so glühend aus, er will um den Leib sie fassen. Mit einem reizenden Liebesgesang beginnt das Violoncell, von gehaltenen syncopirten Accorden des Streichquartetts gleichsam umwiegt ; bald gesellt sich als zweite Stimme die Clarinette dazu und nunmehr beginnt ein holdes Zwiegespräch vom Dufte echter Poesie umwoben, bis unier Harfenklang sich beide Stimmen vereinen und die anderen Instrumente in süsser Liebeslust miljubeln ; nach und nach verschwindet der seligsüsse Traum, und im Pianissimo erstirbt der verklingende Liebesseufzer des Cellos.

Von den beiden Sonaten geben wir jener in C-moll entschieden den Vorzug; die in A-dur, namentlich das Scherz) und Adagio finden wir gesucht, sie tragen zu sehr den Stempel einseiliger Verslandesarbeil, den letzten Satz ausgenommen, welcher glücklich erfunden und voll Kraft und Feuer ist. Hingegen ist die С moll-Sonate ein prächtiges Werk, ein Werk aus einem Gusse ; die charakteristischen und rhythmisch energischen Themas der einzelnen Sätze — den zweiten Salz, Cavaline, mit seiner warm empfundenen Cantilene ausgenommen — stehen in engem geistigen Contact zu einander und verleihen dadurch dem Ganzen den Stempel innerer organischer Einheit. Den Höhepunkt bildet der letzle Satz, welcher zum Besten gehört, was wir von Speidel kennen. Dieser Salz bestätigt von neuem wiederum in eclatantester Weise unsere schon oft ver- fochtene Ansicht, dass die höchste Schönheit des Kunstwerks nur im einfach und natürlich Erfundenen und Empfundenen beruht. Der Künstler bedarf freilich beim Schaffen der Ver- slamleslhätigkeit, aber sie darf sich niemals in den Vordergrund

«o

drängen, und die tüchtigste Arbeit kann niemals den Mangel an ursprünglicher Erfindung, niemals den Mangel lebenswarmer Empfindung ersetzen.

Ein bedeutendes und schönes Werk ist die dem trefflichen Geiger Concertmeister Eduard Singer gewidmete Sonate in E-moll für Pianoforte nud Viotine. Träumerisch setzt die Violine, von den syncopirlen Accorden des Claviers gelragen, mit dem Thema des Hauptsatzes ein, nach und nach leidenschaftlich sich steigernd, am alsdann abwechselnd dasselbe arabeskenbafl umspielend oder wieder aufgreifend zum Seilensatze mit seinem innigen Gegensang überzuleiten ; die schaukelnde Triolen- bewegung der Begleitung verleibt demselben noch besonderen Reiz und Anmuth.' Endlich übernimmt das Ciavier mit wuchtigen Accorden das Thema des Seitensatzes, während die Violine dasselbe kosend umspielt, um nach holdem Wechselspiel zum Hauptsatz wieder hinüber zu leiten. Der Durchführungssatz , in welchem zum Motiv des Hauptsatzes sich noch ein zweites in Gegenbewegung gesellt, Ut eine sehr interessante Arbeit, aber so recht behagt hat nns derselbe nicht, der musikalische Verstand schaut zu sehr daraus hervor ; desto geistreicher und wirkungsvoller ist der Rückgang und die schöne effectvolle Steigerung nach der Reprise. Im zweiten Satze Allegro vivace geht es etwas toll zu, ein Bachanale in Scherzoform ; für die Orgien, welche hier gefeiert Werden, lehnen wir jede Verantwortung ab, das mögen die Grazien unter sich ausmachen. Das Adagio ist ein Salz voll tiefster und wärmster Empfindung ; gerade hier kann der Componist zeigen, ob ursprüngliche Erfindung ihm eigen ist, denn bekanntlich gehört es zum schwersten, einen getragenen Salz zu schreiben, ohne langweilig zu werden ; es ist dies eine Klippe, an welcher gar viele moderne Componisten Schiffbrucn leiden, denn hier helfen alle sogenannten motivischen Verarbeitungen und Combina- tionen nicht, Ли tthtidus, hie salta. Ihren brillanten Abschluss findet die Sonate im letzten Satz Allegro motto, in welchem ein Motiv des Thema* des ersten Satzes mit richtigem künstlerischen Instinkte wieder aufgenommen und in ebenso tüchtiger und interessanter Weis« durchgeführt, als durch das reizende Thema des Seilensatzee contrastirt wird.

Alles in Allem genommen, ist diese Sonate ein schönes Werk, welches von der grossen Begabung des Componisten Zeugniss ablegt, und so sei dasselbe wie auch die übrigen von uns besprochenen Compositionen den Freunden echter und gediegener Musik bestens empfohlen.

Philipp Schanrcika, Sereude für Orchester. Op. 19. Partitur .Л 1. —. Bremen, Praeger & Meier.

Wild- nd Berggeiiter. Ein Intermezzo für Orchester.

Op. 37. Partitur Л 6. —. Leipzig, Breitkopf ÄHärtel.

reinliche TiuweUM. Op. 38. Heft 4. Partitur

Л 5. —. Bremen, Praeger & Meier.

Llebeinicht. Fantasiestück für Orchester. Op. ÍO.

Partitur Л t. —. Bremen, Praeger & Meier.

In Philipp Scbarwenka begegnen wir keinem unbedeutenden Talente. Derselbe ist, so viel wir wissen, Lehrer am Kullack'- scben Institute in Berlin und bat sich durch eine bereits stattliche Anzahl von Werken sowohl für Orchester als für Ciavier und Yioune, in kurzer Zeit einen geachteten Namen erworben. Was seite Compositionen uns namentlich anziehend macht, ist deren klare, durchsichtige Factur, die Art und Weise, wie er auch aus dem anscheinend unscheinbarsten Motiv etwas zu machen weiss. Scbarwenka besitzt eine nicht unbedeutende Gestaltungskraft, das beweisen die meisten seiner Werke, ohne ilass dieselben eines tieferen musikalischen Gehalts entbehrten. Hie und da finden wir freilich die Mache etwas dominirend, namentlich wird er in seinen Werken für Ciavier, für welches er übrigens Gutes und Schönes geschrieben hat und auf wel

chem Gebiete immerhin seine Hauptbedeutung lieft, mitunter abstrus und gesucht. Auch wagt er sich nirgends zu weit vor in die geheimnissvollen Tiefen des Seelenlebens ; zu ernsten, tragischen Conflicten kommt es bei ihm nicht, er liebt mehr die heiteren, sonnigen Höhen. Was wir weiter bei Scbarwenka zu loben haben, ist, dase er м nicht verschmäht, auch die kleineren Formen des Tanzes m dea Bereich seiner künstlerischen Thätigkeit zu ziehen und denselben durch interessante rhythmische und harmonische Behandlung einen erhöhten Kunstwerth zu geben. Vor allen Dingen rechnen wir hierzu die »Polnischen Tanzweisen« Op. 38, welche ursprünglich vierhändig für Ciavier erschienen sind.

Die Serenade Op. 1 9 ist eine hübsche Composition , ohne sich gerade durch besonderen Gebalt auszuzeichnen. Von den vier Sätzen : ¡larda. Andante, liinuetto und Rondo pattorale, hat uns der zweite mit seiner lebenswarmen Stimmung am besten gefallen. In dem »Intermezzo« Op. 37 ist das geschäftige Thun und Treiben der geheimnissvollen Gnomen , welche Wald und Berg bevölkern , reizend illuälrirt. Dem Fantasie- Stück Op. 40 liegt als Motto der Vers aus Wagner's Tristan und Isolde : »0 sink hernieder, Nacht der Liebe« u. s. w. zu Grunde. Von Wagner' scher Liebesbrunst ist jedoch nichts darin zu finden, und wenn es auch nicht an sehnsuchtsvollen chromatischen Fortscbreitungen fehlt, denn Liebesbangen und Liebespein werden ja nur noch durch chromatische Seufzer ausgedrückt, so pulsirl doch echte Stimmung und Leidenschaft in diesem Werke.

Weber, Berceue für Violoncell oder Violine mit

Cla Vierbegleitung. Op. 47. Stuttgart, Eduard Ebner.

Л 4. 50. -- Sitte für Violoncell und Ciavier. Op. 4fr. Stuttgart,

Eduard Ebner. Л 3. — .

Sraite für Violine und Ciavier. Op. 49. Stuttgart,

Eduard Ebner. .# 6. — .

In vorliegenden Werken tritt uns ein begabter junger Künstler entgegen, welcher freilich noch ausreifen muss, um wirklich Bleibendes zu schaffen. Nicht als ob seine Compo- silionen den Stempel unreifen Schaffens an sich trügen ; wir haben uns im Gegentheil gefreut, abermals einem jungen Com ponisten zu begegnen, welcher die Phrase verschmäht und sich bemüht, wirklich Gehaltvolles zu schaffen , aber es fehlt ihm noch die geistige Vertiefung. Die Gedanken sind noch etwas leicht hingeworfen, es fehlt denselben noch die eigentlich überzeugende Kraft, aber Gedanken sind es doch wenigstens und zwar Gedanken, die gerade durch ihre anspruchslose Naivetal uns für den Autor Interesse einflössen ; dabei erfreut uns in Allem die tüchtige Arbeit und die saubere Factur.

Die Berceuse Op. < 7 ist ein kleines anmuthiges musikalisches Genrebildchen, die Suite Op. IS frisch ausgearbeitet; am besten haben uns der erste und der letzte Salz gefallen. Die Sonale ist ein tüchtiges Werk , welches von dem Talente des Componisten schönes Zeugniss ablegt. Die Gedanken sind gerade nicht tief, aber ganz hübsch erfunden ; es fliesst alles glatt und natürlich, nirgends ein Haschen nach Effect oder ein Vordrängen theoretischer Mache. Und so hoffen wir, dem Autor noch oft zu begegnen.

In demselben Verlage erschienen als Opus \ „lulkalhehe Skliiea" Tür das Ciavier von CtrUwitx Anes. Nur Skizzen sind es freilich und zum Theil recht dürftige Skizzen , wenn auch immerhin vom Talent des Debütanten Zeugniss ablegend. Gefallen haben uns Nr. \ tAllegrettot, Nr. 2 tScherzando«, Nr. 4 «Allegretto«. Nr. 5 und 6 verdienen nicht einmal den Namen Skizzen, das sind noch ganz embryonale Gebilde. Hoffen wir, dass Herr Ames bald durch grüssere Arbeiten bethUligen möge, dass er nicht nur skizziren, sondern auch ausführen kann. Reiih«ld Seyerlee, Cbmlfigiratioiei für die Orgel. 3 Hefte à Л t. 50, Л2. —, ЛИ. 30. Stuttgart, G. A. Zumsteeg.

Ein Werk ganz und ohne Rückhalt loben zu können, ist eine ebenso angenehme als dankbare Aufgabe. R. Seyerlen bietet uns in obigen Choralfigurationen eine Ranz gediegene Arbeit, welche nicht verfehlen wird , die Aufmerksamkeit der Kunstkenner auf sich zu lenken. Es pulsirt Bach'scher Geist in diesen Figurationen, und in welch meisterhafter Weise Seyerlen auch die compliclrtesten contrapunktischen Formen beherrscht, beweist jede Seite.

Das erste Heft enthält acht kleine Figurationen über verschiedene Kirchenweisen und führt in die schlichteste Form der Choralfiguration mit ganz einfachen Motiven ein, welche die von der Oberstimme ununterbrochen vorgetragene Melodie in drei Unterstimmen nachahmend umspielen. Dabei hat der Componist den instructiven Zweck nicht aus dem Auge gelassen, indem diese Figurationen nicht nur angehenden Compo- sitionsschülern und Organisten einen klaren Blick in die verschiedenen Arten der Choralfiguration geben, sondern des weiteren auch, wie Nr. l, Î, 5 und 6 die Aneignung einer fliessenden und gebundenen Manualtechnik mit der des obligaten Pedalspiels in verschiedenen Schwierigkeilsgraden bezwecken, während Nr. i den Vortrag der Melodie durch das Pedal mit wirklichem Oberstimmeoklang demonslrirt, Nr. 7 (Cantus firmus im Canon auf dem ersten Manual) zu jener Form der Figuration überleitet, welche den Vortrag des Cantus firmus auf eigenem Manuale fordert, und Nr. 8 als Erweiterung der Pedaltechnik die Vorführung des canonischen Cantus firmus mit doppeltem Pedal neben den auf zwei Manualen beschäftigten Händen sich anreiht. Das zweite Heft enthält sechs Variationen über die Melodie »Herzlich thut mich verlangen«. Hier will der Componist die Mittel aufzeigen, durch welche die notwendige Abwechslung wie Wechsel der Stimmenlage des Cantus firmus, der Slimmenzahl, der Tonstärke und Klangfarben , der Motivbildung und Durchführung, der Taklart und Tonart (jonisch und phrygisch), erzielt werden kann; zugleich bieten diese Variationen einen Ueberblick über fast alle Arten von Choral- figuration, soweit sie nicht schon ¡m ersten Hefte enthalten sind. Das dritte Heft enthält eine Choralphantasie über die Melodie Wenn ich ihn nur habe«, in welcher eine nach Stimmung und Stilart contrastirende Verarbeitung des aus dem Clioralanfang durch Verkehrung gebildeten, und eines zweiten frei erfundenen Subjectes in doppeltem Contrapunkt als Mittelsatz in organischen Zusammenhang mit einer sanft einleitenden und einer kräftig abschließenden Choralfiguration gebracht ist.

Aus Vorstehendem dürfte schon hervorgehen, welche reiche und interessante Arbeit das Werk des Herrn Seyerlen enthält. (Jeberall gewahren wir den erfahrenen und in allen polyphonen Formen fest im Sattel sitzenden Conlrapunktiker und Harmoniker, der seinen Bach gründlich studirl und in dessen Geist sich vollständig hineingelebt bat. Da ist auch kein Nötchen, das nicht im engsten Zusammenhang mit dem Ganzen stände ; mit einer eisernen Consequenz sind die Motive und Themen durchgeführt, ohne gemacht und sludirt zu sein. Das flieset Alles so natürlich und ungezwungen, dass der nicht Eingeweihte gar nicht merkt und empfindet, welch reicher Schatz von musikalischem Wissen und Können in diesen drei Heften niedergelegt ist. Wenn wir Einzelnes herausheben dürfen, so möchten wir namentlich auf die zweite, vierte und sechste Variation im zweiten, sowie ganz besonders auf die Canzone fúnebre im dritten Hefte aufmerksam machen.

Und so seien diese Choralfigurationen namentlich den Herren Organisten, d. h. jenen Organisten, die etwas verstehen und etwas gelernt haben, auf das Wärmste empfohlen. Möge Herr Seyerlen uns recht bald wieder mit einer solchen Gabe erfreuen.

S*natei für das Pianoforte zu vier Hunden von iulon krause, Volksausgabe. Leipzig, Preilkopf&Härtel. 2 Bände.

Die früher einzeln angezeigten und wegen ihrer pädagogischen Bedeutung mit Recht gelobten Sonaten von A. Krause sind hier in zwei hübschen Bändchen von <03 und 105 Seiten zusammen gedruckt. »Nach aufsteigender Schwierigkeit geordnet vom Componislen« steht auf dem Titel, womit gesagt sein soll, dass die Stücke nach dieser Rücksicht, und nicht etwa nach der früheren Opuszahl, an einander gereiht sind. Die Folge ist also diese — Erster Band: Op. )8. 20. 27. 30 — Zweiter Band: Op. 3. 6. 22. S6.

Die alte Bezeichnung Primo und Seconda für den ersten und zweiten Spieler scheint abhanden zu kommen , denn wir finden sie nirgends mehr in den Vierhändern der grossen Verlagshandlung gebraucht. Sollte das wirklich ein Fortschritt sein?

240 Aufgabe! zum Studium der Harmonielehre von Emil Krause. Op. i3. Dritte vermehrte Auflage. Hamburg, C. Boysen. (1882.) 57 Seiten gr. 8. Рг. ЛМ. 80.

Der Vorbemerkung zufolge werden diese bereits ziemlich verbreiteten Harmonieaufgaben in den Conservatorien und Musikschulen von Berlin, Stuttgart, Würzburg, Darmstadt, Augsburg, Hamburg, Leipzig, New-York und anderswo als Unterrichtsmaterial verwandt und verdienen es auch vollständig, denn sie enthalten nicht nur ein für jeden Harmonieschüler notwendiges Material, sondern dasselbe ist auch so geordnet, dass es bei sämmtlichen Harmonielehren gebraucht werden kann. Letzleres nämlich, dass die Uebungen nicht an ein bestimmtes System oder an ein einzelnes gedrucktes Lehrbuch gebunden sind — gefällt uns besonders, weil sie nun ohne Ausnahme von Jedem zu benutzen sind. Die erste Abtheilung lehrt die Verbindung der Accorde, die zweite giebt accordliche Analysen. Von Nr. <9< an sind die vierstimmigen Uebungen auf vier Linien mit den C-Schlüsseln ausgeschrieben, um die Schüler im Partitur-losen zu üben. Solche Uebungen sind ebenfalls unerlässlich für Alle, wess musikalischen oder musiktheoretischen Glaubens sie nun auch sein mögen. Das Büchlein kann daher systemlos genannt werden, and zwar im guten Sinne.

Ein Gleiches lässt sich einem ändern, aber bedeutend grösseren Lehrwerke nachrühmen , welches der Verfasser vor einiger Zeit erscheinen liess. Wir meinen das Werk :

Ein Beitrag zum Studium der Technik it» ClarlenpieU in 100 Uebungen von Emil Kraue. Op. 38. Hamburg, Job. Aug. Böhme. 4882. ' In sechs Heften :

4. Heft: Uebungen mit festliegender Hand. Preis Л (,50. I. - Debangen zum Studium des leichten und rubigen

Passagenspiels. Л i.

t. - Uebungen zum Studium der Tonleitern. Л 4,50. t. - Uebungen in Terzen etc. Л 0,50.

5. - Uebungen zur Einführung in den gebundenen Styl.

.* »,4».

6. - Uebungen zum Studium der gebrochenen Accorde.

uri.

Complet 85 Seiten Folio, Preis 40 >. Den Inhalt und die Ordnung des recht umfänglichen Opus haben wir hiermit genügend angedeutet. Dasselbe hat schon durch den Titel »fin Beitrag' etc. dem Irrlhum vorgebeugt, als ob hier ein vollständiger Cursus der Clavierlechnik vorgelegt werdensolle. Es sind vielmehr Uebungen, die dem fortgeschrittenen Ciavierspieler passendes Material zur Weiterbildung darbieten. Die verschiedenen Hefte oder Abiheilungen, in welche das Ganze zerlegt ist, sind nicht geradeswegs als eine Stufenfolge beabsichtigt, sondern können, wie der Autor in der »Vorbemerkung« angiebt, fast noch zweckmSssiger neben

als nach einander geübt werden. Es ist eben Debungsmaterial, was hier vorliegt, kein zusammenhängendes System ; nach in dieser Hinsicht ist-der Titel richtig gewählt. Der Werlh des Gebotenen, welches durchaus gediegen und planvoll gearbeitet ist, wird durch eine sojche Freiheit in der Benutzung wesentlich erhöht, weshalb wir auch mit einiger Zuversicht hülfen dürfen, dass Krause's »100 Hebungen« eine weite Verbreitung finden werden. — Unter den der Musik vorgedrucklen Empfehlungen macht sich die des Herrn v. Bülow nicht nur durch hohes Lob, sondern auch durch einige Ausdrücke bemerklich, die dem Werke leicht schaden können. Derselbe meint, die »Collegeo« werden1 Krause's Werk nicht sehr willkommen heissen, da ihre »Bestrebungen auf diesem Gebieten durch dasselbe »in den Schatten gestellt, vermuthlicb wohl auch verdrängt werden dürften«. Selbst wenn ein solcher Fall eintreten könnte, würde es thöricht sein , denselben anzukündigen und die »Collegen« dadurch sofort in Gegner zu verwandeln, denn von diesen Collegen und nicht etwa von der »clavierspielenden Welt« im Allgemeinen hängt des Schicksal des Buches, soweit es sich um ein geschäftliches Unternehmen handelt, ausschliess- lich ab, da die »clavierspielende Well« in pädagogischen Dingen urtheilslos ist und lediglich das übt, was die »Collegen« ihr vorsetzen. Die Annahme, dass die vorhandene gute pädagogische Clavierlileratur der Collegen durch diese »Uebungen« ohne weiteres übertreffen werde und zu verdrängen sei, ist aber auch an sich unrichtig, was die Leser schon aus dem blossen Inhaltsverzeichnisse errathen können und hier durch ein kritisches Eingehen auf das vorhandene Material leicht zu erweisen wäre. Nicht an die Stelle des vorhandenen Guten, sondern an die Seite desselben setzen sich Krause's Hebungen als eine vielfach wünschenswerte Ergänzung. Dies ist die Position, welche sie einzunehmen berechtigt sind. Es sollte uns freuen, wenn diese Zeilen etwas dazu beitrügen, dass Krause's 400 Uebungen eine ihrem inneren Werllie entsprechende Verbreitung erlangen.

Theoretisch-praktische f löteuckile nebst drei.Grifllabellen von E. Th. Weieerkau. Köln, P. J. Tonger. 2 Hefte a3uT.

Eine neue Flolenscbule von dem Flötisten am Kölner Stadl- tbeater, welche den Schüler von den ersten Elementen stufenweise bis zur ausgebildeten Meisterschaft hinanfübrt. Die Belehrungen und technischen Uebungen, welche löblicherweise den grösslen Raum einnehmen, wechseln ab mit »Unlerhaltungs- stücken«, Liedern, Operngesängen etc. Die letzteren entsprechen den eigentlichen Deoungen in den letzten Stadien nicht recht, da sie zu leicht sind ; man wünscht Musikstücke zu haben, in welchen die eingeübten technischen Schwierigkeiten eine praktisch-künstlerische Verwendung linden. Diese Lücke ist allerdings durcfa die vorhandene Flöten-Literatur leicht auszufüllen. An sich, d. h. in ihrem unterricbllichen Theile bietet die vorliegende Flötenschule einen vollständigen Lehrgang, der allen Schulbedürfnissen genügt und daher auch Jedem empfohlen werden kann.

irerUreB zu den Jugendopern von W. A. lart, fur das Pianoforle zu zwei Händen bearbeitet von Paul ftraf WaUenee. Nr. 4 — 9. Leipzig, Breitkopf & Harte!. Fol. Die neun frühesten Opern von der »Schuldigkeit des ersten Gebotes« an bis zur »Finta Giardiniera« sind hier als die eigentlichen Jugendopern bezeichnet. Wer dieselben kennt, weiss, dass sie voll sind von hübschen, wenn auch ungeraden musikalischen Gedanken. Die Gesänge werden dem grossen Publikum im Ganzen und in ihrer Originalgeslall verschlossen bleiben, denn sie sind in dem damaligen ausgearteten Virluosenslil geschrieben, und dabei nicht immer gesangmässig gehalten. Aber dies hindert nicht, dass uns die Musik derselben zum

Tbeil in Arrangements für Ciavier oder andere Instrumente zugänglich gemacht wird, wozu sie sich meistens sehr gul eignet. Besonders sind auch die Ouvertüren ansprechend. Es war daher ein guter Gedanke, dieselben der weiten clavierspielenden Well in einer angemessenen Bearbeitung zu übergeben, was Herr Paul Graf Waldersee mit Geschick ausgeführt hat.

Triimph-Sineh zu dem Trauerspiel »Tarpeja« von Kuffner von L. »an BeethcTei, Arrangement für zwei Pianoforte zu acht Händen von Carl Birchard. Leipzig, Breilkopf & Härtel. Pr. 2 Л.

Ein neues Arrangement von Herrn Burchard. Die blosse Anzeige wird denen, welche seine Geschicklichkeit aus den zahlreichen bisherigen Arbeiten kennen, genügen.

Тааи, symphonische Dichtung für grosses Orchester von Kr»ui Liiit, für Pianoforte zu zwei Händen von Th. ГвггЬЬамшег. Leipzig, Breitkopf & Härtel. Рг. Л 3. 50.

Ob dieses das einzige zweihändige Arrangement des »Tasso« ist, welches bisher gedruckt wurde, können wir nicht sagen. Sollte das der Fall sein, so müssle man sich billig darüber wundern, weil das Opus schon etwa 30 Jahre alt ist. Andererseits ist auch nicht wohl anzunehmen, dass die Verlagshandlung sich mil Duplicalen dieser Art selber Concurrenz machen werde. Wir lassen dies also auf sich beruhen und sagen nur, was der Fall ist, nämlich dass die Forchhammer'scbe Bearbeitung als sehr gelungen bezeichnet werden muss. Dieselbe ist in der Thal nach dem Motto gearbeitet »Was gemacht werden kann, wird gemacht«. Sie bringt uns vielfach wieder zur Anschauung, dass Liszt kein echter Symphoniker ist, sondern nur ein Clavier- spieler, der das, was er auf diesem Instrumente zusammen phantasirt, in die verschiedenen Orchesterorgane hineinsteckt. Daher der vielfach ungenügende und oft unangenehme. Orchesterklang selbst an eolchen Stellen, von denen man nach dem Vortrage auf dem Ciavier etwas Besseres erwartet. Dieser neue Forchhammer'sche Ciavierauszug wird ohne Zweifel zur Verbreitung des Werkes beitragen. Aber eine wirkliche Einbürgerung desselben wird auch er nicht bewirken können, weil dem Original der musikalische Vollgehalt mangelt.

Dass die Ideenrichtung, welcher die moderne »symphonische Dichtung« ihren Ursprung verdankt, noch immer activ ist, beweist ein Opus, welches mit dem Tasso-Clavierauszug gleichzeitig die Presse verliess:

Ehe Faut-Fbaitaiie für grosses Orchester componirt von Kdmund Tod llhalcrlck. Leipzig, Breitkopf & Härtel.

(1882.)

Partitur 53 Seiten Fol. Preis jl 8. 50.

Vierhändiger Ciavierauszug vom Componisten Preis

4uT.

Nicht »symphonische Dichtung«, sondern Phantasie hat der Componist sein Werk betitelt. Es wird wohl daher kommen, dass dasselbe nur aus einem Satze besieht (wenn man es so nennen will), während jene »Dichtungen« in der Mehrsälzig- keit mit der alten Symphonieform im wesentlichen noch übereinstimmen. Nach dem Motto hat Mihalovicb (in welchem man dem Namen nach einen Serben vermulhen möchte) sich das Unbefriediglsein in Fausl's Wesen herausgesucht und dieses durch sein musikalisches Phantasiren auch insofern treffend dargestellt, als der Hörer dadurch in eine Stimmung versetzt wird, welche ebenfalls bis zur Trostlosigkeit unbefriedigend ist. Um eine Ahnung von dem Ohrenschmaus zu erwecken, der hier auf die grosse Orchester-Tafel gebracht wird, wählen wir den kürzesten Weg und tbeilen die Anfangslakle (nach dem vierhändigen Ciavierauszug) mit. Die Phantasie beginnt ful- gendenuaassen :

Primo.

.[lg-. * -т ft . ——

9va bassa

Der Componisl wiederholt die Anfangstakle sofort, um uns die Süssigkeil derselben so recht aus dem Vollen kosten zu lassen. Es wäre allerdings zu beklagen, wenn ein Tropfen davon nngenossen verloren ginge, was aber auch nicht zu befürchten ist, denn die hier zu Anfang vorgebrachten Figuren machen sich mit merkwürdiger Dreistigkeit immer aufs neue wieder geltend. Quinlengenuss in vollen Accorden, Dur wie Moll, ist hier also bereitet, wie wahrscheinlich in keinem zweiten musikalischen Scherze von ähnlichem Umfange. Wir sind deshalb auch ganz wohl damit einverstanden, wenn man daraus Veranlassung nimmt, dieser Faust-Phantasie einen hohen Rang anzuweisen, denn es will uns nicht wahrscheinlich vorkommen, dass ein Anderer auf die steilen und zerklüfteten Felsen der Kakopuonie noch viel höher hinauf klimmen sollte. Unmöglich ist es allerdings nicht. Der Componist fängt, wie man gesellen hat, in irgend einer Nicht-Tonart nn, aber er schliesst seine Phantasie doch noch in einer wirklichen Tonart, nämlich ¡n C-dur. Es geschieht dies zwar auf eine Weise, die des Anfangs würdig ist, mit vollständiger Verhunzung des Do- minanten-Accordes; aber immerhin wird in C-dur geschlossen. Warum überhaupt in einer bestimmten hergebrachten Tonart aufhören? Verdient das Ende so etwas vielleicht mehr, als der Anfang? Ist es nicht sogar direct gegen die poetische Idee, die eben das »JVicAtbefriedigtsein der tiefbewegten Brust« zum Inhalte hat? — Wie kann der Musiker es wagen, einen Solchen schliesslich mit dem Simpeln altfränkischen Accord abzuspeisen? würde dies doch bedeuten, dass Faust, wenn auch mit nichts in der Welt, so doch wenigstens mit Mihalovich's Cdur-Accord zufrieden zu stellen sei ! was aber, wie gesagt, der poetischen Idee schnurstracks widerspricht. Auf diese schwache Stelle machen wir daher reformlustige Musikjünglinge aufmerksam ; hier können sie mit neuen Faust-Phantasien erfolgreich einsetzen. Geläuterle musikalische Gedanken und schöne Melodien werden nicht erfordert. Es ist nur nöthig, dass man mit

der Dreistigkeit eines Knaben von demjenigen , was die Jahrhunderte an musikalischer Lehr- und Kunslweisheit aufgespeichert haben, eben das Werlhvollste über Bord wirft und sich dann die Manieren .einer Tagesrichtung aneignet. Nur keine Halbheiten ! Tabula rasa gemacht, aber vollständig ! Dies möchten wir schliesslich auch Herrn E. von Mihalovich noch zurufen.

TJebcr die junge Nonne von Schubert und la religieuse von Diderot.

(Nach dem Französischen des Herrn Blase de Bury.)

Man hat behauptet, der wahre Künstler gleiche jenem Hausvater im Evangelium , der seine Tafel bereitet, ohne darnach zu fragen, welche Gäste er haben, ja selbst ohne zu wissen, ob er welche haben werde, und ohne auf ihre Dankbarkeit zu rechnen. Hat er nicht bei sich selbst und in sich seine vorausgesehene Entschädigung, den Gedanken, der über alles tröstet? Der eine schwärmt für Verse, der andere für die Malerei ; ich kenne welche, die die Musik verrückt machen könnte und die an den Sonntagen im Winter zu Pasdeloup oder zu Colonne laufen, wie zur Frühlingszeit die Verliebten in die Wälder gehen, um dort zu träumen. Träumen ist wohl das richtige Wort; alle jene Programme können uns in der That nichts Neues lehren, alle jene Meisterwerke haben wir schon so oft gehört, dass wir sie nur noch sehr oberflächlich hören, wie man etwa Naturlaute vernimmt. Dabei setzt sich unsere Phantasie in Bewegung, sie arbeitet und es entslehen Luftbilder. Wie oft habe ich mir so beim Anhören von Mendelssohn's Ouvertüre die alte Fabel der »Mclusine« vocerzähll l Erinnern wir uns am Anfang dieses Werkes jener leidenschafllichen, gleich dem Geiuurmel einer Quelle empor sprudelnden Phrase, denken wir an die schaurig feuchten Klangeffecte, an jenes bis zur Wiederkehr des Hauptmotivs überall lautwerdende Rieseln, mit welchem die Oboe ihren schmerzlich zarten und ge- heimnissvcrkündenden Ton verbindet; die Nymphe ist Weib geworden, die Göttin hat von nun an ein Herz, um menschlich zu lieben und zu leiden. Wenn aber auch Mendelssohn's Repertoire an derartigen Themen — »Melusine«, »Sommernachls* träum«, »Walpurgisnacht« —, welche jeder nach seiner Phantasie variiren kann, überreich ist, so giebt es doch andere Meister, welche ihre Ideen in einem solchen Stil formuliren, dass man sich daran halten muss. Beethoven schreibt niemals über den Wolken ; er sagt uns die Empfindung, die ihn erfüllt, und auf eine Art, die man nicht missverstehen kann. Steht es auch jedem frei, ihn zu übersetzen oder zu commentiren, so wäre es doch verlorene Liebesmühe, weit von seinem Gegenstände abzuschweifen ! Acsthetischcs bietet er so viel man will, Psychologisches bis zu unergründlichen Tiefen , doch nichts Phantastisches ! Bei Schubert ist das Gegentheil der Fall : er lässt zahllose Auslegungen zu ; Beethoven wendet sich nur an unseren Versland, unsere Seele; Schubert lauert auf unsere Sinne und verlockt uns. Jedes seiner Gemälde offenbart unseren Augen neue Perspecliven. Kein Componisl hat in seine Kunst so verschiedene, wechselvolle Dinge hineingelegt ; seine Musik ist gotriinkl mit Malerei und Belesenheit. Er ist der modernste der Modernen. Aber das Alles bedarf des Nachweises.

I.

Victor Hugo hat die Ballade nicht erfunden, eben so wenig Schubert, und gleichwie wir in Frankreich unsere Dichter des 4 6. Jahrhunderts hatten, so halten auch die Deutschen ihre musikalische Plejade, welche von 4793 datirl, der Zeit, wo Burger's »Leonore« entstand. Ich spreche hier von der Ballade, wie sie Schubert versteht, das heisst, von einer Art homogener Composition, welche mit dem wörtlichen Text ein organisches und architektonisches Ganze bildet, das in das Herz der Situation eindringt und dieselbe illuslrirl, statt ganz einfach Refrains, Strophen und Couplets nach Art der früheren Lieder in einander zu reihen. Man ist stets irgend Jemands Sohn, und in jener speciellen Gattung, welche Schubert so hoch emporheben sollte, hatte auch er seine Vorgänger. Johann André, Zumsteg, Toraaschek, Zelter (der Correspondent Goethe's), Reichardt gingen ihm nicht ohne Ruhm voran, Andere sind ihm nachgefolgt. Lange glaubten wir, dass eine solche Aufgabe zu denjenigen gehöre, »or denen man sich hüten solle ; indessen fordern uns doch manche Gründe dazu auf : zunächst unsere Lecture, ferner so ^iele in Deutschland von Schriftstellern, welche mehr Aeslbeliker als Musikverständige sind, veröffentlichte Werke; Ambras, Riehl, Otto Jahn haben in uns den Geschmack an der Forschung erweckt. Wir wollten jene Vorgänger, deren Versuche uns berichtet worden waren , kennen lernen, und wenn wir unsererseits nun davon sprechen, so geschieht es erst, nachdem wir nichts versäumt haben, mit ihnen direct vertraut zu werden. Die Jetztzeit verlegt sich auf das Studium der Analogien : unsere verfeinerlere und erregbarere Einbildungskraft träumt von Transpositioneo einer Kunst in die andere. Wir wollen allerdings etwas hören, aber vor Allem wollen wir etwas zum Nachdenken und zur Besprechung des für und wider, so wie nach allen Seiten ; ich denke an einen Diderot, wie er sich mit seinem eindrucksvollen Naturell und mil seiner gebrochenen, zerstückelten Logik, der Conversation bemächtigt. Welche neuen Themen böte ihm diese musikalische Kunst, wenn er uns durch die Ideen in die harmonische Con- textur einführend, davon spräche, wie er seine Zeitgenossen in das Gebiet der Farben eingeführt hat. Wenn die Musik ihre Grenzen gehabt hat, so dehnt sich gegenwärtig ihr Reich überall hin aus ; nichts was den Verstand berührt, nichts Menschliches bleibt ihr fremd. Sie, früher mit Haydn und Mozart die reine Stimme der Seelenaffecte, wird mit Beethoven das Organ des Denkens, und, indem sie aufhört, in uns mehr oder weniger unbestimmte Empfindungen zu erwecken , concentrât sie jetzt das Streben ihrer Meditalion auf bestimmte Gegenstände, welche sie sich aneignet und systematisch entwickelt. Lassen wir nur den Horizont sich erweitern, so wird bald die Musik dasjenige ausdrücken wollen, was das Wort wiederzugeben allein berufen schien ; man denke an Berlioz und die Symphonie »Romeo und Julie«, eine von der Bühne in das Orchester herab- gesliegene Tragödie. Es möchte noch angeben , wenn es sich nur darum handelte, uns den Seelenzustand der beiden Liebenden, ihre Leidenschaft, ihren Liebesrausch und ihr Unglück zu malen. Doch nein, es ist das ganz vollständige Drama, das sich vor unseren Augen Scene für Scene ohne Worte entrollt ; der Streit der Domestiken beim Aufziehen des Vorbanges, das friedliche Dazwischentreten des Fürsten, der Ball bei den Ca- pulets, und das alles prachtvoll, imposant, hinreissend und von gleichzeitig musikalischem wie dramatischem Interesse, ein Delacroix für grosses Orchester, wozu einfach irgend ein Shakespeare das Programm geschrieben habe. Versuche man nun noch diese Transpositionen von einer Kunst in die andere, die eines Tages die Signatur unserer Epoche sein werden und worüber die Zukunft mit uns abrechnen wird, zu tadeln. Ich argwöhne einigermaassen, mit welchem Namen die Pedanten der gegenwärtigen Stunde diese Kunst bezeichnen werden ; sie werden uns beweisen, dass es Alexandrinismus sei. Nun wohl ! was weiter? Hat man uns nicht auch erzählt, dass Goethe ein Alexandriner war? Desto besser für die Alexandriner l

Die Maler stellen uns die Musen nicht-einzeln dar, sondern sich göttlich umschlingend in Gruppen. So wollen die Künste verstanden sein, jede ihre individuelle Form, ihren Parliculeris- inw bewahrend und alle sich zu vereinigen und zu verschmel

zen strebend in der Idee mittels einer AUnatph&re, für weicht" die Poesie den leuchtende« Aether bietet, was, ich wiederhole es, die Poesie nicht hindert, im rechten Moment eine rein persönliche Kunst zu sein, gleichwie die Philosophie zu einer geschlossenen Wissenschaft wird und ihre Selbständigkeit wieder findet, nachdem sie allen Wissenschaften ale fundamentale Basis gedient bat.

In Hinsicht auf Analogie, Relation, Gegenseitigkeit haben die Romantiker, ich gebe es zu, des Paradoxen oft zu viel geleistet ; aber derjenige, der einet die Architektur eine in dea Zustand der Erstarrung gerathene Musik, und die Musik eine flüssig gewordene Architektur nannte, Schlegel, hat in ¿teeeaa Falle sicherlich nicht blos mit Antithesen Jongleurkünste getrieben.

Können wir die Beziehungen laognen, welche zwischen den tiefsinnigen und phantastischen Combinationen, der Symmetrie, den Ranken und Verschlingungen des Stils von Sebastian Bach und einer gothischen Kathedrale bestehen T Eine Symphonie von Mozart hat allerdings weder Thüren noch Fenster; man sucht in ihr vergebens nach Triglypben oder Metopen, und was auch Auber sagen mag, welcher wollte, dass das Paradies aus C-dur geht, so hat uns doch bisher niemand enlhülh, in welcher Tonart die Kathedrale von Paris steht. Studire man aber nur genau das unabänderliche Gesetz einer Symphonie bei Haydn, Mozart und Beethoven ; gebe man sich Rechenschaft von den Theilen, betrachte man die abstráete Form : Andante, Scherzo, Rondo und sehe man zu, ob nicht das alles den Principien einer gewissen monumentalen Construction entspricht. Wenn ich einem Musiker von der Introduction, vom Neben- thema spreche, so weiss er sofort, auf welches Stadium des Stückes ich anspiele, gleich einem Architekten, zu dem ich vom Vestibül, vom Giebel oder von den Architraven rede. Man würde sich täuschen, wann man glaubte, dass die .Musik eine Kunst zum blossen Vergnügen sei und dass sie ihren Beruf erfüllt habe, wenn sie uns während ein paar Stunden eine Reibe ebenso reizender als willkürlich an einander gefügter Xakte vorführte. Vervielfältigte Arabesken geben kein Gemälde . die Ouvertüren zur »Stummen«, zu ivZanqpa« sind schöne Stücke ; warum aber sehen wir sie nicht unter den Meisterwerken auf den Programmen des Conservatoires tiguriren 1 Weil ihnen das architektonische Element, die organische Kraft der Symmetrie und Harmonie fehlt, deren Stempel die Ouvertüren von Beethoven an sich tragen. Bei Sebastian Bach eine rein architektonische Kunst, bei Haydn und Mozart die Kunst des eeotimea- lalen Ausdrucks, wird die Musik später, Dank dem von Rousseau, Shakespeare und Goethe auf den Autor des Fidelio, der Sonaten und Symphonien geübten Einflüsse zu einer Kunst des reinen Denkens, die sich hei Franz Sohubert zum Pittoresken wendete. Ut pictura poesis, sagt Horaz; uf pichiró et poesis miuica, sagt Schubert, Musik der Seele, Musik des Geistes, Musik des geschriebenen und gesuqgenen Wortes.

Ich habe die »Leonore« von Bürger citirt ; Goethe's Lieder tragen gleichfalls dazu bei, die Atmosphäre von der Anette, der Canzone und all den ewigen Gemeinplätzen des italienischen Rococo zu reinigen. So lange die Periode des Contra- punkles des »niedlichen Waldvögeleinsu dauerte, hat niemand daran gedacht, von der Musik etwas anderes zu verlangen, als Musik. Die ersten, noch im Stil Haydn's und Mozart's geschriebenen Werke Beethoven's zeigen uns dieselbe Absichlelosigkeil in Hinsieht auf irgend ein anssermiisikaliwohes Element. Wir schreiten darin von Melodie zu Melodie, wie in einem Gatten ; wir bewundern die Schönheit der Blumen, mir athmen mit Wonne deren Duft, und das ist alles. Allein Beethoven halte seine bestimmte Idee im Kopfe, welche schon in der Sonate pathétique durchzubrechen beginnt und die uns die Sonate in C-idur offen 'enthüllt, welche, wie der Musiker selbst sagt, duu bestimmt ist, uoe den Seelenzusland eines Melancholikers vor- /ufühiTii, der kein anderer als Beethoven selbst ist. Wien war gegen Ende des 18. Jahrhunderts für die Nusik das, was Weimar für die Literatur war, und das Interessante dieser Gegenüberstellung wird noch erhöht, wenn man sich die Einigung dieser beiden Musen vorstellt, welche sich unter den Auspicien Goethe's und Beethoven's vollzog. Die Parole war gegeben, die Stunde der musikalischen Poeten, nenne man sie wie man wolle, hatte geschlagen : Mendelssohn, Chopin, Schumann, Schubert etc. Sie bilden einen originellen, ganz modernen Cy- klus, durch sie ist die Literatur in die Tonkunst eingedrungen, die Note und das Wort verbrüdern sich. An die Stelle der blumenreichen Idyllen tritt das Drama und die Leidenschaft : »Der Erlkönig«, »Grelchen am Spinnrade«, «Die junge Nonne«. Ich versprach die Anfänge zu Studiren ; sehen wir nach den Vorläufern.

Was Bürger anlangt, so kennt man ihn eben so gut in Frankreich wie in Deutschland, wäre es auch nur wegen seiner »Leonore«, diesem ewigen Typus aller phantastischen Balladen, ohne welche vielleicht Victor Hugo seine Fiancee du timbalier, und Dumas den Sire de Giac nicht geschrieben hätte. Was die Componisten anlangt, deren Genie zu allen Zeiten sich an der Ballade von Bürger versucht hat, so sind dieselben nicht zu zählen. Zumsteeg war der erste, welcher den populären Poesien dramatische Färbung gab, nachdem sie bis dahin Strophe für Strophe in der Spinnstube wie eine Litanei mit Begleitung der schnurrenden Räder und der sich drehenden Spindeln gesungen worden waren. Seine »Leonore« behauptet in diesem Sinne ein historisches Interesse, während diejenige von Tomascbek, obwohl bedeutender, vergessen igt. Als Zumsteeg starb, hatten die Herausgeber nichts Eiligeres zu thun, als seine Werke zu veröffentlichen, und es giebt deren viele von sehr verschiedenem Werthe, Mitlelmässiges und Schlechtes neben Ausgezeichnetem. Man durchgeht ein Stück und bedauert die fünf Hinuten, die man darauf verwendet bat; man dreht das Blatt um und ist überrascht, einen wahrhaft glücklichen Fund zu machen l Zumsleeg und Tomaschek hatten zu Nachfolgern [I] in dieser Compositionsgattung Zeller und Relcbardl, zwei Namen, welche durch das Patronat Goethe's und seine Correspondenz in einiges Renommé gekommen sind. Allerdings beweist Goethe's Ansicht in diesem Punkte nicht viel. Schrieb ja doch der Autor des »Faust« an Zelter, als er ihn beglückwünschen wollte: Ich hätte nie gedacht, dass die Musik fähig wäre, so leidenschaftliche Accente auszudrücken,« und Goethe sagte das zu der Zeit, als Mozart eben die »Entführung aus dem Serail«, »Don Juan« and die »Zauberflole« schuf l Welche Autorität kann man Urtheilen solcher Art beimessen? Es wäre richtiger gewesen, Zelter wegen seiner Schriften ein Compliment zu machen. Seine Briefe an Goethe enthalten in der That mehr interessante Betrachtungen, Kritiken und sinnreiche Punkte, als seine Partituren gute Musik. Ich verweise in dieser Hinsicht auf eine Stelle dieser Correspondenz, wo Zeller, indem er verschiedene pittoreske Eindrücke aufzählt, dem Dichter die Analogien auseinander setzt, welche sich einem Musiker zwischen der römischen Campagna mit dem ruhigen Horizonte des Sa- binergebirges und dem Stil von Palestrina sowie seiner Zeitgenossen aufdringen , gleichwie Alessandro Scarlatti und Per- golese an die Sonne und die Gärten von Neapel, die Musik der Venetianer dagegen an die marmorne Architektur und die Romantik der Lagunen gemahnen. In gleicher Weise würde die Musik von Zelter in uns dec Gedanken an eine jener sandigen Ebnen erwecken, welche Berlin umgeben, die nie durch eine muntere Quelle oder durch den Gesang einer Nachtigall belebt werden. Aber Goethe, der sich überhaupt nicht darauf verstand , hatte ohne Zweifel seinen guten Grund , vor Allem an Zelters Musik Geschmack zu finden und diesen Musiker, der

seiner Poesie nur ein unbedeutendes musikalisches Minimum hinzugefügt hat, einem Mozart vorzuziehen. *)

Die »Leonore« von Zumsleeg erschien im Jabre 1799, sie folgte unmittelbar auf jene von Johann André uad ging der von Tomascbek voraus. Die erste war noch nach der Maidtr der guten alten Zeit behandelt und erinnert um an dea Stil von Graun. Die zweite trägt die Physiognomie der Mozart'sehen Epoche ; und die letzte nähert sich schon Beethoven ; sie ist eine Opernpartitur in dur ganzen Bedeutung des, Wortes, otter vielmehr eine derjenigen Opernmetastasen, wie sie heutzutage solche Musiker lieben, denen weder ein Librettist noch eine Bühne lu Gebote steht. Man muss sich eine BaUade mit Arien, Ensemblestücken und Finales vorstellen. Die »Leonore« von Zumsteeg hat weniger Tiefe und Pathetisches, aber dagegen mehr Charakter. Es handelt sich dabei nicht um eine Oper in parti- bus. Der Ton der Gattung ist festgehalten, die nächtliche und phantastische Seite des Gegenstandes ist so gut wiedergegeben, dass das Entsetzen uns nicht loshisst ; wir fühlen, dass der Componist an seine Gespenster glaubt, sie vom Grund aus kennt und mit ihnen auf vertrautem Fusse lebt. Der tolle Ritt der Liebenden während des entfesselten Gewitters mit den sie begleitenden Schreckbildern : der unheimliche Leicbenzug, der Tanz um den Galgen,'das Hurra, Hurra, Hussa, Hop, Hop, Hop, die Stimmen in der Höhe und in der Tiefe, die unter dem sausenden Galopp donnernden Brücken, das in seinen Angeln knirschende Gitterthor, das Versinken des Reiters mit seinem Rosse, alles das ist bilderreich, leidenschaftlich und voll übernatürlichem Grauen dargestellt. Alle haben übrigens gewissenhaft den Sinn und die Farbe des Textes sich angeeignet, und wenn je irgend eine Treulosigkeit untergelaufen ist, so kann man diese nicht der Musik, sondern nur der Malerei vorwarfen. Wie lässt sich, aum Beispiel, begreifen, dass Ary Scheffer diesen Gegenstand in die Zett der Kreuzzüge verlegt und dabei dem Luxus der Costume, dec Bnlfallung der mise en scène die Grundidee und die bewunderungswürdige Originalität der Conception des Dichters geopfert bat? Heine hat sich diesfalls nicht getäuscht : »Das Heer der Kreuifahrer lieht vorüber, und die arme Leonore findet unter demselben ihren Bräutigam nicht ; es herrscht in diesem ganzen Gemälde «ine susse und beinahe heitere Melancholie ; nichts läset die schreckliche Erscheinung der kommenden Nacht voraussehen.« Burger's Leonore lebt in der Periode des Protestantismus und der kritischen Forschung; ihr Geliebter ist ausgezogen, um für Voltaires Freund ein Stück von Schlesien zu erobern ; es war die Zeit des Zweifeins und der Gotteslästerungen. Scheffer's Leonore lebt Im Gegentbeil in einer ganz katholischen Zelt ; sie lästert nicht die Gottheit, und der abgeschiedene Heiter kommt nicht, «le zu entführen. Ihr Haupt senkt sich auf die Schulter ihrer Mutler, wie der Kelch einer kranken Blume, während ein Ritter von seinem Schlachtross« ihr mitleidvolle Blicke zusendet. Die Blume wird verwelken, aber sie wird nicht fluchen. Es ist eine sanfte Composition, welche die Geister des Hasses und der Rache verscheucht und ferne hält, ein ganz harmonisches Gemälde, bei dem in der Musik der Farben die beruhigendste Einheit herrscht, was indessen zu gleicher Zeit der blühendste Unsinn ist. (Fortsetzung folgt.)

  • ) Auf den Autor lüsst sich dasselbe anwenden, was er von Goethe sagt: »Welche Autorität kann man Urlheilen solcher Art beimessen?« Wie schief und unrichtig diese leider weil verbreiteten Ansichten über Goethe's musikalisches Unheil sind , werden wir in einem besonderen Artikel auseinander setzen. D. Red.

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No. 4. Die Schuldigkeit des ersten Gebotes. 75 Sp. — 2. Apollo

et Hyacinfhus. 75 3j/. — 8. Bastien und Bastienne. 50 ф. —

4. La finta semplice. .* 4,25. — 7. II Sogno di Scipionc.

, * 4,—. — 9. La finta Giardiniera. .V 4,50.

Reinecke, Carl, Op. 469. Suite (Preludio, Andante con Varia-.ioni,

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Nouvelle Édition revue par l'Auteur. Jt 5,—. Wagner, Richard, Lyrische Stücke für eine Gesangstimme aus Tristan und Isolde. (Ausgezogen und eingerichtet von E. Lasse n.) Für das Pianoforte zu zwei Hunden mit Beifügung der Textes- worte bearbeitet. No. 4. Kurwenal'sSpottlied. Darf ich die Antwort sagen? 50^.

- 2. Isolde's Erzählung an Brangäne. Erfuhrest du .meine

Schmach. Л 4,75.

- 8. Tristan und Isolde's LiebesdueU. O sink* hernieder, Nacht

der Liebe. 7S ¿ff.

- 4. Tristan's Frage an Isolde. 0 König, das kann ich l

dir nicht sagen. l »a*

- 5. Isolde's Antwort an Tristan. Als fUr ein fremdes [

Land der Freund sie einstens warb.

- в. Isolde's Verklarung. Mild und leise wie er lächelt, wie

das Auge hold er öffnet. Л 4,25.

Mozart's Werke.

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Verleger: J. Rieter-Biedermann in Leipzig und Winterthur. — Druck von Breitkopf d Härtel in Leipzig. Expedition: Leipzig, Rabensteinplatz 2. — Redaction: Bergedorf bei Hamburg.

Die Aligóme.» Manikilierhe Zeitung

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Musikalische Zeitung.

Verantwortlicher Rédacteur: Friedrich Chrysander.

Leipzig, 11. October 1882.

Nr. 41.

XVII. Jahrgang.

Inhalt: Musikalische Schriften von Kranz Liszt. — Compositionen fur Violence!! von Julius Klengel (Op. 4 : Suite, Op. S : Drei Stucke, Op. S : Capriccio, Op. 4 : Concert). — lieber «die junge Nonne« von Schubert und »la religieuse« von Diderot. (Fortsetzung.) — Aus Rotterdam. — Berichte (Leipzig). — Aufruf, verlorene Antographen von Mozart betreffend. — Berichtigung. — Anzeiger.

Musikalische Schriften von Franz Liszt.

es Buhcraicn^ «t Je leu Masiqie eo Hangrie. Nouvelle edition. Leipzig, Breitkopf et Haertel. 1881. gr. 8. 538 Seiten.

F. Chepin par Fr. Ltat Nouvelle édition. Leipzig, Breitkopf et Haertel. 1879. gr. 8. 312 Seiten.

fr. Chapín von t'r. Lisil. Frei ins Deutsche Übertragen von Ulan. Leipzig, bfeitkopf & Hartel. 1880. gr. 8. 315 Seiten. (Gesammelte Schriften, erster Band.)

Kwejs und leUehriefe elees Baeealaireu 4er Tankiist von Fr. Liszt In das Deutsche Übertragen von L. Kamaim. Leipzig, Breitkopf & Hartel. 1881. gr. 8. 261 Seiten. (Gesammelte Schriften, zweiter Band.)

Dramaturgische Blatter. Erste Abtheilung: Essajs über Musikalische Buhnrowrrkr oíd Bnhienfra^f l, C»ep»ilste» ad Darsteller von Frau LUit In das Deutsche Übertragen von L. Катапп. Leipzig, Breitkopf & Härte!. 1881. gr. 8. 166 Seiten. (Gesammelte Schriften, erste Hälfte des dritten Bandes.)

Die genannte grosse Verlagshandlung publicirte unlängst den ersten Band einer Biographie von Liszt, welcher hier auch bereite ausführlicher zur Anzeige gekommen ist. Diesem biographiechen , von einer Dame und auch durchgeheods nach Damenart zusammen geschriebenen Werke*) folgt zugleich als

  • ) Eine kleine Probe davon möge hier noch stehen. Man höre die Gründe, warum Liszt wesensverwandt ist mit Beethoven, aber sieb eigentlich noch höber hebt: »Seine Individualität tragt nicht die Grundiüge der franzosischen Romantiker, aber die wesentlichen Momente, welche Beethoven zu einer Erscheinung modernen Geistes stempeln, zeigen sich untrüglich schon in seinen Jünglingsjahren. Lisyt's Wesen wurzelt wie das Beethoven's im Gefühl ; von Kindheit an gleicht es einer lyrischen, höher und höher steigenden Flamme. Sodann bei Lisit schon in den ersten Junglingsjabren jener grosse nach dem Universellen strebende Zug der Ideenwelt, wie er bei Beethot-en erst in dessen Reifezeit auftrat — man denke an den Entwurf der Juli-Symphonie des neunzehnjährigen Junglings und vergleiche ihn mit dem Inhalt der neunten Symphonie l — ; bei Liszt ferner das tiefe der Menschheit zugewendete Gefühl, das auch den deutschen Meisler so gewaltig ergriffen; bei Liszt endlich, aber ausgeprägter und entschiedener als bei Beethoven, die Hingabe an das religiöse Element, dieser weite, nach Objcctivität über Erde und Welt hinausstrebende Flug des Gedankens und der Empfindung! Das sind Geisteseigenschaften« u. s. w. (S. 204.) Beethoven muss viele Verwandte besitzen, wenn alle dazu gehören, deren Wesen im GefUbl« wurzelt. Beethoven strebte zur Höhe in der »Reifezeit«, Liszt erklomm dieselbe Höhe schon mit 19 Jahren. Offenbar ist das ein Vorzug vor Beethoven, aber doch nur ein solcher, wie ihn jeder Con- servatorist besitzt. Schreibt der Letztere eine С luoll-Symphonie —

zweite Serie eine Ausgabe der von dem vielseitigen Autor ver- fassten Schriften, In «Ils im Neudruck des französischen Originals, theils in deutscher Debersetzung. Bei der letzteren ist dieselbe Dame thalig, welche die soeben erwähnte Biographie unternommen hat (Luise Kamano), und ein anderes, ähnlich constituirles weibliches Wesen (La Мага) unterstützt sie. Diese deutsche Ausgabe soll sämmtliche liierarische Hervorbringungen des berühmten Musikers vereinigen, deshalb erscheint dieselbe als Gesammelte Schriften in einer Reibe von Bänden. Das bereits Verölfentlichte gebt bis in den dritten Band. Die ganze Sammlung ist der Ankündigung zufolge auf sechs Bände berechnet, von denen Band IV die Schriften über oder für Wagner's Opern, Band V verschiedene Aufsätze aus der Wei- mar'scben Zeit (Ш8—1860) , and Band VI als der Schluss die oben verzeichnete, in neuer französischer Edition erschienene Abhandlung über die Musik der Zigeuner enthalten soll.

Das ziemlich umfängliche Werk über die Zigeuner in Ungarn wurde ebenfalls in Weimar geschrieben und dort am 1. April 1859 beendet, wie denn während Liszt's Kapellmeislerthá'tig- keit zu Weimar die meisten dieser Schriften verfasst sind. lieber jedes Werk, welches er neu einübte, über bedeutende Künstler, welche dort auftraten oder sonstwie mit ihm in Berührung kamen, schrieb er unmittelbar darauf seine Gedanken nieder. Die Frische des unmittelbaren Eindruckes ist deshalb allen diesen Kundgebungen unverkennbar aufgeprägt. Die bis jetzt publicirte erste Hälfte des drillen Bandes enthält folgende' Aufsätze: Orpheus von Gluck (1854). Beethoven's Fidelio (I85Í). Weber's Buryanthe (í85i). üeber Beethoven's Musik zu Egmonl (1854). Ueber Mendelssohn's Musik zum Sominer- nacbtstraum (1854). Scribe's und Meyerbeer's Robert der Teu- fel()854). Schubert's Alione und Estrella (I 854). Die Stumme von Portici von Auber (1854). Bellini's Montecchi e Capuletti (1854). Boieldieu's Weisse Dame (1854). Donizetti's Favoritin (4 854). Pauline Viardot-Garcia (1859). Keine Zwischen- acts-Musik! (1855). Mozart; bei Gelegenheit seiner lOOjäh- rigen Feier in Wien (1856). Die beschriebenen Zahlen bezeichnen das Jahr der Entstehung der Aufsitze. Man ersieht hieraus die ganz besondere Fruchtbarkeil des Jahres 1854. — Am Schlüsse der Erörterung über Mendelssohn's Musik zum Sommernachistraum S. 46 polemisirt er auch ein wenig gegen Gervious, welcher in seinem Werke über Shakespeare топ dieser modernen musikalischen Zulhat nicht viel wissen will. Liszt meint aber, der verdiente Beifall, welcher dieser Mui-ilt

¡soeben hörten wir noch wieder von einer solchen) — uno punte Liszt neunzehnjährig eine Juli-Symphonie, so waren bei Beide« die langen Haare das Einzige, was sie dazu berechtigte.

überall zu Theil werde, möge »als ein schlagender Gegenbeweis« gegen einen solchen Tadel dienen, und ferner habe Mendelssohn's Musik das Verdienst, »eine der schönsten Blüten aus dem Strauss, welcher Shakespeare's Scepter umblübU, dem Publikum erst so zugänglich gemacht zu haben, »um sie als stehende Vorstellung des Repertoires fön und fort frisch tu erhalten.« (S. 17.) Aber wenn »Beifall« and dergleichen schon ein genügender, sogar ein niederschlagender Gegenbeweis würe, so verlohnte es sich überhaupt nicht der Mühe, sachliche Erörterungen anzustellen. In Zeiten, wo die musikalische Bewegung die dramatisch-poetische überwiegt — und zu diesen Zeiten darf man unzweifelhaft auch unsere Gegenwart rechnen — sind die Erzeugnisse grosser Bühnendichter statt der Gefahr ausgesetzt, топ Musik überflntbet zu werden, namentlich solche Producte ihrer Muse, die nach der einen oder ändern Seite bin den Bübnenraum überspringen, wie Sommernachtstraum, Faust, Wintermärchen lind ähnliche dramatische oder dramatischepische Dichtungen. Die Musik ist unzweifelhaft in ihre* Recht, wenn sie das, was ihr an poetischen Werken in der einen oder anderen Beziehung passt, zu behandeln, also für ihre 7.wecke lediglich als Ma t e rial zu benutzen sucht. Halt man diesen Standpunkt fest, so ist ihr nicht herzukommen, denn jede Kunst sorgt zunächst für sich selber und betrachtet alles Vorliegende lediglich als Stoff. So hat Shakespeare in Troilus und Cressida Homer's Gedichte, so im Cäsar romische Autoren behandelt ; ebenso sind zwei grosse Werke von Handel (Samson und Allegro) dadurch um nichts kleiner oder kurzlebiger geworden, dass sie ihre Texte nur durch die Zerstörung von zwei herrlichen Dichtungen Milton's gewonnen haben. Aber wenn man, wie Liszt hier thut, die Berechtigung darin sucht, dass unsere Zeit immer mehr darauf ausgehe, »hervorragende Musik und hervorragende Dichtung zu vereinigen«, so wird eben damit der Kritik die allerschwachste Seite zugekehrt,-denn dann prüft man die angeblich pietätvolle Behandlung, welche die vorhandene Dichtung durch die neue Musik erfahren-haben soll, und hierbei muss die Musik stets verlieren. Ein wahrhaft grosses Gedicht kann niemals zwei Seelen haben, kann nicht poetisch und zugleich poetisch-musikalisch sein ; jt bedeutender es ist, destomehr wird es in der Darstellung rein poetischer Tendenzen Sinn und Zusammenbang haben. Hierüber wird unter allen einsichtigen Erklärern nur eine Meinung herrschen. Insofern bleibt die Kritik von Gervinus besteben ; er versah es nur darin, dass er heftig gegen eine bestimmte einzelne Musik polemisirte, und dadurch die Meinung veranlasste, als ob eine andere, mehr einfache Composition zur Begleitung dieser Dichtung passender sein würde, — während er ruhig als allgemeinen Grundsatz hutte aussprechen sollen, dass eine »pietätvolle« Musik ein Unding und deshalb auch eine solche Vereinigung »hervorragender Musik und hervorragender Dichtung« eine Unmöglichkeit ist. Es bringt durchweg mehr Schaden als Nutzen, wenn die Kritik mit dem Besen in der Hand vorgeht. Producte wie Mendelssohn's Elfenmusik und ähnliche sind viel zu sehr aus einer allgemein herrschenden Stimmung der Zeit geschöpft, als dass man sie durch einige tadelnde Bemerkungen beseitigen könnte, oder sie dadurch zu beseitigen nur den Wunsch hegen dürfte. Denn es treten durch sie neue Seiten der Kunst hervor, die, wie geringwertig sie auch im Vergleiche mit anderer Musik sein mögen, doch unzweifelhaft neben derselben vollberechtigt erscheinen. Dagegen kann ihre Berechtigung niemals darin liegen, dass sie ein bestimmtes Werk der Dichtung — in diesem Falle den Sommernachtstraum — für uns »fort und fort frisch« erhalten, denn diese Frische wird aufhören und diese Verbindung wird sich lösen, sobald die betreuende musikalische Richtung an ihren Wendepunkt gelapgt. Man muss nur nicht glauben, dass so etwas in einem Zeitraum von sechs Monaten vor sich gehen könne. Liszt's feines Gefühl für die in

der Gegenwart tonangebende Musikweise zeigt sich vielmehr auch darin , dass er Mendelssohn's Sommernacolstraum-Musik »den immer grössere Bedeutung gewinnenden Versuchen« dieser Art anreiht. Haben wir doch seither eine ganze Reihe solcher Versuche zu verzeichnen gehabt, bei denen man allerdings mit dem- blossen guten Willen, zu einer hervorragenden Dichtung auch eine hervorragende Musik zuschreiben, vorlieb nehmen musste ; und macht doch eben jetzt wieder eine sogenannte Faust-Trilogie mit Musik die deutschen Lande unsicher. Diese Faust- Trilogie bestätigt abermals, dass solche Verbindungen von Dichtung und Musik keine wirkliche Ehe zu Stande bringen , denn wie vor fünfzig Jahren eine andere Musik dem »Faust« zu entsprechen schien, so wird die Zukunft ihren veränderten Neigungen und Auffassungsweisen ebenfalls wieder in neuen Compositionen zu genügen suchen , ohne dass zu einer dauernden Vereinigung der grossen Dichtung mit einer bestimmte» Jlusik jemals Aussicht wäre. Deber diesen Punkt sollte na* eigentlich nicht mehr streiten.

Der zweite Band der gesammelten Schriften enthält Jugendwerke, Aufsätze und Briefe von I83Í—(840. Warum diese Jahre als »Storm- und Drangperiode« roth angestrichen sind, ist uns nicht klar geworden, denn die betreffenden Schriftstücke finden wir ziemlich zahm und ohne einen weiteren Ge- sammtinhalt als den, der sich bei den Kundgebungen eines bestimmten Autors von selbst versteht. Liszt hatte in seinen jüngeren Jahren schon jenes vielseitige geistige Interesse und Aufmerken auf Alles, was die Gegenwart bewegt, welches ihm lebenslang eigen geblieben ist ; aber grosse geistige Klarheit ist ihm als Schriftsteller nicht nachzurühmen. Das bilderreiche Helldunkel seiner Sprache muss für Frauen anziehender sein, als für Männer, denn es gestattet dem Leser sich alles Mögliche dabei zu denken, indem es ihn zugleich von dem Zwange befreit, sich mit unerbittlicher Consequenz etwas Bestimmtes denken zu müssen. Daraus erklärt sich auch wohl, dass es Damen sind , die wir in der nächsten Umgebung des Schriftstellers Liszt erblicken. Der genannte zweite Band enthält folgende Aufsätze: Zur Stellung der Künstler (6 Artikel), lieber zukünftige Kirchenmusik (nur ein kurzes Fragment, doch ist auch schon gegen Ende der vorigen Artikel von Kirchenmusik, ihrem Verfall und ihrer Hebung, die Rede; siebe unten, lieber Volksausgaben bedeutender Werke. Ueber die Hugenotten von Meyerbeer. (Ein Fragment, mit welchem der spätere Artikel über Robert den Teufel im dritten Bande lehrreich zu vergleichen ist.) Herrn Tbalberg's »Grandes Fantaisies« Op. SI und »Caprices« Op. 46 und 49. An Herrn Professor Fétis. (Beide Artikel gehören zusammen, und der Vollständigkeil wegen ist auch die Antwort von Fétis auf Lisct's Thalberg-Kritik beigegeben, auf welche dann Liszt's Gegenantwort erfolgte. Hiermit bat man die wesentlichen Documente zusammen über einen Streit, der damals als ein Kampf der beiden bedeutendsten Pianisten besonderes Aufsehen erregte.) Composilionen für Ciavier von Robert Schumann. Paganini. (Ein kleiner Nekrolog.) — Die zweite und grössere Hälfte des Bandes nehmen die Briefe ein, die gerichtet sind Nr. 4—3 an George Sand, Nr. 4 an A. Fielet, Nr. 5—6 an L. de Boochaud, Nr. 7 und 40 an M. Schlesinger, Nr. 8 an Lambert Massart, Nr. 9 an Heinr. Heine, Nr. 4 4 an d'Ortigue, Nr. 4 S an H. Berlioz. Die Aufsätze beschäftigen sich vielfach mit Reformfragen in der Musik. Das Julikönigthum zerstörte zwar manches Bestehende, erweckte aber zugleich Hoffnungen und nahm auch mancherlei Anläufe zur Abstellung alter Missbräuche. Die Ansprüche der Künstler in der damaligen bochromantischen Zeit waren bedeutend gestiegen und machten sich in abenleuerlichen Pro- jecten Luft. Vieles davon hat nur noch als Curiosität Werth, Einiges dagegen ist von grösserer Bedeutung, weil es mit der späteren Entwicklung zusammenhängt.

Dahin gebort auch wohl das, was Liszt in jenen Jahren über Kirchenmusik Susserte. Am Schluss des S.Artikels »Zur Stellung der Künstler« kommt er auf diesen Gegenstand, um ihn mit den düstersten Farben zu zeichnen. »Kirchenmusik l ... Doch wir wissen nicht mehr was das ist: die grossen Offenbarungen eines Palestrina, eines Händel, eines Marcello, Haydn, Mozart leben kaum in Bibliotheken. Nirgends erheben sich diese Meisterwerke, um den Staub abzuschütteln , der sie begräbt, nirgends wird ihr Wort Fleisch, sei es, um Schrecken und Staunen zu erwecken, sei es, um die vor dem Allerheiligsten sich beugende Scbaar mit göttlichem Zauber zu tränken. Nicht, dass sie vergessen, dass sie verachtet wären — nein l Ihr Schweigen hat einen ernsteren, tieferen Grund. Wir wissen nicht mehr, was es um eine Kirchenmusik ist — und wie könnte es anders sein?» (S. 48 —19.) Die Bestimmung der »katholischen Kirche« (von einer ändern ist nicht die Rede) scheint denn auch zu sein , »erschöpft und verlassen unterzugehen«. Der Autor ist über diesen Punkt inzwischen gewiss anderer Meinung geworden, sonst würde er wohl nicht selber die Weihen nachgesucht haben. Seine Hoffnung, eine neue Musik entstehen zu sehen, deutet ebenfalls darauf hin. Hören wir nun mit Liszt's eignen Worten, wie er eich die Neubelebung der Musik und damit namentlich die Verjüngung der Kirchenmusik vorstellt. Der Kernpunkt dieses überaus merkwürdigen Programmes lautet : »Wie sonst, ja mehr als sonst muss die Musik Volk und Gott als ihre Lebensquelle erkennen, muss sie von einem zum ändern eilen, den Menschen veredeln, trösten, läutern und die Gottheit segnen und preisen. Um dieses zu erreichen, ist das Hervorrufen einer neuen Musik unumgänglich. Die Musik, die wir in Ermangelungeiner anderen Bezeichnung die humanistische (humanitaire) taufen möchten, sei weihevoll, stark und wirksam, sie vereinige in colossal D n Verhältnissen Theater und Kirche, sie sei zugleich dramatisch undbeilig, prachtentfaltend und einfach, feierlich und ernst, feurig und ungezügelt, stürmisch und ruhevoll, klar und innig. Die Marseillaise, die uns mehr als alle sagenhaften Erzählungen der Hindus, Chinesen und Griechen die Macht der Musik bewiesen, die Marseillaise und die schönen Freiheitsgesänge sind die furchtbar prächtigen Vorläufer dieser Musik.« (S. 56.) Mehr wollen wir hiervon nicht citiren, um den Leser nicht schwindelig zu machen. Sollte aber Jemand Verlangen tragen, durch solchen verwegenen und, wie die spätere musikalische Entwicklung gelehrt bat, gefährlichen Bombast sieb ein Mühlrad im Kopf herumgehen zu lassen, der lese das Ganze im Zusammenhange ; es sind nur wenige Blätter. Auf Widersprüche kann es bei diesen Bxpec- torationen nicht ankommen, denn wo Alles seltsam ist, wird man doch das Einzelne nicht nach dem Maasse der gemeinen Vernunft beurtheilen wollen. Seite l'.i war der »ernstere tiefere Grund« von dem Vergessensein so grosser Meister wie Palestrina, Händel etc. der, dass wir »nicht mehr wissen, was es um eine Kirchenmusik ist«. Glaubt man dagegen, was Seite 56 steht, so war der »ernstere tiefere Grund« ein ganz anderer, nämlich der, dass jene alte Kirchenmusik für unsere Zeit überhaupt nicht mehr genügt, sondern dass für die neue Zeit, auch für die kirchlichen Bedürfnisse derselben, eine neue Musik »unumgänglich« geworden ist, eine Musik, die mit der »furchtbar prächtigen« französischen Marseillaise ihren Anfang genommen hat. Vieles von dieser neuen Musik — nach unserer Ansicht sogar die ganze Hauptmacht derselben — ist auch bereits über uns herein gebrochen, und hierbei haben die als allberühmt gefeierten Meister ein bemerkenswert)! verschiedenes Schicksal gehabt. Während ein Palestrina bei der »neuen« Musik ausser- ordentlich gut fährt, ein Bach aus dem bisherigen Dunkel glänzend hervortritt, ist es dagegen Händel, der (äst allein die Zeche

dieser Musikorgien bezahlen muss; von diesem Händel fand Liszt, als er zu reiferen Jahren gekommen war, dass jener alle Meister nicht Menschen-, sondern »Elephanlen-Musik« geschrieben habe, und Wagner bezeichnete dieselbe fast noch treffender als »dummes Zeug«. Wer wird sieb aber mit solchem Zeug noch abgeben? Die »neue« Musik nicht mehr.

Liszt ist namentlich als Schriftstel'er durch und durch französischer Romantiker. Wer den jetzt sehr in den Hintergrund getretenen und den meisten Zeitgenossen kaum noch dem Namen nach bekannten Lamartine kennt, der weiss auch so ziemlich wie Liszt's Schriften beschaffen sind ; »Sentiment*« könnte die Gesammt-Ueberschrift derselben lauten. Cm das bilderreiche Helldunkel derselben und zugleich die Art der Verdeutschung an einem angenehmen Beispiele zu veranschaulichen, wählen wir eine der besten Stellen aus dem »Chopin«. Hier phantasirt er über das grosse Räthsel der Romantiker, über Genie und Weib, wie folgt: »Aber vermag das Genie immerdar, sich zur Seelengrösse der Demuth, zu einer Opferfreudigkeit aufzuschwingen, die Vergangenheit und Zukunft, ja sich selber in zeitloser Treue zum Opfer darbringt und die der Liebe erst ein Anrecht auf den Namen »Hingebung« verleiht? Glaubt das Genie, selbst wenn es sich seiner göttlichen Kräfte begiebt, nicht auch seine gerechten Ansprüche gellend machen zu dürfen, wogegen die Macht des Weibes doch gerade darin besteht, jeder persönlichen und egoistischen Forderung zu entsagen? Kann der Königspurpur und die Flammenkrone des Genies unverletzt über dem azurnen Grund eines Frauenlebens schweben, das nur mit den Freuden dieser Erde rechnet und auf keine höheren hofft, das, vom Glauben an sich selber erfüllt, nicht an die Liebe glaubt, die »stärker als der Tod« ist? Muss man, um die Forderungen des Genius mit den Entbehrungen der Liebe zu einem nahezu überirdischen Ganzen zu vereinen, nicht in kämpf- und kummervollen Tagen und Nächten dem Chor der Engel manch übermenschliches Geheimniss abgelauscht haben T — Unter seinen köstlichsten Gaben verlieh Gott dem Menschen die Macht, nach seiner Weise — nSmlich nicht wie er als Schöpfer und Urheber alles Guten, des Urstoffs und der Substanz, sondern wie er als Bildner und Urheber alles Schönen — Gestalten und Harmonien aus dem Nichts hervorzubringen ; um in denselben seinen Gedanken darzustellen und ein unkörperliches Gefühl in körperlichen Umrissen zu verlebendigen, welche seine Einbildungskraft schafft, und die entweder durch das Gesicht — den Sinn, der Erkennen und Denken lehrt — oder durch das Gehör — den Sinn, der Fühlen und Lieben nährt — erfasst werden. Es ist dies die wahre Schöpfung in der schönsten Bedeutung des Wortes, insofern die Kunst Ausdruck und Mitlheiliing einer Empfindung mitlelst eines Eindruckes, ohne Vermittlung des zur Darlegung von Thatsachen und Beweisgründen nolbwendigen Wortes ist. Weiter verlieh Gott dem Künstler (und hier wird auch der Dichter zum Künstler, denn der Form der Sprache, sei's Prosa, sei es Poesie, verdankt er seine Macht) eine andere Gabe, die der ersten entspricht wie das ewige Leben dem zeitlichen, wie die Auferstehung dem Tode entspricht: die der Verklärung; die Gabe , eine unvollkommene , schmerzzerrissene Vergangenheil in eine Zukunft unvergänglicher Herrlichkeit zu verwandeln, die so lange währt, als die Menschheit selber.« (Chopin, S. 4 85 —186.)

Compositionen für Violoncell von Jul. Elengel.

Unter den neuen Componisten, welche für dieses belieble und tonreiche Instrument geschrieben haben, hebt sich ein junger Musiker durch ein ganz besonderes Talent hervor. Herr Jol. Klengel ist Violoncellist im Gewandhausorchester und ein Spieler allerersten Ranges. Derselbe veröffentlichte bisher vier Werke, auf welche wir die Liebhaber hiermit aufmerksam machen. Sein

Opus 4 : Sitte fUr Yioloncell und Pianoforte (Leipzig,

Breitkopf & Ha rtel. Preis Л 2. 75)

ist ein Schulstück und als solches passend dem Lehrer Jadas- sohn gewidmet. Eine »Suite« ist dem Namen nach etwas Alter- Ihümliches, Violoncell-Suiten waren nun eigentlich in der alten Zeit eine Seltenheit, denn das Aufkommen des Violoncelle hängt mit der Ausbildung der »Sonóla« oder der neueren Musikformen zusammen^. Du- Früheren benutzten das Instrument fleissig zum Solospiel, wie auch concertirend mit der Singstimme, doch in beiden Fällen hauptsächlich als Rührstück, fanden es dagegen nicht besonders passend zum Vortrage von lanzarligen Charak- tersiitzen. Bei der grossen Ausbildung, welche in unserer Zeit die Virtuosität nach der technischen Seile hin erlangt hat, kann uns dies zwar nicht abhalten, »i versuchen, wie weit wir mit unseren Mitteln und mit unserer heutigen Kunst auch nach dieser Seite hin gelangen können, doch wird es immerhin ge- ralben sein, das eigentliche Naturell des Instrumentes sorglich im Auge zu behalten. Vorliegende Suite besteht aus fünf Sätzen : Largo, Allemande, Gavotte, Sarabande, Gigue. Es sind sämmt- lich musikalische Gebilde, an denen man Freude haben wird. Allemande und Gigue sind sehr lebhaft geführt und bilden ein treffliches Exercitium für den Spieler. Die Sarabande ist klein, wohl zu klein in dieser Umgebung. Die voraufgebende Gavotte — in E-moll, wie alle übrigen Stücke — hat einen Mit- teltheil in E-dur, den man als Musette bezeichnen könnte. Dem schönen Hauptgedanken (a), der mit Händel'scher Klarheit und Bestimmtheit auftritt, entspricht der chromatisch sich verkrümelnde Nebengedanke (b) nicht recht:

Wir wissen zwar, dass es als neuester Fortschritt gilt, dergleichen chromatische Tifleleien an die Stelle der früher gebräuchlichen einfach diatonischen Gänge zu setzen und dass dies als eine Bereicherung der Harmonie angesehen wird. Es ist aber nicht blos eine Schädigung der melodischen Versländlichkeil, sondern auch des harmonischen Reichlbums. Unser Autor bat sieb dieses selber bewiesen, denn seine harmonische Begleitung ist hier hart und dürftig. An sich wollen wir dieselbe nicht anfechten ; der Uebelstand liegt lediglich in der Violoncell-Melodie.

Op. 2: irel Stacke fUrVioloncell und Pianoforle. (Leipzig,

Breitkopf & Hand. iv. .// :i. 25.)

Die drei. Stücke beissen : Berceuse, Mazurka und Tarantella; sie bewegen sich also in festen Formen. Es sind ziemlich breit ausgeführte, gehaltvolle, auf virtuosen Vortrat berechnete Stücke, die sich in jedem Concert sehen lassen können. Die Tarantella ist besonders schwer. Die Berceuse beginnt :

Andante con moto.

Dl Dl

die Begleitung hat den Dominantseptimen-Accord, wie beigeschrieben ; die reine und so tief melodische Quinte ist in dem

Hauptgedanken also wieder einer modernen Unart zum Opfer gefallen. Dem jungen Componisten ist es sicherlich beschieden, noch manchen belangreichen Forlschritt in seiner Kunst zu machen. Wir hoffen , die Erkenntniss von den melodisch wie harmonisch reichen Schätzen, welche die alte Dialonik in sich schliessl, wird ebenfalls dazu gehören. Hätte er das gesangreiche a stall des blasirleu au gewählt, so würde es ihm möglich gewesen sein, auf diesem Intervall einen Triller und sonstige feine Verzierungen anzubringen, die wir jetzt allzusehr bei ihm vermissen.

Op. 3 : Carried« fUr Violoncell und Pianoforte. (Leipzig, Breitkopf & Härtel. Pr. Л 3. 25.)

Ein grosses Virluosenslück ; die Sechzehnte! geben Allegro motto vivace, verschnaufen sich zwar in der Mitle etwas, legen dann aber in doppeller Breile noch einmal los und halten bis zu Ende aus. Wer dies in der vorgeschriebenen Weise durchführen will, muss einen stählernen Arm haben. Die Hauptoder Rasefigur ist übrigens sehr charakteristisch., weniger be- deulsam isl der langsamere (d. h. in Vierteln sich bewegende) Milteltheil, wie denn überhaupt die cantabeln Gänge die Stücke unseres Autors nicht sind, oder — wie wir uns lieber ausdrücken möchlen — noch nicht sind.

Op. 4 : ('»nrrrt (A-moll) für Violoncell und Orchester. Leipzig, Breilkopf & Härtel. Partitur: 170 Seiten gr. 8. Preis.* 13. 50. Stimmen: Pr. 12 Л. Violoncell mit Ciavierauszug : Pr. 6. 25.

Dies isl das jüngste Product des ausserordentlichen Virtuosen und zugleich hochbegabten Componisten. Nach den vorhergehenden Versuchen und Studien hat derselbe nun hiermit einen Anlauf genommen zu einem grossen Concert und dabei die Formen desselben ebenso gut bewälligt, wie die der voraufgegangenen kleineren Sätze. Wir machen Concertatistalten auf dieses Opus aufmerksam, um so mehr, da Herr Klengel vermulhlich bald eine Virluosenreise antreten und sein Concert an vielen Orten selber spielen wird. Er wird dann hoffentlich überall beweisen, dass es ein effeclvolles Musikstück ist. Von den drei Sätzen dieses Concertes interessirl uns der zweite, ein Andante con moto, besonders deshalb , weil derselbe offenbar mit Vorliebe ausgearbeilel ist und wir nun hieraus das Stadium kennen lernen, welches der Componist in der Darstellung einer getragenen gesanglichen Melodie bis jetzt erreicht hat. Seine Andante-Melodie passt schön in das Instrument, zeigt auch meistens gesunde ausdrucksvolle Züge, ist aber nicht ganz frei von Phrase und moderner antimelodischer Sentimentalität. Als solche notireu wir besonders die frei in der Luft schwebende None a

zu einer harmonisch unreinen Begleitung. Wenn der Autor aller und reifer geworden ist, bringt er das , was man »göttliche Melodie« nennen kann, wohl noch voller zu seinem Recht. Auf dem Wege dahin verschmähe er nicht, Händel zu studiren, denn von diesem sind hinsichtlich der Natur der Melodie Dinge zu lernen, von denen sich unsere gegenwärtigen Musikweisen nichts Iniumen lassen. Heber „die junge Nonne" von Schubert und „la religieuse" von Diderot.

(r'ortSL'lzung.j

Der Name Zumsteeg's ist nichtsdestoweniger in Vergessen- lieil geralhen und die meislen derjenigen. welche von iliiu sprechen, kennen ¡Im nur vom Hörensagen ; >ч hat jedoch, svie Tomaschek , sein Zeitgenosse, und wie Schubert. Schumann und Löwe , seine Nachfolger, selir zahlreiche und sehr verschiedene Werke proüucirl : Opern, Canlaten für grosses Orchester, Solos für Saiteninstrumente, dratnalische Erzählungen nach Schiller und Klopslock , ossianisrhe Gesiiiigu , ja selbst Rpigramme und Kabeln ; die Kabel vom Kuknk, der Nachteule und den beiden Kliuzchen. Es sind ihrer vier, die einen häss- licher als die anderen , verachtet von der ganzen Welt, sich aber unter einander Complimente sagend : »Wer wird unser Lob singen? Niemand, l him wir es also selbst.« Und um die Unendlichkeit des Panegyrikus anzudeuten, schliesst der Com- ponisl sein Stück mit einem Seplimenaccord ohne Auflösung.

(n Deutschland war man stets für diese Sorte von llebtis eingenommen. Lang.1 li*\or man in der Musik darauf verfiel, brachte man .sie in Gemälden und Kupferstichen an. Wem Dürer's Werke auch noch sowenig ¡m Geiste gegenwärtig sind, der erinnert sich doch eines Druckes von 1504: Adam und Eva neben dem Baume des Wissens, um welchen sich die Schlange ringelt. Das Paradies ¡st voll von Thieren, eine Katze kauert zu Küssen Eva's ; zur Seite der Katze ist eine Maus ganz zutraulich, ein Hase ш1пц dasitzend; die Unschuld um) der Friede herrschen noch. His liieher zeigt sich nichts Uälhsel- hafles, doch sehen wir näher zu. Hinter dem Verhängnisse ollen Baume, an einen Strunk gelehnt, steht ein Einhorn. Man kann zwanzig Mal dieses Blatt betrachten, ohne zu ahnen, dass in demselben eine von jenen Charaden sicli birgt, in welche vor drei oder vier Jahren die Pariser Maulallen vernarrt waren. Das Einhorn heisst im Deutschen K lend (?), was gleichbedeutend mil Unglück ist. Nun aber steht ja geschrieben, dass hinter dein Falle das Unglück lauert. Verstehe es, wer da kann. Ein ander Mal war es Steinle, der, um den Gedanken wiederzugeben : null a fides, cinc zerbrochene Geige zu Küssen eines Kindes malle, denn Geige lässt sich auch mit Fidel übersetzen. So ist uns ein Gemälde geboten, das man ad libitum betiteln könnte: »Keine Treue oder keine Geige auf Erden«. Ist es nicht sonderbar, diese bizarre nationale Symbolik, welche von den allen Componisten in die musikalische Kunst übertragen wurde, auch in Gebrauch /.u sehen bei mehreren der geschätztesten Modernen, bei Karl Löwe, den wir oben angeführt haben, und der seinen Scharfsinn anstrengte, um sie überall anzuwenden. So beginnt und endet das Oratorium »Die Siebenschläfern mit sieben, von eben so vielen Blasinstrumenten festgehaltenen Septimenaccorden als Anspielung auf die sieben Brüder. Das heisst sich doch viel Mühe geben, um ein kleinliches Resultat*) zu erzielen. Dasselbe gilt auch von einem seiner besten Stücke: »Der Zauberlehrling«. Man kennt die Ballade von Goethe: der Lehrling befiehlt dem Besen, Wasser zu schöpfen, und der Musiker schildert uns in einer tonmalenden Phrase den sich in Bewegung setzenden Besen. Als aber der Lehrling die unkluger Weise entfesselte maschinenmassig wirkende Gewalt hemmen will, merkt er, dass er die Formel vergessen hat. Ausser sich und von Schrecken erfasst, haut er mit dem Beil nach dem Besen; der Besen geht entzwei, die

  • ) War wird in der That daran denken, nachzuzahlen, wie oft ein Accord sich wiederholt, und wer wird, ohne in der Partitur nachzusehen , i's den Blasinstrumenten danken, dass sie den seltsamen Khifall hatten, gerade ihrer sieben, anstatt :i. lit oder nur sechs zu sein?

melodische Figur ihm dasselbe und wird zu einem Canon für /wei Stimmen.

Schubert verschmäht diese Künsteleien, i singt aus freier llrusl. liin Musiker I,.mu Maler und Dichter sein, ohne einen Kingrill in die Domäne der Dichtkunst und der Malerei anzu- strehen und ohne sich an/.uinaassen , dieselben überflüssig zu machen. Die Dichtkunst ist die Kunst der Worte, die Musik ist die Kunst der Töne, aber es giebl manche Situation, wo beide in einander verschmelzen müssen, wo die in dem Wort enthaltene Idee im Ton untergeht , um dann doppell wieder aufzuleben. Die Musik wäre weder im Stande, den Monolog von Hamlet nachzudenken, noch würde es ihr gelingen , gewis.se Spracheigenlliümlichkeijen wieder zu geben, was auch Schumann sagen mag, der in einer Sonate von Schubert den melancholischen Seelenzustand eines wackeren Jünglings entdeckl ¿u haben glaubt, welcher seine Schneiderrechnung nicht bezahlen kann. Aber gebe man der Musik Gemüthsalfccte zu malen, so wird mau sie selbst für das Unaussprechliche Accente linden sehen, z. B. das ¡n dem Duett aus »Fidelio« angebrachte Verstummen in dem Augenblicke, wo die beiden Gallen sich erkennen : »Du !« ruft Florestan, »Ich !« antwortet Leonore, und beide fallen sich stumm in die Arme. Sei man Beethoven , sei man Shakespeare, so wird man, wenn der Ausdruck oder das Wort fehlt, doch die Hieroglyphe linden: in dem Kidelio- Duelte jene Pause, und im aOthello« den halb unterdrückten Schrei grenzenloser Verzweiflung : »Wie Schade, Jago, wie Schade!« Aber wenn die Musik im Gefühlsbereiche unbegrenzt ist, so besitzt sie überdies ihr Pittoreskes, und es wird sich manche Gelegenheit darbieten, wo sie auf diesem Terrain ihre edle Schwester, die Poesie, besiegl. Ich lese den »Sommer- nachlslraum« und linde darin, dass Puck den Kaum durcheilt »wie ein Pfeil, abgesandt von dem Bogen eines Tataren«. Suche man auf der Bühne einen Schauspieler zur Darstellung dieser Persönlichkeit und zugleich mit ihm Elfen , welche so organi- sirt sind, dass sie sich in einer Nussschale verslecken können. Hier kommt Mendelssohn dein Shakespeare zu Hülfe. Höre man das hüpfende, mulhwillige, kichernde Scherzo, und alles, was uns der Dichter von seinem Kobold erzahlt, wird uns sofort wahrscheinlich. Wir sehen Puck hinter der Coulisse seine Sprünge machen ; unser Ohr, noch mehr als unser Auge, zeigt ihn uns, die Lüfte durchschneidend wie der Pfeil eines Tataren. Die Poesie liefert das Wort, die Musik wendet es hin und her, beutet es aus, erfasst die Idee und nimmt davon den Ausgangspunkt für eine neue Conception.

Das Geschäft der Philister, Accorde einfach einem Texte unterzulegen, wurde sehr fein eines Tages von Goethe im Zwiegespräche mit Eckermann bespöttelt, wobei er erklärte, dass die Ballade »Der Fischen nicht gemalt werden könne, weil die Malerei nicht die Macht besitze »die Empfindung, dieses Verlangens nach dem Wasser, das an einem Sommertag uns zum Baden einladet« und das der Dichter in seinen Versen wiedergeben wollte, auszudrücken. Und doch, zu wie vielen Gemälden und zu wie vielen Liedern hat nicht dieses Gedicht inspi- rirtl Es ist eben im Ganzen nichts leichler, als sich an diesem Spiele der Transposition zu üben. Bleiben wir hei der Musik: sind wir Componisl, so verführt uns dieses Motiv ; das ¡st die einfachste Sache von der Well, und wir brauchen uns nur gehen zu lassen. »Das Wasser rauscht, das Wasser schwoll«, hiefür ergiebl sich eine Figur in der Begleitung von selbst. »Aus dem bewegten Wasser rauscht ein feuchtes Weib hervor«, Tremolo, kleiner Nonenaccord. »Sie sang zu ihm, sie sprach zu ihm«, Cantabile л la Gounod für die Stimme der Sirene , und als Schlussbelrachlung etwas Elegisches, eine sanfte Klage um das Loos des unglücklichen unter der feuchten Decke verschwundenen Fischers. Die Geschichte ist fertig, jedes Wort des Gedichts übersetzt, nichts mangeil zur llluslralion, als etwa der von Goethe hinein gelegte charakteristische Grundgedanke : der Reiz, die Anziehung, das Empanden des Wassers in seinem Ideal von Frische, Tiefe, Durchsichtigkeit und verderblichem Zauber.

Ist das auch Schubert's Verfahren ? Bei Leibe nicht l Was immer für ein Thema es sei, er zieht alles aus demselben, was es an psychologischem und pittoreskem Ausdrucke in sich birgt und läset es unter einer Fülle von Melodien, die uns überwältigt, im Lieble glänzen.

Was für Geheimnisse besitzt dieser Teufelskerl t* sagte Müsset zu mir, als wir Nachts auf dem Boulevard des Italiens auf- und abschritten und von Musik sprachen. *{ «Kennen Sie einen einzigen Naturlaut, dessen higenlhümlichkeil er nicht ausgespürt hätte T Niemand versieht sich so wie er darauf, das Wasser zu malen, und welche Verschiedenheit der Tusche, welche Nuancen des Pinsels l Das Wasser, das die Mühle der »schönen Müllerin« (reibt, ist nicht dasselbe, wie das Wasser des hellen Bächleins, in welchem sich über Kieseln die flüchtige Forelle herum tummelt. Er hat, was wir in der Rhetorik Onomatopöen nannten, von denen kein Musiker vor ihm eine Ahnung besass, erbat Bewegungen, Rhythmen, Zuckungen, die in uns die Erinnerung an tausend wirklich vernommene Geräusche wachrufen — mit einem Worte : er ist ein unvergleichlicher Landschafter l«

»Sagen Sie vielmehr, ein Romantiker, ein Erzähler, ein Fabeldichter, denn um sich über die Formen, welche er anwendet, vollsISndig Rechenschaft zu geben, und um seine Rhythmen nach ihrem ganzen Werthe zu schützen, muss man vor allem in das Herz des Gegenstandes eindringen. In dem Liede »Die Forelle« unterhält sich das Wasser, es tanzt und lacht im Sonnenschein, es ist ein fortgesetztes Singen, Plätschern und Blinken; kaum dass im letzten Takte, in dem Augenblick, wo die arme Kleine an der Angel zappelt, ein Schallen über den Kryslall hingleitet, der sogleich wieder klar und schillernd wird. Das Wasser, welches in dem Roman »Die schöne Müllerin« fliessl, ist weniger ausgelassen ; es plaudert mil der Mühle, die ihm die Liebesgeschichte der Müllerin mit dem Jäger erzählt ; es vernimmt auch die Klage des armen verlassenen Burschen, den es jeden Abend im Mondschein am Ufer sitzen und über Selbstmordgedanken brüten sieht. Dieses Wasser rechnet darauf, bald in einem tragischen Ereignisse eine Rolle zu spielen und wälzt Vorahnungen vor sich hin. Man sucht nach Sujets für ein Ballet; vías gäbe es wohl Romantischeres und Rührenderes für eine Vorstellung in der grossen Oper, als dieses von Schuber! in kleine Acte abge- Iheilte Gedicht von Wilhelm Müller : Die Abreise, Die Mühle, Die schöne Müllerin, Der JSger, Die verralhene Liebe, Die Klage am Bache, Die Befreiung ; wäre das nicht ein wahres Fest?«

»Ja, für Sie, für mich, für unsere Freunde ; aber wenn Sie glauben , das wäre etwas für das Publikum , so irren Sie sich ungemein. Das Publikum liebt nur Abklatsche und läset Sie im Stiche, sobald es merkt, dass Sie es zur Poesie verleiten wollen. Sie citiren mir Schubert, ich will Mendelssohn an-

  • ) Die Dichter im Allgemeinen lieben die Musik лаг wenig und haben keinen Geschmack an der Malerei. Musset machte seiner Zeit eine Ausnahme von der allgemeinen Regel ; doch darf man daraus nicht schlicsscn, dass er etwas davon verstand. Alles beschränkte sich auf Gindrucke, auf äusseree-Gebühren nach der Fashion, und sein Ilalianismus für Bellini, so wie sein Germanismus für Schubert überkamen ihm vielmehr durch weibliche Einflüsse. Immerhin ¡st gewiss, dass er in sehr hohem Grade die Gabe der Auffassung besass und sich derselben zu gewissen Stunden bediente : »Ich halte nichts für angenehmer, wenn man gut gefrühstückt hat, als sich im Freien mit geistreichen Leuten hinzusetzen und zwanglos in anstandigem Tone von den Frauen zu plaudern.« So war Mussel's Dilettantismus : zwanglos in anständigem Tone von Musik zu plaudern.

rufen. Was würden Sie zum Beispiel zu folgendem Zettel sagen : »Der Sommernacbtstraum«, Oper in zwei Aden, Worte von Shakespeare mit Musik von Mendelssohn? Nun wohl, ich, der ich hier mit Ihnen spreche, habe Véron den Vorschlag gemacht.«

»Dnd er hat Ihnen geantwortet : »Der Sommernacbtstraum ! Mondschein - Phantasie mit einem hübschen Scherzo, das würde aufzuführen ungemein viel kosten, aber Habeoeck sehr unterballen.«

»Mit anderen Worten : der Effect würde nicht über die Rampe hinausgehen ; im Ganzen genommen, hatte er Recht, und wir sind es, die sich irren, wenn wir unsere Gelüste dem grossen Publikum aufdringen wollen. Die Leute, welche die Bailete besuchen, sind nicht so anspruchsvoll ; wenn nur die Tänzerin in der Mode und der Pas gut rhythmisirt ist, so kümmern sie sich wenig darum, ob die Musik von Schubert, Mendelssohn oder Beethoven herrührt, was sie übrigens keineswegs hindert, sich sofort des Sonntags in das Conservatoire zu begeben, um dort ihre Andacht zu verrichten. Sie sehen , dass ich liberal bin und die Trennung der Kirche von der Bühne zugebe.«

Wir plauderten so bis gegen Morgen, einer so enthusiastisch wie der andere und nicht minder für den Gegenstand eingenommen. Mussei hatte zu jener Zeit eine Freundin, welche ihm die Transcriplionen von Liszt vorspielte. Er wussle deshalb seinen Schubert auswendig und glaubte ihn ergründet zu haben. Das Pittoreske setze ihn in Erslannen ; er wurde nicht müde darauf zurück zu kommen , indem er das bewunderte, was er »Specialeffecte« nannte.

»Bemerken Sie nicht,« fügte er hinzu, »dase Schubert das Pittoreske mehr in der Breite besitzt, als in der Höbe oder in der Tiefe und dass er, um sich zu entfalten, wie Lamartine einen grossen Raum braucht, während Schumann, wie La Fontaine in einem Nu operirt.«

Und darauf cilirte er mir »Grelchen am Spinnrade«, »Das Ständchen«, »Der Wanderen, »Das junge Mädchen und der Tod«, »Mater dolorosa«, und dann sich plötzlich unterbrechend :

»Und der , Erlkönig'«, rief er im Paroiismus seines Entzückens.

»Dnd ,Die junge Nonne'«, antwortete ich in demselben Tone.

»,Die junge Nonne',« erwiederle er : »doch halt l das ist ein reservirter Gegenstand ; schweigen wir davon.«

»Reservirt für wen?«

»Ach Gott, mein Lieber, für den einzigen Mann, der befähigt ist, davon zu sprechen.«

»Und der Mann, wie heisst erT«

»Diderot. Monsieur Denis Diderot. Glauben Sie, dass er in Paris ist? In diesem Falle wollen wir sofort gehen, ihn aufzuwecken , und Sie werden über die musikalische Conception fûtes Mitarbeiters schöne Sachen zu hören bekommen.« (Fortsetzung folgt.)

Лав Rotterdam.

October «881.

Es dürfte für Ihre Leser von Interesse sein, von einem Institute etwas Näheres zu erfahren, das demnächst auf ein 40- jähriges Bestehen zurückblicken kann, in seiner Organisation seines Gleichen sucht und die erfreulichsten Resultate liefert. Wir meinen das hiesige Conservatorium, oder um die Bezeichnung des Instituts streng zu übersetzen, die Musikschule der hiesigen Abiheilung der niederländischen Gesellschaft zur Beförderung der Tonkunst. (Der Holländer vermeidet mit Aengstlichkeil alle Fremdwörter.) Die Anstalt zählt über 600 Schüler und ist eingetbeilt in Elementar- und Kunstclassen. In jenen wird die musikalische Jugend herangebildet, bis sie, wenn Talent und Fähigkeiten in genügendem Maas.se vorhanden, übergehen kann in die eigentliche Hochschule, in die Kunstclassen. — Ein Zweig des Musikunterrichts, der an so manchen Conservatorien ganz fehlt, das Solfeggiren, wird mit grossein Eifer hier betrieben und es ist eine Lust zu sehen, zu welcher Fertigkeit darin es selbst die Schüler der Elementar- classen bringen. Ganz schwierige Aufgaben singen diese < 2- bis l 6jahrigen Knaben und Mädchen a vista von der Tafel ab, die schwierigsten Intervallensprünge treffen sie ohne Fehl, und die Vortrefflichkeit des hiesigen Concerlchores liegt nicht zum geringsten Theil daran , dass schon die Jugend an richtiges Treffen und vom Blatlsingen gewöhnt und mit der Lehre der Intervalle gewissermaassen auferzogen wird. Die Elementar- classen für Ciavier und Violine bereiten die Schüler durch Gründlichkeit des Unterrichts aufs Beste vor, und Handbaltung der clavierspielenden, Bogenführung der geigenden angehenden Kunstjünger lässl nichts zu wünschen übrig, wenn sie übergehen in die Kunstclassen. Diese umfassen den Unterricht in Orgel-, Clavier-, Violin- Violoncellspiel, Sologesang, Theorie und Camposition. Unser jetziger Director, Prof. Fr. Gerns- heim, hut neben diesen Lehrfächern noch Classen für Oboe und Hörn eingerichtet, denen wohl bald Classen für die übrigen Blasinstrumente folgen werden, denn die in den letzten Jahren ausgebildeten Bläser fanden, um mich eines etwas vulgären Ausdrucks zu bedienen, reissenden Absatz. Sie erhielten sofort gute Anstellungen in verschiedenen Concertkapellen unseres Landes. Ganz Hervorragendes leistet die Orgelclasse, die unter ihren Schülern schon manchen trefflichen Organisten zählt. Die öffentlichen Orgelvorträge, welche die Orgelclasse (sie steht unter Leitung des Herrn S. de Lange sen., dem Stifter einer Musikerfamilie per excellence) von Zeit zu Zeit in der grossen (St. Laurentius-) Kirche, die ihre herrliche Orgel auch zum Unterricht zur Verfügung stellt, veranstaltet, geben davon beredtes Zeugniss. Wir hörten da vor Kurzem u. A. die grosse Phantasie und Fuge in G-iuoll von Bach mit einer Vollendung vortragen, die eines Heisters würdig war. — Eine nachahmens- werthe Einrichtung besteht hier auch darin , dass die Schüler derStreichinstrumenlalclassen nicht nur für das Streichquartett, sondern auch für den Part der Streichinstrumente in den En- semblespielclassen mit Ciavier, die unter specieller Leitung des Directors stehen, herangezogen werden. Ferner, dass der Analyse bedeutender Compositionen eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet und der Begriff der Form, die Entwickelung derselben nicht nur den Besuchern der Theorieclassen, sondern auch denjenigen Schülern fassbar gemacht wird, die sich einem Instrument oder dem Lehrfach widmen. Und sind es nicht die letzteren, die das Verständniss für musikalische Architektur, wenn ich mich so ausdrücken darf, in die weitesten Kreise zu tragen berufen sind?

Dass die grossen Prüfungsconcerte, die gewöhnlich im Laufe der Concertsaison stattfinden, das Interesse unseres Publikums in hohem Grade in Anspruch nehmen, versteht sich von selbst. Hier hatten wir auch Gelegenheit so manchen Compositionsver- such kennen zu lernen, der bei wirklicher Erfindungsgabe eine erfreuliche Beherrschung der Form zeigte. Ich werde in meinen Concerlbericnten einmal näher darauf zurückkommen. — Unsere Concertsaison verspricht lebhaft und interessant zu werden. Die »Jahreszeiten» werden sie eröffnen.

Berichte. Lelpiig.

Während unsere Stadt noch von dem lärmenden Treiben der Michaelismesse belebt and beherrscht ¡st, hält bereits Frau Música ihren Einzug in die altgewohnten Räume, um ihr Winlcrkoniglhum anzutreten. Wie alljährlich, ist es wieder das .erste Gewand-

hausconcert (5.October), welches die Wintersaison eröffnet, und zwar, menschlicher Berechnung nach, die letzte Saison in dem bisherigen weltbekannten Saal imlnnern der Stadt; denn auf der Grenze des ehemaligen Botanischen Gartens (auf dessen Areal das neue deutsche Reichsgerichtsgebäude erstehen soll), im Anblick schöner Wälder und Auen, die hier im Südwesten sich wie ein Keil zwischen die Vorstädte schieben, beginnt sich bereite inmitten mächtiger Gerüste das neue grosse Concerthaus zu erheben, das künftige Heim der Gewandhausconcerte. Ein conservatives Programrr seitens der Direction, untadelhaftc Ausführung seitens der Musiker, das ist bei diesen Concerten etwas Selbstverständliches ; und so bereitete uns denn der Anfang und der Schlnss der ersten Aufführung, die Ksdur- Symphonie von Joseph Haydn (Nr. 4 der Breitkopf & HärtePschen Ausgabe) und Beethoven's achte Symphonie, einen hohen Genuas. Ebenso erfreuten wir uns an den Leistungen der Solistin dieses Abends, Frau No rm nn-Ne r uda (geb. 4840 zu Brunn); das Spohr'- sche »Concert in Form einer Gesangscene«, sowie Adagio und Rendo aus dem ersten Violinconcert von Vieuxtemps boten ihr reiche Gelegenheit , die Vorzüge ihres Violinspiels, eine reizende, zu Herzen dringende Cantilene und ein exactes Staccato, in helles Licht zu. setzen. Die Mitte des Programms nahm ein Musikstück ein, dessen Wahl wir als den wunden Punkt des Concertes bezeichnen müssen: die Orcheslrirung einer Seh. Bach'schen Toccata von Heinrich Esser. So kraft- und machtvoll die Bach'schen Gedanken an und für sich sind, so unangemessen steht ihnen das Kleid, welches ihnen der Bearbeiter umgehängt hat. Dass man uns statt des puren Goldes eine Legirung darreicht, hätte vielleicht eine gewisse Berechtigung, falls Orchesterwerke unserer älteren Meister überhaupt nicht existirten oder noch im Staube der Bibliotheken vergraben lägen. Aber ganz im Gegentheil: in neuen vorzüglichen Ausgaben sind sie aller Welt leicht zugänglich, und es ist hohe Zeit, dass die Concertdlrectionen endlich den berechtigten Wünschen des Publikums und der Kritik hier Rechnung tragen.*)

) An die verehr!. Concertdirection richten wir beiläufig die Bitte, zur besseren Orientirung des Publikums künftig bei Symphonien und ausgedehnteren Orchesterwerken die Bezeichnungen der einzelnen Sätze auf die Concertprogramme drucken zu lassen.

Aufruf,

verlorene Autographen von Mozart betreffend.

Die Autographen nachstehend verzeichneter Werke und Entwürfe Mozart's sind verschollen. Diejenigen, die von dem Verbleiben derselben Kenntniss haben, werden gebeten dem Grafen Paul Waldersee in Eisenach hierüber gütigst Mittheilung machen zu wollen.

Es betrifft dieses folgende Handschriften :

4. Vier Arien und ein Duett zum Mitridate (Koch.-Von. Nr. 87). Jahn bespricht diese Stücke in der Mozart-Biographie I*, 475. Wurzbach im Mozart-Buch Seite 1(4 lässl sich vernehmen: J. B. Andre in Berlin (hat) SO Autographen, darunter die Oper Apoll und Hyacinth und mehrere einzelne Nummern der Oper Mitridate. i. Die ersten Bearbeitungen zweier Chöre zu Thamos, König n

Aegyplm (Kochel-Verz. Nr. I4S), siehe Jahn's Mozart P, 554. ». Skizzen zum Lo Spoto deluto (Kóch.-Verz. Nr. 410). Julije Andre erwähnt diese in dem Vorworte des von ihm bearbeiteten Ciavierauszuges der Oper.

Die autographen Partituren von t und S besitzt die König!. Bibliothek zu Berlin, die betreffenden Entwürfe und Skizzen fehlen.

Berichtigung.

Nr. 40, Sp. «SS oben erste Linie. statt

beissan

i

. Es sind also wirkliche Quinten im vollen

Dreiklang, genau wie in dem vorigen Takte.

[4»S] Im Verlage von Julius Iloinirmr, Königl. Hofmusikalienhandlung in Breslau, isl soeben erschienen:

Bernhard Scholz,

Op. 54. Contrapunktieohe Variationen über eine Gavotte

[<9<l Neue Musikalien

(INovzisiontlung 1883 Pío. 3) im Verlage von

J. Rieter-Biedermann in Leipzig und Winterthur

B6deeker, LonlB, Qp. 47. Tier Lieder für eine Singstimme mit Be- gleitung des Pianoforte, t Л.

Einzeln: No. t. Frühlingsanfang: »Es kommt so still der Frühlingstag«,

von И. Lingg. 50 ф.

No. 1. Aeolsbarfe: »üeheimnissvollerKlang«, von H.Lingg. 30.». No. 3. Kummer: »0 holder Luflbaucb«, von Chr. Kirchhoff. У)ф. No. 4. Wunsch und Gruss: »Wenn immer doch Mondschein

bliebt« von Wilhelmine Myltus. 50 ф.

Dietrich, Albert, Op. 35. Ouverture (Gdur) fur grosses Orchester. Partilur netto 7 Л 50 ф. Orchester-Stimmen netto 48 Л 75 ф. (Violine 4,1, Bratsche, Violoncell, Contrabass à netto 4 Л ÏO ф.) Vierhëndiger Clavierausiug vom Componisten 3 Л. (iernsheim, Friedr., Op. 4«. Symphonie (No. ï. Es dur) f. grosses Orchester. Partitur netto 48 Л. Orchesler-Slimmen nello »в Л. (Violine 4, S, Bratsche, Violoncell, Contrabass à netto > Л.} Vier- hëndiger Ciavierauszug vom Componisten 40 Л. Gradener, C.6.P., Op. 44. Zehn Relie- und Wanderlieder von и ¡i- helm Mittler für eine mittlere Stimme mit Begleitung des Pianoforle.

Daraus einzeln :

No. 40. Heimkehr: »Vor der Thüre meiner Lieben«. St ф. Hiiijileii, F. i. тап der, Op. 49. Drei Lieder für eine Singstimme roil Begleitung des Pianoforte, Í Л. , Einzeln:

. No. 4. «Wie kannst du ruhig schlafen«, von H. Heme. 4 .*'. No. i. «Wie jauchzt meine Seele«, von Л von Eichendorff. «Оф. No. ». Des Müden Abenlied: »Verglommen ist das Abendrolh«,

von F. Gabel. 4 .*.

Henogenberg, Heinrich топ, Op. »t. Sonate für Pianoforte und Violine, в Л 50 ф.

Op. S3. Allotria. Sechs Stücke für Pianoforte zu vier Hunden.

Heft 4. гл. lieft*, ал.

Einzeln:

No. 4 in Adar 4 Л. No. l in F dur 80 ф. No. Я in H moll 4 Л 50 ф. No. 4 in Си»,II 89 ф. No. 5 in Gdur 80 ф. No. в in Cdur 4 Л 80 ф.

Op. 34. Psalm 116. FUr vierstimmigen gemischten Chor a Ca-

pella. Partitur 3 Л. Stimmen à 50 ф.

Hejblom, Alex. W. \., Op. »3. Recueil de Compositions pour Piano. No. 4. Idylle. 80 ф. No. 1. Caprice. 4 Л 50 ф. No. 3. Romance. 4 Л. No. 4. Ballade. 4 Л 80 ф. No. 5. Nocturne. 4 Л. No. в. Étude caractéristique. 80 ф.

Holstein, Kranz топ, Op. 48. Acht Lieder für zwei und drei Sing- stimmen (ohne Begleitung). (No. 40 der nachgelassenen Werke.)

Keller, Emil, Op. 14. Sechs kleine Lieder aus Wald und Well von Joseph Ludwig Haase für eine Singstimme mit leichler Clavier- begleitung. » Л SO ф.

Einzeln :

No. 4. Natarfrenden. 50 ф. No. ». 0 sflsser Traum. 50 ф. N6. 3. Waldesfreuden. 50 ф. No. 4. Hinaus) 50 ф. No. 5. Erwachen des Morgens. 50 ф. No. в. Waldconcert. 50 ф.

Köckert, Ad., Op. 45. Réminiscences longo slaves. Grande Fan- taisie de Bravoure pour Violon avec accompagnement d'Orchestre ou de Piano. Pour Violon et Piano 3 Л 50 ф. (Partition et Parties d'Orcheslre en copie.)

Matthiae, Ernst, Op. 44. Friedenimarsch fur Pianoforle zu vier Händen. 80 ф.

Merkel, Guetai, Op. 4 во. Zwanzig Praelodlen für die Orgel :

Heft 4. ï Л 30 ф. Heft ï. » Л 80 ф.

WOllner, Frani, Op. 5. Sochi Lieder für eine Singstimme mil Begleitung des Pianoforle.

Daraus einzeln :

No. 5. Um Mitternacht: »Nun ruht und schlummert Alles«, von Jut. von Rodenberg. 80 ф.

von G. F. Händel für 2 Claviere . Op. 55. Sonate für Violine und Clavier

5 Л 50

[493]

Kammermusik -Werke

aus dem Verlage von J. Bieter- Biedermann ¡n Leipzig und Wmierthur.

Blomberg, Ad., Op. в. Trio fUr Pianoforle, Violine und Violoncell.

.41 50. Brahmg, Job., Op. S4. Quintett (in F molí) für Pianoforte, » Vio

linen, Viola und Violoncell. Л 45. — . 6ernshelm, Fr., Op. 37. Trio (No. » H dur) für Pianoforte, Violine

und Violoncell. Л 4Ï. — . GrUener, С. в. F., Drei Quartette fUr l Violinen, Viola und Vio

loncell. Op. 41. Nr. 4 in В. Л 5. 50. Op. 47. Nr. Î in Л nn.il

Л Л. SO. Op. 19. Nr. S in Es. Л 5. SO. Hartog, Ed. de, Op. 35. Premier Quatuor pour deux Violons, Allô

et Violoncelle (en Mi majeur;. Л 6. 80. Henogenberg, Helnr. топ, Op. 14. Trio für Pianoforte, Violine

und Violoncell. Л 42. — . Kalllwoda, J. W., Op. ISO. Air Tarie pour le Violon avec Accom

pagnement de second Violon, Alto el Violoncelle. .*' 2. 50. Kileken, Гг., Op. 76. grosses Trio (in F dur) fur Pianoforte, Violine

und Violoncell. Л 43. 50. Naiiinann, E., Op. в. Quintett (in Cj für 2 Violinen, 2 Violen und

Violoncell. .« 6. — . Baff, Joachim, Op. 442. Zweites grosse* Trio (in Gdur) für Piano-

forle, Violine und Violoncell. Л 41. — . Rauchenecker, И. W., Zweites Qoartett (D dur) für zwei Violinen,

Viola und Violoncell. Л 9. — . Vofrf, Jean, Op. 56. Quintett (in A molí) für 2 Violinen. 2 Violen

und Violoncell. Л 7. — .

(Arrangement».) BeethOTen, L. таи, Op. в. Leichte Sonate für Pianoforle zu vier

Händen. Als Quarten für Pianoforte zu vier Händen, Violine und

Violoncell bearbeitet von Louis Bödecker. Л 8. — .

- Op. 49. Zwei leichte Sonaten für das Pianoforte. Als Trios für Pianoforte, Violine und Violoncell bearbeilel von Rnd. Berth. Nr. 4 in G molí. Л 8. — . Nr. 2 in Gdur Л 8. — .

V Dieselben al§ Duetto für Pianoforte und Violine, und Pianoforte and Vio- loncell i Л 1. M. *

- Op. 419. Rondo а Capriccio für Pianoforte. Kür Pianoforte, Violine u. Violoncell bearbeitet von LouisBödecker. Л t. — .

Brahms, Joh., Op. 34. Quintett für Pianoforte, zwei Violinen, Viola und Violoncell. Für Pianoforle zu vier Hunden. Violine u. Violoncell ei

[494] Verlag von

J. Bieter-Biedermann in Leipzig uod Wintertbur.

für

Doppelchor

Ach Herr straf mich nicht in Deinem Zorn. Aus

der Tiefe ruf ich Herr zu Dir. Singet dem Herrn

ein neues Lied

eomponirt

von

Heinrich Schütz.

(«585 — Í672.)

Nach der 4649 erschienenen Originalausgabe der »PSALMEN

DAVID'S« zum Gebrauche in Kirche und Concert

herausgegeben von

Franz Sv iillner.

Partitur. Stimmen. Einzelne Stimmen. ^л. 4 л u 4 л.

Verleger: J. Rieter-Biedermann in Leipzig und Winterthur. — Druck von Breilkopf * Harte! in Leipzig. Expedition : Lelpilff, Rabensteinplalx i. — Redaclion : Bergedorf bei Hamburg.

Dio Allgemeine Musîkalieebe Zeitung

orichciat regclmlssii; лп jrdeui Mittwoch

und ut durch alle PoaUmtpr uuü Bucli-

haudlungen tu beziebou.

Allgemeine

l'rcii: Jährlich 18 Mk. Vi«rteljahrliene Prtntm. 4 Mk. Mj Pf. Imulfn : <U« (Mp«l- ten» Pelitieile oder deren Bum 3U Tí Briefe und Gelder werden fruco erbeten.

Musikalische Zeitung.

Verantwortlicher Rédacteur: Friedrich Chrysauder.

Leipzig, 18. October 1882.

Nr. 42.

ХУЛ. Jahrgang.

Inhalt: Arislides Quinlilianus in neuer Ausgabe. — Spicilegia. (Fortsetzung.) — Gesangliche Anregungen. — Anzeigen und Beurtbei- I unge n (Arrangements fiir zwei und mehr Pianoforte zu vier bis acht Hunden (Werke von Mozart, Beethoven , Schubert, Liszt, arrangirl von Louis Maas, Carl Reincckc, G. Rossler, Carl Burchard, Paul Graf Waldersee, A. G. Ritter und Johann von Végh]), — Ueher »dir junge Nonne« vnn Schubert und .la religieuse, von Diderot. (Fortsetzung.) — Berichte (Leipzig). — Anzeiger.

Aristides ftuintilianus in neuer Ausgabe.

Ar'btldls Qiiulillanl de Música libri III. Cuín brcvi aono- l.itionc de <li;ii:r,iiiiiiKitis proprie s\<: dietis, figuris, scho- liis cet. codicum mss. rdidit AlkertisJabuius... Berolini, smnplibus S. Calvaryi et sociorum. MDCCCLXXXII. pr. 8. LXI1 und 97 Seilen, nebst S lithographischen Tafeln mit Notenzeichen und Figuren. Preis 6 Л.

»huomparabilem antif/uae musicae аш-1/jrcm et veré exemplar unt'eum пине primum graece et latine damns. Quicquid (linn Aristoxcnii de Harmónica et reliquia artis partibus do- t'urrHut, i/uici/nid omnis antit/uitas de moribus música forman- i/iv, </< naturalibus rebus musí« ab omniptitente l)eo constitutis aiien./ur <1ешт-1'гл1 /nirninniíi rummentari puluit, unus Aristides (.lu/nl,¡iiiniís lain com-inna brevita!с tribus ¡ibris exposait, ut напиши vtterum mujícorum disciplinant acque ac gloriam in ¿ниш opus cuni/c^sixsc videatur. Den unvergluíchlichen Schriftsteller über die Musik der Alten und das einzig dastehende Muster seiner Arl 'tjubcu wir hiermit griechisch und lateinisch zum ersten Mal heraus. Alles was die Anhänger des Arisloxe- ii'i- über die Hai inonik und über die sonstigen Theile der Kunst пи-', i;elehrt h,il -'n, was das ganze Alleilliuiu über die musikalischen Kegeln, über die vom allmächtigen Gott nach musikalischen Gesetzen geordnete Natur und über die Harmonie des Weltalls \ortiebr.ichl hat, dieser Arislides Quinlilianus hat das allein in drei Hin liein in so prägnanter Kürze ausgeführt, dass er damit gleich«.u . die Systeme aller allen Musiker wie nicht minder ihren Kuhrn in sein VVejk zusammen fassle.a

Das sind die Worte, mit welchen Marcus Meibom (65Î diesen bis dahin L.in/lieh unbekannten Autor in die literarische und musikalische Welt einführte. Man sollte denken, dass eine solche Lobrede genügt haben würde, den Neuentdeckten für immer an die Spitze der musikalischen Schriftsteller des Alter- Ihums zu setzen. Dies ist aber nicht der Kali gewesen ; sagt doch der neue Herausgeber sogar, der alte Autor sei bisher in Mcibom's Ausgabe fast »vergraben« gewesen. Letzteres ist nur ligürlich zu vorstehen, denn Meibom's "Sieben griechische Schriftsteller« belinden sich seit mehr als 200 Jahren in den Hunden Aller, welche sich mit der alten Musik auf gelehrte Weise beschäftigt haben.

Wie erklärt sich nun eine solche Vernachlässigung? Hai Meibom in der Freude des Entdeckers die Bedeutung seines Tundes übertrieben, oder sah er richtiger als Alle, die ihm auf diesem Gebiete gefolgt sind? Wir neigen der ersten Meinung /u, Dr. Jalm dagegen stimmt in dor Werthschätzung mit Meibom überein und hat den Autor deshalb aufs neue in correcterer XVII.

Gestalt, unier Vergleichung aller auffindbaren und zugänglichen Handschriften, griechisch herausgegeben, um ihn nach seinem wahren Werlh der Well bekannt zu machen. Diese Absicht, wie auch die Arbeit selbst, ist höchlich zu loben, und wir wollen nicht versäumen, alle die es angeht auf das schön gedruckte Buch aufmerksam zu macheu. Es ist ein Werk von dauerndem Werlh.

Ueber Aristides' Lebensumslände ist sogul wie nichts be- kannl grworden ; selbst das Jahrhundert, in welchem er lebte, kann nicht festgestellt werden. Dass er der Schule oder Richtung nach Platoniker war , ersieht man aus seinen Schriften ; aber damit ist das, was sich Gewisses über ihn erkennen lässt, auch zu Ende. Das Zeitaller, in welchem er gelebl haben mag, ist bisher ein beständiger Gegenstand des Streites oder vielmehr, da man eigentlich nicht über ihn streitet, des Hiu- und Herralhens gewesen. Der Herausgeber schreibt mil grosser Geduld alle gedruckten Meinungen hierüber zusammen, selbst von Solchen , die keine eigene Meinung in der Sache haben können, und bleibt selber mit den meisten Anderen im wesentlichen bei Meibom's Ansicht stehen. Man kann hiernach ¿wischen dem ersten und zweiten Jahrhundert n. Chr. wählen ; Herr Dr. Jahn setzt den Arislides, in welchem er einen ge- bornen Griechen und römischen Freigelassenen erblickt, in das Zeilaller Hadrian's («7—138 n. Chr.]. Damit hätten wir denn einen ziemlich festen Anhalt, wenn sich nur Alle, die in der Sache mitzureden berufen sind , dabei beruhigen wollten.

Leider ist dies nichl der Fall. Die Gegner, welche für eine bedeutend spätere Zeit plaidiren, fallen besonders für M usi- ker ziemlich ins Gewicht. Herr Jahn führt .als solche an KVsi ¡/hat, der Aristides verkleinernd) einen »späten Compilalor« nennt und ins 4. Jahrhundert setzt; ferner Gevaert, welcher in diesen Fragen unserm etwas wunderlichen Weslphal mit freier Umschreibung zu folgen pflegt, wie er denn auch den Arislides einmal vor die Mille des dritten christlichen Jahrhunderts (als Zeitgenossen von Bacchius und Alypius), an einer ändern Stelle vor Beginn dieses Jahrhunderts, an einer drillen sogar nach Mille desselben setzt. Kaiser u. A. hatten schon vorher Aehnliches geäusserl.

Wie man siehl, ist also von den ersten vier oder fünf hundert Jahren nach Christi Geburl keine Zeit vor diesem Aristides Quinlilianus mehr sicher. Der Spielraum ist zu gross, als dase sich jemals eine Einigung erhoffen liesse, deshalb möchte es geralhen sein, den Streit ganz aufzugeben. Wenn wir trotzdem in den folgenden Zeilen noch einen Beitrag dazu liefern, so geschieh! es nicht, um diesen chronologischen Hader forl- zuspinnen — denn wir verzichten auf eine eigne Meinung in

U der Sache —, sondern die Absiebt ist lediglich , eine Lücke auszufüllen, welche ¡n dem von dem Herausgeber zusammen getragenen Material vorhanden ist. Er cilirt alle Autoren bis auf einen Einzigen, und dieser Eine ist gerade derjeoige, dem wenigstens das Lob gebührt, seine Ansicht ausführlich und rein sachlich molivirt zu haben. Wir meinen Herrn William Chap- pell, den Verfasser einer englischen »Geschichte der Musiki, von welcher (874 der erste, die Musik des Alterlhums behandelnde Band erschien. Chappell kann unsern Autor nicht früher als in das vierte Jahrhundert setzen, will aber auch mit sich handeln lassen, wenn Jemand Lust haben sollte, den Aristides noch um ein- bis zweihundert Jahre jünger zu machen. Wir theilen seine Erörterung hier wörtlich mit, und zwar um so mehr, weil das wertbvolle Buch merkwürdiger Weise den Meisten kaum dem Namen nach bekannt geworden ist. Cbappell sagt :

»Aristides Quintilianus beschreibt sechs Scalen als enhar- monisch, welche allen älteren Autoritäten zufolge gemischte Modus mit enharmonischen Vierteltönen sind. Er bezeichnet sie als ,sehr alt'. Die inneren Kennzeichen seiner Abhandlung beweisen, dass Meibom diesen Autor in ein zu frühes Zeilalter gesetzt bat. Meibom scheint den Wunsch gehabt zu haben, die Wichtigkeit des Zusatzes zu erhöhen, den er durch Veröffentlichung des Arielides zu der Musikgeschichte zu machen im Begriff war. Er erblickt in dem Autor einen Vorgänger des Claudius Ptolomäus und übersieht dabei die Thatsache ganz, dass derselbe die obige Theilung der Scala in 60 Theile von Ptolomäus entlehnt hat. Ich kann kaum annehmen, dass Aristides Quintilianus früher lebte, als im vierten Jahrhundert, und wahrscheinlich noch ein oder zwei hundert Jahre näher unserer Zeit.

»Erstlich ist er der einzige griechische Schriftsteller, .welcher G und G* als den tiefsten Ton der Scala annimmt. Dieses G (welches mittelalterliche Autoren als Gamma bezeichnen, weil in den Kirchentonarten bereits eine Octave höher der grosse Anfangsbuchstabe G gebraucht wurde) beschreibt Guido als eine ,von den Modernen hinzugefügte Note'.

Ferner, Aristides muss sicherlich gelebt haben, als alle Scalen mit Ausnahme der gewöhnlichen diatonischen bereits vergessen waren. Er würde sonst nicht den Plato in einem Ausdruck missverstanden haben, der sich auf eine der vergessenen Scalen bezieht, und hätte nicht annehmen können, dass Plato beabsichtigte, das Adjectiv nintonon auf eine enbarmo- nische Theilung des Telrachords anzuwenden, wo nur ein einziges enharmonisches vorhanden war. Das unharmonische ist der gerade Gegensalz zu súntonon, a. h. dem malakölaton aller Scalen — das Erste bedeutet scharfe, hocbgezogene, das Andere sanfteste und loseste Stimmung der Saiten. Plato bezieht sich auf die beiden Arten des Dialonisch-Lydischen, und deshalb fügt er das sonst unnötbige nintonon der Hauptart bei und setzt malakm zu der ändern.*) Die enharmoniscbe Scala, welcher Aristides Q. den Namen Súntono-Lydisch gegeben hat, ist das was jeder griechische Schriftsteller, der frühe wie der späte, Hypo-Lydisch nennt ; und die Ansicht, welche man hieraus ziehen muss, ist, dass der Irrtbum durch den Copislen des von ihm benutzten alten Manuscripts entstand , und dass er in einer zu späten Zeit lebte, um dies zu entdecken. Er selbst sagt (Meibom p. (33), dass die enharmonische Scala untheilbar ist; deshalb kann es auch nicht noch eine zweite Art davon gegeben haben, und ein Zusatz vor dea Ñamen konnte nicht erforderlich sein.

»Ein drittes Argument für das späte Zeilalter dieses Autors ist, dass sein Notations-System mancherlei Abweichungen zeigt von dem des Alypius, sodass das eine nicht überall dazu dienen

) Republ. lib. in, S99a.

kann, das andere zu erklären. Das System des Aristides Q. ist ein allgemeines für sämmlliche Modus, und er giebt die Notation für jeden Hauption der ganzen Scala. Dies ist eine grosse Verbesserung, aber eine solche, welche dem Boethius, der im 6. Jahrhundert schrieb, unbekannt war — doch giebt Aristides dies nicht als sein eignes System oder als irgend eine Neuheit, sondern vielmehr als den anerkannten Plan.

Das Datum, welches Meibom ihm zuerkannt hat, ist Tod den Gelehrten so allgemein angenommen , dass es nolhwendig geworden ist, für die Abweichung davon Gründe anzugeben. Die Scala, welche Arislides Súntono-Lydisch nennt in der alten Scalenreihe, zeigt sich als die hypo-lydische (may be seen to be Hypo-Lydian, by having its key-note on the third atcending string of its Octave on the lyre).

»Scalen waren schwerlich Meibom's Stärke, sonst würde er dies als Hypo-Lydisch entdeckt haben. In seinen Bemerkungen zu Euklid bildete er eine Reihe von Tonleitern so irrthümlich, dass er die Telrachorde auf die inneren veränderlichen Sailen basirle, statt auf die äusseren feststehenden Töne. Ferner erzählt er in seinen Erklärungen dieses Autors dem Leser, dass die zwei ältesten Telrachorde durch eine Saite verbunden waren, welche beiden gemeinsam war und welche Hypate Meson, ,die tiefste des mittleren Telrachords', genannt wurde. Aristoteles sagt, dass. die Saite Mese hiess. Es ist klar, dass Meibom die Probleme des Aristoteles nicht gelesen halte und nur muthmasste. In den folgenden Scalen sind seine vorgeschlagenen Verbesserungen nicht selten am unrechten Platze, was er entdeckt haben würde, wenn er nach ihren Schluss- uoten auf der Lyra ein Diagramm von ihnen ausgeschrieben hätte. Der Text des Aristides ist in der von Meibom benutzten Abschrift ohne Zweifel sehr fehlerhaft, jedoch alle Scalen waren nach Gesetzen gebildet, über welche unter den alten Schriftstellern keine Meinungsverschiedenheit herrscht.

»Die folgenden sind die sechs .alten' Scalen des Aristides nach der ungenauen Revision von Meibom. Die Zahl \ soll die enharmonische Diesis oder den Vierlellon bezeichnen :

Corrnmntrtr gcmifrtjtt Scolrit. Lydiach t 1 4 1 1 t i Dorisch < 1 1 f 1 i 1 1 Phrygiach 4 1 1 J t I 1 | 1 1 1 t U t T Kixo-Lydisoh .... Syntono-Lydisch . . . i * i ) 4 t i 3 ... -i I '1 1

In dem Obigen ist das dorische Intervall zu seiner Schlussnote am rechten Platze, nämlich als viertes der Reihe, wie es der Text besagt. Es steigt von der Saite des Vorderfingers zwei Töne auf und sein diazeustischer Ton ist der nächst höhere. Aber das Phrygische steht am verkehrten Orte. Es sollte auf der Saite nächst über dem Dorischen sein und so rechts in der Scala einen Grad höher. Meibom fügt einen der obigen Vierteltöne hinzu, um die Octave auszufüllen und Ueberein- stimmung mit einer anderen Linie des Textes herzustellen, aber er hätte den eingeschobenen Viertelton an die linke statt an die rechte Seite der Schlussnole setzen sollen. So wie es jetzt steht, sind dorische und phrygiscbe Schlussnoten auf derselben Saite, was unmöglich war. Der Liebhaber möge diese Analyse weiter fortsetzen und den griechischen Text mit Meibom's Uebersetzung p. H, sowie mit dem Diagramm p. 11 vergleichen, ich füge die sieben enharmonischen Hauplscalen in ihrer richtigen Ordnung bei. Die schräge Linie von einer Zahl l zur ändern zeigt das Aufsteigen zu der Mese oder Schlussnote jeder Scala, und der diazeustische Tod derselben findet sich auf der niiclislen Stufe zur Rechleo.

»Das lastische hnt darin keinen Platz, weil es blos die Position von einer der sieben bereits berechneten Scalen einnehmen konnte ; und dies war der Grund, dass Claudius Ptolomäus die Ituiluclion der Zahl der Tonleitern auf sieben empfahl : —

titaljre cnlinrinuiiiMif ScaUn. Mixo-Lydisch . ( i i i i __2 \ Lydisoh . * 1 s i i ^ 1 i Phrygisoh . i Î i i ^ 4 i * Dorisch . Î i ь ^ \ i i Î Hypo-Lydiech . i ь „J \ i i 2 i Hypo-Phrygisch ь ^î < 1 i 1 i 1 Hypo-Doriech . Î ) i 1 1 i 1 2

»Der Werlh der Abhandlung des Aristides Quintilianus wird

wenig verringert durch einen Jrrlhum über alte phantastische

Scalen und über einen musikalischen Ausdruck, welcher zu

seiner Zeit bereits ausser Gebrauch gekommen war. Es möchte

selbst heutzutage nicht unmöglich sein, einen sehr gelehrten

Mann zu finden, der eine Tonleiter aus Chaucer's Zeitaller nicht

zu erklären vermöchte und der vielleicht sogar durch eine aus

der Zeit der Königin Elisabeth in Verlegenheit gesetzt würde.«

[W. Chappell, The History of Music. (Art and

Science.) Vol. I. London, (87i. gr. 8. Seite (30

—135.)

Dies ist im Zusammenhange die Hauptstelle, welche Herr Chappell unserm Autor widmet. Der neue Herausgeber des Arislides möge nun die vorgetragenen Gründe prüfen.

Hiermit verlassen wir den Gegenstand und empfehlen die Ausgabe des Herrn Dr. Jahn noch einmal allen gelehrten Lesern. Eine deutsche Uebersetzung des Arislides wäre wünschens- werth.

Chr.

Spicilegia.

(Vergl. Nr. 18, Sp. Í80.)

9.

Verweilen wir bei der Betrachtung der höchsten Kunst, der dramatischen, die uns ja seit unserer Genie-Periode fortdauernd in Atbem hält mit den Kragen nach Grund, Werth und Ziel. Die Gegensätze der Sinne, Auge und Ohr, sollen sich vereinen durch Bild und Ton in der Schauburg (schowborg) wie der niederländische Ausdruck unser Theater ersetzt, hiemit die Eine Seite, das Sichtbare bezeichnend. Was aber ist dieses Sichtbare ohne die Hörbarkeit des lebendigen Tones in Wort und Klang, welches die Griechen umfassen in ihrem Brama, d. h. Handlung? und weiter hinaus : Was ist Hand lu ng, worin ist sie von unserm gemeinen Thun unterschieden? Darin, dass es epische und lyrische Elemente ¡n ein höheres Gesammtbild verbunden darstellt in dem Kampfe zweier Ebenbürtigen : die Doppelhandlung gleichberechtigter Kämpfer, welche die Thal mit Bewusstsein als Aufgabe erfassen, wo im Kampfe vom Grunde bis zum Gipfel Einer der Sieger wird, nicht durch träumende Naturgewall, sondern auf Grund ethischer Willensbewegung. Diese Dichlart, welche als Krone aller Künste von den höher gebildeten Völkern wenn nicht überall geübt, doch anerkannt ist, hat auch mehr wissenschaftliche Lehre erweckt, daher auch mehr Streit der Gelehrten.

Von Lessing's Dramaturgie bis Hegel's und Lotze's Aeslhetik ist auf diesem Felde manch köstlich Korn der Wissenschaft ge-

legl, deren Blüthen nicht alle Fruchte getragen, doch bescheiden genug waren, sich der Prophétie zu enthalten : von Zukunft-Poesie kommen bei Klopstock und Schiller kaum leise Verklänge, aber weder Händel noch Mozart haben sich vermessen von Zukunftsmusik zu träumen, um ihre hohe Kunst zu adonisiren. — Etwas Sturm und Drang haben wir unter- dess aller Zeiten, denn der Mensch, »was er gewollt, was er verlor — er bleibt zuletzt sein eigner Thor«. — Vorläufig bleiben wir an der Linie dieser unserer Zeitung, die ja ihr Leben bereits säcularisiren kann, da sie nach zweimaliger Unterbrechung mit neuem Muth im Dienste der Kunst fortgefahren ist. Auf ihrer Bahn dürften wir noch manchen Fund machen, der prophetisch über unsere heulige Kunst hinaus ginge, wenn wir die Grundlagen erwägen, mindestens aufgraben : Poesie. Drama, Sprache, Gesang, Tonkunst.

(0.

Pteiie ist in neuester Zeitungssprache gleich viel anderen Worten so missbraucht, dass leichtsinnige Leser sich darin verirren. Lessing, Hegel und Lotze halten die begründete Bedeutung fest als Gedicht (diclirt, Gedachtes), ein Werk höherer Sprache. Man sagt richtig : poetische Sprache, Anlage, Anordnung , aber nichl : poetisches Flöten- oder Geigenspiel oder poetisches Gemälde. Unsere besten ästhetischen Syslematiker haben die Poesie, die Musik, die Baukunst, Malerei, Plastik ehrlich bei ihrem Taufnamen gerufen, nicht die Poesie zum Gewürz vergeudet, wie man dergleichen in der Metropole des Missverstandes nur zu gerne hört. Vor mehreren Jahrzehnten halten einige nordische Kunstgesellschaften anständige Preisaufgaben gestellt über die Frage : »Was ist das Poetische in der Musik? oder: Welche Musik ist poelisch zu nennen?« und fanden wenig kühne Wellrenner, die sich der Krone werlh glaubten : keine Antwort ist zum Preise gekommen von Kopenhagen bis Rotterdam. Denen geschab ganz Rechl, weil sie Kunst und Poesie verwechselten, gleichwie die Münchener und Düsseldorfer Künstler, die nichts als Malen und Meissein Kunst belileln.

H.

Die Aussprache

der Worlkunsl ist in allen Schulen insgemein für das Unentbehrliche zu Kunsl und Bildung anerkannt, insonderheit aber für die, so öffenllich zu sprechen haben: ausser der Sing- und Athem-Lehre ist die Dialektunterscheidung mindestens zu kennen, was bei der deutschen Mannigfaltigkeit allzeit schwer gewesen, da wir nicht an ein despotisches Oberhaupt der Sprache glauben. Die Mehrheit giebt den Norddeulschen den Vorrang in der Vocalisirung und Arliculirung, auch der Versländlichkeil für In- und Ausland, daher die Fremden sie am leichleslen lernen ; im Singen sollen ihnen die Schwaben und Franken öfter voran sein. Was aber den allgemeinen Wohlklang betrifft, die Klangfarbe in Nah und Ferne, da giebt uns der Gründer unserer gereinigten Sprachlehre Auskunft: Jac. Grimm ist nicht so nationalliberal, dass er die deutsche Sprache aller Sprachen schönste nenne ; diesen Vorzug giebt er dem Lateinischen, weil es unter allen mittelländischen (indogermanischen) Sprachen die klang- und sangvollste sei, indem es am meisten in den Grundvocalen AlUoperire, die Häufung der Consonanlen meide, das (heimliche) stumme E fast nicht kenne u. s. w., und weil jene drei so reichlich und harmonisch wechseln,*) so singen auch Nichtkatholiken altkirchliche Hymnen und Sequenzen, wie Stabat Mater, Diet ¿rae, fange

  • ) Wie animus, «nica, humant, callidus, urbs captiva, triomphantes u. s. w.

lingua u. a. lieber lateinisch als in ihrer Muttersprache. — Das unselige stumme E haben Spanier, Schweden und Italiener nicht ; dafür haben w i r fünf Vocale , die sich bei den übrigen sonderbar vertbeilen. Die Engländer haben kein ü (lang), die Franzosen kein (deutsches) ei und eu ; das englische ö in dumpfem Anklang ist specifisch dergestalt, dass der zierliche Sachse es schwer zu Stande bringt ; ä hat auch seine eigne Natur, fast chamäleontisch, da ä a é in vielen Dialekten wirrig ist, lang ä und i1 nur im Nordischen scharf geschieden|wird. Die Holländer haben schöne klangvolle & und о, mehr als die meisten Deutschen.

Ausser den Vocalen die übrigen Töne ohne Klang, die Con- sonanten, haben andere Schwierigkeiten, die wir hier nicht berühren, da sie dem Gesänge weniger weh thnn, wenn man sie richtig anfasst. Die vielen Quetschlöne der Slaven und Mongolen, die dem Altdeutschen und Altgrichischen fremd sind, haben ihr eignes Feld, hier nicht zu beschreiben (j, ji, scr = sehr, tzkr u. s. w.)

Wer gesunde Lunge und Zunge besitzt, wird mit einiger Erziehung und Uebung deutsch und ansprechend singen können oder lernen : freilich nicht ohne musikalisches Gehör, welches besser im Chorgesang als in einsamer Uebung sich ausbildet. Die vollständige Sanglehre ist hier nicht zu besprechen, nur an einige Punkte zu erinnern, die auch tüchtige Lehrer nicht Immer ins Auge fassen : die Rücksicht auf die Gesundheil, dass nämlich die Stimmen nicht überanstrengt werden dürfen durch Ausdehnung des Tonumfanges und durch gewaltlhätige Uebung wahrend der Mutation. Neben diesen physischen Regeln, worauf die Aerzte achten müssen, ist der psychische Punkt der Dynamik anzusehen, in der die modernen Meisler seit Marx viel gesündigt haben, lieber diese Punkte empfehlen wir dringend die Stücke d. Bl. «881 Nr. Si, Sp. 8S4 und <88S Nr. 44, Sp. 170 durcbzulesen.

Gesangliche Anregungen.

An meinen Artikel über deutsche Sänger und deutsche Gesangsweise in Nr. Î4 der »Allgemeinen Musikalischen Zeitung« vom 44. Juni 4882 anknüpfend, sei es mir ¡erlaubt, auf eine Reminiscenz zurückzugreifen, welche vom Jahre 4 87Î datirt und damals meinerseits von Weimar aus erfolgte.

Es beschäftigte mich damals der Gedanke, ob nicht auf dem Wege eines SSngercongresses in Gestalt der üblichen Tonkünstlerversammlungen, spéciale Fragen zur Hebung der Gesangskunst als solche, gemeinsam in das Auge gefasst und erörtert so wie zum Beschluss gefassl von segensreicher Wirkung werden könnten.

Der Sache möglichst auf den Grund zu kommen, ob meine Idee lebensfähig sei, schrieb ich damals an erste Gesangs- künstlergrössen Deutschlands', trug ihnen meine Anregung mit möglichster Motivirung vor und rief sogar die Gnade Seiner Majestät König Ludwig's von Bayern an, als Protector des Vorhabens aufzutreten. In meiner Begeisterung für die Sache, hatte ich gänzlich die Schwierigkeit, ihr überhaupt näher zu treten, ja ihre Unausführbarkeit noch dazu unter Anregung von Seiten einer gänzlich unbekannten Person übersehen, und die unmittelbare Folge meiner Bemühungen war, dass keine einzige Ge- sangsgrösse es für der Mühe werth fand, mich überhaupt einer Rückantwort zu würdigen. Se. Majestät König Ludwig allein liess mir in einem Schreiben sein Bedauern ausdrücken, dass er eich mit elementaren Fragen der einzelnen Künste nicht befassen könne, dagegen stelle er mir es anheim, der königlichen Musikschule in München Vortrag von meinem Projecte zu halten. So sehr dankend ich diesen Bescheid entgegennahm, so

sehr wich er von meiner originalen Idee ab, einen allgemeinen Sängertag ausübender Gesangskünstler zu veranlassen, um Maximen festzustellen und bedeutenden Traditionen aus den Zeiten der grossen Schule wieder zu ihrer Geltung zu verhelfen zum Besten der Gesangskunst in ihren inneren und ausse- ren Fragen, im Kampfe mit der Instrumentalistik.

Wenn ich nun auch meine Idee nach obiger Richtung fallen liess, aus eigener Ohnmacht, ihr keine genügende Stütze sein zu können, und auch die Hoffnung aufgegeben habe, dass eine würdigere Gesangskraft sie erfolgreicher aufnehmen werde, so halle ich es doch für der Mühe werth, das, was mich damals wenn auch vergeblich bewegte, noch einmal zur Sprache zu bringen, für den Fall sich unerwartete Schlüsse daran reihen lassen,

Dass wir in keinem anderen Fache der Musikkunst und aller anderen Künste in ihren Vorfragen so hülflos dastehen, wie in den Principien der höheren Stimmbildung, geht schon aus dem einen Umstände hervor, dass verschiedene Musikschulen Deutschlands italienische Lehrkräfte zur Hebung der Tonbildung im Gesangsfache heranzogen, ein Experiment, welches für sich selbst spricht.

In Gesprächen mit Kapellmeister Ganz in London, welcher mit den ersten GesangskrSften der Welt in Berührung kommt, musste ich hören, dass er unter Beiwohnung der öffentlichen Prüfungen in Leipzig im Conservatorium über die instrumentalen Leistungen entzückt gewesen sei, wahrem! die vocalen nicht zu seiner Befriedigung ausfielen , im Gegenlheü als sehr mangelhaft sich erwiesen. Sehr zu wünschen wäre es, wenn von Regierungsseite aus der Hebung des Kunstgesanges auf seine ganze Höhe ein waches Auge geschenkt würde, durch Heranziehen von Gesangskünstlern, Einfliiss auf Kirchen-, Schul- und Volksgesang zu üben und Kunstelemente daran zur Geltung zu bringen, im Erzeugen und Manipuliren des Tones.

Nach dieser Richtung machte die Württemberger Regierung einen höchst ehrenvollen Versuch während meines Aufenthaltes in Stuttgart 4870—4874. Dieselbesetzte alle Mittelan, den Sänger Julius Stockhausen für Schwaben zu gewinnen in unmittelbarer Verbindung mit der Idee, den Volksgesang zu heben. Die Stellung Stockhausen's sollte eine doppelte sein. Der König halte ihn zum Kammersänger ernannt, das Ministerium wollte ihm das Gesangsfach im Stuttgarter Conservatorium unterstellen und seinen Rath für weitere Bildungsanstallen in derselben Richtung in Anspruch nehmen. Aus Stockhausen's eigenem Munde erfuhr ich den Plan, wusste aber sofort, dass er sich nicht an eine officielle Stellung in Württemberg werde fesseln lassen, weil ihn damals noch seine Concertreisen sehr in Anspruch nahmen und sich als sehr lucraliv erwiesen. Sehr ehrenhaft der Kunst gegenüber bleibt es aber, dass die Württemberger Regierung die Initiative ergriff, die höheren Principien der Gesangskunst durch eine solche Künstlerkraft zum Gemeingute des Volkes zu machen. Kein ideales Gebiet dürfte mehr der Cultur zu empfehlen sein, als der höhere Gesang, welcher so tief in den Cultus eingreift und das Gemülh so mächtig zu fesseln und zu erheben weiss. Und kein Mittel ist geeigneter, die allgemeine Gesangsbildung mehr anzubahnen, als Heranziehung von wirklichen Gesangskünstlern und Kennern des Organes zur Grundlegung des elementaren Unterrichts.

Heino Hugo,

Gesanglehrer am Tielz'schen Conservatorium zu Gotha.

Nachschrift. Ob wohl eine Möglichkeit vorbanden wäre, die deutschen Gesanglehrer, wenn sie wirklich an einem bestimmten Orte gleichzeitig sich einstellten , auch nur soweit zu vereinigen, dass sie an einem gemeinsamen Mahle sich belbei- ligten? Wer die Ungenirtheil kennt, mit welcher der eine dieser Herren über die Methode des ändern unbedingt den Stab bricht, der wird auch wissen, wie weit die Versuche, eine gemeinsame Methode zu vereinbaren, zur Zeit Aussicht auf Erfolg haben können. D. Kcd.

Anzeigen und Beurtheilungen.

Arrangements classischer Compositionen für zwei und mehr Pianofortes zu vier bis acht Händen

erschien ¡n den letzten Jahren wieder eine beträchtliche Anzahl , die von der Thäligkeil unserer Musikpressen , von der Betriebsamkeit unserer Verleger und hoffentlich auch von den Xesteiijerlen Bedürfnissen des musikalischen Publikums einen neuen Beweis liefert.

Von den Arrangements zu vier Händen für zwei Claviere nennen wir zunächst die grosse Sammlung der

Uatier-l'onri-rte von Meiart, 28 Nummern, Ausgabe für zwei Pianofortes von L«iii Maas (Leipzig, Breilkopf & Harte)),

welche der Ausgabe von Reinrclce genau sich anschliesst und auch die Bezeichnungen beibehalten hat, mit welchen derselbe den Mozart'sehen Ciavierpart zu Schul- oder Vertragszwecken bedachte. Nach der vorläufigen Erwähnung der Bearbeitung von L. Maas in Nr. 10 Jahrg. 1881 Sp. .1(4 kommen wir hier, nachdem die ganze Collection vorliegt, nochmals darauf zurück. Obwohl dieselbe stellenweise etwas hart klingt, kann sie doch als eine ausgezeichnete Arbeit mit Recht empfohlen werden. Der Preis der einzelnen Concerte ist je nach dem Umfange t bis 8 .11.

Eine willkommene Ergänzung zu diesem Concertsatz, den wir einem einzigen Meister verdanken, bildet das Sammelwerk

01ат1ег-С«всег1е alter und neuer Zeit (20 Nummern, von Back bis Kelnecke), Ausgabe für zwei Pianofortes (Leipzig, Breitkopf & Härlelj,

welches hier seiner Zeit als von Carl Reinecke veranstaltet besprochen wurde. Durch beide Publicationen besitzen nun diejenigen Spieler, die über zwei Claviere in demselben Räume verfügen können, eine äiisserlich wie innerlich gleich grosse Sammlung und eine unerschöpfliche Quelle des Vergnügens. Drei Concerte von Mozart (Nr. SO. 25 und -26 der obigen Serie] hat Herr Reinecke in seine Blumealese aufgenommen ; diese drei Stücke sind also beiden Sammlungen gemeinsam. Macht zusammen 15 Concerte für zwei Claviere.

Von den Arrangements zu vier Händen für zwei Claviere ist auch noch mil gleichem Lobe zu erwähnen :

Qilotett Op. 16 von BeethtTca, unter Beibehaltung der Originalstimme für zwei Pianoforte eingerichtet von fi. »¿ssler. (Leipzig, Breitkopf & Härtel. Pr. Л 5. 75.)

Will man nun in der Vervielfältigung der Hände noch höher hinauf steigen, so muss man sich vor allem an Herrn Carl Burchard wenden , da dieses Fach seine Specialitäl ist. Zu sechs Händen lieferte er uns vier Ouvertüren von Mozart, Boieldieu, Rossini und Beethoven, sowie von letzterem einen Siegesmarsch, unter dem Titel :

íonintsitionen fui- das Pianoforte zu sechs Händen bearbeitet von Carl Burchard. Dresden, Adolph Brauer.

Zu acht Händen können wir von ihm anführen und anpreisen: Harsch aus Fidelio Op. 72b, für zwei Pianoforte zu acht Händen. Pr. uT 1.50

Polonaisen zu vier Händen von Frau Schubert, Op. 64, arrangirt für zwei Pianoforte zu acht Händen. Nr. 1 D-moll 2 Л; Nr. 2 B-dur 3 u»; Nr. 3 D-dur 3 Л. Sammllich : Leipzig, Breitkopf & Härtel.

In gleicher Vielhändigkeit und entsprechend tüchtiger Arbeit liegen vor :

Ouvertüre zu Mozart's Ascanio in Âlba, für zwei Pianoforte zu acht Händen arrangirt von Pail Graf Wildersee. Pr. 2 Л.

Ouverture C-dur, Op. 124, von Beethoven, für zwei Pianoforte zu acht Händen arrangirt von (l. Rossler. Pr. M 4. 75.

Ouvertüre Nr. 2 zu Fidelio, Op. 72, arranprl für zwei

Pianoforte zu acht Händen von A.«.litter. Pr. JH.75.

Ouvertüre Nr. 1 zu Fidelio, Op. 138, arrangirt für zwei

Pianoforte zu acht Händen von A. (i. litter. Pr. 4 .«. Ebenfalls silmmllich : Leipzig bei Breitkopf & Härtel. Unter diesen Bearbeitern nehmen wir mit besonderer Freude auch den Veteranen A. G. Ritler wahr, der von seiner grossen Kunst seit Jahren dem allgemeinen Publikum leider wenig niit- theill.

Damit man uns nicht den Vorwurf machen kann , dass wir bei dieser Anzeige von gross angelegten Arrangements die neueste Zeit ganz und gar vernachlässigen, wollen wir unsere Empfehlung mit einem 'Vollblut-Product unserer Tage be- schliessen, nämlich mit

t. Lisit's Synphaiie zu Dante's Divina Com media ftlr grosses Orchester mit Sopran- und Alt-Chor, arrangirt für zwei Pianoforte zu acht Händen von Johaoa Tm Végk. Leipzig, Breitkopf & Härtel. Pr. Л 14. 50. Kür den Unverständigen hat Herr Rieb. Pohl, dessen gefällige Feder hochromantiscben Gegenständen stets zu Diensten ist, eine »Einleitung« geschrieben, welche zum Theil das sagt, was in der Musik nicht enthalten ist. Der Gesang ist an dieser Symphonie in einer sehr unselbständigen Weise beiheiligt, was Diejenigen, welche Liszt als Vocalcomponislen kennen, auch ohne unsere Beihülfe entdecken werden. Doch darum handelt es sich hier nicht, sondern nur um eine spielbare Herrichtung der gesammten Musik für acht Hände, und dies ist mit aner- kennenswerthem Geschick bewerkstelligt.

üeber

er „die junge Nonne" топ Schubert und „la religieuse" von Diderot.

Fortsetzung.)

II.

Der Einfluss des modernen Claviers mit seiner Allgewall wirkt in dem Grade auf Schubert, dass seine schönsten Lieder auf uns zuweilen die Wirkung von Clavier-Blüden mit Begleitung der menschlichen Stimme machen. Er setzt sich an die Tafel der Harmonie und läset seine Finger gleiten ; das Instrument hat ihn verstanden, es schwingt sich auf, und dem Spiele der Modulationen entströmt ein tonreicher Nebel, aus welchem alsbald die Melodie emporsteigt. Wer hat wohl dea Wassersturz von Vaucluse beim ersten Sonnenstrahl gesehen T Es ist ein blendendes und betäubendes Schauspiel, bei dem uns Sehen und Hören vergeht. Die ungeheure Wassermasse stürzt mit voller Wucht sich zerstäubend von Felsen zu Felsen in tollen Cascaden, deren regenbogenarlig schillernder Schaum im Licht des jungen Tages sich unmerklich in Arabesken und ideale Formen auflöst. Schubert's Melodie besitzt diesen Zauber, und ohne eine Luftspiegelung zu sein, gleich den Visionen des Ab- grundes, spriesst sie leuchtend aus den wogenden Tiefen des Accompagnements empor. Die Motive Beethoven's gewinnen viel durch die Verarbeitung und Durchführung, je mehr sie gedreht und gewendet werden, desto mehr verdichten und vergrössern sie sich. Bei Schubert ist es das Gegentheil ; seine Themas kommen vollendet auf die Welt; sie sind auf den ersten Schlag das, was sie sein sollen, und jedes dialektische Bemühen kann ihnen nur schaden. Schubert's Symphonien, seine Quartette und seine Sonaten leiden an Ueberfülle ; sie gleichen jenen Gärten, welche dem üeberwuchern der natürlichen Vegetation überlassen sind ; ihre Blumen schiessen üppig ohne Pflege empor; die Bäume, deren Zweige regellos treiben, ersticken unter der Umstrickung der Schlinggewächse, und gerade ihr Reichlhum macht sie unwegsam. Schubert widerfa'hrl in seinen Instrumentalwerken der Nachlheil seiner überströmenden Natur; die Motive wachsen ihm über den Kopf, er besitzt deren zu viele, um sie zu entwickeln. Anders ist es mit seinen Gesangscompositionen, wo der Text formell maassgiebt. Das Wort legt seinen Zügel an, und indem die Geister des poetischen Rhythmus denen des musikalischen Rhythmus die Hand bieten, beherrscht die Architektur des Verses gewisser- maassen die des Tons. Schubert treibt das Gefühl jener Transpositionen bis zum Extrem ; er weiss alles Gekünstelte zu vermeiden und Parallelismen in dem Maasse zu entdecken, dass gewisse Stücke, z. B. »Der Erlkönig«, den Effect machen, als ob sie mit hieroglyphischen Zeichen geschrieben wären, welche das Wort und das Bild durch den Ton übersetzten. Zumsteeg, Tomaschek, Zelter, Reichardt, Löwe, wie viele sind ihrer nicht, welche das Goethe'sehe Gedicht angelockt hat? Wenn es nicht jedem in gleicher Weise gelungen ist, so hat doch jeder sein Verdienst. »Der Erlkönig« von Reichardt ist ein Volksmärchen, der von Tomaschek besitzt Pathetisches, aber wenig Farbe. Was Löwe anlangt, so kommt dessen Transcription gleich nach Schubert's Werk : einige s'.ellen es ihm sogar an die Seite. Unmöglich ist es jedoch, den Einfluss des Meisters zu verkennen, insbesondere am Anfang und gegen das Ende. Ich weiss wohl, was an Schubert zu kritisiren wäre : z. B. dieses zu phrasirle, zu amoroso klingende Cantabile, das er der Hauptperson /u- theilt, giebt seinem «Erlkönig» den Anstrich eines italienischen Tenors. Bei Löwe verbreitet sich das Dämmerlicht des Ueber- natürlichen nach allen Seiten ; das Gespenst schwebt in seiner Wolke einher ; ein mysteriöser Hauch der Stimme, ein Flüstern und es ist geschehen: Das Kind ist lodt. Wie dem sein mag, das Werk von Schubert überlebt und wird es überleben ; denn wenn auch irgend ein anderes bedeutendes unsere künstlerische Neugierde erregt, so reisst uns doch nur jenes aus der Tiefe geschöpfte Werk durch die urwüchsige und stürmische Gewalt des Genies, dessen Pulsschlag wir in jeder Note fühlen, mit sich fort. Ihm genügt es nicht, Accente zu haben für die subtilsten Vorstellungen der Seele ; er will solche auch für die gewöhnlichsten Zufälle des Lebens finden. Als eines Tages Schumann mit einem seiner Freunde einen vierhändigen Marsch von Schubert spielte, setzten sie sich vor, wie es ihnen zufällig in den Sinn käme, ein Programm dazu zu erfinden, und es traf sich, dass sie, ohne darüber ein Wort gesprochen zu haben, sich beide auf einen Platz in Sevilla im Mittelalter versetzt dachten, auf dem Hidalgos, Señoras und Manolas im Festzuge einher marscbirten.

Doctor Ambros berichtet einen ganz gleichen Fall, der bei der Aufführung eines vierhändigen Arrangements beobachtet wurde. »Als wir uns dem Schlüsse der Variationen näherten, denen das Lied » Das junge Mädchen und der Tod« als Thema dient, und wir die letzten dem fine vorausgehenden zwölf Takte des pianissimo spielten, rief ich aus: Siebst du nichts? Ich

gewahre am Horizonte, aber weit, sehr weit weg, ganz da unten, ein leichtes Wölkchen. Es wächst; es erhellt sich mit rosigem Lichte, und weisst du, was ich in seinem Nebel unterscheide? — »Warte«, fuhr mein Freund mit leiser Stimme fort, immer noch während des pianissimo, 'ich will es dir sagen, denn auch ich sehe es : es ist der Tod, welcher die Seele des jungen Mädchens entführt.«

Schubert hat Intuitionen, welche uns ergreifen. Hören wir eines seiner Quartette , und ich bin sicher, wir empfinden sofort bei dessen Anfang jenes Behagen, das im Herbste unser Herz erfreut, wenn wir vor einem guten Feuer sitzen, während draussen der Nordwind und der Regen die Fenster peitschen. Wenn wir uns andererseits eines Eindruckes von Venedig erfreuen wollen, so verschafft ihn uns der »Gondelfahrer«, ein Chor mit Begleitung des Pianos. Und wohl gemerkt, handelt es sich nicht etwa einfach um das Venedig der Cascatellensänger und der Guitaristen, sondern wir denken an die Lagunenstadt, an den Riallo, die Procuration und die Marcuskirche, indem eine staunenswerte Combination von Accorden uns auf dem Piano das Geläute mit telephonischer Genauigkeit übermittelt, und das schauderhafte Glockenspiel, das die ehernen Riesen der Mercería stündlich über der Stadt ertönen lassen , bis zur Wirklichkeit nachgeahmt ist. Füge ich bei, dass Schubert Venedig niemals gesehen hat, so ist eine weitere Bemerkung überflüssig.

Delacroix halte ebensowenig Venedig gesehen, was ihn ebenfalls nicht abhielt, Tintoretto's Schaffen wieder aufleben zu machen. Anderwärts in Gretchen's Klage verzehnfacht, ji verhundertfacht das malerische Accompagnement die Intensität des psychologischen Eindruckes, und der hartnäckig festgehaltene Rhythmus des Spinnrades stellt die Herzschläge des jungen Mädchens symbolisch dar.

Und jene nimmer ruhende Glocke in der »Jungen Nonne« l allgegenwärtig, unwandelbar und doch so verschieden in ihren Vibrationen : knirschend, aufdringlich, höhnend und ironisch läutet sie mit ihrem Silberklange zum Leben und zum Tode, zum Balle und zum Kloster, zur Reue und zum Widerstande, zur Yerdammniss und zur Beruhigung; diese himmlische, diabolische, vor allem aber menschliche Glocke, wie soll man sie charakterisiren t Hier komme ich wieder auf Alfred de Musset's Worte zurück und rufe Diderot zu Hülfe

Ш.

Die Conception Schubert's steht ¡n der That in Beziehung zu dem Romane von Diderot, wie sein »Erlkönig«, sein »Gret- chen am Spinnrade«, der Cyklus der »Winterreise» zu den Gedichten von Goethe und Wilhelm Müller, welche sie inspirirl haben. Constaliren wir nichts destoweniger einen Unterschied : der Musiker folgt diesmal nicht Wort für Wort ; er übersetzt, paraphrasirt und generalisirt. Die Nonne von Diderot ist eine Nonne, jene von Schubert ist d i e Nonne. Die meisten Romane Diderot's sind Erzählungen aus dem Weltleben, welche er zu gemeinfasslichen Erörterungen über Moral und Philosophie verwendet, häufig ohne sich auch nur die Mühe zu geben, die Namen zu verbergen. Es ist möglich, dass der Vorwurf der Nonne auf einer Thalsache beruht; es ist aber auch möglich, dass sie nur eine Fiction ist, welche der These eines Schriftstellers zum Texte und Prätexle dient ; in dem einen wie in dem anderen Falle ist die Sache zu prüfen. Möge mir daher der Leser gestatten, für einen Augenblick das Werk des Schriftstellers und das des Musikers mit einander zu vergleichen : ich fordere dies nicht blos deshalb, weil derartige Forschungen mich stets sehr angezogen haben, sondern auch weil es sich um den Beweis handelt, dass ¡n diesem Kampfe zwischen dem Musiker und dem Philosophen der erste es ist, der am meisten ¡n den Grund der philosophischen Wahrheit des Gegenstandes eingedrungen ist.

Es ist in der letzten Zeit viel debaltirt und viel von Diderot gesprochen worden ; seine Lebensfähigkeit gleicht beinahe der Voltaire's; halte nicht auch er seine Feinde? Lieben wir ihn also nicht wegen seiner allmodischen philosophischen Principien und seiner weinerlichen socialen Dramaturgie, nicht wegen des einen oder anderen seiner Werke, sondern wegen der Gesammtheit seines Schadens, wegen seiner Dialoge, seiner Paradoxen, seiner Ansichten, seiner Klarheit, seiner Gedankenblitze über alle Dinge, wegen seines sielen Aufschwunges zu den Ideen (wenn dies auch nur Fragmente von Ideen waren), wegen seines Instinkts, seiner Durchdringung des Schonen in der Kunst, seiner flammenden Ausströmung von Licht und Hauch, wie solche nur den Vulcanen eigen ist. Diderot hat nie etwas Dauerndes hervorgebracht, nie etwas zur Wissenschaft beigetragen ; er hat weder den Esprit des Iriis, noch den Essai sur les moeurs geschrieben ; man wirfl ihm vor, weder ein Montesquieu, noch ein Voltaire zu sein ; Lecture von Literaten ! rufen die Puristen ; es mag sein ! Sperren wir ihn in die Bibliotheken; besser ist es allerdings, im Grunde der Herzen zu leben. Aber in den Bibliotheken ! es wohnt nicht jeder dort, der mochte, und es ist doch noch immer ein ganz annehmbarer Nolhbehelf, dort wie Diderot darauf zu warten, dass die Geister, welche Frische, Inspiration und farbenreichen Stil lieben, die Literaten und die Mandarinen, uns aufzusuchen kommen. »Diderot ist Diderot,« schreibt Goethe an Zeller, »und sein Einfluss wird nicht sobald am Erlöschen sein.« Denken wir an George Sand , die ihm so viel verdankt. Durch ihn, weit mehr als durch Rousseau , der weder sein gemüthliches Sichgelienlassen, noch seine gute Laune, noch seine Duldsamkeit, noch seine Phantasien besitzt, durch Diderot wurde auf den Stil einer ganzen Generation von Romantikern, Aeslhe- liltern , Theaterleuten und Feuilletonislen eingewirkt. Heisst denn das nur einen relativen Einfluss gehabt haben , und wirken denn die gewöhnlichen Sprecher und Salonphilosophen auch so in die Ferne? Ich habe George Sand genannt, ich könnte ebenso gut noch andere nennen. Erinnern wir uns an la visite des noces, diesen in dem Roman Madame de la Pom- meraye verborgenen ausgezeichneten kleinen Act, wie er schon in den beiden Versen von La Fontaine enthalten war, welche viele Leute und vielleicht sogar Dumas Sohn nicht kennen:

Menelaus entdeckte Reize an Helenen,

Die sie wohl damals nicht besass,

Bevor sie Paris angehörte.

Dass ¡n socialer Beziehung Diderot's Einwirkung wenig bedeutet, läugne ich nicht; als Philosoph ¡st er kaum zu rechnen, dagegen ist er als Mann der Wissenschaften ein Titan, sagen wir auch als Virtuos, indem wir ein Capitel von Variationen und Phanlasien behandeln. Durchgehen wir den Roman.

Die Form der Erzählung lässl dem Autor zunächst freie Bewegung ; ein Vortheil, den Diderot Die aus den Augen verliert. Es handelt sich um ein Manuscript, das die Geschichte der Schwester Susanne enthält, und das die aus dem Kloster entflohene Nonne ihrem Beschützer, dem Marquis von Crois- mare miltheilt. Das Innere einer ruinirlen bürgerlichen Familie, das Kloster von Sainle-Marie, die Abtei von Longchamps und das Kloster von Sainte-Bolrope zu Arpajon , das sind die vor unseren Augen vorübergehenden Gemälde : eine kleine Welt, aber in ihren geheimsten Winkeln durchforscht, ein Genre-Bild und ein Bild der Kirche, das Sprechzimmer mit seinen Schwätzereien und Intriguen , die Zelle mit den nächtlichen Halluzinationen, in der Nähe der Kapelle mit dem von Kerzen beleuchteten und mit Blumen geschmückten Altar, die Einkleidung, Longchamps mit seiner bei den galanten Rendezvous nachgehenden schönen Damen so beliebten Kirchenmusik,

»Die Versuchung des heiligen Anton«, und Vert-Vert, Breughel und Watteau; kür/, das Pathetische, das Lacherliche, das Hübsche, das Reizende und das Abslossende dieses unvergleichlichen »tout Paris« des Kococo. Das Kloster ¡n unablässiger Berührung mit der Aussenwcll, die Echos zurückwerfend, Ambcr und Uisam durch die mit Weihrauch gesättigten Mauern ausströmend, und di-ssungeachlel immer das Kloster, die Grausamkeit dort gepaart mit Lüsternheit; alle diese niedlichen Crealuren hassen .-ich und haben mit einander nichts gemein, alsdasGefiihl der Unerlräghrhlieit der furchtbaren sie drückenden Tyrannei. Wie wird man sich von diesem Joche befreien? woher wird die Erlösung kommen? Die eine berauscht sich im Mysticismus ; die andere, schweigend und abei>»"hieden nachsinnend, verkommt moralisch.

(Schluss fulgí.)

Berichte.

Leipzig.

Du (Weite Gewi ndhauscoDcert (am la. October) schloss sich dem voraufgehenden würdig an. Das Orchester crolTnete den Reigen mit der schonen Wiedergabe der Ouvertüre zum »Wasserträger« von Cherubin!. Hierauf sang Frau A ma l ie J oa ch i m , an* fan¡;s etwas befangen, sodann aber mit gewohnter Meisterschaft das weihevolle Franz Schubert'sche Lied »Dem Unendlichen« (Text von Klopslock; instrumentât von Grimm), ausserdem noch drei weniger bekannte Lieder von Johannes Brahms: Feldeinsamkeit, Sornruer- ahend, Vergebliches Stündchen. Offenbar waltete die Absicht vor, möglichst Neues zu bieten; doch will es uns hedünken, als sei die geschätzte Künstlerin in der Zusammenstellung des Programms schon glücklicher gewesen. Von Solostücken hörten wir ferner: Concert (Andante und Allegro) für Violoncell von Molique, unter Orchesterbegleitung vortrefflich ausgeführt von Herrn Alwin Schröder, Mitglied des Gewandhaueorchesters. Derselbe spielte späterhin noch drei kleinere Sachen : Abendlied von Rob. Schumann, Arioso von C. Reinecke, Capriccio von Klengel ; beim Vortrage des ersteren erfreuten wir uns an der Innigkeit des Ausdrucks, während das letztere dem Solisten Gelegenheit gab, seine Technik , besonders sein sauberes, prickelndes Staccato be wundern zu lassen. Nicht unerwähnt möge hierbei die feinsinnige Clavierbegleitung des Herrn Kapellmeister Reinecke bleiben. Den Schluss des Concertes bildete die wohlgelungene Ausführung der Symphonie »Im Walde» von Joachim Raff, ein Erinnerungsopfer an den im Laufe dieses Jahres [24. Juni) verstorbenen Künstler, wie eine Notiz auf dem Concertzettel andeutete. Es wäre ungerecht, sich an dem Schlagwort "Programmmusik« zu slosscn, falls die Musik an und für sich werthvoll ist : alsdann nimmt man wohl das »Programm« nebenbei mit in Kauf. Und in der That, wenn auch verschiedentlich auf den Bussern Effect gearbeitet, gehört RafTs Waldsymphonie zu den besten und originellsten unter den symphonischen Schöpfungen der Neuzeit. Bei dem Bestreben, die classische Form der Symphonie mit Programmmusik zu erfüllen, ist dem Componislen allerdings das Menschliche begegnet, die wilde Jagd mit Frau Holle und Wotan zweimal ein- und ausziehen zu lassen, was trotz der Kürzung, welche die Concertdirection bei der Wiederholung dieser Partie vorgenommen hatte, den Hörer sonderbar berührte. Den meisten Anklang fanden die beiden Miitelsalze »Träumerei« und »Tanz der Dryaden«, welche SpeciesNymphen freilich ohne dieses Aushängeschild kein Sterblicher erkannt haben würde.

Das ,in unserer Einwohnerschaft weitverbreitete Gerücht, ein langbewehrtes hiesiges Cnncertinstitut müsse wegen Mangels geeigneter Räumlichkeiten eingehen, hat sich glücklicherweise nicht bewahrheitet. Nachdem die Buchhändlerburse, um eine schnelle Entfernung de» Publikums bei Feuersgefahr zu ermöglichen, einige bauliche Umänderungen erfahren hat, wird in ihrem Grossen Saale der Concertverein »E u te r pe« auch im bevorstehenden Winterhalbjahre seine zehn Abonnemenlconcerte unter der anerkannt tüchtigen Leitung des Herrn Dr. Paul Kl e n ge I veranstalten.

[íes] Im Verlage von Julius Batnaver, KOnigl. Hofmusikalieo- handlung inBreslau,ist soeben erschienen:

zu Calderon's fantastischem Schauspiel:

„Ueber allen Zauber Liebe" von Eduard Lassen.

Opus 73. Partitur .......... 80 Л.

ClavierauazTig vom Componisten ..n. 5 Л.

['»*] Soeben erschienen in meinem Verlade:

pour

VioloB et Piano

composé par

Emile Sauret.

Op. 17.

Pr. 2 Mark.

pour

Violen et Piano

composé par

Emile Sauret,

Op. 18.

Pr. 2 Л 50 ^f. Leipzig und Winierthur. J. Rieter-Biedermann.

("4 Neuer Verlag von

J. Rieter-Biedermann in Leipzig und Wintenhur.

Sechs kleine Lieder

JOSEPH LUDWIG НАЛ SE

für eine Singstimme mit leichter Ciavierbegleitung

oomponirt

von

Emil Keller.

Op. 21.

Complet Pr. i Л 30 <fy.

Einzeln:

No. 1. Naturfreuden Pr. 50 3f.

No. Ï. O siisser Traum .... Pr. 50 Эр.

No. 8. Waldesfreuden Pr. So Sjl.

No. 4. Hinaus! Pr. SO Sji.

No. 5. Erwachen des Morgens . . Pr. 50 ty.

No. Í. Waldconcert Pr. SO Sjl.

[«»] Verlag von F. JB. C. Leuckart in Leipzig.

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Vier Clavierstucke von Nicolai von Wllra.

Op. 33.

No. (. Sarabande л «,-. l No. s. ватоПе . Л i,— .

No i. Conrante . . - -,xo. | No. 4 Ländler .... i, —

Frtther erschienen: WUm, Mcolal Tob, Op. 8. Schneeflocken. Sechs Ciavierstücke.

i Hefle ............... à ^r 1,50.

И Um, Mcolai \ on, Op. 41. Zwölf kleine Tonitucke fur Pianoforte!

Hefte

.. WUm, Mcolal топ, Op. ¿4. lebnCharaktersrtck«. i Hefted.* i,so.

H s»] Verlag von

J. Kieter-Btedemtuinn in Leipzig und Wintmhur.

Werke

von

Louis Bödecker.

Op. 5. Vier Lieder von Chr. АЧгсЛЛо/f für eine Singstimme mil

uV|;liMluiiK des Pianoforte. Pr. t Л 50 ^. Op. 6. Variationen über ein Thema aus Haydn's »Jahres

zeiten« für Violoncell und Pianoforte. Pr. 2 Л 50 ^. Op. 7. Vier Lieder von Chr. Kirchhoff für eine Singslimtne

mit Begleitung des Pianoforte. (Zweites Heft.) Pr. ( Jt 50 Sf. Op. 8. Variationen über ein deutsches Volkslied für das Piano

forle. Pr. i Jl.

Op. 9. Drei Rhapsodien für das Pianoforte. Pr. l Л. Op. tí. Für ruhige Stunden. Drei Ciavierstücke. Pr. x^.

Einzeln :

No. 1. Allegretto in G-dur. Pr. 80 Я. No. t. Allugrello in F-moll. Pr. 80 Sp. No. 3. Andante quasi Allegretto in F-dur. Pr. 80 ty. Op. U. Drei Lieder für vierstimmigen Ma'nnerchor.

No. 4. Abondlied : »Sieh, der Tag, er geht zur Neige«, von

K. Kittfrshaus. Partitur 30 3)1. Stimmen à )в Я.

No. 1. Wiilerruf. »Dass im Mai ich scheiden sollte«, von

Rob. Fruís. Partitur 50 Sjl. Stimmen à (0 .».

No. 3. Epikur: ..Peilet der Becher am Munde«, von Carl

Siebel. Partitur 50 ф. Stiir .Tien à 40 S).

Op. 16. Phantasie -Sonate für Pianoforte und Violine. Preis

8 Jt 50 ф. Dieselbe für Pianoforle und Violoncell bearbeitet vom

Componisten. Pr. 3 Jt 50 Sjf.

Op. 46. Frühlings -Idylle. Phantasie für Pianoforle zu vier Händen. Pr. t Jt 50 3}. Soeben erschienen:

Op. l ". Vier Lieder für eine Siogstimme mit Begleitung des Pianoforle. Pr. i M.

Einzeln: No. 4. Frühlingsanfang: »Esliommtso still der Frühlings-

tag«, von 77. Lingg. 50 #. No. 1. Aeolsharfe: »GeueimnissvollerKlang«, von Я Lmao

50 3?. No. 8. Kummer: «0 holder Lufthauch«, von СЛг. Kirchhoff

50 %.

No. 4. Wunsch und Gruss: »Wenn immer doch Mondschein blieb !» von Withelmine Mylius. 50 3p.

iso°) Verlag von

J. Bieter-Biedermann in Leipzig und Winterthur.

Still IM

Ciavierstücke

von

Theodor Kirchner.

Op. 24.

Zwei Hefte à 3 ,M.

Verleger: J. Rieter-Biedermann in Leipzig und Winlortliur. — Druck von Breitkopf A Hurte) in Leipzig. Expedition: Leipzig, Rabensleinplatz 2. — Redaction: Bergt'dorf bel Hamburg.

Di* Allg«m«ioe Musikalisch* Zeitung

oricheint reeelmäsbtg ¡in jr.lrm ilittwocb

und lit durch all« PoBttmter und buch-

budluQgen an bexiebeu.

Allgemeine

Рг«1я: Jährlich IS Mk. Viert«!j&hrlieb« l'r.nium. 4Mk.M)Pf. Anzeigen; die gespal- teiiu 1'etiUeil« oder deren Kaum 30 Pt Briefe uuJ tieider werden fnuco erbeten.

Musikalische Zeitung.

Verantwortlicher Rédacteur: Friedrich Chrysander.

Leipzig, 25. October 1882.

Nr. 43.

ХУЛ. Jahrgang.

Inhalt: Robert Schumann's Werke, herausgegeben von Clara Schumann. Gesammtausgabe von Breilkopf und Härlel. (Schluss.) Lebensbild Robert Schumann's von Philipp Spitta. — Anzeigen und Beurteilungen (Vierhandige Arrangements [Compositi

Ein Ionen

von Bach, Mozart und Beethoven, bearbeitet von Faul Graf Waldersee, Ernst Neumann, Carl Burchard und S. JadassohuJ). — Zur Elementarlehre. — üeber »die junge Nonne« von Schubert und »la religieuse« von Diderot. (Schluss.) — Berichte (Leipzig). — Anzeiger.

Robert Schumann's Werke,

herausgegebeH von Clara Schumann.

Gesammtausgabe von Breitkopf und Härtel.

(Schluss von Nr. 37.)

Ausser den beiden, Sp. 582—84 besprochenen Fugen bat Bach noch eine drille über seinen Namen geschrieben, oder vielmehr den Namen in eine grb'ssere Doppelfuge verflochten. Wir meinen hiermit dus Ausgangsslück der »Kunst der Fuge«. Es ist aber auch bekannt, dass dieses Unternehmen ein Bruchstück blieb. Doch selbst aus diesem kleinen Bruchstück leuchtet uns, wenn wir die Anlage betrachten, ein hohes Muster entgegen. Schon die Wahl der Tonart muss als ein solches betrachtet werden. Dem Salze liegt der sogenannte erste Kirchenton /' zu Grunde. Diesem stehen suwohl auf der sechsten wie auf der drillen Stufe je zwei Intervalle zur Verfügung ; auf der sechsten Stufe absteigend b, aufsteigend h ; auf der dritten melodisch f, harmonisch fis. Was folgt hieraus? Dass das Thema sammt seiner Antwort mit lauter Tönen gebildet werden kann, welche dieser Tonart eigen sind : li-a-c-n , f-e-g-fis, Diese uralle ß-Leiter, die reichste Tonart für musikalische Harmonie, muss daher als die eigentliche Heimalh des Kugentbemas über den Namen Bach angesehen werden. Der Autor der »Kunst der Fuge« hat das wohl gewusst ; aber die Modernen können schon deshalb die hierin liegenden Vortheile sich nicht zu Nutze machen, weil sie die Tonarten nicht sludiren. Man glaubt noch immer, mil Dux und Comes sei es abgelhan.

Vorstehende Bemerkungen — die wir gern weiter ausführen würden, wenn nur die Zeit dazu vorhanden wäre — sollen Niemand belehren, sondern nur dea Widerspruch motiviren, welchen wir Schumann's Bachfugen entgegenstellen müssen. Im Fugengebiele sind »neue Errungenschaften» undenkbar; der Rückgang auf die Vorfahren und die bis auf den Grund gehende Nachahmung ihrer Werke ist hier das allein Verstandige.

Ganz anders verhält es sich, wenn ein Compon ist in Formen arbeitet, die der Gegenwart eigeulbümlich sind und noch im vollen Flusse der Entwicklung sieb befinden. Weil Keiner mit Sicherheit den Ausgang absehen oder das Endresultat bestimmen kann, sollte man in der Rennbahn eine genügende Weile und Freiheit der Bewegung gestalten. Gewöhnlich verfahren indess die zeitgenössischen Beurtbeiler umgekehrt, sind leicht mit dem Lobe bei der Hand wo sie streng sein sollten, und dagegen engherzig kritisch wo Liberalitat am Platze wäre. Ein Beispiel davon ist aus der in vieler Hinsicht vortrefflichen Schumann - Biographie von Wasielewski bereits angeführt. Während er für die Bachfugen fast nur Lob hat, bemängelt er XVII.

den nKönigssohn« und Aehnliches S. Î39—240 aus Gründen, die in keiner Weise slichhallig sind und die, wenn man sie auf die Kunsl im Grossen anwenden wollle, sogar anerkannte Meisterwerke der früheren Zeit verurlheilen würden.

Fügen wir noch kurz an, was ausser dem bereits Erwähn- len in dieser schönen Gesammlausgabe bisher schon erschienen isl.

Die erste Serie wird durch Orchesterwerke gebildet. Von diesen erschien die

Ente Sjrmphtle. Op. 38. Partitur 108 Seiten Folio. Preis

Л 8. 25.

Das 4 Bit componirle Werk kam in dieser Gesammtausgabe <88< heraus, und im gegenwärtigen Jahre folgte die

Viert« Kjnpheni«, üp. 420. Partitur 96 Seiten Fol. Preis

Л1. 50.

Auf die dazwischen liegenden, in anderm Verlage erschienenen beiden Symphonien werden wir wohl noch einige Zeit warten müssen.

Aus der fünften Serie »für Pianoforle und andere Instrumente« erhielten wir

Op. 44 : (lulltet! fur Pianoforte, zwei Violinen, Viola und

VioloDcell. Partitur und Stimmen. Preis Л 7. 50. Op. 4 32 : Mârehcn-Criâhlugei, vier Stucke fur Clarinette (ad libitum Violine), Viola und Pianoforle. Partitur und Stimmen. Jt 2. 50.

Aus der neunten Serie »Grossere Gesangwerke mit Orchester oder mil mehreren Instrumenten« sind zu verzeichnen: Op. 74 : AdtPDtIÍ4'd für Sopran-Solo und Chor mit Orchester. Partitur 49 Seiten. Preis 4 .(/. Op. 98b : Reqiiem für Mignon fur Chor, Solostimmen und

Orchester. Partitur 48 Seiten. Preis Л 3. 75. Bei diesen Preisangaben ist zu merken, dass dieselben für den Bezug der ganzen Serien gellen. Das einzelne Werk getrennt bezogen kommt bedeutend höher; so z. B. kostet das Mignon- Requiem in der Einzel-Ausgabe 6 Jt 75 ty, also beinah das Doppelte. Auch der letztere Preis isl noch nicht sehr hoch ; der Serienpreis muss aber, bei schöner Ausstattung, als besonders niedrig bezeichnet werden.

Diese Gesammlausgabe wird wohl nicht die einzige bleiben in unserm Jahrzehnt ; aber jedenfalls wird sie für immer einen einzigartigen Werth dadurch behalten, dass die berühmte Gattin des Meisters sie edirt bal. Was der Name Clara Schumann

4l

hier werlh isl, wusslen auch noch andere Verleger, sogar ausländische ; denn als Breitkopf AHärtel mit Frau Schumann kaum abgeschlossen hallen, machte die grosse Musikhandlung Novelle in London der Herausgeberin ebenfalls den Antrag, die sämml- lichen Werke ihres Gallen für sie zu ediren. Es würde allerdings ein sonderbares Ereignis* gewesen sein, wenn die erste und beste Gesammtausgabe von Schumann ¡n einem Lande publicirt wäre, welches der Kunst Schumann's noch vor ÎO Jahren gänzlich tlieilnahnilos gegenüber stand. Seit jener Zeit hat sich dort allerdings manches geändert, im Guten wie im Schlimmen.

Hier dürfte auch der passende Ort sein, den Leser auf eine Itleine Schrift aufmerksam zu machen, durch welche Herr Prof. Spitta die Biographie Schumann's geklärt und bereichert hat :

Eil Lebensbild Robert Schin«in's v»n Philipp Spitta. Leipzig, Breilkopf 4 Härte!. 4882. 102 Seiten gr. 8. (Sammlung musikalischer Vortrage, herausgegeben von Paul Graf Wal dersee, Nr. 37 und 38.)

Dem Verfasser standen ausser den bekannten Druckwerken mündliche und schriftliche Quellen von grossem Werth zu Gebole, die Anderen bisher nicht zugänglich waren. Das Material ist hier im engen Rahmen zu dem vollständigsten und anziehendsten Lebensbilde von Schumann verarbeitet, welches wir zur Zeit besitzen. Die Biographie wurde ursprünglich für ein von G. Grove herausgegebenes Dictionary of Music and Musicians geschrieben, wo sie auch unlängst publicirl ist.*) Der Herr Verfasser wird nicht bereuen, dass er sich bestimmen liess, dieselbe in der erwähnten »Sammlung« auch deutsch heraus zu geben.

Es sei uns gestattet, die Schlussworte dieser Schrift hier anzuführen ; in denselben werden zum Theil Gedanken ausgesprochen , die auch von uns in anderer Weise bei Verschiedenen Gelegenheilen als Kern unserer Ueberzeugungen und Hoffnungen kundgegeben sind. Der Verfasser sagt : »Schumann's Einfluss auf die künstlerische Production unserer Zeit ist ein grosser gewesen,, und er ist noch immer bemerkbar. Inwiefern er für die zukünftige Entwickelung der Tonkunst maassgebend sein wird, das ab/.uschätzen muss späteren Generationen überlassen bleiben. Aus der unmittelbaren Wirkung auf die Mitwell, sei sie auch noch so bedeutend, llisstsich hierfür garnichts sicheres schliessen. Auch wissen wir nicht,1 ob für die nächste Zukunft überhaupt noch einmal ein neuer Aufschwung der Musik sich anbahnt. Nach neuen Idealen ringt die Zeit offenbar, und dass dieselben nicht ganz ausser Zusammenhang mil Schumann's Kunst stehen, ist auch ersichtlich. Aber verwundern dürften wir uns nicht, wenn nach vierhundert Jahren einer ununterbrochenen, beispiellosen Kunstblülhe endlich nun doch ein Zustand des Ermatten* und Abwelkens einträte. Alles was in Vorstehendem über Schumann's Kunst zu sagen war, stellt durchaus nur ein Unheil dar, das vom Standpunkte der Vergangenheit aus gefällt worden isl. Insofern darf dasselbe eine gewisse Zuverlässigkeit wohl für sich in Anspruch nehmen. Den Vorwurf, dass es ein unterschätzendes sei, wird man nicht erheben können ; eher würde vielleicht das Gegen- theil zu gewärtigen sein. Trotz der ausserordenllichen Popularität seiner Musik isl Schumann's Bedeutung heutzutage noch nicht nach allen Seiten hin unbestrillen. Diejenigen aber, die

  • ) A Dictionary of Music and Musiciens (A. D. USO—4889) . . . edited by George Grove. London, Macinillan 61 Co. (884. (In drei Bünden.) Band III, S. S57 —548; bildel l.irl. Г5 und (6, zusammen 17i Seiten, die T Л kosten. Der grossie Theil ilicserHefte wird durch Hi* Artikel Schubert und Schumann in Anspruch genommen.

ihn geringer schätzen, als es in Obigem nach fester Ueberzeu- gung geschehen ist, scheinen, so weit sie überhaupt leidenschaftslos zu urlheilen geartet sind, dem Nachlebenden das Verdienst der Vorfahren zum Schaden anzurechnen. Unser Geschlecht, das sich auf das Vermächtniss der Vergangenheit zu besinnen anfängt, erkenn! mit wachsendem Erstaunen um immer klarer, wie im Laufe der letzten vier Jahrhunderle eine Reihe von Meislern der Tonkunst erstanden ist, die unter den grösslen Erscheinungen aller Zeiten ;n erster Linie stehen. Unter dem frischen Eindruck dieser Erkenntniss ¡st man leicht geneigt, den von den Werken jener Meisler genommenen Maass- slab überall anzulegen, und bemerkt nicht, wie dadurch der Blick für eine Welt anders gearteter Schönheit blöde wird. Jene überragenden Genien haben immer nur einzelne Richtungen, nie die gesammte Kunst zum höchslen Ideale vollendet, nie hat auch die gesammte Kunst nur in vereinzelten Spitzen sich ausgelebt. Die Beschränkung auf das Höchste isl in der Kunst der erste sichere Schritt zur inneren Verarmung. Gewiss hat es Grössere gegeben, als Schumann war, und er selbst würde als der erste gegen seine Gleichstellung mit den erhabensten Meislern Verwahrung eingelegt haben. Aber die Erkennlniss eines vorhandenen Auslandes isl so weit entfernt, ihn in seinem Wcrthe zu schädigen , dass vielmehr durch eine richtige Ver- werlhiing derselben die eigenthümliche Schönheil seiner Kunst erst recht offenbar wird. Zur Zeit isl diese Art der Anschauung, welche mit dem urtheilslosen Massengenuss von Musikwerken jeder Sorte nichts gemein hat, noch selten genug. An ihrer Verbreitung arbeiten alle, denen die Förderung geschichtlichen Wissens am Herzen liegt. Die aus diesem sich ergebende Sicher- heil des vergleichenden und zusammenfassenden Blicks wird gerade einer Erscheinung wie Schumann mehr und mehr zu Gute kommen. Wenn einst die Nebel aus den weilen Räumen des Kunslgebietes überall gewichen sein werden, die jelzl kaum mehr als die höchslen Spilzen der Vergangenheil hervorragen lassen, wird wohl manche Erscheinung dem Blicke sich dar- bieten, die in anderen Zeilen und Verhältnissen eine gleiche Talenlkrafl darstellt, wie sie Schumann zu eigen besass. Aber je blühender und mannigfaltiger dann der Garten der Kunst erscheinen wird, desto freudiger wird man das Einzelne schätzen, das an seinem Theile diese Mannigfaltigkeit und Blülhe bedingt. Ich hoffe, man wird dann finden, dass Schumann's Kunst die warme Sympathie verdient, von der diese Blätter Zeugniss geben.t (S. ÍOO—(Oí.)

Anzeigen und Beurtheilungen. Vierhändige Arrangements.

Diese Rubrik ist in Ausgaben, welche die letzten beiden Jahre brachten, reichlich genug vertreten, und erfreulicher Weise ist der innere Werth durchweg ebenso gross, wie die Masse. Wir verzeichnen Folgendes, mit Bach'schen Concerten als dem Aelteslen beginnend.

1. Cocerte für Ciavier und Orchester von J. 8. Barh, für Pianoforte zu vier Händen bearbeitet von Pul finrf Waiderwe. Leipzig, Breitkopf & Harlel. Enthält die den Liebhabern bekannten , dem grösseren Publikum aber unbekannten sechs Concerte E-dur (Pr. 5 .ff\, A-dur (Л 3. 50) , D-dur (4 Jt), K-moll (3 Л), G-moll (Л 3. 50) und D-moll \.K 5. 50) in einer geschickten Bearbeitung, die durch massige Fertigkeil bewältigt werden kann und, wie wir helfen, zur Verbreitung dieser kunstreichen aber nicht populär gehaltenen Stücke beitragen wird.

2. Divertimenti von W. A. .4o»»rt. Arrangement fur Pianoforte zu vier Händen von EraitNi»au. Leipzig, Breitkopf & Harte!.

Der muntere Mozart bat unter diesem Titel eine Reihe von Werken geschrieben. Ob sie sämmtlich schon in diesem vierhändigen Arrangement erschienen sind, können wir nicht sagen. Vor uns liegen die folgenden Nummern : Divertimento Nr. 7 D-dur (Preis?); Nr. 9 B-dur (Preist); Nr. tu F-dur (Preis Uf 4. 75) ; Nr. ) Î Es-dur (Л ). 50) ; Nr. l 3 F-dur (JH. 50) ; Nr. 14 B-dur (i .ti ; Nr. (5 B-dur (6 .H ; Nr. 16 Es-dur (Л î. Î5) ; Nr. 17 D-dur (Jt 7. Î5). Also im Umfang sehr verschieden, aber gleich in der Munterkeit, und sämmllich in Dur.

Der Bearbeiter hat nicht nur bei diesen, sondern auch bei den folgenden Mozart'sehen Werken seine Geschicklichkeit aufs neue bewährt :

3. Serenade Nr. 7 D-dur von W. A. Itxart, arrangirt für Pianoforte zu vier Hunden von Krnst Ламам. Preis 9uT.

4. ttartette für Streichinstrumente von W. A. Itiart, arrangirt zu vier Händen von demselben. 10 Nummern, Preis à Л 3. 50 bis 5 A.

5. Quintette für Streichinstrumente von W. A. leiarl, arrangirt zu vier Händen von demselben. FUnf Stucke, Preis à 3 bis 5 .«.

Sämmtlich : Leipzig, Breitkopf & Härtel.

Andere vierhändige Mozarliana brachte heraus der auf diesem Gebiete besonders thätige Graf Waldersee :

6. Oyvrrlürru zu Asea nia in Alba, Mitridate und Lucio Silla von W. A. Henri, arrangirt zu vier Händen von Pitl traf Waldersee. Leipzig, Breitkopf & Härtel. Preis a 1—8 Л.

Nur die genannten drei Stücke sind uns zu Gesicht gekommen; vermulhlich sind auch die Ouvertüren zu den übrigen Mozart'- sehen Jugendopern in diesem vierhändigen Arrangement erschienen, oder werden demnächst erscheinen. Vergessen wir bei Mozart zum Schlüsse nicht, ein gewiss Allen willkommnes Arrangement anzuzeigen :

7. KrimuBKS-lesse С-dur von W. А. Чоиг(, für Pianoforte zu vier Händen bearbeitet von Carl lirehard. Leipzig, Breitkopf & Härtel. Preis Jt 4. 50.

Weniger Ihätig, als bei Mozart, scheinen die Vierhänder in dieser Zeit bei Beethoven gewesen zu sein. Wir wissen heute our Folgendes zu nennen :

8. Aidait« F-dur für Pianoforte von L. таа leethrra, ar- rangirl zu vier Händen von Erut >«*». Leipzig, Breitkopf A Härtel. Рг. Л 1. 78.

9. Rondo a CaprieeU für Pianoforte von L. un Bcethoten Op. 499, arrangirt zu vier Händen von E. fUimaai. Leipzig, Breitkopf 4 Härtel. Pr. Jt 2. 25.

10. Variât!»!» mit fige aus dem Ballet Prometheus von L. ч» Rei'thoien Op. 35, arrangirt zu vier Händen von E. NaiiBinn. Leipzig, Breitkopf <4 Härtel. Рг. uT 4. 50.

\ 4. Rondlno fttr Blasinstrumente von L та! Bei-thoten, ar- rangirt zu vier Händen von E. >ainaia. Leipzig, Breit- kopf -4 Härtel. Pr. uT 1. 85.

42. S*iatc für Pianoforte und Hörn von L. raí leetkiTM Op. 17, für Pianoforte zu vier Händen Übertragen von S. Jadaiuhi. Leipzig, Breitkopf & Härtel. Preis ЛГ3.50.

Auf dieses Dutzend Publicationen aus dem Gebiet der eigentlichen Classiker lassen wir jetzt ein weiteres Dutzend aus moderneren Werkstätten folgen.

(Schluss folgt.)

Zur Elementarlehre.

Musikalisch pädagogische Fragen , noch dazu sich aus- schliesslich mit dem Anfängerlhum in der Musiklehre befassend, gehören zwar streng genommen nicht in eine musikalische Zeitschrift ; vielleicht vergönnt es mir aber doch die Redaction, eine Anschauung nach solcher Richtung zur öffentlichen Kennt- niss zu bringen, welche möglicherweise für den Einen oder Ändern neue Momente und Anregungen enthält. Es handelt sich dabei um die Vereinfachung und Vertiefung des Lesens der Musik für Anfänger.

Die schwere Frage des fehlerfreien Lesenlernens und Lesen- lehfens der Musik, des Ablesens von Noten am Ciavier oder im Gesänge, ein Opfer voll Entsagungen und aufreibender Geduldsprüfungen, trat mir recht nahe, als ich vor Jahren in England in einem Knabeninstilute Stellung als Musiklehrer nahm und, obgleich qicht Pianist, neben Chor und Einzelgesang, die Leitung des Clavierspieles übernehmen mussle. Ein englischer Lehrer war mir vorausgegangen und hatte in der leichtfertigsten Weise nicht einmal den Versuch angestellt, die Schüler, gross und klein, Musik lesen zu lehren. Bei ihm war wohl von der Uebung der Finger, nicht aber von der Uebung des Auges und musikalischen Fassungsvermögens die Rede gewesen.

Aus dem Gröbsten also herausarbeitend, und das Wohl meiner Schüler mir ernstlich zu Herzen nehmend, verfiel ich auf den Versuch, eiriGeheimniss und Mittel, welches die grössten Künstler zur Ueberwindung technischer Schwierigkeilen in Anwendung bringen, in meinem Unterrichte einzuführen. Ich zerlegte den Inhalt der Takle und Rhythmik im Allgemeinen, in «eine einzelnen Theile, und liess nicht allein mehr als langsam zählen, sondern brachte System in diese Langsamkeit. Mein ganzes Trachten ging hierbei darauf hinaus, das Auge des Schülers unbedingt an die Noten zu fesseln, und ihm Zeit zu lassen, seinen musikalischen Versland mit Erfolg heranzuziehen, ihm jede Zerstreuung zu erschweren und vor Allem die bethörende Melodie, den Charakter des Stückes, nicht allzu rasch an ihn herantreten zu lassen, also die Lösung der rein technischen elementaren Fragen in den Vordergrund zu schieben.

Zu diesem Zwecke liess ich ihn nach Abfragung über Ton-, Takt* und Gangart angeben, wie viel Achtel und Sechszehntel ein Vier- oder drei Viertel-Takt enthalte, und begann das Lesen und Ausführen irgend eines Musikstückes in Vierteln mit Abzählen der Sechzehnte!. Ein überraschendes Resultat stellte sich bei dieser Methode ein.

Selbst der jüngste Anfänger, welcher vier auf ein Viertel zu zählen hatte, fand Zeit, sich die Note wirklich anzusehen und über ihr Verhällniss an sich und zu anderen Notengallungen nachzudenken. Dabei gewann sein Blick Ruhe und Gewohnheit und Stärke, voraus zu schweifen, mit einem Worte, im ungestörten Erfassen kleiner Musikliguren rasche Uebung zu erlangen.

Nachdem der Schüler durch diese Probe der Geduld gegangen war, welche ihm an meiner Hand zu seiner Ueber- raschung gelang, natürlicherweise unter Einhaltung mehr als langsamen Tempos im Zählen von Sechszehnteln, liess ich ihn dasselbe Pensum ebenso langsam in Achteln zählen und zuletzt in der vorgeschriebenen Taktweise, in Vierteln.

In Angst ging der Schüler an das schnellere Abspielen des Stückes in Achteln, aber wieder bemerkte er zu sei.ier Genug- thuung, dass ihm auch dieser Versuch gelang. Ohne sein Wissen trat bei dieser zweiten Geduldsprobe die Melodie nun mehr in die Erscheinung und setzte das Ohr in Stand , dem Auge zu Hülfe zu eilen, was beim schliesslichen Zählen der Taktarl, wie sie geschrieben nur noch drastischer wirkte.

Nun Hess ich aber noch lange nicht in die eigentliche Gangart wie vorgeschrieben und dem Charakter des Stückes angemessen einmünden, sondern eine Zeit lang langsam fortüben, bis alle elementarischen Vorbedingungen und hauptsächlich fehlerfreies Spiel ohne jegliches Stocken an schweren Stellen erfüllt und ausgeglichen waren.

Von Aergernissen, Widerspenstigkeiten , langer Weile und sonstigen Ablenkungen топ der Sache konnte während der ganzen Stunde keine Rede sein, denn Schüler und Lehrer waren vollständig bei der Sache und hatten nicht einmal Zeit, über die Langweiligkeit der ganzen Procedur nachzudenken.

Ich habe mit dieser einfachen Methode, aber gründlich durchgeführten, in kurzer Zeit Resultate erzielt, welche alle meine eigenen und Jedermanns Erwartung übertrafen. Die Schule hiess Craufurd College in Maidenhead, zwei Stationen von Windsor. Der Principal des Instituts, damals Rev. de Ewer, zog Nutzen aus meiner Thätigkeit. Die meisten Knaben hatten kurz vor meinem Eintreten meistens den Musikunterricht nicht mehr besucht, weil es in ihrem Ermessen lag, daran Theil zu nehmen oder nicht.

Nach meinem Eintritte in das Gymnasium verdoppelte und verdreifachte sich die Zahl der sich zum Unterrichte Meldenden, und ich entdeckte einige ansehnliche Talente darunter. Knaben von dreizehn, vierzehn Jahren gewannen eine Sicherheit im Vortrage der oft schwierigsten Anforderungen, dass ich mit ihnen im Stadthause von Maidenhead Concerte zu guten Zwecken geben konnte, und alle übrigen Schulen in der NIbe in Richtung der Musik weit in Schatten gestellt wurden.

Ich erwähne diesen Zwischenfall meiner TbStigkeit als Clavierlebrer nicht aus persönlichen Gründen, denn ich bin kein Pianist, sondern Sänger und Gesanglehrer ; möglicherweise liegt aber, wie gesagt, in dem Erwähnten ein Fingerweis für den Einen oder Anderen, welchem die schwierige Aufgabe zugefallen ist, die Anfangsgründe des Musiklesens mit mehr oder minder Begabten durchzunebmen und den Grund zum späteren Aufbau der Musikausführung zu legen.

Bleibt mir Zeit, auf dieses Thema ausführlicher zurück zu kommen, so gedenke ich es in einer besonderen Abhandlung je nach dem zu veröffentlichen und Lehrern und Lehrerinnen zum Besten ihrer selbst und der Lernenden nahe zu legen.

Gotha, im October 188«.

Beino.Hugo, Gesanglehrer am Tieti'schen Conservatorium.

Ueber „die junge Nonne" von Schubert und „la religieuse" топ Diderot.

(Schlau.)

Die Leidenschaft spielt keine Rolle in diesem Roman von Diderot ; seine Nonne liebt Niemanden. Kaum kann man sagen, dass sie nach der Welt Verlangen trägt, da sie wohl weiss, dass das Kloster ihr einziges Asyl ist, und dass ihr beim Ausscheiden aus dessen Mauern nur Verfolgung und Unglück in Aussicht steht. Gleichviel, eine unbezähmbare Wnth nach Freiheit hat sich ihrer bemächtigt; der Gedanke, für immer eingesperrt zu sein, erfüllt ihre Seele mit Verzweiflung, und das Klosterleben ist ihr härter als der Tod. Ihr Verhalten leidet jedoch nicht darunter. Treu dem Andenken und dem Beispiele ihrer alten Oberin erfüllt sie ihre Pflichten, und die Ausbrüche des Schmerzes gehen in brünstige Gebete über. So ist sie eine sanfte, einfache, unschuldige und warmfühlende Natur, welche die Nonnen, ihre Schwestern, gern haben und schützen, nach

dem sie dieselbe in rober Weise verfolgt haben, and die sich von diesem trüben und lasterhaften Grunde fast яо weiss und leuchtend wie die Heroine einer Legende abhebt. Die Figur ist originell ; man möchte aber doch zweifeln, ob sie wahr ist. Wie soll man sich diese tolle Sucht nach Freiheit bei einem jungen Mädchen erklären, das seit seinem sechzehnten Jahr im Klosler lebt, das bisher nur mit Nonnen und Prieslern verkehrte und dessen Eigenliebe überdies manche Genugtuungen zu Theil werden, welche sie zurückzuhalten wohl im Stande wären T Denn Schwester Susanne ist eine ausgezeichnete Sängerin, der Stolz des Klosters, bei Gelegenheit der berühmten Concerte von Longchamps, wo ihre schöne Stimme Wunder wirkt ; *) offenbar verdrängt hier die philosophische Abstraction das menschliche Erkennungszeichen«. Für ihre Mutter das lebende Andenken eines Fehltrittes und für ihren Vater der Gegenstand instinktmässiger Abneigung wuchs die arme Susanne bei ihren Eltern heran, schlimmer behandelt als Aschenbrödel. Ihre Schwestern verheirathen sich, und während ihnen ihr Heirathsgut ausgefolgt wird, weigert sich die Mutter, von Gewissensbissen gefoltert, das uneheliche Kind an dem Familienvermögen theilnehmen zu lassen, und sammelt allmälig aas ihren Ersparnissen die erforderliche Summe, um Susanne ins Kloster zu bringen. Diese ganze Partie des Buches ist von lebhaftem Interesse und entwirft uns, ganz und gar in Diderot's Manier, ein wundervolles Bild, wie sich unsere Geschicke mit unseren Fehlern verbinden. Man neigt sich fast unwillkürlich auf die Seite der Mutter; man fühlt, dass sie richtig urlheilt, und dass Susanne, wie einmal die Umstände ihrer Geburt und Erziehung liegen, aufgewachsen in einer behaglichen Existenz, zugleich schön und arm, zu gemeinen Arbeiten untauglich, nach menschlicher Logik in der Well nicht leben kann, ohne in die grössten Gefabren zu gerathen und darin zu unterliegen.

Also in das Kloster, junges Mädchen, gehe ins Kloster: Go to a nunnery. Und nicht nur die Muller und deren Gatte sprechen dies Wort aus, nicht blos ihr Gewissensrath und die Oberin von Longchamps, sondern auch wir, die wir diese Geschichte lesen ; denn es ist das Wort der Situalion, und das unglückliche Kind hat keine andere Zuflucht. Das schiene jedoch geeignet, den ungemeinen Widerwillen abzuschwächen, welche das Kloster Susannen einflösst, wenn dieses Gefühl nicht vielmehr dem Philosophen Diderot als dem jungen Mädchen zuzuschreiben wäre. Halle Susanne eine Liebe im Herzen, erwiese sich ihre Abneigung als Folge einer auf Hindernisse gestossenen Leidenschaft, so wäre es um die moralische Idee des Autors geschehen, da dessen These darin besieht, uns die Unverträglichkeil seiner Heldin mit den Bedingungen des klösterlichen Lebens nachzuweisen l Aber stellen wir uns auch Susanne als eine Abstraction vor, so sind die Oberinnen dagegen vollendet ausgeführte Charaktere, und zwar deren nicht weniger als Fünf, welche wir aufeinander folgen sehen: die

  • ) »Die Scene am Altar erregle Aufsehen im Hause, wozu noch der Erfolg unsererTe nebrae am Charfreitage zu zahlen ist: ich sang, spielte die Orgel und wurde applaudir!.« Eine andere Sielte : »Ich setzte mich an das Ciavier, ich praludirte lange, indem ich in meinem Kopfe nach einem Musikstuck suchte, deren er viel enthalt. Indessen die Oberin drängte mich, und ich gang, ohne dabei eine bestimmte Absicht zu haben, aus Gewohnheit; denn das Stuck war mir bekannt : Tristes apprêts, pâles flambeaux, jour plus affreux, que 1rs trnfbres.« Auaserdem noch, und als heiteren Contrast: »Wehrend man lachte, schlug ich Accorde an und zog allmallg die Aufmerksamkeit auf mich. Die Oberin trat zu mir und segle mit einem leichten Schlag auf meine Schuller: »Nun, Schwester Susanne, unterhalte uns; spiele erst und dann wirst du singen.« Ich that, was sie mir sagte; ich spielte einige Stücke, die mir gelaufig waren ; ich pban- lasirte prelndirend und dann sang ich einige Absetze aus den Psalmen von Mondouvillc.« Wir verweilen mit Vergnügen bei dieser virtuosen Charaktereigenschaft, welche von vorneherein die Schwester Susanne der Aufmerksamkeit undVorliebe eines jeden Zukunft«- musikere empfehlen durfte.

erste eine Heuchlerin ; die zweite eine aufgeregte Person ; die drille despotisch und grausam; die vierte sittenlos, und die fünfte abergläubisch. Prüfen wir diese verschiedenen mit genialer und unparleischer Hand gezeichneten Figuren; die zweite, zum Beispiel, in der man eine Silhouette der Mme. Guyon zu erblicken glaubt. Die Gluth ihres Mysticismus, der Fluss ihrer Rede ziehen Susannen an, verführen und umgarnen sie, so dass sie sich in einem Augenblicke frommer Schwärmerei bestimmen lässt, die Gelübde abzulegen, die sie bald unter der grausamen Herrschaft der neuen Oberin, da deren Naturell dem ihrigen geradezu entgegengesetzt ist, bereut. Stelle man sich eine Person von derber Erscheinung vor, hässlich von Angesicht, unbarmherzig gegen alle, die nicht vor ihr die Kniee beugen, zu jedem Fanatismus aufgelegt und jenem abscheulichen Worte zur Illustration dienend : dass der Anblick der Verdammten und ihrer Qualen für die Seligen im Himmel ein Zuwachs ihrer Glückseligkeit sei. Bei der Ankunft der vierten lösen sich alle Bande der Ordnung und des Auslandes ; die Gemeinde von Arpajon ist eine Abtei von Thelème geworden, wo Lust und Ueppigkeit herrschen , wo jede es sich zur Aufgabe macht, den niedlichen Sünden und artigen Lastern der allzu liebenswürdigen, munteren, feltlichen Dame zu huldigen, welche trippelnd, sich zierend, mit den Augen blinzelnd, den Geschicken des Hauses vorsieht.

Alles dieses im Ganzen sehr Reelle und Lebendige enthält auch etwas Symbolisches. Es ist das Klosterleben, das uns der Aulor schildern will, und wenngleich stellenweise einiges Licht durchschimmert, so ist es doch Folge der Natur des Gegenstandes, dass eine dunkle Färbung vorherrscht. «Der Mensch», schreibt Diderot durch die Feder der Schwester Susanne, »ist für die Gesellschaft geborte ; trennt man ihn davon, isolirt man ihn, so zerfahren seine Ideen , sein Charakter verschlimmert sich, tausend lächerliche Neigungen entstehen in seinem Herzen ; extravagante Gedanken keimen in seinem Geiste, wie Unkraut in einer Wildniss. Versetze toan einen Menschen in den Wald, so wird er verwildern; im Kloster, wo sich der Gedanke der Notwendigkeit mit dem der Knechtschaft verbindet, ist es noch schlimmer. Aus dem Walde kann man heraus kommen, aus dem Kloster nicht ; im Walde ist man frei, im Kloster ein Sklave. Man bedarf vielleicht noch grösserer Seelenstärke, um der Einsamkeit, als um der Nolh zu widerstehen ; die Noth erniedrigt, aber die Abgeschiedenheit verschlechtert.« Was giebt es Schrecklicheres als diese Oberin, wenn sie vor dem Beichtvater auf die Knie fällt und ausruft: »ich bin verdammt.« Die Scene ist prachtvoll, und in Folge dee Feierlichen grenzt sie an das Hochtragische. »Mitten in jenen Gesprächen, wo jede sich geltend zu machen und die Bevorzugung des heiligen Mannes für sich zn gewinnen suchte, hörte man jemanden langsamen Schrilles sieb nähern, zuweilen stille stehen und seufzen. Man horcht und sagt sich mit leiser Stimme : »Das ¡st sie, das ist unsere Oberin.« Alsdann verhielt man sich schweigend und setzte sich im Kreise herum. Sie war es in der Thal. Sie trat ein ; ihr Schleier fiel bis auf den Gürlel herab ; die Arme waren über die Brust gekreuzt, das Haupt geneigt. Ich sah sie zuerst ; augenblicklich wickelte sie eine ihrer Hände aus dem Schleier und bedeckte sich damit die Augen, worauf sie sich etwas abwendend uns allen zu gehen bedeutete. Wir entfernten uns stillschweigend , und sie blieb allein mil Dom Morel. .. Das erste Wort, das ich nach einem ziemlich langen Slillschweigen vernahm, machle mich erbeben. Es lautete : »Mein Vater, ich bin verdammt!* Aber wie alles das Hoch musikalisch isl, und welchen Gewinn der Musiker aus diesem Texte ziehen wird : »Gluck kann ich nicht sein, Schubert bin ich.« Kein Detail wird ihm entgehen, und gerade durch die Verbindung des vocalen Dramas und der Begleitung wird man im Vorlaufe jede Intention des Romantikers gewahr

werden : »Meine Seele flammt leicht auf, sie exallirt sich, wird bewegt. . . Aber hilft das, wenn der Beruf fehlt?« Dieses von Anfang an geoffenbarte Gefühl verfolgt uns die ganze Zeit hindurch wie ein böser Traum. Ja noch mehr : wir wohnen den Hauplscenen bei, Bruchstücke des Dialogs kommen uns wieder in den Sinn, und wenn die beiden Künstler aufhören übereinzustimmen, und bei ihnen der Gesichlspunkl sich ändert, so erklären wir uns je nach den Umständen für Diderot oder für Schubert.

»Ein wahres Sacrilegium, Madame, ist es, was ich täglich begehe, indem ich durch Missachtung die heiligen Gewänder profanire, die ich trage ; ziehen Sie mir dieselben aus, ich bin ihrer unwürdig. Lassen Sie im Dorfe die Fetzen der ärmsten Bäuerin holen, und jage man mich aus der Clausur.«

«Und wohin wollen Sie gehen, um es besser zu haben T«

»Ich weise es nicht ; aber man befindet sich nur dort nicbl gul, wo uns Goll nicht haben will ; und Gott will mich hier nicht haben . . . .«

Wir gingen fast alle miteinander herab ; der Gottesdienst näherte sich seinem Ende. Am Schlüsse desselben , als alle Schwestern auseinander zu gehen im Begriffe waren, klopfte sie auf ihr Brevier und hielt uns an : »Meine Schwestern,« sagte sie, »ich fordere Euch auf, am Fusse des Altares nieder zu kflicn und die Barmherzigkeit Gottes für eine Nonne anzuflehen, welche er verlassen hat.«

»Ich vermag die allgemeine Ueberraschung nicht zu schildern. In einem Augenblick halle jede unmerklich die Mienen aller ihrer GefBhrlinnen geprüft, um die Schuldige an ihrer Verlegenheil zu erkennen. Alle knieten nieder und belelen irn Stillen. Nach ziemlich geraumer Zeit intonirle die Oberin mit leiser Summe das Vmi creator und klopfte dann nach einer zweiten Pause auf ihr Pull, worauf man hinaus ging.«

Bei der Nonne von Diderot isl die Unterwerfung stets nur erzwungen und gewaltsam herbeigeführt, ihre Widerspenstigkeit liisst nur einen Augenblick nach, um desto heftiger wieder hervorzubrechen, bis sie obsiegt. Ist aber bei der Nonne von Schubert die Resignation nach dem Sturme eine nachhaltige? Der Roman schliesst mit dem tragischen Bekennlnisse der Oberin, alles Uebrige ist nur Epilog. Aber so ausführlich und reich an Zufälligkeiten die Erzählung auch sein mag, Diderot verliert seine Heldin nie aus den Augen. Schwester Susanne bildet den Mittelpunkt des Gemäldes, und das sympathische junge Mädchen belebt durch ihr Schicksal die verschiedenen Klöster, in denen sie sich aufhält. Die/Anziehungskraft lässl daher auch nicht nach ; man beklagt weder die Monotonie der Grundlage, noch ihr unheimliches Dunkel, so sehr interessiren uns die in erster Reihe stehenden Personen, und unter allen vorzugsweise Susanne Simonin. Möge uns daher der Leser verzeihen, dass wir auf diese Analyse e-ngegangen sind ; dieselbe war jedoch unerlässlich, um sich über Schubert's Conception vollständig Rechenschaft zu geben. Denn es isl in dem Roman nu his, was nicht in der Musik vorkommt, und die Musik enthält überdies ein Hauptelemenl, dessen sich der Philosoph aus Vorliebe für seine These gern begeben hat. Diderot hat die unüberwindliche Abneigung der Nonne gegen ihren Sland weder auf ein Liebesverh'allniss, noch auf Unglauben, noch auf Hang zur Zerstreuung gegründel. Wenn sie das Kloster hassl, so geschieht es deshalb, weil es ihrer Vernunft zuwider läuft. Schubert's Nonne verwünscht im Gegentheil das Klosler, weil ihr eine Leidenschaft dasselbe verhassl machi. Die bei der einen mangelnde Liebe bricht bei der anderen in vollen Flammen aus. Schubert besitzt, wie Diderot, die beiden Haupl- eigenschaften eines Erzählers: die Gabe zu erfinden und zu cbarakterisireo.

Der Vereinigungspunkt der Poesie und der Musik beruht auf der Hervorrufung von Emp6ndungen. Wenn Diderot einen Too auf seinem philosophischen Clavier anschlägt und ein Schobert ihn auffegst, so wird die Kunst des Letzteren in uns nicht nur dieselben Empfindungen erregen, sondern auch dieselben Perspectiven eröffnen. 1st daher nicht die »Junge Nonne« un- geccblel ihres Titels einfach eine Ballade T Sie ist, kurz gesagt, ein romantisches Oratorium in nuce. Im Drama kommt diesmal our Eine Person vor, aber deren Seele ist ein Resonanzboden, der alle Stimmen des Klosters widerhallen lässl : Klagen, Gebete , Seufzer, Rufe der Widerspenstigkeit und der Gotteslästerung. Welche Verwirrung herrscht in diesem Gewissen, welche Zurückhaltung in seinen Ausbrüchen l Der unüberwindliche Widerwille gegen die Kinschliessung, die Beunruhigungen und Schrecken des Beichtstuhles, und über dem allen schwebend und überall gegenwärtig der furchtbare Gedanke der auf- gedrungenen Entsagung, die heidnische Venus an ihre Beute geklammert und sie zerfleischend. Erbarmungswürdiges Opfer, wag wird deine Zuflucht sein ? Die Hoffnung auf Gott l Nach so vielem Seufzen und Schluchzen, nach leidenschaftlicher Reue, glühenden und schmerzlichen Thränengüssen erklingt im letzten Takte das AHeluja; die Kapelle öffnet ihre durch dje flammenden Kerzen blendende Tiefe, der Weihrauch dampft, die Orgel präludirt, und indem der sie begleitende göttliche Gesang zum Gewölbe emporsteigt, scheint sich dieses zu öffnen, um die Sterne des Himmels auf diese Seele herab blicken und sich an dem Schauspiel ihrer Beruhigung ergötzen zu lassen.

Wir citirten oben das schreckliche Wort der Oberin von Arpajon : »Ich bin verdammt l« Die nicht weniger tragische Nonne Schubert's ist resignirl. Wir haben eben der äussersten Zerknirschung beigewohnt. Die Welt, die Jugend, die Liebe können ihr künftig nichts mehr bieten. Möge sich die Opferung ganz und gar vollziehen, und forschen wir nicht, welche Gefühle äussersler Abspannung etwa das Hosanna der Befreiung in sich schliessen mag. Beethoven hat irgendwo, aber in diesem Falle obne erzählenden oder romantischen Hintergedanken, mit der Hand eines Michel Angelo diesen Kampf der Leidenschaften gemall : »Das Schicksal klopft an die Pforte.« Der Meister selbst setzt uns davon schon durch das Andante in KennlnUs, sacht jedoch mit der Stimme der I- Hilen zu mildern ; allein vergebliches Bemühen, das Schicksal bleibt taub. Der Tag will sich zeigen, kaum sehen wir ihn dämmern, als eine dichte Wolke sich bildet und ihn verunziert. Die grollenden, drohenden BSsse treten hervor und lehnen sich gleich Geistern der Finsterniss gegen das im Andante von ferne verheissene Licht auf. Schmerzliche Klage ertönt in der Luft, gellendes Lachen und bacchantische Weisen bringen die ersten Motive Iravestirt wieder ; an die Stelle des vollen Klanges der Streichinstrumente treten dumpfe Pizzicatis; stall des dröhnenden Homes die schwächliche Oboe. Wir gelangen so zum düstersten Punkte : wer wird siegen, das Licht oder die Finsterniss? Das Licht. Ermattet unterliegen die Bässe; die Pauke tritt mit einem verlängerten Wirbel ein, die Geigen erwachen endlich, das Thema immer höher hinaustragend bis zu jenem crescendo der letzten acht Takle, wo plötzlich der Schleier zerreisst. Die Nacht tritt den Rückzug an ; mit dem triumphirenden C-dur dringt ein Ocean von Licht herein, der uns überflulbet. Kaum noch eine Erinnerung bleibt an den eben bestandenen Kampf, und nachdem die Schlussaccorde verklungen sind, fühlen wir im Grunde unseres Wesens eine Regung menschlichen Stolzes und heilsame Erhebung unseres moralischen Gefühls.

Hüten wir uns indessen vor einer allzu bestimmten Auslegung, da die Musik in den Augen gewisser Leute eine exacte Wissenschaft wie die Mathematik ist, und als solche nichts anderes ausdrücken kann als Töne. »Phantasien, Luftbilder und Geistesspiel', werden die Theoretiker und die Physiologen ausrufen. In einer Symphonie von Beethoven, in einem Liede von Schubert oder Schumann all das Ideale sehen zu wollen , was

Ihr darin seht, das Messe jene Person Shakespeare's nachahmen, welche in einer Wolke mehrere Varietäten von Fischen und Tbieren wahrnahm. Die Musik hat ihre materielle Seite, wer bestreitel es ? und dennoch muss man zugeben, dass sie mit Ausnahme der Poesie diejenige unter allen Künsten ist, welche am nächsten an die rein geistigen Regionen hinan reicht. In der Architektur drängt sich uns geradezu das verwendete Material in der Gestalt von Stein, Marmor und Holz auf, welchem der Geist sein Gepra'ge gegeben hat; in der Bildhauerei nimmt das Material schon weniger Platz ein, und ¡n der Malerei verschwindet es. Niemanden ist es unbekannt, aus welchen Elementen ein Gemälde zusammengesetzt ist, aber wenn wir vor der J o k o n d e oder vor der Madonna della Sedia sieben, so vergessen wir in der Regel, uns um die Leinwand und die Farbenbereitung zu kümmern. In der Musik ist das Immaterielle zunächst dasjenige, was uns entzückt, und es fehlt nicht viel, dass eine so ungemein complicate und verfeinerte Wissenschaft uns alle Illusionen der contemplative» und vorzugsweise träumerischen Kunst des wahrhaft Immateriellen, der Poesie, verschaffe. Für die Musik ist eben die Periode der Entwicklung eine schon längst zurückgelegte Etappe. Mit Sebastian Bach erreichte, die architekturale Musik ihren Höbepunkt; mit Haydn und Mozart begann die Aera der Psychologie, worauf Beethoven kam, um das Reich des räsonnirenden und krilistrenden Geistes zu gründen. Wie viele giebt es, oder vielmehr, wie viele giebl es nicht der Adepten dieses neuen Cul- lus des aussermusikalischen Gedankens? Mendelssohn, Chopin, Schubert, Schumann , Berlioz , Verdi (der Verdi der Seelenmesse für Manzooi). Ich verzichte darauf, sie alle zu nennen. Wir haben im Verlauf dieser Studie vernommen, dass Zeller gegen Goethe äusserte, eine Molette von Palestrina mache ihm den Eindruck der grossen römischen Campagna, und Zeller war ein Mann der Vergangenheit, einer jener Spiessbürger, welche die Deutschen als Philister bezeichnen, und aufweiche die Strömungen des modernen Lebens keinen Einfltiss haben ; wollen wir weniger weit gehen, als dieser Zeitgenosse Winckel- manns, wir klugen Leute der Gegenwart und der Zukunft? Man wirft uns vor, der Musik die Eindrücke zuzuschreiben, welche wir von ihr empfangen ; aber die Liebe, der Schmerz und die Kreude sind Empfindungen, welche eine Kunst auszudrücken im Stande sein soll, und wenn es auch angemessen ist, das Nachforschen nicht zu weil zu treiben und in dem Texte nicht das zu suchen, was der Autor nicht hineingelegt hal, so muss man sich doch auch hüten, das, was er hineingelegt hat, absichtlich zu übersehen. Man behauptet, dass Beethoven ein grosser Musiker sei, der weiter nichts schrieb als bewunderungswürdige Musik, und dass er, indem er die Cmoll-Syro- phonie schrieb, ganz einfach in seiner Weise das realisirt bat, was die Maler »ein Slück Malerei« nennen. Gut, ich gehe auf diese Behauptung ein, und indem ich auf meinen soeben empfangenen entschieden übertriebenen und phantastischen Eindruck zurückkomme, bemühe ich mich, nach Handwerksgebrauch das »Musikstück« zu definiren : Andante con moto im ' , T;iki. ein sangbares Thema ausgeführt von den Violinen, dem Cello und den Bässen mit Pizzicatis in den letzten Takten ; Wiederholung des Themas von den Streichinstrumenten, neue Phrase etc. Offen gestanden, glaubt man denn, dass eine Würdigung in diesem Stile nach Beethoven's Geschmack wäre? Ich antworte nein, und hundert mal nein. Ebenso gut könnte man vor dem Apollo im Belvedere , dem stolzen und wüthenden Olympier, dem Gölte Homers, sich anatomischen Betrachlungen hingeben und conslatiren, dass das eine Bein länger ist als das andere. Wer giebt uns übrigens in diesem Punkte Gewissheil, dass Beelhoven nicht etwa missverstanden zu werden fürcbtele, und dass daher die oben erwähnte Marginalbemerkuog : »das Schicksal klopfl an die Pforte» nur eine Vorsichtsmaassregel gegen vulgäre Beurtbeilung, so wie zugleich ein Appell an die Zukunflsdialektiker war? Beethoven setzt sich ein philosophisches Problem vor und löst es musikalisch ; Schubert, entsprechend seiner Kunst und seinem Genie, übersetzt Diderot, und fasst den ganzen Roman in einigen Seiten zusammen. Er in- scenirt, er schafft Varietäten, er giebt Farbe, steigert und ver- grösserl das Sujet bis zu dem Grade, dass aus dieser Reduction ein grossartiges Werk wird, eine Art von Oratorium ohne Orchester, ein Oratorium für Eine Frauenstimme mit Begleitung des Pianos.

Das Originelle bei alledem ist Schubert's absolute Gleichgültigkeil gegenüber seinem Librettisten ; während er sonst ein so scrupulöser Beobachter des Sinnes der Worte ist, scheint er diese hier absichtlich unbeachtet zu lassen. Indem er nicht mehr, wie im »Erlkönig«, »Grelcheo am Spinnrade« oder in der »schönen Müllerin« die Verse des Dichters zu übersetzen hat, flüchte) er sich zu seinem Ideale. Was kümmern Schubert das Welter und die Blitze, die in dem schlechtgereimlen Texte leuchten ? sein Gewitter ¡st nicht das nächste Beste : der Regen, die Winde uud die Wolken haben dabei nichts zu thun ; es trägt sich ganz und gar in der Seele der Nonne zu , nicht im wirklichen, sondern im figürlichen Sinne. Es ist ein psychologisches Gewitter, wozu die Elemente nichts beitragen. Schubert besitzt, ich wiederhole es, wie Diderot, die beiden Haupl- eigenschaflen eines Erzählers: Erfindung und Charakteristik. Wenn auch der Rahmen nicht gross ist, so weiss er doch in demselben die Ereignisse zu concentriren und ein ganzes Buch in einer einzigen Person des Vordergrundes zusammen zu fassen. Soll man nun in einem solchen Werke nur das speciflsch musikalische Schöne bewundern : die harmonischen und enhar- moniscben Details, die consonirenden und dissonirenden Accorde, die Rhythmen, die chromatischen Intervalle? Mag man sich aber auch auf diesen rein technischen Standpunkt stellen, das Interesse bleibt immerhin gross, denn die Meisterwerke haben das Privilegium, von jedem Standpunkte aus geprüft werden zu können. Doch sei man ohne Sorge, das schöne Material kommt nur der Idee zu Hülfe und dient zu ihrer Verherrlichung. Dieses in Moll gemalle Gewitter, diese stets um einen halben Ton aufsteigenden Wiederholungen desselben Rhythmus, diese staunenswerte Steigerung der Souoritit überwindet endlich unseren Widerstand. Wir denken, wir träumen unwillkürlich, und wenn die Schlussnote kommt, und wir dieses Alleluja hören, das auf der Mediante ertönt, statt sich endgültig und entschieden auf die Tónica niederzulassen, so werden wir begreifen, was Schubert gewollt hat : Vergebung, nicht Tröstung !

Zusammenstellen , vergleichen , analysiren , das ist unser modernes Object. Hal man nicht schon tausendmal unser Zeilalter das Reich der Chemie genannt? Dem Enthusiasmus in seinem einfachen Zustande genügt das nicht ; unser Enthusiasmus muss räsonnirend, kritisch und complicirt sein. Ohne Zweifel wird es immer noch genug Dilettanten geben, welche in die Theater, die Concertsile uud in die Kirchen laufen und ausrufen : der unsterbliche Molière l Der göttliche Mozart ! Der seraphische Palestrina l Aber diese gewinnen nicht die Oberhand. Der Geist, der uns gegenwärtig beherrscht, ist verglei- chungssüchlig, er sucht sich über alle Punkte Rechenschaft zu geben, strebt nach Entdeckungen, selbst auf die Gefahr hin, in die Irre zu gerathen. Eisentia beatitudinit in actu intellects* consistit. es scheint, dass dieses Wort eines grossen Denkers des Miltelallers jetzt mehr als jemals zeilgemäss ist, und wir möchten uns zum Schlüsse gern auf dasselbe berufen. Denn wenn die »Nonne« von Diderot und die »Nonne« von Schubert, jede für sich ihr eigenes Leben fortleben werden, so bleibt es nicht weniger wahr, dass derjenige, welcher Müsse findet, von diesen beiden Werken eines durch das andere zu commenliren,

und, wenn der Ausdruck gestattet ist, Diderol mit dem Accompagnement von Schubert zu lesen, seine Abendstunden nicht verloren haben wird.

Rossinières, August 188J. L. v. St.

Berichte. Lelprig.

Das dritte G e wandhau «concert (den i«. October) brachte uns an seiner Spitze eine Novität unter der Direction des Compo- nlslen: Fest-Ouvertüre von Albert Dietrich, Kapellmeister des Oldenburger Hoflheaters, zu dessen Einweihung er das formgewandte Orchesterwerk componirt bat. Ihrer Stimmung nach eignet »ich die Ouvertüre zu einem derartigen Zwecke sehr gut ; zu ihrem Vortheile spricht ferner die klare. Übersichtliche Durchführung der beiden Themen. So konnte es denn nicht anders sein, als dass der Compo- ni.st mit seinem Werke eine recht freundliche Aufnahme fand. Eine gleiche wurde dem Pianisten Herrn Bertrand Rolh aus Frankfurt ». Ы. zu Tbeil für seinen geschmackvollen und techbisch fein ausgebildeten Vortrag, obwohl die Aufgeregtheit, von welcher sich der Künstler Übermannen liess, den Erfolg im Beethoven'schen Esdur-Concerl beeinträchtigte. Es wundert uns Übrigens, dass Herr Rolh die breit genug getretene Virtuosenstrasse sieht, d. h. statt der zwei Chopin'schen Etüden und der zwölften Rhapsodie bongrolle von F. Liszt sich nicht dankbarere Aufgaben gesetzt bat. Der Zug- und Lockvogel dieses Concerlabends aber war in den Augen des grossen Publikums unstreitig die vielgerübmte Sängerin Frau E leí ka Gerster-Gardini, die unseren hochgespannten Erwartungen leider eine Enttäuschung bereitete. Allerdings ist die Sicherheit und Leichtigkeit, mit welcher sie ihr Stimmorgan in allen Lagen bis zum M> beherrscht, erstaunlich und ihre Begabung für das Naive, bis zur Ausgelassenheit Heitere springt sofort in die Augen ; in dieser Spe- cialilal (deren Zungen- and Kehlfertigkeit im Bunde mit naturwüchsig lebhafter und liebenswürdiger Action besonders auf der Buhne zünden mag) liegt aber auch ihre game Sltlrke. Denn im Uebrigen war der Eindruck auf uns ein geringer. Die Stimme Ist, was Fülle und Mächtigkeit betrifft, klein und ohne besonders reizvolle Klangfarbe, vielmehr von einigen unschönen Klangen untermischt, die Trillerbildung eine sehr naturalistische. Und was wir vor allem zu tadeln haben: ihr Programm (Arien aus der »Sonnambula« von Bellini und aus A. Rubinstein's »Der Dämon«) war geistig unbedeutend, eine Nummer (»Der Carneval von Venedig*) sogar «ine des Gewandhauses unwürdige Trivialität. Es gereichte uns deshalb zu hoher Genuglhuung, dass die prächtige Wiedergabe der B dur-Symphonie von Rob. Schumann dem Concert «inen erhebenden Ab- schluss gab.

Was die Kammermusiken im Saale des Gewandhauses betrifft, so werden deren in diesem Winter zehn stattfinden, d.h. zwei mehr als bisher, welche der Sangeskunst und den Blasinstrumenten zu Gute kommen sollen. Die Direction erfüllt hiermit ein langst empfundenes BedUrfniss nach Abwechselung in den Programmen. Wir gehen noch einen Schritt weiter, indem wir die Ceberxeugung aussprechen, dass diese Musikabendo noch wisentlich an Interesse und Leben gewinnen würden, wenn an jedem derselben die Streichmusik sich mit Claviervortragen oder Gesang oder Blasinstrumenlenspiel ablöste. Mannigfache Abwechslung schützt dieSpannkraft des Publikums und auch die der ausübenden Künstler vor Ermüdung. — Deber die erste Kammermusik (den 11. October) kennen wir uns kurz fassen, da einerseits die Hochwerthigkeit der aufgeführten Werke (Beethoven's E moll-Quartett Op. 5V, Sextett für Streichinstrumente Op. 48 B-dur von Job. Brahms und Schumann's Quartett für Pianoforle und Streichinstrumente Op. «7 Es-dur) eine allgemein anerkanle ist, andererseits die technische Ausführung, insbesondere die Gesammlauffassung seitens der mitwirkenden Künstler (der Herren Kapellmeister Reinecke, Concertmeister Huntgen, grillend, Thümer, Pfltzner, Klengel und Schröder) eine so vorzügliche war, dass es kleinlich were, unerhebliche Einzelheiten beim Brahms'schen Scxlell zu moniren.

[»««i Neue Musikalien.

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No. 14. Recilativ und Rondo für Sopran. »Ilia speranza adórala«. (K. -V. No. 446.) »ОЯ. — 15. Arie für Sopran. »Vorrei spiegarvi, oh Dio*. (K. -V. No. 448.) .* 4,05. — l«. Arie für Sopran. »No, no, che non se:«. (К. -V. No. 44 9.) Л \ , 05. — 17. Rondo f. Tenor. »Per plelè, non«. (К. -V. No. 410.) 90 ». — 18. Recilativ u. Arie (Dr Tenor, »lliserol 0 sogno, o son desto?, (t. -V No. 414.) Л 4,50. — 19. Recilaliv und Arie für Bass. »Cosí dunque Ira- disci«. (K.-V. No. 4M.) Jit, 05. — SO. Terzett. »Ecco, quel fiero*. (K.-V. No. 4»в.) to A. — 14. Terzett. »Mi lagnero tacendo«. (K.-V. No. 417.) 45 Я. — II. Quartett. »Dite almeno in che manca!.. (K.-V. No. 479.) uT4,50. — 88. Terzett. »Mandina amabile.. (K.-V. No. 480.) Л 4,10. — 14. Recltativ und Hondo für Sopran mit obligatem Clavier. »Ch'io mi scordi«. (K.-V. No. 505.) Л 4,65. — 15. Recilativ und Arie für Bass. »Alcandro, lo confesse«. (K.-V. No. 541.) Л 4,10.

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496. Knorr, JoIiDH, Wegweiser für den CUvltriebUer Im

«Titel Stadium. л 5,—. 494/91. Keie philharmonische BibUotkek für das Pianoforle von

Dr. L. St a r k. l Bde. t Л 4,—. 494. Wagner, lt., Irrlicht Stücke für eine Gesangstimme aus

Tristan und Isolde. Ausgezogen und eingerichtet von E.

Lassen. Л 4, — .

[SOjJ Soeben erschienen in meinem Verlage mit Verlagsrecht für alle Lander:

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Musikalische Zeitung.

Verantwortlicher Rédacteur: Friedrich Chrysander.

Leipzig, 1. November 1882.

Nr. 44.

XVII. Jahrgang.

Inhalt: Anzeigen und Beurteilungen ¡Vierhandige Arrangements [Compositionen von Cb. Neustedt, Xaver Scharwenka, Niels W. Gade, Asger Hamerik, S. Jadassohn, Max Bruch, J. L. Nicode, G. F. Ehrlich, Job. Brahms, Rob. Volkmann, bearbeitet von Fr. Brissler, Fr. Hermann, S. Jadassohn, C. Reinecke, G. Rosier, Tb. Kirchner, Aug. Hörn]. Originalcomposilionen für vier HSnde und zwei Clavier? Contrapunktischo Variationen über eine Gavotte von Handel, componirt von Bernhard Scbolz, Op. 54 ; Grosses Duo von C. Hubert H. Parry; Walzer-Suite von Edmund Uhl, Op. S]). — Varesco's L'Oca del Cairo. — Bericht ¡Kopenhagen). — Anzeiger.

Anzeigen und Beurtheihmgen. Vierhändige Arrangements.

(Schluss.)

Das also folgende modernere Dutzend, auf welches bei der Besprechung dieser Arrangements in der vorigen Nummer hingewiesen wurde, möge passend mit einigen Stücken beginnen, die ihren Stoff volkstümlichen Motiven und insofern ebenfalls einer vergangenen Zeit entlehnen.

13. Carillon de Louis XIV (1648) , pour le Piano par Cb. Neistedt, Op. 107; arr. pour le Piano à 4 mains par Fr. Brissler. Leipzig, Breilkopf & Hartel. Pr. ЛМ.50.

14. tiavotle Favorite de Marie Antoinette (1774), pour Piano par Ch. Vusted!, arr. à 4 mains par fr. Irlssler. Leipzig, Breitkopf & Harlel. Рг. Л 1. 25.

Carillons oder Glockenspiele waren in alter Zeit sehr verbreitet. Eins der beliebtesten Stücke dieser Art hat Neustedt in moderne Ciavierform gebracht. Es ist rondoartig gestaltet in der Weise der alten da Capo-Arie.

Noch mehr rondoartig ist die Gavotte gehalten. Man kann schon aus den Anfangstakten schliessen, dass hier ebenfalls ein Stück aus dem <7. Jahrhundert vorliegt, welches noch in der zweiten Hälfte des 48. gespielt und von der unglücklichen Königin zum Liebling erwa'hlt wurde. Couperin hat in seinen Clavierslücken viele derartige Sätze. — Beide Nummern sind von eigentümlichem Reiz.

15. Pelnhehe ftatlonaltänie für Pianoforte componirt von Xaver St'harweuku, Op. 3 ; arrangirt zu vier Händen von Fr. lenuii. Leipzig, Breitkopf & Härtel. Preis ,fí 4. 50.

»Erleichterte Ausgabe« steht auch noch auf dem Titel, und das ist sie in der That. Was Scharwenka schreibt, ist gewöhnlich schwer zu spielen ; dieses nicht schwer auszuführende Arrangement von Stücken , die zum Theil sehr gelungen sind, wird daher willkommen sein.

16. Dip Kreuzfahrer für Solo, Cbor und Orchester von Hieb W. 6ade, Op. 50, arrangirt zu vier Händen von S. JaduMki. Leipzig, Breitkopf & Hartel. Preis Л 9. 50.

Auf dem Titel steht vClavierauszug zu vier Händen» — welche Bezeichnung doch nicht zutreffend ist, denn unter Cla- XVII.

vierauszug versteht man die Wiedergabe des ganzen Werkes mit allen Gesangstimmen unter Zusammenfassung des Orchesters für Ciavier. Davon ist hier indess keine Hede, die Singstimmen fehlen ganz; es ist eine blosse, und sehr gute, Herrichtung der Musik für vier Hände. Also hatte ^Arrangement« statt »Clavier- auszug« auf dem Titel stehen müssen.

17. Nordische Sitte für Orchester von Agger Hamerik, Op. 22, arrangirt zu vier Hunden von Fr. Hermann. Leipzig, Breitkopf & Hartel. Pr. 4 ЛГ. Der Titel »Suite« soll besagen, dass der Autor sich nicht an die geschlosseneren Formen der Symphonie binden will. Man muss aber nicht eine Suite in älterer Weise erwarten, deshalb heisst das Stück 'Nordische Suite« und führt uns recht anmuthig vor, was und wie man im Norden spielt und tanzt. Ein »Brautmarsch« macht den Beschluss. Warum auch nicht?

18. Serenade, 8 Canons für Pianoforte von S.

Op. 35, arrangirt zu vier Händen von demselben. Leipzig, Breitkopf & Härtel. Pr. .// i. 50.

19. Balletmwlk, 6 Canons für Pianoforle zu vier Händen von 8. Jadassohu, Op. 58 ; arrangirt für zwei Piano- forte zu vier Händen von C. Reiaeeke. Leipzig, Breitkopf 4 Härtel. Pr. ЛГ 4. 75.

Canons sind einigermaassen die Domäne des Herrn Jadassohn ; er hängt dieser Form so sehr an , dass er in derselben selbst Ständchen- und Tanz-Musik verfertigt. Die Gewandtheit und Findigkeit des Componislen soll gern anerkannt werden ; aber Zopf ist es doch.

20. Fantasie für zwei Claviere von lai Brach, Op. 11, arrangirt für Pianoforte zu vier Händen von O. Rüsler, Leipzig, Breitkopf & Härtel. Рг. Л 3. 50.

Hier haben wir also einmal ein Beispiel der Verringerung, insofern ein Originalstück für zwei Claviere im Arrangement auf ein einziges herooter moderirt wird. Ob ein Bedürfniss dazu vorlag, das müssen diejenigen entscheiden, die es besser verstehen als wir.

81. Introduction uid Sehen« für grosses Orchester von J. L. Mrodr, Op. 11 ; arrangirt zu vier Händen von demselben. Leipzig, Breitkopf & Härtel. Pr. 3 .tí. Der Componist wendet grosse Mittel an, um seine Gedanken auszusprechen ; es will uns aber scheinen, dass Form und Inhalt sich nicht decken. Das Arrangement ist geschickt gemacht.

«l

82. tiTertare Nr. 2 zur Oper »König Georg«, coraponirt von 0. F. Ehrlieh, arrangirt zu vier Händen von demselben. Leipzig, Breitkopf d Härtel. Рг. Л 2. 50.

Wir kennen weder die Ouvertüre Numero Eins, noch überhaupt die Oper, zu welcher beide gehören, können also nur sagen, dass diese Nr. t ein Musikstück ist, welches sich sowohl durch Form wie durch Gedanken empfiehlt und nicht schwer zu spielen ist

23. Variationen iri hge über ein Händel'sches Thema far Pianoforte von J»h. Brahms, Op. 24 ; arrangirt zu vier Händen von Tb od. kirchirr. Leipzig, Breitkopf 4 Härtel. IV. 5 .«.

24. Variationen Über ein Händel'sches Thema von Rckert Yolknann, Op. 26 ; arrangirt zu vier Händen von Aig. H»n. Pressburg und Leipzig, G. Heckenast. Pr. .M 4. 50.

Hier sind zwei Opera , beide aus Variationen bestehend, deren Thema Händel entnommen ist. Die Verwandtschaft gebt noch weiter, da beide Componisten zu den bedeutendsten der Gegenwart gehören und manche Züge gemein haben. Es wäre also eine gute Gelegenheit, an obigen Variationen dies weiter auszuführen. Aber wir haben es hier nur mit dem vierbändigen Arrangement zu tbun, dessen blosse Anzeige genügen dürfte. Wenn die Variationen von Brahms in weitere Kreise dringen, als die von Volkmann, und sich länger in der Praxis erhallen sollten, so liegt die Ursache tbeilweis in der. Wahl des Themas. Volkmann bat Handel's »Ain aus der fünften Suite des ersten Tbeils der Ciavierstücke gewählt, ein Stück welches als »der harmonische Grobschmied« mit Händel's beigegebenen Variationen wellbekannt geworden ist. Wir halten es nicht nur für schwierig, sondern geradeswegs für unmöglich, die Händel'- scben Variationen zu verdrängen oder durch andere über dasselbe Motiv irgendwie vergessen zu machen , denn sie sind melodisch wie harmonisch reich, kindlich einfach und dennoch für den gewiegtesten Virtuosen nicht zu leicht, vereinigen also Vorzüge, die sich in dieser Art selten beisammen finden. Dagegen hat Brahms sich ein Thema ausgesucht, welches ihn von vorn herein in eine günstigere Position setzt. Dasselbe steht bei Händel in der zweiten Sammlung der Ciavierstücke ebenfalls als Variations-Moliv. Aber die fünf kleinen Variationen von Handel erschöpfen den Gehalt des schönen Themas so wenig, dase sie vielmehr zu dem Versuche reizen, ihnen etwas Eingehenderes an die Seite zu setzen. Jene kleinen Variationen waren niedergeschrieben zunächst als Uebungen für die königl. Prinzessinnen ; halte ein gewinnsüchtiger Musikverleger dieselben nicht gesammelt und mit anderen Stücken vereint als »zweites Buch der Suiten für Clavecin« publicirt, so würden sie in Händel's Zeit wohl überhaupt nicht im Druck erschienen sein, denn er hatte sie in dieser Form nicht zur Veröffentlichung bestimmt. Was Brahms nun an Variationen über das von ihm unbegleitet eingeführte Thema geschrieben hat, kann gleichsam als eine Ergänzung und Weilerfülirung der Händel'- scben Musik angesehen werden, und im selben Sinne macht eine Fuge passend den Beschluss. Die vortheilhafte Stellung von Brahms gegen Volkmann ist hieraus leicht zu ersehen.

Bei dieser Gelegenheit wollen wir noch einige

Originalcompositionen für vier Hunde und zwei Claviere

erwähnen, welche in jüngster Zeit die Presse verlassen haben. An die zulelzt genannten Variationen über Händel'sehe Themen schliessen sich passend an :

C«atrapinktlsrhe VariatUiei über eine Gavotte von Händel, für zwei Claviere componirt von Irnhard Scholl, Op. 5i. Breslau, .lui. Hainauer. (1882.) Pr. 4 A.

Heber eine Gavotte in A-dur sind hier neun Variationen gearbeitet, welche das Thema nach allen Seilen hin zu erschöpfen suchen. Der Componist hat wohl hauptsächlich deshalb zwei Instrumente in Anspruch genommen , weil dieselben ein Gewebe, welches die Stimme contrapunktisch verflochten zeigt, in einem viel höheren Maasse klarlegen können, als selbst die hurtigsten vier Hände auf einem einzelnen Ciavier. Wie der Autor in der Vorbemerkung angiebl, hängt auch die Wirkung mehrfach wesentlich davon ab, »dass einzelne Stimmen vor- und andere zurücktreten*. Bei zwei Ciavieren ist so elwus leicht zu bewerkstelligen. Da nun Composiliooen dieser Arl hauptsächlich für Musikschulen geeignet sind, wo mehrere Instrumente neben einander stehen , so scheint uns die Anlage für zwei Claviere dem künstlerischen Zwecke der vorliegenden Musik in jeder Hinsicht zu entsprechen. — An Händel-Variationen wird in der Folge wohl noch mehr auf den Markt kommen, denn seine Themen sind nicht nur bemerkenswert!) prägnant, sondern sehr oft auch von ihm selber nicht erschöpfend ausgebeutet; wenigstens dem Anscheine nach.

Cresset fUr zwei Claviere von C. libert I. l'arrv. Leipzig, Breilkopf & Härtel. (1882.) Pr. 5 Л.

Unter einem »grossen Duo« kann man sich mancherlei denken, und denkt meistens wohl an ein einsätziges Stück. Letzteres würde aber hier nicht zutreffen, denn Parry's Duo besteht aus drei Sülzen : Allegro enérgico — Andante tranquillo — Maestoso, in ein Allegro auslaufend — ist mithin so ziemlich, was man eine Sonate nennt. Warum der Autor sein Opus nicht auch Sonate genannt hat, ist uns verborgen geblieben. Das Werk ¡st recht reich gestalte! und gut gearbeitet vii'lf.irh mit dem Aufwand bedeutender Mittel zu Stande gebracht; doch nicht nur an solchen Stellen, sondern auch in einfacheren Gängen wirkungsvoll geschrieben. Die Contraste, welche die Anwendung von zwei Ciavieren ermöglicht, sind geschickt benutz'., und wäre nicht eine gewisse Unruhe im Tonwechsel vorherrschend , so würde die Gesammtwirkung noch grosser sein. Es ist aber im Ganzen doch ein Werk, welches sich sehen lassen kann. — Im Druck sind hier beide Claviere unter einander gesetzt, also nicht in besonderen Heflen publicirt. Diese Einrichtung hat grosse Vortheile, vertheuert allerdings die Musik.

Walter-Sitte für Pianoforte zu vier 11,im Im von blniund llhl, Op. 3. Leipzig, F. E. C. Leuckart. (1882.) In zwei Heflen 12 Nummern, das Heft 2 Л.

Die »Suiten« stecken den Zeitgenossen merkwürdig in den Gliedern ; hier erhallen wir sogar Walzer als Suite. Es ist ein Dutzend , welches Herr Uhl als Op. 3 pnhlicirt ; in früherer Zeit würden sie deshalb den Titel »12 Walzer« erhalten haben. Zeiten und Moden sind veränderlich , aber die musikalischen Grundanforderungen bleiben so ziemlich immer dieselben Beim Tanz gehört dahin hauptsächlich eine Modulation, welche die Tonarten in ihrem Verhältnisse zu einander klar und wirksam vorführt. Jedes Schwanken in dieser Hinsicht ist vom Uebel. Am Schluss des ersten Walzers trilt Г.-dur abrupt ein und wird durch G-dur verdunkelt. Doch ist dies eine Kleinigkeit. Weit mehr vergriffen ist Nr. 6, wo der in F-dur stehende Vordersatz in A-moll schliesst. Dies passt wie die Faust auf- Auge. Ebenso später der sonderbare Rückgang oder Rückfall nach F-dur. Man könnte dem Componislen leicht beweisen, dass derartige, vielleicht den Zigeunern abgelernte Marotten eine natürliche herzcrfreuende Melodie unmöglich machen. Ohne eine solche Melodie ist aber ein schöner Tanzsatz undenkbar.

VABESCO's L'Oca del Cairo,

nach der Originalhandschrift herausgegeben von Paul (¿ruf Waldersee.

Die Königl. Bibliothek zu Berlin besitzt Varesco's Textbuch zur L'Oca del Cairo, welches deshalb von besonderem Werthe ist, da es Mozart bei Composition der leider unvollendet gebliebenen Oper vorgelegen bat.

Das Buch zerlallt in drei Theile : der erste enthält die Dichtung des ersten Actes, der mittlere eine zweite durch Mozart veranlassle Bearbeitung, der letzte die prosaische Inhaltsangabe der Oper. Mo/an spricht seine Betheiligung an der Dichtung, sowie an der Uindichlung in den Briefen vom 7. Mai, 6., 40. und Î4. December 1783 deutlich aus. Er schreibt:

Wien 7. Mai 1783.

.... Mithin dächte ich, wenn nicht Varesco wegen der Münchner Oper noch böse ist, so könnte er mir ein neues Buch auf 7 Personen schreiben. Basla. Sie werden am besten wissen, ob dus zu machen wäre. — Er könnte unterdessen seine Gedanken hinschreiben und in Salzburg dann wollten wir sie zusammen ausarbeiten. Das Nolhwendigste dabei aber ist, recht komisch im Ganzen, und wenn es dann möglich wäre, zwei gleich gute Frauenzimmerrollen hinein zu bringen. Die eine müsste seria, die andere aber mezzo Caral- tere sein, aber an Güte müssten beide Rollen ganz gleich sein. Das drille Frauenzimmer kann aber ganz bull i sein, wie auch alle Männer, wenn es nöthig ¡st. Glauben Sie, dass mit dem Varesco was zu machen ist, so bitte ich Sie bald mit ihm zu sprechen. Sie müssen ihm aber nichts von dem sagen, dass ich im Juli selbst kommen werde, sonst arbeitet er nicht ; denn es wäre mir sehr Ueb, wenn ich noch in Wien etwas erhalten könnte. —

Wien 6. Dez. (783.

.... Es fehlen nur noch drei Arien, so ist der erste Act von meiner Opera fertig. Die Aria bufla, das Quartett und das Finale kann ich sagen , dass ich ganz vollkommen damit zufrieden bin und mich in der That darauf freue. Darum wäre mir leid, wenn ich eine solche Musik müssle umsonst gemacht hoben, das heisst, wenn nicht das geschieht was unumgänglich nölhig ist. Weder Sie noch der Abbate Varesco, noch ich haben die Reflexion gemacht dass es sehr übel lassen wird , ja die Opera wirklich fallen muss, wenn keine von den zwei Haupl- F-auenzimmer eher als bis auf den letzten Augenblick auf das Theater kommen, sondern immer in der Festung auf der Bastei oder Rempart heruinspazieren müssen. Einen Act durch traue ich den Zusehern noch so viel Geduld zu, aber den zweiten können sie unmöglich aushallen, das kann nicht sein. Diese Reflexion machte ich erst in Linz — und da ist kein ander Mittel, als man lässt ¡m zweiten Act etwelche Scenen in der Festung vorgehen —Camera délia fortezza. Man k;um die Scene machen, wie Don Pippo Befehle gibt die Gans ¡n die Festung zu bringen, dass dann das Zimmer in der Festung vorgestellt \\ird , worin Celidora und Lavina sind. Pantea kommt mit der Gans herein — Biondello schlüpft heraus — man hört Don Pippo kommen, Biondello ist nun wieder Gans. Da lässt sich nun ein gutes Quintett anbringen, welches desto komischer sein wird, weil die Gans auch mitsänge. — Uebrigens muss ich Ihnen sagen, dass ich über die ganze Ganshistorie nur deshalb nichts einzuwenden hatte, weil zwei Männer von mehr Einsicht ils ich sich nichts dagegen einfallen Hessen, und das sind Sie und Varesco.

Jetzt ist es aber noch Zeit auf andere Sachen zu denken. Bion- dello hat einmal versprochen, dass er in den Thurm hineinkommt ; wie er es nun anfangt, ob er durch eine gemachte Gans oder durch eine andere List hineinkommt, ist nun einerlei. Ich dächte, man könnte viel komischere und natürlichere Sachen vorbringen, wenn auch Biondello in Menschengestalt bliebe. Zum Beispiel könnte die Nachricht, dass sich Biomjello aus Verzweiflung dass es ihm nicht möglich wäre ¡n die Festung zu kommen den Wellen übergeben hätte, gleich am Anfange des zweiten Actes geschehn, er könnte sich dann als ein Turk oder was weiss ich verkleiden und Pantea als eine Sklavin (versteht sich als eine Mohrin) vorführen. Don Pippo ist Willens die Sklavin für seine Braut zu kaufen ; dadurch darf der Sklavenhändler und die Mohrin in die Festung um sich beschauen zu lassen. Dadurch hat Pantea Gelegenheit ihren Mann zu cujo- niren und ihm lausend Impertinenzen anzuthun, und bekommt eine bessere Holle ; denn je komischer die wälsche Oper ist, desto besser. — Nun bitte ich Sie dem Herrn Abbate Varesco meine Meinung recht begreiflich zu machen, und ich Hesse ihn bitten fleissig zu sein — ich habe auf die kurze Zeit geschwind genug gearbeitet. Ja, ich halle den'ganzen ersten Act fertig, wenn ich nicht noch in einigen Arien in den Wörtern Veränderungen brauchte, welches ich aber bitte ihm jetzt noch nicht zu sagen. —

Ich bitte den Varesco recht zu bereden und zu pressiren.—

(Wien) in. Dez. 1783.

Thun Sie Ihr Möglichstes, dass mein Buch gut ausfällt. Ich wollte wünschen, ich könnte die zwey Frauenzimmer auch im ersten Act, wenn sie die Arien singen , von der Bastey herabbringen, will ihnen gern erlauben, dass sie das ganze Finale oben singen.

Varesco ging auf die Wünsche Mozarl's ein und änderte mehrere Scenen. Diese Dmdichlung scheint Letzterem nicht genügt zu haben, da er schreibt:

Wien 24. Dez. 4783.

.... Herr Abbate Varesco hat zu der Cavatina der Lavina extra geschrieben : à cui servira la música della cavatina antecedente, — nemlich der Cavatina von der Celidora. — Das kann aber nicht sein. — Denn In der Cavatina der Celidora ist der Text sehr Irosl- und hoffnungsvoll, und in der Cavatina der Lavina ist er sehr trostreich und hoffnungsvoll. — Uebrigens ist auch das eine sehr ausgepeitschte und'nimmer gewöhnliche Mode, — dass ein Anderer dem Ändern sein Liedchen nachlallt. — Höchstens kann es so bei einer Soubrette mit ihrem Amanten nemlich bei den ultime parti gellen. — Meine Meinung wäre dass die Scene mil einem schönen Duett anfinge, welches mit dem nemlichen Text durch eine kleine Aggiunta für die Coda sehr gut angehen kann. — Nach dem Duetl folgt die Unterredung wie sonst : — e quando s' ode il Campanello della Custode, so wird Mademoiselle Lavina anstatt Celidora die Güte haben, sich wegzubegeben, damit Celidora als Prima Donna Gelegenheit hat eine schöne Bravour-Aria zu singen. — Auf diese Art dächte ich wäre es für den Compositeur, für die Sängerin und für die Zuschauer und Zuhörer besser, und die ganze Scene würde unfehlbar dadurch interessanter werden. Ferners würde man schwerlich die nemlich e Aria von der 2. Sängerin ertragen können, nachdem man sie von der ersten hat singen hören. — Nun weiss ich nicht wie Sie es beide mit nachfolgender Ordnung meinen. — Zu Ende der neu einge- schaltenen Scene der zwei Frauenzimmer im ersten Act schreibt Hr. Abbale: — siegue la scena VIH che prima era la VII, e cos'i cangiansi di mano in mano i numeri. — Nach dieser Beschreibung muss ich ganz wider Verhoffen vermuthen , dass die Scene nach dem Quartett, allwo beide Оопве eine nach der ändern ihr Liedchea am Fenster herabflogen, bleiben solle. — Das kann unmöglich sein. — Dadurch würde der Act nicht allein umsonst um nichts verengert, sondern sehr abgeschmackt. — Es war mir immer sehr lächerlich zu lesen : — Celidora : Tu qui m' allendi, arnica. Alla Custode farmi .filer vogl' io ; ci andrai tu piioi. Lavina : Si dolce arnica, addio. (Celidora parte.) Lavina singt ihre Aria. {Celidora kommt wieder und sagt): Eccomi, or vanne etc. und nun geht Lavina, und Celidora singt ihre Aria, — sie lösen einander ab, wie die Soldaten auf der Wacht. — Ferner ist es auch viel natürlicher dass, da sie im Quartett alle einig sind , ihren abgeredeten Anschlag auszuführen, die Männer sich fort machen um die dazugehörigen Leute aufzusuchen und die zwei Frauenzimmer ruhig sich in ihre Clausur begeben. Alles was man ihnen noch erlauben kann, sind ein paar Zeilen Recilativ. Doch ich glaube auch ganz sicher, dass es niemalen darauf angesehen war, dass die Scene bleiben soll, sondern dass es nur vergessen worden anzuzeigen, dass sie ausbleibt. — Auf ihren guten Einfall den Biondello in den Thurm zu bringen, bin ich sehr begierig; — wenn er nur komisch ist, wir wollen ihm gerne ein bischen Unnalürlichkeit erlauben.

Mozart's letzte den Text betreffende Aensserung.

Die Varesco'sche Handschrift folgt bier in wörtlichem Abdruck.

L'Oca del Cairo.

Dramma giocoso per Música.

Pertonaggi.

Don Pippo Márchese di Ripasecca innamorato dt Lavina, e cre-

dutosi vedovo di

Donna Fante» soltó nome di Sandra, sua Moglie. Oelidora loro única flglia destínala sposa al Conte Lionetto di

Casavuola, Amante di Biondello Gentiluomo ricco di Ripasecca. Oalandrino Ñipóte di Pantea, Amico di Biondello, ed Amante

corrisposto di

Larina Compagna di Celidora. Ohiohibio Mastro di Casa di Don Pippo, Amante di Auretta Cameriera di Donna Pantea.

Comparte. >

Perracohieri. Sartore. Oalzolajo. líarinaj con gente, cir approda. Oiarlatani. Popólo. Ooite di Don Pippo. Domestic! di Biondello

e di Calandrino. Boldatí Guardián! della Rocca. La Scena si finge io Ripasecca, Cilla marittima, Capitale del Marchosa to.

Alto Primo.

Scena I.

Camerone nel Palazzo del Márchese eoinune a tutta la ser- vilíi, con varié porte, per cui s' entra nelle anticamere. Vi si vedono lavóle, sedie, panche, livrée, vesli di Camera, ed altri vestiti appiccati alia muraglia.

Chichibio, Auretta, Servilori, e Serve, con altrettanti Per- rucchieri, da' quali si fanno tutti acconciare il capo all' ultima moda, e canlano il seguente

Coro. Tutti.

Gran Cueca f/na, gran bagordi. Fuora, fuora ventri ingordi ; Oggi s' ha ail empir il sacro; Che ¡a Reggia é qui di Boceo, Del tripudio, e del piacer.

Parte del Coro.

41 Sposino, al buon veccHietto ScoUi Amor il freddo pello. Mai d" Amici provi inopia, Goda in pace il cornucopia, Noi godrem nel suo goder.

Tutti.

Gran Cuccagna etc.

Finito il Coro, Chicbibio, ed ognuno de' Domestic! paga, e licenzia il suo Perrucchiere. Tutti parlono fuorcbè Auretta, cb' è ('ultima ad esser pettinata, e Cbichibio, che passeggiando in disparte osserva, ed ascolta il tullo.

Aurelia, Perrnccbiere e Chichibio in disparte.

Auretta. Sempre la piu gentile, e la più bella

È F ultima lervita. Ora vediamo. (si guarda nello specchio.)

SI, son contenta, eccovi un тема tcudo. Perrucchiere. Illustrissima . . . Aurelia. A me? . . (ridendoj

Perche non Eccellenta? Perrucchiere. Eccellenza, te vuol, giacch' è la moda,

Perdoni . . .

Aurelia. È forse poco?

Perrucchiere. Non già, vorrei toi dire . . . (limido.)

Che tervii per amor, che per lei moro. Aurelia. Quand' è coA . . . sentit e : anch' io v adoro.

Chicbibio. O che maneta falta 1 (date) Aurelia. Egli é pagato. (rimelte il denaro in tasca. II Per-

rucchiere parte consolato.)

Scena II. Calzolajo, Auretta, Chichibio in disparte.

Calzolajo. Ecco le tcarpettine. Aurelia. Ahimé.

Calzolajo. t'A« dice? Aurelia. Mi pajón streite.

Calzolajo. Но meco la mitura,

E te un tantin vi manca, il fed appunto

Perché disse, che suo/ calzare stretto.

Quetto non è difetto ; già la pelle

Si rilatcia ben presto. Aurelia. È ver. Or dite :

Quanta vi devo ? Calzolajo. Nulla, mia Signara;

Ui meraviglio.

Aurelia. Л'Л, ditemi puré.

Calzolajo. Giacché saper lo brama,

Scuti chi pena, ed ama :

Ardo per lei a' amare,

Battami un picciol nicchio in quel bel core. Auretta. Kon solo un picciol nicchio, ma un nicchiont.

lo vi ringrazio. j: о quanta sei minchionel :\

(da se. Il Calzolajo parte allegro.) Chichibio. Oh maledettal il ¡égala, la milia

Arder mi tenta . . . eccone un altro. (da <e{

Scena III. Sartore, Aurélia, Chichibio in disparte.

Auretta. 0 carol

Voi tiate il benvenuto, è 'I mio bustino ? Sartore. Eccolo mia Signara.

Aurelia. O bello, o bel; ma il taglio

Non é egli troppo lungo ? Sartore. Non son ire settimane,

Che venni da Parigi

Tutte le Parigine

Lo portano cosí.

Auretta. Dunque è la moda?

Sarlore. Anzi, Signara si.

Aurelia. Vediamo adesso il conto.

Sarlore. II conto è bell' e falto: un occhiatina,

L'n vezzo, un bel sorriso,

L'n po di sjieme . . . Aurelia. i: Oh che merlotto ! :\ intendo :

Voi siete tullo mió,

Sperate pur, ci rivedremo. Addio. (II Sartore parte giubilando.)

Duelto.*) Aurelia. Cosí si fa:

Due parolíne,

Quattr' occhiatine

Ci frultan piu,

Che non si crede,

E non s' awede

Chi amar non sa. (accenna Chichibio) Chichibio. Cosí si fa?

A civettine

Innocentine,

Come sei tu

Chi presta fede

Or ben si vede,

Ch' é un báñala. Auretta. Tu mi fai torta ;

Non son mai giunta

A offender te. Chichibio. Hit vedrai morto

Dal mal di punta,

Già crepo, ahimé! . . .

Non morir mia speme amata;

Gran pazzia sarebbe äffe.

Ah già Г alma è stivalata,

E rimedio più non c' é.

Al mió pianto cedi almeno, (piange)

Di ricotta ho U cor nel seno, (piange anch' egli.)

Dunque di.

Che vuoi da me?

Siamo amici.

Siamo amici. Siamo amanti. Siamo amanti.

tua lo son da capo a pie.

AuretU. Chichibio.

Aurelia.

Cbichibio.

Aurelia.

Cbichibio.

Aurelia.

Chichibio. Aurelia, a 2

a t

Non più smorfte, non più pianti, Vanne al Diavol gelosia, Sia ricetto I' alma mia Sol d'amor e sol di fe.

Calandrino.

Chichibio. Calandrioo. Aurelia. Chichibio.

Sceoa IV.

Calandrino e detti.

Sonó >' primi a spuntar in sul mattino La rosa e 'I gelsomino Cosí Auretta e Chichibio, £' í malandrína.

Auretta mia, Chichibio, rí laluto. Son serva sua. Buon giorno a noi Signan.

  • ) Mozart's Werke Serie ».Supplement No. 37, Seit« Г Leipzig, Breitkopf und Härlel.

Calandrino.

Cbichibio.

Aurelia. Calandrino.

Chichibio.

Ditemi, il Signar zio, di Kipasecca II ííarchese, Don Pippo, il dolce Sposo Per le cut nozze esulta il Mondo tutto, £ già si veste d' or il biondo Dio, Non peroneo lauda Le vedove sue piume? In quest' ora ha costume Di prima riscaldarle Con potenti sospir, e poi lasciarle. Sentiremo a momenti Lo svegliarin. Deh fatemi il piacere Caro Chichibio mió, ite a vedere, Se nuota ancor in Lele, oppur s' é desto. Questo lo posso far ; \:ma tomo presto :\ (da se) Se nuota ancor in letto ? ... o Sposo dolce 1 O pavera Lavina !

Se pesce tu ti fai, sarai Tonnina. (parle) (Fortsetzung folgt.)

Der Erste Evangelische Kirchengesang-Vereinstag

zu Stittgart am 8. und 4. October 1882.

Д. Wenn wir in diesen Blättern die Bestrebungen der Kirchengesang-Vereine für Südwesldeutschland, welche in Württemberg ihren Ausgangspunkt gewonnen und sich nunmehr über Württemberg, Baden, Hessen und die Pfalz erstrecken, einer näheren Erörterung unterziehen, so sehen wir uns hierzu nicht nur durch die Verhandlungen am t. October, sondern auch durch den in letzter Stunde vom Vorstand Geheimen Rath Dr. Hallwachs eingebrachten und ohne Debatte angenommenen Antrag veranlassl, welcher wie folgt lautet :

<) Im Interesse der Verbesserung und Förderung des deutschen evangelischen Kirchengesangs ist es dringend wünschenswert» , neben der forlgesetzten Anregung zur Gründung von weiteren evangelischen Kirchengesangs- Vereinen (Landesvereinen, Provinzialvercinen, Orlsver- einen) eine statutarisch geordnete Verbindung unter den sämmtlichen in Deulschland bereits besiehenden Vereinen herzustellen ;

t) der erste deutsch-evangelische Kirchengesangs-Vereinstag bescbliesst hiernach, zunächst eine aus dem Centralaus- schuss des evangelischen Kirchengesang-Vereins für Süd- wesldeulscbland bestehende Commission zu berufen, welche mit Ausarbeitung von Statuten des evangelischen Kirchengesang-Vereins für Deulschland beauftragt wird. Diese Commission bat das Recht der Cooplation. Dieselbe hat dabei thunlichst darauf Bedacht zu nehmen, dass Angehörige der sämmtlichen deutschen evangelischen Landeskirchen in ihr Vertretung finden. Der Entwurf der Commission isl dem zweilen evangelischen Vereinstag zur Beschlussfassung vorzulegen, der zu Anfang October 4 883 in Frankfurt a. M. zusammentreten soll. Wir werden weiter unten nachzuweisen suchen , dass die Stellung eines Antrags wie sub t, theils einer Ueberschälzung der vorhandenen Kräfte, theils einer Unterschälzung von Facturen , welche hier schliesslich auch ein Wort mit darein zu reden haben, entspringen konnle. Ehe wir jedoch auf die Sache näher eingehen, sei uns ein kurzer hislorischer Rückblick gestattet. [d dem kleinen hübsch gelegenen Städtchen Sulz am Neckar besteht seit längerer Zeit schon eine Stiftung der Jungfrau Bauder zu kirchenmusikalischen Zwecken, deren Zinsenertrag, welcher sich jährlich auf 80 bis 100 Gulden belief, auf einen Chor verwendet wurde, dessen Sänger bezahlt waren. Der Chor erhielt sich jedoch nicht lange, und die Zinsen wurden auf ein Thurmposaunenquarletl und für unentgeltliche Violinstunden begabter Schüler verwendet. Anfangs der siebziger Jahre kam Dr. Kösllin als Helfer nach Sulz, und da ihm die Leitung der Gesangübungen der Lehrer des Bezirks übertragen worden war, so übernahm er auch die Direction eines von ihm gegründeten freiwilligen gemischten Chors, welcher die Schüler beim kirchlichen Kunslgesang an den Festen unterstützte, bezw. mit denselben alternirte. Diese beiden Chöre vereinigte Kösllin erstmalig am S8. October (873 zu einer gemeinsamen kirchenmusikalischen Aufführung in der Kirche zu Sulz. Durch verschiedene liturgisch-musikalischenGoltesdienste und grössere Aufführungen wurde zunächst das Interesse der Geistlichen und Lehrer in weiteren Kreisen erregt, während das eigentliche Volk sich fern hielt und heute noch der Sache fern steht mag man uns da sagen was man will, und mit noch so grosser Zahlen aufmarscbiren. Mit der Zeit versuchte der Verein in Sulz eine Annäherung mit den in Calw und Nagold bestehenden Kirchengesangvereinen, und so kam am t I.September 1875 das erste evangelische Kirchengesangfest zu Stande , welchem im zl. Sepleuiber 1876 und 1877 solche zu Nagold und Calw folgten. Hierauf beantragte Kösllin in einem Sendschreiben die Gründung eines evangelischen Kirchengesangvereins für Württemberg. Der Erfolg desselben war insofern kein unbedeutender, als bei dem am 14. Juni 1878 in Maulbronn abgehaltenen Jahresfest S60 Sänger und Sängerinnen mitwirkten. Bis jetzt zählt der Verein 96 Einzelvereine mit ca. 1100 Mitgliedern.

Der Verein für Hessen verdankt sein Bestehen der Initiative des seit acht Jahren bestehenden Einzelvereios von Darmstadt, welcher von Gymnasiallehrer Dr. Bender, Consistorialralh Dr. Sail, Ministerialsecretär Ewald und Fräulein Schleiermacher gegründet worden war, zu welchen sieb später Geheime Ratli Dr. Hallwachs, der jetzige Präsident des südwesldeulschen Verbandes, gesellte. Das erste Kifchenconcert in Verbindung mit gleichstrebenden Vereinen fand zu Oppenheim am l 6. Juni l 878 statt, und der Erfolg ermunterte die Leiter zu einem Aufrufe an die evangelischen Geistlichen und Lehrer des Gross- herzogthums, in den einzelnen Gemeinden, wo irgend möglich, Kirchengesangvereine zu gründen und sich zt einem Landesverein für Hessen zusammenzuschliessen. Ein Jahr später zählte der hessische Landesverein bereits 16 Einzelvereiue mit 707 activen Mitgliedern und drei Chorschulen. Letzlere begrüssen wir als eine ebenso zweckmässige als praktische Einrichtung. Diese beiden Vereine, Württemberg und Hessen, haben auch eine gemeinschaftliche Chorsauimlung unter dem Titel ('.hm - gesätige zum gottesdienstlichen Gebrauch« bei Ebner in Stuttgart herausgegeben, »on welchen bis jetzt zwei Hefte erschienen sind.

Dem Beispiele Württembergs und Hessens folgend, trat auch in Baden am 39. M9rz 1880 zu Karlsruhe eine consti- 'tuirenäe Versammrung zusammen und stellte die Statuten des zu grumtenden Vereines fest. Bei dem ersten Jahresfesl zu Wiesbaden am 16. Juni 1881 war die Zahl det Vereine 44 mit etwa 1600 Mitgliedern ; heute sind е.т 61 Zweigvereine mit 3500 Mitgliedern. Vorstand ist Herr Hofprediger Helbing in Karlsruhe. Auch hier steht die Qualität der Leistungen, die wir ganz genau kennen, im entgegengesetzten Verhältnis!» zu den grossen paradirenden Zahlen.

Der jüngste der vier süddeutschen Landesvereine ist der Verein für die Pfalz, welcher am l. November 1880 gegründet

und durch Musikdireclor Lützel in Zweibrücken orgaoisin wurde; derselbe besteht beule aus 34 Vereinen mit 1411 Mitgliedern.

Die Anregung, diese vier Landesvereine zu einem grossed Ganzen unter dem Namen: Evangelischer Kirchengesang-Verein für Süd Westdeutschland zu verbinden, ging von Kösllin aus, und am 19. Mai (880 wurde ¡n Heidelberg, wohin von Hallwachs in Darmstadt die Delegirten der Landesvereine einberufen worden waren, ein diesbezüglicher Statutenenlwurf vorgelegt, der im Allgemeinen angenommen wurde; die definitive Constituirung des Vereins für Süd Westdeutschland fand am t I.September 1881 zu Bruch- sal statt.

Der erste Kircbengesang-Vereinslag in Stuttgart begann am 3. October mit einem liturgischen Gottesdienst in der Stiftskirche, welchem am folgenden Tage die Verhandlungen im Concerlsaale der Liederhalle folgten. Das Referat über »die nächsten Ziele und Aufgaben der Kirchengesang-Vereine« hatten Becker aus Darmstadt und Kösllin aus Stuttgart, und dasjenige über «die Einrichtung liturgischer Gottesdiensten Pfarrer Herold ausSchwabacn (Baiern) uDernommen. Das letztere Referat zeugte von gründlichem historischen Wissen und vollständiger Beherrschung des Gegenstandes; dasselbe inleressirt uns jedoch hier, wo wir uns mehr mit den Zwecken und Zielen der Kirchen- gesang-Vereine zu beschäftigen haben werden, weiter nicht.

Wir fragen nun zunächst, was wollen die Kirchengesang- Vereine? Herr Becker aus Darmstadt, welcher sich seiner Aufgabe in ebenso lichtvoller als gründlicher Weise entledigte, giebt uns die Antwort : Die Kirchengesang-Vereino wollen den Gottesdienst kunstvoller gestalten, indem sie der Musik die ihr gebührende Stellung im Gottesdienst verschallen. Wenn auch die Predigt der Mittelpunkt desselben sei, so dürfe man doch Kunst und Symbolik nicht ausschliessen. Die betreffenden Vereine haben sich nun die Aufgabe gestellt, zur Verschönerung des Gottesdienstes durch würdigen Chorgesang beizutragen, unJ die Landesvereine haben zu diesem Zweck die vorhandenen Gesangeskräfle zu sammeln und den Geschmack der Vereine durch Herausgabe von Musikheften und durch Veranstaltung von Gesangfeslen zu heben und zu (ordern. Helfer Köstlin aus Stuttgart drückte diesen Gedanken folgendermaassen aus : Die Kirchengesang-Vereine müssen vor Allem danach streben, dass der Kirchenchor, sozusagen das »verkörperte musikalische Gewissen der Gemeinde« (!), ein integrirendes Glied an dem Organismus der Kirche, der kunslmässige Chorgesang ein wesentliches Element des gotlesdienstlichen Lebens werde.

Wir sind nun weit davon entfernt, die idealen Bestrebungen derjenigen Miinncr, welche an der leitenden Spitze sieben, im geringsten verkennen zu wollen. Nur sind die Bestrebungen, den evangelischen Kirchengesang zu heben, nicht so elwas ganz Nagelneues, und die Annahme wäre ein grosser Irrlhum, d.iss die leitenden Führer zum ersten Male diese wichtigen Fragen auf die Tagesordnung gesetzt hätten. Schon Anfang und Mitte dieses Jahrhunderts haben Männer wie Nägeli, Sucher, Tucher, Herzog, Schöberlein, Faissl u. A. ihr Augenmerk der Hebung des Kirchengesangs zugewandt, indem sie theils durch Herausgabe von Churalbüchern, ibeils durch Sammlung vierstimmiger Gesänge, Gründung von Kirchenchören, überhaupt durch Wort und Schrift der Sache zu nützen suchten, und lunge ehe Kösllin den Württembergischen Kirchengesang-Verein ins Leben rief, bestanden an vielen Orten in ganz Deutschland Einzelvereine, welche sich die Pflege der Kirchenmusik zur Aufgabe gestellt hatten, wie z. B. u. A. der echlesische Verein zur Hebung der evangelischen Kirchenmusik. Mit diesen Bemerkungen soll jedoch den Verdiensien der neuen Vereinigung kein Abbruch geschehen, aber wir und viele Andere hegen sehr gegründete Zweifel, ob der Verein auf den Wegen, die er eingeschlagen liai, die Ziele, welche er erstreb^ jemals erreichen kann. Einen grossen Fehler begeht der Verein schon damit, dass er es zunächst auf einen vierstimmigen a capella-Gesang abgesehen hat. Wir wollen nicht im geringsten bestreiten, dass der a capella-Gesang, von einem tüchtig geschulten Chor ausgeführt, etwas ungemein Erhebendes und Erbauendes hat, aber nichts ist auch entsetzlicher als ein solcher Gesang von ungeübten und ungeschulten Stimmen. Es ist aber eine Art Modesache geworden, alles ohne Begleitung singen zu lassen, und der Verein für Württemberg hat sogar in neuester Zeit ein (übrigens mit grossem Fleiss ausgearbeitetes) Schülerheft mit lauter dreistimmig eingerichteten Chören von Componislen der letzten drei Jahrhunderte, ohne alle und jede Begleitung, herausgegeben. Es heisst aber wahrhaftig das Pferd am Schwanz aufzäumen, wenn man den Kirchengesang dadurch zu heben sucht, dass man in jedem Dorf und Städtchen Alles was stimmfähig ist, zu einem Chor vereinigt und demselben Leistungen zumuthet, die er niemals erfüllen kann. Hierzu kommt noch, dass die musikalische Bildung der meisten Dirigenten, welche sich in der Regel aus dem Schullehrerstande recrutiren, eine mangelhafte sein muss; sie müssen sich in kurzer Zeit so vielerlei Kenntnisse aneignen, dass man das Unmögliche verlangt, wenn sie nun auch noch im Kunstgesange und ¡n der ästhetischen Bildung sattelfest gein sollen. Derartige eingepaukte Chöre werden dann in einer Weise abgesungen, zum Theil auch abgeschrien, dass der schlechteste Gemeindegesang solchem sogenannten Kunstgesang vorzuziehen ist. Durch die grösseren Kirchen- gesangfeste, auf welchen die gegenseitige Selbstberäucherung ein wichtiges Element bildet, lassen wir uns keinen Sand in die Augen streuen. Hier sind es immer die einzelnen Chöre aus den grösseren Städten, welche musikalisches Leben in die Sache bringen und die Fehler und Mängel der übrigen zudecken. Wagt sich jedoch einmal ein solcher ländlicher Chor mit einer Sololeistung hervor, dann endigt dieselbe in der Regel mit einem Fiasco, wie z. B. im vorigen Jahre bei dem Kirchengesangfesle zu Wiesloch in Baden. Die Schwaben sind schlauer, sie lassen nur grössere und gut geleitete Vereine zu Soloproductionen zu, versäumen es jedoch bei keiner Gelegenheil, den guten Leuten über ihre schönen und ausgezeichneten Leistungen verbindliche Redensarten zu sagen und ihnen die goldene Perspective der Zukunft zu zeigen, da eine Concurren* z. B. mit dem Verein Гиг classische Kirchenmusik in Stuttgart nicht mehr ausgeschlossen sein dürfte. Dabei wird aber auf der ändern Seite immer und immer wieder versichert, dass der Verein keine Concerl- aufführungen beabsichtige, sondern rein liturgisch erbauliche Zwecke verfolge ; dann möge man aber auch bei dergleichen Gesangfeslen das Weihrauchfass zu Hause lassen.

Wir sagen hingegen : mil Gründung von Kirchengesang- chören allein wird den gesanglichen Uebelsländen in der evangelischen Kirche nicht abgeholfen, und wenn es auch ein ganz hübscher, obwohl kein ganz neuer Gedanke ist, die Schütze der vierstimmigen Kirchenmusik wo möglichst auch in die kleineren Gemeinden zu bringen, so líales bis zur Verwirklichung ilieses Gedankens noch seine guten Wege.

Aber dies ist ja nicht die einzige Aufgabe des Kirchengesang-Vereins. In nächsler Zeit, fülirl Herr Becker aus, haben sich die Vereine mit der Reform des Chorais zu beschäftigen. Der evangelische Choral ist verdorben durch Langsamkeit und Trägheit, er hat nicht mehr die ursprüngliche Frische und Freudigkeit u. s. w. Wie kann nun hier geholfen werden, fragt der Referent? Und die Antwort? Durch Einführung neuer Chora l buch er ; da aber die Einführung derselben Sache der Kirchenbehörden sei. so sollen die Kirchengesang-Verein e sich selbst ein solches zusammenstellen.

Wenn man derartiges liesl oder hört, so muss man über

den Referenten billig erstaunen. Weiss derselbe denn gar nicht, was in den lelzlen Decennien, wenigstens in Süddeutschland, in dieser Beziehung geschehen ist? Ist demselben gänzlich entgangen , welche Verdienste Württemberg und Bayern und in neuester Zeit Baden durch die Herausgabe vortrefflicher Choral- bûcher sich erworben haben? Dass der Choralgesang in der evangelischen Kirche zum Theil tief darnieder liegt, ist nicht zu bestreiten, und dass weder auf den Text, noch auf die kirchliche Festzeit irgend welche Rücksicht genommen wird — und hier trifft der Hauptvorwurf den Organisten — und ein Osterchoral möglichst noch schleppender als ein Cbarfreilags- lied gesungen wird, kann ebenfalls nicht geläugnet werden. Hier werden aber die Kirchengesang-Vereine nicht viel ausrichten können, doch hiervon später. 'Schluss folgt.)

Berichte.

Kopenhagen, 14. October.

(Ant. Ré«.) Die ConccrlsalsoD ist bereits im Gange. Selten fangt sie so früh bei uns an, weil die Concerlvereine Zeit haben müssen, sich auf ihre Aufführungen vorzubereiten , und ausländische Con- certgeber gewöhnlich erst später eintreffen. Eine Ausnahme habe ich indess zu verzeichnen, und diese stammt aus dem hohen Norden. Es kam nämlich von daher der norwegische Componist Johan Svendsen, welcher im grossen Saale dee Casino zwei Orchester- Concerte veranstaltete, in welchen nur Arbeiten seiner eigenen Composition vorgeführt wurden. Es waren dies seine beiden Symphonien (D-dur und B-durj, mehrere norwegische Rhapsodien (bearbeitete Volksmelodien), eine Phantasie (Romeo und Julie), «ine Legende, eine Humoreske (Carneval de Paris), nebet verschiedenen Gesangen (Lieder) u. s. w. Die Mehrzahl dieser Sachen zeugt von grosser Gewandtheit bezüglich der Form und der Instrumentation; die Motive sind theilweise interessant, dagegen nicht immer geschmackvoll. Am gelungensten scheint mir die zweite Symphonie (Op. 15; zu sein. Man fühlt hier, dass das Talent ihres Schöpfers zur Reife gelangt ist. Was Herr Svendsen zu sagen hat, bringt er auf seine eigentümliche Weise, die freilich mitunter etwas Barockes an sich hat. Der Fluss ist aber immer da und entschädigt ftir manche Sonderlichkeit. Als Orchesterdirigent nimmt Svendsen einen hohen Rang ein, auch war die Ausführung der genannten Musikwerke, die der Concertgeber selbst leitete und zwar immer ohne die Partitur vor sich zu haben , eine so excellente, wie sie hier zu leisten ist. — Wohl ungefähr acht Tage früher gab der geschickte Organist Nebelong ein sehr besuchtes Concert in der Johannes- Kirche. Nebelong ist einer der besten hiesigen Orgelspieler, und man kann sich nur darüber wundern, dass es ihm noch nicht gelungen ist, eine einträgliche Stelle als Organist an irgend einer unserer Hauptkirchen zu erhalten. — Auch in den Provinzen oder vielmehr in den Hauptstädten derselben haben die Winter-Concerle begonnen; ei.ie kleine Concerlgesellschaft, mit dem Pianisten A n to n Ho r t v i gso n an der Spitze, bereiste die jütlgndischen und seelttn- dischen grösseren (gross sind sie eben alle nicht Studie und erntete Überall reichen Beifall.

In unserer Theaterwelt ist ein besonderes Ereigniss vorgefallen. Es wurde nämlich eine grosse neue Oper (»Colomba«) aufgeführt, die sowohl In Betreff des Librettos als der Musik von hiesigen Autoren verfassl ist. Die Musik schrieb ein junger Mann Namens Grand- jcan, der sich im Buhnengenre als nicht unbedeutend erwiesen hat. Das neue Werk, welches ich nnoh nicht Gelegenheit halle zu hören, scheinl ganz gut gefallen zu haben. — Uebrigens wird hier die Wiederaufführung der »Stummem vorbereilet. Die Aufführung hat besonderes Interesse dadurch, dass die treffliche Schauspielerin Frau Hennings die Titelrolle geben wird.

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\ liiü'altr, fcorrffcft, n.nten9a.ffieiífit

^Ч\ Oer Klafftfír unb mobetnen ZHeijler ber 2TIuftf.

Dit in rocmgtn 3abrfti anf eine n>ertl)D00e Sibliotbcf con 500 BJuben tierangeœadjfene îlnsgabe entrait Ъм f^anptroerfe ber Kljffifír an Jnftrnmrn- tal- nnb Dofalmnjtf, foroie eine reidje IDaljl oon tuerfen angefeV«' motiern« Komponifien. Don ben in ber Sammlung vertretenen ZTatnen feien genannt:

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Musikalische Zeitung.

Verantwortlicher Rédacteur: Friedrich Cbrysander.

Leipzig, 8, November 1882.

Nr. 45.

ХУЛ. Jahrgang.

Inhalt: Composition«!! von Richard Heoberger. Op. 4—45. — Compositionen von P. Tschmkowsky. (Op. 17, it, 40 und 81.) — Varesco's L'Oca del Cairo. (Fortsetzung.) — Der Erste Evangelische Kirchengesaog-Vereínslag zu Stuttgart am S. und t. October 488Î. (Schluss.) — Berichte (Leipzig). — Anzeiger.

Compositionen von Richard Henberger. Op. l —15.

Richard Heuberger, geb. 4850 in Graz, ging, soviel wir in Erfahrung bringen konnten, erst Mitte der Siebenziger Jahre vollständig zur Tonkunst über, nachdem er sich zuvor dem In- genieurfach gewidmet, iodess als Knabe schon tüchtigen musikalischen Unterricht in seiner Heimath genossen halte. Er bekleidet gegenwärtig die Rolle eines Chormeisters bei dem unter R. Weinwurm's Direction stehenden Akademischen Gesangverein zu Wien und leitet daneben die Wiener Singakademie, welche Ende der Dreissiger Jahre ins Leben gerufen wurde. — Die Tondichtungen Heuberger's sind mit Ausnahme zweier Orchesterwerke sammt und sonders Vocalcompositionen. Was sofort günstig für sie einnimmt, ist ihre sinnliche Frische, das vollsaftige Leben, dag in ihnen pulsirt, der heitere Farbenglanz, der darüber ausgegossen ist. Heuberger ist in all diesen Beziehungen ein echtes Kind Oeslerreichs, voll fröhlicher Da- seinlnsts, voll harmlosen Humors. Tiefgehende Reflexion, Versenkung in ernste Stimmungen, strenge Selbstkritik sind seine Sache nicht. Mil jenem naiv sichern Schönheitssinn begabt, der seine Landsleute auszeichnet, dabei von leicht entzündlicher Phantasie , assimilirt er sich nur solche Stoffe, die ihm von vornherein in gefalliger Form entgegentreten und die eine realistische Behandlung, einen kecken Farbenauftrag nicht blos zulassen, sondern bis zu einem gewissen Grad fordern. Daher des Componisten Vorliebe für die Dichtungen von Jul. Wolff, in dessen wohllautenden Strophen sich Grazie mit üppiger Lebenskraft vereint, daher auch seine Vorliebe für das Volkslied, sowohl das deutsche mit seiner Mischung von Humor und Sentimentalität als insbesondere das südländische mit seinem Formzauber und seiner Schalkhaftigkeit ; daher endlich seine Vorliebe für die Tanzform, auf deren Rhythmen sich das sinnenfreudige Behagen des Oesterreicbers so gerne wiegt l

Wir fassen zunächst die Chorcompositionen ins Auge, die nicht blos am zahlreichsten sind, sondern in denen sich Henberger auch am meisten heimisch fühlt, am meisten Formgeschick wie originelle Lebendigkeit entfaltet, während ihm der Einzelgesang durchschnittlich weniger gelingt.

Gleich in Op. l ,,S»BBiTB»rcfn", Gedicht von Job. Georg Fischer, für gemischten Chor mit vierhändiger Clavierbeglei- tung, giebt uns Heuberger ein stimmungsvolles, klangschönes Werk. Nach einem längern Vorspiel, welches das träumerische Weben der Sommernacht charakterisirt, treten zunächst Sopran und Alt, dann sämmtlicbe Stimmen ein, den Schauer zu schildern, wie er dem Anbrach des Tages vorangebt. Auch weiter- XVII.

bin alterniren die Frauen- mit den Männerstimmen, bis sie sich mit dem »ersten Hauch der Sonnen« abermals vereinigen und der Chorklaog mächtiger anschwillt. Besonders zart ist dann der Abschnitt »Gestern mit der Abendluft« etc. gehalten, an den sich ein zum glanzvollen Fortissimo gesteigerter С dur-Satz an- schliessl. Der letzte Theil steht wieder in der Grundtonart Et und zeigt breite und schwunghafte Behandlung. Durch Hinzufügung eines Solosoprans und Theilung der Stimmen gewinnt Heuberger mehrfach Fünfstimmigkeit und eine Pracht des Klanges, welche dem blendenden Glanz der dichterischen Morgenschilderung entspricht.

Noch mehr in seinem Element befindet sich Heuberger in seinem Op. в „Llebeuplel" in Walzerform für gemischten Chor mit Clavierbegleitung. Das Werk lehnt sich formell, wie schon der Titel andeutet, an die Liebeslieder-Walzer von Brahms an, mit dem Unterschied freilich, dass bei Heuberger das Accompagnement nur zweihändig und bei weitem nicht so reich und selbständig aufgeführt ist wie bei Brahms, während umgekehrt die bei letzterm blos »ad libitum« beigefügten und als Solo- quartetl gedachten Singstimmen hier den Schwerpunkt des Ganzen bilden nnd dem Chorsatz entsprechend in breitem Klange dahinziehen. Die Texte der Lieder, melche musikalisch ein zusammenhängendes Ganzes bilden, bat Heuberger hauptsächlich aus italienischen Volksliedern sinnig zusammengestellt. Das Werk beginnt mit einem »zum Anfang« betitelten Einleitungssatz , dem Bodenstedl's Mirza-Scbatfy-Verse zu Grunde liegen :

»Sprich nicht von Zeit, sprich nicht von Raum l

Denn Raum und Zeit sind nur ein Traum,

Bin schwerer Traum, den blos verglsst,

Wer durch die Liebe selig ist.«

Der kurze, edel declamirte Salz wendet sich von Cis-moll nach Cis-dur, wobei besonders die am Schluss getheillen Tenorstimmen wirkungsvoll geführt sind. Es folgt, die Tänze selbst eröffnend , im graziösen Walzerrhythmus ein Duett : «Steh auf, mein susses Lieb«, das zwei Bul u tenure vortragen. Mit diesem zarten Gebilde, welches in seiner keuschen Zurückhaltung unwillkürlich an Brahms erinnert, conlrastirt Nr. t, ein Zwiegespräch der Cborbässe und Tenure, in welchem entere mit den Worten eines italienischen Volksliedes die letzteren verspotten, weil sie vergeblich das Haus des geliebten Mädchens umkreisen , während die Tenöre schnippisch antworten : Sie hätten ihre Sohlen nicht bei den Spöttern bestellt nnd könnten schlendern, wo es ihnen behage. Der halb neckische, halb streitsüchtige Ton des Gedichtes ist in diesem F moll-Sat/, mit dramatischer Lebendigkeit wiedergegeben, die coquett an-

45

mulhige Hallung der Tenure besonders hübsch getroffen. In der zart sinnigen Nr. 3 bringt Heuberger einen Solosopran mit einem pianissimo ertönenden Chor ¡n Verbindung, während die Nummern 4, 5 und 6 vierslimmige Chorsälze sind. Von der humoristisch-kecken Nr. 5 heben sich die beiden anderen durch ihr ruhigeres, melancholisch angehauchtes Gepräge schön ab. In Nr. 7, einem Esdur-Satz voll Wohllaut, treten die Frauenstimmen, zwei Soprane und ein Alt, den Männerstimmen, zwei Tenören und zwei Bässen, wiederum in Gesprächsform gegenüber, bis sie sich zuletzt, gleich den vom Trennungsschmerz befreiten Liebenden vereinigen. Den Schluss des Heftes bilden die Verse aus Goethe's Venelianischen Epigrammen »0 wie achtel' ich sonst auf alle Zeilen des Jahres!» Das Tonstück (Dès-dur 3/4j ist warm und innig gehalten. Indem der Corapo- nist den Gesang zunächst von gelheilten Tenören und Bässen vortragen und die Frauenstimmen erst im Verlauf eintreten lässl, gewinnt er auch hier eine Steigerung der Dynamik wie der Klangfarben, welche die Schlussworte «ewiger Frühling« strahlend hervorhebt. — Von gemischten Chorcompositionen haben wir noch das A capella-Lied : „El steht eine Lind' Im tiefen Thal" Op. 14 zu erwähnen. Die wehmiithige Stimmung, die durch die volkstümlichen Strophen K. L. Pfau's webl, gelangt darin zu ebenso schlichten wie warm empfundenem Ausdruck.

Zahlreicher und kecker gehalten sind Heuberger's Männerchöre. In Op. 2 behandelt er Has Lied fahrender .vhuler »Durch die Well mit Sang und Klang« aus Wulffs »Rattenfänger von Hameln« für Chor und Orchester. Die Composition ist dem Wiener Akademischen Gesangverein zugeeignet und muss, von jugendfrischen Stimmen mit burschikosem Humor vorgetragen, zündend wirken. Im marschmässigen Vierviertel-Rhythmus gehalten und durchwegs von energischem Zug führt uns das Lied die riitnmersallen und doch wohlgemuthen Scholaren unmittelbar vors Auge. Den realistischen aber das künstlerische Maass nirgends verletzenden Ton mag der auch musikalisch festgehaltene Refrain illustriren :

Teñiré.

Biisie.

..j-^—j f¡_A-.

ШШ

Ril - lus, Ral - lus

Pril - Ins, Pr*i - Ins,

Hierhin-ctn und da hin-aus! schlagt, schlagt,

Ü

^4=фЗ!^Е££г5Щ=

schlagt dem Kass den Bö - den aus.

Der Orcbesterpartilur ist ein Pianoforte-Arrangement beigegeben, dessen breiter Satz zwar das reichabgestufle Colorit der Orchester-Instrumente nicht ersetzen, indess wo letztere fehlen, recht gut verwendet werden kann.

Schlichter als der Schülergesang giebt sich das formell ähnlich gegliederte liodwrrksbmcheilled Op. 8, das wiederum ein Gedicht von Jul. Wolff und zwar aus dessen »Till Eulenspiegel rediviviisi behandelt. Es ¡st ein behaglich inarsch- mässiges Tonstück, in welchem Heuberger den Volksion glücklich getrnUen hat. Auch das biedermännisch selbslbewussle der »flotten Leule» wie die deutsche Neigung zur Sentimentalität sind, letztere in dem Abschnitt »Mädel, es ist Kirmess heut«, ersteres durch die charakteristische Behandlung der Worte»Handwerksbursch steht seinen Mann« hübsch angedeutet. Die Clavierbegleilung schmiegt .sich eng der volkstümlichen Weise an und schliesst mit einem Nachspiel, das den Eflfecl des in der Kerne Verklingens imitirt.

Die vier A capella-lälierehire Op. 8 behandeln einfache, zum Theil volkslhiimlich angehauchte Lieder, deren Etnpfin- dungsgchall in der Musik harmonisch aufgeht. Verhältniss- mässig am complicirteslen und gerade deshalb am wenigsten befriedigend erscheint Nr. ^ »Herr Schmied, Herr Schmied, beschlagt mir mein Rösslcin«, Gedicht von Etn. Geibel. Das Lied ist durchcomponirl und beginnt sehr frisch. Auch die siechenden Altjungfernzungen , wie das Gänsegeschnalter der Gevatterinnen werden mil Humor charaklerisirl : allein über dem Bestreben, jedes dichterische Bild zu möglichst getreuer Darstellung zu bringen, verliert der Componisl die Einheit des Grundlons und die formelle Geschlossenheil. Aus diesem Grunde ziehen wir die zweite Nummer »Es fliegt manch Vögelein in das Nesl«, ein Slrophenlied von schlichler volkstümlicher Haltung vor. Der abschliessende Refrain »Geh du nur immer hin«, ist hier besonders keck hingeworfen, aber auch das im - nischeNicken bei dem »VielGlück zum reichen Mann '.« drastisch wiedergegeben. — Auf dem Gebiete sentimental-lyrischer Stimmung bewegt sich das drille Lied »Komm, o Nacht, und nimm mich bin l« von J. Sturm. Heuberger verwende) hier drei Bässe und gewinnt durch die Fünfstimmigkeil wie die Gesdur-Tonart und den langsamen 3/4 -Rhythmus geeignete Mittel zu breitem Ausströmen jener elegischen Klage, die aus den Strophen tönt. Die Stimmen werden dabei freilich fast unnatürlich weil, vom hohen As bis ins liefe E auseinander gerissen, und die Melodie entbehrt jenes natürlich schönen ('"lusses, den wir sonst bei Heuberger besonders schätzen. Auch bei dem Ständchen Nr. k scheinen uns die complicirten Mittel, die der Componist dafür verwendet, mit dem schlichten Lied nicht im richtigen Verhältnis» zu stehen. Zum Chor tritt hier nämlich noch ein Soloquartelt, dessen erster Tenor am Schluss bis ins hohe С hinaufsteigt. Wo vorzügliche Stimmen zur Verfügung sieben, mag das duftig zarte Tonstück, dem eine Wales'sche Volksmelodie zu Grunde liegt, freilich bestrickend genug klingen. — Durch noble Stimmführung und wohllaulvollen Satz fesseln die beiden dem Grazer Akademischen Gesangverein gewidmeten Männerchöre Op. <0. Das erste Lied, Ludwig Pfau's »Fahrender Musikant« (»Das Waldhorn an der Seile«] drückt in seinem behaglichen Dahinschreiten mit den weilschallenden Harmonien die Wanderslimmung glücklich aus. In dem zweiten Herbst«, nach Strophen von Baumbach und Widmann, spielt der erste Bass die Hauptrolle. Erst bei der letzten Strophe übernehmen die Tenöre die Melodie. Die Amoll-Weise, durch die ein Hauch herbstlicher Melancholie gehl, verklingt tröstlich leise in A-dur.

Noch haben wir zwei Arrangements für Männerstimmen zu erwähnen, die keine besondere Opuszahlen tragen. Wir meinen das humoristische Lied : »Ein luslig Zechen« von Jul. WolfT, welches Heuberger nach Nr. 5 seiner eigenen Sololieder Op. 9 für Männerstimmen und Orchester bearbeitet hal, und die Deutschen Tänze von Franz Schubert, die von ihm fürChor, Tenorsolo und Orchester eingerichtet worden sind und zu denen er die hübschen Textworle selbst geschrieben zu haben scheint. Das Arrangement muss hier wie dort als ein glückliches bezeichnet werden. Namentlich den Schubert'schen Walzern verleiht dasselbe eine sinnliche Kraft und einen Farbenreichlhuin, der ihre thaufrischen Melodien in doppeltem Glanz aufleuchten liisst.

(Schluss folgt.)

Compositionen von F. Tschalkowsky.

Dieser national russische, doch zum Tlieil auch an deul- schen .Muslern gebildete Coiuponist ist seit seinem ersten Auftreten von unseren musikalischen Kreisen beachtet, und die l hi'iln iliiiir für ihn hat sich bis heule erhallen. Wir machen hier deshalb auf einige seiner neueren Producle aufmerksam:

Op. 37. Ble Jahmielten. Zwölf charakteristische Bilder für das Pianoforte. Berlin, Ad. Fürstner. 4 Hefte,

¿i U.

Op. 39. Juxi-niMlhum. Sammlung leichter Clavicrstückc für Kinder) nach Robert Schumann. Berlin, Ad. Fürstner. 24 Stücke ¡n 3 Heften.

Op. 40. réélu pour Piano. 12 Nummern in 12 Heften.

Berlin, Ad. Fürstner.

Als Op. 38 ist dabei vom Verleger noch angezeigt eine Sonate für Clavier, welche aber wohl erst nachträglich erschienen und uns bisher noch nicht zugegangen ist.

Die ч Jahreszeiten" bestehen aus vier Heften von je drei Stücken, die mit dem Winter oder vielmehr mit dem Jahr beginnen und schliessen : Am Kamin, im Carneval , Lied der Lerche; Schneeglöckchen, ¡m Mai, Barcarolle; Lied des Schnitters, Ernte, Jagd1; Herbstlied, im Dreigespann, Weihnachten. Die Mannigfaltigkeil der Stimmungen, welche diese Ueberschrif- ten andeuten , sind in den einzelnen Stücken mit mehr oder weniger Glück, aber fast überall ansprechend und anmuthig ausgedrückt. Die Stücke bereiten dem Spieler keine Schwierigkeiten, was ihre Verbreitung wesentlich fordern dürfte. Das Lied der Lerche giebl der Componist uns zweimal zum Besten, hier im anbrechenden Frühling inG-moll, und im Jugendalbum Nr. 22 in G-dur. Man wird beide Versionen mit Vergnügen spielen.

Die fi Morceaux sind auf dem Titel ausdrücklich als von mittlerer Schwierigkeit der Ausführung bezeichnet. Es ist eine ähnliche Reihe wie die Jahreszeilen und von derselben Mannigfaltigkeit. Einige Stücke wie der «russische Tanz« Nr. l 0 sind in ihrer Originalität besonders bedeutsam. Die < 2 Stücke von denen das dritte 60 3jt kostet, die übrigen \ Jf noliri sind) haben folgende Titel: Elude — Chanson triste — Marche funèbre — Mazurka (C-dur) — Mazurka (D-dur) — Chant sans paroles — au Village — Valse (As-dur' — Valse (Pis- dur) — Danse russe — Scherzo — Rêverie interrompue. Diejenigen Slücke, in denen nationale Weisen und Stimmungen anklingen , heben sich aus dem Uebrigen um so mehr hervor, weil es die ausgesprochene Tendenz unseres Componisten igt, das russische Element auch ¡n der Musik zur Gellung zu bringen. Die Schwierigkeilen , welche auf solcher Grundlage der Gestaltung namentlich grösserer Tonwerke entgegenstehen, sind sehr bedeutend und zum Theii unüberwindlich ; aber es würde uns zu weit führen , hier eingehend darüber zu reden Unten werden wir noch ein Beispiel davon angeben.

Das Jugend-Album enthält in drei Heften (à l Л 80 3fr\ 24 Kindersliicke in der Manier oder nach dem Vorgänge Schumann's, und Herr 0. Lessmann hat Fingersatz beigeschrieben, um die Musik den Kleinen und ihren Lehrern noch mund

gerechter zu machen. Die Ueberschriften bieten ein bunles Allerlei, auch Melodie-Stücklein verschiedener Nationen sind eingestreut. Mehr ist darüber eigentlich nicht zu sagen. Manches ist hübsch , Anderes recht trivial, und über den geringen nusikalischen wie pädagogischen Werlh derartiger Compo- sitiönchen haben wir uns schon wiederholt ausgesprochen.

Zum Schluss sei noch eine etwas ältere (.(imposition angemerkt, welche allerdings nur im Arrangement vorliegt:

Op. 32. Crucetca da Rimini, Fantaisie pour Orchestre. Berlin , Bote & Bock. Arrangement a 4 mains. Preis 10 Л.

Das vierh'ándige Arrangement ist von dem in Kussland lebenden Ciavierspieler K. Klindworlh. Bei Werken in grossen Formen ¡st der russische wie mancher andere ausländische Componist deshalb besonders benachtheilt, weil seine nationale Tonleiter nicht genügend ausgebildet wurde. Sowohl Melodie wie Harmonie bleiben dadurch unreif. Und hieraus ist die auffallende Thalsache zu erklären, dass solche Componisten sich mit deutschen zukünfllerischen Bestrebungen eng berühren, denn Gleich und gleich gesellt sich gern. Man muss sich dann allerdings auch nicht wundern, wenn die musikalischen Resultate nur geringfügig sind.

VARESCO's L'Oca del Cairo,

nach der Originalhandschrift herausgegeben von Faul tiraf Waiden««.

Calandrino.

Aurelia.

Calandrino.

Aurelia. Calandrino.

Aurella. Calandrino.

Aurelia. Calandrino.

L'Oca del Cairo. Dramma giocoso per Música.

(Fortsetzung.)

Scena V.

Auretta e Calandrinn. Auretta nii,i vezsosa, Ditemi in confidenza, Come stiamo <t Amanti? Oh, lei fflt burla ; Di quest» bruttn ceffo \issuno i' innamora, al sol l'hichibio II brutto piace. In qucsto ei non e stolto ; Voi mi piacete motto, Bellissimn voi fiele ; Ma, gli tiete fedele? E come. Ed egli

Serbam fedeltà? non è geloto? All' eccesso. E st mai

In fusta positura ei ci trovaste? l'abbraccia) ил i/um.

Aria. Per esempio, s" to dictai :

Bella Auretta

Veaosetta,

Fortunata vi vorrei, Non c' e mal da far procesti;

Se v'abbraccio,

Sol lo faccio

Per dir cío, che bramerei ; lia poi, se ni' accorgessi,

Che ¡/iá montasse in bestia,

Con tulla la modestia Discorso cangerei. Aurelia. OA me meschina! ei viene,

E ci ha veduti.

Calandrino. Non vi scomponete, Restiam cosí.

Scena VI.

Chichibio e detti. (fingono non vederlo, Chichibio s'awanza pian- piano escoltando)

Calandrino. Con »íovono «treMi,

Come Dafne ed Apollo I ser,iplicetti Amanti, e Fuña e Г altro Al vedermi rimase a chiuso labbro Tinto il volto di rose e di cinabro.

Aria. *) Aurelia. Se fosse qui natcoso

Quell' Argo mio gelosa, Oh poverina me ! Direbbe: o maledetta! Pettegola, fraschetta, La fedeltà dov' é? Pur sono innocente; Se fosse presente, Direbbe tra te : Oh qui non é pericote ; Un caso sí ridiculo Goder si deve affè. Chichibio. 1'м caso sí ridicolo (nccostandoíi)

Goder si deve affè. Buon pro' Signori. Aurelia. Hidi, oh ridi Chichibio.

Calandrino. £cco la sema,

Che vidi poco fà Ira Lisa e Tirsi. Cbichibio. Bella sarà, ma ridere non posso. Calandrino. Dorme Don Pippo? Cbichibio. .l/i. ene ha il Demonio addosso. Aurelia. Dimmi, che mai è stato?

Calandrino. A lui andaste? Chichibio. Ah non ci fossi ándalo. Aurelia. Entrasti?

Chichibio. Entrai

Ptanpian allorché inte.fi Lamentevole voce Di dolente usignuol. Calandrino. £ che diceva? Chichibio. Vieni ¡meneo! Aurelia. E tu?

Chichibio. Eccomi, dissi. Calandrino. Ed egli?

Chichibio. A me pazzo, ignorante? ad un par mio? . . . Ne molto vi manco, che tutto tutto Non mi versasse in capo II vaso di Pandora ; onde so dim. Ch' egli é pur íroppo desto, (s' ode il campanello

c'i Don Pippo)

Aurélia. Il segno é questo,

Che vuol vestirsi.

Calandrioo. lo me ne vado. A lui Verra frappoco, addio.

\: In traccia voglio andar dell' Idol mio :\ (parte) Chicbibio. Vanne Xureíía fedele, (con ironie)

E tu со' vezzi tuoi Lo calma.

) Mozart's Werke Serieî*. SupplementNr. 87, Seite 5. Leipzig, Breitkopf & Ил IH.

AuretU. E tu non vieni?

Cbichibio. /o ferró pot. (Auretta parte)

Aria.») Chichibio. Ос/ni momento

Dicon le Donne

Siamo colonne

Di fedeltà. Ma picciol vento

D'un cincinnato,

Inzibettato

Coder le fa. Non dico délie brutte ;

Son sodé i/u«s> tutte,

Se vento non ci va. Delle belle

Vanarelle

lo non parlo ; già si sa,

Già si vede

Che la fede

Nelle belle è rarità. (parte)

aceña VII.

Apparlamenlo di Don Pippo.

Don Pippo in vesle di Camera, poi Aurelia, indi Chichibio. Don Pippo. 0 i itizzo, o paao. o pazzo,

Pazzissimo Biondello l il oiorno é questo

Che resterai scornato,

Spolpato, spennacchiato. Un anno infiero

Non ti basta di tempo

Per ficcar quel tuo naso nella Rocca,

E conseguir mia Figlia? oh quanta meglio

Direbbe il motto su quel tuo portons,

Che sí erudito par, e sí focando :

II più pazzo di me non vide il Mondo. Aurelia. Eccellenza, buon giorno. Don Pippo. O mia tlilettu,

O melliflua Auretta ! Aurelia. Che comanda?

Don Pippo. Tu sei la mia Didone,

E dopo le mié nozte, immantinente

Esser vogl' io Enea, il tuo servente. Aurelia. Capperil questa sí saria fortuna;

Don Pippo. Л/ci Chichibio che fa? Aurelia. Batte la luna.

Don Pippo. £ reo in erimen ¡ese : ¡narc.a U ciglio . . .

Sognai . . .

Aurelia. Foree le nozze? Don Pippo. Appunto. Cuerea,

Le Grazie e gli Amoretti

All' Eccellema mia

Festeggiavano intomo.

Era tul far del giorno e mentre andavo

In dolce visibilio, il maledetto

Destommi, e mi trouai tolo nd ¡etto. Aurelia. Chichibio non ne ha colpa; ei non sapea . . .

Don Pippo. Sara cosí, se tu ¡o did; adunque,

Pastotissima Auretta,

In gratia tua, e già, che Sposo io sonó,

Venga, mi baci il lembo, e gli perdono, (ассеппа

il lembo délia veste.) Aurella. Eccolo qui. Don Pippo. Chichibio,

{fuello, ch' è stato, é stato. Ora m'udite,

E tutti i cenni miei fidi eseguite.

) A. a. 0. Seile 7.

Don Pippo :

AurctlH. Don Pippo. Chicbibio. Don Pippo.

Aurelia. Cliichibio. Don Pippo.

Aria.»,

Siono prontc alle gran nozze Cento e trenta sei carrozze. Da Ippogrifi sian tírate, Che i più lesti son di pie. AlC Ariosto domándote

La lor stalla ornai dov' è. Le camiscie a centinaja,

Calze e scarpe cento paja, Le Perrucche di Strigonia Siano in punto trentatrè. Già verrón da Babilonia

Coi pennacchi i miei Lacché. E i vestiti, ed i cappelli? Tutte l'ore nuovi, e belli. Gioje, fbbie, occhiali, e quant i ' ¿Von ~vuà cederla ad un Re, Tutto sia di brillanii Di colore mordoré. A te raccomando

La Italia, e cantina, Staffieri, Scudieri, E i cabriolé. Tu va preparando Dispensa, cucina, 1 letti, Confetti,

Liquori, e Café. E guando Comando

Sia pronto U suppé. Oh questa st, г/Г é bella, In Italia una zitella Para comparía äffe. QH questa é gratiosina, Faro una gelatina, Faro un buon fricaste. Ándate, Réstate, Uditt, Partite,

Ognun badi a se. Quai giorno felice Godere mi lice Qual gioja per me I

(ad Aurelia;

(a Chichibio)

(sli pensando)

(sonó per partiré) (si fennano)

(parlono ridendo)

(parle)

Scena VIII. »)

A destra, mura, che rinchiudono la Cilla, di coi si vedranno gli ediflci più allí. Qnesle formano un semicircolo, il quäle ba in pro- spettiva una forlezza, di cul non si rede, che la parte di dietro, cioè il rovescio d'una fabbrica anlica con una Torre alta qnattro piani. Frà quesla fabbrica e le muraglie, che la circondano, dalle cime di alti cipressi si conoscerà esservi un giardioo. Avant! le mará della Rocca si vedra una gran fossa con bastión« , che va a finiré con nn folio hosco, che si vede dietro alia Forlezza, e viene a terminare la parte sinistra del semicircolo, opposla alie mura della Cilla. Nell' angolo della muraglia, che si perde fra II bosco, si vede un perlugio come una porta diroccala ricoperlo di fronds degli alberi vicini, da cu! sogliono sogrelamente uscire le due Donzelle.

Biondello, poi Celidora, Calandrino, poi Lavina. Biondello. L'ultima volta al fin, mura adórate II tergo mi mostrate, e pria, che Febo Agli Antipodi scenda, Vedrowi il sen. All' arte, alie richexse,

  • ) Handschriftlicher Zusalz von Mozart : Scena X. **) Handschriftliche Aenderung von Mozart in : XI.

A quests mie bellezze la tua Torre, Scimunito Don Pippo, Oggi ceder vedrai, e darle il sacco Stimo men d'una pippa di tobacco.

Aria. *) Biondello. Che parli, che dica

Quel viso di pazzo ;

Но Venere arnica,

Cupido è per me. De' matti non euro

La furia, e schiamaxio ;

Del mio più sicuro

Trionfo non c'é. Oh quanta voglio ridere

Stasera a quel suppé ;

Sentir quel vecchio a stridere

E un gran baccano affé. Ma parmi là in quel lato, Che si muovan le frondi. In quell' ombroso speco Voglio celarmi, e vuo, s'è Celidora, Sorprenderla,pianpianuscmdofuora. (si nasconde)

Quartette.**)

Celidora. S"oggi, о Dei sperar mi fate (esce dal pertogio) La mia cara liberta, Ah di me non vi búrlate; Soria troppa crudeltà.

Biondello. Qm son io, pupille amate, (uscendo)

Dubbio alcun non vi sará. A Don Pippo le risate Questa sera ognun fará.

Lavina. CAi m'addita quel, ch'adoro? (uscendo dal

pertugio)

Calandrino mio dov' él S'ei non vien, Zitella io moro; ffon v' è Medico per me. Calandrino. Krnil qui, mio bel tesoro,

Ho un buon recipe per te, Buone nuove a tuo ristoro, Presto udrai U come, e il che.

Ma fia poi vero,

Celidora e Oppur mentite?

Lavina. ' Badate, e dite

La vfrita.

I Amor sincero Menzogne ardite Mai proferite Certa non ha. Biondello. In un Amico

Confido, e spero. Calandrioo. lo ve lo dico : Oggi verra.

Celidora, Lavina g í Ma qui ti voglio, e Biondello. \ E se non viene? "-

Celidora, bvioa, I Un bell' imbroglio

Biondello e Calandrino. \ Sarebbe äffe. Calandrino. Xitti. titti, or mi sowiene . . . O la barca di Corante, O di Coclite quel ponte . . . Biondello. Meglio il ponte piace a me.

  • ) A. ». O. Seite 50. Skizze Nr. t. ») A. a. 0. Seile 15.

Celidora, Lavioa, Queslo è l'unico spediente.

Biondello e Calandrino. Or si cada a trovar yeiile.

Fuora, fuora, all' armi, all' armi,

Qui fatica non si sparmi,

Л'оп si guardi,

.Von si lardi,

nú non chiedasi il perché.

Biondello с Calandrino parlono)

Lavina. Dunquc sen vanno, e noi restiam aperando.

Celidora. Tu qui rn atleiuii. Arnica, alla Custode

Parmi veder voy}' м>, Ci andrai tu pol. Lavina. Si, dolce Arnica, addio.

Aria. Lavina. Se rammento

Quel momento, Che taró Signara Sposa, A tal cosa Tostó io tentó, Che mi brilla 11 cor nel sen. Ma se in dubbio mi ni mette, Si promette, Ne »' attende, A si bardare aicende lo non sputo, che velen. Senlirmi dire; Cara Lavina, Bella Spostna, Oh che yoder 1 if a se soffrire Devo per poco, A t/uesto giuoco Perder il piacer.

(toriselzang folgt.)

Der Erste Evangelische Kirchengesang -Vereinetag

zu Stattgut am 8. und 4. October 1882.

(SohluH.)

Herr Becker spricht auch von dem Schwünge der rhythmischen Lebendigkeit, mil welcher der Choral zur Reformationszeit gesungen worden sei'; die Frage des rhythmischen Choralgesangs umgeht er zwar vorsichtiger Weise , aber es schien uns doch aus seinen Andeutungen hervorzugehen, dass der rhythmische Choral vielleicht später auch noch auf der Tagesordnung erscheinen dürfte. Was nun der Schwung und die lebendige Frische des Choralgesangs im Hefoimalionszeil- alter betrifft, so wollen wir hier die Qualität jenes Gesanges nicht untersuchen; so viel steht fest, dass das Volk , welchem so lange die Beiheiligung am Gottesdienste durch Gesang verwehrt worden war und welches — wenn auch nicht immer lautere Motive hier mit unterliefen — die Hand Luther's mit Freuden ergriff, um so begeisterter und freudiger seine Lob- und Dankliedersang, als dieselben ihm zum l'heil alte, liebe Bekannte waren, weltliche Lieder, die seit Jahrhunderten im Munde des Volkes lebten und welchen von den Reformatoren in wohlüberlegter Absicht , geistliche Texte unterlegt worden waren. Ein historischer Irrllium sondergleichen wäre es aber, zu vermeinen, das Volk zu Lulhers Zeit habe nur so von heule bis morgen den rhythmisch«» Choralgesang sich angeeignet. Für den Geschichlskundigen liegt die Suche ganz anders.

Herr Becker führte weiter aus, dass in dem, von den

Kirchengesnng-Vereinen zusammengestellten Chur.ilbuch da< zu erwartende allgemeine deutsche Militiirgesangbucli aufgenommen werden soll i'i. Wir vermögen nichl einzusehen, zu welchem Zweck das Militär auch noch in kirchengesanglicher Beziehung eine Ausnahmestellung erhalten soll ; über auch hier soll Uniform von Civilkleidung streng geschieden, auch an jenem Ort, da Alle gleich vor dem höchsten Herrn sind, ein Unterschied slaluirl werden. Es kann dies uns übrigens ganz gleichgültig sein, aber gleichgültig ist es uns nichl, wenn der Kirclien- gesang-Verein sich mit derartigen Bestrebungen identiticiren würde; wir nehmen auch gern an, dass dies nichl die Absicht der leitenden Kreise ist. Im Uebrigen trösten wir uns eben damit, dass stets dafür gesorgt ist, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Zunächst warten wir einmal ganz ruhig das Choralbuch ab, welches die Kirchengesang-Vereine ausarbeiten werden.

Weiter sollen die Kirchengesang-Vereine die Aufgabe haben, die reichen liturgischen Schätze früherer Jahrhunderte zu \er~ werlhen ; denn lebhaftes Bedürfniss sei es, den GollesiJienst reicher zu gestalten und dadurch der urevangelischen Idee zu geniigen, und der Gemeinde einen grösseren Antheil am Gottesdienste zu gewähren; bei diesen liturgischen Gottesdiensten haben die Kirchengesang-Vereine als vierstimmiger Chor aufzutreten.

Das lebhafte Bedürfniss nach liturgischen Gottesdiensten scheinen uns vorderhand mehr die Kirchengesang-Vereine als das Volk, die Gemeinde zu besitzen, und man hüte sich ja. hier zu rasch vorzugehen. Wir selbst sind mit liturgischen Andachten. z. B. beim Nachmittags- oder Abendgottesdienste, an zweiten Festtagen und an den vielen Apostel- und Marienfeierlagen, welche eine schwäbische Specialität bilden, im Princip einverstanden. Es sind aber nebenbei von den Referenten etwas gar zu scharfe Worte bezüglich der Stellung der Predigt im evangelischen Gottesdienste gefallen. Wir haben weder Beruf noch Lust dazu, eine Lanze für die Herren Prediger einzulegen, zumal wenn Collegen in solcher Weise urlheilen, wie dies in Stuttgart geschehen ; aber fragen möchten wir, ob sich derartige Angriffe gegen den Mittelpunkt des evangelischen Gottesdienstes mit dein protestantischen Princip vertragen? Glauben die Herreu vielleicht dem Volke mit ihren liturgischen Amlachten mehr zu dienen9 Sie werden ihre Erfahrungen schon noch machen. In der katholischen Kirche verhält sich die Sache ganz anders. Hier dreht sich die gnnze gottesdienstliche Handlung um das Mysterium des Opfertodes Christi : es ist ein Ereigniss, welches lüglich der Gemeinde vorgeführt wird und zu welchem die entsprechenden Cultusgesange ein notwendiges Appendix bilden. Der Mittelpunkt des evangelischen Gottesdienstes ist und bleibt aber die Predigt, und der Gemeinde ist ihr Recht vollständig dadurch gewahrt, dass sie am Kirchentiesange einzig und aus- schliesslich sich belhiiligt ; ist am Orte selbst auch ein tüchtiger Kirchenchor, nun um so besser. Nun wäre es aber, wie .-.clion oben berührt, Aufgabe der Kirchengesang-Vereine, auf eine Besserung des Genieindegesangs hinzuarbeiten, ehe sie sich Aufgaben stellen, die vorderhand, wenn überhaupt, nicht durchzuführen sind. Dies können jedoch die Kirchengcsang-V'ereine auch wiederum nicht ausschliesslich , sondern hierher gehört vor allen Dingen, und Kösllin machte mit Hecht auf diesen Cardinalpunkl aufmerksam, dass tüchtige (sesanglphrer und Chordirigenlcn herangeschull werden, liier liegt. \vie man zu sayen pftpjft. der Hase im Pfeffer. Nicht mit Unrecht ?] mahnte der Hedner den Staat daran, dass, nachdem er nun einmal das Kirchengut an sich gezogen habe, derselbe nun auch dafür zu sorgen und durch die Schulaufsichlsbehörden darüber wachen zu lassen habe, dass die evangelischen Volksschullehrer, anderen Mille die Kirche ihre Gesanglehrer und Organisten zu entnehmen gennlhigt sei. die ¿u der Ausübung der kirohenmusikalischen r'unclionen erforderliche Ausbildung in gründlicher und genüger Weise erhallen.*;

Wir sind den Bestrebungen des Vereins bislang mil wurrnem Interesse gefolgt, wenn wir auch mit Vielem uns niemals einverstanden erklären konnten. Durch die anscheinenden Erfolge, Erfolge übrigens rein iiusserlicher Natur, die den Weilerblickenden niemals berücken konnten , scheint der Verein sich jedoch nunmehr Aufgaben hingeben zu wollen . die weit über die Sphäre seines Küanens hinausgehen , und wenn man jetzt schon, nach wenigen Jahren , eine Commission beruft, um die Statuten eines allgemeinen deutsch - evangelischen Kirchen- gesang-Vereins auszuarbeiten und hierüber bereits im nächsten J.ihre definitive Beschlüsse zu fassen, so bezeichnen wir dieses als einen entschiedenen Missgriff; es ist aber nicht nur ein Miss- ariir, sondern auch eine Überschätzung des bisher Geleisteten, eine Ueberschätzung der Kräfte. Man hätte zunächst abwarten «ollen wie das Volk, die Gemeinden und auch die Oberkirchen- behörden — denn auf die bisherigen wohlwollenden Versicherungen derselben geben wir vorderhand gar nichts — sich im Ganzen stellen werden, wenn die Bewegung einmal wirklich in Fluss gernthen wird. Dann herrscht doch noch sehr viel Unklarheit üher die Mittel und Wege, die eingeschlagen werden Bollen, von iler Möglichkeit der Ausführung ganz zu schweigen. Hüte man sich aber vor einer Centralisation des deutschen evangelischen Kirrlu-ngcsanges, derartige Bestrebungen würden bittere Früchte tragen.

Nachschrift. Die schon so oft versuchte Centralisation oder L'niformirung des Gesanges in den deutsch-evangelischen Kirchen ist selbst in den günstigsten Zeilen nicht gelungen, wie sollte sie in der kirchlich gleichgültigen und zerrissenen Gegenwart /.u Stande kommen ? Die Ursachen davon werden also wohl so lief liegen, dass sie durch menschliches Wollen jetzt überhaupt nicht mehr zu heben sind. Den Schaden, an welchem der protestantische (Jollesdienst leidet, erhielt derselbe schon zu Lulher's Zeit und durch ihn selber. Wer die geschichtliche Entwicklung des evangelisch-lutherischen Gottesdienstes und die neueren Bestrebungen zu seinem »Ausbau« mil Thcilnahme und zugleich mit Unbefangenheit verfolgt hal, der wird den Eindruck erhallen haben, dass hier Saaten auf einem Acker erzielt werden sollen, der bereits seit geraumer Zeit steril geworden ist. Luther nannte seinen Gottesdienst freilich noch Messe »deutsche Messe«), aber dies halle wesentlich eine theoretische Bedeutung ; ¡n Wirklichkeit war nicht das Abendmahl, sondern die Predigt der Mittelpunkt des Gottesdienstes, und so ist es geblieben, ja die weitere Entwicklung hat das Verhältnis noch schärfer und einseitiger gestaltet. Wenn ein beliebter Prediger vorhanden ist, füllt sich die Kirche, mag der musikalische Theil auch noch so elend sein, und die fromme lleerde erträgt einen solchen Zustand lebenslang. Dagegen würde die beste Musik auf die Dauer nicht ¡m Stande sein, die Menschen anzuziehen, so lange sie mit Liturgie, Predigt und den übrigen kirchlichen (Zeremonien verbunden ist. Es fehlt eben an einem belebenden Mittelpunkte und damit an einem wirklichen Zusammenhange; darin liegt der Grund. Selbst wenn die einzelnen Theil« eines solchen Gottesdienstes sämmt- licb gut und sogar vollendet gestaltet wären, würden sie nicht

  • ) Wie viele Jahre sollen dann diese Lehrer in Seminarian und anderswo auf ihre Ausbildung verwenden? und wer soll sie spater so besolden, wie es der langen Lehrzeit und der erlangten Fähigkeit angemessen ist? Der »Staat« d. h. die Steuerzahler? — Mögen diese JVivalvereim1 zusohcri, wie weit sie mit ihren Mitteln gelangen können ; ober jeder Versuch, dem grossen Staatsbeutel nahe zu kommen, sollte zurückgewiesen werden. Die Christen ¡hier also die Protestanten) haben in dieser Hinsicht nicht mehr Recht, als die Juden. Wenn letztere ihren Synapogengesang aufbessern wollen, sind sie ebenfalls ausschliesslich auf sich selber angewiesen. /'. Red.

zu einander passen; eine gute (d. h. kunstvolle) Musik und eine gute Predigt vertragen sich nicht lange. Pastor und Cantor sind ganz alle Concurrenlen.

Die Phrasen unklarer Köpfe und die Pläne streberischer Persönlichkeiten können eine seit Jahrbunderlen eingewurzelte Schwierigkeil, über welche längst Gras gewachsen ist, nicht mehr heben. Man bleibe daher auf diesem Gebiete bei erreichbaren, von tüchtigen Cantoren selbst in Dorfkirchen auch täglich noch erreichten Zielen, die darin bestehen , dass Kirchenchöre die liturgischen Gesänge vortragen, passenden Kalis (namentlich bei Festen) auch wohl Erwachsene einzeln oder in Chören hinzutreten, je nachdem die Mittel sich finden — aber Alles ohne Schablone und ohne generelle, vereinsliche Regelung: denn auf diesem Gebiete ist nichts zu regeln, weil hier nichts zu entwickeln ist.

Soll nun hiermit der fast unerschöpfliche Reichthum kirchen- musikalischcr Werke abgethan sein ? Mil nichten l Eben weil das, was wirkliche Kunst auf diesem Felde geschaffen hat, in liturgischer Umgebung nicht mehr zur Darstellung gelangen kann, müssen wir ihm seinen Platz sichern. Die Kirchen als religiöses Gemeinde-Eigenthum sind die passendsten und an den meisten Orten auch die einzigen Ställen für den grössten Theil der eigentlichen Kirchenmusik, die von dort aus ihre natürlichste Wirkung entfaltet. In dieser Hinsicht wird man noch vieles neu einzurichten oder das bereits Begonnene weiter auszubilden haben. Aber Alles muss auf musikalischem Grunde vor sich gehen, nicht auf liturgischem. Hier scheiden sich die Gebiete! Und von dieser Stelle aus sollten die Musiker den genannten Kirchengesangvereins-Bestrebungen ihren ganzen Widersland entgegen setzen, um das Eindringen pfäffischer und damit unfreier Elemente in unsere Kunst zu verhüten.

Chr.

Berichte.

Leipzig.

Das vierte Oowandhausconcerl (äe.October) begann mit der hier längere Zelt nicht gehörten N. W. Gade'schcn Ouvertüre Nachklinge von Ossian«, einem stimmungsvollen in sich abgeschlossenen Tongemalde nach Art einer Vision: wie aus nebelhafter Ferne tauchen die Heldengestalten des alten Barden auf, ergehen sich in Kampf und Klage und versinken am Ende wieder in dämmernde Nacht. Ganz anderen Charakter trug die im Gewandhaus zum ersten Mal gespielte B dur-Symphonie (Nr. l) von Kotiert Volkmann. Sie bewegt sich in kleineren, der Serenade angenäherten, knappen Formen, aber sie schöpft ihren geistvollen Inhalt aus dem frisch pul- sirenden Leben der Gegenwart, und zwar unverkennbar aus dem der ungarischen Nation ; namentlich fesseln durch Klangfarbenreiz auch die mannigfachen Imitationen. Was die Solisten betrifft, so ist an Frau Schröd er-Ha nfstä ng! aus Stuttgart der geschmackvoll'! Vortrag und die grosse Modulalionsfíhigkeil ihres Organs (hoher Sopran) lobend anzuerkennen, dagegen hatte sie unter den vorgetragenen Stücken (Recitativ und Arie aus «Jessonda«; Lieder von Brahms: »Gebeimniss*, von A. Rubinstein: »Es blinkt der Thau« und von A. Ehmant: »Die Trepp' hinunter geschwungen«! das letztgenannte, ein Lied wie sie zu Hunderten in den Pullen und Heften unserer Dilettanten ruhen, getrost den wohlverdienten Schlaf weiter- echlummern lassen können ; sie beeinträchtigte sich leider hierdurch den Schlusserfolg. Ferner führte sich der neue Concertmeister des Gewandhausorchesters Herr H. Pelri mit folgenden Solovortragen ein: Violinconcert von Beethoven, Adagio von Spohr, Polnische Na- tionaltenze von Xaver Scharwenka, und erweckte als gediegener Geiger einen sehr günstigen Eindruck. — Mit Ruhm bedeckte sich das Gewandbausorcbesler besonders im fünften Concert (i. November) durch mustergültige Ausführung der Beelhoven'schen Corioin n-Ouvertüre und der D dur-Symphonie (ohne Menuett) von Mozart, sowie durch feinsinnige Begleitung zu Beethoven's Gdur- Concert fttr Pianoforte, dessen Ciavierpart keine Geringere als Fräulein Marie Krebs vertrat. Unübertrefflich war in der Thal die tech nische Meisterschaft, der lebensvolle Ausdruck, die Grazie und Innigkeit, mit denen die Künstlerin in edler Ruhe das Concert sammt den Originalcadenzen spielte. Den Übrigen , meist technisch brilli- renden Solostückcn : Orgeltoccate (D-mollJ von J. S. Bach, für Pianoforle Übertragen von L. Stark, Gavotte Op. 1it von C. Reinecke, Ddur-Präludium von F. Mendelssohn-B«! tholdy, fugte sie schließlich eine Zugabe leichteren Kalibers bei (»Am Springbrunnen« von Scholl]. Noch sehr befangen zeigte sich Herr Paul Jensen, Hof-

opernsVngcr aus Dresden ; recht angenehm wirkte zwar der Klang seiner Stimme, namentlich an lieblich-sanften Stellen, aber der Sänger muss künftig mehr aus sich herausgehen ; unser Publikum ermunterte ihn durch Beifall zu energischem Fortstreben. Sein Programm bestand in einer Arie aus »Elias« von Mendelssohn (»Es ist genug! So nimm nun, Herr, meine Seele«) und Liedern von Franz Schubert (»Sei mir gegrussU), Adolf Jensen (»Am Ufer des Flusses, des Manzanares«) und C. Reinecke (Mailied).

л \ ж t: K.; t: it.

[1*4] Im Verlage von Julius Haitianer, Königl. Hofmusikalienhandlung ¡n B res lau , erschienen «soeben :

Serenata

aus Op. 15

von Moritz Mos/kowski.

A. Für Pianoforte zu 2 Händen

B. Für Pianoforte zu 4 Hunden

C. Für Pianoforte und Violine .

D. Für Pianoforte und Violoncello

E. Für Streichquartett ....

.1. Partitur .

F. Für Orchester :

b. Summen .

50.

50. 16. 15.

Neuigkeiten für gemischten Chor.

i««]

Banmfelder, Fr., Das Schloss im See. Ballade für gemischten Chor und Baritonsolo mit Clavieibegleilung. Ciavierauszug Л k,—. Solostimmen SO Я. Chorstimmen (à 50 3jf] Л i,—.

Bruch, Max, Op. <6, No. 9. Grosse Scene: „Woher am dunkeln Rhein", für Sopransolo und gemischten Chor mit Orchester aus der Oper »Loreleyo.

Ciavierauszug .« 3,50. Chorslimmen (i 50 Sf] Л Ч,—.

Partitur und Orchesterstimmen in Abschrift.

Hofmann, Richard, Op. 36. Vier Lieder Im Volkston.

Heft 4. Partitur und Summen Jt 1,50. No. 1. Die Rosen.

No. i. Soldatenlied. Heft i. Partitur und Stimmen Jt 4,—. No. 3. FrUhlingsnacht.

No. l. »Willst du dein Herz mir schenken«.

Müller, Richard, Op. 43. Vier patriotisme Gesänge zum Gebrauche bei Festlichkeiten in höheren Schulen. Partitur und Stimmen Jt S,40. Jede einzelne Stimme à 40 .ф. (Ganz Deutschland hält die Wacht. — Salvum Гас regem. — Alldeutschland. — Zum Geburtstage des Kaisers.)

Rheinberger, Josef,Op. Ш. Waldblumen. AchtLieder. Texte von F. A. Hutb.

Heft 4. Partitur und Stimmen Л t,SO. Jede einzelne Stimme 40 3f. (Abend am Meer. — Das Mühlrad geht im Linden- grund. — Erstes Wanderlied. — Scheiden.) Heft 4. Partitur und Stimmen Jt 3,—. Jede einzelne Stimme 50 3jl. (Zweites Wanderlied. — Sommernacht. — Aus den Alpen. — Alpenandacht.)

Tituliert, Ernst Eduard, Op. 39. Zwei Stucke für Chor und Soli mit Clavierbegleilung.

No. 1. »Jubilate, Amen«. Ciavierauszug Л 1,50. Chorstimmen 45 3}. Solostimmen 10 Я. (Für dreistimmigen Frauen- chor, Tenor- und Bass-Solo.)

No. 1. »Stündchen«. Ciavierauszug Л1,50. Chorstimmen 60^. Solostimmen 15 3t. (Für gemischten Chor und Tenor- Solo.)

Leipzig. C. F. W. Siegel'8 Musikalienhdlg.

(R. Linnemann).

Monatshefte für Musikgeschichte,

herausgegeben von der Gesellschaft für Musikforschung, redigirl von Rob. Eitner. Preis des Jahrganges » Л. Verlag von T. Trautwein ¡n Berlin.

Publication älterer praktischer und theoretischer Musikwerke, vorzugsweise des 15. und 1 в. Jahrhunderts. Jahrgang 10—ÎO Jt. Verzeichnisse der Drucke sind durch obige Musikhandlung zu beziehen.

Wer sich der Gesellschaft als Mitglied oder .Subscriben! anzu- schliessen wünscht, melde sieb beim Secrelair Herrn Bob. Eitner in T e m p l i n (Ukermark).

Neue instructive Claviercompositionen топ Gustav Merkel.

Im Verlage von Julius Haitianer, Königl. Hofmusikalienhandlung in Breslau, sind soeben erschienen:

Gustav Merkel.

Op. 141. Impromptu fUr Piano zu l Händen .... .«71,00. Op. 14». Stimmungsbilder. Vier Ciavierstucke zu l Hunden.

No. 1. Idylle.« 1,50. v... 4. Mennett.«ri,3ii. No. i. Heledle Л 4,75. No. 4. Nocturno Л 4,se.

Op. 4*8. Binetten. Zwei Ciavierstucke a .44,00.

Op. 454. Zwei KontloH für Pianoforte.

Nn. i. Ronde amabile .* 4,35. No.l. Rondo brillant .*! ,î :,

Op. 159. Rhapsodie für Pianoforte иГ4,50.

Op. im. Lyrische Blatter. 5 Ciavierstücke.

No. 1. Frohlingshauch л 0,75. No. l. YSglein In den Zweifel uTi,oo. No. s. Waldmannilntt .*i,oe No. 4. Auf dem See ло, 75. No. 5. Abendge«ang./yn,7->

[115] Soeben erschienen in meinem Verlage:

pour

Vielen et Piano

composé par

Emile Sauret,

Op. 17.

Pr. S Mark.

ième

pour

Violen et Piano

composé par

Emile Sauret.

Op. 18.

Pr. 2 Л 50 ф. Leipzig und Winterthur. J. Rieter-Biedermann,

Hierzu Verlagsmittheilungen Nr. 16 топ Breitkopf & Härtel in Leipzig und eine Beilage von Steingräber Terlag, Hannover. __^

Verleger: J. Rieler-Biedermann in Leipzig und Winterthur. — Druck von Breitkopf & lliirtel in Leipzig. Expedition : Leipzig, Rabensteinplatz 2. — Redaction : Bergedorf bei Hamburg1.

Die Allgemein* НпвЛяНкЪе Zeitung erscheint rtgelmlisijr an jedem Mittwoch und ist durch »Ile Poetbmter und Buchhandlungen zu beziehen.

Allgemeine

Preis: Jährlich 19 Uk. VierUljlnr.lcne l'rinum. 4 Mb. 50Pf. Anseigen: die gespaltene Petitxeüe oder deren Kaum 30 Pt Briefe and Gelder werden franco erbeten.

Musikalische Zeitung.

Verantwortlicher Rédacteur: Friedrich Chrysauder.

Leipzig, 15. November 1882.

Nr. 46.

XVII. Jahrgang.

Inhalt: Compositionen von Richard Heuberger. Op. )—15. (Schluss.) — Niederländische Organisten. I. Samuel de Lange sen. — Diez' Troubadours ¡n neuer Ausgabe. — Musikalischer Verlag von Jul. Hainauer in Breslau (Compositionen von Heinrich Reimann, Adolf Wallnöfer und Ludwig Heidingsfeld). — Varesco's L'Oca del Cairo. (Fortsetzung.) — Anzeiger.

Compositionen von Sichard Heuberger. Op. l —15.

(Schluse.'

Auf dem Gebiet des Chorliedes für weibliche Stimmen versucht sich Heuberger in den als Op. 4 erschienenen drelfmei- chörci mit Clavierbegleitung. Die Texte liefern d;is Herbstlied von Tieck : »Feldeinwärts flog ein Vögelein«, Mörike's »Um Mitlernacht« und »Neuer Frühling« von Otto Roquelte. Nr. < und 3 sind dreistimmig und höchst einfach behandelt, während Nr. t Vierslimmigkeit und complicirtere Form zeigt. Obschon die schlummertrunkene Stimmung des Nachtgesanges in zartver- triebenen Farben gemalt ist, geben wir den beiden anderen Liedern, namentlich dem ersten überaus anmuthigen den Vorzug, weil Inhalt und Form hier harmonischer in einander aufgehen.

Wenden wir uns nun zu Heuberger's Sologesängen, so können dieselben durchschnittlich nicht als gleich gelungen bezeichnet werden wie die Chorlieder. Besonders in den früheren Heften zeigt sich eine gewisse Zerfahrenheit der lyrischen Tonsprache, ein Mangel an organischer Form, ein störendes Ueberwuchern des Clavier-Accompagnements, das um so mehr auffeilt, je natürlicher und geschmeidiger die gleichzeitigen Chorgesangswerke gestaltet sind.

In Op. 6 behandelt Heuberger fhf LietVr, von denen vier aus der Feder seines Lieblingspoeten Jul. Wolff stammen, während das letzte A. Bötiger zum Verfasser hat. An der Spitze stehen die in neuerer Zeit viel componirlen Strophen aus dem Rattenfänger von Hameln "Ли meiner Thür, du blühender Zweig«. Die Ueberschrift »Langsam, mit lebhaftem Vortrag« dürfte eher verwirren als orienliren. Der Gesang beginnt vielversprechend und wird von einem Begleitungsmotiv umrankt, das zu seinem liebewarmen Ausdruck wohl passt. Leider beeinträchtigt das Ciavier im Verlauf die Canlilene allzu sehr. Auch erhält letztere selbst im Millelsatz etwas pathetisch Geschraubtes, das uns kühl macht. Nr. S »Ich habe drirchfahren das weite Land« ist kürzer gehalten und trilft den schmerzlich resignirlen Ton der Dichtung gut. Doch entbehrt der Gesang auch hier jener straffern Gliederung, wie sie das Lied vor Allem verlangt. Weil mehr noch gilt letzleres freilich von dem dritten Gesang »Du Fothe Ros' auf grüner H»id«, dessen fesselloses Schweifen in der Cantilene wie im Accompagnement stillos wirkt. Auch die Gesänge des zweiten Heftes »Von einem braunen Knaben« und das Oslerlied »Die Glocken läuten das Ostern ein« sind von dem gerügten Mangel nicht frei zu sprechen, obscbon dieser hier weniger auffallig zu Tage tritt und namentlich beim ersteren durch die schmerzliche Innigkeit des Schlusses verhüllt wird.

Einen künstlerischen Fortschrill bezeichnen die fünf Lirdfr Op. 9, die, mit Ausnahme eines einzigen, wiederum Wolff - sche Gedichte und der Mehrzahl nach heitere, dem Naturell Heuberger's unstreitig besser zusagende Stoffe behandeln. Nr. < »Zwei Sterne machen mich jung und alt« bringt die Liebessehnsuchl des Sängers zu schönem Ausdruck. Weniger befriedigt Nr. Ï »Steige auf, du goldne Sonne«, dessen Schwung die allzu sehr befrachtete Begleitung lahmt. Dagegen ist der phantaslische Ton in dem Ständchen »Weisse Mondesnebel schwimmen« von Th. Storm vorzüglich getroffen. Der zarten, schöngeschwungenen Melodie gehl hier ein Accompagnement zur Seite, das sie wie neckische Schatten u-ngaukell. In den Liedern »Willekumm« und ilem bereits von uns erwähnten »Ein lustig Zechen« fühlt sich Heuberger ¡n seinem Element. Beide klingen kecklustig, wie es der feuchtfröhliche Humor verlangt, aus dem die Strophen hervorgelrieben. Und wie der Inhalt sich lebensvoller gestaltet, erscheint hier auch die Form glücklicher organisirt, als in den anderen Gesängen. Namentlich aas Strophenlied »Ein lustig Zechen« ist so recht Hus einem Guss und muss einem tüchtigen Sänger die willkommenste Aufgabe1 darbieten.

Die drei Lieder nach Gedichten aus Geibel-Hey.se's »Spanischem Liederbuch« Op. 12 hat Heuberger »seiner lieben Braut« gewidmet, und wohl mag der Gedanke an die Geliebte die Herzlichkeil der Weisen erhöht haben. In Nr. < »Wandern gehl mein Liebster« und Nr. 3 »Komm, o Tod, von Nacht umgeben« behandelt derComponist ernst gestimmte Gesänge, deren südländischen Charakter er durch eine gewisse Leidenschaftlichkeit des Ausdruckes hervorhebt. Den Preis verdient indess unstreitig die zweite Nummer »Marinilla« (»Wohl dem, der erfunden die Ketten der Liebe«). Von der Feinheit des Tons und der melancholischen Grazie, welche dies Liebeslied durchhaucbl und es an die Seite der Spanischen Gesänge von Schumann und Jensen rückt, möge der Eingang eine Vorstellung geben.

Allegretto graiioso. _____

Wob) dem, der er-fun-den die Kett-lein, die Ketten, wohl

dem, der er - fnn-den die Kel-ten der Lie-be.

Hit ähnlichen poetischen Vorwürfen beschäftigen sich die »1er Oeiaage Op. 13. Die drei ersten sind abermals dem spanischen Liederbuch von Geibel-Heyse entnommen, während dem letzten ein slovakisches Lied aus Siegfried Kapper's Slav. Melodien zu Grunde liegt. In den erst eren ist der spanische Localton, die comprimir!; Leidenschaftlichkeit und zugleich stolzanmulhige Haltung der Gesänge wiederum glücklich getroffen. Während Nr. 4 «Trübe geht der Wasser Lauf« und Nr. l »Bill1 ihn, o Hutler, o bitte den Knaben«, die Liebesgluth des Mädchens in freiem melodischen Erguss schildern, ist Nr. 3 »Sagt, seid Ihr es, freier Herr« mehr declamirt als gesungen. Ein humoristischer Zug mischt sich hinein , und die Triller am Schluss jeder Strophe gemahnen eben so sehr an spöttisches Gelächter als Caslagnettenklang. Weniger befriedigt der letzte Gesang »Die Wölket. An diese düslere Ballade verschwendet Heuberger einen Farbenreichtum, der von -vorn herein die Einheit der Stimmung beeinträchtigt und zerstreuend wirkt. Zudem stumpft die Gleichmässigkeit des emphatischen Tons die dichterischen Pointen ab und schmälert den Effect der zahlreichen gelungenen Partien der Composition.

Unbedingteres Lob verdient das neueste Liederheft Heu- berger's Op. 16, das wir für seine beste Leistung auf diesem' Gebiet erklären müssen. Die Stoffe geben auch hier italienische Gesänge in Uebersetzungen von Heyse, Gregorovius und Engel ab, in die sich als Nr. Î ein Gesang des Hafis, verdeutscht von Bodensledt, mischt. Ein Hauptvorzug dieser Lieder liegt in ihrer übersichtlichen formalen Gliederung, in der concisen Passung ihres Slimmungsgehalles. Auch die Begleitung steht hier überall im richtigen Verhältniss zum Gesang; sie stützt ihn und verleiht dem Ganzen vertiefte Farbe, ohne den melodischen Contour zu beeinträchligen. Gleich die italienische Serenade »Kin Ständchen euch zu bringen, komm' ich here Nr. 4 giebt den halb zärtlichen, halb schalkhaften Ton des Liebesliedes, das sich über leisen Guitarrenklängen erhebt, aufs anmuthigste wieder. Ein reizendes Pendant dazu bildet Nr. 3, in welcher das Mädchen dem vor ihrem Fenster auf- und abgebenden Knaben zu verstehen giebt, dass ihr Gesang einem ganz Ändern gelte als ihm. DerParlando-Ton, wie die Mischung von Neckerei und Innigkeit, ist hier überaus glücklich getroffen. Graziös klingt die im Walzerrhylbmus gehaltene Nr. i »Dies ist mein Weg«, die wiederum einen analogen Stoff behandelt. Doch stehen die beiden ernstern, innige Liebessehnsuchl ausdrückenden Gesänge Nr. l und B »0 Morgenwind» und >0 Sonne, du ziehest! keineswegs hinler den übrigen zurück. Im Gegenlheil möchten wir das letzterwähnte für das schönste Lied erklären, das Heuberger bis jetzt veröffentlicht hat. Für eine Mezzosopran- oder Altstimme berechnet, offenbart es bei aller Schlichtheit einen Klangzauber, der unmittelbar an Franz Schubert gemahnt. Möge Heuberger seinem «rossen Landsmann in künftigen Schöpfungen eben so nahe kommen und die Erwartungen, welche sein jüngster und frischester Liederslrauss erweckt, in Erfüllung gehen lassen l

Zum Schluss haben wir noch der ürcliesterwerke des Cora-

ponisten zu gedenken. Me fUeitmulk für Streichorchester Op. 7 ¡et eine frisch empfundene, die Klangfarben der Streich- Instrumente (innig verwertende Tondichtung. Sie beginnt mit einem Bdur-Allegretio von »art-anmuthiger Haltung. Die Verdoppelung der Brauchen vermehrt den Reiz des träumerischen Helldunkels, in welches Heuberger den echt serenadenhaflen Salz getaucht hat. Bnergwcn cootrasü'rt damit der zweite Satz, ein scherzoartiges Allegro vivace aus D-dur, dessen übermüthiges Treiben übrigen« von einem langsameren, sehr melodischen G dur-Trio unterbrochen wird. Bin Andante aus Ges-dur (>/,- Rhythmus) schliesst sich an ; in diesem Liebesgedichl voll süsser Zärtlichkeit erreicht Heuberger durch Tbeilung der Violen und Celli eine besonders schöne Klangwirkung. Den Schluss bildet ein Presto aus B-dur dessen Hauptsatz ungestüm genug dahinbraust, während das zartgebundene B dur- Trio nochmals sanfteren Vorstellungen Raum giebt.

Ein ebenso anmulhiges, Heuberger's feinen Klangsinn abermals documentirendes Werk tritt uns in den Variatieirn über ein Thema von Franz Schubert für Orchester Op. 11 entgegen. Das Thema bat der Componist dem zweiten Salz (Andante con moto) der vierbändigen Claviersonale Op. 30 von Schubert entnommen. Es wird vom Streichquartett allein vorgetragen und stimmt in Tonart (D-moll) und Satz genau mit dem gleichfalls vierstimmig behandelten Original überein. In der ersten Variation bestreuen zwei Flöten und zwei Clarinelten alternirend den Gesang, während das Streichquartett mit leisen Pizzicalo- schlägen die Harmonie andeutet. Variation l ist ein Allegro im %-Rhythmus, der dem Thema ein entschlossenes, keckvordringendes Gepräge verleiht. In der dritten Variation wird die Melodie von Cellis und Contrabässen vorgetragen, während die übrigen Streichinstrumente, tiefere Holzbläser und Hörner ac- compagniren. Die vierte Variation bildet ein reizendes Allegro im %-Rhythmus. Zweite Geigen und Bratschen lassen das Thema erklingen ; die ersten ziehen con sordini mit lieblichen Arabesken darüber bin. Im Verlauf beiheiligen sich auch Flöte und Clarinette an der Canlilene, bis zuletzt den Streichern allein das Wort bleibt. Im Gegensatz zu diesem heiter graziösen Gebilde hat die fünfte Variation mit ihren Synkopen und starken dynamischen Gegensätzen etwas Leidenschaftliches, düster Beklommenes. In der sechsten Veränderung trägt ein Solohorn die Melodie vor, während die Streichinstrumente dieselbe bald aufnehmen, bald blos begleitend daneben gehen. Variation 7 ist ein Allegro enérgico im 12/U)-Taki, dessen Gesang hauptsachlich in Fagotte«, Bratschen und Cellis liegt. Die achte Variation beginnt mit einem Andante im %-Rhytbmus, in welchem zunächst wiederum die Streichinstrumente herrschen, in der aber auch Hörner und Clarinetten solislisch auftreten. Der Satz geht dann in ein leichtbeschwingtes Allegro über und mündet schliesslich in das Finale aus, ein längeres Presto im '/„-Rhythmus, das von prickelndem Reiz und schöner Steigerung ist.

Gerade diese Orchesterarbeilen bewähren Heuberger's Phantasiefrische und colorislisches Talent in hervorragendem Maasse. Möge die heitere Muse des Künstlers uns weiterhin viel Schönes, Geist und Sinne gleichmässigErfreuendes spenden.

A. \iggli.

Niederländische Organisten. I. Samuel de Lange вей.*)

Unter den jetzt lebenden gediegenen Organisten der Niederlande nimmt sicher Herr S. de Lange sen. einen ehrenvollen Platz ein ; derselbe hat sich nicht allein durch seine seit vielen

In Nr. 19 Sp. 456—57 wurde die Orgelsonate Nr. 4 von dieJahren statthabenden Orgelconcerte als ein sehr tüchtiger Orgelspieler bewährt, sondern auch durch verschiedene im Druck erschienene Orgelcompositionen bewiesen , viel natürliche Anlagen und Gabe als Componisl zu besitzen.

Samuel Je Lange sen., geboren am 9. Juni 48« zu Rotterdam, war bis zu seinem 17. Jahre Lehrling bei dem Orgelbauer Richner zu Rotterdam. Schon in seiner frühesten Jugend zeigte sich Liebhaberei für die Musik und er erhielt bis zu seinem 10. Jahre Ciavierunterricht von Pruys, Organist bei der evangelisch-lutherischen Gemeinde zu Rotterdam, darnach bildete er sich weiter als Organist und Pianist unter Leitung von J. B. Bremer, Organist bei der wallonischen, später bei der evangelisch-lutherischen Gemeinde zu Rotterdam.

Im Jahre (817 wurde de Lange als Adjunct-Organist bei der evangelisch-lutherischen Gemeinde in seiner Vaterstadt ernannt, während er inzwischen dem Ciavierspiel bei Carl Mühlen- feldt und den theoretischen Studien bei T. Hommert seine ganze Aufmerksamkeit gewidmet halle. Im Jahre 4830 wurde de Lange zum Stadtglockenspieler ernannt und 1833 erfolgte seine definitive Ernennung als Organist bei der wallonischen Gemeinde zu Rotterdam. 4854 wurde ihm die Ernennung als Organist an der Zuider- (d. h. Süd-) Kirche und (864 an der Grossen oder St. Laurenzkirche zu Rotterdam.

Als Lehrer im Gesangunterricht wurde de Lange l H44 an der neu errichteten Musikschule, der Gesellschaft zur Beförderung der Tonkunst, Abtheilung Rotterdam, ernannt, und (874 wurde er als Nachfolger seines Sohnes S. de Lange jun., als Lehrer an der Orgelklasse von ebengenannter Gesellschaft angestellt.

In seinen früheren Jahren trat de Lange öfter als Solo- Pianist mit vielem Beifall in denConcerten seiner Vaterstadt auf. Seit seiner Ernennung als Organist an der Grossen Kirche giebt derselbe geregelte Orgelconcerte, in welchen er die Werke der grossen Heister für Orgel mit vielem Beifall vortrügt, und ist derselbe ferner noch stets als Lehrer im Gesang, Ciavier- und Orgelspiel tbätig.

Im Jahre 4877 wurde de Lange das seltene Glück zu Theil, sein BOjäbriges Organisten-Jubiläum zu feiern, bei welcher Gelegenheit ihm seitens der Prediger und des Kirchenraths seiner Gemeinde, von dem Vorstand der Gesellschaft zur Beförderung der Tonkunst, sowie von Collegen, Schülern und Freunden sehr viele und kostbare Beweise von Anerkennung überreicht wurden ; und von Sr. M. dem Könige wurde er an diesem Tage zum Ritter der Bichenkrone ernannt. Sein College Litzau, dessen Biographie wir in der nächsten Fortsetzung dieses Aufsatzes mitlheilen werden , widmete ihm bei dieser Gelegenheil ein Werk : Einleitung, Variationen und Choral mit Fuge über ein Slerbelied aus dem 46. Jahrhundert für die Orgel, Op. 4 S.

Seine drei Söhne, die ihre musikalische Leitung hauptsächlich ihm zu danken haben, sind S. de Lange jun., Professor für Orgel an dem Con.oervalorium zu Köln, D. de Lange, Musik- direclor zu Amsterdam und Allgemeiner Secretair der Gesellschaft zur Beförderung der Tonkunst, und W. C. de Lange, Organist und Husiklehrer zu Rotterdam.

Bis jetzt sind von de Lange im Verlage bei G. Aisbach & Co. und W. F. Lichlenauer in Rotterdam erschienen :

Zwei Noclurnen ; drei Walzer für Piano ; drei Lieder für drei Frauenstimmen ; Einleitung und Variationen über das Niederländische Volkslied »Wien Neérlands bloedi für Orgel ; vier Phantasie-Sonaten für Orgel ; ein Adagio für Violine und Orgel ;

sein Compon! sten angezeigt, dabei der Autor aber mit dem gleichnamigen, in UBIn lebenden Sohne desselben verwechselt und letzterem jene Composition zugeschrieben, was hiermit berichtigt wird. Obige Lebensnachrichten sind die ersten, welche Über S. de Lange den Vater wenigstens in Deutschland veröffentlicht werden.

D. Hfd

eine Elegie für Violine und Orgel ; ein Andante für Violoncell und Orgel ; ein Andante für Orgel ; ferner mehrere Transcrip- tionen für Orgel und zuletzt 41 Kinderlieder für eine Singstimme mit Piano.

Diez* Troubadoure in neuer Ausgabe.

Lrbpn und Werke 4er Trtibadtin. Ein Beitrag zur näheren Kenntniss des Miltelalters von Friedrich Blei. Zweite vermehrte Auflage von Karl Bartack. Leipzig, Job. Ambr. Barth. 4882. XVI u. 506 Seilen 8. Pr. 4.0 u». Der verstorbene Prof. Diez, seiner Zeit der erste Kenner der provencalischen Literatur, veröffentlichte zwei Werke von bleibender Bedeutung »Die Poesie der Troubadours« (4816) und »Leben und Werke der Troubadours« (4819), welche uns dieses Sprach- und Dicbtungsgebiet eigentlich erst erschlossen haben. Von beiden veranstaltet ein hervorragender Gelehrter desselben Faches, Herr Prof. Barisch in Heidelberg, jetzt neue Auflagen, und wir wollen nicht versäumen, auch die musikalischen Kreise auf diese grundleglichen Werke aufmerksam zu machen. Die Troubadours sind so eng mit der Ausbildung der Tonkunst verflochten, dass alles, was sie angeht, selbst dann noch für den Musiker von Interesse ist, wenn es auch direct mit Musik nichts zu thun hat. Die von ihnen eingeführten oder doch zur Vollendung und allgemeinen Anerkennung gebrachten Dichtungsformen haben in der Geschichte der Musik Spuren hinterlassen, welche nie zu verwischen sind. Die musikalische Melodie verdankt diesen Sängern ausserordenllich viel und selbst um die Ausbildung der Harmonie waren einige von ihnen mit Erfolg bemüht; die von ihnen benutzten Musikinstrumente bilden ebenfalls ein merkwürdiges Kapitel in der Geschichte dieser Kunst. Man wird also hiernach ermessen können, welchen Werth es selbst für Musiker bat, ein Werk zu besitzen, dem mit unbedingtem Vertrauen gefolgt werden kann. Diez war ein echter Gelehrter, der über nichts schrieb, was er nicht völlig erforscht und durchdrungen halte. Seine Darstellung ist lichtvoll und wohlthuend in ihrer reinen Sachlichkeit ; mit schönen Phrasen operirt er nicht. In diesen Schriften, sagt er im Vorwort, »habe ich mich untersuchend , nicht räsonnirend verhalten wollen, wobei es mein Augenmerk blieb, ein reines Bild des Gegenstandes zu geben.« Dnd weiterhin: »Die goldne Regel der Einfachheit ist eben in uusern Tagen, wo der Strom der Literatur so sehr angeschwollen, mehr als je zu beherzigen.« (S. IX.) Das ist 4819 geschrieben, dürfte aber beule noch weit mehr gelten, als damals, denn erst seil jener Zeit ist die bombastische Literatur üppig ins Kraut geschossen. Gelehrte von der einfachen Grosse eines Diez, Bopp, Lacbmann und ähnliche können jetzt nicht oft genug als Muster aufgestellt werden, sowohl für Untersuchungen wie für die Darstellung derselben, denn ihre reine ungeschminkte Sachlreue ist das Resultat von zwei gleich vorzüglichen Geisteskräften — dem kritischen Scharfblick und dem zu festen Grundsätzen durchgebildeten Sinne für Wahrheit.

Dem Herausgeber sind wir zu Dank verpflichtet, dass er die köstlichen Werke von Diez den Zeitgenossen aufs neue zugänglich gemacht hat. TM

Musikalischer Verlag von Jrl. Hainauer in Breslau.

Unter denjenigen grösseren Handlungen, welche einen mannigfaltigen Verlag auf eine sehr ansprechende und geschmackvolle Weise vor die OeOenllichkeil bringen, nimmt die genannte Firma einen hoben Rang cm. Alles ist ¡iusserlich so einladend, dass man es mit Vergnügen in die Hand nimmt.

leiirlrk Ri-imann führt uns Opus ( bis 5 vor, welche lauter ein-, zwei- und vierstimmige Gesänge enthalten. Er beginnt mit Vier Liedern (Op. ). *A t. 50), dii sich über das Gewöhnliche erheben und grosse Gewandtheil im Ciaviersatz bekunden. Opus 3 schliesst sich ihnen mit Fir f Liedern (Preis ,ti 2. SO) an, die von ungleicher L'ange sind, ohne dass die Behandlungsart dadurch eine wesentlich verschiedene geworden wäre, mil Ausnahme des letzten, welches ein »Kiiiderlied« ist oder wenigstens sein soll. Vier Lieder bilden Opas 4 (Preis Л 1. 25), und hiermit ist das, was dieser Componist an einstimmigen Gesängen publicirt hat, vorläufig zu Ende. In diesem-letzten Heft zeigt sich kein Fortschritt gegen die früheren ; es sind zwar grössere Anläufe genommen, aber gerade diejenigen Stücke, in denen solches geschah (Op. 4, Nr. 4 und 2), müssen wir als verfehlt bezeichnen. Wie schon bemerkt, schaltet der Autor im Ciaviersatze mit grosser Leichtigkeit, aber sein Gesang ist mit allen Mängeln behaftet, welche die moderne Lied-Schablone mit sich zu bringen scheint. Gerade da , wo der Componisl recht ausdrucksvoll zu sein vermeint, kann map ihm in der Führung der Gesangmelodie die grössten Fehler nachweisen. Die Drei Duetten für Frauenstimmen (Op. 2. .# t. 50) nahmen wir denn auch (da ein talentvoller Anfänger stets unsere besondere Theilnahme in Anspruch nimmt) nicht ohne Besorgniss zur Hand , und können nach Durchsicht derselben nur bedauern, dass der Composition für zwei duetti- rende. Stimmen nicht wirklich fachmässige Studien im Duettsatz voraufgegangen sind. Was uns hier geboten wird, ist das Product eines begabten Dilettanten, der von dem, was gesanglich wirksam und wohlklingend ist, noch keine geläuterte Vorstellung hat. Wir könnten Duette eines bekannten und sogar berühmten Sängers anführen, die fast noch schlechter klingen, als diese Reimann'scheo. Daraus geüt hervor, dass selbst ein gesuchter Lohnsänger ein kümmerlicher Duettencomponist sein wird, wenn er den Vocalsatz nicht gründlich studirt hat. Die Vier Lieder für gemischten Chor (Op. 5. Л \] lassen ebenfalls bedauern, dass der Autor eine Schule besucht hat, in welcher Niemand über den beschränkten modernen Zaun hinüber blickt. Es wäre wirklich zu wünschen, dass sich einige klare Köpfe unter den Jüngeren bald von diesen Fesseln losmachten.

Ad»lf Willnöfrr bringt Lieder und Gesänge für eine mittlere Stimme (2 Hefte à Л 2) , mit denen er bereite sein Opus 3Î erreicht hat. Er schreibt und publicirl ziemh'ch schneit, aber ein etwas langsameres Tempo möchte nicht schaden, denn wir können uns nicht überzeugen, dass seine Producte bestimmt sind, einem längst gefühlten Bedürfnisse abzuhelfen.

Von Ludwig leldligtfeU kann man namhaft machen : ein Lied »Fliege Vogel«, Op. H (Л 0,75); Drei Lieder, Op. 2l (uf 4. 75), und Zwei Lieder, Op. 22 (Л I. 75) — lauter einstimmige Lieder mit Ciavierbegleitung. Das »Fliege Vogel« Op. H ist »in der Art eines Volksliedes« gesetzt; der Anto^ 'kann aber versichert sein , dass es niemals ein Volkslied werden wird. Gewisse einfache melodische Züge sind auch in den übrigen, breiter angelegten Liedern vorherrschend ; aber die Kraft, aus solchen Elementen einheitliche Bilder zu gestalten, scheint nicht in gleichem Maasse vorhanden zu sein. Stücke wie Op. 24, Nr. 2 unterliegen gesanglich wie compositionell den grössten Bedenken. Und wenn Op. 22, Seite i »Weiss nicht, was ich lange darnach, als der Stern erloschen, sprach« ausdrucksrichtige Declamation sein soll, so hole der Kukuk den »dramatischen« Ausdruck. Derartige Melodien machen die Stimmen müde, das ist ihre einzig sichere Wirkung. — Auch eine Ballade für Pianoforte Op. 20 (Л 2. 25) schenkte Herr Heidingsfeld uns. Auf diese machen wir die Ciavierspieler aufmerksam,

sie wird ihnen Vergnügen bereiten, denn es ist ein ffectvolte Stück, schön geformt und abgerundet. (Schluie folgt.)

VAEESCO's L'Oca del Cairo,

nach der 0 rigina I handset) rift herausgegeben von Paul (¡raf Walder нес.

L'Oca del Cairo, bramma giocoeo per Música.

(Fortsetzung.)

Scena IX. Celidora e delta.

Celidora. Eccomi, or vanne; (a Custode, or" ora Verra al giardino e già di te mi chiese. Ti seguirá frappoco. Lavina lo vado, e intanto

Osserva alternamente Se giunge colla gente a far il ponte Calandrino mía speme.

Celidora. Si, sí, va pur, qui torneremo insieme. (Lavina parte)

Aria.

Celidora. Due tenere Zilelle,

Buonine, innocentine Oppresse dalle stell? frovaro al fin pieta. Due vittime meschine D'invidia e gelosia D'un vecchio, d'un' Arpia Saranno in liberta. Saranno Spose, A ¡or piacere В chi л ' oppose Starà a vedere. 0 queuta si è una cosa

Graziosa in verità. (parte]

Scena X.

Appartamcnto di Don Pippo.

CalaodriBO, Aurelia e Chichibio ncll' Anticamera. Calandrino. Ve Ч dissi, e ve 'I ridico : m questa sera Sposi felici voi sarete, e ricchi, Altrettanto promettevi Biondello, Parché con qualche imbroglio Facetóte, che U Márchese Non passa uscir di Casa fin, cK il ponte Terminóla non lia.

Me.n vado, or nota v'è la mente mía. (parte) Aurelia. Chichibio.

Chichibio. Auretta. Aurelia. Udisti?

Chichibio. t:'di¡. Noi Sposi? Aurelia. Ami riccki, e felici. O qual contenió!

Cbicbibio. Oh guetta me la godo. Aurelia. E tu, Spotino,

Sarai ancor gelosa ? Chicbibio. lo no'l so dirti. Auretta. Verra poi il Perrucchiere?

Chichibio. Oibó. Aurelia. II Sartore?

Chichibio. Questo nemmen. Aurelia. Ma chi mi vestirá? Cbicbibio. Tu stessa. Aurella. Ma la chioma

Chi mi pettinerá ? Chichibio. /o. Aurella. Ma quest' è poco. E il Calzolajo,

П Márchese?

Cbichibio. Verra due volte all' anno. Aurelia. Più non ti voglio ; troppo sei tirarme.

Chicliibio. Via via, s'aggiusterem, andiamo, andiamo,

Giacché la sorte é qui, non la perdíame, (parlono)

Scene XI. Don Pippo, ch'esce da una porlicina segrela traveslilo in abilo

rozzo, che si va rassellando. Don Pippo. Nobilissime carni, perdónate

Se or di rustico cencío vi ricopro.

Per poco sol l'adopro,

Finché incógnito passi alta mía Rocca.

In questo estreñía giorno píú che mai

Dalí' insidie guardarla,

E atiento visitarla mi conviene.

Chi mai la fa a Don Pippo

Lo stimo certa più d'un Aristippo.

Scena XII.

Vedula antecedente délia Rocca.

Calandrino e Biondello con Falegnami, che portano le Legna per il ponle, poi Celidora e Lavina salile per mezzo d'una Scala a mano sopra le mura, indi Chicbibio ed Aurelia, alla fine Don Pippo colle Guardie délia Rocca.

Finale.*)

Su vía putti, presto, presto Implántate i cavalletti, E le travi Colle chiavi Rassodatele a dover. Capomastro, siate ¡esto, Solo un' asse vi s' assetti Senza chiassi Purch' io pasn Senza avertit da coder. Corrí, corrí Celidora,

Qui si suda e si lavara Per la riostra liberta. Bravi, bravi, allegramente,

tíia vi manca poco, o niente, E contento ognun sará. 9 ( A quel vecchio maledetto \ Mostreremo i fichi freschi f E quel Conte Lionetto \ Con gran naso restera. i Se la godremo

Poi questa sera, E rideremo [ In verità.

I Ma se il Márchese Ci arriva addosso, Л nostre spese Si ridera.

Miei Signori, oh yuai, oh ijuai ! (trsllolosa) Cosa did ? che mai fu ? ¡I Padrone è già sortito. Il Márchese non с' г più.

Calandrino.

Biondello.

Laviua.

Celidora.

Lavina e

Calandrino

Celidora e

Biondello.

Celidora,

Biondello,

Lavina e

Calandrino

Celidora e

Lavina.

a 4

Aurella. Biondello. Chichibio. Aurella.

Handschriftlicher Zusati von Mozarl: Scena XV. Mozart's Werke Serie 14 Supplement Nr. 87. Seilest. Leipzig, Breitkopf &

Calandrino.

Celidora, Lavina e Biondello.

Chicbibio.

Aurella.

Don Pippo.

Э

Celidora, Biondello. Lavina e Calandrino. Don Pippo.

a 4

Sara forse andato in Fiera A comprare qualche cosa Per Lavina sua Sposa, Qui venir non pensera.

I Ma, se pur venirci pensa,

Poiché il Diavol non fa festa, lo scommetto la mia testa, I Che ognun mal la passera. Andiam spiando Auretta mia Per ogni via Délia Città. Andiam. Se a caso

Qui 'I caceta il vento, In un momento

Saremo quá. (parlona, poi ritornanoj

Carpo di Satanasso! (da se, di lonlano)

t'usa vuol dir quel chiasso? Che diavol si lavara f Che gente è quella H? ( Ma il ponte non va avanti, Pur gli uomini son tanti, Travaglian più d'un ora. ( Che gente è questa qui? Fuora Guardie délia Rocca (verso la porta délia Colla spiedo, e colla ronca, Rocca)

¡te meco, e quei bricconi Siate preste ad arrestar. (Aurelia e Chichibio Aurella, Chichibio, i Viene la guardia corrono.)

Celidora, Lavina, I Ah siam traditi,

Biondello e Calandrino | Storno spediti, \ Ahimé, ahimè! Don Pippo cou / ¿Von c' è più tempo, gli altri. j Non c' é ragione,

I Andar prigione \ Conviene affé. Don Pippo. lo sono offtío:

La mia Eccellenza La prepotenza Soffrir non dé.

E voi pettegole (allé Ragazze)

La pagherete V accorgerete Dopa il suppé. ¡o cercavo il cardellino

Che di gabbia mi fuggt. Ascoltavo un canarino,

¡I cut canto mi rapi. Voi tácete, siete paeze, Questa é tutta falsità.

I Non han colpa le Ragaize, a b < _ . r ,

\ Tu sn paszo, già n за.

Su via, Guardie, U préndete,

In prigion U condúcete. Tullí gli all ri. Se voi Guardie vi movete

II bastone proverete Tutti. a 7 { Ed ognun si pentirá.

Don Pippo. Alto, all' armi, о miei Soldati,

Orsù via, venite a' fatti. Tullí gli allri. | Resteranno minchionati;

a 6 l A restar saremmo matti. ( Si vedrà chi vùicerà. (scappano tutti via, e le Guardie con Don Pippo gli corrono dietro.)

Fine dell' Allô Primo.

Lavina. Celidora. Don Pippo. Tullí gli allri. Don Pippo.

Atto Primo. ) Seen» IV.

Dopo il verso di Cbichibio : »Con potent! sospir, e poi lasciarle«.

Calandrioo. Già aparta è la famosa Soltnnissima Fiera, Che toi per quetta ¡era Quel vecchio rimbambiío di Don Pippo Convoca da ogni parte, affinchè faite Spettacolo pomposo alle tue noue, E a quelle delta Figlia; Ma non fia meraviglia, S"ei, che cerca ¡o «corno di Biondello, Cadra nel trabocchello come certi Pifferi di montagna tciagurati, Che iti per pi/ferar fur pifferati. Ch'ei dorma ancor non credo.

Aurelia. Sentirme a momenti

Lo tvegliarin etc.

Atto Primo.

Scene VI.

Oopo ¡I verso di Cbichibio : »lo verro poi«. seguila. Chichibio. Quanta meglio itaretti Auretta mia

Chiuta con Celidora, e con Latina

In quella Torre. ¡I Mondo al fin direbbe,

Come ti dice ognora:

Don Pippo a Celidora

Non vuol Sposo Biondello,

Ma il Conte Lionet to. Esser f Spoto

Vuol Don Pippo a Lavina, e n' é geloto.

Or ci taria la coda ;

Direbbeti, ch' ¿ moda

L'intenderti fra loro

I Servi, ed i Padroni ; onde f accorda

Tengono là in prigion le lor Ragazie,

E il Servo, ed it Padrón ton tette paae.

Spira oggi I'anno appunto, che Biondello

Al Márchese giuró ¿'entrar con arte,

O con denaro in quella Torre, e poi

Celidora tpotar. Don Pippo astuto

Rúe, e disse di Л.

Biondello è ancora qui. Stiamo a vedere,

S'oggi rietce al fin. Biondello mió,

Latciala, te 'l dich' io, latciala in Rocca:

Meglio forte tara te non ti tocca.

Arí«. Ogni momento

Dicon le Donne: etc. Siegue súbito la Scena Vil.

Védala interiore della Rocca. Camera di Celidora nella Rocca stessa. Celidora e Lavina, che ricamano.

Cavatina. Celidora. Dura torte fuña Amante,

Che ti nutre di tperanxa, E te vien l'ettremo ittante, Dubitare deve ancor! S'egli pasee d'incottanta,

Perderá i tuoi tervi Amor. Lavina. 4 me tocca lagnarmi, e non a voi

Amabil Contetsina. (scherzando)

¿Von é poi gran rocina, e a tutto male, Se la foria prevale,

) Vurcsco's zweite durch Mozart veranlasste Bearbeitung.

Celidora.

£ un giovine f erdete,

D'altro giovine al fin Spota voi riete;

Ma a me coti non va :

Per mia fatalità

S'io per do Calandrino,

Ad un vecchio m'accoppia il rio Destino. Marcliesina mia сага, о Mamma mia I (con dolce ironiaj

Altro per me non v' é fatto a pendió,

Che il mió dolce Biondello, e t'io lo perdo,

Altri dell' amor mió non ti lusinghi.

Pria pastero tolinghi

Rinchiuta in quetta Rocca i giorni miei.

E d'altro io non sarei t'io foui Europa,

E tcendette per me Giove qual toro.

Único mió ristoro

Egli é, che il Conte Lionetto è savia,

Né ancora mai rispóte

A quanta il Padre mió già gli propose.

Ama la liberta, vuol viver tolo,

Siegue il proverbio antico,

E so, che ad un Árnica

Piú d'una volt a già t" ha dichiarato :

Meglio é euer toi, che mal accompagnato. Contettina mia Figlia . . . (come sopra) Ah tralatciamo

Questi titoli vani. lo toi m'awezto

СоЛ a chiamarvi in cato . . . In ogni cato noi taremo amiche. (si baciano) Dunque, Árnica, per te te v' è un ristoro,

Niun ci tara per me? Si, la tperansa. Ah «i, che i fidi Amanti Sempre veglian per noi. Ma la Cuttode (s'ode il

campanello della Custodej

A te m'appella, forte per le noae Gli ordini mi dará. lo vado a lei Tu vanne alla tua stanza, I'm, a in giarilino M'attendi, or" or gli Amid Saranno al vareo. (parte)

Lavina. Si, sarem felici.

Cavatina, a cui servirá la Música della Cavatina antecedente. Lavioa. Ht-tlu torte d'una Amante,

Cui, te visse di speransa,

Alla fin l'ettremo istante

Ricompenta ogni dolor. Chi in amor non ha cottanta

Mai non prava arnica Amor. (parte)

Siegue la Scena VIII, che prima era la VII e cosí cangiansi di mano in mano i numeri.

Scena VIII.

Apparlamento di Don Pippo etc. Don Pippo in veste di camera, poi Aurelia. Don Pippo Oh paxxo, oh potto, o pono Paszissimo Biondello etc.

Lavina. Celidora.

Lavina.

Celidora. Lavina.

Celidora.

... *) cbe senza la scoria d'Amore sarebbe stalo ad allrí impossibile a rilrovarsi. Smosso un sasso dopo l'allro, le ríusc'i in breve di far un perlugio tale, cbe, sapendolo gli Amanii, avrebbero fácilmente poluto Гнил, e l'ultra sortira ad abboc- carsi assieme, esse dall' una, e gli allrí dall' allra riva della fossa. Ne infatli vi veonero piu di due volle, cbe il sollecilu

  • ) Prosaische Inhaltsangabe der Oper. Der Anfang fehlt.

Bioodello per virtù d'Amore vi s'imbaltè, ed avvisatone pure Calandrino, ebbero quivi occasione di trovarsi spesso con esse a ragionamenlo, consolándole colla speranza di liberarle presto con qualche felice inganno. Usó pero la sagace Celidora la pre- cauzione di coprire, ogni qualvolta ci veniva, e partiva, il per- lugio dentro, e fuori, sieche non venisse osservalo, colle sollte frond i.

Avea Biondello il superbo suo Palazzo dirímpetto a quello del Márchese, a cui non la cedeva punto ne in grandezza, e maestria, ne in bellezza, e ricchezza. Sopra il Portone magnifico vi si leggeva a caralleri d'oro rrtiflciosamente scolpiti queslo verso : Tullo con arte, ed or' ottiensi al Hondo. Questo verso era appunlo it martello di Don Pippo, ond' egli non cassava d'invidiare Biondello, molteggiandolo ad ogni tratlo, ed in ogni occasione. Yolendo dunque ad un banchetlo, ove ambidue erano Convitati, contrastargli audacemente la verita di tal motto, s'avvanzó a dirgli, che, se in prova di ció, con arte, ed oro gl¡ baslasse I'animo d'introdursi in termine d'un anno nella Torre, e s'abboccasse con Celidora, gliela darebbe in Isposa, e cib disse egli, poichè credeva assolulamenle vano ogni umano allen- l.aii, A tal proposla Biondello ridendo rispóse, che non solo sperava d'enlrarvi per arte, ed oro, ma per ordine di lui pro- prio. Hisposla si ardua era foodata sulla goffaggine del Márchese, sulle proprie riccbezze, e sull' abililà di Calandrino suo Amico. Questo era un Giovine faceto, un industrioso Inventora, e meccanico eccellenle. Era perdulamente innamorato di Lavina, ma da lei per sempliciià non corrisposlo, che freddamenle. A queslo dunque riccorse Biondello, chiedendogli consiglio, ed ajuto, e prometlendogli larghissima ricompensa. V'acconsenli Calandrino, e chiese solo per ricompensa, che, ottenendo Biondello Celidora, s'adoprasse per luí in procurargli Lavina. Bestarono d'accordo, ed essendo Panno presso a spirare, Calandrino si mise a fabbricare segrelamente un Oca di si smisurata grandezza, che polea agevolmenle capirvi un »orno, e gli riusci s\ al nalurale, che ognuno di poi oe reslava ingannato. Falta la macchina, restarono i due Amici di concertó di spedirla nascosta- mente a qualche amico fuor del Paese, il quäle qualche giorno prima del decisivo, arrivasse chiuso nell' oca con iscorta d'uoa Donna, a Bipasecca, per farla vedere al Publico, e per alienare Don Pippo a farla ammirare da Celidora, e sua Compagna nella Torre. Biondello si rimise in tullo a Calandrino, e queslo, senza pero Гаг roenzione all' Amico di Panlea, e della loro corrispon- denza, spedl l'oca a Panlea in un luogo di là dal mare, ove ella tullo incógnita soggiornava, informándola d'ogni cosa, partico- larmente delle operazioni, che dello animale doveva Гаге, con

disegno, che avesse poi ad entrarvi Biondello, e cos\ venir in- Irodollo nella Torre. Le raccomanda d'arrivare al termine pre- flsso, e di venir traveslita in maniera, che non possa essere scoperta da Persona alcuna. Avea Don Pippo destínala sua Figli» ad un ceno Conté Lionelto di Casavuola, conlea sitúala trema miglia lungi da Bipasecca ; il tullo pero senza saperne la di lui intenzione. Egli gliela esibi in vero con una sua leltera, a cui pero fl Conle, uomo amante della liberta, perció alieno dal Matrimonio, non diede giammai risposta, molto meno inlenzionalo di venirvi in persona. Su queslo vano fondamenlo di tali nozze, e delle sue con Lavina, per publicamente mortificare, e svergognare Biondello, di cui egli sempre si burlava, un mese prima, che spirasse l'anno accordalo a Biondello nel publico Bancbello, invitó con lettere circolari lulli quelli del suo vici- nalo, e di allri contorni ad uní gran Fiera, che doveva serviré a solennizzare colla quanlita di Popólo più pomposamente il giorno di dette nozze. L'anno è già alla lin«, spunla il giorno fatale, e già la Fiera incomincia con innumerabil concorso.

NB. Qui incomincia l'Azione del Dramma.

Il giorno s'avvanza, e Panlea coll' oca non comparisce ancora. Biondello e Calandrino ne sono eslremamente agilati, tanto più, che vedono lurbarsi il mare, e già più non dubitano dell' ullima loro sciagura. SI dura oecessilà, disperando dell' oca, suggerisce a Calandrino di gettare cosí in fretta un ponte su quella parte occulta della fossa, dove essi eran solili conve- nire colle loro Amanti. Consullano assierae, e Irovano necessa- rio dar buone parole, e promelier buona somma di denaro aü Aurelia ed a Chichibio, con sicurezza di farli Sposi ricchi, e felici ancor in queslo giorno, purcbè almeno per un ora, finché Tosse falto e geltato il ponle, nascondessero al Márchese i suoi vestiti, sieche non potesse sorlire, slandosene essi miento lon- lani dal Palazzo. Cosí si fece, e quesli promisero il tullo, ma poi inebriati dalla speranza, e perdutisi in ragionare de' loro amori e della vicina loro felicita, Iroppo si Irallengono per via, ed intanlo il Márchese vestilosi da se, esce sosi solello, ed essendo in quel giorno più sollecilo, che mai, va visilando tulti i conlorni della Rocca, finché giunge al luogo, dove trova cbi lavora a fabbricar il ponte. Chicbibio ed Aurelia, andali troppo Urdí a Casa, s'avvedono, che il Padrone non c'è, corrono ad avvisaro Biondello e Calandrino, esser egli sorlilo, trovansi quivi lulli, ed anche Celidora e Lavina , che erano veoule per una ecala a piuoli sulle mura a veder fabbricare il ponle, nasce un gran contrasto, che servira di Finale del primo Alio. (Schluss folgt.)

ЛЛ KE

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Verleger: J. Rieter-Biedermann in Leipzig und Wintenhur. — Druck von Breitkopf 4 Härte! in Leipzig. K> ; 'ditidii : Leipzig, Rabeosteinplatz 1. — Redaction : Bergedorf bei Hamburg.

Di« Allf »meine HQfukftHech« Zeitung rtcheiat nntaliitf »n jedem Mittwoch und ist euch »Ile Poettmter und Bach- n beziehen.

Allgemeine

Frei.: Jtbrltck 18 Hk. VteUUlkrileM Prinum. 4Mk. 50 Pf. Anzeigen: die geaptl- teno PetitieUe oder deren Bum 34 ft Briefe und Gelder werden trinco erbeten.

Musikalische Zeitimg.

Verantwortlicher Rédacteur : Friedrich Chrysauder.

Leipzig, 22. November 1882.

Nr. 47.

ХУЛ. Jahrgang.

lobalt: Niederlandische Organisten. II. J. B. Lilian. — Der Buchstabe E im Gesänge. — Musikalischer Verlag von Jul. Hainauer in Breslau (Compositionen von RobertSchwalm, rloberl Emmerich, E. Hillmann, Ingeborg von Bronsart, Jacob Ehrhardt, Josef Gauby, Louis Kehler, Gustav Merkel, Moritz Mos/kowski, Bernhard Scholl, Ed. Lassen und Ernst Flügel). — Varesco's L'Oca del Cairo. (Schluss.) — Berichte (Leipzig). — Anzeiger.

Niederländische Organisten, II. J. B. Litzau.

Selbst dem weniger Bewanderten in der Geschichte der Musik ist es bekannt, dass die Niederlande im 16. und 46. Jahrhundert die bedeutendsten Männer auf dem Gebiete der Musik erzeugten, die sich um die contrapunktische Entwicklung der Tonkunst unvergessliche Dienste erwarben.

Selbst jetzt noch, obgleich Niederland sich nicht mehr eines so grossea Einflusses auf dem Gebiete der Tonkunst rühmen kann, ist uns mindestens doch noch eine sehr ernste Richtung in dem Orgelspiele erhalten geblieben, wovon die in streng conlrapunktischem Stile geschriebenen Werke des niederländischen Organisten, die wir in seiner hiernach folgenden Biographie zur Sprache bringen, einen treffenden Beweis liefern.

Johanne» Barend Litzau, zu Rotterdam am 9. September 1822 geboren, erhielt in seinem achten Jahre den ersten Cla- vierunterrichl von J. B. Bremer, Organist bei der evangelisch- lutherischen Gemeinde zu Rotterdam, darnach genoss er für mehrere Jahre gleichen Unterricht von dem so anerkannt tüchtigen Musiker J. B. Tours, Organisten an der Grossen oder St. Laurenzkirche und Musikdirector zu Rotterdam.

Als Knabe schon erwarb sich Litzan durch sein Clavierspiel vielen Beifall in den Concerten seiner Vaterstadt, und durch die literarische Erziehung, die ihm bereits in seiner friiheslen Jugend in dem elterlichen Hause zu Theil wurde (sein Vater war Literat von Beruf, der ihn stets dafür zu interessireo suchte), war Litzau befähigt und geneigt, die Musik nicht allein praktisch, sondern auch wissenschaftlich auszuüben.

Frühzeitig schon widmete er sich der Harmonielehre, den contrapunklischen Studien und suchte sich vertraut zu machen mit der Geschichte der Musik. Auch zeigte sich alsbald Vorliebe für das Orgelspiel und musste ihm zu diesem Studium ein »lies Clavecin mit zwei Manualen, mit angehängtem Pedal, dienstlich sein. Die theoretischen Werke, welche Litzau ohne Meister mit Fleiss und Ausdauer studirle, waren von Fuchs, Reicha, Marx, Cherubini, Dehn, Bellermann etc. und bildete er sich unterdessen zu einem tüchtigen soliden Organisten aus, durch gründliches Studium der Orgelcomposilionen von Fresco- baldi, Buxlehude, Sweelink, Pachelbel, J. S. Bach, Händel, als auch der zu der späteren deutschen Organistenschule gehörenden Werke von Krebs, Kinck, Hesse, Ritter elc. Mit seinem 10. Jahre wurde Lilzau Organist bei der evangelisch- presbylerianischen Gemeinde zu Rotterdam und 4855 ward ihm die Ernennung als Organist der evangelisch-lutherischen XVII.

Gemeinde, in welcher Stellung es ihm ermöglicht wurde, da er eine ziemlich gute Orgel zur Verfügung halte, durch das Veranstalten von Orgelconcerten die Werke der grössten Meister vorzutragen und seine Tüchtigkeit als Orgelvirluos zu con- slaliren. 4880 feierte Litzau unter grosser Anerkennung seitens des Kircbenraths seiner Gemeinde, seiner Collegen, Schüler und Freunde sein 25jähriges Organisten-Jubiläum bei genannter Gemeinde.

Auch als Lehrer für Piano, Orgel und in der Theorie war und ist Litzau jetzt noch eifrig thätig und ist es eine grosse Anzahl Lehrerinnen und Lehrer, die ihre musikalische Ausbildung von ihm erhalten haben.

Verschiedene Werke für Orgel, sehr abweichend in Art und Form, sind von ihm publicirt. (852 gab er heraus : De Melodien der Gegangen, zum Gebrauch bei der evangelisch-lutherischen Gemeinde in den Niederlanden, für Orgel oder Pianoforle vierstimmig bearbeitet (Rotterdam, W. F. Lichtenauer), nebsl Anhang, enthaltend die Biographien der Dichter der Lieder und der Componisten der Sangweisen. In der niederländischen musikalischen Zeitschrift »Caeciliat wurde ebengenannles Werk durch unsern so verdienstlichen A. G. Ritter, Organist an der Domkirche zu Magdeburg, sehr günstig beurlbeill, und wird das Werk beute uocb gekauft, wenn es sich um gründliche Ausbildung im Choralspiel und geschichtliche Kenntnissnahme des Kirchengesanges in Niederland bandelt.

Im Jahre 4854 erschienen: De Melodien der Psalmen, Lof- en Evangelischen Gelangen, zum Gebrauch bei der reformir- ten Gemeinde in Niederland, für Orgel oder Pianoforte vierstimmig bearbeitet (Rotterdam, G. Aisbach & Co.), welches Werk ebenfalls durch den berühmten A. G. Rilter in der »Caeci- liai sehr günstig beurlheilt wurde.

Kurz hierauf erschien von Litzau dasselbe Werk (Rotterdam, Lichtenauer) für Gesang dreistimmig bearbeitet, welches mit vollem Recht unter den dreistimmigen Choralbüchern einen ersten Platz einnimmt ; darauf folgten 32 Melodien aus den christlichen Gesängen für die evangelisch-lutherische Gemeinde in Niederland für Gesang, meisterhaft dreistimmig bearbeitet, und zuletzt: De Melodien van den Vervolgbundel op de Evangelische Gezangen, für Orgel oder Pianoforte oder gemischten Chor, vierstimmig und mit Vor-, Zwischen- und Nachspielen versehen (Rotterdam, G. Aisbach & Co. 4869). Auch dieses Werk kann als Muster-Choralbuch gelten, da es nicht nur kurze vortrefflich gearbeitete Vorspiele, als Einleitung zu den ausgezeichnet harmonisirten Chorälen enthält, sondern gleichfalls mit einfachen Zwischen- und Nachspielen versehen ist.

Haben wir Litzau nun in vorvermeldeten Werken als um-

47 sichtigen tüchtigen Musiker in seinen Choralbüchern kennen gelernt, nicht weniger zeigt derselbe sich als begabter Compo- nist in den nachverzeichneten in Rotterdam bei G. Alsbacli & Co. erschienenen Original-Orgel-Compositionen.

Opus 8. Praeludium und Fuga über einen Bussgesang der Hussiten aus dem (!.. Jahrhundert.

Opus 9- Chor der Priester »Hit НагГ und Cymbeln singt« aus Salomo, von G. F. Händel.

Opus 10. Canon und Variationen über ein Morgenlied der Böhmischen und Mürrischen Brüder, aus dein 46. Jahrhundert.

Opus t 4. Einleitung und Variationen über ein Abendlied der Böhmischenund Mährischen Brüder, aus dem 4 6. Jahrhundert.

In der Allgem. Musikal. Zeitung 1878 Nr. 32 wurden die vier genannten Werke durch den Herausgeber sehr günstig be- urlbeüt.

Bald darauf erschien eine Arbeit, durch Jedermann bewundert, nicht allein wegen der ursprünglichen Form, sondern auch wegen der contrapunktischen Gelehrtheit, die überall durchstrahlt; es ist sein Opus 12 :

Einleitung, Variationen und Choral mit Fuge über ein Sterbelied, aus dem Mi. Jahrhundert.

Die weiteren Werke sind: Opus 13, 32 leichte Praeludien oder Vorspiele, in den bei dem Choralspiel gebräuchlichen Tonarten, für Orgel, Harmonium oder Pianoforte.

Opus ) i. Einleitung und Doppelfuge(D-moll)im freien Slil zum Concertvortrag, ist eine der grossarligslen Fugen für Orgel unserer /eit, die jedoch, um nach Gebühr vorgetragen zu werden, einen Orgelspieler ersten Ranges erfordert.

Opus 15. Einleitung, Fuge und Variationen über »Christ ist erstanden von der Marter alle«, besieht aus einer kurzen Einleitung, worauf die alte Choralmelodie als Hauptgedanke folgt. Oie erste Variation giebl den C. T. in dem Sopran mit einer Figuration in den drei übrigen Stimmen ; die zweite Variation bringt die erste Choralregel als Fugenlhema bearbeitet in einer interessanten vierstimmigen Fuge in der dorischen Tonart, mit einem Conlrasubject in der Duodecimo, wogegen selbst der strengste Fugenkeuner nichts anzumerken wüssle. —- Variation 3 hat das C. T. ¡n dem Pedal mit einer contrapunklischen Figuration für vier Stimmen in dem Manual, das mit Recht ein Meisterstück in der Bearbeitung mag genannt werden. — Variation t hat das allehrwürdige Kirchenlied fünfstiinmig in den Manualen, während das Pedal dagegen mit einem Contrapunkt in Octaven sehr glänzend agirt.

Opus Mi besteht aus einer Sammlung von kurzen Orgelslücken unter dem Titel : Choralbearbeilungen und leichte Stücke, in sechs Heften, wovon drei bereits erschienen. Heft I umfasst /,\vei interessante Choralphrasen über »Komm heiliger Geist« und »Der graue Winter weit und breit«. Heft II enthält eine günstig aufgcfassle Transcription über »Ihr Augen weint« aus dem Oratorium »Der Tod Jesu« von Graun , die für Orgelcon- cerle sehr zu empfehlen ist, und eine meisterhafte Choralfuge über »Christ lag in Todesbandeo«. Heft III bringt eine sehr schöne Transcription über »Qiiando corpus morietur« aus dem Stubat Mater von Pergolesi, nebst einer ausgezeichnet conlru- punklischen Choralbearbeituug über »Jesu, nun sei gepreisel«.

Opus 47, <las erst kürzlich erschienene Werk von Lilzau, 16 kurze Präludien, enthält sehr schöne und zugleich conlra- punkliscli vortrefflich gearbeitete Vorspiele.

Ferner sind früher (4873} noch bei denselben Verlegern, G. Alsbach & Co. in Rotterdam, von Lil/a» erschienen: 5 Ca- pricen, 4 Canzooen und 8 Ricercaren aus II primo libro di Ca- pricci, Canzon francese e Ricercari cli Girolamo Kru.-cobaldi, Organista di San l'ielro di Roma 4626, für die Orgel bearbeitet und mit geschichtlichen Erklärungen versehen, und weiter im Jahre (874 noch 4 Capricen , 4 Canzonen und 2 Ricercaren. Genannte Bearbeitungen wurden in Nr. 3l der Allgem. Musik»!.

Zeitung 4878 durch den Herausgeber gleichfalls sehr günstig beurtheilt.

Wir begnügen uns mit diesen kurzen Nachrichten über Leben und Werke eines Künstlers, welcher seinem Vaterlande zur Zierde gereicht und auf die Theilnahme aller Kunstgenos- sen berechtigten Anspruch hat.

Der Buchstabe E im Gesänge.

Ueber die Physiognomik der deutschen Sprache, ihrer Klangperspecliven und Tonschatlirungen bei Übertragung auf Gesang, liesse sich ein Buch schreiben, denn ihre vollständige wahrheitsgetreue Wiedergeburt und Veredelung im Erklingen als Unterlage musikalischer Phrasen zu erzielen, bedarf es nichts weniger, als ihre Zerlegung in ihre einzelnen Theile, unter specieller Prüfung ihrer Selbst- und Mitlauter, ihrer einzelnen Silben im Verhältnis» zum ganzen Worte, und ihrer einzelnen Worte zum ganzen Satzbau. Das Genie der Musik gehl nun einmal über das Genie der Sprache, und wer beide verbinden soll, wird in die Gefahr geralhen , die Behandlung des Wortes über die Behandlung der Melodie zu vergessen, oder nach keiner Seite voll gerecht zu werden.

Wir wollen unter der Massenhafligkeit des Malerials nach solcher Richtung nur die Specialiliit des Buchstabens »r« in seineu verschiedenen Klangfarben, je nachdem er Wurzeloder Nebeo-Wccbselsilbeu bilden hilft, in das Auge fassen.

Die französische Sprache bezeichnet ihre hell, scharf, grell und breit erklingenden «'s mil in das Auge fallenden Accenlen, während sie das nicht in das Ohr fallende, dumpfe, im Klang- colorit verwischte »e« der Neben- und Anhängesilben, jeder sichtlichen Accentuirung beraubt. Ein Franzose und selbst der Unwissende in der französischen Sprache, welcher ihr Genie nicht ganz erfasst bat und nicht ganz von ihm erfasst ist, wird keinen Augenblick in Zweifel sein, welchen Klangcharakter er dem Buchstaben e bei seinem Erscheinen in der französischen Sprache im Verlauten zu geben bat.

Anders sieben wir Deutschen dem e in unserer Sprache gegenüber, hauptsächlich der systematischen Klaugfärbung des stummen e, wie es die Franzosen nennen, in End- und Wechselsilben. Ohne die eigentümliche dunkle unbeslimmte Miscb- färbung dieses Buchstaben in der Regel ganz erkannt und in Behandlung zum Syslem erhoben zu haben, werden wir, man möchte sagen, instinktmässig in gebundener und freier Rede im Verlauten das Richtige treffen. Etwas Anderes ist es aber, wenn unsere Aufmerksamkeit bei Unterlegung des Textes im Gesänge von der Sprache abgelenkl wird, und wir unwillkürlich mehr auf den Ton als auf das Worl und seinen sprachlichen Zusammenhang hören.

Diese Klippe nun, an welcher selbst hervorragende Sänger und Sängerinnen im Vereinbaren guten Sprechens und Singens scheitern, lässl sich in Bezug auf Behandlung des Buchstaben e zur Einhaltung der Dynamik des Wortes leicbl umschiffen. Dabei sei vorausgeschickt, dass ich nicht etwa im Wahne stehe, hervorragenden Gesangskünsllern und -Künstlerinnen, sowie Lehrern der Dialektik und Declamation gegenüber etwas Neues sagen zu wollen, denn in hohen Kreisen ausführender Grossen und wissenschaftlicher Forscher des Erklingens der Sprache ist man längst zur Specialisirung der Klangfarben unserer Vocale in ihren einzelnen Nüancirungen geschritten; ich schreibe aber für das Gemeingut des Volkes, für Kirche, Schule und Haus.

Ich selbst bin also auf dem Wege Jahre langen Vergleiches der hervorragendsten lebenden Sprachen untereinander und auf Jahre lange Studien bin, die Grammatik der Musik mit der Grammatik der Sprache in ihrer Vereinigung im Gesänge in Einklang zu bringen, zu der Anschauung gelangt, dass hauptsächlich das stumme t in unseren Wechselsilben identisch ist mit dem e muet in der französischen Sprache. Horchen wir genau hin beim Worte : »gelesen«, so finden wir, dass die beiden Wechselsilben »ge« und »en« dumpf und hohl lauten, mitten im Munde, ohne jede Vorwärtsschiebung der Lippen, den Laut entscheidend vernehmbar zu machen. Die Klangfarbe dieses e's (rügt den Charakter des »o« ohne Lippenbcwegung, genau wie der Franzose sein me, le, te, je aussprichl.

Sänger, welche sich auf diesen Standpunkt mit mir stellen können, werden überrascht sein, wie leicht ihnen dann die Behandlung des Buchstaben »e« in systematischer richtiger Betonung wird, denn nicht in Haupt-, sondern in Nebensilbcn bietet er uns Schwierigkeiten.

Man horche nur auf das »Lebe wohl« in »Wer hat dich du schöner Wald« von Dilettanten gesungen, und man wird mir zugeben, dass alle möglichen Klangmischungeu des Buchstaben иен darin abwechseln und sich unter einander verwechseln, nur nicht diejenige der richtigen Schattirung der Haupt- und Nebensilbe. Gesprochen wird jeder Sänger dem richtigen Colorit wenigsten« annähernd geniigen. Singend wird er in den alten Kehler fallen, aus Mangel an Classi&cirung der in Hauplsilben volllautenden und in Nebensilben dunkel und verwischt lautenden »««'s.

Ob sich nun nach Volks-, Kirch- und Schulgesang bin zur Verfeinerung und Hochhaltiing der Sprache als Text, in obiger Richtung Etwas thun lässl, vermag ich nicht zu beiirlheilen. Wie dem aber auch sei. wollte ich nicht umhin können, dieses Gebiet der Verlautbarung unserer Sprache, hauptsächlich im Dienste des Gesanges, zur Sprache zu bringen.

Gotha. IIrinn Hugo,

Gesanglehrer am Tietx'schen Conservalorium.

Musikalischer Verlag von Jul. Haitianer in Breslau.

(Schluss. )

». Hebert SckwalM liefen ebenfalls Lieder: Drei Trinklieder Op. 3Î (Л I. 50) , Zehn Baryton-¡jeder aus Scheffel's Trompeter, Op. 3i (uf 4), und Vier Lieder aus Wolffs Wildem l.i-'t-r, Op. 36 '.(/!. Die »Trinklieder« sind natürlich für Bass; die beiden ersten sind geschmacklos, das dritte ist besser und einfacher, obwohl auch noch nicht hinreichend sangbar. — Die Lieder aus dem Trompeter von Säkkingen sind in der Anlage durchweg einfach , was wir denselben zum Lobe nachsagen wollen. Wäre dabei die Melodie bedeutender und der Ausdruck natürlich, so könnten diese Compositionen unter den vielen , zu welchen SchefTel's Worte die Veranlassung waren, wohl eine bevorzugte Stellung sich erobern. Leider ¡st das aber nur hin und wieder der Fall, dagegen der Ausdruck dann, wenn er etwas Bedeutendes sagen will, nuninert und durch falsche Dramatik entstellt. Man vergleiche z. B. nur S. 6 »verstummten meine Worte« bis »schwellende Accorde«. — Von den vier Liedern Op. 36 ist das erste im volksliedartigen Halladenstil gehalten und nicht ohne charakteristische Anmulh. Dass Herr Scliwalm kein Säuger ist, zeigt er aber auch hier in jeder Zeile; er mullid dem Vortragenden zu, das zweigestrichene g wie das kleine a mit gleich ausdrucksvoller Stimme 7.U singen.

5. Knbi r! rimiurrirli steht in Her Opuszahl schon höher als H. Schwalm, denn er bringt Srcla Baus - Lieder als Op. üO .K 1. 75) zum Druck, aber in der gesanglichen Kunst oder (Jnkunst sind sie einander gleich. Dem ohen aus Schwalm angeführten Beispiel stellen wir hier aus dem ersten Liede die

Stelle »Waldesrunde — und aus den schönen Augen« (S. 4) an die Seile; und wer daran noch nicht genug hat, der nehme den Schluss S. 6 hinzu, wo der Gesang In halben Noten f <u h с aufsteigt — in einem Cdur-Gesange! Unnatur genug auf engem Räume! Auch das folgende »Trinklied« ist nicht besser.

6. E. ННщам publicirt Drei Lieder (.41 \. 50) ohne Opuszahl, und wir erinnern nicht, dem Autor schon anderswo begegnet zu sein. Er zjifit natürliche Empfindung füi Gesangmelodie , weiss auch musikalische und poetische Elemente mitunter sehr gut zu verbinden, worauf es bei Liedern wesentlich ankommt. Der harmonische Eindruck wird durch die guten Texte erhöht, welche der Componisl gewählt hat. Die Cadenz Seite 5 »in des Schilfes grünen Kranz» beweist unter ändern, dass das rein Melodische bei ihm auch noch nicht genügend zu seinem Hechte kommt, wie er denn ebenfalls nach beliebter moderner Unart mit unreinen Quinten operirt ; man sehe den Anfang des genannten zweiten Liedes.

7. ligekerg Tm Brtiaut veröffentlicht als Op. (6 Fünf Lieder. Diese Dame ist zunächst Pianistin, was sich auch bei sämmtlichen fünf Liedern zeigt, deren Begleitung eine gewandle Hand und jenes lockere Spiel erfordert, welches den Virtuosen erb- und eigenthümlich ist. Von diesem Gesichtspunkte betrachtet, sind die Stücke interessant. Der eigentliche Ausdruck kommt bei dem pianistischen Krimskrams allerdings hie und da ins Gedränge, und Stellen wie »er liebt dich« (S. (z) streifen ans Komische, was doch die Componistin gewiss nicht beabsichtigt hat. Um ihr schönes Talent recht frisch zu bewahren, wäre möglichste Sparsamkeil im Drucken der Compositionen besonders zu empfehlen. Es ist eine alte Täuschung, das für bedeutend zu halten, was man als gewandter Spieler zusammen phanlasirt. Im Grunde ist das doch nur für die näheren Hausfreunde bestimmt, denen es aufrichtige Freude machen muss, und von diesem Standpunkt hat man auch die Compositionen der Frau v. Bronsart zu betrachten und rühmend zu erwähnen.

8. Jar*b Khrbardt legt als Op. t Acht Liedlein aus des Knahen Wunderhorn vor und befiehlt uns, sie stracks »den Kleinen vorzusingen«. (Es sind zwei Hefte à z ,.4l.) Wenn die Kleinen sie aber nicht hören wollen, Herr Ehrhardt, wie dann? Die »Kleinen« sind in ihrer Art ganz hartnäckige Kritiker, und da wir dem Komponisten In dieser Hinsicht keine besonders glänzende Aussiebten eröffnen können, werden wir lieber gar- nichts sagen. Luther gab einmal den Rath, wenn man populär schreiben wollte, müsse man den Leuten auf den Mund schauen. Unsere Musiker, die Kindern und sonstigem Tolk zu Dank singen wollen, möchten gut thun, den Ausspruch des genannten Sachverständigen zu beherzigen.

9. J**ef Gaibj liefert Mancherlei. Zunächst einen Meeresabend für Männerchor mit Tenorsolo, Op. 9 (jt \. 50). Die kleine Pièce beginnt Gis-moll und endet As-dur. — Zwei Lieder, Op. l i (.41 I) sind nicht von sehr froher Stimmung, befriedigen im Einzelnen, aber nicht ¡m Ganzen. — Drei Lieder mis Slider's Gedicht »Eliland«, Op. (9 (Jt I. 50) sind für eine »hohe« Stimme bestimmt. Der Kosenzweig Nummer < gestaltet in A-moll melodisch wie harmonisch ein glückliches Bild, nur in der Declamation (vergl. »vom Pfade am grünen Strand», S. l, nebst den

Г

l'arallelstellen) hat Herr Gauby seine eignen Ansichten , was uns schon aus den vorhin erwähnten Liedern klar wurde. Der kleine Uebelstand wird indess durch den markirlen Htivthmn.s der Melodie ausgeglichen oder doch verdeckt. Das zweite Stück »Am Strande« ist fast ebenso anziehend. Das dritte »Mondnachl« /.eigt besonders in der letzten ll.ilflc, dass der Autor keine Ge- saiigeludien gemacht hat ; das dort Gesetzte ist sprach- wie stimmwidrig, ermüdet dea Sanger und macht wirklichen Ausdruck unmöglich. — Dem Quartett mit Tenorsolo Op. < 8 (Partitur 50 ,ffi\ sieht man es ebenfalls sofort an, dass es nicht aus einer richtigen Gesangschmiede stammt; was der eine Tenor singt, steht zwar auf einer Linie für sich, aber ein wirkliches Soio ist es damit noch lange nicht. — Von den Sieben Clavier- stücken, Op. l 6 (Л 1) hätten vier ungedruckt oder noch lieber ungeboren bleiben können, die übrigen drei sind hübsch. — Sieben andere i-haruklcriitische Ciavierstücke führen ausserdem noch die Firma »In kleinen Formen«, Op. 47 (Л 1) , man könnte also wohl auf die Yermuthung kommen, dass sie besonders für kleine Leute bestimmt .seien. Dem ist aber nicht so, denn der Vorirag erfordert lange Finger. Wir waren bemüht, auch in diesem Hefte drei hübsche Stücke ausfindig zu machen, aber ohne Erfolg. — »Lyrische Studien« nennt er die .jüngst veröffentlichten Drei Ciavierstücke Op. 10 (Л 1), welche laut und deutlich iMeinem lieben Weibe in Treue zugeeignet« sind. Das erste Stück soll ein »Müllerlied« sein; warum, weiss man nicht. Das zweite ist ein »Phantasielanz«, vielleicht mit seinem lieben Weibe in Treue. Das letzte ist ein »Reigen», also abermals ein Tanz. Dass Tänze vorzugsweise »Lyrische Studien« sein sollten, ist etwas Neues. Studien müssen überdies reellen Inhalt haben, hier sind aber vorwiegend Phrasen in einem sehr Zweifelhaften harmonischen Gewebe vorhanden.

10. Ltlli Hehler ist ebenfalls Pianist und Clavierlehrer, wie die Vorigen, aber klüger als seine jüngeren Collegen ; denn ale richtiger und altgedienter Schuster bleibt er bei seinen Leisten, was die folgenden jüngsten Producte aufs neue zeigen. Op. 301 : Kleine. Clavier-Etuden nebst beliebten Melodien ohne Unter- und Uebersetzen und ohne Oclavengriffe (A 3. 50); — Op. 303 : Beliebte Melodien in Etüden zum Nutzen und Vergnügen im Clavieruoterricht (A i. 50) ; — Op. 304 : Leichte Stücke zur Hebung nnd Vergnügung für jugendliche Clavier- spieler (Л 1. 15); — Op. 305: Volkmelodienkranz für Clavier zurUebung und zum Vomblattspiel '.4t i. 50); — Op. 306 : Zwei- mu/ vierhändige beliebte Melodien nebst Etüden zur ('.!;> vierübung (Ulf 3) ; — Op. 307 : /93 tägliche Clavierübvngen in allen Tonarten ohne Unter- und Uebersetzen (A k. Í5); — Op. 308 : Clavier-Etuden für Vorgeschrittene zur Beschleunigung der technischen Entwicklung [,4f 3. 75). Die Etüden Op. 301, denen einige anleitende Worte vorgesetzt sind, werden überall mit Nutzen gebraucht werden können. Die »Beliebten Melodien« Op. 303 sind vielleicht bestimmt, eine grosse Verbreitung zu erlangen, denn sie erbeben sich weit über die gewöhnlichen Arrangements dieser Art und können als originelle, gediegene und höchst nützliche Debungen Allen empfohlen werden. Die <91 täglichen Uebungen, Op. 307, möchten sich ebenfalls neben allbekannten Meister-Etüden behaupten, denn durch die Berücksichtigung aller Tonarten und namentlich auch noch durch die kurze, precise Fassung dürfte es diesen Uebungen leicht werden, sich Freunde zu gewinnen. In Summa ist in obigen sieben Uebungswerken schon so ziemlich der ganze Lebenslauf eines geplagten Clavierspielers vorgezeichnet. Bedenkt man aber, was Herr Köhler sonst noch alles zu unterrichtlichen Zwecken zusammen arbeitete, so wird Jeder gestehen müssen, dass der Verfasser Ursache hat, über sein wohl assortîtes pädagogisches Lager vergnügt zu sein.

< 4. GuteT lerkcl legt eine Reihe vonClavierslücken vor — Op. 441: Impromptu (A 1) ; — Op. (43: Stimmungsbilder in vier Heften (à A l. 50 bis A 4. 75) ; — Op. 4 54 : Zwei Rondot in zwei Heften (à A 4. 25) ; — Op. 459 : Rhapsodie (Л 4. 50); — Op. 464 : Lyrische Blätter, fünf Ciavierslücke in fünf Heften (à 75 .'ff bis 4 .#.. Der Autor hat nicht selten eine glückliche Hand; was er dann schreibt, spielt sich gut, wird daher gern gespielt. In seinen Stimmungsbildern ist Stimmung, die Rondos haben gute Form (Nr. 4 bat auch hübsche

Gedanken) und die beschreibenden oder malerischen Stücke sind ebenfalls durchweg angenehm.

4!. riti iMlkomki bringt Drei Gedichte im Volkston, Op. 16 .41 t. 15). Besagte Gedichte sind nicht mehr im Volkston, als hundert andere, die nicht im Volksion sind. Das erste »Gedicht« (der Autor kennzeichnet sich durch die Bezeichnung als Jungdeutscher) hat eine einfache gehaltvolle Melodie, das zweite eine breitgetretene und gesuchte, das letzte balladenmassig gestaltete eine anmulhig frische und ausdrucksvolle, soweit solche Eigenschaften bei der mangelhaften Ausbildung des Autors im Vocalsatz zur Gellung kommen können. Dieser Musiker ist ebenfalls vorzugsweise Pianist, und seine Barcarole Op. 17 Nr. 4 (A 1. 15) , Tarantelle Op. 17 Nr. l (Л l". 50) und Miniatures Op. 18 (A 4) werden Spielern, je nachdem sie sind, Vergnügen bereiten. Die fünf Minialuren sind am einfachsten und mit massiger Gewandtheit zu bewältigen. Drei Stücke für Violoncell und Ciavier, Op. 19 (.41 i. 50) sind zu empfehlen, namentlich das erste und drille. Fügen wir hier gleich ein ähnliches Werk für ein Saiteninstrument an, nämlich von

4 3. Bf rehtrd Srhelz die Sonate für Violine und Clavier, Op. 55 (.ti 5. 50), eine mit grossem Fleiss ausgearbeitete Composition, deren Motive freilich etwas gesucht oder unbedeutend sind und daher nicht eine besonders in die Augen fallende Wirkung haben. Es ist immer misslich, für ein Instrument zu schreiben, welches man nicht selber wie ein Meister handhabt; wer diesen Mangel nicht durch besondere Gedankenfülle verdecken kann, der unterzieht sich einer undankbaren Aufgabe.

44. Kduard lassen hat es bereits über Op. 70 gebracht, und der Herr Verleger lässt fast die ganze Seile des Umschlagtitels frei für folgende Opera, woraus wir schliessen, dass seine Muse noch in der Periode voller Fruchlbarkeit sich befindet. Von Liedern hat er schon 15 Hefte in Hainauer's Verlag herausgegeben , deren beide letzte uns vorliegen : Sechs Lieder Op. 74 (.4/. 3. 50) und Sechs Lieder Op. 71 i.# 3. 50). Aas dieser grossen Zahl gedruckter Gesänge wird man den Schluss machen, dass ihre Verbreitung ebenfalls eine entsprechend grosse sein muss. Vielleicht ist das auch der Fall. Jedenfalls sind diese Lieder in ihrer gewandten Mache, der geschickten Anschmiegung an die Gefühlweise der Gegenwart, wie an die Bedürfnisse der Singenden, sowie in ihrer gesanglichen Unnalur ein charakterislisches Zeichen für den Zustand des Sologesanges in unserer Zeil. Das jüngste Product Lassen's enthält Musik tu Calderón's Schauspiel ,Ueber allen Zauber der Liebe' Op. 73 (Ciavierauszug Л 5), eine melodramatische Composition , wie der Autor deren schon mehrere an den Tag gebracht hat. Seine mehrslimmigen Gesangsätze sind hier wieder so dürftig, incorrect und unnatürlich, wie früher, was unausbleiblich ist, wenn man keinen anderen Muslern folgt, als der modernen Oper.

4 5. Ernst rïugel's Composition des Goelhe'sclien Mahomet's Gesang alsConcertslück für Chor und Orchester Op. Î4 (Ciavierauszug Л 6) ist von ziemlichem Umfang, und es würde uns grosse Genugthuung bereiten, hinzusetzen zu können, dass der Gehalt dem Umfange entspricht. Wenn dies leider nicht der Fall ist, so kommt es namentlich wieder daher, dass der Autor für Gesang schreiben will, ohne Gesang und besonders auch mehrstimmigen Vocalsatz studirl zu haben. Man vergleiche S. 5 »gute Geister«. Wie ist nur solche Unnatur möglich, wo das Richtige, Wohlklingende und Herzerfreuende doch so nahe lag ! Da wird man denn auch seinen Psalm /2/ für gemischten Chor, Soli und Orchester, Op. ÎÎ (Clavierauszug A 6), mit welchem wir unsere heutige Besprechung abschließen, ohne besondere Erwartungen zur Hand nehmen. Wenn diese Autoren mit ihren zum Theil äusserlich gross angelegten Werken nicht den entsprechend grossen Erfolg haben, so ist gewöhnlieh die »absprechende Kritik» schuld daran. Mögen sie nur erst lernen, dass es viel leichter und auch weil angenehmer isl, zu loben, als Ausstellungen zu machen.

VARESCO's L'Oca del Cairo,

nach der Originalhandschrift herausgegeben

von Paul «¡ruf Waldersee,

L'Oca del Cairo.

üramma gioeoeo per Música. (Schlags.)

Il seconde Alto incomincia con una tempesta di Haré. Il Cielo è пего, tuona e lampeggia. Il Hare è tullo sconvollo. Si vede di lonlano una nave, che travaglia per arrivnre in porto ; un vento impetuoso finalmente ve la spinge. V'accorra gran Popólo, ma, primi d'ogn' altro, Biondello e Calandrino tutti giulivi, che ¡nvitano ¡I Popólo, e qtielli, che sbarcano, a cantare, durante lo sbarco, un piccolo Coro d'allegrezza. Sbarca quanlilà di Gente, che viene alia Fiera. L'ullima di tutti è Pan- tea , che si ila il nome di Sandra, in abito straniero, e tinta il volto di ñero, siech' è impossibile anche allô stesso Marito il riconoscerla. Conduce seco Госа, en' è ricoperla d'un vélo trasparente, e dice venire dal Cairo. Vi s'alfolla il Popólo, e l'esibisce denaro per veder si raro animale, e Pantea, preso il denaro, si pone in un luogo eminente, e raccolta dagli altri nuova somma, scuopre finalmente Госа, e le fa fare de' giuochi, che sorprendono chi non sa quai oca sia. Biondello e Calandrino si ritirano, vedono fra la Tolla Chichibio, che in vece d'andare a far le necessarie proviggioni per la grao cena, se ne sta a bocea aperla a mirar Госа. Vanno dal Márchese, dove poco dopo sopragiunge Chichibio tullo ansante, dice non aver peranco rilrovato nulla a proposito per la cena, ma aver bensl tróvala un oca, che essendo d'énorme grandezza, sola basterebbe per una cena lautissima d'allrettanti Convitati. Ne fa a suo modo la descrizione, che melle il Márchese in curiosilà di vederla, ma più a ció l'ioducono le persuasive di Biondello e di Calandrino. Ordina dunque, che gli sia condolía innanzi. Pantea ve la conduce, egli la vede, l'ammira, ed allé operazioni veramente umane resta slrasecolato, e dice, che in falli non le manca, che la favella. A ciö risponde Panlea, che Госа sa anche parlare, ma che dalla paura délia burrasca soflerla l'era cadula Tugóla, ma che, se potesse condurla tulta sola in qualche giar- ilniii múralo, con una сеп' erba, che vi cresce inlorno alie mura, fino,a sera le farebbo ricuperare la favella. Giacch' è cosi, soggiunge il Márchese minchione, io bb appunto un giar- dino, come voi díte, andateci pure, ed in quest' occasione di- verlirele mía Figlia, e la mía Sposa, che sono là enlro, Calandrino vi condurrà fino alia porta, ma non più oltrc, ed in fatti manda subilo un ordine serillo alie guardie, di non lasciar pas- sare allri, che Госа, e sua Condollrice. Invita questa, e Госа alle sue nozze, Pantea accetta I'inviio, lo ringrazia, e lo slesso fa Госа со' gesli. Calandrino le conduce verso la Rocca, ma prima, seconde l'appnnlamento già fatto, si ritirano in un albergo solitario sulla via, che porta alla délia Rocca, e quivi, soltó prelesto di rifocillar Госа, Pantea si chinde in una camera aspettando Biondello già infórmalo di tullo, e Calandrino se ne ritorna dal Márchese, che rítrova appunto con Biondello, e colla sua Corte in mezzo délia Fiera.

NB. Qui la Scena rappresenta la Fiera, che s'estende fino alla Rocca , ed alquanto più ollre. La parte principale délia Rocca, che si vede, è la Torre alla quallro piani, e le alte mura, che formano un semicircolo. e rinchiudono il giardino, di cui non si vede, che le cime de' più alti cipressi. La Torre è si

vicina allé mura, ehe da essa si pu6 fácilmente vedere, e dis- correre con chi passa. In quesla parte, en' è diversa da quella del primo Atlo, dove si vede il perlugio, non ci sono ne porta, ne Guardie, ma bens'i la fossa, ed il baslione, che circondano le mura. Sulle fineslre del primo piano délia Torre vi sono Celidora e Lavina, che osservano la Fiera, e se la discorrono assieme. Di là poco lonlano si vedono de' Ciurmatori, che ven- dono balsami, ed altro, e cavano denli, sono atlorniati da molla gente, gestiscono, ma non parlano.

Meotre Don Pippo tulto allegro parla colla sua Lavina, ch'è alla linestra, e non ríceve da lei che risposle sprezzanti, e Biondello, fingendosi meslo, parla in presenza del Márchese con Celidora, congralulandosi seco leí delle imminenli nozze col Conté Lionetlo, e fió non senza qualche altercazione con Don Pippo, arriva in frelta Calandrino con una truppa di Gente, che si chiama offesa, ed ingannala da un Ciurmalore, e riccorre al Márchese per averne cosí su due piedi la dovula soddis- fazioni. Calandrino prende a difeudere la Gente offesa, e Biondello il Reo, avendosi prima tra loro con un' occbiata, e con un cenno inlesi di metiere in confusione il Márchese, il quäle fatlasi portare la sua poltrona siede in Tribunale cosí in sulla slrada di rimpello alla Torre. V'accorrono anche Aurelia, e Chichibio, ed asseriscono essere stati ancor essi gabbali. II Márchese confuso da si forte aringa dimanda alta semplice Lavina il di leí parère, la quale, scusandosi, si rimetle in Celidora. Quesla non volendo dar torio a Biondello, non risponde a tnono, e Don Pippo finalmente incalzalo dall' Avvocalo della turba, che furibonda si muove, a renderle giustizia, pronunzia una sen- lenza s'i balorda, che il Popólo infnríato gli s'avvenla, e chi gli lira da di sollo la sedia, e la getta nella fossa, chi gli slrappa dalle maní il baslone, chi la spada dal fianco, e chi di capo la perrucca, sieche egli è obbligato di salvarsi dalla furia del Popólo, e di rifuggirsi nel suo Palazzo, e questo tumulto formera il Finale del seconde Atlo.

La Scena prima dell' Atto lerzo rappresenta un bosco lungo la via, che porta alla Rocca, e che dielro a quesla confina col monte, parle opposta a quella del primo Alto, e da questa parte si vede un ponte levatojo con Guardie, ed un Portone. In mezzo al bosco è sitúalo ('albergo solitario, dov' è nascosta Pantea con Госа. Quivi si trovano Biondello e Calandrioo scappali dal lu- mullo del seconde Alto, e perdutisi assieine fra la folla. In una Stanza a Pianterreno di delto albergo vi vede Pantea, che si scuopre a Biondello, il quale tullo allegro entra nella macchina, d'onde l'uomo, che v'era, è sorlito. Calandrino si raccomanda л 1Г oca, e le rammenta la sua promesse, la conduce alla Rocca, ed essendovi quella colla sua Condollrice intromessa, se ne ritorna addietro.

La seconda Scena è I'Apparlamenlo di Don Pippo.

Siede Don Pippo in una sua Camera, in ahilo di gala caricato, su una pollrona, facendosi leggere da Chichibio la lista de' pialti della cena, la quale sara ridicola. GC interrompe Calandrino , che viene tullo smanioso, e racconta al Márchese, come Biondello disparando di poler più enlrar nella Torre, e di conseguir Celidora, né soffrendo vederla in braccio altrui, per non Irovarsi con tanto suo scorno a quesle nozze, prese un batlello, e cosí solo dice averio vednto abbandonarsi all' onde per non ritornarsene mai più addielro. Sopraggiunge Aurelia, e piangendo dice, averio inteso ¡inch' essa. Don Pippo se la ride a crêpa panela, e già canta villoría, meditando fra se d'impossessarsi, come Signer territoriale, de' di lui béni. Ordina, che tutti i suoi domestic! siano in gala, e pronli a seguirlo alla Rocca, di dove vuol condurre a Casa le due Spose, lamentandosi, che non giunga ancora il Conte Lionetlo da a Calandrino suo Ñipóte g)i ordini di restarsene a Palazzo, di meliere tullo il resto in ordine, e di fare le sue veci, e gli ooori della Casa, arrivando il Conle di Casavuola od altri Poreslieri. Cbichibio i'<l Aurelia reslano pure in Casa per lo slesso fine, come subordinali я Calandrino, e fraílenlo vanno anch' essi conchludendo le loro nozze. Non essendo ancora nolle, ne terminate la Fiera, Don Pippo s'incammina con lullo il resto délia sua Corle, tallo veslita in caricaliira, vorso la Rocca, seguilo da un' infinilà di curioso Popólo, ed arrivando egli vidrio alla Rocca, sieche possa esser veduto, compariscono Celidora e Lavina ad una finestra tulle fesleggianti, e veslile in gala, avendo in mezzo di loro Госа, che col lungo suo eolio fà mille scherzi, dando al Márchese il beovenulo. Menlre li si Iralliene nella Torre, Calandrino si Iraslulla con Aurelia e Chichibio, e ricon- ferma loro, anche in nome di Biondello, la promessa di farli ancor quesla sera Sposi felici. Lungo il bastione vedesi di lon- lano venire una quantila di Popólo, ed ecco Don Pippo, che rilorna colle due Zitelle libere dulla loro prigione, e con Госа, e sua Condetlrice, la qualo data di nascosto in mano a Celidora la corda, con cui è legate Госа, poco a poco si perde Гга la mollitudine, si ritira ail' albergo solitario di prima, ore si tra- vesle in allra loggia, si lava il vollo, e le ni.nu. sieche divenla blanca, poi ritorna, e mischialasi Ira la folla, viene con quesla a Palazzo, tenendosi perb sempre discosta da chi potesse cono- scerla. Il Márchese, non vedendo più Sandra, dimanda d'essa a Celidora, che gli risponde, averie ella consegnala Госа, e detlo, che andava in un albergo per raOazzonarsi un poco affine di comparir più pulita alle nozze. Egli se la beve, e s'acchela, ed intanto entraño in Palazzo.

Qui la Scena rappresenta il gran Salone, dove si vedono Calandrino, Chichibto ed Aurelia, a' quali s' uniscono poi tulli gli âllri Personaggi con seguito, e parle del Popólo , ed anche Blondello, r,lf è Госа, e sla nel mezzo ; nia Panlea si scuopre solo tra la Gente da un abito distinto. Don Pippo fa alle Zitelle ana paríala sopra la loro prigionia, e sopra la liberta presente, ehe та a finiré eolio Mato conjugale, prescrivendo loro leggi a modo suo. Se la ride di Biondello, e Госа со' gesli lo seconda. Si dimostra egli impatiente dell' arrivo del Coate Lionetlo. ScDlendo cío Chichibio parte e di li a poco rilorna tullo in furia gridando: II Conté Lionetlo di Casavuola è qui, è qui. Don Pippo tullo allegro vuol corrergli ¡nconlro, ma poi riflelle, ed ordina a Chichibio di condurlo ben adagio, tratlenendolo in sulle scale finch' egli s'asselti la perrucca, e si spolveri le scarpe, per andarlo a ricevere tullo lindo e profumato. Chichibio va a mettersi in frella un pajo di slivali da Corriere, un ahilo da viaggio ed un perruccone, il tullo caricato, sieche subilo non è conosciulo, s'avvaora con passo grave, ed avvicinalosi al Márchese, che va col suo seguito ad inconlrarlo, dice : ecco il Conte Lionetlo di Casavuola qui sotloscrillo, cavando nell' alto stesso di lasca una lellera sudicia, ed aperla, che dice averia tróvala in cucina sul focolare, ed essere stala pórtate da un Carbonajo. II Márchese, leggendo 1л leiten«, ch' è poco civile, si conturba, e scaglia improper] contro il Conte, minacciaiido poi Chichibio per aver aperla, e lelilí la lellera. Queslo trova una scusa ridi- cola, e se la passa in burla. Disperato Don Pippo di non avère uno Sposo per Celidora, e volendo tulla via maritarla in quesla sera, la esíbisce a Chichibio, queslo resla perplesso, Aurelia protesta, e Celidora lo ricusa, dicendo non voler allri, che Biondello. II Padre la sgrida, e dice, che Biondello non lo vedrà mai più, perché s'è annegalo, ma se mai si fosse anche sálvalo, e ritornasse, tulla voila non se lo speri, poich' egli non fù ca- pace di tener la sua parola entrando nella Torre ; la offre dunque per di lei maggior dispetlo al primo, che s'appresenta, e le si fà subito avanli Госа, e со' suoi scherzi moslra esser ella lo Sposo, ció, che muove tutti alle risa, e Don Pippo si lagna, che Aurora non paru. Celidora risponde, che l'erfaa non puo pe- ranco fare il suo elTello, ma, che lo fara in brevissimo lempo, replica oon voler nitro Sposo, che Biondello, in difello, giacché Госа è un Papero, lo dichiara suo Sposo, poichè Sandra gliel'ba

dónalo. Tutti la burlauo, ed intanlo incomincia a snonarsi l'In- trtxlimone al Finale.

Qui Panlea s' inollra fra la gente tin dietro le spalte del Maní", senza esser da esso osservala, ne da allri conosciula, lenendosi a tal une un fazzolclto alia bocea, e nel lempo stesso Calandrino s' avvicina alia sinislra di Lavina, e Chichibio a quella ü'Aurelta, non diparlendosi ¡I Рнрего dal mezzo di Celidora e del Márchese. Don Pippo dice a1 Convilati che questa mu&ica significa esser lullo prepárala per la cena, e per il Bailo, ne .iltiii mancarsi, che il darsi la mano. Si burla di nuovo di Bion- dello, come anche di Celidora, poiché divenla Sposa d'un Papero, indi si rivolge a Lavina, e le comanda di dargli la mano. Essa dopo qualche ripugnanza promette di dargliela, e menlre dice : eccoli la rriia destra, ed egli ha in aria la sua per porgerla a Lavina, deve subilo vollarsi verso Chichibio, ed Aurelia, che cosí islrulli l'inlerrompono, dimandandogli d'esser anche loro Sposi, e nello slesso momento, ch' egli sla in quell' alliludibe, e dice colla mano in aria, ed in frella di si agli allri due, Panlea subentra a Lavina, e siringe la destra di Don Pippo, e Lavina quella di Calandrino, e rivollalosi il Márchese, credendo aver per mano Lavina, si trova avère Panlea sua vera Moglie. llesta sbigollilo, e fuur di se. Panlea comanda al Papero, cbe parli, e Biondello scosse da se le spoglie d'oca, si scuopre, porge la désira a Celidora, e rmgrazia Don Pippo d'averlo egli slesso servilo di Mezzano, iulroducendolo nella Torre, com' ei gli prédisse. Poi esso, e Calandrino promeltono a Chichibio, ed Aurelia già Sposi, d'effelluar quaolo prima la loro promessa. Cosí Don Pippo, tullo confuso, e belTeggialo da tulli, si irov.i coslrelto a celebrare, in vece delle nozze colla seconda Moglie, le seconde nozze colla sua prima Moglie, e le grandi spese, cbe avea già falle per sua pompa, e fasto, servono ora per dilelto allrui, e per sua vergogoa. Ma in lai vessaziooe finalmente avvedulosi délia sua balordaggine, e riveniilo in se slesso, pro- melle mular sistema di vita, di tener otlima compagina alia Moglie, e d'esser Amico di tulli, particolarmenle di Biondello, e di Calandrino. Dichiara suoi Eredi Celidora e Calandrino suo Ñipóle , dona a Chichibio , ed ad Aurelia un Capitale di venti- rinquemila scudi, Biondello dona a Chichibio una delle sue belle Case di Cilla , e Calandrino ad Aurelia un suo ricco pederé con Casa di Campagna, e cosí tulli in vece di burlarsi piu del Márchese pazzo , lodano , ed esallano il Márchese savio, e generoso, e passano la sera in oltima alicaria.

So weit die Varesco'sche Handschrift. In der Annahme, dass einem Tlieile der Leser eine kurze Angabe des prosaischen Tbeiles in deutscher Sprache willkommen sein dürfte, füge ich eine solche bei.

Don Pippo, Márchese di Ripasecca, ein eiller und verliebter Geck, hält seine Gemahlin Donna Panlea, die sich von ihm gelrennl hat, aber an einem Orte jenseits des Meeres sich aufhält, für lodt. Biondello, ein Edelmann aus Ripasecca, wird von Don Pippo seines Reichthurus wegen beneidel und von diesem bei jeder Gelegenheil gefoppt. Bei einem Gastmahle, zu dem Beide eingeladen sind, wettet der Márchese mit dem Edel- inann, dass, falls es ihm gelänge, binnen Jahresfrist in den Thurm zu gelangen, in den er seine Tochter Celidora eingeschlossen hat, er ihm diese zur Gemahlin geben wolle. Biondello, der Celidora liebt, wenngleich er weiss, dass sie für den Conle Lionello di Casavuola bestimmt ist, nimmt die Welle an, auf die Hülfe seines Freundes Calandrino, der ein geschickter Mechaniker isl, rechnend. Dieser, sterblich verliebt in Lavina, die Gefyhrlin der Celidora , gleich wie diese eingesperrt und von Don Pippo mit Heiralhsanlrägeu verfolgt, fertigt im Geheimen eine künsllicho Gans an, die so gross isl, dass sie einen Menschen bequem aufnehmen kann und überschickl sie der Pantea, damit diese verkleidet nach Ripasecca käme, um die Gans öffentlich zur Schau zu stellen. Man hofft, class Dob Pippo diese den Mädchen im Thurme wird zeigen wollen und bei dieser Gelegenheit Biondello eingeschmuggelt werden kann. Gelänge dieses, so verspricht Biondello seinein Freunde Calan- drino , dafür Sorge tragen zu wollen , dass er die Hand seiner geliebten Lavina erhielte.

Der letzte Tag des ausbedungenen Jahres bricht an. Die Vorbereitungen zu einer groasen Festlichkeit zu Ehren der Vermählung des Don Pippo mit Lavina, sowie der des Conle Lionetto mit Celidora werden getroffen. Pantea mit der Gaus ist noch nicht angekommen. Biondello und Calandrino in grosser Besorgniss fürchlen, dass, da ein Sturm ausgebrocheu ist, sie ganz ausbleiben wird. Sie beschlossen, each dem Thurme hin eine Brücke zu bauen, um mit Hülfe dieser zu ihren Geliebten zu gelangen. Sie versprechen dem Haushofmeister Cbichibio, sowie dessen Geliebten dem Kammermädchen Aurelia eine Summe Geldes, wenn sie bereit wären dem Don Pippo die Kleider fortzunehmen, damit dieser genöthigt sei in seinem Hause zu bleiben. Der Bau der Brücke ist in bestem Gange, Biondello und Calandrino leiten ihn, während Celidora und Lavina von einer Terrasse aus, /u der sie sich heimlich einen Zugang verschafft haben, der Vollendung der Arbeit und zugleich ihrer Erlösung erwartungsvoll entgegensehen. Von ihrer baldigen Hochzeit plaudernd, haben aberChicbibio und Aurettn es unterlassen, auf den Don Pippo Acht zu geben. Dieser hat sich allein angekleidet, ist ausgegangen und im Begriffe die Umgebungen des Thunnes zu visiliren, slösst er auf die /immer leule, die deo Bau der Brücke noch nicht vollständig vollendet haben. Er ruft die Wachen der Burg zu Hülfe, die Arbeiter werden in die Flucht geschlagen , hiermit endet der erste Act.

Der /.weite führt uns an den Strand des Meeres. Der Sturm lässt die Wellen hoch aufspritzen , der Himmel ist dunkel bezogen, es donnert und blitzt. In der Ferne siebt man ein Schiff, das in den Hafen einzulaufen bemüht ist, ein heftiger Wiod- stoss treibt es hinein. Viel Volk , das den Jahrmarkt besuchen will, landet, als letzte Pantea. Sie nennt sich Sandra, hat ausländische Kleidung angelegt und das Gesicht schwarz bemalt, um Voh ihrem Gemahl nicht wiedererkannt zu werden. Sie führt Hue Gans mit sich und behauptet aus Cairo zu kommen. Das Volk läuft herbei und bewundert das seltene Thier. Auch Chichibio bat es gesehen, er berichtet hierüber dem Márchese, der Paulea kommen lässt. Diese versichert, dass der (¡an* augenblicklich die Sprache , die sie aus Schreck über das Unwetter verloren habe, fehle, dass diese sich aber wieder einstellen würde, wenn sie ein gewisses Kraul in einem einsamen von Mauern umgebenen Garten zu sich nehmen konnte. Don Pippo erlheilt den Wachen den BeCehl, die Gaw mit ihrer Füh- rerin in die Burg einzulassen, damit sie im Festungsgarten das Kraul genösse und die Mädchen an ihrem Anblick sich ergötzen könnten. Der Jahrmarkt in der Nähe des Thurmes ist in vollem Gange, die Mädcbeo sebea Ниш Treiben von Fenster 'aus zu. Don Pippo und Biondello haben sieb unters Volk gemilcht, da erscheint Calandrino mil einem Trapp vea Leuten, die unter sich Streit bekommen haben nud verlangen, dass Don Pippo als (jerichlsherr über diesen Fall Recht sprechen soH. Er benimmt sich aber hierbei so tölpelhaft, dass das Volk in Aufruhr gerälh und er gezwungen isl, sich in seinen Palast zu flüchten.

Bei Beginn des dritten Ades enden eich Biondello und Calandrino , die bei dem Tumulte sich aus dem Staube gemacht haben, bei Pantea ein, Biondello kriecht in die Gans und Calandrino führt sie mit ihrer Führerin nach der Burg, wo er dem Don Pippo erzähll, dass Biondello iu Verzweiflung darüber, dass Celidora doch für ihn verloren, in einem Kann auf die offene See gefahren «ei. Auf diese Nachricht hin ist Don Pippo hocherfreut und hält die Welle für gewonnen, er ordnet an, dass die Dienerscnait für die Hochzeit Alles in Slaad setze. Er

selbst begiebt sich in flitterbeladeneea Anzüge nach dem Thurme. Celidora und Lavina in eleganter Toilette stehen mit der Gans »m Fenster, letztere mit ihrem langen Hatee dem versammelten Volke zunickend und Don Pippo bewillkommend. Endlich betritt dieser deu Thu im selbst, die Hochzeitsfeier soll gleich nacb Ankunft des Conte Lionelto beginnen. Letzterer bleibt aus, dagegen überreicht der verkleidete Chichibio dem Don Pippo einen Brief desselben, worin er auf die Hand Cetidora's verzichtet. Diese Absage hält den Márchese jedoch nicht ab , an seine eigene Hochzeit zu denken und im Begriffe die Hand La- vina's zu ergreifen, drängt sich Panlea vor und erfasel die seine. Die Gaas fangt an zu reden, öffoel sich und Biondello tritt hervor. Die Wette hat Don Pippo verloren, seme todt geglaubte Gemahlin hat er an der Hand, von Allen verlacht, verspricht er eine andere Lebensweise annehmen und Panlea in Zukunft gut behandeln zu wollen. Celidora wird mit Biondello, Lavina mil Calandrino, schliesslich auch der reichbeschenkle Chichibio mit Aurella vereint.

Berichte. Leipzig.

Das sechste Gewa ndhausconcert (». November) war eine pielulsvolle Gedenkfeier an d«n Todestag Felix Mendclssoho- arlholdy's (gest. «.Nov. 4847), wie »je hier alljährlich an der M.itk seines Wirkens stattzufinden pflegt. Der Umstand, dass sammlliche Nummern aus Compositionen Mendelssohn's bestanden, brachte et mit sich, dass sowohl die Vorzug» seiner Musik lebhaft hervorstachen : der edle Geist, liefe Innigkeil, Liebenswürdigkeit und Grazie, der leine Humor; dass aber andrerseits auch das, was dem Künstler fehlte, den Hörern schliesslich ins Bewusstsein trat: kraftvolles Empfinden und heroische Leidenschaft. Das Programm zerfiel in einen geistlichen und einen welllichen Theil; der entere enthielt: Motette »Mitten wir im Leben sind mit dem Tod umfangen« fürachtslimruigen Chur, Tenor-Arie aus Elias »So ibr mich von ganzem Herzen suchet«, A.ve Maria für Tenorsolo, «chtstunmigen Chor und Orchester, letzteres StUck hier zum ersten Male. Der zweite Theil unifisste die Л dur-Symphonie, Sopran-Arie »us der Jugend-Oper »nie Hocbzeil des Camacho« (»Wer klopft so leise an die Tliür.), Hébrides-Ouverture, Finale aus der unvollendeten Op«r »Loreley« (Sopraosolo, Chor, Orchester). Unter den Solisten zeichnete sich Herr Hedmondt, Opernsänger am hiesigen Stadtlheater, durch deu edlen Klang seines Organs, Frau Mo ra n -01 de n, grossh. Oldenburg. Kammersängerin, durch guten Vortrag, namentlich in den leidenschaftlichen Partie» der »Loreley« aus. Der Chor erfüllte mit grossem VersiBndniss seine Aufgabe,, Besonders gelangen ihm der Eingang des Finale, sowie die Stelle »Sollst dein Herz zum Lohn uns geben«. Dia im Programm verzeichnete Violincnncert musste leider wegen Erkrankung des Frl. Marianne Eissler ausfallen.

Das siebente Gewandhausconcert (18. Novbr.) brachte uns zu Beginn eino Wiederholung der zum 4 einjährigen Jubiläum der Gewandbausconcerlecompouirten und ihrer Zeit besprochenen Ouvertüre »Zur Jubelfeien von C. Reinecke, am SehluM eine (bis auf «in geringfügiges Versehen im zweiten Satze) grosswtig schöne Reproduction der »Eroica« von Beethoven. Herr van der'Meden aas Berlin sang mit liefern Gefühl eine Team -Ajrie ац» Gluck's »Iphigenie auf Tauris« (»Nur einen Wunsch, nur ein Verlangen«) und vier Lieder von F. Schubert: In der Kerne, Pause, Mit dem grünen Laulenbande, (als Zugabe) Die Post. Zum ersten Male im Gewandbavwe producirte sich das vielgenannte »Wunderkind» Maurice Dengre mont, mittlerweile ein heranreifender Jüngling von 47 Jahren geworden. Er spielte mit hoher technischer Ausbildung, gemüthvotl und mit grossem schönem Ton das erste Violinconcert in G-moll von Max Bruch, Nocturne von Chopin-Sarasate und Polonaise vo» Wieniewslü, zuletzt eine Pizzicalo-Sludie zugebend. Möge der jugendliche Künstler, unbeirrt von den Überschwenglichen Lobpreisungen der Tagespresse, durch eifrigstes Weilerstreben die Erwartungen erfüllen, die sein talentvolles Spiel erweckt.

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Pianoforte zu zwei Händen. Л 4,50.

Vollständiges Verzeichniss des Musikalienverlaga. Verzeichnisse der Gesammlausgaben musikalischer Classiker. Verlags-Mittheilungen No. 4«. Prospecte: Anton Krause's Werke u. Musikalische Jugendbibliolhek.

Verleger: J. Rieter-Biedermann in Leipzig und Winterthur. — Druck von Breilkopf A Hürtel in Leipxig. Expedition : Leipzig, Rabensteinplatz 1. — Redaction : Bergedorf bei Hamburg.

Dio Allgemeine Mnriktlieche Zmiaag

erscheint regelm&sitg ян jedem Mittwoch

«.¡"i i. L durch »Ile Postämter und Buch-

bandlangen хц belieben.

Allgemeine

Freie: Jährlich 18 Xk. Viertel Jahr l ich« Prfcnnn. 4Mk.5oPf- Anzeigen: dio gebpal- tene Petitieile oder deren Baum SO P£ Briefe and Uelder werden franco erbeten.

Musikalische Zeitung.

Verantwortlicher Rédacteur: Friedrich Chrysauder.

Leipzig. 29. November 1882.

Nr. 48.

ХУЛ. Jahrgang.

In bei 1: Leibnizens Urtheil über den VVerth oder Inwerth der Opern. — Consonanlenbildung im Gesänge. — Anzeigen und Beurthei- lungen (Edmund Singer und Max Se.ifnz . Grosse Theoretisch-Praktische Violinschule). — Novitäten aus dem Verlage von Breitkopf tí Uiirlel in Leipzig (Compositionen von Ferdinand Hiller, Hermana Bock, J- Albert Jeffory. Moritz Hetze! und Cd. Benin). — Handel's Teufels-Arie. — Berichte (Leipzig). — Anzeiger.

Leibnizens Urtheil über den Werth oder Un- werth der Opern.

(Aus d. Handschr. der Kgl. oflïl. Bibliothek zu Hannover mitgetheill von Eduard Bodeniann.

Als in Hamburg im Jabre 4678 in Folge des dort erricbte- len Opernhauses der gewaltige Streit zwischen den »Tugend- Samen« und »Gottlosen« sich erhob, liess der dortige Pastor an der S. Jacobi-Kircbe, Anton Heiser, seine Schrill erscheinen: »Thealromania oder Werke der Finsternis* in denen Öffentlichen Schauspielen« und griff darin nicht nur die Adoren, Autoren und Direcloren, sondera selbst den Iblli der Stadt Hamburg s,charr an.

unter den Autoren fühlte sieb nun von dem Reiser'sehen Traclat ein gewisser Ы a rci schwer verletzt als anonymer Verfasser der auch in Hamburg aufgeführten Oper »Vespasian«. lieber die Person dieses Marci habe ich nichts Näheres aus6n- dig machen können. Unier der umfangreichen, bisher noch nicht publicirteu Korrespondenz Leibnizens in der Königl. nil,MiÜ. Bibliothek zu Hannover fand ich auch einige zwischen Leibniz und jenem Marci gewechselte Briefe. Marci scheint keine feste Anstellung gehabt zu haben ; nach einem Briefe Leibnizens.vom 10. Mi«rz t 68!» ist er ein Sohn des »weyland Canzlers Marci«, — vielleicht des damals lebenden Kanzlers zu Merseburg : Joli. Christoph Marci? Nach einem Briefe ohne Datum bekommt er in Hamburg die Verwaltung der schwedischen fahrenden Post auf Ystadt. Die Correspondent mil Leibniz belrillt besonders Bücherbesorgungen für Letzteren, doch auch Política. In einem Briefe aber, welcher hier nachfolgt, bittet er in Folge der oben erwähnten, durch Anton Heiser erfahrenen Angriffe Leibnizen um dessen Urlheil über den Werlh oder Unwerlh der Opern :

»Hochedler, Vest- und Hochgelarter,

Insonders Hochgeehrter Herr HofRath.

Ich habe mir unterm dalo,vom SO. oassalp dip Kunhcil genommen, Meinem Hochgeehrten Herrn HofK. mit einem schreiben aufzuwarten. Dieses gcschiehet nun, in einer mir angelegenen sache Meines Hr. HofRalhs hochvernunhtiges guiachten einzuholen. Es wird demselben sonder Zweifel annoch in unverrUektem andoncken ruhen, wie Zeit meiner jüngsten anwesenheit In Hannover ich die i'rwehnung gelban, dass die Opera Vespasian von meiner, elaboration sey. Nun hall seitdem Hr. Lie. Antonius Reiser, Pastor bei der Kirchen.zu St. Jacob In Hamburg, ein Iractötchcn geschrieben, so er 'l'healrqmaniam nennet und die Hamburger Operen unter dem geistlich-eifrigen Worte uor Wercke der r'inslernüs, auch sonslen em- plindlich durchgezogen. Wie er nun weder der Acloren, Direcloren, ja sogar des Ralhs der Sladt dabei in keine Wege verschone!, so halt auch die unschuldige person ihm durch dicSpissruthen laufen müssen, welches und der ganze Inhalt Meinem llr. HofRith aus Lesung XVII.

des Tractätchen auch, bereits wird, bekannt seyn. Zwar haben bis dato sehr wenige gewust, dass meine Feder bei dem Wercke inter- cssirel sey, doch diese Veranlassung wird viele zu der curiositat verleiten, sich nach allem genau zu erkundigen, daher wohl schwerlich meine arbeit langer verborgen seyn, kau und ich sie notbd ringlich agnosciren muss.

Helle demnach, wo es sonder Meines Hr. HofRalhs Beschwer geschehen möchte, so dringlich zu bitten, mir vorerst dessen Be- dencken wegen solches ganzen tractätchens, zugleich wat sein sentiment von denen Operen sey, zu gönnen. Hernach müchu.» ich wohl informiret seyn, — weil der autor mit mehrerm oVreuet und mau von Seiten der Herrn Interessenten das Werck so nicht stecken lassen kan, ¡m fall es solle angemulhet werden, — ob ich die defensión der Operen, da ich pro nunc dergestalt interessire, nicht cum approbation» gelehrter und onpartheiiecher Leute amplectiren könne; indem ich fast nicht sehe, wie ich michs enlbrecben kan, und doch, sich an der Geistlichkeit zu reiben, eine verd.iesliche sache ist, da man selten viel erhalt, weil sie, wenn sie nicht weiter können, mit schimpfen und calumnien um sich werffen. Ich bitte, so gutig zu seyn und mir hiervon seine meinung zu erofnen, welches ich allemahl mit gehorsamer erkenlnis rühmen werde, da ich, unter erlassung in Gottes schuz, bin

Meines Hochgeehrten Hr. HofRaths

Stockholm 47. Aug. 4(84. schuldigster Diener

Marci.«

Auf die letzte leere Seile dieses Briefes hat nun Leibniz das Concept seiner nachfolgenden imdatirten Antwort geschrieben :

,, Soviel meine Gedancken wegen der Operen oder Singschau- spiele betrifft, die mein Herr begehret, so achte mich zwar hierin Ändern vorzuurtheilcn viel zu wenig, inmaszen ich sehe, dass auch sehr berühmte Leute darüber uneins. Gleichwohl aber ist dieses meine unvorgreifliehe Meinung, dots ein solches Sin <- Schauspiel nichts anders sei, als ein sehr tt-i/At verständiges Mtl- tel, das menschliche Gemüth aufs allerkräfhytte zu bewegen und zu rühren, dieirejl darinn die nachdrückliche Einfülle, die zier- licaf, Wort, die artige Reimoildung, die herrliche music, die schonen Gemeide und kunstliche Bewegungen zusammenkommen und sowohl die innerliche als auch die beyden oben [? so l ] euser- lichen Sinne, so dem Gemüth vornehmlich dienen, vergnügen weisen. Gleichwie nun die lteredsamke.it sowohl zu gutem als bösem Zweck гы gebrauchen, also ist's auch mit diesem neuerson- псцеп Bewegungsmittel bewandt, welches den Mensrjim zur Geilheit, Kachgier, Hochmuth reizen und auch tur Tvgend, Beständigkeit , wahrfr Ehre und ungefärbter Frömmigkeit ermuntern kan; also dass meines ermessens dergleichen Schauspiele im gc- meini-n Wesen nicht abzuschaffen, sondern als ein kräftiges instrument zu Itrgierung des gemeinen Mannes zu ycbrauchen wären. Nur hätten Obrigkeit una Seelsorger billig dahin zu sehen, dass damit toohl птЬцедапдеп werde, wie dann einige

«S

l'omoedien so bewandt, dati rie mehr Schaden alsNuzen bringen, alt mim exempel dot sogenante Patin de pierre, darinnen ein Atheist vorgestellet wird.

„Was bey den heiligen Vätern gegen die Schauspiele sich findet, scheinet auf den blassen Missbrauch »u gehen, zumahlen die Schauspiele damals nichts anders waren, als öffentliche Aus- übungen aller ersinnlichen Grausamkeit und Ueppigkeit, dergleichen heut zu tag nicht leicht zu finden und geduldet wird, ausgenommen, dass etwa in Spanien das Stiergefecht übrig blieben, wiewohl es öffter bey straff der excommunication von Pabsten verbothen worden. Sonsten scheinet, dass die Operen ihren Ursprung von der Kirchen-Music genommen, denn gleichwie die Pasrions-Histori und andere geistliche Begebenheiten durch etliche ringende Personen, darunter ein Evangelist, so die Erzehlung ausführet und an einander knüpfet, vorgestellet werden, also ist dergleichen auch bey der weltlichen Music nachgethan worden, wie ich dann einige Stuck gesehen, darinnen neben ändern ringenden Personen il Testo — anstatt des Evangelisten — sich findet, so die Erzehlung ebenmäsrig ergänzet. Weilen es aber kunstlicher und zierlicher, das Werck auch ohne Einführung eines eigenen Dollmetscher verständlich zu machen, gleichwie das ein schlechter Hohler, so bey der von ihm entworfenen Jagt setzen müste : hie canis, ille lepus, so hat man diesen Textleser bald abge- schaffet und nunmehr die Operen anstatt anderer Comoedien eingerichtet."

Coneonantenbildnng im Gesänge.

Für Gesanglehrer und Sänger, sowie überhaupt Gesangausübende dürfte es nicht uninteressant sein, einmal wieder das alte Thema der Consonanlen, dieser Stiefkinder im Gesänge, behandelt zu sehen, mit dem Zwecke, womöglich dem Stoffe eine neue Seite abzugewinnen. Ich komme sofort zur Sache.

Eine Hauptschwierigkeit ausgeprägter, naturgetreuer Con- sonanlenausbildung bieten zunächst die Consonanlea am Eingange der Silben und auf hohen Noten.

Wenn wir nun einen Spiegel zu Hülfe nehmen oder andere Leute beim Sprechen beobachten, so werden wir beim scharfen Hinsehen und scharfen Hinborchen die Geschwindigkeit und Bündigkeit wahrnehmen, mit welcher Lippen und Zunge im Moment die Bildung der Consonanlen vornehmen, um die Verbindung mit dem nachfolgenden Vocale ebenso unmittelbar anzureihen. Nach Gewinnung dieses Vorbildes und Geheimnisses der Natur bleibt uns nur noch die Nachahmung und Ueber- tragung auf die Bildung der Consonanten im Gesänge.

Beobachten wir nun beim Singen unsere Consonanleubil- dung, hauptsächlich am Anfange, beim Einsatze der Silben und auf hohen, unbequemen Noten, so werden wir nach obiger Beobachtung im Sprechen, zu unserem grossen Erstaunen wahrnehmen, welche Unbeholfenheit Zunge und Lippen an den Tag legen, den Consonanten bestimmt und rasch zur Erscheinung zu bringen. Anstalt den einen oder die zwei, oft sogar drei Consonanten, welche ein Wort beginnen mit Blilzes- schnelligkeil in Scene zu setzen, brauchen sie übermässige Langsamkeit und verhelfen nach verlorner Zeit dem betreffenden Buchstaben in seinem Erklingen höchstens zum Lallen oder sonstiger Verwischtheil.

Trägt nun diese Unzureichlichkeil im Zustandebringen der Consonanten am Anfange von Silben wesentlich zur Undeullich- keit des Textes im Allgemeinen bei, so dass man nur Lauter, aber keine Millauler beim Gesänge vernimmt, so reiht sich daran noch ein anderer Uebclsland , der Mangel an Anschlag des den Consonanten folgenden Vocales.

Energische, naturgetreue Thiitigkeil der beim Consonanlen- bilden hauptsächlich betheiligten Mundtheile, Zunge und Lip-

peo, bewirken ein Vorwlrtslocken des Vocale und des An- ecblageos der Tonsäule an der oberen«Zahnreibe. Energie erzeugt Energie. Entschiedenheit und Kürze in der Mundbewegung der Ырреп und Zunge führen unmittelbar eine bestimmlere Hnndbewegung im Allgemeinen, vor Allem im Oetfnen und im Niederlegen der Kinnlade herbei , dieses Alpha und Omega, soll der Freiheit der Stimmbildung überhaupt eine Gasse gebahnt werden. Lauschen wir also unserer Thäligkeit beim Sprechen, nicht beim Gähnen die Geheimnisse ab, so ist schon ein weiter Schritt zur Ausbildung des Textes im Gesänge geschehen.

Cm nun auch den Sänger, welchen es interessirl, speciell auf die Bildung der Consonanten am Schlüsse der Silben aufmerksam zu machen, damit sie nicht übersehen werden, sei es mir vergönnt, ein musikalisches Recept anzuführen , welches ich seiner Zeil an der Hand der Winler'schen Schule von Seilen des Gesanglehrers und Heisters Götze in Leipzig entgegennahm. Es wird Vielen bekannt sein, dürfte aber doch als Anregung für Manchen dienen, den Consonanten und ihrem Studium im Gesänge näher zu treten. Ich meine die sogenannte falsche Orthographie.

Nehmen wir das Wort »Freundschaftspflicht« und ziehen die Anfangs-Consonanten der zweiten Silbe zur ersten und so fortgesetzt, so entsteht: »Freundsch-aflspfl-ichl«. Diese Proce- dur der Consonanlenverschiebung im Worte lässt sich rück- und vorwärts vornehmen, auf alle Gesangsübungen mil Text und auf alle Gesänge zum Studium der Coosonantenüb.ungen übertragen.

Die Wichtigkeit dieses Experimentes wird Jedermann sofort einleuchten, denn der Sinn, die Syntax des Wortes, wird auseinander genommen, die Elemente desselben treten in den Vordergrund und nehmen unsere Aufmerksamkeit ausschliess- lich in Besitz. Daran schliessl sich beim Verlautenlassen eine ausdrückliche Consonantenbildung, welche nicht mehr die Rolle der Nebensächlichkeit spielt, sondern sich unserm Erfassen ausdrücklich aufdrängt. Kleiss und Ausdauer nach dieser Richtung, Zunge und Lippen in ihrer Consooanlenlhätigkeit zu üben, sie zu stärken und zu stählen , verwandeln den Consonanlen, welcher vorher ein Hinderniss der Tonbildung war, in einen Factor derselben, und der Ceberreichtbum der deutschen Sprache an Consonanlen ist nicht mehr eine Calamität für Sänger, sondern ein Antrieb und Hülfsmittel, in seiner Ueber- windung einen Sporn zu fertiger, bestimmter Tonbildung zu suchen.

Auf die Bildung der einzelnen Consonanten zu sprechen zu kommen, schliesst natürlicherweise der Charakter dieser Abhandlung aus ; wer sich aber vorangegangene Anregung zu Herzen nehmen und sie als einen Wegweiser benutzen will, weitere Forschung nach gegebener Richtung zu betreiben, wird schon von selbst aus dem Allgemeinen heraus dem Speciellen zugeführt werden. „eino Hugo

Anzeigen und Beurtheilungen.

Mmuud Sloger und Im Selfrii: Grosse Theoretisch-Praktische VieUuchile in drei Bünden. Erster Band, erste Hälfte Л 7. —, zweite Hälfte Л 1. —. Stuttgart, J. G. Cotta.

Л. Wenn es auch nicht an einzelnen guten Lehrwerken für Violine bis jetzt fehlte, obgleich auch diese wenigen sich in der Regel nur auf Andeutungen zu beschränken pflegen , wo man im Interesse des Schülers und des Lehrers eine breitere Ausführung gewünscht hätte, so war doch schon längst ein Werk BedürCniss, welches nach allen Seilen hin in gründlicher und erschöpfender Weise und unier Berücksichtigung auch der technischen Anforderungen, welche die moderne Geigenliteratur an den Spieler stellt, den strengsten pädagogischen Voraussetzungen eines solid fund.-mienlirlen Violinunterrichts gerecht würde, ohne dabei die musikalisch-bildende, in einem Wort die künstlerische Seite aus dem Auge zu lassen. Wir hatten bei dem Studium des ersten bis jetzt erschienenen Bandes obigen ganz vorzüglichen Werkes so ziemlich alle Arbeiten vor uns liegen, welche auf dem pädagogischen Gebiete der Violinliteratur erschienen sind ; wir fanden jedoch , dass dieselben, abgesehen von anderen grossen Hangeln, hauptsächlich an dem einen Cardinalfehler leiden , dass der ersten Lage zu wenig Aufmerksamkeit zugewendet und ziemlich rasch zu den anderen Positionen übergegangen wird. Der ersten Lage kann aber nicht genug Aufmerksamkeit zugewendet werden , ist sie doch die Grundlage eines tüchtigen soliden Geigenspiels. Nur ein gründliches und slufenweises Fortschreiten kann jene gesunde Basis legen, auf welcher positive Erfolge zu erzielen sind. Und was gründliche, alle möglichen Umstände berücksichtigende Arbeit belrilli, steht das Werk des Herrn Professor Edmund Singer, Kgl. Würlterabergischer Concerlmeister und Max Seif riz, Kgl. Württembergiscber Musikdireclor, einzig in seiner Art da. Der ganze erste Band beschäftigt sich, ¡n der richtigen Erkennlniss, dass der Schüler in der ersten Lage emigermaassen sattelfest und heimisch geworden sein muss, ehe er in andere Positionen übergeht, ausschliesslich mit der ersten Lage und behandelt ferner die Grundelemenle aller Materien der Ueigentechnik und den Vertrag. Das Material ist ein solch reichhaltiges, dass der Schüler anderer Literaturwerke nebenbei eigentlich nicht bedarf.

Abgesehen von den pädagogischen Vorzügen des Werkes möchten wir namentlich auch den Umstand hervorheben, dass sUmmlliche Ucbungsstücke, auch die einfachsten und leichtesten musikalisch gehaltvoll und wie die ganze Methode der Verfasser darauf berechnet sind, mit der technischen Ausbildung des Schülers die musikalisch-künstlerische desselben nicht aus dem Auge zu lassen, damit derselbe nicht einem trockenen Formalismus, einer ausschliesslich dominirenden, den Geist lödienden Mechanik anheimfalle. »Trotz allem Herben«, um die Verfasser selbst sprechen zu lassen, «das die mechanischen Schwierigkeiten dem Kunstjünger in den Weg legen, darf man bei demselben nie die Freude an der Kunst erlöschen lassen ; das künstlerische Ingenium desselben muss geweckt, das berechtigte subjective Element des Schülers gewahr! und das Kunstgefühl allmälig in die reine Sphäre des geläuterten Geschmackes emporgehoben werden.

Wohllhuend berühren uns in einer Zeit, da in der Kunst eine einseitige technische Ausbildung wahrhafte Orgien feiert, die Worte der Vorrede, dass es heule sich nicht so sehr darum handle, »Virtuosen par excellence auszubilden, als darum, dem Schüler die reichen Schätze unserer classischen Meisterwerke der Kammermusik zu erschliesseo. Diese immer mehr zum Gemeingut der Menschheit zu machen, ist in erster Reihe der Streichinstrumentalist berufen. Er findet hier eine Literatur vor, welche zu dem Vorzüglichsten gehört, was die musikalische Kunst aufzuweisen hat.«

Diese Worte bekunden den echten, vom wahren Geist seiner Kunst erfüllten Meister, welcher durch die Erfolge, die er seil einer langen Reihe von Jahren als Lehrer errungen, am schlagendsten die Vorzüglichkeit seiner Methode bewiesen hat, und wenn ein solcher Künstler ¡m Verein mit einem solch tüchtigen Musiker und Musikgelehrten wie Max Seifrii in diesem Werke die Erfahrungen einer langen künstlerischen und Lehr- thäligkeit der musik-pädagogischen Welt bietet, so sind wir überzeugt, dass dieselbe mit freudiger Hand dasselbe ergreifen wird. Haben doch schon bewährte Künstler und Pädagogen

wie Heermann in Frankfurt, Bazzini, Director des Conservalo- riums in Mailand, Damrosch und Tottmann sich in äusserst anerkennender Weise über dasselbe ausgesprochen.

Nicht unerwähnt möchten wir auch die von den gesunden pädagogischen Anschauungen der Verfasser zeugenden Stelle der Vorrede lassen, wo sie, nachdem die Schwierigkeit des Geigenunterrichts gegenüber dem Clavierunlerricht hervorgehoben, es offen aussprecheo, dass namentlich der Violio- spieler, welcher den betreffenden Ton erst mit seinem inneren musikalischen Ohr richtig erklingen hören muss, ehe er im Stande ist, ihn mit Sicherheit zu intoniren, eines, wenn auch nur elementaren Gesangunlerrichls nothwendig bedarf, da das Singen der verschiedenen Intervalle als die beste Gehörbildung anzureihen ist, überhaupt der Gesangunterrichl für jeden Musiker die Grundlage bilden sollte.

Es sind dies zwar keine neuen Wahrheiten, denn dieselben sind schon oil und genug von bewährten Pädagogen ausgesprochen worden, aber es freut uns, dass die Ansicht immer mehr sich Bahn bricht, dass nur ein rationeller Gesangunter- richt eine tüchtige musikalische Grundlage zu bilden vermag. Es wird aber noch seine guten Wege haben, bis solche Gedanken sich allgemein verwirklichen werden.

Gehen wir nun auf den Inhalt des ersten Bandes ein, so besieht derselbe aus <5 Abschnitten, von welchen die beiden ersten den theoretischen Theil in erschöpfender Weise behandeln ; die übrigen Abschnitte beschäftigen sich mit den praktischen Erfordernissen ; nichts ist den Verfassern entgangen und mit der minutiösesten Gewissenhaftigkeit und Genauigkeit ist Allem Rechnung getragen. Namentlich möchten wir die Abschnitte (0 —13 hervorheben, welche die Dynamik, die Verzierungen, die verschiedenen Rhythmen und Striche behandeln. Abschnitt Mil enthält ÏÎ Stücke in den 14 Tonarten und in verschiedenen Formen und wie die übrigen Uebungspiècen mit Begleitung einer zweiten Geige. Von der Reichhaltigkeit des letzten Abschnitts möge der eine Umstand zeugen, dass fast alle hier überhaupt in Betracht kommenden musikalischen Formen in demselben ihre Vertretung gefunden und die Verfasser nicht versäumt haben, jeder Pièce eine ausführliche Erklärung der Form vorauszuschicken.

Der noch ¡m Laufe des Winters erscheinende zweite Band wird sich hauptsächlich mit den verschiedenen Positionen befassen und sich dem ersten, wie wir dies der Vorrede entnehmen, in der Weiterentwicklung der gegebenen Grundelemente auf das Engste anschliessen. Sowohl die Tonleitern, accordische Gänge, Doppelgriffe, Stricharten u. s. w. sollen in demselben ihre naturgemUs.se Steigerung bis zur höchsten Virtuosität finden und ausserdem noch Theile der Technik bringen, zu welchen im ersten Theile der Natur der Sache gemäss selbst die Grundelemente nicht gebracht werden konnten. Für den drillen Band haben bereits Joachim, Bazzini, Auer, Damrosch, Heermann, J. Becker, Lauterbach u. A. Beiträge zugesagt.

Ferner dürften wir noch anfügen, dass der bis jetzt erschienene erste Band an den Conservatorien zu Petersburg, Strassburg und Stuttgart, in sämmllichen Seminarien des Gross- herzogtbums Baden und am katholischen Seminar in Saulgao (Württemberg] eingeführt ist.

Wir schliessen unsere Besprechung des vortrefflichen Werkes mit folgenden Worten der Vorrede :

»Sollte unser Werk für geeignet erfunden werden, den Lehrer in seinem schweren Amte zu unterstützen, den Berufs- musiker zu fördern und namentlich ¡n den Dileltantenkreisen wieder jene Liebe zur Geige und den Streichinstrumenten anzufachen, wie sie früher lebendig war und jetzt wieder sich zu regen scheint, so würden wir darin den schönsten Lohn unseres Strebens und unserer Arbeit erblicken.i

Wir wollen uns auch gern dieser Hoffnung hingeben und wünschen, dass die Geige wieder mehr en Stelle jenes Instruments trete, welches den Mnssendilettantismus nur begünstigt und jedes freiere musikalische Gefühl immer mehr zu ersticken droht

Novitäten

aus dem Verlage von Breitkupt & Härtel in Leipzig.

Aus einer Reihe neuerer Veröffentlichungen der bewährten Firma Breitkopf & Härtel in Leipzig stellen wir zwei Arbeiten von ferdinad НШег an die Spitze, welche für die geistige Elasticitäl und Ph'antasiefrische des greisen Meisters erfreuliches Zeugniss ablegen. Op. 198 betitelt sich Leichte Sonatine für das Pianoforte. Dreisätzig gegliedert beginnt sie mit einem kurzen, den Organismus des SonalensaU.es mehr andeutenden als voll entwickelnden Allegro non troppo, dessen erstes Thema in seiner zarten Grazie an Mozart gemahnt. Darauf folgt eine Menuett in Ii-dur von frohgemulher, kecker Haltung, mit welcher das mehr in sieb gekehrte G moll-Trio hübsch conlrastirt. Das Finale bildet elb Allegro moderato aus der Grundionart l- -dur. Es ist voll sprudelnden Lebens und glücklich abgeschlossen. — Ein ähnliches Gepräge zeigt die Kieme Suite Op. 197. Sie wird von einem »Preludio« in ll-moll eröffnet, das mit seinen unablässigen, weil und frei ergossenen Seclis- zelinlelpassagen den Charakter des Vorspiels ausprägt. Die an- mulhige Gavotte Nr. t fewinni durch die Betonung der zweiten Vierlei etwas Pikantes. Im Gegensalz zu den Slaccatogängen des Hauplsalzes erschein*-dis Minore aus G-moll durchwegs streng gebunden. Auch die Abwechslung von kräftigen Unisonopassagen mit zartgelösten Harmonien wirkt gut. Der Choral Nr. 3 (E-moll 4/<) entfaltet «in schlicht ernstes Liedlhema, das bei der Wiederholung leicht contrapunktirl wird. Eine Gigue aus ll-moll, die fugalomässig behandelt und ziemlich weit ausgeführt ist, schliesst das Werk ab. Da die Suite wie die Sonate leicht spielbar sind und durchwegs genaue Fingersalzangaben enthalten, eignen sich die Composilionen besonders auch zu instrucliven Zwecken. Sie werden fähigen Schülern ebenso viel Freude bereiten, als auf ihren Formensinn und ihren musikalischen Geschmack bildend einwirken.

Ein amuuthiges, wenn auch nicht gerade tiefgehendes Werk repräsenliren die Acht Clavieritücke aus der Jugendzeit Op. в von Иегшмш Betk. Dass sich der Componjst Schumann's Jugendalbum und Kinderscenen zum Muster genommen hat, zeigt gleich das einleitende Stück »Begrngsung» deutlich genug. Der melodische L'mriss wie die harmonische Ausgestaltung, Stimmführung wie Schlussformeln sind hier durchaus Schumannisch angehaucht. Auch der zartsinnige Ton des Ganzen erinnert an jenen Meister, dessen Empfindungstiefe der muthmaasslich noch juliendliche Epigone freilich einstweilen nicht erreicht. Nr. Í Frühlingsfahrl« geht auffälliger Weise aus C-moll und lhaut eigentlich ersl im Miltelsatz aus Es zu freudigem Leben auf, während der Hauptsatz mehr ein unruhig drängendes Sehnen ausdrückt. Nr. 3 »Frohe Botschaft« Л-dur 3/4) spiegelt mit ihrer zarten Liedweise jene Stimmung wieder, welche ein Liebesgruss in der Seele des Mädchens hervorbringt. Auch in Nr. 3 »Traumpesichl« sind es holde Bilder, die an dem Schläfer vorüber gaukeln. Formell zeigt das Stück die nämliche Gliederung wie das vorangehende. Es ist wiederum ein Liedsalz, dessen erster Tneil nach einem selbständigen Mittelglied ohne Veränderung wiederholt wird. Vom Titel der folgenden Nummer »Auf der Waldmühle« könnte man schliessen, dass es sich um lonmalerische Darstellung des Miihlengeräusches und Was- sei„t:|iläl9viierü handeln würde, wie sie so manche Clavierrom- ponislen, am reizendsten wohl Adolf Jensen in Nr. 3 Deiner Wnmlerbilder auf diesen poeli.srhen Vorwurf angewandt haben.

Doch ist dies nicht der Fall. Wir erhalten einen einfachen Gesang, dessen Weise helleres Behagen ausdrückt. Im Mittelsalz gesellt sich zeitweilig eine zweite Stimme imilirend hinzu. Der Anhang klingl sanft und leise aus. Dagegen bringl Nr. 6 «Auf wogender See« eine hübsche Tonmalerei. Es ist ein bewegter Gmoll-Salz, dessen auf- und niederflulhende Secbszehnlel die Wellenbewegung einer windbestrichenen Wasserfläche treffend charakterisiren. Innige Melodik zeichnet die folgende Liedweise «Slillbeglückt« aus, deren liebewarme Stimmung die Adur-Tonart erhöht. Das letzte Stück des Heftes betitelt sich »Abschied«. Es ist ein Cis moll-Andante von klagendem Ausdruck, der nur im Miltelsatz hellere Färbung gewinnt, als erhöbe der Gedanke auf ein Wiedersehen das trauernde Herz.

Von entschiedenem Talent, triebkräftiger Phantasie und sicherer Beherrschung der Form zeugen Vier Ciavierstücke von J. Albert Jeffery. Aus dem Namen, wie den Widmungen, die sich den einzelnen Compositionen vorgedruckt finden, schliessen wir, dass der Künstler ein Engländer oder Amerikaner sei. Doch zeigt sich deutlich, dass er die deutschen Meister gründlich sludirt hat und dass namentlich die Musik der Neuromantiker Schumann, Chopin und Mendelssohn in sein Fleisch und Blut übergegangen ist. Während in dem Notturno Op. 3 und der Barcarole Op. в ein träumerisch-zartes Element vorwaltet, sind die Gavotte Op. 4 und das Jagdlied Op. 7 von kräftiger Hallung und saftigem Colorit. Das Notturno, ein Andantino espressivo aus E-dur, beginnt mit einer Cantilene, deren Schmelz durch ein klangvoll-weiches Accompagnement erhöht wird. Die Arabesken, die das Thema bei der Wiederholung umranken, erinnern unwillkürlich an Chopin, den unerreichten Meisler auf dem Gebiete des »Nachlslückes«. Die »Gavotte aus dem (9. Jahrhundert« Op. 4 beginnt mil folgendem Thema-

Allegro con anima e márcalo.

/ *

das sich im Verlauf noch kraftstrotzender gestaltet. Das Mittelglied bilde! ein Edur-Salz, dessen ruhig-zarter Gesang mit dem Ungestüm des Hauptsatzes wirkungsvoll contrastirt. Die Barcarole, ein Andante con moto aus E-dur, illustrirt mit ihrem leise wiegenden Sechsachlel- Rhythmus die Bewegung des Nachens, der die Flulh durchfurcht, aufs anmulhigsle. Weich gelöst, in träumerischem Wohllaut schwebt die Weise dahin. Nur im Mitlelsalz kräuselt ein kräftigerer Hauch die Wellen. Der Schluss verhallt in leisen Arpeggien wie llarfenlaul. — Feuriger Schwung zeichne! das Jagdlied Op. 7 aus, wohl von allen vier Compositionen die frischeste und zugkräftigste. Nach einer vierlakligcn Einleitung erkling! das Haiipllhema gleichsam von fröhlichen llörnern geschmettert folgendermaassen :

Vivace.

martíllalo

Weniger keck tritt das zweite Thema in As-dur auf, dessen Gesang ein graziöser Hauch umspielt. Im weiteren Verlauf wird auch der KlangefTecl der von fernher tönenden Jagdrufe hübsch imitirt und das Ganze mit einer energischen Steigerung abgeschlossen. Wir hoffen dem Componisten, der aus dem Vollen schöpft und dessen sinnliche Frische den Hörer erquicklich anmulhet, bald wieder zu begegnen.

Von Morlti letiel liegt ein der Grossherzogin Luise von Baden gewidmetes Trío für Pianoforte, Violine und Violoncell vor, das die Opuszahl в an der Stirne trügt. Es erweckt stets ein ¡günstiges Vorurtheil für einen jugendlichen Componisten, wenn er sich an die grosser! Formen macht, wenn er das kunstvolle Gefäss der Sonate, sei es für ein oder mehrere Instrumente mit selbständigem Leben zu erfüllen sucht, statt sich in Genrebildern für Pianoforte und ähnlicher Kleinkunst auszugeben. So sind wir denn auch an dies Trio mit einer gewissen freudigen Erwartung herangetreten, die keineswegs völlig getäuscht worden ist. Der erste Satz, ein Allegro maestoso aus D-dur, beginnt schwungvoll genug mit folgendem Thema, das von Geige und Cello im Einklang vorgetragen wird, während das Ciavier eine kräftig empordringende Begleilungsfigur dazu ertönen ISsst :

Violin».

Allegro moderato.

Der Nachsalz, zunächst von Geige und Ciavier eingeführt, dann vom Cello übernommen , sänftigt das Ungestüm -des Hauptgedankens. Die Modulation bewegt sich von A durch F-dur mit schöner Steigerung zur Haupltonarl zurück, worauf sich das Clavier des Themas bemächtigt Ein neues energisches Motiv tritt hinzu und giebt den Stoff für dio weitere Entwicklung ab. Nachdem auf E ein vorläufiger Ruhepunkt erreicht worden, stimmt das Violoncell das zweite Hauplthema (Seitensalz) in A-dur an, welches mit seiner ruhig-breiten Canlilene zum ersten Thema und dem vorwärts drängenden Charakter des Bisherigen überhaupt in schönen Gegensalz tritt :

teno.

Zunächst löst die Geige das Cello ab, während dieses gemeinsam mit dem Ciavier eine Zweite Stimme bildet. Dann betheiligt sich auch letzteres an der Hauptmelodie, und in einem wohllautvollen Strom geht der erste Theil zu Ende, um 'hierauf wiederholt zu werden. Die Durchführung ist im Ganzen wohlgelungen. Sie knüpft an das erste Thema an, das zunächst in D-moll auftritt. In geistreicher Imitation nimmt es ein Instrument dem ändern ab, während der Wechsel der Tonarten die verschiedenartigste Beleuchtung darauf wirft. Auch die Seitenthemen führt der Componist in ähnlicher geschickter Weise durch , wobei es freilich stellenweise etwas mehr nach Contrapunkt als freispielender Tonpoesie duftet. Glücklich gefunden ist der Rückgang zum ersten Theil, der übrigens nicht vollständig wiederholt und wesentlich umgestaltet wird. Das erste Thema erklingt nun in Dès-dur zartleise zuerst von der Geige allein, dann vom Cello, zuletzt vom Ciavier vorgetragen. Nachdem auch der Seitensatz nochmals vorübergezogen, ruft der Anhang den Hauptgedanken in Erinnerung und scbliesst kurz und stramm ab. — Obwohl es an einzelnen matteren Stellen -nicht fehlt und eine gewisse Incongruenz zwischen dem ersten fünf Seilen umfassenden und zudem wiederholten Theil und den folgenden Abschnitten, Durchführung und Repetition, hervortritt, welch letztere Hetzet auf 6 Seiten erledigt, würden wir nicht anstehen, das Trio als eine treffliche Arbeit zu bezeichnen, ständen die übrigen drei Sätze auf gleicher Höhe wie der erste. Leider ist dies nicht der Fall. Das Andante aus F-dur (9/<-Takt) ist ein Liedsatz von ziemlich dünnem melodischen Gebalt und etwas verblauter Färbung. Auch der energischere F uiull-Abschnitt, der conlrastirend dazwischen tritt, vermag uns nicht hinlängliches Interesse abzugewinnen. Das Scherzo, ein Prestosatz in D-dur, beginnt mit einem reizenden Thema, das sich indess sofort als Nachbildung eines Schumann'- schen Origináis entpuppt, freilich ohne dessen genialen Humor zu erreichen. Selbständiger erscheint das Trio; es wirkt durch seine ruhigere gesangvolle Haltung und noble Stimmführung gut. In knappem Zweivierlelrhylhmus eilt das Finale dahin. Nach einer Einleitung, deren Motiv das Molllhema des Andante in Erinnerung bringt, tragen Geige und Cello ohne Ciavier das Hauplthema folgendermaassen vor:

Ociac.

Cello.

Noch leichter geschürzt sind die folgenden Motive. Erst mil dem glücklich erfundenen zweiten Hauplthema in A- lur, dessen Melodie das Cello in Triolen umspielt, gcsvinnt der Satz Breite und Steigerung, wie wir sie von dem Finale c-iner modernen Sonate vor Allem verlangen. Bei einem Haydn lassen wir uns die harmlose Laune, mit denen er in manchen seiner Finales gleichsam noch die Feder ausspritzt, gefallen, weil sie zur Niivetilt des Werke« überhaupt stimmt und weil selbst das kleinste Gebilde vom Zauber der Schönheit verklärt wird. Bei einem modernen Tondichter treten wir mit anderen Anforderungen an derartige Tonstücke heran ; wir verlangen als Ersatz für die göttliche Unbefangenheit jener classiscben Meister, die ja doch unwiederbringlich verloren, eine intensivere und erschöpfendere Darstellung des musikalischen Stoffes, mehr dramatische Consequenz, aber auch den Mitteln unserer Technik entsprechend eine vertiefte und reicher abgestufte Färbung. Nach all diesen Richtungen hin laset unser Triofinale zu wünschen übrig. Es erscheint überhaupt zu leichtwiegend, um ein Kammermusikwerk abzuschliessen und,steht besonders hinler demjenigen zurück, was der erste Satz versprochen hat. Möge der Künstler in künftigen Schöpfungen seine Kraft energischer zusammenfassen und gegen sich selbst strenger sein l Dann werden reifere Früchte seines unbestreitbaren Talentes nicht ausbleiben.

Noch haben wir eines Strausses von Gesangen zu gedenken, die uns ihrer Empfindungsfrische und feinsinnigen Ausführung wegen Freude bereitet haben, obschon die Liedform bin und wieder noch organischer gestaltet sein dürfte. Es sind Fünf Lieder für eine Singstimme Op. 2 von lidiare* lehm Gleich die erste Nummer »Abendsehnsucht» von Salis-Sewis scheint uns die bedeutendste zu sein. Der Componist hat hier den elegischen Ton, die sehnsuchtsvolte Innigkeit, welche die Strophen des Dichters athmen, vorzüglich getroffen. Auch wegen der etwas freien Form wollen wir nicht mit ihm rechten, da der phantasiearlige Erguss der Cantilene durch das WeichzerOos- sene der poetischen Stimmung entschuldigt, ja gewisser- maassen bedingt wird. Besonders zart und schön declamirt ist der Schluss des Liedes, dessen Vor- und Nachspiel sich decken. — Das zweite Lied »Wir hatten uns einst gerne« von Agnes Engel, welcher die Compositionen dedicirt sind , hüllt sich in die Farben träumerischer Melancholie. Es ist ein H moll-Salz, dessen leise gehaltene Melodie sich auf durchgehenden Ur¿el- punkten aufbaut. Strophe 4 und l stimmen überein; die dfitte zeigt etwas veränderte Gestall. Binen »bolichea Vorwurf behandelt Nr. 3 »Des Nachts in meinem Traume», wiederum von A. Engel. Doch erscheint der melodische Contour hier bewegter, das Accompagnement freier und klangvoller. Ein längeres Nachspiel lasst die Liebesempfindung schön ausklingen. Das Lingg'sche Lied »Kalt und schneidend webt der Wind« beginnt mit melancholischer Klage, wie sie der Empfindung des vereinsamten Liebenden entspricht. Auch die leidenschaftliche Steigerung, die mit der Strophe »Deinetwegen, susse Macht« beginnt, lassl sich durch das Gedicht einigermaaesen rechtfertigen. Der letzte Abschnitt wendet sich ans Fis-moll nach Fis- ilur und bringt die Schlussworte »Was sind Rosen ohne dich?« zu treffendem Ausdruck. Trotzdem vermag das Lied als Ganzes nicht zu befriedigen. Es fehlt die Einheit der Stimmung, die harmonisch gerundete Form , welche durch strophische Gliederung des Gesanges unzweifelhaft besser erreicht worden wäre. Wer das Gedicht als solches mit der Musik vergleicht, wird den Unterschied, die Concentration lyrischer Stimmung dort, das Zerfahrene und äusserlich Pathetische hier sofort herausfühlen und mit seinem Unheil über das künstlerische Ver- hältniss nicht im Zweifel sein. Harmloser giebt sich die Schluss- nummer des Heftes : »Liebesahnung« (»Wissen es die blauen Blumen?«) von F. Kugler. Die schlichtherzliche Weise spiegelt den Liebesfrieden, den der Sänger preist, anmuthig wieder. Nur können wir nicht recht begreifen , weshalb der Componist für Vor-, Zwischen- und Nachspiel des Claviers den 3/e-Rhylh- mus anwendet, während die Singstimme sich im 2/4-Rhylhmus bewegt. — Der Ltedercyklus legt für Behm's lyrische Begabung schönes Zeugniss ab. Etwas strengere Logik in der Form, mehr Vertiefung und organische Herausbildung des dichterischen

Gehalteswerden, so hoffen wir, bei. künftigen Werken nicht ausbleiben. A NiggU

Handel's Teufele-Arie.

Unlängst ging mir eint Anfrage zu, deren Beantwortung durch diese Zeitung erfolgt, weil sich eine Mitteilung daran knüpft, die für weitere Kreise Interesse haben dürfte.

Herr H. v. Seh. schreibt mir am t. November- «Bei näherem Umgang mit Meyerbeer lernte ich durch ihn viele damals unedirte Gesangstücke von Händel kennen, ganz besonders aber empfahl er mir ein» Bass-Arie des Beelzebub, die nach seiner Meinung das Grossartigsle wäre, was überhaupt [für Bass?] componirt sei. Er versprach mir dieselbe in Abschrift zu besorgen. Statt dieser versprochenen Abschrift erhielt ich aber die Todesanzeige. Ich habe nun seit dem Tode von Meyerbeer mir alle erdenkliche Mühe gegeben, diese Arie, von der ich allerdings nicht weiss, ob sie aus einem Oratorium oder einer Oper ist, zu ermitteln, jedoch leider war alle Mühe ver- gebeos.i

Händel hat allerdings den Teufel in einer grösseren Composition behandelt, nämlich in dem um (708 zu Rom geschriebenen Oster-Oratorium Resurrezione ; und die einzige Arie, welche meiner Ansicht nach hier in Betracht kommen kann, ist ein Stück in C-moll, beginnend »0 «ni dell' Erebo*. Die Arie zählt nur 88 Dreiacbtel - Takte, ist aber in ihrer Anlage so merkwürdig, in der Composition so fremdartig und im Ausdruck so übermenschlich stürmisch , dass ein gewiegter Fachmann wie Meyerbeer, der wahrscheinlich besser, als irgend einer seiner Zeitgenossen, zu schätzen wusste, welche Kraft erforderlich ist, um eine grosse Gestalt mit wenigen Strichen als vollendeten Charakter hinzustellen — dass derselbe angesichts «ines solchen Satzes sehr wohl zu der Frage kommen konnte, wer ausser Händel im Stande gewesen sein möchte, so etwas zu erfinden. In diesem Sinne, und unter solcher Einschränkung, erscheint mir sein Ausspruch begreiflich. Man muss nur wissen, dass Meyerbeer überhaupt mit Bewunderung von Händel's italienischen Arien sprach, die ihm in grosser Zahl bekannt waren — von denselben Arien, über welche seine namhaftesten musikalischen Zeitgenossen, die sie nicht kannten, unbedingt den Stab brachen. Die einzige Unterredung, welche ich mit diesem in Deutschland vielfach ungerecht be- urtheilten Manne hatte, betraf hauptsächlich Händel's italienische Operngesänge, die er zu rühmen nicht müde wurde.

Der Satan heissl in jenem Oratorium nicht Beelzebub, sondern Lucifer (Lucífero), und das genannte Werk ist vor einigen Jahren als Band 39 in der Ausgabe der deutschen Händelgesellschaft erschienen. Der betreffende Band (78 Seilen Folio, mit vorgedruckter deutscher Ueberselzung) kann auch einzeln bezogen werden , nämlich gebunden von Breitkopf & Härlel, broschirt von Wilhelm Engelmann in Leipzig.

Meyerbeer besass dasjenige Exemplar der Arnold'schen Ausgabe von Händel's Werken, welches der Instrumenlen- macher Stumpf! in London an Beethoven sandte. Vielleicht ist Herr v. Seh. im Stande, uns mitzulbeilen, wo sich diese Reliquie jetzt befindet. , /ir

Berichte.

Leipzig.

Durch ganz vorzüglichen Vortrag des Haydn'schen Esdur-Quar- tetts leitete sich der zweite Kammermusikabend im Gewandhaus ein (H. November), so dass der schalkhafte letzte Satz da capo gespielt werden mussle. Ebenso verdiente die Ausführung der folgenden Pièce, Sonate für Pianoforte und Violine (B dur) von Mozart, uneingeschränktes Lob. Hingegen hätten wir der Wiedergabe des Fdur-yuarletts Op. 59 von Beethoven mehrfach noch grösseren volleren Ton uiut vcrl¡eiteren Ausdruck gewünscht. — In der dritten K a m m e r in u s i k ;i5. November] spielte die Pianistin Frl. Agnes Z i in m e r m o n n mit schon ausgebildeter Technik das durchgängig sehr ansprechende Bdur-Trio Op. 5Î von Rubinstein, unterstützt durch die tüchtige Partnerschaft der Herren Concertmeister Pctri (Violine) und Alwin Schröder (Violoncelli '. sodann die schwierige Phantasie 0|>. 11 von R. Schumann, allerdings ohne hier vollständig den hochgespannten Anforderungen zu genügen ; schlfessHch ein Arrangement der interessanten Ouvertüre zu «Ariodante« von Händel, Gavotte Op. lä* in D-dur von Reinecke, Canon-Scherzo aus Op. 35 von Jadnssohn. Mit ihr rang um die Palme der Anerkennung die geschätzte Sopranistin Frau Schimon-Regan, welcher das Geliert'- sehe Bussliod von Beethoven gut gelang, desgleichen die beiden Lieder: Siciliano von Pergolese, »Der liebliche Stern« von Fr. Schubert, wahrend das dritte (Annie Laurie von Hochberg) und die uns unbekannte Zugabe ziemlich unbedeutend und deshalb nicht gerade geeignet waren, einen tief einschlagenden Abschluss zu erzielen.

Der Barytonist Herr Í Wald ne r aus Wien gab am 4 8. November im Saale des Gewandhauses eint* Concert-Soiree , in welcher er

d'!n Kr. Schubert'schen Liedercyklus »Die schone Müllerin« vollständig vorführte, und zwar meist in vortrefflicher Weise, indem sich reiche Gestaltungskraft mit einem wohlklingenden ausgiebigen Stimmorgan paarte. Unserer Meinung nach war jedoch das Tempo im vierzehnten Liede »Der Jäger« etwas zu schnell, wodurch die überhasteten Worte die individuelle Ausprägung einbUssten. Ein nicht geringer Theil des Erfolges gebührte der echt künstlerischen Clavierbeglei- tung des Herrn Kapellmeister Reinecke. Am wenigsten konnten wir dagegen mit der Declamation des Herrn Baimann (vom hiesigen Stadttheater), welche durch Abwechslung und Ausmalung der Handlung den Gesammteindruck vor Monotonie schützen sollte, zufrieden sein. Der Prolog und vor allem der Epilog passten mit ihren wohlfeilen Spässen gegenüber dem ernsten Inhalt der Musik wie die Faust aufs Auge. Nur nebenbei die wohlgemeinte Bemerkung, dass wir an des Sängers Stelle den komischen Anstrich vermieden haben würden, welchen die auf dem Programm nicht angezeigte Ruhepause nach den Schlussworten von Nr. 40: »Ade, ich geh nach Haus«, womit der Künstler sich auf kurze Zeit aus dem Saal entfernte, hervorbrachte. Eine kleine Unterbrechung ist gewiss für Stimme wie Nerven wohltha'tig ; sie bietet sich aber in unseren Falle viel geeigneter nach dem elften oder zwölften Liede.

A]\

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Allgemeine

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Musikalische Zeitung.

Verantwortlicher Rédacteur: Friedrich Chrysander.

Leipzig, 6. December 1882.

Nr. 49.

ХУЛ. Jahrgang.

Inhalt: Die Briefe Beethoven's an Bettina von Aniini. — Compositionen von WoldemarVoullaire. — Anzeigen und Beurlheilungen (Violinschulen {Werke von J. G. Lehmann, Ludwig Abel und Friedr. Hermann!). — Stuttgart. — Der arelinische Congress fur liturgischen Gesang. — Berichte (Leipzig). — Anzeiger.

Die Briefe Beethoven's an Bettina von Arnim. Von in. H. Delten.

Die biographische Forschung über Beethoven ist bekanntlich noch reich an zweifelhaften und unaufgeklärten Punkten. Unter diesen giebt es wobl keinen, bei welchem bis auf den heutigen Tag die Ansichten sich so schroff einander gegenüberstehen, u ¡t-jene drei Briefe, welche er in den Jahren Hin bis l s t j an Bettin n von Arnim geschrieben hat oder geschrieben haben soll. Dieselben waren noch nicht lange im Nürnberger Athenäum (l 839) durch Merz veröffentlicht, als Schilling die Echtheit derselben in Zweifel zog. Diesen Zweifel nahm A. B. Marx in seiner Biographie auf und stützte denselben durch äussere und innere Gründe ; und in gleicher Weise suchte Schi nd l er in der dritten Auflage seiner Biographie die Unmöglichkeit, dass die Briefe von Beethoven in der veröffentlichten Gestalt herrühren könnten, unter derselben Bezugnahme auf Beethoven's Charakter und Schreibweise darzu- thun, unter welcher er auch die lange Expectoration Beethoven's über seine Kunst in »Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde« als ganz unbeetbovensch bezeichnen zu müssen glaubte. Auch Otto Jäh n hat die drei Briefe für unecht gehalten. Für die Echtheit erhob sich L. Nohl (in der ersten Sammlung von Briefen Beethoven's) mil Berufung auf M. Carrière, welcher die Originale gesehen habe; und auch A. W. T hay er, unter den Lebenden sicherlich der berufenste Beurtbeiler biographischer Fragen über Beethoven, tritt im dritten Bande der Beethoven-Biographie für die Echtheit jedenfalls der beiden ersten Briefe ein, während auch er die Echtheit des dritten nicht mehr zu behaupten wagt. Neuerdings ist durch die von H. Carrière besorgte Publication des zweiten Briefes nach der im Nathu- sius'schen Nachlasse vorgefundenen Handschrift die Sache in ein neues Stadium getreten. *)

Der Verfasser dieser Zeilen, welchem die erfreuliche Aufgabe geworden, die Resultate von Thayer's glänzender Forschung dem deutschen Publikum zu vermitteln, hat an der betreffenden Stelle der Biographie (Bd. 3, S. 46S) seiner von Thayer abweichenden Meinung kurz Ausdruck gegeben und dadurch gewissermaassen die Verpflichtung übernommen, seine Ansicht ausführlicher zu moliviren. Vorab glaubt er bemerken

) Diese Publication erfolgte 1880 im ersten Heft der .Allgemeinen Conservativen Monatsschrift für das christliche Deutschland« S. 79—81, und ist bereits in der Allgem. Musikal. Ztg. 4880 Nr. 9, Sp. 185—137 vollständig mit allen Varianten des Bettini'schen Druckes, sowie mit der von Carrière geschriebenen Erläuterung zum Abdruck gebracht. ". Red.

zu sollen, dass seine erwähnte, alle drei Briefe umfassende Aeusserung erfolgt ist vor der Edition des zweiten Briefes durch Carrière.

Bei der Betrachtung dieser Frage müssen wir nach Lage der Sache von der Betrachtung der inneren Gründe, welche ja auch von Anfang an die Zweifel hervorgerufen haben, ausgehen und von ihnen aus erst zu der Betrachtung der äusseren Ueberlieferung übergehen. Denn an und für sich würde die äussere Gewähr der Briefe einem Zweifel nicht so leicht unterworfen worden sein, da ja die Adressatin selbst die Herausgeberin war; ibr verdankte Merz (839 die Möglichkeit sie zu drucken, und sie selbst hat sie im zweiten Bande von »Ilius Pamphilius und die Ambrosia« 18Í8 wieder veröffentlicht. Die Originale der Briefe zu Gesicht zu bekommen, ist freilich bei Bettina's Lebzeiten keinem Herausgeber oder Biographen gelungen ; Merz bat nicht versichern können, sie gesehen zu haben, und Carrière hat in seiner früheren Erklärung, wie ihm Marx ganz mit Recht entgegenhielt, nicht bezeugt, dass er die Briefe in Beethoven's Handschrift gesehen habe ; nicht Schindler, nicht Thayer haben sie gesehen. Dennoch würde man die Echtheit der Briefe nach der Art ihrer Veröffentlichung nicht angezweifelt haben, wenn dieselben sowohl nach den darin enthaltenen biographischen Beziehungen, als auch nach der Schreibweise dem Bilde von Beethoven's Leben und Denken sich organisch eingefügt hätten. Dieses wurde bestrillen, und von da hat der Zweifel an der Echtheit der Briefe seinen Ausgang genommen, der dann seine Stütze auch in der Betrachtung von Bettina's schriftstellerischer Thätigkeit fand. Diesen Weg haben wir also bei der Betrachtung dieser Sache ebenfalls zu gehen, und vorab die inneren Gründe nochmals vorzuführen und zu prüfen. Zu diesem Zwecke erscheint es nolhwendig, da nicht allen Lesern dieser Zeilen der Wortlaut der Briefe gegenwärtig sein kann, dieselben hier nochmals mitzutheilen.

Der erste Brief ist vom 11. August l 810 datirt. Im Mai dieses Jahres war Bettina in das ibr nahe verwandte Bircken- stock'sche Haus in Wien gekommen, in welchem Beethoven freundschaftlich verkehrte, und war durch diese Vermittlung mit Beethoven bekannt geworden — eine Thalsache, welche wir theils aus ihrer poetischen Darstellung in »Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde«, theils aus ihren Briefen an Kürst Pückler-Muskau kennen, die sie auch Thayer mündlich wiederholte, und die wir, auch was die Zeit betrifft, zu bezweifeln durchaus keinen Grund haben. Nach ihrer Abreise also schrieb ihr, wie sie mittheilt, Beethoven folgenden Brief: ')

Wir geben denselben nach Thayer, der ihn nach dem Niirn-

»Wien, 4l. Augost 4810. Tbeuersle Bettina, ')

Kein schönerer Frühling als der heurige, das sage ich und fühle es auch, weil ich Ihre Betamttkchafl gemach i habe. Sie haben wohl selbst getehtitl, dass ich in der Oesellscbafl bin, wie ein Prosen *] auf de« Sand der wntit »ich und wälzt sich und kann nirm fhri, bis eme wbni wettende Oalathee ihn wieder ins3) gewaltige Meer hineraschafll«). Ja ich war recht auf dem Trockenen, liebele Bettina6). ich ward von Ihnen überrascht in einem Augenblick, wo der Hisgmuth ganz meiner Meister war; aber wahrlich er verschwand mit Ihrem Anblick, ich hab's') gleich weg gehabt dass Sie aus einer ändern Welt sind, ab aus dieser absurden, der man mit dem besten Willen die Ohren nicht auflhun kann. Ich bin ein elender Mensch und beklag« ') mich über die ändern l l — Das verzeihen Sie mir wohl mit Ihrem guten Herzen, das ans Ihren Augen sieht, und Ihrem Verstand, der in Ihren Ohren liegt; — zum wenigsten verstehen Ihre Ohren zu schmeicheln, wenn sie zuhören. Meine Obren sind leider, leider eine Scheidewand, durch die ich keine freundliche Communication 8) mit Menschen leicht haben kann. Sonst ! — Vielleicht l — hält' ich mehr Zutrauen gefasst zu Ihnen. So, könnt ich nur den groseen, gescheuten Blick Ihrer Augen verstehen, und der hat mir zugesetzt, dass ichs nimmermehr ; vergessen werde. Liebe Beltine 10), liebstes Häd- cbenl die Kunst l — Wer versteht die, mit wem kann man sich bereden über diese grosse Göttin! — Wie lieb sind mir die wenigen11) Tage, wo wir zusammen schwitzten12), oder vielmehr correspondirlen, ich habe die kleinen Zettel alle aufbewahrt, auf denen Ihre geistreichen, lieben, liebsten Antworten stehen. So hab ich meinen schlechten Ohren doch zu verdanken, dass der beste Tbeil dieser flüchtigen Gespräche aufgeschrieben ist. Seil Sie weg sind , hab' ich verdriesslicbe Stunden gehabt, Schalteostunden, in denen man nichts thun kann ; ich bin wohl an drei Stunden in der Schönbrunner Allee herumgelaufen, als Sie weg waren, und auf der Bastey") ; aber kein Engel ist mir da begegnet, der mich gebanntu) hätte, wie Du Engel. Verzeihen Sie, liebste Bettine1*), diese Abweichung von der Tonart ; solche Intervalle muss ich haben, um meinem Herzen Luft zu machen. Dnd an Goethe haben Sie von mir geschrieben, nicht war? — dass ich meinen Kopf möchte in einen Sack stecken, wo ich nichts höre und nichts sehe von allem, was in der Welt vorgehl. Weil Du , liebster Engel, mir doch nicht darin begegnen wirst. Aber einen Brief werd' ich doch von Ihnen erhallen? — Die Hoffnung nährt mich, sie nährt ja die halbe Welt, und ich hab' sie mein Lebtag zur Nachbarin gehabt, was wäre U'J sonst mit mir geworden? — Ich schicke17) hier mit eigner Hand geschrieben: »Kennst Du das Land«, als eine Erinnerung an die Stunde, wo ich Sie kennen lernte, ich schicke auch das andere, was ich componirt habe, seit ich Abschied von Dir genommen habe, liebes, liebstes Herzt

Herz, mein Herz, was soll das geben, Was bedränget Dich so sehr? Welch ein fremdes, neues Leben l Ich erkenne Dich nicht mehr.

Ja, liebste Betline18), antworten Sie mir hierauf, schreiben Sie mir, was es geben soll mit mir, seit шеи. Herz ein solcher Rebelle ls) geworden ist. Schreiben Sie Ihrem treusten Freund —

iwthoven.«

berger Athenäum abdruckte. Die Anmerkungen enthalten die Varianten in »llius Pamphllius« mit Ausnahme der Interpunktion.

4) »Theuerste Freundin« S) Fisch 3) in das 4) hinein schafft 5) Freundin 6) hab es 7) beklag 8) Komunikation 9) nimmer 40) Freundin 44) wenige 41) Schwallen

4») .und auf der Bastey. fehlt 4t) gepackl 45) Freundin 4«) wer 4 7) schick 48) Freundin 49) solch ein Rebeller.

Die Varianten in den beiden verschiedenen Edltioben, von den kleineren abgesehen, welche durch verschiedene Deutnag einer anleserlichen Handschrift entstanden sein könnten, sind willkürliche Aenderungen, die nur von Bettina selbst gemacht sein können ; denn man wird doch nicht annenmen wollen, dass der erste Herausgeber ttert die Worte »und auf der Bastey« willkürlich zugesetzt, опят am einem im Originale gelesenen Freundin« willkürlich »Beltine« gemacht lulle. Eine wirkliche PietSt für ein vorliegendes authentisches Original verbietet dergleichen Willkürlichkeiteo. Doch -wollen wir das als nebensächlich gellen lassen.

Was den Inhalt des Briefes selbst betrifft, so ist biographisch festgestellt, dass Beethoven in der Zeit, als ihn Bettina kennen lernte, in der That von tiefem Missinulhe erfüllt war, da »seine Heiratbspartie sich zerscttlagen hatte«, d. H. seine lange Jahre gehegle Hoffnung, sich mit Thérèse v. Brunswick zu vermählen, aus unbekannten Gründen vernichtet worden war. Hierüber möge man den 3. Band der ,Tbayer'sehen Biographie nachlesen. Zwei Lieder von Goethe, die Beethoven in jener Zeit componirt, werden in dem Briefe erwähnt : «Kennst du das Land«, welches gerade zu der Zeit, als er Betlina kennen lernte, also im Hai 4840, entstanden sein soll,1) und »Herz mein Herz«, welches er nach ihrer Abreise, also noch im Sommer 4810, geschrieben habe. Beide Lieder erschienen Ende 4840 mit mehreren anderen zusammen und fallen daher allerdings in jene Periode ; zur genauen Feststellung des Datums fehlen weitere Angaben. Doch stehen auf einem Skizzen- blalle Beethoven's, welches sich in 0. Jaim's Besitz befand, - Skizzen von »Kennst dii das Land« und von »Freudvoll und leidvoll«, einUmsland, der nach gewöhnlicher Wahrnehmung — man erinnere sich der Nollebohm'schen Untersuchungen über Beethoven's Skizzenbücher — auf gleichzeitige Composition der beiden Stücke schliessen lässt. Die Musik zu Egmonl wurde im Winter 4809/40 componirt, ihre erste Aufführung war am t i. Mai 4840, und somit musste damals die Musik längst fix und fertig sein. Daraus ergiebl sich die höchst wahrscheinliche Vermnlhung, dass auch das Lied »Kennst du das Land» bereits früher in Angriff genommen und keineswegs für Betlina oder zur Zeit ihrer Anwesenheit componirt war ; sie mag in ihrer Erinnerung das von Beelhoven ihr milgetheilu- Lied als eben componirt irrlbümlich angesehen haben. Dass das andere Lied »Herz mein Herz« mit dem Abschiede von Bettina ib Verbindung gebracht wird, leidet unseres Erachtens an grosser innerer Unwahrscheinlichkeil. Thayer hat die gewiss zutreffende Bemerkung gemacht (III, S. 97), dass es nicht Zufall sein könne, dass gegen Ende des Jahres 1809, als Beelhoven's Hoffnungen, die Erwählte als Gattin zu besitzen, am lebhaf- teslen waren, auch die zur Composition gewählten Liedertexte Beziehungen zu seinen damaligen Empfindungen hatten. Dass er, nachdem seine Hoffnungen zerslört waren, so bald nachher wieder einen solchen Text zur Hand genommen — gerade in dieser so sehr unfruchtbaren Zeit —, ist schwer glaublich, vielmehr durchaus wahrscheinlich, dass auch dieses Lied elwas früher anzusetzen sei.

Ueherhaupt scheint uns, wenn wir die Verhältnisse gerade jener Wochen erwägen, der zärtliche Ton sehr auffällig, welchen Beelhoven in dem Briefe anschlägt. Allerdings will Schindler wissen, Beelhoven sei in jenen Jahren in Bellina »recht vernarrt« gewesen und deshalb noch später von Freunden geneckt worden. Schindler konnle nur das letzlere wissen ; über die

4) Die Worte »als eine Erinnerung an die Stunde, wo ich sie kennen lernte«, erhallen ihre Erläuterung durch Betlina's Erzählung an Kürst PUckler, dass Beelhoven das Lied gerade in jenem Momente »fUr sie« componirt habe.

1) Vgl. den von den Antiquaren Baer, Cohen und Lempertz herausgegebenen Katalog der Musikaliensammlung 0. Jahn's, S. 89.

Zeit Vod Beethoven's Bekanntschaft mit Bettina selbst hatte er keine Kenntoiss, und in welche Zeit wir jene Mittheilung verlegen wollen, wie sie überhaupt zu verstehen ¡st, bleibt un- gewiss. Für Beethoven war damals eine von ihm lange gehegte liefe Neigung zerstört worden, Bettina aber war seit Jahren die Braut Achims von Arnim ; unter solchen Verbältnissen erscheinen diese Liebesäusserungen anstössig, und soviel wir Beethoven's Charakter kennen, unbeelhovonsch, da gewisse Scherze, die er sich sonst wobl in Briefen an Frauen erlaubt hat, im Vergleich zu diesem ernsthaft, ja schwerrnülhig gehaltenen Briefe nichts beweisen.

Auffällig ist auch, dass er sich in dem langen Briefe fast ausscbliesslich mit der Adressatin beschäftigt, ihrem Geist und ihrem Einflüsse auf ihn das höchste Lob zollt (wie oft lesen wir Aebnlichee in den anderen, von Betlina herausgegebenen Briefwechseln), von sich jedoch ausserordentlich wenig sagt. Was er von seinem Gehöre und von der schriftlich geführten Unterhaltung schreibt, stimmt auch nicht ganz mit sonst bekannten Thatsacben ; Beethoven hat den Gebrauch der Conver- sationsbefle erst eine Reihe von Jahren später als Regel angenommen , und nach den gewöhnlichen Nachrichten machte ihm sein, obwohl schon sehr geschwächtes Gehör um das Jahr 1810 Unterhaltung, Musikhören und eigenes Spiel noch nicht unmöglich. Doch kann es, wenn nicht als Regel, doch als gelegentliches Hülfsmitlel, namentlich bei der Unterhaltung mit einer Dame, auch schon damals angewendet worden sein.

Die obigen Bemerkungen lassen es sehr schwer erscheinen, den Brief, wie er geschrieben ist, für Beethovensch anzuerkennen, und insbesondere machen ihn die Aeusserungen über die beiden Lieder im höchsten Grade bedenklich. Ein Moment haben wir nach Mitlheilung des zweiten Briefes noch nachzutragen und über den Stil sprechen wir erst, nachdem wir sie alle übersehen. Das Endurtheil kann erst nach erlangter Ueber- sicht über die ganze Frage gefallt werden.

Der zweite Brief ist nur ein halbes Jahr später datirl ; wir geben ihn nach der neuen Edition Carrières. ')

»Wien am 10. Februar im I. Liebe liebe Bettina ! -j

Ich habe schon zwei Briefe von ihnen und sehe aus Ihren Briefen an die Tonie3), dass Sie sich immer meiner und zwar viel zu vorlheiltiaft erinnern — ihren ersten Brief habe4} ich den ganzen Sommer mit mir herumgetragen und er hat mich oft seelig5) gemacht, wenn ich ihnen auch nicht so oft schreibe, und sie gar nichts von mir sehen, so schreibe ich ihnen doch') 1000 mal7) lausend Briefe in Geaunkeu. — Wie sie sich in Berlin in ansehung des Wellgeschmei.vies8) finden, könnte ich mir denken, wenn ich's nicht von ihnen gelesen hätte, schwätzen 9) über Kunst ohne Tnaten ! l 111 Die beste Zeichnung hierüber findet sich ¡n Schillers Gedicht »die Flüsse« wo die Spree spricht — sie heirathen liebe Bellina10), oder es ist schon geschehen, und ich habe sie nicht einmal zuvor noch sehen können, so ströme denn alles Glück ihnen und ihrem Galten zu, womit die Ehe die ehelichen segnet — Was soll ici ihnen von mir sagen »Bedaure mein Geschickt rufe ich mit, der Johanna aus, rette icb mir noch einige Lebensjahre, so will") auch dafür wie für alles übrige Wobl und Webe dem alles ic sich fassenden dem Höchsten danken — An Goethe wenn sie ihm von mir schreiben suchen sie alle die Worte aus, die ihm

4) Allg. conservât. Monatscbrift für das christl. Deutschland. Jan. 4880. In den Anmerkungen lassen wir die wichtigeren Varianten der ersten Ausgabe (A) und des llius Pamphilius (B) folgen.

2) Geliebte, liebe Bettine A, Geliebte liebe Freundin B 3) an Ihren Bruder A *) hau A 5) selig B 6) doch fehlt in A

7) tausend mal B 8) Weltgescbmeiss B 9) schwatzen B, vieles Schwatzen A 40) Bettine A, Freundin B 44) will ich A

meine innigste Verehrung und Bewunderung ausdrucken , icb bin eben im Begrif) ihm selbst zu schreiben wegen Egmont, wozu ich die Musik gesezt2), und zwar blos aus Liebe zu seinen Dichtungen, die mich glücklich machen, wer kann aber auch einem grossen pichter genug danken,, dem kostbarsten Kleinod einer Nation T

Nun nichts mehr liebe gute B- 3). ich komme4) diesen Morgen um i 5) erst von einem Bachanal, wo ich sogar6) viel lachen muste7), um heute beinahe eben so viel zu weinen, rauschende Freude treibt mich oft gewallhätig8) in mich selbst zurück. Wegen Clemens vielen Dank für sein Entgegenkommen, was die Cantate9), so ist der Gegenstand für uns10) hier nicht wichtig genug, ein anderes ist's11) in Berlin, — was die Zuneigung, so hat die Schwester davon eine so grosse portion12), dass dem Bruder nicht viel übrig bleiben, wird, ist ihm damit auch'gedient? Nun leb13) wohl, liebe liebe B. ") ich küsse

dich l5) auf deine Stirn und drücke damit wie mit einem

Siegel alle meine Gedanken für dich auf. — schreiben sie bald,

bald, oft ihrem ")

Beethoven.c Adresse (von anderer Hand)

»Von Wien. An Fräulein Betline v. Brentano

Visconti Laroche bey Herrn von Savigny in Berlin

Monbijon-Platz Nr. I.«17) Auf der Rückseile um das Siegel von Beethoven's Hand:

»Beethoven wohnt auf der Mölker Bastey im Pascolatischen Hause.«18)

Bei diesem Briefe ist uns von jeher ein, erhebliches Bedenken biographischer Art aufgestiegen. Beethoven hat die Musik zum Egmont nicht, wie in dem Briefe so absichtlich hervorgehoben wird, aus reiner Liebe zu Goethe's Pichtungen geschrieben, sondern zufolge eines vom Hoflbeater erhaltenen Auftrages ; es war gleichzeitig auf eine Aufführung von Goethe's Egmont und Schiller's Tell abgesehen gewesen, und Beethoven hatte, wie Czerny bezeugt, ausdrücklich den Wunsch ge- äussert, der Teil zu erballen. Die Aeusserung im Briefe, er sei eben im Begriffe, wegen Egmonls an Goethe zuschreiben, erscheint ausserdem nur dann recht natürlich, wenn es sich um eine eben fertig gewordene Composition bandelte. Nun war aber, wie bereits gesagt, die Egmonlmusik bereits im Anfange des Jahres 4840 fertig, ehe Bettina überhaupt nach Wien kam, und im Mai dieses Jahres aufgeführt worden. Im ersten Briefe war auch schon Goethe's gedacht ; ist derselbe echt, so war dort die Stelle, des Egmonl zu erwähnen, und es fällt auf, dass dies nicht geschehen ist. Hat Beethoven diesen zweiten Brief geschrieben, so hat er entweder eine bcwussle Unwahrheit geschrieben, was ihm nicht zuzutrauen isl, oder er hat Tbatsachen, die nur um ein Jahr zurücklagen, in auffallender Weise vergessen, was von einem Beelhovenkenner wie Thayer immerhin für möglich gehalten wird.

Andere biographische Bedenken bietet dieser Brief nicht, wenngleich auch hier der zärtliche Ton, namentlich am Schlüsse, nicht gerade angenehm berührt. Die Verschiedenheit der Lesart betreffend, so ist zu bemerken, dase in der ersten Herausgabe durch Merz ein Bestreben bemerkbar ist, Unebenheiten

4) Begriff A B i) gesetzt A B ») Betline A, Freundin B

t) kam A i) 4 Ohr A, vier Uhr В в) to gar A 7) mußte A B 8) gewaltthëtig wieder A , gcwaltthälig B 9) Cantate betrifft A

40) uns fehlt in A 44) isl sie A 4a) diese so sehr eingenommen A 48J lebe A 44) Betline A, Freundin B 45) im Orig. ein durch- strichenes Wort, dafür in B »so mit Schmerzen«, A ohne Lücke 46) an Stelle des im Or. unleserlichen Wortes hat A »Freunde«, B »Bruder* 47) fehlt in A B 48) fehlt in B

dee Stiles, die in Hins and Pamphilius and der neuesten Edition gemeinsam hervortreten, wegzuschaffen. Das Hesse auf ein wirkliches Original schliessen. Es lägst eich gar nicht leugnen, das« dieser zweite Brief.schon in der äusseren Form, wie wir weiter unten anzuführen haben, aber auch in Einzelheiten des Inhalts mit unzweifelhaft Beethoven'scben Briefen Verwandtes bietet. Die Aeusterung am Anfange, dass man sich seiner viel zu vorteilhaft erinnere, ist ein Ausdruck der Bescheidenheit, der auch in anderen Briefen (z. B. denen an Erzherzog Rudolf) begegnet ; wie auch die kurz vor dem Schlüsse enthaltenen, sein Leben und eine projeclirle Cantate betreffenden Aeussernngen nicht nach willkürlicher Erfindung aussehen ; einer, der den Brief unterschob, würde den letzten Punkt wahrscheinlich deutlicher gemacht haben.

Was die Darstellung in diesem Briefe, sowie seine äussere Beglaubigung betrifft, haben wir für später noch Einiges nachzutragen. Doch muss schon hier — für den Fall, dass er ganz oder zum Theil als echt erscheinen sollte — ein kurzer Rückblick auf den ersten Brief geworfen werden. Wer diesen zweiten Brief und namentlich den Anfang desselben unbefangen liest, kann sich des Eindrucks kaum erwehren, dass, als er geschrieben wurde, ihm ein anderer nicht vorhergegangen war, und am wenigsten ein so ausführlicher, wie der erste, den wir jetzt lesen ; denn wäre das der Fall gewesen, so war ein« Entschuldigung, wie er sie giebt — da er ja auf einen zweiten Brief antwortet und demnach auf den 'ersten schon früher geantwortet bitte — gar nicht nöthig, und auch die Abwehr der zu vorteilhaften Erinnerung nicht mehr an der Stelle. Auch würde auffallend sein, dass er in dem zweiten Briefe erst die Absicht ausspricbt, an Goethe wegen des Egmont zu schreiben, als bitte er denselben eben vollendet, wehrend derselbe schon vor Bettinens Aufenthalt in Wien fertig war. Es sind dies kleine und scheinbar unwichtige Bedenken, welche jedoch zu den übrigen hinzukommend ins Gewicht fallen ; sie deuten darauf hin, dass die beiden Briefe sich nicht wohl mit einander vertragen, dass vielmehr, wenn der zweite echt sein sollte, der erste es nicht sein kann. Sind beide unecht, so kommt es auf diese Betrachtung nicht weiter besonders an. (Fortsetzung folgt.)

Compositionen von "Woldemar Voullaire.

Es dürfte heul zu Tage ziemlich selten mehr vorkommen, dass ein Componist seine Thätigkeil mit der musikalischen Bearbeitung von Psalmen und geistlichen Liedern eröffnet und dass das erste Product, welches er der Oeffenllichkeit über- giebt, ein Werk von der schmerzlichen Inbrunst des Gebetes ist: »Aus tiefer Nolh schrei ich zu dirt. Schon aus diesem Grunde erregen die Compositionen von Woldemar Voullaire, so viel uns bekannt eines Schweden, dessen Erstlingsarbeiten vor mehreren Jahren erschienen und von dem gegenwärtig wieder neue Tondichtungen vorliegen, ein gewisses Interesse. Wir haben es mit einer ernst angelegten, streng religiösen Natur zu thun, die sich formell an die Romantiker, namentlich an Mendelssohn und Gade anlehnt und nicht gerade eine originelle und reiche Productionskraft zu besitzen scheint, deren Hervorbringungen indess mit dem Stempel eines dem äusser- lichen Effect aus dem Wege gehenden, gegen sich selbst streng- gesinnten , edel und warm empfindenden Künstlers an der Slirne tragen.

Das Gebet »Aus tiefer Noth schrei ich zu dir* Op. l hat Voullaire für eine Sopranstimme und Chor mit Orgelbegleitung geschrieben. Es ist ein Andante sosteníalo aus E-moll (%-Takt). Der Gesang, der das Flehen der zerknirschten Seele nicht mit

dramatischem Pathos, aber schlicht und schön ausdrückt, wird von einem wesentlich polyphon behandelten, in strenggebundenen Achteln dahingleitenden Accompagnement getragen, wie es für die Orgel passt. Nachdem die Solostimme den Text vorgeführt und mit A-moll geschlossen bat, tritt der vierstimmige Chor ein und wiederholt seinerseits den Satz, während der Solosopran eine selbständige Melodie dazu ertönen lässt. Am Schluss, der die Worte »Wer kann vor dir bleiben noch eindringlicher illustrirt, treten zu dem Solosopran vier weitere Einzelstimmen, welche dann der Chor wiederum aufnimmt. Die letzten Takte verklingen pianissimo in der Tiefe, als fassle die Betenden ein Schauer vor der Nähe des Herrn.

Einen ähnlichen Vorwurf bebandelt Op. 2. Es U der 13. Psalm, den Voullaire durch eine A I tstim me vortragen lässt, während wiederum die Orgel begleite!. Das Tonstück beginnt mit einem Adagiosatz in G-moll, dessen klagende Weise den Worten : »Wie lange , o Herr, willst du meiner gar vergessen«, wohl entspricht. Die Ausdrucksweise erinnert an die Solosätze in Mendelssohn's Psalmen, namentlich im ii., wobei übrigens von directen Reminiscenzen nicht die Hede ist. Mit den Worten »schaue doch und erhöre mich, Herr, mein Gott« wachst die leidenschaftliche Innigkeit des Gesanges, der dann bei der folgenden Stelle »dass ich nicht im Tode entschlafe« stillschauernd zur Tiefe steigt, als öffnete sich schon die Gruft. Mit dem vertrauensvollen »Doch ich hoffe darauf, dass du so gnädig bist« tritt die G dur-Tonart ein und es gestaltet sich das Lied zu einem choralartigen Hymnus, der die Freudigkeil des gläubigen Herzens schön auslönt. Das ziemlich lange Stück verlangt, dass die verschiedenartigen Stimmungsnüancen mit einem gewissen dramatischen Accent hervorgehoben werden, bietet übrigens einer tüchtigen Sängerin eine keineswegs undankbare Aufgabe dar.

Mit Op. 3 sehen wir Voullaire zum ersten Mal das Gebiet der Claviercomposition betreten, insofern demselben nicht etwa der ohne Opuszahl erschienene ^Deutsche Siegtsmarsch* für Pianoforte vorangegangen 1st. Letzterer ein marschmässiges Allegro maestoso in Л-dur ist kräftig und schwungvoll gebalten, ohne sich gerade hoch über das Niveau derartiger Gelegen- heitscompositionen zu erheben.

Die 6 Pianofortestücke Op. 8 verrathen in ihrer durchschnittlich strengen Gebundenheit und ernsten Charakter den Organisten, der sich nur allmälig dem freieren und beweglicheren Wesen des Clavierslils accomodirt. An der Spitze steht ein Scherzo aus E-moll, das in seinem ganzen Habitus wiederum an Aebnlicbes bei Mendelssohn erinnert, ohne freilich des letztern leichte Grazie zu erreichen. Das »Rnhelied« Nr. 2 ist ein Larghetto aus As-dur, durch Schlichtheit und schöne Canlilene ansprechend, ohne tiefer zu dringen. Gleiches gilt von der Romanze Nr. 3, über der ein eigenartig schwermüthiger Hauch liegt. Das zweite Heft wird von einem Andante con moto in D-moll eröffnet. Es hat Präludiencharakter und belegt abermals Voullaire's Vorliebe für strengen Satz und die Künste des Contrapunkles. In Nr. 5 begegnen wir einem Lied ohne Worte, in welchem schöne Melodik mit stimmungsvoller Declamation Hand in Hand geht. Den Schli'ss macht eine Sarabande aus B-moll. Sie ist von einer gewissen ernsten Energie, die auch der Miltelsatz aus Dès-dur nicht verleugnet und die zum typischen Charakter dieser Tanzweise passt.

Eine anmuthige Vocalcomposition bildet das Spanische Weihnachtslied Op.4, welchem von Emanuel Geibel mit gewohnter Meisterschaft übersetzte Verse zu Grunde liegen. Die Lied- weise (Andante moderato Es-dur e/8) hat etwas sinniges, frommangehauchtes und wird durch eine bei aller Durchsichtigkeit wohllautvolle Begleitung gehoben. Den Refrain »Stillet die Wipfel, es schlummert mein Kind« hält Voullaire auch musikalisch fest, wodurch die Form noch geschlossener wird.

Nicht weniger werthvoll, ja unseres Brachtens das Beste, was der Componist bis anhin veröffentlicht hat, sind die bei J. Rieter-Biedermann erschienenen Drei Lieder »Auf meinet Kindes Tod' nach Dichtungen von J. von Eichendorn* Op. 5. Die ergreifende Poesie EichendorfTs hat hier Gesänge erzeugt, die ihr an Schönheit und Tiefe des Ausdrucks wenigstens nahe kommen. Voullaire denkt sich die drei Lieder im Zusammenhang vorgetragen und nur durch eine kurze Pause von einander geschieden, weshalb er auch die Tonarten correspondiren lässt. Das erste Lied »Von fern die Uhren schlagen» geht aus G-moll. Es ist ein Andante sostenuto, dessen erster Theil webmüthig leise klingt, als lauschte der Singer hinaus auf das Klopfen des verirrten Kindes. Erst mit den Worten »wir armen, armen Thoren« schwillt der Gesang stärker und leidenschaftlicher an,, um mit der Schlusswendung »Du fandest längst das Haus« wieder ruhiger zu werden und wie in schmerzlicher Verklärung auszutönen. Es folgt ein Adagio aus D-dur »Hier ist so tiefer Schalten«, dessen friedevolle Weise den Charakter eines Schlummerliedes an sich trägt. Der Schluss »Schlaf wohl, mein süsses Kind» wirkt durch seine Schlichtheil um so rührender. Das dritte Lied »Mein liebes Kind, Ade!« steht in G-dur und ist etwas bewegter gehalten. Auch hier zeichnet sich die Melodie durch natürlichen Fluss und warme Empfindung aus. Der Sänger nimmt von dem geliebten Kind Abschied, schmerzbewegt aber nicht ohne tröstliche Hoffnung auf ein Wiedersehen dort oben. — Gegenüber so vielem Ueberladenen, Geschraubten, Pathetisch- hohlen, was uns heut zu Tage gerade auf dem Gebiet des Einzelgesanges begegnet, muthet dies Liederheft in seiner Einfalt und Gemüthsliefe zwiefach erquicklich an. — Das neueste Werk Voullaire's Op. в betitelt sich nFriihlingsalbum* und um- fasst < t Ciavierstücke, in denen der Componist eine Reibe von Bildern, wie sie der liebliche Lenz gestaltet, musikalisch zu schildern sucht. Es ist das Heiterste, was der Tondichter bis jetzt hervorgebracht und keineswegs ohne poetischen Reiz. Doch stehen die Stücke nicht auf gleicher Höbe ; manches wiegt gar leicht, anderes gemahnt mehr an getrocknete Blumen oder an Eluden, als an Veilchenduft und Sonnenglanz. Hübsch läutet Nr. 1 »Frühlingsalinen« den kommenden Lenz ein. In Nr. 3 »Lau wehen die Winde« webt in der That etwas von jenem sanften, süssen Hauch, den Dhland besingt. Ansprechend drückt der D dur-Satz Nr. 5 das Behagen aus, welches den Wanderer beim Durchschweifen der blülbenlicblen Flur ergreift. Nr. 9 ahmt den Schlag »der Wachtel im Saalfeld« nach, während ¡n Nr. < < die schmetternden Hörner aus dem Wald ertönen. Mit einem warmen H-dur-Satz, dessen Arpeggien das Wogen der Kornfelder illustrirl, schliesst das Heft ab. Möge die beilere Stimmung, aus der die Slücke hervorgetrieben, dem Componisten treu bleiben und sich in Schöpfungen offenbaren, die weniger auf der Oberfläche schwimmen, in denen sich vielmehr ein bedeutsamer geistiger Inhalt in voHendeter Form offenbare ! Da Voullaire durch eine Reibe von Schöpfungen dargelhan hat, dass er seine Kunst nicht als einen müssigen Zeitvertreib betrachtet, sondern es ehrlich und ernst damit meint, dürfen wir um so zuversichtlicher auf eine. Erfüllung unseres Wunsches hoffen. , y, , i,

Anzeigen und Beurtheilungen.

Violinschulen.

4. Theoretisch-praktische ElemeBUr-VUliuebile von J. в.

Lelmianu. Op. 20. Leipzig, Breitkopf A Härtel. 5 Л. 2. VMIi-Sckile von UJwIg IM. Coin, P. Tonger. Zwei

Theile à i Л.

3. Vlolin-Srhule von trlttt. lernt». Leipzig, C.F. Peters.

Zwei Theile.

Drei neue Violinschulen, die trotzdem einander nicht im Wege stehen, sondern sehr gut neben einander ihren Platz behaupten werden. Das Werk von Lehmann ist eine Blemen- lar-Violinschule im guten Sinne des Wortes, wie sie für Semi- narien und die meisten Prival-Violinspieler sich passend erweist. Der erste Band von Abel's Schule dient demselben Zweck, und da sie sehr instructiv gehallen ist, auch im zweiten Band iliü Kunst des Violiospiels auf eine hohe Stufe führt, so verdient sie Allen angelegentlich empfohlen zu werden, die wirklich zum Parnass hinauf wollen. Dasselbe gilt auch von Hermann's Werk, welches in conciser Fassung auf engem Raum einen reichhaltigen Lehrstoff darbielel. Hermann und Abel sind anerkannte, in der Praxis bewährte Violinlehrer.

Stattgart.

Л. Den Concertreigen eröffnete Herr Eduard Strauss aus Wien, welcher vom \. bis g. October mit seiner Kapelle unser für derartige sogenannte Kunslleislungen allem Anschein nach sehr empfängliches Publikum erfreule. Jeden Tag ausverkaufter Feslsaal der Liederballe l Herr Eduard Strauss kann mit seinem Stuttgarter Aufenthalt zufrieden sein und er hat auch nicht verfehlt, vor seiner Abreise dem kunstliebenden Publikum der schwäbischen Residenz seinen öffentlichen Dank abzustatten. Der Herr Hofballelmeisler scheint demnach seine Leistungen sehr hoch zu taxiren und dem Publikum, welches an dergleichen musikalischen Harlequinaden, wie sie hier geboten wurden, Gefallen findet, eine hohe Stufe künstlerischen Geschmackes und Drlheils zuzuschreiben. Gönnen wir ihm dle'se Ansicht, gönnen wir aber dem Publikum auch die derbe Lection, welche ihm durch den Herrn Hofballetmeister wider dessen Willen ertheilt wurde. Dasselbe geberdete sich wahrhaft wie toll, und wir mussten uns fragen, ob wir in Stuttgart seien, in Stuttgart, woselbst eine so vorzügliche Kapelle wie das Kgl. Hoforchester und so viele treffliche Künstler, die Carl'- sche Kapelle nicht zu vergessen, sich Jahraus Jahrein bemühen,' die edelsten Schätze der musikalischen Literatur in vorzüglicher Ausführung dem Publikum zu bieten?

Das erste Abonnement-Concert zum Besten des Witlwen- und Waisenfonds der Mitglieder der Kgl. Hofkapelle und der Kgl. Hofbühne fand Dienstag den 17. October unter Mitwirkung des Pianisten Carl Schuler aus Stuttgart statt. Eröffnet wurde dasselbe mit der Symphonie Nr. 11 in B-dur von Josef Haydn, einem jugendfrischen, von köstlichstem Humor, namentlich im letzten Satz belebten Werke, welches von der Kapelle mit gewohnter Meisterschaft und künstlerischer Vollendung gespielt wurde. Die zweite Nummer brachte das Esdur- Concert für Pianoforte von Beethoven. Es wäre unbillig, Herrn Schuler technisches Können und ernstes Streben abzusprechen, er hat etwas gelernt. Aber niemand kann über seinen eignen Schatten springen. Dm Beethoven zu spielen, dazu gehört ein tiefes Eindringen in den Geist seiner gewaltigen Schöpfungen, ein warmes, liebevolles Eingehen in das Kleinste, Unscheinbarste, denn hier ist nichts Phrase ; jede Note hat ihre Bedeutung und steht im engsten organischen Zusammenhang mit der dem Werke zu Grunde liegenden Idee. Von einem tieferen Erfassen dieses Geistes haben wir aber nichts empfunden. Herr Schuler bot uns eine rein technische Wiedergabe des herrlichen Werkes, und auch bezüglich der technischen Seite hätten wir ein schöneres Legato, eine grössere Poesie und Wärme des Tons und hie und da mehr Klarheil und Durchsichtigkeit des Spiels gewünscht. Mancbe mögen vielleicht unser Urlheil zu strenge finden, wer aber in einem Abonnement-Concert als Solist auftritt, an dessen Leistungen stellen wir auch die gross- ten Anforderungen, und uns war die herrliche Wiedergabe dieses Concerts durch unscrn treulichen Pruckner vor einigen Jahren in noch gar zu frischer Erinnerung. Ueberhaupt möchten wir gleich zu Anfang unserer diesjährigen Concerl-Chronik bemerken, dass wir Niemandem zu Gefallen noch zu Leide schreiben, wir geben einzig und allein unserer künstlerischen Ueberzeugung Ausdruck, und wem die nicht gefällt oder vielmehr nicht passt, dem können wir eben nicht helfen. Fräulein Löwe, Hofopernsängerin, trug hierauf mit ihrer immer noch sympathisch berührenden Stimme drei Lieder hübsch und stilgerecht vor; das zweite Lied »Sterne mit den goldnen Kiiss- chen« von Hornstein schien uns nicht recht in den Rahmen solcher Concerte zu passen, welche das Beste oder doch das Bedeutendere der Literatur vorführen sollen, das gleiche gilt vom Lassen'schen Liede ; überhaupt gehört in solche Concerte die grosse Arie. Dem Liedvorlrage folgte eine Suite von Georges Bizet : »L'Artésienne« für Orchester. Das Werk enthält manches Piquante, es ist von echt französischem Esprit erfüllt, aber ziemlich leichte Waare ist sie doch diese sogenannte Suite. Man nennt ja heule alles Suite, dem man sonst keinen Carneo geben kann ; es geht derselben wie der Molette Ende des (7. Jahrhunderts, da man auch jedes mehrstimmige Vocalstück Motette nannte, und die diametralsten Bestrebungen sich hier zusammenfanden. Herr Schüler spielte dann noch die von Tausig für Ciavier verballhornte Toccale und Fuge in D-moll von Bach und Nouvelle Soirée de Vienne ebenfalls von Tausig; hier schien sieb Herr Schüler mehr in seinem eigentlichen Elemente zu befinden. Die brillante Executirung der Oberon- Ouvertüre bildete den Schluss des Concertes. Schließlich möchten wir uns die Frage erlauben, ob ¡n Anbetracht der akustischen Mängel des Königsbausaales den Blechbläsern nicht eine grössere Schonung der Lungen, namentlich in dea symphonischen Werken der älteren Meisler anempfohlen werden könnte, da die Wirkung des Streichquartetts durch den oft gar zu energischen Ansatz der Naturtöne völlig aufgehoben wird.

Am Tage darauf, den ( 8. October, fand im Festsaale der Liederhalle das schon längst durch meterlange Plakate angekündigte Concert des Mulallen Brindis de Salas aus Cuba, der Miss Anna Bock, sowie der Herren Sontbeim und GustavWendel statt. Die Reclame halte nicht verfehlt, das Spiel des schwarzen Geigers als ein phänomenales auszuposaunen. Es ist dies nun einmal so Sitte geworden und der heillosen Institution der Impresari haben wir es zu danken, dass Kunst und Künstler in einem Tone und in einem Stile angepriesen werden, dass man sieb oft auf einem Jahrmarkt zu befinden glaubt. Hiegegen muss namentlich die Fachpresse einmal entschieden Front machen, und das beste Mittel, um diesem immer mehr überhandnehmenden Unfug ein Ende zu machen, wird sein, dass man in solchen Fällen eine rücksichtslose Kritik übt. Schon ¡m Interesse jener echten Jünger der Kunst, welche es grundsätzlich verschmähen, die Reclam- posaune ziehen zu lassen, weil sie zu hoch von ihrer Kunst und von, sich selbst denken und welche am meisten unter der Urteilslosigkeit des «rossen Haufens leiden, welcher sich sein Urlheil entsprechend der Grosse der Plakate bildet, ist es von Nöthen, diesem Uiwesen energisch entgegen zu treten. Brindis de Salas hat Tüchtiges gelernt, er verfügt über keine unbedeutenden technischen Mittel, aber sein Spiel ist matt, monoton und verschwommen, es fehlt demselben die Kraft und Bestimmtheit, auch die Reinbeil lässt viel zu wünschen übrig. Wir konnten im ersten Concert nur einige Nummern mil anhören, desto gründlicher haben wir das zweite genossen, wel

ches Freilag den i". October stattfand. Herr Brindis spielte das Allegro aus dem ersten Violincoocerl von Paganini, die Beethoven'sche Romance in F und eine Polonaise von Wieniawski. Das Paganini'sehe Concert ist viel zu schwer für Brindis und es war nichts weniger als ein Genuss, denselben sich mil dea enormen technischen Schwierigkeilen desselben abplagen zu hören und zu sehen ; er spielte dasselbe herunter schlecht und recht, und nicht nur viele Noten, sondern ganze Takte fielen unter das Pult, und Herr Kapellmeister Carl hatte sichtliche Mühe das Ganze zusammen zu halten. Von Beethoven möge Herr Brindis seine Finger lassen, den verslebt er nicht. Selbstverständlich war der Beifall ein ungeheuerer, denn einen Mohren, welcher Violine spielt, sieht und hört man nicht alle Tage. Fräulein Bock spielte das Concert von Weber, »Sei mir gegrüsst« von Schubert und die Rigolello-Phanlasie von Liszt, ebenso im ersten Concert die Cis molí -Sonate von Beethoven mit einer Technik und Kraft, aber auch mit einer Geschmacklosigkeit und Rohheit der Auffassung, gegen die allen Ernstes Protest erhoben werden muss. Unsere Concertsäle sollen der Kunst geweihte Stätten, aber keine Schmiedwerkslätlen sein. Den innere Beruf zur Kunst müssen wir der Dame vollständig absprechen, und es ist Pflicht der Kritik, auf solch unberufene Clavierfinger nachdrücklichst zu klopfen. Ueber den Gesang des Herrn Sontheim wollen wir schweigen , möge er die Ausübung des edlen Gesanges Berufeneren überlassen. Die Cari'sche Kapelle war der einzige Lichtpunkt ¡n diesem Concerte ; sie erfreute uns mit der Wiedergabe der Meodelssohn'schen Ouvertüre »Meeresstille und glückliche Fahrt« und einem von Liszt wirksam orcheslriren Schubert'schen Marsche; auch in der Begleitung der Solopiecen erwies sich dieselbe wiederum als tüchtig.

(Fortsetzung folgt.)

Der aretinieche Congress für liturgischen Gesang.

Mailand, im September 4881.

Am Ï September d. J. wurde in Arezzo, dem Geburtsorte des Benedictinermönches Guido, ein Denkmal enthüll!, dessen Aufschrift A Guido Monaco« lautet. Eine würdige Gestalt im Möocbsgewande erhebt sieb auf einem schmalen Piedestale. Das Antlitz des Mönches ist nicht sehr ausdrucksvoll, eher dem Gesichte eines Schulmeisters, als dem eines »GrUnders der Musik« entsprechend. In der Thal hatte der moderne Bildhauer Recht, wenn er in Guido mehr einen ausgezeichneten Schulmeister, einen unübertroffenen Singlehrer, als einen phantasievollen Tondichter darstellen wollte. Guido Monaco erwarb sich seine unsterblichen Lorbeern weder als Schöpfer schöner Gesänge, noch als Er&nder des Monochordes, noch als Trager der verschiedentlich ihm angedichteten Verdienste, sondern als Verbesserer, nicht aber Erfinder der Notenschrift und als ausgezeichneter Knaben- singmeister. Guido von Arezzo ist einer jener wenigen glücklichen mittelalterlichen Tonmeister, welche die Nachwelt kennt und nennt. Ebenso verdiente Meister sind in der heutigen Zeit weder gekannt noch genannt. In der Vorhalle des Palazzo dcgli Uffizi, jenes weltberühmten florentinischen Gebäudes mit den unsterblichen Kunstwerken, steht das Standbild Guide's, des »Erfinders des Tonsyslems«(l ), neben den Standbildern von Cosimo und Lorenzo de Medici, Dante, Petrarca, Macchiavelli, Galilei, Orcagna, Giolto, Benvenuto Cellini, Leonardo da Vinci, Michelangelo u. s. w., in der That, inmitten einer illustren Gesellschart. Die Toscaner verehren in Guido einen Meisler der Tonkunst, welcher dem Michelangelo ebenbürtig sei in seiner Kunst. Ein nur oberflächlicher Blick in die Blätter der Musikgeschichte wird wohl dieses Uebermaass der Anerkennung, wenn vielleicht auch nicht auf sein richliges Maass zurückführen, so doch messigen.

Der schlichte Benedictiner halte es sich wohl nicht träumen lassen, dereinst neben den genannten Männern zu stehen; er, der von seinen Mitbrüdern im Kloster Pomposa zu Ferrara wegen seiner hervorragenden Begabung derart angefeindet wurde, dass er es vorzog, das Kloster zu verlassen. Er theille eben das Schicksal vieler Jener, welche sich in einer oder der anderen Beziehung auszeichnen, sei es durch Kenntnisse oder moralische Vorzüge. Am allerwenigsten hätte sich aber Guido träumen lassen, an der Logenbrüstung des Aretiner Theaters als »Spiritus familiaris- abgebildet und daiu verurtheilt zu sein, von diesem erhabenen Standpunkte der Aufführung des »Mephislopbeles« von Arrigo Boilo beizuwohnen, dem Festspiele zu Ehren der Enthüllung des Guidonischen Denkmales l

An dem Fiedestale des Denkmales sind iwei Basreliefs angebracht, deren eines die Singschule Guide's darstellt, beiläufig in der Weise des Gemäldes von Bertini, während das andere einen Traum Guide's darstellen soll, in welchem ihm sieben Engel als Symbole der sieben diatonischen Tonstufen erscheinen. Schon längst Ist die Fabel, nach welcher dem Guido die Erfindung der sieben Tonstufen oder die Einfuhrung derselben in die abendländische Musik zugeschrieben wird, historisch widerlegt. Dem Bildbauer konnte es aber immerhin freistehen, diese Mythe künstlerisch zu reproduciren, während der zweite Vers toss des Bildhauer» uicht leicht zu entschuldigen ist und von der Ignoranz der betheiligten Kreise zeugt. Guido hält in einer Hand ein Antiphonnr, welches mit der Nota quadraia nolirt ist. Die Nota quad roto wurde aber erst beiläufig hundert Jahre nach Guido eingeführt. Diese Schnitzer finden eine stupende Fortsetzung in zahlreichen Hymnen, Festgedichten und Memoiren, welche zu Ehren Guido's in den Festtagen vertheilt wurden und welche in überschwänglicher Weise die Grossthaten Guido's verherrlichen. Man nimmt aber gern diese Curioiltäten mit in den Kauf, wenn man sieht, wie aufrichtig die Italiener und insbesondere die Toscaner ihren Guido verehren, ja wie volksthUmlich Guido in Arezzo ist. Bei Gelegenheit der Enthüllungsfeierlichkeit wurden Volksfeste abgehalten, Regionalausstellungen arrangirt, und zwar eine pädagogische, eine agricolare und eine Musikinstrumenten-Ausstellung. Wettläufe und sonstige unvermeidliche Spectakel, wie die Musik von dreissig Bürgerbanden, deren Mitglieder in abenteuerliche Trachten gekleidet waren, liessen den zurückgezogensten aretinischen Kleinbürger Tag und Nacht nicht zur Ruhe kommen. Das Municipium in Arezzo, welches schon 4869 die Errichtung des Denkmales angeregt hatte, bot in den Tagen der Enthüllung seine ganze Pracht und Herrlichkeit auf, und so hatte das Fest das Gepräge eines Volksfestes.

Es war ein sehr glücklicher Gedanke, dass bei dieser Gelegenheit ein internationaler europä ischer Congress für liturgischen Gesang in Arezzo abgehalten werden sollte, ein Congress, welcher hiedurch das Andenken Guido's ehren und zugleich wissenschaftlichen Studien obliegen sollte. Der Congress versammelte sich aber erst neun Tage nach der Enthüllung und sonderbarerweise erachtete es der vorbereitende Congress-Ausschuss nicht für passend oder für gerathen, Jas Denkmal in corpore zu besuchen. Der Congress spielte sich nur innerhalb der Mauern der Kirche San Maria della Pieve ab. Die Sitzungen fanden vom H. bis 45. September drei Mal im Tage statt, die Coogressislen hatten kaum Zeit, die nötbige Nahrung einzunehmen, noch die ndthige Erholung im Schlafe zu finden. Die Debatten drehten sich um Einen Punkt, welchen auszu- sprechen ein Jeder scheute, aber nicht meiden konnte ; eine Angelegenheit, welche schon durch viele Jahre die musikalischen Ge- inülher des Clerus in Aufregung versetzt, nämlich: die neuerliche Herausgabe der Medica» durch den Verleger Pustet in Regensburg, eine Ausgabe, welche durch die Congregation der Riten empfohlen, befohlen, als authentisch erklärt wurde, oder wie immer die diplomatischen Ausdrücke heisscn mögen, welche von einzelnen Congressislen als Für und Wider ¡n dieser Angelegenheit gebraucht worden sind.

Man kann den aretinischen Congress eine musikpolilische Versammlung nennen, da der eigentliche Zweck Derjenigen, welche den Congress in Scene gesetzt haben, in gewissem Sinne ein politischer gewesen ist, nämlich um gegen die neue Ausgabe Front zu machen. Einige Namen, welch« in der wissenschaftlichen Welt Bedeutung haben und insbesondere auf dem Gebiete des Cantus Planus glänzen, mussten dazu herhalten, nach Aussen dem Ganzen ein Air zu verleiben, während andere Musikgelehrle, welche gekommen waren, um im Verkehre mit Männern, welche einen Theil ihrer Wissenschaft pflegen, einander anzuregen, arg enttäuscht worden sind, so zwar, Jass einige der Letzteren das Ende des Congresses gar nicht abwarteten und schon früherdas Weite suchten. Schon in den vorbereitenden Acten, welche aber erst später veröffentlicht wurden, hätte ein aufmerksames Auge den Angelpunkt der Debatten erblicken können. So schrieb Cardinal Bartoiini an den Präsidenten des Beför- deruugscomites, Abbe Guerrino Amolli in Mailand, am I. April 4883: «In der Eigenschaft als Präsident des Congresses werde er wohl dio Mitglieder des aretinischen Congresses und ihre Discus- sionen in Maass zu halten vermögen, damit die praktische Frage über den actuel', en Gebrauch der von dem heil. Stuhle durch das Organ der heiligen Congregation der Riten vorgeschlagenen Typenausgabe von Pustet respeotirt werde « Und Herr Ame! I i

fügt in einer »Beleuchtung« zu diesem Briefe, welche er im Juli-Hefte seiner »Música sacra« veröffentlichte, hinzu : »Das Feld der Wissen

schaft scheint nach unserem Ermessen von jenem der Autorität verschieden,so dags man durchaus nicht argwöhnen darf, dass der Congress in Arezzo canonische Autorität in Ansprach nehme, etwa wie ein Concil oder eine Synode « Und weiter fährt er fort: »Dorthin (nach Arezzo) werden die reichen Erträgnisse der Ernte, welche mit grosser Sorgfalt auf dem neuen, noch nicht ganz erforschten Gebiete der musikalischen Archäojogie gesammelt wurden, getragen, dort werden die kostbaren Funde der neuen Wissenschaft mit edlem Enthusiasmus enthüllt werden, so zwar, dass wir hoffen können, dass jene Wahrheit erglänze, welcher Niemand wider-tenon kann.« Der Gegensatz der Kirche, als der höchsten Autorität für die Beschlüsse des Congresses, wider die wissenschaftliche Forschung kam mehrfach zur Sprache, und insbesondere Abbé P e г г i o t, Superior des grossen Seminars in Langres, wusste in seiner glatten Weise die Gegensätze abzuschleifen, indem er hervorhob, dass die Congregation der wissenschaftlichen Restanrirung des Kirchengesanges nicht entgegentreten könne, dass sie wohl eine abgekürzte Ausgabe empfehlen solle, aber eine, welche ein wissenschaftliches Princip habe. Schwerere Geschütze wurden von einem anderen Franzosen (Dessus aus Paris) und einem Spanier (Juan de Castro) geschlendert. Von ihren Lippen kamen die Vorwürfe ärgster und gröbster Art: man hätte er hier nicht mit mercantilen Angelegenheiten zu than, mit der Kunst solle nicht Handel getrieben werden etc.

Für Denjenigen, welcher aus wissenschaftlichen Gründen zum Congresse gekommen war, waren diese Dinge ein Gegenstand des Abscheues. Lassen wir auch diese treibenden Motive ausser Acht and beschäftigen wir uns mit dem eigentlichen Gegenstande und dem Resultate des Congresses.

Wer nach all dem Gehörten meinen würde, man hätte beim Congresse eine eingehende wissenschaftliche Bemängelang der Ra- tlsbona gehört, der irrt sich sehr. Fast Alle — mit wenigen Ausnahmen — waren von vorueherein überzeugt, dass die Medica» den Anforderungen der echten musikalischen Ltturgik nicht entspreche, aber Keiner rückte deutlich mit der Sprache heraus. Es wurde* Schriften vertheilt, welche die neue Ausgabe angriffen and in welchen die Vorwürfe einzeln abgehandelt wurden; so: 4. dasGraduale enthalte nicht die echten gregorianischen Gesänge; t. es bestehe keine Einheitlichkeil in der Disposition der Gesänge, dieOfficien des Supplementes zum Gradúale seien nicht conform den Regeln des Kirchengesanges, die beiden Bücher stimmten weder mit der Tradition noch untereinander; 8. das Vesperale wimmle von Fehlern und Widersprüchen, die. Notation des Vespérale sei nicht conform der de» Gradúale, das System der Modi entbehre der Einheit; *. die Hymnen weisen grosse Incorrectbellen auf; endlich 6. diese Ausgabe sei schlechter als alle die letzthin herausgegebenen Ausgaben des Cantus Planus.

(Fortsetzung folgt.)

Berichte. Lei»«*.

Im achten Gewondhausconcert (K. November) reproducirte sich Herr James Kwast aus Köln mit einem selbstcompo- nirten Clavierconcert (Manuscript), erklärlicherweise mit wenig Erfolg; denn den musikalischen Gedanken gebrach es auffällig an Ausarbeitung wie an Originalität, auch das häufig verwendete Effecl- stückchen des »Perlenregens« verfehlte seinen Zweck. Mehr Glück hatte er als Claviervirtuos, namentlich im Vortrag von Mendelssohn's Präludium und Fuge in E-moll and einer ellfranzösischen Gavott > unbekannten Meisters; dagegen liess die sonst sehrgewandt gespielte Liszl'sche Transcription des Wagner'schen Spinnerliedes einige Finesse« vermissen. Als gutgeschulte italienische Coloratnrsängerin errang sich Signora V a res i dir Gunst des Publikums. Klein und dünn zwar klang Ihre Stimme, aber lelchlbeflügelt und graziös schweote sie übet alle Schwierigkeiten fort Nach der feinen geistreichen Cavatine aus Rossini's »Barbier« (»(/na voce poco /Vi«) fiel allerdings die Scene und Arie aus »Lacla di Lammermoon von Donizetti (»71 dole« пилю») ihrer matteren Farben wegen merklich ab. Der Scbluss und Glanzpunkt des Abends war Robert Schumann's zweite Symphonie (C-dnr), eine Musterleistung des Orchesters, welches schon als guten Anfang die Concert-OuvertUre (A-dur) von Julius Rietz, die Märchenstimmung des ersten Theiles und den Schwung der ändern, zu schöner Wirkung gebracht hatte.

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Op. 49. Siebe* Lieder von Rebert Im* für ehe SlipUm.«*.

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Einzeln: 4. Mein Herz ist ¡m Hochland.-4M,—. 1. FUr Einen. Ufe,75. S. Einen schlimmen Weg ging gestern ich. .4M,—.

4. Du susse Dirn' von Inverness. .4T4,—. 5. John Anderson, mein Lieb'. Л 0,75. в. 0 sah' ich auf der Haide don. Л t,—. 7. Leb1 wohl, mein Ayr. Л 4,15.

Op. SO. Siebe* Lieder von Tbemai leere für el*eeiigsUmm>-.

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Einzeln: 4. Licht sei dein Traum. Л 4,—. 1. Es kommt «ine Zeit, eine trübe Zeit. Л 4,—. S. Wenn durch die Piazzett« Ulf 4,—. 4. Leis' rudern hier, mein Gondolier. Л 4,—.

5. Die Bowle fort. в. Wie manchmal, wenn des Monde« Strahl. Л 4,15. 7. Friede den Schlummerern. Л 4,—.

Op. St. Vier Balladen von Alla* Cu*l*g*am für ehe Si*g-

stimec. Cplt 5 Л — &.

Einzeln: 4. Gordon von Brackley. Л 4,75. 1. Der Geachtet« Л 4,50. «. Das Mädchen von Inverness. .«4,75. 4.Carlisle Thor. Л 4,50.

Op. 32. Seek «eiUge von Walter Scett für elle Sligstlmer.

Cplt 5 Л 50 fit.

Einzeln: 4. Jock von Harzeldean. uT4,50. 1. Wiegenlied

4(4,—. ». Das Mädchen von Isla. Л 4,50. 4. Barlhram's

Grablied. Л 4,15. 5. 0 sag' mir, wie dich freien. Л 4,15

в. Klage der Irenzerwittwe. Л 4,15.

Op. S3. Sech» Cfuuige von Alfred Темуив u. Felicia Напал ч

Cplt 5 Л 50 .».

Einzeln: 4. Die Schwestern. Л 1,15. 1. Wiegenlied. Л 4,»5. 8. Claribel. 4. Weit entfernt. Л t, —. 5. Mutter, o sing mich zur Ruh'. Л 4,—. 6. Der letzte Wunsch. Л 4,75.

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Partitur Л 3,80. Orchester-Stimmen „»У 6,- . Clavieraaszug Л 2,50. Solo- und Chorstimmen Л 1,15. Op. S8. Vier tieiiBge von J. «. Herder f. ehe mittlere Sth»t. No. 4. Erlkönigs Tochter. Л S,—. No. 1. Darthula's Grab- gesang. Л 4,50. No. 3. Edward. Л 1,50. No. 4. Lied der Desdemona. Л l,—.

Op. in. Seek« Lieder fir elie tiefe Stimme. Cplt. 6 Л — Л. 4. Perlenfischer (Roquette). Л 0,75. — 1. Gesang des Ein- siedela. Л 4,75. 3. Ея hat so grün gesäuselt (Muller). — 4. Au(den Bergen (Lemcke). Л 0,75. — 5. Die Heimathglocken (Urban) . Л 4,75. — в. An die Nacht(Sbeley). Л4,15.

Verleger: J. Bieter-Biedermann in Leipzig und Winterthur. — Druck von Breilkopf 4 Harte) in Leipzig. Expedition: Leipzig, Rabensteinplav 1. — Redaction: Bergedorf bei Hamburg.

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Musikalische Zeitung.

Verantwortlicher Rédacteur: Friedrich Chrysander.

Leipzig, 13. December 1882,

Nr. 50.

XVII. Jahrgang.

Inhalt:

Die Entslohungszeit der Leonoren-Ouvertüre Nr. 4, Op. 438. — Die Briefe Beethoven's an Beitina von Armin. (Forlsetzung.) — Anzeigen und Beurteilungen (Musikalische Studienköpfe von La Mara. Fünfter Band. — Samson et Dalila, Opera en 3 Actes de Ferd. Lemaire, Musique de Camille Saint-Satins. — Les Béatitudes (Die Seligkeilen), Poeme de Madame Colomb, Musique de César Frank. — Bearbeitungen von Hans v. BUlow. — Tanzweisen aas Opern von Gluck, bearbeitet von H. v. BUlow. — Verzeichniss des Musikalien-Verlags von Breitkopf & Hërtel in Leipzig). — Staltgart. (Fortsetzung.) — Der aretlnische Congress für liturgischen Gesang. (Fortsetzung.) — Berichte (Leipzig). — Nachrichten und Bemerkungen. — Anzeiger.

Die Entstehungszeit der Leonoren-Ouvertüre Nr. l, Op. 188

-von Dr. Alb. Lerlnsobn.

Dieser Aufsalz war bestimmt, vorder Veröffentlichung Gustav Nottebohm vorgelegt zu werden, um ihn zu einer Meinungs- äusserung zu veranlassen, ob er auch jetzt noch und namentlich nach der Publication des zweiten Beethoven'schen Skizzenbuchs an der von ihm in den Beelhoveniana aufgestellten Ansicht über die Ouvertüre Op. 438 festhalte. Inzwischen ist nun leider dieser vortreffliche Mann gestorben, und es bleibt zweifelhaft, wie er sich gegenüber nachstehenden Bemerkungen verhalten hätte. Vor seiner Arbeit über die Entstehungszelt der Ouvertüre nahm man an, sie sei die älteste der Ouvertüren und von Beethoven wegen zu leichten Charakters zurückgelegt worden. Notlebobm nun suchte zu beweisen , hauptsächlich auf Grund verschiedener Skizzen zu diesem Werk, sowie zur Cmoll- Symphonle, dass jenes erst 1807 und zwar für eine projectirte Aufführung der Oper in Prag geschrieben sei, die aber unterblieb, und seine Ansicht ist heule, man kann wohl sagen, allgemein recipirt. Nun veröffentlichte er aber 1880 ein Skizzenbuch aus den Jahren 1803—(,40i, aus dem er verschiedene chronologische Schlüsse zog, die einige Angaben der Beetbo- veniana verbessern. Dadurch aber wurde seinen Argumentationen zu Op. <38 die Hauptstütze entzogen, die schon ohnedies nicht über allen Zweifel sicher war.

Um vollständig klar den Stand der Frage darzulegen, muss man vor Allem, abgesehen von den Skizzen, alle Beweisstücke und Nachrichten kennen, welche die Geschichte der Ouvertüre beireffen. In Folgendem seien sie kurz aufgezählt.

In der über Beethoven's Naehlass abgehaltenen Auction kaufte der Verleger Haslinger ein Packet verschiedener kleiner Composilionen und fand darunter die Abschrift von Partitor und Orchesterstimme einer unbekannten Ouvertüre, mit Cor- recturen von Beethoven's Heed. In der ersten Violinstimme war von Ihm die Bezeichnung hinzugefügt »charakteristische Ouvertüre«. Haslinger zeigte die bevorstehende Veröffentlichung in der Allg. Hosikal. Zeitung von 4828 an und theilte eine Angabe des Yiolinspielers Schnppanzigh mit, wonach dieser sieh einer »vor einigen Jahren von Beethoven abgehaltenen Probe dieser Ouvertüre« erinnerte. Dan die Ouvertüre für die Oper bestimmt war, mutate bald klar werden wegen der Benutzung der Florestan-Arie. Es entstand also die Frage, wie «ie sich in chronologischer Hinsicht zu den anderen Ouvertüren verhall«. Seyfried in dem 483t erschienenen Bach »Bmtboven's

Studien« u. s. w. gab an, sie sei für die Prager Bühne compo- nlrl worden. Dass in der That im Jahre 4808 eine Aufführung der Oper in Prag beabsichtigt wurde, und dass in Wien die Rede ging, Beethoven wolle dazu eine neue, leichtere Ouvertüre schreiben, wissen wir auch aus einem Zeitungsbericht von 4 808 ; dass dies geschehen, darüber wissen wir nichts, aus der Aufführung der Oper wurde damals nichts. Zu der Notiz von Seyfried bemerkt nun Haslinger, die erwähnte Ouvertüre werde noch im Lauf des Jahres erscheinen. Sie erschien auch, aber auf dem Titelblatt war das Jahr 4805 als Eniste- hungszeit angegeben. Damit stimmt Schindler in seiner erst 4840 erschienenen Biographie, und berichtet ferner, Beethoven habe die Ouvertüre auf den Hat h seiner Freunde zurückgelegt, und darauf für die erste Aufführung die jetzige Nr. i geschrieben, ohne dass jedoch irgend eine Quelle für diese Notiz angegeben wird.

Bei dieser Sachlage fällt sogleich die Abweichung zwischen Seyfried und Haslinger auf. Seyfried lebte in den Jahren, die hier bei Feststellung der Chronologie in Betracht kommen, in fasl täglichem Verkehr mit Beethoven und war als Kapellmeister im Theater an der Wien 180S und 4806 bei den Proben zu der Oper beschäftigt. Da fand sich nun diese niemals Öffentlich gespielte, aber offenbar für die Oper bestimmte Ouvertüre. Dass es nicht die bei der ersten Aufführung 4 80S gespielte grosse und merkwürdige Ouvertüre war, musste ihm als Dirigen) klar sein. Von dem Plan, eine leichtere Ouvertüre für Prag zu schreiben, konnte er durch seinen Verkehr mit Beethoven wissen (vielleicht war er gar selbst der Urheber jener Zeitungsnotiz), und wenn er sich also dessen später erinnerte, so lag die Vermuthung durchaus nahe, die aufgefundene Ouvertüre sei für Prag componirt worden. Dass er sich etwa der Musik erinnert hätte, ist schon an sich nicht glaublich, da er sie höchstens hätte aus Beethoven's eigener Partitur kennen lernen können ; auch deuten seine Worte nicht im geringsten darauf hin. Vielmehr ist seine Angabe nur eine allerdings nicht ganz grundlose Conjectur. Wenn nun Haslinger, der ja dieselbe kannte, dennoch das Jahr 4806 angab, so mussten ihm offenbar Nachrichten zugekommen sein, wonach diese Zahl als die richtige und Seyfried's Conjectur als irrthümlich anzusehen war. Nottebohm meint, es bleibe unerklärlich, wie Haslinger zu der Zahl kam. Nun, unerklärlich ist es ja offenbar nicht ; er hatte eben Ursache, sie für die richtige zu halten, und man muse annehmen, dass er sich erkundigt hatte, bevor er von Seyfried's Angabe abwich. Unaufgeklärt allerdings bleibt es; denn wir kennen die Quelle nicht, aus der er schöpfte. Sie mag lito ebensowohl eine zuverlässige, als eine unsichere gewesen sein, obscbon das Erslere das Wahrscheinliche ist, da doch ohne Zweifel einige Mühe aufgewandt wurde, das Richtige zu erfahren. Allerdings müsste man die Haslinger'scbe Uatirung auf sich beruhen lassen, wenn sie allein dastände. Glücklicherweise kommt nun die Schindler'sche Erzählung hinzu, wodurch wir über die Geschichte der Ouvertüre zur Geniige aufgeklart werden. Entkleidet man sie der bei Schindler nicht seltenen theatralischen Färbung, so geht sie dahin, die Ouvertüre sei bei dem Fürsten Lichnowsky probirt und dann von Beethoven bei Seite gelegt worden, und selbst Notlebohm stellt die Wahrheit dieser Thalsachen nicht in Abrede, wenn er sie1 auch in ein späteres Jahr verlegt. Dafür ist aber, wenigstens vor der Hand, kein Grund vorhanden; bei der Uebereinslimmung von Schindler und Haslinger muss man sowohl an den Thalsacben als an der Jahreszahl festhallen. So gut wie Jener kann auch Dieser durch Erkundigungen Näheres über die Entstehung des Werkes erfahren haben. Jedenfalls standen ihnen ganz andere Mittel zur Erforschung der Wahrheit zu Gebote, als uns ; es gab ja noch Leute, welche sich der ersten Aufführungen der Oper und der damit verknüpften Thalsachen erinnern konnten. Nollebohm, der, wie schon angeführt, Haslinger's Angabe für unerklärlich hall, stellt die Ver- mulhung auf, da zu jener Zeit, wie er aus Concerlbericbten erweist, nur zwei Ouvertüren bekannt waren, die grosse in C-dur in zweiter Gestall und die in E-dur, so habe Haslinger, dem bekannt wurde, dass die Ouvertüren zu der ersten Aufführung t 808 und zu der Wiederaufnahme <806 nicht dieselben waren, fälschlich angenommen, die aufgefundene unbekannte Ouvertüre sei die (805 gespielte. So ist es aber sicherlich nicht gewesen. Allerdings bekannt waren nur jene zwei Ouvertüren ; wohl aber mochten sich noch Musiker entsinnen, dass die in С eine Umarbeitung erfahren hatte, wenn ihnen auch der Umfang derselben nichl mehr gegenwärtig sein konnte. Wenn wirklich Jemand auf den Gedanken kam, die unbekannte Ouvertüre sei die bei der ersten Aufführung1 gespielte, so waren genug Leute da, ihn eines Besseren zu belehren, voran der Kapellmeister Seyfried. Man bedenke doch, dass die Ouvertüre in С eine solche war, dergleichen an Anlage und Ausführung bis dahin unerhört war, mit Stellen, wie das Trompetensignal und die Violinpassage, deren Auffälligkeit wohl im Gedächlniss haften bleiben müsste. Dass also kundige Leute, wie z. B. Seyfried, diese Ouvertüre mit dem verhältnissmassig zahmen Op. 438 verwechselt haben sollten, ist in keiner Weise anzunehmen, und ebensowenig, dass Haslinger, der (8(0 nach Wien gekommen war, auf seine eigene Hand , ohne Rücksicht auf gute Gewährsmänner die Zahl ( 80S adoplirt haben sollte. Nottebohm isl auf seine Vermulhung denn auch erst gekommen , nachdem ihn die chronologische Betrachtung einiger Skizzen zu der Ueberzeugung gebracht hatte, Haslinger habe sich geirrt, und er nun diesen Irrthum zu erklären suchte. Betrachten wir also nunmehr Nottebohm's Argumentation auf Grund der Skizzen. Sie geht dahin :

Die vierte Symphonie wurde erst (806 fertig; die fünfte Symphonie kann nur nach ihr fertig geworden sein. Also ist I. die fünfte Symphonie nichl vor 1806 fertig geworden. Nun finden sich verschiedene Skizzen zur fünften Symphonie zusammen mit solchen zu Op. (38. Die Stellung und Beschaffenheil dieser Skizzen soll nun ergeben, II. dass die Ouvertüre begonnen wurde, als die Symphonie ihrem Abschluss ziemlich nahe war.

Folglich, schliesst Nottebohm aus I und II, kann III. die Ouvertüre nichl vor (806 entstanden sein.

Diese Schlussfolgerung hat, neben anderem Bedenklichen,

vor Allem die eine ganz offenbare Blösse. Wenn auch wirklich

die Symphonie ihrem Abschluss nahe war (was den Thalsachen

»enüber kein entsprechender Ausdruck ist), so könnte im

merhin die Ouvertüre erst dann begonnen und doch viel früher beendigt worden sein. Es ist bekannt, dass Beethoven gleichzeitig an verschiedenen Werken zu arbeiten pflegte. Während der Composition der Oper war er mit der vierten und fünften Symphonie, dem Concert in G, dem Tripelconcert und den Quarlellen Op. S9 besrhäfligl. Die Vollendung dieser Werke müsste selbstverständlich zurückstehen gegen die der Oper, also auch der Ouvertüre. Schon diese einfache Betrachtung slössl die Schlussfolgerung über den Haufen. Eine Symphonie, die »dem Abschluss ziemlich nahe ist«, ist doch keine Naturgewall, die ¡n gesetzmässigem Verlauf der Vollendung zustrebt, sondern eine persönliche Schöpfung, die man nach Belieben , nach den Umständen, Dringlichkeil anderer Arbeiten u. s. w. liegen lässl. So wurde die vierte Symphonie später begonnen als die fünfte und doch eher vollendet, offenbar, weil sie dem Componisten leichter von der Hand ging, und ebenso die Ouvertüre, aus dem einfachen Grund, weil sie fertig werden müsste.

Es hinderl milhin nichls, die Skizzen elwa in den Sommer ( 806 zu verlegen. Die endliche Vollendung der Symphonie fälll erst in das Jahr (808 , d. h. in diesem Jahre wurde sie zum ersten Mal aufgeführt, und so würde allerdings eine be- Irächlliche Zeil dazwischen liegen. In der Thal aber passl der Ausdruck »dem Abschluss nahe« für die Skizzen gar nicht. Selbst wenn der Entwurf lix und fortig vorliegen würde, so würde auch das nicht zwingen , anzunehmen , die Symphonie müsse nun auch bald nach denselben vollendel worden sein. Denn von dem blossen Entwurf bis zur fertigen Partitur ist doch, namentlich bei Beethoven's Art zu arbeiten, noch ein weiter Weg. Aber solcher vollständiger Entwurf liegt uns gar nichl vor ; es handelt sich nur um einige wenige Bruchslücke. Vom ersten Satze bringen sie nichts, können uns daher nichl darüber belehren, wie weil dieser zur Zeil ihrer Niederschrift bereits vorgerückt war. Vom Finale sind nur die ersten drei Takle des Themas vorhanden. Während wir vom ersten Satze annehmen müssen, dass derselbe im Entwurf zu jener Zeil schon ziemlich fertig war, da schon aus viel früherer Zeit Arbeiten dazu bekannt sind, haben wir zu solcher Annahme beim Finale keine Berechtigung. Aus den Skizzen ersehen wir nur, dass Beethoven damals nach der Ueberleilung vom Scherzo zum Finale suchte und dabei den Vierviertel-Takt schon vor Eintritt des Themas beginnen lassen wollte. Aus dem Arbeiten an diesem Punkte mag man wohl schliessen, dass das Scherzo im Entwurf schon ziemlich fesl stand, bis auf diese Ueberleilung und bis auf den Schluss des Trio, zu dem zwei Skizzen vorbanden sind ; es scheint, als wenn Beethoven damals an die Ueberleilung vom Trio zum Scherzo noch nicht gedacht bal. Das Adagio beireffen nur zwei ganz kurze Bruchstücke, bei denen es schon gewagter isl, einen Scbluss auf den Slandpunkt der Arbeil zu ziehen. Mil Ausnahme einer einzigen Skizze von vier Taklen isl keine, so wie sie dasteht, in der Partitur enthalten , vielmehr sind sie noch wesentlichen Veränderungen unterworfen worden, wie ja aus dem Ausgeführten schon erhellt. Man ist also nicbl berechtigt zu behaupten auf Grund so gearleler Skizzen, dass, als Beethoven die Skizzen zu Op. 138 schrieb, die Symphonie »ihrem Abschluss nahe war«, und wäre sie es selbst mehr, als die Skizzen erweisen, gewesen, so wäre das frühere Vollenden der Ouvertüre schon durch die Dringlichkeit hinreichend molivirt. Somit slehl in der Thal nichls im Wege, die Skizzen in das Jahr 4806 zu setzen.

Ein Umstand allerdings rufl einiges Bedenken hervor. Nollebohm theill an einer anderen Slelle (Beelhoveniana S. (Off.) einige Skizzen zur fünflen Symphonie mit, welche dieselbe noch ganz in ihren Anfängen zeigen. Es sind eigentlich nur gewissermaassen Gedanken-Embryonen. Da nun dieselben mit Skizzen zur Oper zusammenstehen, die Arbeil an der Oper, wie m«D früher annahm, erst Ende 4804 begann, so waren diese Skizzen etwa in den Anfang des Jahres 4805 zu setzen (s. a. a. 0. S. 16), und man bulle die auffällige Thatsache, dass nur wenige Monate zwischen ihnen und jenen anderen Skizzen liegen, in denen die Arbeit schon in einem vorgeschrittenen Stadium erscheint, während doch Beethoven gleichzeitig mit der Oper und den Entwürfen zu anderen grossen Werken in Anspruch genommen war. In Noltebohm's Argumentation tritt dies Bedenken nicht scharf hervor; ohne Zweifel aber liegt es seiner Betrachtung zu Grunde und ist auch nicht ohne Weiteres abzuweisen. Hier tritt nun das < 880 von Noltebobm publicirle Skizzenbuch helfend ein und beseitigt auch dies letzte Bedenken. Aus demselben ergiebt sich nämlich unzweifelhaft, dass die Composition der Oper nicht 4 805, sondern spätestens Anfang des Jahres 4804, wahrscheinlich schon Ende 4803 begonnen wurde, und sind demgem'iss, wie Noltebohm selbst sagt, seine Angaben in den Beethoveniana zu berichtigen. Danach würde also zwischen den beiden Skizzen-Gruppen die hinreichende Zeit von etwa 4 Vj Jahren liegen.

Demnach steht nichts im Wege, die Angaben Haslinger's und Scliindler's als vollkommen zutreffend anzuerkennen und zu der alten Datirung zurückzukehren, wonach Op. 438 den ersten Versuch einer Ouvertüre zur Oper darstellt. Manchem wird, wie ich meine, dieses Resultat lieb sein. Der Gedanke, Op. 438 sei erst nach der grossen Cdur-Ouvertüre geschrieben, bat etwas Widerstrebendes, und man wird sich nicht gern dazu verstehen. Das könnte natürlich nichts verschlagen, wenn durchaus zwingende Beweisgründe vorbanden sind. An denen fehlt es aber gar sehr, wie wohl aus dem Vorigen hinreichend klar ist. Innere Gründe aber sprechen lediglich für die alte Datirung. Wüsste man gar nichts über die Geschichte der drei Cdur-Ouvertüren, so würde schon eine Betrachtung ihres musikalischen Inhalts auf die richtige Ordnung führen. Die Aehn- lichkeiten von Op. 4 38 und Op. 72 sind : eine Einleitung, in der der Hauptton der Ouvertüre noch nicht festgestellt wird, der allgemeine Charakter des Haupltbemas und die Art der Einführung desselben durch allmäliges Emporsteigen auf der Dominante, ferner die Herübernahme der Tenor-Arie aus der Oper. Alles Dies ist aber ¡n Op. 71 unendlich grossartiger und überwältigender ausgeführt, und man muss sich verwundern, dass sich Beethoven hätte auf den einfacheren und beschränkteren Standpunkt zurückversetzen können, von dem aus Op. 438 com- ponirt iel.

Herr Thayer, der die Meinung Noltebohm's adoptirt, meint im dritten Bande seiner Biographie, »die vielen beredten Betrachtungen über die erstaunliche Fortentwicklung von Beethoven's Schöpferkraft, wie sie sich in dem Fortschritt von Nr. 4 zu Nr. 3 zeige, seien mit einem Schlage der Thorheit und Lächerlichkeit verfallen.« Nun, an Stelle dieses voreilig fortissimo angestimmten Triumph- und Hohn-Liedes dürfte wohl besser ein Adagio lamentoso treten über den Irrtbum, dem selbst so vortreffliche Forscher wie Noltebohm gelegentlich verfallen können und in den andere Leute Gefahr laufen, mitverwickelt zu werden.

Die Briefe Beethoven's an Bettina von Arnim. Von Dr. H. Delten.

(Fortsetzung.)

Entscheidende Argumente, gegen welche auch die grossie Pietät gegenwärtig nichts mehr anzuführen vermag, bietet der dritte Brief. Derselbe soll im August 484Î aus Teplilz geschrieben sein und hat folgenden Wortlaut: ')

4) Ich gebe denselben, da mir das Athenäum nicht zu Gebote steht, nach Schindler, mit den Varianten in Ilius Pamphilius.

»Liebe gate Bettine l <)

Könige und Fürsten können wohl Professoren machen and Geheimeräthe u. s. w.2) und Titel und Ordensbänder umhängen, aber grosse Menschen können sie nicht machen, Geister, die über das Weltgeschmeiss hervorragen, das müssen sie wohl bleiben lassen zu machen, und damit muss man sie in Respect halten 3) ; wenn so zwei zusammen kommen, wie ich und der Goethe, da müssen auch grosse4) Herren merken, was bei unser Einem als gross gelten kann. Wir begegneten gestern auf dem Heimwege der ganzen kaiserlichen Familie. Wir saben sie von weitem kommen, und der Goethe machte sich von meiner Seite') los, um sich an die Seite zu stellen ; ich mochte sagen was ich wollte, ich konnte") ihn keinen Schritt weiter bringen ; ich drückte meinen Hut auf den Kopf, knöpfte7) meinen Oberrock8) zu, und ging mit untergeschlagenen Armenmitten durch den dicksten Haufen. — Fürsten und Schranzen haben Spalier gemacht, der Erzherzog9) Rudolph hat'o) den Hut abgezogen, die Frau Kaiserin hat gegrüssl zuerst. — Die Herrschaften kennen mich. — Ich sah zu meinem wahren Spass die Procession en Goethe vorbei defili- ren. E r stand mit abgezogenem Hute tief gebückt ander Seite. Dann lui/ ich ihm auch11) den Kopf gewaschen, ich gab keinen12) Pardon und hab' ihm alle13) seine Sünden vorgeworfen , am meisten die gegen Sie, liebste Betline! "j wir hallen gerade von Ihnen gesprochen. Gott l halle ich eine solche Zeit mit Ihnen haben können, wie der, das glauben Sie mir, ich halte noch viel, viel mehr Grosses hervorgebracht. Ein Musiker ist auch ein") Dichter, er kann sich auch durch ein paar Augen plötzlich in eine schönere Welt versetzt fühlen, wo grössere Geister sich mit ihm einen Spass machen, und ihm recht tüchtige Aufgaben machen. Was kam mir nicht alles in den Sinn, wie ich Dich le) kennen lernte, auf der kleinen Sternwarte, während des herrlichen Mairegens17), der war auch-ganz fruchtbar ls) für mich, die schönsten Themas schlüpften damals ans Ihren Blicken in mein Herz, die einst die Well noch entzücken sollen, wenn der Beethoven nicht mehr dirigirt. Schenkt mir Gott noch ein paar Jahre, dann muss ich Dich wieder sehen, liebe, liebe Bellinele), so verlangt's die Stimme, die immer recht behält in mir. Geister können einander auch lieben, ich werde immer um den Ihrigen werben. Ihr Beifall ist mir am liebsten in der ganzen Welt. Dem Goethe habe ich meine Meinung gesagt, wie der Beifall auf unser Einen wirkt, und dass man von seines Gleichen20) mit dem Versland gehört sein will ; Rührung passt nur für Frauenzimmer (verzeih' mir's), dem Mann21) muss Musik Feuer aus dem Geist schlagen. Ach liebstes Kind, wie lange ist's11) Schon her, dass wir einerlei Meinung sind über alles 111 — Nichts ist gut, als eine schöne, gute Seele haben, die man in allem erkennt, vor der man sich nicht zu verslecken braucht. M a n m u s s was sein, wenn man was scheinen will; die Welt muss einen erkennen, sie isl nicht immer ungerecht. Daran isl mir zwar nichts gelegen, weil ich ein höheres Ziel habe. — In Wien hoffe ich einen Brief von Ihnen, schreiben Sie bald, bald und recht viel ; in acht Tagen bin ich dort, der Hof geht morgen, heute spielen sie noch einmal. Er hat der Kaiserin die Rolle einsludirl, sein Herzog und er wollten, ich solle was von meiner Musik aufführen, ich hab's beiden abgeschlagen, sie sind beide verliebt in chinesisch Porzelan23), da ist Nachsicht von Niiltien24), weil der Verstand die Oberhand verloren hat, aber ich spiele2') zu ihren Verkehrtheiten nicht auf, absurdes

4) Liebste gute Freundin 1) .u. s. w.« fehlt 3) haben

4) diese grossen 5j von meinem Arm e) könnt 7) und knüpfte 8) lieberrock 9) Herzog 40) hat mir H j noch 49) kein U) all 44) Freundin, 45) »ein« fehlt. 46) Sie 47) dem herrlichen Mairegen 48) gañí fruchtbar auch 49) liebste liebe Freundin ÏO) Seinesgleichen ä() Manne 11) ist es IS) Porzellan 14) vuiinöthen 25) spiel.

Zeug mach' ich nicht auf gemeine Kosten mit Fürstlichkeiten, die pi* aas der Art Schulden kommen. Adieu, Adieu Beste, Dein letzter Brief lag eine ganze Nacht auf meinem Berten and erquickte mich da, Musicanten erlauben eich «lies. Gott wie lieb' ich Sie l

Tepiitz, August 4 84 s.

Dein trautster Freund und tauber Bruder Beethoven.«

Dieser drille Brief ist Bettina'e Verriither. Zu den bereite früh nach seinem Hervortreten angeführten Gründen gegen seine Bchbeit sind seit jener Zeit so zwingende neue hinzugekommen, dass auch der besonnene Forscher, der hohe Verehrer der Schriftstellerin nicht mehr für seine Echtheit einzu- steben wagt, Bei Aufzählung der zahlreichen Momente kann iah ев nicht vermeiden, die früher und insbesondere in Tbayer's drittem Bande angeführten Gründe hier z« wiederholen, und darf dabei wohl mit Thayer's Zustimmung verratben, dase ein Tbeil derselben zuerst von mir ausgesprochen und dann von They er angenommen wurde.

Die allgemeine biographische Voraussetzung des Briefes ist richtig : Beethoven war im Sommer 4841 zur Herstellung seiner Gesundheit in Tepiitz, und zwar zum zweiten Haie ; er war 1844 ebenfalls dort gewesen. Hier ist nur eine kleine Schwierigkeit : Beethoven war in demselben Sommer auch in Karlsbad und Franzensbrunn. Kr war am 7. Juli in Tepiitz angekommen, spätestens in den ersten Tagen des August nach Karlsbad gekommen, wo er bereits am 6. August ein Concert gab, von da nach Franiensbrunn gereist, wo er jedenfalls bereits am 13. August war (demnach fallt die Reise nach Karlsbad doch wohl noch iq den Juli), und kehrte von da nach Tepiitz zurück. Hier war er jedenfalls am 4 8. September und blieb bis gegen den October. Es erscheint hiernach sehr unwahrscheinlich, dase er im August überhaupt ip Tepljtz war, wenn der Aufenthalt an den beiden anderen Orten irgendwelche Wirkung für ihn babeo sollte, und das Datum »August 484t< erscheint als biographisches Versehen, welches von Beethoven kaum herrühren dürfte. Die unbestimmte Datirung «August« ist an sich sebón aiiffUltift und verräterisch, da Beethoven sonst den bestimmten Tag anzugeben pflegt.

Dies ist jedoch nur ein geringes Bedenken im Vergleich zu denen, welche noch, folgen.

Beethoven war Hainais in Teph'ts nicht allein mit Goethe zusammen, der am 48. Juli dorthin gekommen war; er war auch — and das, war den früheren Beurtheilern bis auf Thayer entgangen—'zusammen mit Bettina vonArnim, welche am >4. Juli mit ihrem Gatten Achira von, Arnim ond ihrer Schwester Frau von Savigny dorthin gekommen war (Thayer Ш, S. ÎOÎ). Nun ja, könnte man sagen, er schrieb den Brief, als er nach Tepiitz zurück kam, Bettina aber wieder abgereist war. Leider aber schrieb sie über ihre dortigen Erlebnisse auch noch an andere Personen ; und so lesen wir dene in einem Briefe an den Fürsten Pückler-Muskau1} gerade das Eretgojss, welches den Hauptinhalt des obigen dritten Briefes bildet, in einer Weise erzählt, welche den Brief an Bettina m entscheidender Weise erläutert. Jener Brief an Pückler ist ein wirklicher, nicht von Bettina zu literarischen Zwecken zugerichteter Brief, und war von ihr nicht zur Herausgabe bestimmt ; sie hat die wörtliche Herausgabe desselben sicherlich aiobt erwartet. Hören wir ihre Erzählung an Pückler :

Indem kam auf dem Spaziergange ihnen entgegen mit dem ganzen Hofstaat die Kaiserin und Herzoge ; nun sagte Beethoven : Bleibt nur in meinem Arm hängen, sie müssen uns Platz machen, wir nicht. — Goethe war nicht der Mei-

4) Briefwechsel des Fürsten PUckler-Muskau, I. S. a o.

nung, und ihm wurde die Sache unangenehm ; er machte sich ans Beethoven's Arm los, und stellte sich mit abgezogenem Hut an die Seile, ' j während Beethoven mit untergeschlagenen Armen mitten zwischen den Herzogen durchging, und nur den Hut ein wenig rückte, während diese sich von beiden Seiten tbeilten, um ihm Platz zu machen, und ihn alle freundlich grüsslen ;2) jenseits blieb er stehen, und wartete auf Goethe, der mit tiefen Verbeugungen sie halte an sich vorbei gelassen. — Nun sagte er : Auf Euch hab' ich gewartet, weil ich Euch ehre und achte, wie Ihr es verdient, aber jenen habt Ihr zu viel Ehre angelhan. Nachher kam Beethoven zu uns gelaufen und erzählte ans alles, und freute sich ganz kindisch, dass er Goelhen so geneckt habe.«

Dass es sich hier um ein und dasselbe Ereigniss handelt, welches stellenweise fast mit denselben Worten erzählt wird, ist sofort klar ; nur ist in der angeblich Beelboven'schen Darstellung die Sache noch weiter übertrieben , wie vermulhlicb schon in dem Briefe Betunen« an Pückler. Ganz so unhöflich, wie ihn der erstere Brief erscheinen läset, ist er also doch nicht gewesen ; er »rückte den Huta, grüsste also , wenn auch ver- muthlich nicht sehr geschickt. Er würde also , wenn er jenen Brief geschrieben hätte, nicht allein etwas Unwahres berichtet, sondern sich zugleich einer Unhöflichkeit gerühmt haben, deren er denn doch, bei all seiner Formlosigkeit im Verkehre, nicht fähig war. Aber was die Hauptsache ist : er erzählte unmittelbar nachher Beitina [den Vorfall, welchen sie sich, wie aus der Ferne, von ihm schreiben läset. Und jeder etwaige Einwand, er hätte die Sache erst längere Zeit nachher nach Bet- tina's Abreise ihr nochmals erzählt, fällt durch die Worte des Briefes: »wir begegneten gestern« u. s. w. Dieselbe Geschichte erzählt er ihr heute mündlich und schreibt sie ihr morgen wie an eine ganz Entfernte,9} die von derselben noch nichts weissl

Dazu kommt eine weitere, auffällige Uebereinstimnaung in beiden Briefen. Ehe die Begegnung mit den kaiserlichen Herrschaften stattfand, waren Beethoven und Goethe in einem Gespräche über das Verhalten zu hohen Personen begriffen. In ihrem Briefe an Fürst Püokler läset Bettina Beethoven folgendes sagen : »Einen Orden können sie einem wohl anhängen, aber darum sei man nicht um das geringste besser ; einen Hofrath, einen Geheimerath können sie wohl machen, aber keinen Goethe, keinen Beethoven, also das, was sie nicht machen können, und was sie selber noch lange nicht sind, davor müssen sie Respect haben lernen, das ist ihnen gesund.« Jeder sieht, dass hier ganz dieselbe Betrachtung, zum Theil wieder mit denselben Worten angestellt wird, und in derselben Beziehung zu der erzählten Thalsache, wie im dritten Briefe an Bettina. Wird wohl jemand glauben, Beethoven habe ihr dieselben Worte, welche er ihr als an Goethe gerichtet erzählt, Tags nachher als seine Be- Irachlung geschrieben?

Und dasselbe ist über die Worte Beethoven's zu sagen, die er bezüglich des Beifalls, den der Künstler erwartet, Bellina gegenüber geäussert haben soll. >Dem Goethe bab' ich meine Meinung gesagt« (lässl ihn Bettina schreiben), »wie der Beifall auf unser einen wirkt, und dass man von Seinesgleichen mit dem Verstand gehört sein will.« Und im Briefe an Pückler- Muekiu läset sie Beethoven eben diese Betrachtung mit «tentel- ben Gründen aussprechen,. »Ihr müsst doch selber wissen,«

4) Im Briefe an Bettina: »Der Goethe machte sich von meiner Seite loe, um sich an die Seile zu stellen — er stand mit abgezogenem Hute tief gebUckt an der Seile.« Also dasselbe Ereigniss fast mit denselben Worten erzählt.

i) »Fürsten und Schranzen machten Spalier, die Herrschaften grüsslen zuerst« im Briefe an Bettina.

Э) »Schenkt mir Gott noch ein Paar Jahre, dann musí ich Dich wiedersehen« u. s. w.

lässt sie iba zu Goethe sagen, »wie wohl es that, von tüchtigen Händen beklatscht zu sein ; wenn Ihr mich nicht anerkennen, und als Euresgleichen abschätzen wollt, wer soll es denn Hum ?«

Die angeführten Gründe möchten schon hinreichen, darzu- tliun, dass diejenigen im vollen Rechte waren, welche in dem dritten Briefe ein Elaborat Beltinens erkannten ; und doch bringt jede aufmerksame Betrachtung des Briefes deren noch weitere. Die Aeusserungen der Zärtlichkeit gegen Bettina, deren Augen auf seine musikalische Phantasie gewirkt, deren Brief auf seinem Herzen gelegen habe, die Anrede mit Du, das »Gott wie lieb ich Sie« am Schlüsse, ist nicht allein der Jungvermähllen gegenüber sehr anstössig, sondern auch aus anderem Grunde für Beethoven damals unmöglich. Sein Herz war damals anderweitig gefesselt. Im Jahre vorher hatte er Amalle Sebald in Teplilz kennen gelernt und zu ihr eine so liefe Neigung ge- fassl, dass es noch nach fünf Jahren in seinem Herzen gerade so \var »wie am ersten Tage», jod eben sie sollte er im Jahre 18 \ t in Teplitz wiedersehen. In einer solchen Zeit ihm dergleichen Liebeserklärungen gegen eine andere, gegen eine erst seit Jahresfrist Vermählte in den Mund legen, beisst ihn eine Lächerlichkeit begehen lassen, deren er nicht fähig war. Bettiaa kannte jene anderen Beziehungen nicht, wie sie ja überhaupt mit Beethoven's sonstigen Lebensbeziehungen wenig bekannt war — nennt sie doch in dem Briefe an Fürst Pückler den »Herzog Kainer« ils den, welchem Beethoven Unterricht gab — während ihre Gewohnheit, Männern, welche sie bewunderte und mit denen sie befreundet war, eine Art von Liebesschwärmerei für sie zuzuschreiben, wie wir namentlich aus.Pückler's Briefwechsel entnehmen, ein — wir wollen sagen poetisches Bedürtniss für sie war.

Die geringschätzige Art, mit welchem in den drillen Briefe Beethoven über Goethe spricht, steht in auffallendem Gegensätze zu den früheren Aeusserungen höchster Bewunderung und zu der Tbalsache, dass er diese Bewunderung auch später noch hegte, wie u. a. die Widmung von »Meeresstille und glückliche Fahrt« ergiebt. Von Bettina geschrieben, sind diese- Beethoven zugeschobenen Aeusserungen viel weniger auffallend, und hier ist besonders die Aeusseruog verrälherisch : Beethoven habe Goelhe seine Sünden gegen Bellina vorgeballen. SbflTe Beethoven wirklich, als Goethe in jener Zeit aus bekannter Veranlassung die Beziehung zu B*ttiai löste, für Bettina gegen den grossen Dichter Partei genommen haben? Sollte nicht vielmehr Bettina selbst noch lange nachher ihrem Uabehagen über jenes Erlebniss Ausdruck gegeben haben T

Wir erwähnen zum Schlüsse noch des scheinbar geringfügigen Umstandes, der aber in der Reibe der Beweisgründe gegen diesen dritten Brief nicht fehlen kann, dass unter den Mitgliedern der kaiserlichen Familie, denen Beethoven begegnete, auch Herzog (es musste beissen Erzherzog) Rudolf genannt wird. Erzherzog Rudolf war damals, wie aus einem am t I.August an ihn gerichteten Briefe Beethoven's (Tbayer III, S. Ï07) hervorgebt, nicht in Teplitz gewesen. Das nahe Yer- hältniss Beethoven's zu diesem Prinzen, welches schon seit einer längeren Reihe von Jahren bestand , macht es vollständig unmöglich, dass Beethoven gerade mit diesem Namen eine Verwechslung sollte begangen haben.

Die Gründe, aus welchen Beethoven diesen dritten Brief nicht geschrieben haben kann, sind so zahlreich und zwingend, dass die Frage bezüglich desselben schon hier als abgeschlossen betrachtet werden kann. Diesen Brief hat Bettina von Anfang bis zu Ende selbst geschrieben, wobei sie stellenweise Ansichten und mündliche Aeusserungen Beethoven's wiedergab, ganz ¡n derselben Weise, wie sie ihrem eigenen Eingeständnisse zufolge vielfach auch sonst in ihrer schriftstellerischen Thätigkeit verfahren ist. Die inneren Gründe sind bei diesem Briefe vollständig entscheidend; sie haben auch den bisher eifrigsten

Verfechter der Authenticität der Briefe, den wackeren Thayer, bezüglich dieses dritten Briefes genöthigt, seine bisherige Ansicht aufzugeben.

Nun könnte gesagt werden, und es ist dies auch von Thayer gesagt worden : mag der dritte Brief unecht sein, darum brauchen ¡s die beiden anderen immer noch nicht zu sein ; sie waren lann eben die authentischen Originale (Thayer III, S. 459), nach welchen der dritte nachgeahmt wurde. Diese Nachahmung hätte dann also doch Bettina selbst ausgeführt, da sie ja die Herausgeberin ist. Aber uns scheint diese Argumentation überhaupt wissenschaftlich unmöglich. Betlina hat die Briefe in illius Pampbilius« zusammen, als etwas einheitlich Zusammengehöriges, herausgegeben, ohne irgend einen unterschied be- merklich zu machen ; sofern sie überhaupt eine Gewähr der VuthenticitKt beanspruchen wollte, hat sie dieselbe für alle drei Briefe in ganz gleicher Weise beansprucht. Ist daher nachgewiesen, dass.einer der Briefe unecht ist, so ist auch die Gewähr für die übrigen erschüttert. Das Zeugniss Betlinens kann nicht mehr genügen, die beiden ersten für echt zu hallen, und es erhallen die aus dem Inhalt derselben entnommeneu Bedenken, auch wenn sie für sich allein nicht überzeugend sein sollten, verstärktes Gewicht. Wer ihre Echtheil beweisen will, muss von der Autorilät Betlinens ganz absehen und dieselbe auf andere Gründe stützen. —

Hier sind nun zunächst noch die bisher nicht im Einzelnen geprüften Eigenthümlicbkeiten der Schreibweise ins Auge zu fassen. Auf diese hat namentlich Marx seine Aneicht von der Dnechtheit aller drei Briefe gegründet. »Vergleiche man,« sagt er, »alle veröffentlichten Briefe und sonstigen Aeussernngen Beethoven's mit jenen Bettinenbriefen, so wird man zwei durchaus verschiedene Persönlichkeiten herauserkennen, die eine schlicht, bisweilen sogar ungelenk, stets ungeschminkt, oft grosssinnig, selbst wo sich Hangel lieferer Bildung verräth;—- die andere federgewandt, schöngeislerisch, eitel aufgeregt, montirt; welche von beiden ist Beethoven?«

In solchen Dingen das Richtige zu finden ist nun Sache einer gewissen Fähigkeit des Nachempfinden«, und so sorglos Marx in historischen Dingen verfährt, so wenig erquicklich oft seine musikalischen Expectoralionen sind, so bat man ihm doch die Fähigkeit, dem Künstler und in ihm auch dem Menschen nachzuempfinden, bisher uwA» abgesprochen. Er bit:i» den angeführten Worten die Natur Beethoven's, wie sie in. der Hefainhl seiner Briete hervortritt, unseres Eraobtens ganz richtig gezeichnet. Wer sich der Beethoven'scbeoi Briefe im Zusammenhange erinnert,1) auch derjenigen, in welchen Verehrung zu den Adressaten ihn zu Bemühung und Sorgfalt bei seinen Aeusserungen aufforderten, der wird wissen, dass er des fliessenden Stiles und der grammatischen Correctheit in der Sprache keineswegs ebenso mächtig war wie in der Musik ; dass er dagegen auf der anderen Seite in der Regel sehr bestimmt weise, was »r sagen will, dass er sich seiner Empfindungen, seiner Gedanken und Absichten ganz klar bewusst ist und sie auch bei mitunter ungelenker, ja fehlerhafter Form doch dem ändern deutlich zu machen versteht. Er geht ohne viele Umschweife auf die Sache zu, die ihm am Herzen liegt, er sucht nicht lange nach dem Ausdrucke, sondern wählt den, der sich ihm am einfachsten bietet, und trachtet nicht nach Schmuck und weitläufiger Umschreibung. Wohl kann er herzlich und warm schreiben, wobl malt sich in seinen Briefen öfter die lebhafte innere Bewegung, die sie eingegeben bat; ist er von lebhaftem Interesse für die Person erfüllt, schreibt er in künstlerischer Begeisterung oder auch einmal in unwilliger Erregung, so kann er eine gewisse natürliche Beredtsamkeil entwickeln,

<) Es lind deren von Thayer, Nohl, Köche! u, A. so viele publi- cirt, dass wir von besonderen Clinton abstehen.

die überzeugt und Eindruck macht. Bietet sich ¡hm dabei ungesucht ein treffender bildlicher Auedruck, z.B. ein der Mythologie entlehnter, so wendet er ihn einfach und ohne sonderliche Prätension an. Wo er sich über seine Kunst üussert, erkennt man den überzeugten und erfahrenen Künstler, der über seine Frage nachgedacht hat ; er überrascht mitunter durch Gedanken , die weitere Perspective!) eröffnen, aber die Darstellung leidet gerade in solchen Füllen mitunter an Unklarheit, weil ihm die treffenden Worte fehlten. Niemals aber sehen wir ihn in gesuchte, philosophisch sein sollende Betrachtungen sich verlieren ; alles künstliche Zergliedern der eigenen Empfindung, alle Sentimentalität'und Schwärmerei, alles absichtliche und gesuchte Pathos ist ¡hm völlig fremd. Ein Brief, in welchem von den schönsten themen die Bede ist, die aus schönen Augen in sein Herz schlüpften, oder in welchem gesagt wird »Geister können einander auch lieben, ich werde immer um den Ihrigen werben« — wohlverstanden, weil die gewöhnliche Liebe und Werbung ausgeschlossen ist — macht sich schon durch das Gesuchte und Künstliche des Gedankens und die affectirte Darstellung allein verdächtig. Dem Hanne, der in seinen Tonwerken so sehr alle Ziererei, alles Affectiren und Phrasenmachen vermeidet, wird man auch nicht in seinen Worten, ja hier noch weniger, auf diesem Wege zu begegnen erwarten.

Wer nun aus der »Günderode«, aus «Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde«, aus »Ilius Pamphilius« u. s. w. sich das schriftstellerische Bild Bettinens vergegenwärtigt, wird, wie wir meinen, den vollen inneren Gegensatz keinen Augenblick verkennen ; er wird gerade hier das unklare Schwelgen in sub- jectiver Empfindung, das Sichgefallen in einer gewissen Mannigfaltigkeit der Zergliederung und Darstellung derselben finden ; dabei, in scheinbarer Formlosigkeit, welche den Ton des Gespräches oder des vertrauten Briefstils nachzuahmen strebt, ein durch Lebhaftigkeit der Phantasie und 'ausgebreitete Leclüre unterstütztes Geschick der Diction. Wer anhaltend ihre Schriften gelesen, wird auch manche Manieren ihrer Ausdrucksweise unschwer 'erkennen.

(Fortsetzung folgt.)

Anzeigen und Beurtheilungen. »ikallaebe Studieekopfe von La Mari. Fünfter Band : »Die Frauen im Ton leben der Gegenwart«. Leipzig, Breitkopf & Harte!, l , (ff.

Die formgewandte und fleissige Musfkschriftstellerin Marie Lipsius in Leipzig, die sieb unter dem Pseudonym : La Mara durch ihre populär gehaltenen und doch keineswegs oberflächlichen Arbeiten vortheilhaft bekannt gemacht hat, lässt ihren vier Bänden »Musikalischer Studienkopfe« so eben einen fünften folgen. Derselbe dürfte wohl noch grüssere Verbreitung finden , als sie den übrigen bereits zu Theil wurdo. Denn er behandelt mit viel Geschick ein Thema, das von vornherein einen besonderen Beiz besitzt und namentlich auch unsere Damenwelt anziehen wird, nämlich: »Die Frauen im Tonleben der Gegenwart«. Die Verfasserin hat 14 Charakterköpfe ausgewählt, worunter ( 2 der Kategorie der Pianistinnen, eine (Frau Normann-Neruda) derjenigen der Geigerinnen, 11 dem zahllosen Geschlecht der Sängerinnen angehören. Eine das Buch eröffnende Lichtdrucktafel führt uns die Damen in ihrer leiblichen Erscheinung hübsch gruppirt vors Auge. Die Darstellung hält sich, wie die Vorrede mittheilt, fast durchgängig an die biographischen Angaben der betreffenden Künstlerinnen selbst. Sie erfreut durch stilistische Anmuth und eine gewisse vornehme Discretion, die der Scandalsucht keinerlei Conces- sionen macht und sich überall an den Kern der Sache hält. Einzelne Charakterbilder wünschte man freilich noch schärfer

umrissen, detaillirter ausgeführt, individueller behandelt. So wird z. B. Frau Clara Schumann, welche La Mara mit Fug an die Spitze ihrer Gallerie stellt, etwas kurz abgethan und wir erfahren über ihre künstlerische Wesenheit nicht viel mehr, ale was schon Franz1 Liszt in seinem poesievoll geschriebenen Aufsatz vom Jahre (855 über diese »weihevolle, pflichtgetreue und strenge. Priesterin der Kunst« gesagt hat. (Vide Bd. ГУ, S. 487 der Gesammelten Schriften, deutsch bearbeitet von L. Ramann). Auch Adeline Patti hätte wohl eine etwas ein- lässlichere, ihre specifische Grosse, wie ihre künstlerischen und menschlichen Schwächen (unter welch letzteren der mass- lose Geldschacher nicht scharf genug gegeisselt werden kann), in gebührendes Licht setzende Besprechung verdient. Dafür entschädigen übrigens andere Aufsätze durch lebhaftes Colorit und eine Fülle bedeutsamer Einzelzüge. So tritt uns beispielsweise der Charakterkopf Marie Wilt's in greifbarer Plastik entgegen und mit bewundernder Theilnahme verfolgen wir die Schicksale dieser wahrhaft grossen Künstlerin, die sich aus ärmlichen Verhältnissen mit eiserner Willenskraft emporringt, sich zunächst als Clavierpielerin ausbildet, dann erst mit anfänglich schwacher Stimme zu singen beginnt, nach ihrer verhängnissvollen Verehelichung mit dem Ingenieur Franz Wilt sieben Jahre lang an einem Brustübel krankt, das sie zum Schweigen verdammt, dann erst bereits eine Dreissigerin zur Bühne übergeht, mit beispielloser Energie sich trotz ihres mangelhaften Wortgedächtnisses ein umfassendes Repertoir, darunter die grösslen Wagner'schen Rollen aneignet, im heroisch- pathetischen Stil die nämlichen Triumphe feiert wie als Colo- ratursängerin und heute noch in ihrem 50. Lebensjahre- an stimmlicher Fülle und Ausdrucksgewalt ihres Gleichen sucht. Vorzüglich sind, um blos noch einige Namen zn nennen, die Porträts der Frau Viardot-Garcia und der liebenswürdigen Desirée-Artôt getroffen, ebenso diejenigen der Claviermeiste- rinnen Sophie Menter, Ingeborg von Bronsart und Annette Essi- poff. Möge das graziöse, für jeden Gebildeten leicht verständliche Büchlein, das sich vermöge seiner schönen, der Firma Breitkopf & Härtel würdigen Ausstattung besonders auch als Weihnächte- oder Neujahrsgeschenk eignet, zahlreiche Freunde und Freundinnen finden! ^ NiaoK

Damson et DallU, Opera en 3 Actes de Ferd. Lemaire avec traduction Allemande de Rich. Pohl, Musique de Camille Saint-Saëns. Paris, Durand, SchœnewerkACo. Leipzig, Leuckart. Ciavierauszug 264 Seiten gr. 8. Preis Л 13. 50.

Dieses erstere grössere Opernwerk, welches von dem talentvollen Componisten bekannt wurde, ist auch in Deutschland zur Aufführung gekommen, hat aber nicht durchzudringen vermocht. In Hamburg z. B. erlebte es nur zwei Aufführungen, hatte also ein gleiches Schicksal mit Boito's Meh'stofele, d,em es auch in Manchem gleicht. Beide Opern entstammen Componisten, denen eine gewisse Originalität nicht abzusprechen ist, die aber noch nicht reif genug sind, um sich bei uns ihre eigne Bahn brechen zu können. Ob namentlich biblische Stoffe auf unserer jetzigen Bühne eine Heimath finden werden, wäre wohl noch zu bezweifeln; wenn hier z. B. die Dalila aus einem gewöhnlichen Lustweibe in die Tochter des philistäischen Oberpriesters verwandelt wird, so kann man dies nicht als eine Veredlung, sondern nur als eine Erniedrigung des ganzen Vorganges ansehen, denn der Vater wird dadurch mit in die Gemeinheit hineingezogen. Für den Textdichter lag hier allerdings eine grosse Schwierigkeit vor, aber diese hätte ihn lehren sollen, dass der Stoff für ein Bühnenwerk nicht geeignet ist. Die Musik bietet manches geschickt und leicht Gestaltete, aber im Vocalsatze reicht die Kunst des Autors nicht weit, namentlich bemerkt man solches bei den mehrstimmigen Gesängen. Mit einer passenden Vertreterin der Dalila möchte die Oper immerhin noch eine Zukunft haben. Doch wer vermag heutzutage das Schicksal von Bühnenwerkea vorherzusagen !

Lei Beatitudes (Die Seligkeiten), Ровгое de Madame Colomb, traduction Allemande de G. Fr. Reiss, Musique de César Franck. Ciavierauszug 308 Seiten gr. 8. Preis 1 5 Francs. Paris, Brandus & Co. mit Verlagsrecht lili alle Lander- Dieses Werk, noch jüngeren Datums Lis die Oper »Samson et U.ilihi. ist. von einem Umfang, dass ein ganzer Concert- abend damit ausgefüllt wird. Die Seligpreisungen aus der Bergpredigt Christi sind hier predigtartig ausgelegt und musikalisch breit Ulustrirl. Der Inhalt timfasst somit das ganze Leben in fast allen Vorgängen ; sogar der » Satan « ist eingefügt, des Ef- fecles oder Contrastes wegen. Der Composition bieten sich hier entschieden günstige Momente, die Fr. Franck auch mitunter sehr geschickt benutzt hat. Das Ganze ist in Wort und Musik nicht ein starker Ton, aus dem innersten Zeitbewusst- seia herausgesungen, sondern repräsentirt eine vermittelnde sanfte Anschauung, von welcher wir wünschen, dass namentlich die erregten Landsleute des Componisten in sie eingehen mochten. Zu erhöhen wäre die Wirkung ganz erheblich, wenn die musikalische Gestaltung sich von der aufgeregten modernen Weise losgesagt und das alte- classische Modell zum Muster genommen hUtte. Das hat aber der Componist nicht ge- than, er steckt ebenfalls ganz und gar im Heutigen und findet vielleicht nicht mehr den Weg in's gelobte Land zurück.

Bülow, I. т., Aus seinen (Joncertprogrammen. 3 Bände. Daraus Nr. 14 und 45. (Band III.J Preis M 4,80 und UT3,-.

Auserlesene Clavier-Ftüden von Fr. Chopin. Instructive Ausgabe.

F. Mendelssohn-Bartholdy. Rondo capriccioso für

Pianoforte. Op. 14. Neue Ausgabe. Preis Jt 2,50. Polacca brillante für Pianforle von C. M. v. Weber

Op. 72. Kritisch verbesserte Ausgabe. Preis Л 2,—.

Weber, Aufforderung zum Tanz Op. 65. Preis A2,—.

Verlag von Jos. Aibl ¡n Manchen 1880. Nicht der Componist, der Dirigent und Redner im Gewandhause tritt uns bei den vorliegenden Werken entgegen, sondern der Ciavierspieler v. Bülow, der uns seine Concertprogramme entwickelt und seine auf pianistischem Gebiete gesammelten Erfahrungen an neuen Herausgaben von Compositionen bekannter Meister zur Anwendung bringt. Er zeigt sich uns hier von seiner besten Seite als Fachmann, denn als Ciaviervirtuose steht Bülow in der ersten Reihe. Hervorragend sind seine Repro- ductionen der Beethoven'schen Ciaviersonaten, seines Steckenpferds, von denen mehrere seinen Concertprogrammen beigefügt sind. — In bekannter Anspruchslosigkeit bietet er uns mit seiner neuen Herausgabe etlicher Chopin'scher Etüden kraft seines Motto's : »Multum, non multa«. Es liegt ihm, wie er im Vorwort bemerkt, fern, den vielen billigen Ausgaben Chopin'scher Compositionen Concurrenz zu machen. Vielmehr will er einige weniger bekannte Etüden, die ihrer Complicirtheit wegen nicht leicht zugänglich sind, gründlich beleuchten und denselben die ihnen etwa bis jetzt noch fehlende Anziehungskraft verleihen. Immerhin ist es ein Verdienst, zu versuchen weniger beachtete Compositionen eines besseren Autors, besonders wie im vorliegenden Fall zu instructiven Zwecken, dem Publi- cum näher zu bringen. Die elegante Ausstattung seitens des Verlegers documentirt schon die Absicht, die Ausgabe einem kleineren Kreise Auserkorener zu reservaren, denn theure Ausgaben anderweitig billiger edirter Werke finden heutzutage keinen grossen Markt. — Auch die übrigen erwähnten Werke,

die nach der Liste des Verlegers 3 Bande füllen, sind von beiden Theilen hübsch ausgestattet und wollen wir nicht unem- pfohlen lassen.

Gleichfalls sei die Aufmerksamkeit der Ciavierspieler gelenkt auf eine andere Publication unseres Autors, die

Taoiweisen aus Opern von Ritter von Click, filr Pianoforte

bearbeitet von l. Tm BuUw. Manchen, Jos. Aibl.

4 Hefte : Orpheus, Alceste, Ipbigenie in Aulis, Armide.

Nur die beiden ersten Hefte, welche Orpheus und Alceste

behandeln, liegen uns vor, aber wahrscheinlich sind auch die

letzten Hefte bereits erschienen. Wir können die interessante

Sammlung Allen empfehlen, die an diesen älteren Tanzweisen

Vergnügen finden.

Veneiekiin des lulkaliei-Verlages ron Brcükopf t Urtel in Leipzig. Systematischer und alphabetischer Theil nebst Anhang. Vollständig bis 4884. Mit Nachträgen bis zur Gegenwart.

Vorbemerkungen und systematisches Verzeichnis : CXXXII Seiten.

Alphabetisches Verzeichniss nebst Anbang Über die Gesammlausgaben: 711 Seiten.

Der vor einigen Jahren herausgegebene Katalog dieser Firma erscheint hier in neuer, bis auf die Gegenwart fortgeführter Ausgabe, so dass man die gesammten musikalischen Publica- tionen der ersten Musikverlagshandlung unseres Jahrhunderts in einem sehr übersichtlich angelegten und schön gedruckten Verzeichnisse beisammen hat.

Stuttgart.

(Fortsetzung.)

Einen vollen ungetrübten Genuss gewährte uns das erste Populäre Concert des Stuttgarter Liederkranzes, welcher unter der trefflichen und bewährten Leitung des Herrn Professor Speidel steht. Was eine sorgfältige und geschmackvolle Zusammenstellung des Programms ausmacht, konnte man in diesem Concert, welches am ÎB. October stattfand, erfahren, und der Eindruck war daher auch, zumal die Leistungen durchweg treffliche waren, ein wirklich harmonischer. Mit einer Novität, einem Concert für Violine mit Begleitung des Orchesters von Ignaz Brüll führte sich Herr Concertmeister Lauterbach aus Dresden ein. Herr Lauterbach ist ein ganz vorzüglicher Geiger, und sein Spiel voll Geist, Kraft und Feuer, seine Technik eine tadellose. Auch das neue Werk von Brüll gehört zum Besten, was die neuere Literatur für Geige hervorgebracht, und unterscheidet sich dasselbe in äusserst vortheilhafler Weise von vielen ähnlichen Compositionen. Wir hoben es hier mit einer wirklich schönen Composition zu Ibun , mit einem Werk , das eben so reich an intensivem musikalischen Gehalt ist, als dasselbe von tüchtigem Wissen und Können des Componisten Zeug- nlss ablegt. Wir begegnen in demselben keinen technischen Tummeleien, alles wächst organisch aus der musikalischen Idee heraus ; Soloinstrument und Orchester sind als gleichberechtigte Factoren bebandelt, die sich in die Ausführung des musikalischen Gedankens theilen. Es ist eine gesunde Musik, die wir in diesem Werk zu hören bekamen, eine Musik voll gesunder Kraft, voll des melodischsten Wohllauts und darf dasselbe mit vollem Recht dem Besten der Violinliteratur zugezählt werden. Wie wurde dasselbe aber auch von dem trefflichen Künstler gespielt l Namentlich die Wiedergabe des Adagio, ein reizender, vom Dufte echter Poesie umwobener Satz — wie reizend ist das Zwiegespräch zwischen Violine und Clarinette—, riss die Zuhörer zu warmem, ungeheucheltem Beifall hin. Von den übrigen Piècen , mit welchen der Künstler uns noch erfreute, eine Cavatine von Raff und eine Concertetüde eigener Composition, in welcher er sein technisches Können glänzend entfalten konnte, war es namentlich das Abendlied топ Schumann, welches er unübertrefflich schön wiedergab. In Herrn Kammersänger Dr. G u n z aus Hannover lernten wir einen tüchtig geschulten Sänger kennen, dessen seelenvoller, warmer und durchdachter Vortrag, wenn auch die Jahre nicht spurtos an der Stimme vorübergegangen, unwillkürlich zu Herzen dringt. Er sang »An die Musik« von Schuber!, »Abends« von Franz, die »Korelle« von Schubert (letzteres Lied trug er uns etwas gar zu realistisch vor), die »Cavatinea aus Paulus, sowie »Mondnacht« von Schumann, »Serenade« von Haydn und »Der Hidalgo« von Schumann. In der Cavatine merkte man am deutlichsten, dass der Sänger in der Höhe in getragenen Sachen sich nicht allzu viel mehr zutrauen darf, aber im Ganzen documentirte er den geschmackvollen Sänger, den denkenden Künstler. Der Liederkranzchor, welcher sich unter Speidel zu einem der besten Männergesangvereine Deutschlands heraufgeschwungen, erfreute uns mit der ausgezeichneten Wiedergabe der Lenau'schen Sturmesmythe von Franz Lachner, einem grossartigen Chor, der wieder einmal unwiderleglich darlhat, dass die allen von so manchem jungen Fante verachteten Kapellmeister auch etwas verslanden ; weiter wurde der »Gondelfahrer« von Schubert, ein reizender Chor im Volksliedlon von Jüngst und ein solcher von Sucher gesungen. Die Orchesterbegleitung des Violincon- cerls und der Stiirmesmythe, sowie jene zurMendelssohn'schen Cavaliee wurde von der Carl'schen Kapelle in tüchtiger Weise ausgeführt.

Ein reinen wahrhaft künstlerischen Genuss im höchsten Sinne des Wortes bereitete uns die Samstag den 28. October slattgefundene erste Q uarletlseiree dei Herren Singer, Seyboth, Wien und Cabisius. In ganz vollendeter Weise spielten die Künstler die Quartette in B-dur von Mozart, Es-dur Op. l 27 von Beethoven und G-moll von Haydn. Das sind echte, wahre Künstler ; sie wandeln nicht die grosse Heerstrasse, sie üben die Kunst um ihretwillen aus, weil sie selbst die höchste Befriedigung in der Wiedergabe der herrlichen Meisterwerke lindeu, die sie mit ihrem Singer als geistigen Führer voran, in vollendeter Weise interpretiren. Wie spielten sie das Esdur- Quarletl von Beethoven, welches sowohl in technischer als musikalischer Hinsicht die höchsten Anforderungen stellt; nur solche Künstler können ein Werk, das so tief in die geheimnissvollen Gänge des Seelenlebens hinabsteigt, würdig interpretiren.

Dienstag den 3l .October fand das Abonnement-Concert Nr. 2 unter Mitwirkung des Herrn GustavHolländer, Concerlmeister am Conservatorium in Köln statt. Die Einleitung bildete die schon des öfteren uns vorgeführte farbenprächtige Ouvertüre zu Kalidasa's »Sakuntala« von Goldmark. Es ist mehr das satle Colorit, welches den Hörer besticht, als der eigentliche musikalische Gebalt. Mit berückenden Farben weiss er zu schildern und gestaltende Phantasie kann ihm in seinen Instrumentalwerken nicht vollständig abgesprochen werden, wenn auch eine sinnliche Gluth der Emp6ndung in denselben vorherrscht, die stark an das Realistische streift. Herr Holländer introducirle sich mit einem Concerte für Violine in D-dur Op. 42 von Fr. Gernsheim, welches uns, etwa den zweiten Satz Andante a/fettuoso ausgenommen, keine sonderlichen Sympathien eingeflösst hat. Sowohl der erste wie der letzte Salz entbehren des organischen , von einer Grundidee beherrschten Charakters und bieten nur dem Spieler vollauf Gelegenheit, sein technisches Können zu zeigen. Gespielt wurde das sogenannte Concert von Herrn Holländer ganz vortrefflich ; er besitzt einen schönen und sympathischen Ton, sein Spiel ist rein und seine Technik eine wohlausgebildete. Weiler spielte

derselbe noch eine Romanze und eine Concertpolonaise eigener Composition. Krstere Pièce würde mehr ansprechen, wenn sie etwas kürzer und nicht gar so weit ausgesponnen wäre ; die Polonaise erhebt sich nicht über die Durchschniltshöhe derartiger Opera. Einen grossen Genuss gewährte uns wiederum Herr Hofopernsänger H romada ; derselbe sang »Des Lebens Pulse schlagen frisch lebendig« aus den Scenen zu Goelhe's Faust von Schumann. Wir haben schon wiederholt in diesen Blättern auf diesen ausgezeichneten Lieder- und Oratoriensänger aufmerksam gemacht, und es ¡st nur höchlichst zu bedauern, dass derselbe mit seiner vollendet geschulten und sympathisch zu Herzen dringenden Stimme, sowie dem tief durchdachten, echt künstlerischen Vortrag und seiner ausgesprochenen musikalischen Begabung, durch den auf Lebenszeit abgeschlossenen Contract an die hiesige Hofbühne gebunden ist und dasjenige Gebiet, auf welchem er Meister ist und sich einem Stockhansen würdig anreihen dürfte, nicht ¡n dem Maasse pflegen kann, wie es im Interesse der Kunst zu wünschen wäre. Den Schluss des Concertes bildete die erstmalige Wiederholung der Craoll- Symphonie von Brahms. Auch dieses Mal machte das Werk, welches in der vorigen Saison unter des Componisten persönlicher Leitung hier aufgeführt wurde, wiederum einen grossartigen und gewaltigen Eindruck auf uns. Diese Symphonie ist und bleibt die bedeuiendste , welche seit Beethoven's neunler geschrieben wurde, und wenn das Publikum sich auch heuer wieder ziemlich kühl und reservirl verhielt, so liegt dies ganz gewiss nicht an dem Werke selbst. Wir möchten hier an den Lichtenberg'sehen Ausspruch erinnern: »Wenn ein Buch und ein Kopf zusammenstossen und es klingt hohl, muss denn das immer die Schuld des Buches sein T«

Mittwoch den 8. November erfreute uns unsere treffliche einheimische Künstlerin, die Pianistin Frau Johanna Klinke rfuss in einer zu Gunsten der unter dem Protectorate der Königin stehenden Olga-Heilanstalt stallgefundenen Musik-Soiree mit ihren trefflichen Leistungen. Sie spielte die Variationen und Fuge über ein Thema von Händel von Brahms, Sarabande, Gigue und Bourrée von Bach, sowie Piècen von Stark, Linder, Schumann, Grieg, Ahert, Henselt, Chopin und Liszt. Sie enl- fallete wiederum alle die Vorzüge, welche wir bei dieser Künstlerin hervorzuheben stets in der angenehmen Lage sind ; saubere, auf das feinste ausgebildete Technik — sie ist eine Schülerin Lebert's und Pruckner's —, geistige Beherrschung des Stoffes, Verschmähen aller äusserlichen Effectmittel. Die 14 Variationen von Brahms müssen öfter gehört sein, um sie ganz zu erfassen und zu verstehen ; in geistreicher Weise ist das Thema sowohl harmonisch wie rhythmisch variirl, und wenn auch bei manchen Variationen wir aussagen mussten, dass hier Händel vollständig Brahms geworden, so sind dieselben doch ein bedeutendes Werk. Die eigene Individualität soll sicherlich nicht bei Bearbeitung eines fremden Themas ganz in den Hintergrund treten, aber der Componist darf doch nicht so weil geben, dass die eigene Physiognomie, die originale Eigenthümlichkeit des ursprünglichen Gedankens, welche unter allen Umständen gewahrt werden muss, verloren geht. Mit der Fuge können wir uns nicht befreunden, sie ist bizarr und unschön. Die Sarabande, Gigue und Bourrée von Bach spielte Frau Klinkerfuss auf einem Clavi- cymbel von F. Ring vom Jahre <700. Herr Klinkerfuss erwarb vor einiger Zeit dieses seltene Instrument und verwandte grosse Mühe und Fleiss darauf, dasselbe historisch treu wieder herzustellen. Dasselbe besteht aus zwei Manualen, von welchen das obere einsaitig — die Herstellung der zweiten Saite ist Herrn Klinkerfuss nicht geglückt —, das zweite zweiseitig ist. Es machte einen eigentümlichen Eindruck, auf die Klänge eines Bechstein, diese krafllosen näselnden Töne zu hören ; noch eigentümlicher und fast peinlich berührte es uns aber, nach zwei auf demClavicymbel begleiteten Gesängen von Bach und Durante ohne alle und jede Vermittlung ein Lied von Josefine Lang (und dazu ein Gedicht von Heine) auf dem Con- cerlflügel begleitet zu hören. Auf eine etwas sorgfältigere Zusammenstellung der Programme dürften unsere Concertgeber, wir sprechen hier im Allgemeinen, schon etwas mehr bedacht sein. Der vocale Theil wurde von Frau Hüller-Berghaus erledigt. Nicht unerwähnt soll die treffliche Begleitung des Herrn Hofmusikus Hummel sein.

(Schluss folgt.)

Der aretinische Congress für liturgischen Gesang.

(Fortsetzung.)

Die Abfassung desjenigen Graduales, welches gewöhnlich mit dem Namen »Mcdicfpa» bezeichnet wird, weil dasselbe unter Paul V. von der medicaischen Druckerei in Rom 16U herausgegeben worden ist, fallt in die Zeiten des Verfalles des Cantus Planus. Von Vielen wird behauptet, dass sich an der Redaction desselben Pierluigi Pa- lestrina und Guidetti, der Schuler Palestine's, betheiligt haben; die Theilnahme des Ersteren ist mit Recht angezweifelt. Die Regensburger Ausgabe entnahm das Antiphonar der venetianischen Ausgabe von P. Liechtenstein aus dem Jahre 4567. Einige Gesänge der neuen Sammlung sind eiteren Ausgaben aus der genannten Zeit entnommen, andere Gesänge ganz frei erfunden. In der That herrscht in Folge dessen nicht volle Einheitlichkeit in dem Werke; ferner sind gewisse Gesänge, welche von Alters her nur in zwei Kirchenldnen, dem zweiten und siebenten, gebalten waren, hier in allen Tonen gehalten ; was aber am meisten die Gegner der neuen Ausgabe anzufechten scheint und was sie aber merkwürdigerweise zum grossen Theile ganz verschweigen, ist dies, dass die neue Ausgabe einfachere Tongänge vorzieht und die reiche Melismatik der allen Gesänge so viel als möglich beseitigt. Die Versammlung ging über die neue Ausgabe zur Tagesordnung Über, und so oft auch der Bearbeiter der neuen Ausgabe als beredter Anwalt und Vertreter der Pustet'schen Verlagshandlung und ihres Verlagswerkes der Versammlung die Recommandation der neuen Ausgabe von Seiten der Rilen-Congregation vorführte, blieb die Versammlung bei dem Schlussworte: »Alors Ratisbonne aura vécu et St. Grégoire revivra.« (Also Regensburg wird ausgelebt haben und der heil. Gregor wiedererstehen.)

Wenn man die Debatten und ihre Ergebnisse zusammenfassl, so ergeben sich folgende hauptsächliche Gesichtspunkte: 4. Im Gegensalze zu der jetzt bestehenden Verschiedenheit und Verderbtheit der in den Kirchen aufliegenden Choralbücher soll fortan die grösslmögliche Uebereinstimmung mit der alten Tradition bestehen ; t. da die wahre, einzig sichere Tradition beim Vortrage des liturgischen Gesanges zumeist in Vergessenheit gerathen ist, muss der Choral, welcher mit wenigen Ausnahmen in gleichen und gestossenen Tönen ausgeführt wird, in freier, rhythmischer Declamationsweise nach dem lateinischen Accentregeln vorgetragen werden; 3. zu diesem Behufe ist es nothwendig, dass die modernen theoretischen Werke über den Cantus Planus, welche diesen Anforderungen entsprechen, verbreitet, die diesbezüglichen wissenschaftlichen Studien unterstützt und gehoben werden und der praktische Unterricht mit vollem Eifer und in einheitlicher Methode betrieben werde. Endlich sprach der Congress auch die lebhafte Hoffnung aus, dass der Vor- r,i> n g des Canlus tirmus vor aller Übrigen liturgischen Musik als der der Kirche eigentümliche Gesang allgemeiner anerkannt und vom Clerus, den Chordirigenten und Organisten respectirt werde.

In der That eine Fülle schöner Bestrebungen und frommer WUnsche. Es ist nur bedauerlich, dass der Congress einen Beschluss gefasst hat, demzufolge ein grosser Theil der tüchtigsten Forscher von dem Kreise der ordentlichen Mitglieder des zu dem Zwecke der wissenschaftlichen Verfolgung zu creirenden Vereines ausgeschlossen wird, da nur Katholiken ordentliche Mitglieder des internationalen musik-archäologischen Vereines »Guido von Arczzo* sein können. Denn wenn es auch den anderen Confessionen Angehörigen freigestellt ist, als correspondirende oder ausserordentliche Mitglieder dem Vereine beizutreten, so ist zu befürchten, dass viele tüchtige Männer dem Vereine nicht beitreten und darauf verzichten werden, ihre wissenschaftlichen Arbeiten in die musik-archäologische Revue des neuen Vereines einrücken zu lassen, wenn ihnen alle Rechte der Abstimmung über Vereinsangelegenheiten genommen sind. Vergebens waren die Vorstellungen, dass dieser Beschluss in Deutschland peinlich berühren würde, gerade dort, wo von Gelehrten verschiedener Confessionen ausgezeichnete Arbeiten über die einschlägigen Materien veröffentlicht worden sind; vergebens die Ermahnung der

deutschen Congressisten, vergebens war die Erinnerung des greisen P. Cloét, dass es sich hier um ein Werk der Kunst und Wissenschaft handle, welches Allen gemeinsam zukomme ; vergebens die Erklärung des irländischen Vertreters, dass vor beiläufig vierzig Jahren in England eine gregorianische Gesellschaft von Protestanten gegründet worden sei, nach deren Ausgabe des Cantus Planus erst die Katholiken wieder angefangen hatten, Choral zu singen — die Engherzigkeit der von einigen nicht dem Priesterstande angehörigen Heiss- spornen angefachten Gemüther mehrerer selbstsuchtiger Franzosen und Italiener siegte. Wohl legten die deutschen und österreichischen Congressisten nachher einen Protest gegen diesen Beschluss prolo- collarisch ein, aber der Leck konnte nicht mehr ganz behoben werden. Wäre der Beschluss dahin gefasst worden, dass über die eigentlich liturgischen Fragen der katholischen Kirche nur Katholiken abstimmen können, so hätte Niemand dagegen etwas einwenden können, und hoffentlich gelingt es sowohl im Interesse der Kunst und Wissenschaft, als auch behufs Beschleunigung der nöthigen Re- staurirung des Kirchengesanges, den Beschluss in dieser Weise zu modificiren. Durch diese Fassung könnte sich Niemand zurückgesetzt sehen, und es wäre dem Bestreben derjenigen Congressisten Genüge geleistet, welche sich durch diesen Beschluss vor der Riten-Congre- gation für das Erdreisten, gegen die von der Congregation empfohlene Ausgabe Front zu machen, salviren wollten.

Indessen, bis es selbst mit Hilfe der gediegenen Arbeiten von allen Seiten dahin kommen wird, dass man aus den wissenschaftlichen Forschungen auch praktische Behelfe für den wahren Planus- Gesang wird ziehen können, wird noch viel, viel Zeit vergehen. Denn die dazu nölhige Arbeit wird Generationen angestrengt beschäftigen l Man würde der notwendigen Restaurirung des Kirchengesanges schlechte Dienste erweisen, wollte man allzu früh Schlüsse und Hegeln für die neu zu installirende Praxis ziehen. Es giebt einige Musikgelehrtc und Musiker, welche überhaupt die Möglichkeit der Wiederherstellung der alten Tradition anzweifeln, ja dieselbe direct in Abrede stellen, so z. B. P. Uto Kornmüller, der Rector des Seminars in Metten. Andere glauben wieder die richtige Tradition gefunden zu haben und gerathen, da Jeder für sich das Monopol der Richtigkeit in Anspruch nehmen will, untereinander in Streit oder gehen mit Noblesse über die Forschung des Nebenbuhlers hinweg, wie z. B. Abbe Raillard, Dom Polhier. Die erste Partei hat ebenso Unrecht wie die zweite. Die Wissenschaft darf einerseits vor Allem nicht die Waffen strecken, bevor sie nicht die nöthigen Studien gemacht, andererseits darf sie aber auch nicht allzu früh ununi- stössliche Grundprincipten aufstellen wollen. Man kann heute noch nicht wissenschaftlich die (Hauptunterschiede des mozarabischen, ambrosianischen und gregorianischen Gesanges feststellen. Man weiss, dass der Gesang der ersten Christen sich an die hebräischen Weisen angeschlossen hat und kennt nicht die allmälige Differenzi- rung der beiden Tempelgesänge, die endliche Krystallisirung des christlichen Gesanges zu dem gregorianischen Gesänge, der Grund- feste des Kirchengesanges. Wir besitzen ferner erst aus dem neunten Jahrhundert Kirchengesangbücher; die früheren Zeiten angehörigen Bücher sind verloren gegangen, und die Vermuthung, dass einzelne aus dieser Zeit erbalten sind, entbehrt der Authenticity und der wissenschaftlichen Begründung.

Wohl ist auf anderem Wege festzustellen, dass eine ständige Tradition , wenigstens seit Gregor (um 600) im Kirchengesange bestanden hat. Aber welche Alterationen der Gesang vom sechsten bis neunten Jahrhundert erlitten hat, ist nicht sicher festzustellen; ebensowenig kann man sagen, dass der Kirchengesang vom neunten bis sechzehnten Jahrhundert die ganz gleichen Eigenschaften behalten habe , da ja Diejenigen , welche die Conformität der verschiedenen dieser Zeitepoche angehorigen Gesangbücher behaupten, über die genaue Auslegung und Uebertragung in die moderne Notation nicht einig sind (Lambilotle, Bonhomme, Danjou, CloBt, Raillard, Hertnes- ilorir, Polhier; , während Fétis direct behauptet, dass die von ihm verglichenen S 46 Manuscripte aus dieser Zeit in mannigfachem Widerstreite untereinander stehen.

(Fortsetzung folgt.)

Berichte. Leipiig.

Ueber die Pianistin und Componislin Fräulein Luise Adoipha Le Beau aus München, welche am 4. December im Musiksaale Seiiz ein eignes Abendconcerl gab, können wir unser Urtheil dahin zusammenfassen, dass die Dame als talentvolle Ciavierspielerin und durch die Liebenswürdigkeit ihrer Werke dazu berufen erscheint, in Salonkreisen ihr Gluck zu machen. Sie gab uns aus ihrem, wie aus den Opuszahlen ersichtlich, schon beträchtlich angewachsenen Compositionsvorralh Folgendes zum Besten: Ballade »Im Sangersaal Op. П, drei Lieder Op. H, iwei CellostUcke en« Op. »4 (preisgekrönt 4881), für Clavier Originalthema mit Variationen Op. l, Trio für Pianoforte, Violine und Violoncello Op. 48, — alle durch die Bank aus welchem schönflihlenden weiblichen Henen concipirl. Von anderweitigen Claviernummera gelangen ihr am besten : Bourée aus der Ainoll-Suile vonl. S. Bach, zwei Präludien aus Op. 18 von Chopin und Rigaudon aas Op. 10* von Joach. Raff, wehrend die Beetboven'- sche Sonate Op. 78 sich halle noch geistig tiefer fassen und technisch ausgefeilter spielen lasaeu. Als Vermittler ihrer Werke standen der Künstlerin zur Seite: im Gesänge Herr Concertainger R. Wollenen, im Violinpart Herr Concertmeister Schradieck, als Cellist Herr Alwin Schröder, welcher ausserdem das in Nr. 44 lauf. Jahrg. d. Bl. besprochene Capriccio von J. Kiengel meisterlich ausführte

Die hiesige Singakademie gab am 4. December ein gut- gelungenes Concert unter Leitung ihres Dirigenten Richard Hofmann. Die Chöre waren mit Fleiss und Liebe xur Sache eingeübt, was besonders in den dreistimmigen Frauenchören a capella Op. 4 в von Franz Wttllner und im Uhland'schen Brautlied Op. 40 von Adolf Jensen hervortrat. Von tüchtigen Leistungen der Solisten registriren wir: »Der Fischen, Ballade von M. Hauplmann, von Kraul. Caroline Boggslttver mit metallreichem Alt stilvoll vorgetragen i Sarabande und Tambourin fUr Violine von Jean Maria Leclair (Herr Concertmeister Petri); »Rolands Schwanenlied« von Meinardus (Herr R. Wol- lersenj ; den Vogel aber, so zu ssgen, schoss Frl. Luise Verhütet ab, indem sie mit ihrem hellen klaren Sopran die Tauben-Arie aus

Handel's »Acis und jUalalea« in vollendeter Weise sang und dafür rauschenden Beifall erntete. Einen erheiternden Abschluss bewirkte die launige Romanze vom Uansebuben aus Op. 445 von Robert Schumann.

Nachrichten und Bemerkungen.

4t Aus BOU, 80.Nov., wird uns geschrieben: In dem gestrigen städtischen Abonnement-Concerte brachte Friedrich Gerns- hei m, der hochbegabte Tondichter, welcher in Rotterdam gegenwartig eine hervorragende Stellung einnimmt, seine neue zweite Symphonie (in Ks-dur) und seine »Agrippina» zur Aufführung. Das neue Instrumentalwerk, unter italienischem Himmel concipirl, erlebte einer» durchschlagenden Erfolg und muss als eine der bedeutendsten symphonischen Tondichtungen der neueren Zeit bezeichnet werden. Geistvollste Beherrschung der Form, interessanteste Rhetorik und Melodik, markige, schöne Gedanken und üppige, ihrer eigenen Schöne frohe Instrumentation, deutsche Tiefe und deutscher Ernst, vermahlt mit italischer Klarheit, Warme und Anmutb, sichern der Composition einen dauernden Platz auf jedem guten Concerl- pro'gramm. Die enthusiastische Aufnahme, welche der Symphonie bei ihrer ersten Aufführung in-Rotterdam fand, hat sich in der Geburlsstadt Beethoven's wörtlich wiederholt und wird auch in Stuttgart, wo sie, wie ich höre, auf einem der nächsten Programme der dortigen Hofkapelle steht, gewiss nicht ausbleiben. (Aus der Frankfurter Zeitung vom 1. Dec. 4881.)

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Liebchen (Heine).

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4. Jetzt wird sie wohl im Garten gehen (Prutz). — 1. Unter

den Zweigen (Heyse). — 8. Nachtlied (Mosen). — 4. Friih-

lingsgruss (Eichendorff). — 5. Flohen die Wolken (Boden-

stedt).

Op. 46. Siebel lyrische Sticke Ar Plaioftrte n iwel lindel. Op. П. Il klelien formel. Siebel charakteristische Clarier-

(ticke Л ï,oo

Op. 4 8. Im finie thait's, die Blimei traimei (Julius Wolff) für Tenorsolo und vierstimmigen Männerchor. Partitur und

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Clavierbegleilung zum Concerlgebrauche. Compl. 8 Л 50 Я Einzeln: '

No. 4. Romanze. 4 Л 30 Я. No. ». Gavotte. 4 Л 30 Я. No. 3. Wiegenlied. 4 Л 80 Я. No. 4. Mazurka. 4 Л 50 Я.

5. Witte, 6. H., Op. 44. Drei Sticke für Pianoforte und Violoncell.

Complet 5 Л. Einzeln:

No. 4 in A moll. 4 Л 80 Я. No. » in A dur. » Л ЪО Я. No, 3 in li moll. 4 Л »О Я.

6. Op. 45. Sonate für Pianoforle und Violoncell. в Л 50 ».

Adler, Vincent, Oeuv. posth. 4. Album de Piano.

No. 4. Elude. No.». Reverie. No. 3. Ronde des Sorcières. No. 4. Noce villageoise (Souvenirde Hongrie). No. 5. Feuillet d'Album. No. e. Petite Valse champêtre (Souvenir de St Georges).

Edition de luxe, reliée, avec portrait de l'auteur n. 6 Л. Edition populaire, non reliée et sans portrait 4 Л. Oeuv. posth. 3. Fantaisie Hongroise pour Piano, з л.

Oeuv. posth. 4. Rhapsodie Hongroise pour Piano, ï Л

Oeuv. posth. 5. Deuxième Rhapsodie Hongroise et Fragment

Thème Hongrois pour Piano, ï Л 50 Я.

Oeuv. posth. 6. Caprice pour Piano. » Л 50 Я

Baer, Luise, Op. 4. Iwel Gedichte aus .Singuf. von Julius Wot/r für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte. 4 Л 50 Я

Einzeln: No. 1. »Ich lasse die Augen wanken nach Dir wohl aus und ein«

80 Я. No. 2. »Holdseliger Jugend Prangen l. 50 Я.

Op. 8. Zwei Lieder (Gedichte von Carl Stieler) für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte. 4 Л 30 Я. Einzeln:

No. 4. Spruch eine Maid voll Bangigkeit-. 50 Я. No. Î. »Versunken bin ich ganz darinnen«. 50 Я.

um Lieb. Lieder für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte, i Л 50 Я.

HUchler, Ferd., Op. »4. Zwei Stücke für vier Violoncelli, з л. No. I. Andante sostenuto. 4 Л 80 Я. No. ». Allegretto capriccioso. 4 Л 80 Я. Ehrlich, H., Sonate für Pianoforle und Violoncell. 6 Л. FlUg-el, (insta», Op. 90. Drei lyrische Tonstücke für Violine und

Orgel (Harmonium oder Pianoforte), t Л 50 Я. Jensen, (Justar, Op. 43. Fantasie Bilder. Fünf Mücke für das Piano- forle. Complet Ï Л 50 Я. Einzeln : No. 4 inGdur 50 Я. No.» in Ddur. 50.». No. 3 in Gmoll. 50.».

No. 4 in Es dur. 50 Я. No. 5 in E moil. 4 Л.

Kückert, Ad., Op. »0. Drei Lieder für eine Singslimme mit Begleitung des Pianoforte. Complet 4 Л 50 Я. Einzeln: No. 4. Wiegenlied, von Ad. Kückert. 50 Я. No. S. Das Veilchen, von Jul. Molenthal. 50 Я. No. 3. Die Kapelle, von Ludiv. Wand. 50 Я. Petersen, W., Op. Ï. Zwei Lieder aus Y. von Scheffet't Trompeter von Sackingen für Männerchor im Volkston componirt.

No. <. Lied Margaretha's. No. ». Lied Werner's. Partitur gr. 8»

n. 45 Я. Säuret, Emile, Op. 4 7. 3*»>e Hocturne pour Violon et Piano, а Л

Op. 48. 4¡'i«» Nocturne pour Violon et Piano, Z Л 50 Я.

VoegelT.NOnllst, Gottlieb, Op. ». Sechs Lieder für Männerchor.

No. 4. Frühling in Dänemark: .Der Winter Höh., nach Gotth.

Roman Partitur 30 Я. Stimmen à 43 Я. No. ». Roslein im Wasserglase: »Du schmuckes Röselein«, von

Gotth. Roman. Partitur SO Я. Stimmen à 45 Я.

No. 3. Der Hollunderbaum : »Da droben auf jenem Berge, von Otto Roquette. Partitur 60 Я. Stimmen à 30 Я

No. 4. »Im gold'nen Kreuz, da kehr" ich ein., nach Müller von der Werra. Partitur 80 Я. Stimmen à 45 Я.

No. 5. Zuversicht: »Glauben sollst du., von Max Wessenbera Partitur 30 Я. Stimmen à 46.».

No. в. Sangers Trost: »Weint auch einst kein Liebchen«, von _ Juitinus Kerner. Partitur 30 Я. Stimmen à 45 Я.

IHRER MAJESTÄT DER KÖNIGIN VICTORIA

[**»] GEWIDMET.

DIE ERLÖSUNG

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verfasst und componirt von

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CJ

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¡254]

A|»*rgn, fiad), eaigUl, ficctbootn, fitllini, fitrgtr, Hrrtiiii, thai, «erdirilnt,floitloi(ii, firahms, Cherubini, Cheplu, tilruttiili, Ccamtr, Unrrdjmann, Boui}ttti, Bufftk, Bnocrno«, Jrnm. (Bin*, «jänocl, «janin,

4rllrr, ijni|flt, ilcriiiij. tjumm«!, fialkbrrunrr, lllriuirl, finurr, ftehler, Rroufr, finhlan, Ciü}t, t'irfcinrj, L'iinilu|r, 4tenbil?fdl)ii, rtlnirrbrrr, Jiojeit, »Uullrt, Uicolai, »Irrneltfe, Krtiitilif , Hiibiultfiii, 9carlaltt, 94«b(rt, пфншаяп, tlhalbtta. Nagntr, Weber, Vtlhtlm.

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Musikalische Zeitung.

Verantwortlicher Rédacteur : Friedrich Chrysander.

Leipzig, 20. December 1882,

Nr. 51.

ХУЛ. Jahrgang.

Inhalt: Die Briefe Beethoven's an Bettina von Arnim. (Schluss.) — Neuere Ciaviermusik aus dem Verlage von Bote & Bock in Berlin. — Anseigen und Beurteilungen (Literatur [Wilhelm Fritze, Ein musikalisches Charakterbild von Robert Musiol. S. W. Dehn's Lehre vom Contrapunkt etc., zweite Auflage, neu bearbeitet von Bernhard Scholz. Ratgeber für Musiker, von Bernh. Bröhmig. Der angehende Klavierstimmer, von Heinr. Wohlfahrt. Der praktische Uusikdireclor, von F. L. Schubert. Die Violine, von F. L. Schubert. Cborgesang-Studien, von Benedikl Widmann. Die strengen Formen der Musik, von B. Widmann. Kleines TonkUnstler-Lexikon, von Paul Frank]. Tristen-Ausgaben). — Stuttgart. (Schluss.) — Der aretinische Congress für liturgischen Gesang. (Schluss.) — Berichte (Leipzig). — Anzeiger.

Anzeige.

In Folge der Erklärung des Herrn Dr. Chrysander, dass es ihm überhäufter Geschäfte wegen schlechterdings unmöglich sei, die Redaction der Allg. Musikal. Zeitung länger zu führen, haben wir uns entschlossen, dieses Blatt mit dem Ende des laufenden Jahres aufhören zu lassen, da bei der Unmöglichkeit, für den jetzigen Rédacteur einen vollen Ersatz zu finden, die Fort- fuhrung dieser Zeitung ohne Werth für uns ist.

Die noch ausstehende Schlussnummer 52 wird in bedeutend erweitertem Umfange etwas später und mit dem Register des gegenwärtigen Jahrganges zugleich erscheinen.

.T. Rieter-Biedermann.

schickte, den hab' ich auch gleich verzehrt«, und so in dem dritten Briefe : »Was kam mir nicht alles in den Sinn, wie ich dich kennen lernte, während des herrlichen Mairegens, der war auch ganz fruchtbar für micha.

Beethoven spricht in dem Briefe in verbindlichen Ausdrücken über den Eindruck, den Bettina auf ihn gemacht, über »den grossen gescheuten Blick ihrer Augen« und dergleichen mehr. Die Zusätze, die sie sich erweislich in Goethe's Briefen gestattet hat, die Briefe, die sie den pietätvollen Pamphilius an sie schreiben lässt, zeigen zur Genüge, dass sie der poetischen Versuchung, sich dergleichen Schönes sagen zu lassen, nicht leicht widerstand. Insbesondere sind die Worte über die geschriebenen Unlerbaltungszettel, »auf denen Ihre geistreichen, lieben, liebsten Antworten stehen«, gänzlich unbeetbovensch und geziert.

Wenn Beethoven über seine Kunst spricht, geht er einfach auf die Sache los und ist gleich mitten darin. Die Einleitung »Liebe Bettina — liebstes Mädchen — die Kunst ! wer versteht die, mit wem kann man sich bereden über diese grosse Göttin« — ist affectirt und nicht nach Beethoven's Art ; aber es ist Bettinens Schreibweise, vgl. G. Briefw. I, S. S B 2 »Ach Goethe! Musik, ja Musik l hier kommen wir wieder auf dies heilige Kapitel!« und wenn sie anderswo sagt: »da Musik unbegreiflich ist, so ist sie gewiss Gott«, so dürfen wir sie auch in obiger Stelle dafür verantwortlich machen, dass sie die Musik selbst eine Göttin nennt, was Beethoven fremd ist.

»Seit Sie weg sind«, beisst es weiter in dem Briefe, »bab' ich verdriessliche Stunden gehabt, Schattenstunden , in denen man nichts thun kann«. Der Ausdruck »Schatlenstunden« kommt keinem einfachen Briefschreiber natürlich in die Peder, er ist reflectirt und künstlich. Bd. I, S. 33 des Goethe-Briefwech-

M

Die Briefe Beethoven's an Bettina топ Von Dr. H. Delters.

(Schluss.)

Nun betrachte man, im Bewusstseia dieses tief innerlichen Gegensatzes, noch einmal die Briefe aus diesem Gesichtspunkte. Der erste Brief begann mit einer Aensserang der Freude über den in jenem Jahre (18(0) besonders schönen Frühling, darum so schön, weil der Schreiber Bettinens Bekanntschaft gemacht habe. Man kann über subjective Eindrücke schwer rechten ; uns erscheint jene Betrachtung sentimental und unbeethovensch ; dabei ist sie auch (was wir oben hätten erwähnen können) sachlich unmöglich, da Beethoven nicht denselben Frühling, der ihm eine grosse Lebenshoffnung zerstörte und ihm ein Missgeschick brachte, welches ihn wSbrend des ganzen Sommers zum Schaffen unfähig machte, einen besonders schönen nennen konnte. Lesen wir weiter, so treffen wir auf folgenden Passus : »Sie haben wohl selbst gesehen, dass ich in der Gesellschaft bin, wie ein Fisch auf dem Sand, der wälzt sich und wälzt sich und kann nicht forti u. s. w. Diese Art selbständiger Anreibung eines ergänzenden Gedankens, den die regelmässige Prosa grammalisch unterordnen würde (der sich wälzt u. s. w.), ist unserer Schreibweise nicht natürlich, sie ist eine bewusste Annäherung an den Gesprächston , und sie ist ganz Bettina'scher Stil. »Wir haben einen nasskalten April, ich merke an Deinem Brief, — der ist wie ein allgemeiner Landregen« (Goethe's Briefw.m.e. K., Brief vom April 1808). Er ist mein einziger Freund [Stadion] hier, die Abende, die er frei hat, bringt er ganz bei mir zu, da liest er die Zeitung u. s. w. (Goethe's Briefw. m. e. K., Bd. II, S. 3<); oder I, S. 50 «und ein Apfel, den mir die Geliebte XVII.

sels sagt Bettina : »und die Schattenslunden mit der silbernen Mondsichel und den Sternen brächten den Freund«.

Er nennt sie »Engel« und schreibt entschuldigend »Verzeihen Sie diese Abweichung von der Tonart, solche Intervalle muss ich haben, um meinem Herzen Luft zu machen«. Die bildliche Anwendung des Wortes »Intervall» ist hier unklar und dilettantisch ; von Beethoven kann sie nicht herrühren.

Ob endlich Beethoven sich bei einem Briefe die Zeit genommen , eine ganze Dichterstropbe, welche beiden bekannt war (»Herz mein Herz«) in einen Brief hinein zu schreiben — selbst wenn wir glauben wollten, das Lied sei in Folge des Abschiedes von Bettina componirt — erscheint im Hinblicke auf seine sonstige Correspondenz sehr zweifelhaft.

Dass der Brief im übrigen fliessend, ohne jede Unebenheit, ja anmuthig geschrieben ist, verstärkt nur das Gewicht der Gründe gegen Beethoven's Autorschaft. Von Anfang bis zu Ende trägt er das Siegel Bettina'scben Stiles und Bettina'scher Empfindungsweise. Wir werden nicht umhin können, das über den dritten gefällte verwerfende Urlheil schon jetzt auch auf den ersten auszudehnen.

Bei dem zweiten Briefe steht die Sache etwas anders. Neben einzelnen zweifelerregenden Stellen enthält er solche, deren Ausdrucksweise als Beethovensch anzusprechen ist. Heber die bescheidenen Einleilungsworle ist schon oben gesprochen. Dass er ihr »1000 mal lausend Briefe« in Gedanken schreibe, hat ebenfalls Analogien. Die halb geschäftliche Art, wie er einige noch zu besprechende Gegenstände einführt, mit ihrer fehlerhaften und lückenhaften Ausdrucksweise: »was die Cantate — was die Zuneigung» (wo das »betrifft« in der ursprünglichen Fassung fehlt), ist ganz nach seiner sonstigen Art ; wie überhaupt die äaraere Form des Brief*«, wie er jetzt publicirt ist, mit seiner vernachlässigten Interpunktion, den Gedankenstrichen, dem unvermittelten Uebergange von einem Gedanken zum ändern, überhaupt einer stellenweise bemerkbaren Cngelenkigkeit des Stiles an die sonst bekannte Schreibweise Beethoven's erinnert. Daneben begegnen wir wieder Stellen, die bedenklich machen müssen. Die Worte: »Ihren ersten Brief nah' ich den ganzen Sommer mit mir herumgetragen und er hat mich oft selig gemacht« enthalten eine Beethoven nicht eigene Sentimentalität, entsprechen aber Bettina's Schreibweise (Briefw. I, S. 33 »er verlangt immer mehr, und mich macht das selig«). Auch den Ausdruck »Wellgescbmeiss« ßndet man selbst in den unzufriedensten Ergüssen Beethoven's sonst nicht. Die zärtliche Aeusserung am Schlüsse »Nun leb' wohl, liebe, liebe Bettine, ich küsse . . . auf Deine Slirne und drücke damit wie mit einem Siegel alle meine Gedanken für Dich auf« zeigt Beltina'sche Ausdrucksweise, vgl. Briefw. II, S. 245 »der Mund, von dessen Lippen Lieder fliessen, die ich schliessen kann mit einem Siegel, die dann viel schöner singen« u. s. w., S. 248 »dass Deine Lippe die Seele auf der meinen als Dein Eigenthum besiegelt«. Das Siegel also ist ein Bettina geläufiges Bild. Wir sehen uns demnach, während bei den beiden anderen Briefen die Sache sehr klar liegt, bei dem zweiten in mancherlei Schwierigkeilen verwickelt, welche die Sache nicht so einfach erscheinen lassen. Läge die neueste Publication nicht vor, so würde die Annahme hier am nächsten liegen, dass Bettina einen wirklichen Brief Beethoven's wörtlich benutzt, aber durch eigene Zusätze erweitert habe, ganz so, wie sie es mit Goethe'schen Briefen gemacht bat. Inwieweit diese Ansicht vor der neuen Herausgabe dnrcb H. Carrière bestehe, diese Frage sei bis zum Schlüsse aufbewahrt.

Ueber den dritten ¡Brief brauchen wir eigentlich, nach der zwingenden Gewalt der sachlichen Momente, bei den stilistischen uns nicht weiter aufzuhalten ; es wird niemanden auffallen, dass sie gerade hier sich am deutlichsten zeigen. Wir haben es wieder mit einem fliessend und hübsch geschrie

benen Ergüsse zu thun, der in einheitlichem Zuge forlgehl und nirgendwo Lücken und Einschiebungen vermuthen lässt. Nach dem bescheidenen Tone des zweiten Briefes, der für Beethoven in seinen Briefen auch sonst charakteristisch ist, steht ihm der übermässig selbstbewussle Ton am Anfang des dritten (»wenn so zwei zusammen kommen, wie ich und der Goethe« u. s.w.) nicht an und widerspricht seiner Natur ; und ebenso widerspricht der ironisch-wegwerfende Ton, in welchem er sich nachher über Goethe auslässt, völlig seiner Verehrung für den Dichter. Die Nennung eines bekannten und berühmten Namens mit dem Artikel (»der Goethe«) ist nicht Beelboven'scbe, wohl aber eine sehr belieble Bettina'sche Manier. Wenn sie ihn sagen lässt : »dem Mann muss Musik Feuer aus dem Geist schlagen«, so vergleiche man G. Briefw. I, S. 355') »und ich hoffe, er [Dein Wille] soll Feuer aus dem Geist schlagen«, oder Günderode I, S. 76 »aber es schlägt Feuer aus mir, dass ich ihn fassen will«, um die Phrase als eine Bettina'sche zu erkennen. Und wenn er zum Schlüsse der jungen Frau sagt: »Dein letzter Brief lag eine ganze Nacht auf meinem Herzen und erquickte mich da«, so wiederholt Bettina nur, was sie selbst an Goethe geschrieben hat, vgl. Briefw. I, S. 294 »Diese Briefe, deren einer um den ändern an meinem, Herzen gelegen hat.«

Obige Parallelstellen sind bei der Lecture gesammelt ; wir sind überzeugt, dass sie sich leicht vermehren Messen. Sie genügen, um in Verbindung mit den schon vorher angeführten Argumenten die Ueberzeugung zu begründen, dass die gegen die Echtheit der drei Briefe geäusserten Bedenken sehr wohl begründet gewesen sind. —

Wie steht es denn nun mit der Susseren Gewähr? ist dieselbe denn in der That so zwingend , um alle jene Bedenken als nichtig erscheinen zu lassent

Dieser Frage hat der verehrte Thayer eine besondere Betrachtung im Anbange des 3. Bandes des Beethoven gewidmet, In welchem er die Echtheit jedenfalls der beiden ersten Briefe festzuhalten sucht, während ihm auch die Dnecbtbeit des dritten noch nicht über allem Zweifel steht. Er fasst die Frage nach der Echtheit vorzugsweise als eine Frage nach der historischen Glaubwürdigkeit Bettina's von Arnim. Dieser Standpunkt würde berechtigt sein, wenn wir es bei dieser Edition mit einem historischen oder biographischen Forscher zu tbun hätten, der unsere Kenntniss Beethoven's mittelst sicherer Gewähr zu bereichern beabsichtigte. Wer mit Bettina's schriftstellerischer Tbätigkeit bekannt ist, weiss recht gut, dass dieser Standpunkt bei Beurtbeilung dessen, was von ihr ausgegangen, nicht eingenommen werden kann. Sie will überall nur Dichterin sein, und hat ihre Schriften durchaus nicht in der Absiebt herausgegeben, unsere historische Kenntniss zu bereichern. Insbesondere ist allbekannt, dass sie es liebte, Erlebnisse, Unterhaltungen, Betrachtungen in die Form eines Briefwechsels zu kleiden und sie dadurch aus dem Bereiche der Wirklichkeit in das der Poesie emporzuheben. »Als ich mit der Dichterin bekannt wurde,« erzählt M. Carrière in der bereits erwähnten Publication . »las sie mir Dinge, über die wir gesprochen hatten, am folgenden Tage als Briefstellen von ihr selbst oder den Freunden vor, und als das Buch gedruckt war und Schlosser auf vieles Unhistorische hinwies, sagte sie : »Ich haï)' es ja »Die Günderode« genannt und gar nicht gesagt, dass alles ein alter Briefwechsel sei.« Ganz so gestand sie Varnhagen ein, dass in ihrem Königsbuche mit der Wahrheit auch Dichtung sei. An »Goethe's Briefwechsel mil einem Kinde« braucht nur erinnert zu werden ; niemand zweifelt daran, dass dieses

t ) Die Briefe des 4. Bandes gehen bis mit 4 808, fallen also lange vor die Bekanntschaft mit Beethoven. Daher würde der etwaige Einwurf, er habe sich den Ausdruck vielleicht ans Bettina's Redeweise angeeignet, wegfallen.

ein poetisches und durchaus Dicht ein historisches Bucli ist und sein will, und dies um so weniger, als ja die historische Grundlage dieses Buches neuerdings durch \. Löper's Publication klar gestellt ist. Die poetische Freiheit — um nicht zu sagen Willkür — mit welcher sie mit Goethe's Briefen umgeht, weglässt und hinzuerfindet, Gedichte sich zueignet, die nicht an sie gerichtet waren, insbesondere sich Angenehmes über den Eindruck ihrer Aeusserungen (z. B. über Musik) von dem Dichter sagen lässt, bildet ein vollgültiges Pendant auch zu diesen Beethovenbriefen. Was Löper in der Einleitung zu den »Briefen Goethe's an Sophie Laroche und Bettina Brentano« (p. LX fg.) sagt, genügt vollständig, um die Berechtigung unseres abwehrenden Standpunktes auch für den entschiedensten Verehrer der Dichterin zu beweisen. Dass es die Dichterin ist, vergessen die, welche bezüglich der Beethovenbriefe, sowie des langen Berichts an Goethe über die Unterhaltung mit Beethoven (in dem Briefwechsel) eine, wenn auch bei letzterem etwas begrenzte Authenlicilät in Anspruch nehmen; wir stehen bei beiden auf demselben Boden Bettiaa'scher Dichtung, welche Unterhaltungen mit dem Meister, Betrachtungen und Empfindungen , welche sich an dieselben anschliessen, in die Form von Briefen gebracht hat. Wir wissen wohl, dass man hier sagen könnte, es sei immer etwas anderes : ein grösseres Buch ediren, welches als poetische Leistung gelten will, und ein paar einzelne Briefe als von einem bestimmten herrührend publi- ciren. Diesen Unterschied macht ein methodisch geschulter, klar und logisch denkender Philologe oder Historiker ; der phantastischen Dichterin , die überall nur sich selbst sieht und geben will, ist diese Unterscheidung nicht zuzutrauen. Jedenfalls k;nm dem dritten Briefe gegenüber dieser Einwand nicht bestehen ; er liefert den vollgültigen Beweis, dass sie, wie andere namhafte Männer, so auch Beethoven zum Gegenstände ihrer poetischen Phantasie gemacht hat. Wir nehmen an, dass sie .тег Natur folgend, zu einer Zeit, wo die Gesetze historischer Kritik namentlich auf musikalischem Gebiete noch lange nicht durchgedrungen waren, in gutem Glauben an die poetische Bewilligung ihres Verfahrens gehandelt hat, und nehmen dadurch auch im wesentlichen den Makel weg, welchen dasselbe auf ihren Charakter werfen könnte. Ihre persönliche Glaubwürdigkeit z. B. in lediglich vertrauten Mittheilungen, sei es schriftlichen oder mündlichen, zweifeln wir durchaus nicht an ; für jene Art schriftstellerischer Publicationen aber bat sie selbst eine historische Glaubwürdigkeit schwerlich in Anspruch genommen. Das scheint sie selbst gewissermassen eingestanden zu haben. Sowie ein wirklicher biographischer Forscher ihr entgegentrat, der bezüglich jener Beelbovenbriefe nicht Poesie, sondern Geschichte haben wollte, war sie verschlossen. Und dann veröffentlicht sie dieselben Briefe wieder ¡n dem Buche »llius Pamphilius', welches doch auch nur eine poetische Production sein will ; einer solchen werden aber regelmässig nicht Schriftstücke einverleibt, welche als historische Documente gellen sollen. Diese Stellung der Frage nach ihrer Glaubwürdigkeit bringt in die Angelegenheit, die uns hier beschäftigt, ein gänzlich fremdes Elemeot.

So bleibt denn zum Schlüsse nur noch übrig, die rein äussere Gewähr der Briefe an uns vorüberzuführen, welche sich naturgemäss zu der Frage zuspitzt, ob Originale dieser Briefe existiren und wo sie sich befinden. —

Die erste Herausgabe der Briefe erfolgte, wie bereits im Eingange bemerkt, (839 in dem Nürnberger »Athenäum für Wissenschaft, Kunst und Leben* durch den Buchhändler Juli us M er z, der sie zu diesem Zwecke von Bettina erhalten hatte. Hat er die Originale, d. h. von Beethoven geschriebene Originale der Briefe in Händen gehabt? Nein. Das ergiebt sich völlig klar aus den von Thayer (vgl. Bd. III, S. 460) durch Vermittlung des Consuls Wheeler mit Merz geführten Verhand

lungen. Letzterer hatte Thayer mitilieilen lassen, er habe seiner Zeit die Briefe von Bettina von Arnim für das Athenäum erhalten, aber nach der Veröffentlichung »die Originale« seiner bestimmten Erinnerung nach an Frau von Arnim zurückgeschickt. Darauf wurde er von Thayer nochmals dringend um schriftliche Zusicherung gebeten, »dass er die Briefe nach dem Original abgedruckt habe», und antwortete hierauf am 23. September 1863 wörtlich: »Ich kann bezeugen, dass ich die im Januarheft des Athenäums von 1839 erwähnten Briefe Beethoven's seiner Zeit in Händen gehabt, aber wieder zurückgegeben habe.» Auch Thayer hat gefühlt, dass in dieser Antwort der Kernpunkt der Frage umgangen ist : es ist mit nichten in derselben erklärt, dass er die Originale Beethoven's in Händen gehabt, es wird vielmehr das Wort »Originalen mit IbsHU vermieden. Im Jahre < 863 konnte Merz wohl wissen, dass und aus welchen Gründen die Echtheit der Briefe angezweifelt worden, er konnte ferner wissen, dass inzwischen viele Briefe Beethoven's bekannt, von manchen das Facsimile mitgetheilt worden war; seine Antwort musste also dahin lauten: dass jene Briefe ihrem Alter und ihrer Handschrift nach mit anderen unzweifelhaft echten Briefen übereinstimmten. Diese Antwort hat er nicht gegeben, und hiernach verliert sein Zeugniss für das, was wir wissen wollen, jede Beweiskraft, wenn man nicht gar das Gegentheil daraus folgern darf.

Noch weniger Bedeutung hat die Publication der Briefe durch С h or ley in Schindlers englischer Ausgabe l s 11. Chorley hat ebenfalls die Briefe von Bettina erhallen , hat aber selbst erklärt (vgl. Marx II, S. (32), nicht Originale Beethoven's, sondern Abschriften in Händen gehabt zu haben. Be- merkenswerth ist hier, dass diese Abschriften allem Anschein nach nicht für ihn hergerichtet, sondern bereits vorhanden waren ; »ich erhielt sie,« erzählt er, »am Tage nach dem ersten und einzigen Besuche, den ich ihr machte, und sie war auf dem Punkte abzureisen.« In solchen Momenten hat man in der Regel nicht Zeit, drei ausführliche Briefe zu copiren.

Dann hat Bettina selbst die Briefe mit geringen und unwesentlichen Abweichungen, über welche früher berichtet und geurtheilt werden, im zweiten Bande von llius Pamphilius (S. î(3 fg.) herausgegeben. Es geschah dies unter der Einkleidung einer Sendung für die Aulograpbensammlung des Adressaten (Natbusius) ; diese Sendung wird eingeleitet durch nochmalige begeisterte Ergüsse über Beethoven. Hier aber ¡st nun eins zu beachten, was auch Thayer nicht entgangen ist : Bettina bat, obgleich sie alle drei Briefe publicirt, doch nur einen gesendet, vgl. K, S. (¿3 »den von Beelhovem, S. 168 öden Brief von Beethoven halt ich mit beiden Händen — und ich gebe hin den Brief», S. l 78 »eben hab ich Beethoven's Brief abgeschrieben der jetzt dein ist«, S. 178 »der Brief von Beethoven! ich hoffe du bewahrst ilin« u. s. w. ') Dies stimmt nun in überraschender Weise zu der Thalsache, dass sich ¡m Nathusius'schen Nachlasse wirklich (vgl. Carrière) nur ein Brief gefunden hat, und beweist, dass dort auch mehrere nicht vorhanden waren, beweist aber noch nicht die Echtheit dieses Briefes. Seiner Publication durch Carrière müssen wir unsere Betrachtung noch scbliesslich zuwenden ; die beiden anderen, der erste und dritte, sind nunmehr, man möchte sagen, durch Bettina's eigenes indirectes Gcständniss definitiv ausgeschieden, wie sie dies aus inneren Gründen schon längst waren.

Zunächst sei hier bemerkt, dass der Name Carriere's auch früher schon durch L. Nohl in diese Frage hineingezogen worden ist ; ihm hatte Carrière erzählt, er habe die Briefe < 839 bei Bettina von Arnim gesehen und sie zur Herausgabe ermuntert, und als er später die gedruckten Briefe gelesen, habe ihn

4) Die Worte S. Î05 »Hier lege ich die Briefe des Goethe und des Beethoven für deine Autographensammlung bei« beziehen sich auf zwei Briefe verschiedener Personen.

seine Erinnerung keine Abweichung von den Originalen. erkennen lassen. Hierin wird sich Carrière gewiss nicht geirrt haben; aber er hat nicht gesagt, dass jene Originale Beet- hoven'sche Originale gewesen, dass ihm Beethoven's Hand- schrill bekannt gewesen and dass die Handschrift jener Beltina'- scben »Originale« mit der ihm bekannten Beethoven'scben Handschrift übereingestimmt habe. Marx hatte demnach vollständig Recht, wenn er dieses damals abgegebene Zeugniss für die Entscheidung der Echtheit der Briefe als angenügend erklärte.

Bei der neuen Publication durch Carrière steht die Sache insofern anders, als er nunmehr jenes »Original« selbst in lliin- den gehabt ; von ihm als Gelehrten moss man erwarten, wenngleich er es auch diesmal nicht aussprichl, dass er nunmehr die Handschrift Beethoven's ans anderen inzwischen bekannt gewordenen Briefen und Facsimiles kannte and jenen Brief mit denselben verglich. Der Brief, wie er publicirt ist, hat nunmehr in manchen äusserlichen Punkten die Form wie Beethoven schreibt, ohne die erforderlichen Interpunktionen, mit Gedankenstrichen zwischen den Sätzen, mit unleserlichen und durchstrichenen Worten ; dergleichen nachzuahmen, würde freilich eine Absicht zu täuschen kundgeben, für welche kein poetischer Zweck mehr als Erklärung dienen dürfte. Auch hat das Schriftstück äusserlich die Gestalt eines Briefes ; es heisst von den Worten »Beethoven wohnt auf der Mölker Basley im Pascolatiscben Hause«, sie seien geschrieben gewesen »auf der Rückseite am das Siegel von Beethoven's Hand». Letzteres heisst nun freilich weiter nichts, wie von derselben Hand, welche den Brief geschrieben ; dass dies Beethoven's Hand gewesen, dafür übernimmt einstweilen nur der Herausgeber die Verantwortung. Und dass das Schriftstück überhaupt die Form eines Briefes hatte, ist auch an sich nicht beweisend ; wenn Herz und Garriere sich erinnerten, die »Originale« der sUmmt- lichen drei Briefe gesehen zu haben, so hatten demnach auch diese, also auch der unzweifelhaft unechte dritte, die missere Gestalt von Briefen. Dass mit diesem Zweifel auch an dem zweiten Briefe ein starker Vorwurf gegen Bettina ausgesprochen wird, können wir nicht hindern : nachdem sie auch bezüglich Goethe'scher Gedichte die lesende Welt in die unrichtige Vorstellung eingewiegt, dieselbe seien an sie gerichtet, seien nach Briefstellen von ihr gedichtet gewesen,1) weiss man nicht, wie weit man ihr dergleichen, in ihrem Sinne poetische Fictionen zutrauen darf, und hat jedenfalls das Recht, die schwerwiegenden Bedenken rückhaltlos aaszusprechen. Es muss immer wiederholt werden, dass Bettina vor dem lesenden Publikum die Briefe als ein untrennbares Ganzes bebandelt und für alle die gleiche Geltung in Anspruch genommen hat.

Und doch trägt, wie wir bereits früher gesagt haben, gerade dieser zweite Brief neben einzelnem Bedenklichen ganz entschiedene Spuren Beethoven'schen Ursprunges, und dieser Umstand, in Verbindung mit der Tbatsache, dass sich gerade dieser Brief und nur dieser in dem Nachlasse von Natbusius, welchem Bettina auch wirklich nur einen Brief schickte, vorgefunden bat, wirft für die Echtheit dieses Briefes ein starkes Gewicht in die Wagschale; zumal ja die Thatsacbe, dass Beethoven überhaupt einen Brief oder Briefe an Bettina geschrieben, auch von uns niemals bezweifelt worden ist. Beethoven hätte, wenn der Brief echt sein sollte, bezüglich der Egmontmusik einen allerdings sehr starken GedSchlnissfebler begangen und hätte sich stellenweise, namentlich am Schlüsse, der Redeweise Betlinens in auffälliger Weise bedient. Wir stehen bei dem Briefe für jetzt vor einem Rälhsel, welches nur Garriere lösen kann. Ein strenges philologisches Gewissen kann sich bei seiner Publi-

I) Auch hier dürfen wir einfach auf Leper a.a.O. S.XLfg. verweisen, wo ihr Standpunkt »der künstlerischen Abrundung und des psychologischen Interesses» zu ihrer Rechtfertigung angeführt wird.

cation nicht vollständig beruhigen. Ihm war, wie seine einleitenden Worte ergeben, wohl bekannt, dass die Echtheit der Briefe angezweifelt war, und die Gründe, aus welchen dies geschehen war, konnte er als wissenschaftlicher Mann nicht unterschätzen. Er giebt ferner selbst zu erkennen , wie genau er über den Charakter und den Ursprung der Schriften Bet- lina's, welche die Form von Briefwechseln haben, unterrichtet war. Diesem Stande der Sache gegenüber durfte er sich nicht begnügen, einfach den Text abzudrucken ; er musste das Facsimile veröffentlichen und so alle, welche jemals Beethoven'sche Briefe gesehen, in den Stand setzen, selbst zu urlheilen. Er wird es nicht verhindern können, dass, so lange dieses nicht geschehen, ein Scrupel auch bezüglich des zweiten Briefes übrig bleibt. Man wird sich einstweilen immer noch fragen dürfen, ob nicht die unzweifelhaft Beethoven'scben Anklänge in dem Briefe sich dadurch erklären, dass ein wirklicher Brief Beethoven's zu Grunde liegt und von Bettina mit Zusätzen versehen ist.

Mit den beiden anderen Briefen, dem ersten und dem dritten, sind wir jetzt, und nicht am wenigsten durch Carrière s Veröffentlichung, vollständig fertig. Er giebt sich freilich der sanguinischen Hoffnung bin, dieselben »seien wohl noch im Ar- nim'sehen Archiv zu suchen«. Man wird wohl lange suchen müssen und scbliesslich nichts finden. Sollte wirklich jemals ein angeblich Beethoven'scbes Manuscript der beiden anderen, und namentlich des dritten Briefes sich Gnden, dessen Unechl- heit, wir möchten sagen mathematisch erwiesen ist, so würde die Sache wieder in ein neues Stadium treten, und der mehr oder weniger günstige Schein, der jetzt auf den zweiten gefallen ist, mit einem Schlage wieder verschwinden. Nein, gerade der Umstand, dass Bettina nur einen geschickt, und dass sich nur einer gefunden hat, entscheidet gegen die beiden anderen, wenn es eines Argumentes gegen dieselben überhaupt noch bedürfte. Wer die Stellen in Ilius, durch welche die Sendung begleitet wird, die empfindungsvollen Aeusserungen über Beethoven aufmerksam prüft, wird erkennen, dass Bettina etwas ihr Tbeures und Unersetzliches dem Freunde zu Liebe weggiebt ; der schmerzhaft-bewegte Ton würde nicht passen , wenn es nur ein Brief aus mehreren wäre , wenn sie noch andere, die ähnliche und noch stärkere Liebesäusserungen enthielten, zurückbehalten hätte. Und da sie nun einen Brief sendet, aber doch, ohne zu sagen, dass sie noch mehrere besass, noch zwei andere dazu abdrucken lässt, haben wir, man möchte sagen, ihr eigenes poetisches Zengniss, dass sie diese jedenfalls selbst gedichtet bat.

Für besonnene Forschung, welche nicht nur den Charakter Beethoven's und die einschlagenden biographischen Momente, nicht nur die Geschichte der Veröffentlichung der Briefe, sondern auch den schriftstellerischen Charakter Bettina'* — und nur auf diesen kommt es hier an — ins Auge fasst, steht die Sache so, dass von einer Echtheit des ersten und des dritten Briefes fürderhin nicht mehr gesprochen werden kann, dass auch bei dem zweiten starke Bedenken bleiben, welche aber in ebenso starken Gründen für seine Echtheit ihr Gegengewicht haben. Diese Bedenken zu verscheuchen, und den Brief als unzweifelhaft echt und Beethovensch zu betrachten, werden wir nicht anstehen, wenn uns in der oben angedeuteten Weise die feste und unabweisbare Ueberzeugung gewährt wird, dass die Handschrift des Briefes in der That die Handschrift des grossen Meisters ist.

Neuere Ciaviermusik

aus dem Verlage yon Bote i Bock in Berlin. Von neuen Claviercomposilionen aus dem Verlage der Firma Bote & Bock in Berlin stellen wir einige Werke bewährter Hu-

kr! an die Spilze, deren Name schon die Originalität und Tüchtigkeit ili r künstlerischen Arbeit verbürgt.

Friedrich Kiel, der Meisler im grossen Satz, wie auf dem \ornehinenGebiel der Kammermusik, giebluns in seinem Op. 79 Sec/is Impromptus für Pianoforte, in denen der Künstler von der Arbeit an seinen ungefähr gleichzeitig entstandenen grösse- ii'ii Schöpfungen, den Clavierquintetlen Op. 75 und 7ii und dem llei[uiem in As Op. 80 auszuruhen scheint. Mit Ausnahme der drillen und vierten Nummer sind sämmtliche Stücke kurze Andanlesälze von liedaitigem Charakter, thcilweise heiler gestimmt und äussersl schlicht gehalten wie die ruhig vor sich hinsingende Gdur- Weise Nr. l und das anmuthige Ddur- Sälzchen Nr. 2 , theilwcise ernsteren Empfindungen Kaum gebend wie die abendliedartige Nr. 5 aus As und die Schlussnummer, ein Liebcsgedicht voll Innigkeit. Nr. 3 ist ein ziemlich weit ausgeführtes Vivace aus G-dur, das durch melodischen Reiz, wie geistreiche Harmonisiruug fesselt. Der Preis gebührt indess dem Preslosalz Nr. 4 aus Es-moll, in welcher Tonart wir sonst nur düslere Trauermärsche oder die leidenschaftliche Klage eines Manfred zu hören gewohnt sind, während hier die schalkhafteste der Grazien ihr Wesen treibt und den Hörer mit einer Fülle lieblicher Tonblumen bewirfl. Das Ungestüm des Hauptsatzes wird von einem Es dur-Allegretto unterbrochen, dessen Stimmen neckischen Kaltem gleich übereinander gaukeln. Prestissimo, aber zugleich geisterhaft leise jagt die Coda dahin, bis zuletzt der Esdur-Accord wie Morgenglanz nach einem Sommernachtstraum aufleuchtet.

Voll Schönheil sind Zwei Clavierstiicke Op. 89 von Fr. Vernsbeim, dem trefflichen Rheinländer, dessen eben erst bei J. Rieler-Biedermaiin erschienene zweite Symphonie aus Es- dur, ein prächtiges Tonwerk, bald von sich reden machen wird. Die erste unserer Clavierpiecen ist ein »Lied« betiteltes Andantino aus A-dur, dessen zartinnige Canlilene von einer Triolenbegleilung leise umspiell wird. Bedeutender erscheint die Gavotte Nr. z, die mit folgendem energischen Thema einsetzt:

Die weitere Entwicklung des Hauptsatzes gestallet sich noch kraftvoller, während das müseltenarlige Trio äussersl zart und wohllautend ist. Die harmonischen Durchgänge von G nach Es und Ges-dur, sowie weiterhin nach H und B-dur wirken hier besonders schön. Ein poetischer Gedanke des Componislen war es, nach der Repetition des ersten Theils nochmals ans Trio zu erinnern, um dann mit wenigen kräftigen Strichen abzu- schliessen.

Iriirlck Stiekl, der bekannte Orgelvirtuose, der sich auf dem Gebiete des musikalischen Genrebildes nicht weniger ge- \vandt zeigt, als im strengen Sülz, bietet uns mit seinen »Mosaik« benannten Ut Clacierstückeit Op. 161 wiederum einen

Strauss anmulhigcr Tunblülhen dar. Bei Nr. l, das uns mit seinem fröhlichen Schwingen an einen Kinderreigen gemahnt, dürfte die Tempobezeichnung »Allegretto« besser passen als die vorgeschriebene »Andantino«. Der Spieler schlägt, von der harmlosen Lust der Weise fortgerissen, unwillkürlich ein rascheres Tempo an. Aus dem ersten Heft mögen noch der ('. moll-Salz Nr. 6, ein feines Charakterstück und das gesang- rciche Andante con molo aus B-dur Nr. 5, das Henselt's »Repos d'amour« ¡n Erinnerung ruft, specielle Erwähnung finden. Von den Stücken des zweiten Heftes wollen wir blos Nr. 10 erwähnen, ein Kis moll-Gebilde, in welchem holde Beredtsam- keit mit leidenschaftlichem Ungestüm wie Sonnenglanz mit Wolkenschallen kämpft. Noch sei betont, dass die sorgsamen Fingersatzangaben und leichte Spielbarkeil sämmllicher Nummern solche insbesondere auch zu pädagogischen Zwecken als anregende und geschmackbildende Vorlragsslücke brauchbar machen.

Noch leichler geschürzt, aber keineswegs ohne poetischen Reiz ¡M Itfnihanl V«lfi Bunte Reihe Op. 105, ein Cyklus von sieben Claviersliicken, die sich in ihrer knappen, meist lied- m'ássig gegliederten Form den kleinen Charakterstücken des Schumann'schen Jugendalbums oder den ähnlich gearteten Bluelten Kirchner's anreihen, freilich ohne durchschnittlich die Gemiithsliefe der ersleren oder die geistreiche Feinheit der letzteren zu erreichen. Kin zarler Liedsatz aus C-dur, durch den in der That etwas >ou Schumann'scher Innigkeil haucht, eröffnet die Reihe. Voll Anmulh sind das couplelartige Gdur- Allegrello Nr. 3 und das Wanderlied Nr. 5, das freilich stellenweise stark an ein Schumann'sches Muster anklingt.

Durch hübsche Erfindung und geschickte Kactui zeichnen sich Zwei Märchen Op. 20 von Gustav Srhumaun aus. Das erste behandelt eine Jahrmarktsscene. Einem einleitenden, im Marsch- rhylhmus gehaltenen Allegretto folgt ein Vivace, das uns mitten ins Gewühl des Marktes hineinführt. Von koketter Grazie ist der Allegrosatz im '/^-Rhythmus, dessen Motive die weitere Entwicklung beherrschen. — Das zweite Märchen trägt den Titel »Burgfrä'.ilein». Der Hauptsatz, ein rühriges G moll-Allegro schildert das Treiben der Zwerge, während der MUtelsalz, ein Moderato aus B-dur den Gesang der Jungfrau von weichen Ar- peggien wie von Harfengetön umspielen lässt.

Zum Schluss gedenken wir der A dur-Sonate für Pianoforte Op. 7 von Mil KíüfmHUD. dessen frisches, auch den grösseren Formen gewachsenes Talent sich bereits durch eine Reihe Com- positionen (wir erwähnen beispielsweise die Streichquartett- Variationen Op. 8, sowie ein Clavierlrio aus C-moll) auf erfreuliche Weise bekundet hat. Die Sonate fesselt durch phan- tasievollen Zug und organisches Wachsthum, wenn sie auch nicht in allen Abschnitten gleichwertig erscheint. Sie beginnt mit einem Allegro con spirito, dessen erste« Adur-Thema den Hörer wie ein Frühlingsgesang anmulhet. Auch die Zwischenglieder sind lebensvoll gestaltet : dagegen will uns das zweite Hauplthema in E-dur mit seinen schwingenden Viertelslriolen weniger gefallen. Wir finden es für einen Sonatensatz zu leicht wiegend und physiognomielos, während der Durchführungs- theil den motivischen Stoff geschickt verarbe'lel und eine energische Steigerung herbeiführt. Das Scherzo (Molto vivace ' 4, A-mollj ist sehr pikant; auch das A dur-Trio, dessen Thema zunächst elfenhaft leise hereinschwirrt, um sich allmälig zu dröhnender Schallkraft zu steigern, wirkt gut. — Den dritten Salz bildet ein Adagio quasi Andante aus F-dur. Zarlgebunden und weilalhmig zieht sein Gesang dahin, um zuletzt leise zu verlöschen. Das Ganze hätte wohl etwas kürzer gefasst. sein Empfindungsgehalt mehr concentrirt werden dürfen. Von allen vier Sätzen geben wir dem Finale den Preis, einem Allegro vivace, dessen vorwärts drängendes, von fröhlichem Schlussgefühl erfülltes Wesen die ersten Takte illustriren : Auch das zweite Thema hat melodischen Schwung und wird durch den Componislen mit graziöser Laune ausgebeutet. Einzig bezüglich der Einführung des Andante-Abschnilles in der Mitte liesse sich vielleicht mit ihm rechten. Uns stört er etwas die Harmonie des Tongebildes , das sonst in einem einheitlichen Zuge d.ihinslrömt und glanzvoll abgeschlossen ist. Л. Niggli.

Anzeigen und Benrtheilungen.

Literatur. Wilhelm FrUif, Ein musikalisches Charakterbild von k*btrt

iilol. Demmin, A. Frantz. 1883. Mit Portrait. 88 S.

kl. 8. Pr. 50 ф.

Die Biographie eines Frühgestorbenen , denn Fritze ist am П. Februar 1842 in Bremen geboren und am ( l. Juni 1881 in Stuttgart gestorben, nachdem er Opus <—ÎO im Druck veröffentlicht, aber kaum vermocht hatte, seinen Namen allgemeiner bekannt zu machen. Seine umfangreichsten Compo- sitionen, zu denen ein Oratorium David gehört, sind nicht gedruckt. Es ist dankenswerth, dass Herr Musiol ein Lebensbild von Fritze gezeichnet hat ; man lernt daraus noch mehr, als der Verfasser eigentlich beabsichtigt hat, da man aufs neue den grundverkehrten Bildungsgang gewahrt, welchen das Gros der modernen Musiker nimmt. Auch der arme Fritze war nicht glücklicher.

S. W. llrhn'«. Lehre vom Conlrapunkt, dem Canon und der Fuge. Nebst Analysen von Duetten, Fugen etc. von Orlando di Lasso, Marcello, Palestrina u. A. Zweite Auflage, neu bearbeitet von Beruhen! Srh«lz. Berlin, W. Weber. 1883. 192 Seiten gr. 8. Dehn hatte über den Conlrapunkl ein verhältnissmässig kleines Heft niedergeschrieben, welches im mündlichen Unterricht ausgelegt und durch Analysen Hassischer Sätze illustript wurde. Vor etwa ÎO Jahren edirle der Herausgeber diese Arbeiten, und heute publicirl er die zweite Auflage so umgestaltet, wie Fr. Kiel, einer der ältesten und bedeutendsten Schüler Dehn's, es wünschte und vorschlug. D,is Buch li.it dadurch an praktischer Brauchbarkeit wesentlich gewonnen.

1. Kitgeber für 'Musiker und Freunde der Tonkunst bei der Wahl geeigneter Musikalion. Von lenitrd Bruhel:. ï Auflage. 1882. 143 Seiten 8.

2. Der angehende Klitlrntlmer, von Iriiriri Woblfakrt. 1881. 45 Seitens.

3. Der praktische li»lkdlrffl«r oder Wegweiser für Musikdirigenten, von Г. L. Sehibert 3. Auflage. 1882. 98 Seiten 8.

4. Die Vlillüe, ihr Wesen etc. von Г. L. Sehibert. 3. Auflage. 1882. Ш Seiten 8.

5. Urargttiig-Slidie* für die oberen Chorklassen höherer Mädchenschulen und Vorbereitungskurse der Singakademien und Oratorien vereine von Irirdlkt W idean«, (1882.) 70 Seiten 4. Pr. uT 1.60.

6. Ble ttreigti Fereni der Musik, in klassischen Beispielen dargestellt etc., von Imrdlkt WUeaii. (1882.) 122 Seiten 4. Pr. M 2.70.

7. kleines TMkDMtler-Leile«! etc. , herausgegeben von P*il Trank. 7. Aufl. 1881. 276 Seilen kl. 8. Pr. 4 .*.

Sämmlliche sieben Schriften sind im Verlage von Carl Merseburger in Leipzig erschienen und gehören zu einer Reihe unterrichtlicher und populärer Werke kleineren Unifanges, welche diese Handlung publicirt hat. Die kleinen Octav- büchlein haben sich Manchem als nützlich- erwiesen ; aber die beiden Schriften von Widmann sind sonderbare Compilalionen. Da wird uns eine »Chorschule« geboten, bei welcher als Haupt- Übungen Duette, also SoJogesänge von Händel und Bach ßgu- riren, und die Händel'schen Stücke (Kammerduelten mit italienischem Text) werden überdies noch verhunzt, indem die ursprünglichen Worte unterdrückt und deutsche geistliche (!) Texte an deren Stelle gesetzt sind. »Crudeltà ne lontananza* heisst hier »Alle Menschen müssen sterben« — »/n/Cammate, taettate« heisst «Schenk' uns Gnade, schenk' Erbarmen* — ».V«, di roi non ro' fîtlarmi. titeo Amor« heisst 'Ich erhebe mein Gemülhe, o mein Gott und Herr«. Dabei entwendet er der Ausgabe der Händelgesellschafl heimlich die Begleitung, denn es ist nicht einmal die Quelle angegeben. Mit einem solchen Buchmacher sollte man eigentlich nur vor dem Strafrichter verhandeln. Köstlich '. der Eine schreibt eine Schmähschrift über diese Clavier-Begleilungen der Händelausgabe, der Andere maust sie uns !

Frank's Tonkünsller-Lexicon liefert für t Л viel Material, in welchem wir auch manche brauchbare Nachricht gefunden haben. Leider sind die Biographien dem Umfange wie der in- nern Behandlung nach so ungleich gearbeitet, dass dieses Büchlein dadurch als eine offenkundige* Parleischrifl erscheint. Ein so launisches Verfahren bekundet geringen Respect vor der Sache, die doch eine grosse ist und eine so allgemeine Bedeutung besitzt, dass sie über die Interessen des Herrn Frank wie des Verlagshauses Carl Merseburger weit hinausreicht. Wenn der Verfasser an meiner, vermeintlich »schroff conservaliven« Hallung keinen Gefallen findet, so hat er volle Freiheil; aber ich will ihm doch ganz ehrlich sagen, dass er gerade das von mir hätte lernen können, was ihm als musikhistorischem Schriftsteller noch fehlt, nämlich die Neigung und Fähigkeil, angesichts einer musikalischen Sache persönliche Stimmungen und Vorurlheile — wie sie mehr oder weniger Allen ankleben — zu vergessen und für die Erzielung einer objecliv gerechten Darstellung alle Kraft einzusetzen. Möge ein solches Bestreben bei der nächsten Auflage seines Lexicons wahrzunehmen sein !

Tristan-Ausgaben.

Drei l köpf & Hü r te l als Verleger der Wagner sehen Oper »Tristan und Isolde» haben ausser der Partitur und.dem vollständigen Ciavierauszug in der jüngsten Zeit eine Reihe von Ausgaben publicirt, die wir hier der Reihe nach aufführen wollen.

Im Juni dieses Jahres führte die Hamburger Truppe bei ihrem misslungenen Londoner Opernunlernehmen auch den Trislan englisch auf, zu welchem Zwecke Textbuch und Ciavierauszug englisch erschienen :

Trislan and Isoida — Tristan und Isolde. (Breilkopf &

Ilärtel's Texlbihliolhek Nr. 15IC.; 58 Seilen 4. Tristen and Isolda. Vocal score. 260 Seiten Lex.-8.

Der Clavicraiiszug (Vocal Score) isl nur englisch, das Textbuch englisch und deutsch. Die Uebersetzung isl eine gemeinsame Arbeit von II. und F. Corder. Diese Oper war leider die unglücklichste von allen, welche die Hamburger Gesellschaft in London herausbrachte, und ¡st dadurch wohl für längere Zeil an eine englische Aufführung nichl zu denken.

Tristan und Isolde. Ciavierauszug für Pianoforle allein mit Beifügung der Textesworte und seenischen Bemerkungen, i 86 Seilen I,ex.-8.

Eine solche Ausgabe isl für Ciavierspieler. welche , ohne zu singen, sich die Musik reproduciren wollen, natürlich weil bequemer, als der eigentlich» Clavierauszug. Einzeln erschienen unter ändern : l. Vorspiel und [solden's Liebeslod. Partitur Pr. ..'/ 5. 50.

Orcheslerstimmen Л 9.

Î. Lyrische Stücke für eine Gesangstimme: fünf verschiedene Gesänge, die sich zum Einzelvorlrag eignen, und das Duell von Trislan und Isolde. IV. 50 3fy bis Л l. 75.

3. Trislan's Gesang, Ueberlragung für Ciavier von H. Ehrlich. Л I. Î5.

4. Musikalische Bilder aus Trislan und Isolde, für Ciavier von Joseph Rubinstein. Erstes Bild: Liebesscene. Л 3. 50. — Zweites Bild : Tristan's Tod. Л 3.

5. Musikalische Bilder etc. für Ciavier, Violine und Violon- cell von Alfr. Pringshcim. Heft l : Seefahrl. Л 4. — licit II. Liebesnachl. .//3.75.

6. Symphonische Stücke etc. für Ciavier zu vier Händen von Albert Heinti. Erster Anfang : Л 3. 75. — Zweiler Auf-

,411g: Л 4. — Driller Aufzug: Л З.

7. Vorspiel zu Trislan für Harmonium, Pedalflügel oder Orgel von A. W. Gotlschalg. Л 1.75.

8. Angereihte Perlen aus Trislan für Ciavier zusammengefügl von Alb.Heintz. Hefl I: Л1. 75. — Heflll: ufî.75.— Heft III: Л !.I5.

Hiermil dürfte den Liebhabern schon eine ziemliche Auswahl geboten sein.

Stuttgart.

(Schluss.)

Das am H. November slattgefunüene Abonnement- Concert Nr. 3 brachte als Einleitung eine durch Erfindung nicht geradenervorragende, »Hamlet« betitelte, Concert-Ouverture von Niels W. Gade. Die zweite Nummer, ein Concerlslück für Violoncell in Form einer Gesangsscene von Jules de Swerl wurde vom Componisten selbst gespielt. Der Solist de Swert ist uns lieber als der Componist. Derselbe dürfte wohl einer der bedeutendsten Cellisten der Gegenwart sein ; er verfügt über eine enorme Technik und namentlich über eine Kr. fl und einen Schmelz des Tones, wie wir ihn noch bei keinem ändern Cellisten gehört haben ; er weiss seinem Instrument die mannigfaltigsten Klangfarben zu entlocken und verfügt überhaupt iib^r eine Mannigfaltigkeit des Tones, dass sein Spiel zur Bewunderung hinreissen muss. Seine Composition erregte jedoch weniger Enthusiasmus; so etwas Flaches und Unbedeutendes und planlos Zusammengewürfeltes haben wir denn doch selten ge

hört, und wir haben im Interesse des Künstlers es aufrichtig bedauert, dass er durch sein Opus sich selbst um den Beifall brachte, welcher seinem Spiele unbedingt gebührt hätte. Wenn nur die ausübenden Künstler nicht immer die Marotte hätten, auch Componisten ;'i tout prix sein zu wollen. Ferner erfreute de Swerl uns noch mil einer Itomanze von Tschaikowsky und dem von ihm orcheslrirlen Scherzando »Vanilas Vanilalumi von Schumann.

Die dritte Nummer brachte uns das Vorspiel zu »Parsifal". Dasselbe enthält die wichtigsten Motive des Werkes und beginnt mit einer über Terz, Quint und Sexte aufsteigenden, von Streicher und Holzbläser unisono angestimmten sogenannten Melodie, welche nach der Belehrung des Wagnerinlerprelen wiederum in drei Motive zerfällt . das Erlösungs-, VYuuden- und Speermotiv ; die Melodie wiederholt sich von der Tiefe nach der Höhe fortschreitend, bis das von Posaunen und Trompeten zunächst piano vorgetragene Gralmoliv erscheint, an welches fortissimo das Glaubensthema sich anschliessl. Wir hören dann wieder das von den Saiteninstrumenten vorgetragene Gralmoliv , das von Streicher, Holz- und Blechbläser abwechselnd angestimmte Glnubenslhema, um dann zur Einleitung des Dramas hinübermodulirend, noch auf mehrere Motive anzuspielen. Dies der kurz skizzirle Inhalt des Vorspiels. Wollen wir unser musikalisches Urlheil über dasselbe abgeben, so kann dies nur ein negatives sein; die dürre Reflexion waltet in einem so hohen Grade hier vor. dass ein rein musikalischer Genuss ganz ausgeschlossen ist. Man halte uns doch nicht entgegen, Wagner wolle hier keine absolute Musik schreiben, seine Werke seien vom Worlc unzertrennlich und könnten nur in Verbindung mit demselben verslanden und empfunden werden. Wir kennen überhaupt nur absolute Musik, und sei es nun eine Oper, ein Oratorium oder eine Symphonie, wir wollen Musik hören, die unmittelbar zum Herzen spricht; wir wollen Musik hören, die dem tiefsten Born künstlerischen Empfindens mlsprungen, durch innere Wahrheit Herz und Gemüth packl.

Eine wahrhafte Erlösung war die darauf folgende Cmoll- Symphonie von Beethoven; das ist wahre Musik, hier spricht ein gewaltiger Genius zu uns. Noch sei beigefiigl, dass Fräulein Sophie l r lisch, die jugendliche Soubrette des Hof- Iheaters drei Lieder von Raff, Volkmann und Taubert sang. Ersleres Lied : »Immer bei dir« wurde in einem solch schläfrigen Tempo gesungen, dass die Wirkung des schönen Liedes ganz verloren ging ; wahrscheinlich mussle die Sängerin sich der subjecliven Auffassungsweise des Herrn Winlernilz fügen. Lieder wie das Tauberl'sche passen ganz und gar nicht in den Rahmen ernsler Concerle ; derlei Stimmgymnaslik mag dem grossen Haufen gefallen, wir bedauern aber im Interesse des künstlerischen Ernstes, welcher in solchen Concerlen wallen soll, derlei Produclionen auf dem hohen Seil. Im Uebrigen verfügt Frl. FriLsch über eine sehr hübsche, lüchtig geschulte Stimme.

Einen herrlichen Genuss gewährte uns Pablo de Sa rasa t e in seinem am 15. November im Festsaale der L'icdcrhallr gegebenen Concerte. Sarasale isl ein vollendeter Künstler nach jeder Seite hin ; mil einer geradezu fabelhaften Technik vereinigt er eine Gluth und Seele der Empfindung, die ihn zu einem der grössten Geiger aller Zeilen stempeln ; vor einem solchen Künstler hat die Kritik zu verstummen und nur den Genius zu bewundern, der aus ihm zu uns spricht. Er spielte das neueste Werk für Violine von Bruch, eine Fantasie, mit Begleitung des Orchesters und der Harfe, unter freier Benützung schotlischer Volksmclodieu ; es isl dies eine wirklich schöne, gehallvolle und im ersten Salz wahrhaft ergreifende Composition, welche seine beiden Violinconcerte bedeutend überragt. Weiter horten wir noch eine Fantasie über ('.armen und Maurische Tänze eiiHMier Composition . in welchen der Künstlnseine colossale Technik zeigen konnte ; musikalischen Gehalt besitzen dieselben nicht. Unsere vollste Anerkennung musses wir dem um unser musikalisches Leben so verdienten CapeU- rneister Carl und seiner Kapelle aussprecben, welche nicht nur die beiden Fantasien von Bruch und Sarasate sehr gut begleitete, sondern auch durch die tüchtige Execulirung der Ouvertüre Op. 114 von Beethoven, wie durch das vortrefflich gespielte Scherzo aus dem Sommernachtstraum, Andante aus der tragischen Sinfonie von Schubert, ihre schon oft erprobte Leistungsfähigkeit wiederum von neuem bekundete.

Freitag den <7. November fand d«8 zweite populäre Concert des Liederkrauzes statt. Als Solisien fungirten Fräulein liyn.i Beumer, erste Coloratursängerin der Pasdeloupcon- certe in Paris und des Coventgarlentheaters in London, sowie die Pianistin Frau Woronetz-Berthenson aus Moskau. Letztere ist eine Pianistin, von denen zwölf auf ein Dutzend gehen ; es fehlt ihr nicht nur die fein ausgebildete Technik, sondern auch das specilisch musikalische Element geht ihrem Spiele ab. Am besten spielte sie ein Pastorale von Scarlatti und das im Tempo übrigens überhastete Spinnlied von Mendelssohn ; ganz verfehlt sowohl nach der technischen als nach der musikalischen Seite war die Wiedergabe der Kreisleriana von Schumann und der G moll-Ballade von Chopin. Wie die Dame uns vollends mit den Zigeunerweisen von Taubig, einem ganz abscheulichen Werke, dessen enorm technischen Anforderungen sie auch nicht im Geringsten gewachsen ist, plagen konnte, ist uns unbegreiflich. Die Sängerin Fräulein Beumer verfügt über eine sehr schöne und tiichtig geschulte Stimme und wir können es nur lebhaft bedauern, dass sie ihr herrliches Organ und ihre musikalische Begabung nicht in den Dienst der wahren Kunst stellt und Schund wie die bekannte Arie aus Traviata von Verdi, Valse de »Mireille« von Gounod u. s. w. zum Besten giebt. Uass die Dame, welche der deutschen Sprache mächtig ist, auch die Haydn'sche »Idyllen französisch sang, muss entschieden gerügt «erden. Wenn man solch hohe Honorare verlangt, so dürfte man in einer deutschen Stadt auch uach dieser Seite hin dem Publikum gegenüber etwas mehr Rücksicht üben. Wir geben uns der zuversichtlichen Hoffnung hin, dass in künftigen Fällen die Direction dafür besorgt sein wird, dass wir nicht den ganzen Abend mit französischen Nasallauten geplagt werden. Der Männercuor des Liederkranzes erfreute uns unter der tüchtigen Leitung des Herrn Professor Speidel mit Chören von Müller, Eyrich, Baungartner und Schumann. Namentlich des Letzteren Chor aus der Rose Pilgerfahrt, ein wahres Juwel der Männerchorliteratur, wurde ganz vortrefflich gesungen, während in dem prächtigen Chor von Eyricb : »Das macht das dunkelgrüne Laub« sieb, schon im dritten Verse ein bedenkliches Fallen bemerklich machte.

SonnUig den 19. November fand im Kursaale des benachbarten Cannslatt ein gemeinschaftliches Concert des in diesen Blättern schon öfter erwähnten Schubertvereins mit dem dortigen Münnergesangverein Concordia statt. Der Schubertverein unter der bewährten. Leitung seines Dirigenten Nul/ saug in gcwohaier vortrefflicher Weise den Jäger-, Geister- und llirtenchor aus Schubert's Rosamunde und Mirjam's Siegcsgesang vom gleichen Componislen; namentlich die Wiedergabe des letzteren herrlichen Werkes war eine solche, dass der Verein stolz auf diese Leistung sein darf. Die Partie der Mirjam sang eine Schülerin des Professor Schimon Fräulein Merk aus München ; die Dame besitzt eine hübsche und gut geschulte Stimme und lässt sich derselben bei fortgesetztem ernstem Studium ein günstiges Prognostiken stellen. Auch Herr Notz selbst erfreute uns mit der trefflichen Wiedergabe des »Aufenthalt« von Schubert ; unbegreiflich war es uns jedoch, wie die Dame, welche das Lied begleitete, statt der vorgeschriebenen Athlellriolen mit einer Consequenz sondergleichen ein

fache Achtel spielte. Die Instrumentalbegleitung der Chöre lag in den bewährten Händen der Carl'schen Capelle.

Montag den 10. November gab Sarasate nochmals ein Concert und zwar spielte er das Yiolinconcert von Beethoven, drei SStze aus der Дай" sehen Suite G-moll Op. (SO, Nocturne in Es von Chopin und Airs russes von Wieniawsky. Wir haben hier mir das zu wiederholen, was wir bereits früher über den gottbegnadeten Künstler gesagt, und wenn auch über die Auffassung des lleethoven'sehen Concertes mit ihm zu rechten wäre, so wollen wir unsern kritischen Bedenken gegenüber solch herrlichem Spiel weiter keinen Ausdruck geben. Unsere Anerkennung sei auch hier wiederum der Carl'schen Capelle ausgesprochen, welche ausser der Begleitung der Beethoven'- sehen und RafTschen Composition die Nachklänge von Ossian von Gade, Bayaderentanz aus der Rubinstein'sehen Oper Fe- ramors und das Nachspiel zu Manfred von Reinecke spielte : letzteres musste wiederholt werden.

Das vierte Abonnententconcert fand am 18. November unter Mitwirkung der K. Sächsischen Kammervirtuosin Fräulein Mary Krebs statt. Es bereitet uns stets eine grosse Freude, dem Spiel dieser trefflichen und dabei so anspruchslosen bescheidenen Künstlerin zu lauscheu. Sie spielte das Dmoll-Concert von Rubinslein, Pedalskizzen Nr. 3 und 4 von Schumann und ein sehr schweres, aber auch sehr undankbares Präludium in D-dur, ein nachgelassenes Werk von Mendelssohn. Vom Publicum stürmisch gerufen, spielte sie noch die Beethovensche Polonaise. Möge uns die Künstlerin noch recht oft erfreuen, sie wird uns stets willkommen sein. Fräulein Hieser vom hiesigen Hoflbeater trug eine schöne Arie aus der Oper Mitrane, componirt im Jahre 1686 von Rossi, vor; leider fehlt der Stimme der Sängerin in hohem Grade die Schule ; die beiden Register sind gar nicht ausgeglichen und so presst sie die Brusttöne bis zum e1 und noch höher hinauf, was der Stimme einen scharfen grellen Klang giebt. Die Capelle spielte die Ouvertüre zu Euryanlhe, das Scherzo »Fee Mab« aus der Sinfonie »Romeo und Julie« von Berlioz, sowie die Cdur-Sin- fonic von Mozart. Unsere vollste Hochachtung müssen wir unserer trefflichen Hofcapelte bezüglich der Executirung des Berlioz'sollen Scherzo's ausdrücken. Wer sich schon einmal die Partitur dieses Scherzo's angesehen hat, der weiss zu be- urtheilen, was dazu gehört, um dieses mit allem erdenklichen Raffinement und allen möglichen Chicaneu instrumentirte Stück so zu spielen, wie dies Seitens der Capelle geschah. Tieferen musikalischen Gehalt vermögen wir der Pièce nicht zuzusprechen ; »instrumentaler Veitstanz« könnte man auch als Ueber- sclirift setzen.

Montag den 4. November fand der erste Kainmermu- sikabend der Herren Pruckner, Singer und Cabisius unter Mitwirkung des Herrn Hofsängers Hromada statt. Der Abend war dem Gedächtniss des am 15. Juni 4881 gestorbenen Joachim Raff gewidmet und es wurden mit Ausnahme der ersten Nummer, welche uns das Beethoven'sche Trio Op. 70, das sogenannte Geisterlrio brachte, ausschliesslich Raffsche Com- posilionen ausgeführt. Die chromatische Solíate für Ciavier und Violine Op. ÎÎ9 ist ein Werk von interessanter, ja geradezu geistreicher thematischer Arbeit, aber die Reflexion do- mjnirt, die Inspiration fehlt. Gespielt wurde das sehr schwere Opus von unseren trefflichen Künstlern Pruckner und Singer ganz meisterhaft und die hohe Vollendung der Reproduction führte uns über manche trockene und inhaltlose Stelle angenehm und leicht hinweg. Das Trio für Pianoforte, Violine und Violoncell in G-dur Op. Il S ist dagegen ein schönes Werk ' und gehört zum Besten, was Half geschaffen. Herr Hromada sang in gewohnter trefflicher Weise fünf Lieder von demselben Componislen, unter welchen wir namentlich »Felice nolle, Marieltaa Op. 50 und Riccio's letztes Lied aus Maria Stuart hervorheben möchten.

Freitag den 6. December gab der Tenorist Herr Anton Schott im grossen Saale des Königsbau's unter Mitwirkung der Herren Hofmusiker Fohmann und Hummel ein sehr zahlreich besuchtes Concert. Herr Schott sang Lieder von Beethoven, Schubert, Schumann, Stark, Wagner, Nicolai und Cornelius. Die gut geschulte Stimme hat ihre Blüthezeit bereits überschritten, und wir möchten überhaupt bezweifeln, ob die hohe Lage jemals mehr intensiven Klang gehabt hat, denn wir vermögen Herrn Schott für einen Tenor nicht zu halten ; es ist eine künstlich hinaufgeschraubte Barytonstimme. In getragenen Liedern fällt Herrn Schott schon das Fis schwer, die Töne klingen dumpf, gepresst und unrein. Im Uebrigen ist er jedoch ein Sänger, welcher mit Geschmack und musikalischem Verständnis» singt, wenn auch sein Vortrag etwas gesucht und manirirt ist; auch vermissten wir die lebenswarme Empfindung. Herr Hofmusikus Fohmann erfreute uns wieder einmal nach längerer Pause mit seinen herrlichen Hornvorträgen ; dieser Künstler bläst nicht, sondern er singt Hörn. Die Clavier- begleitung sämmtlicher Piècen wurde von Herrn Hummel in trefflicher Weise ausgeführt.

Am I ¿. December fand unter Mitwirkung der Frau Joachim aus Berlin und des Herrn Capellmeisters Professor Gernsheim aus Rotterdam das fünfte Abonnementscc^cert statt. Frau Joachim sang eine Arie aus der Oper AIceste von Gluck und drei Lieder von Schubert, Schumann und Brahms und bewährte in allen diesen Vorträgen die bedeutende Künstlerin. Freilich sind die Jahre nicht spurlos an der Stimme vorübergegangen, aber was die Sängerin bietet, ist künstlerisch vollendet. Herr Professor Gernsheim dirigirte sein neuestes Werk, eine Sinfonie in Es-dur, welche aufs neue wiederum den tüchtigen und gewandten Musiker bekundete, welcher das technisch formale Gebiet der Kunst vollständig beherrscht. Die Sinfonie besteht aus 4 Sätzen : Allegro tranquillo , Tarantella, Nocturno und Finale. Bezüglich des ersten und letzten Satzes haben wir namentlich die Kraft und Energie der Hauptthemen hervorzuheben wie die interessante thematische Arbeit. Die Tarantella ist ein feuriger, leidenschaftlicher und lebenswarmer Satz, während das Nocturno diesen drei Sätzen gegenüber etwas abfällt. Das Werk wurde vorzüglich gespielt, ebenso die D dur-Sinfonie Nr. 4 von Mozart und das vom Hofcapell- meister Albert instrumentirte H moll-Präludium und die Gdur- Fuge aus dem wohltemperirten Ciavier von Bach.

Der aretinische Congress für liturgischen Gesang.

(SohloM.)

Man siebt, mit welcher Vorsicht hier zu Werke gegangen werden muss. Einzelne Hauptprincipien sind von Allen angenommen, aber dieselben genügen nicht, den Gesang gegenwärtig danach einzurichten. Das Verdienst, diese wichtigen Principien erkannt und aufgestellt zu haben, füllt neben anderen Genannten und Ungenannten vorzüglich einigen Benedictinern zu, unter welchen in neuester Zeit P. Pothier durch Kenntniss und wahrhaftes Verständnis* des Cantus Gregorianus hervorragt. Aber auch Pothier geht zu weit, wenn er behauptet, dass die Modifikationen in den verschiedenen Epochen bis zum sechzehnten Jahrhunderte ganz unbedeutend gewesen seien, da ja selbst zu einer und derselben Zeit wie der des Coltonius im elften Jahrhunderte die Tradition nichts weniger als einheitlich gewesen ist und gerade dieser Umstand die Meisten ver- anlasst hat, das Notationssystem zu vervollkommnen. Und darin liegt ja gerade auch das Verdienst Guide's, welcher eine fUr seine Zeit (um (000, ausgezeichnete Unterrichtsmethode erdacht«.

Abgesehen von dieser contemperaren Verschiedenheit des liturgischen Gesanges, sind ja doch entsprechend den Phasen der Übrigen die Kirche schmückenden Künste auch solche beim Cantus Planus anzunehmen, und diese wissenschaftlich festzustellen, wird eine der schwierigsten Aufgaben der musikalischen Archäologie Min.

Die musikalische Archäologie hat einige Grundsätze Über den gregorianischen Gesang aufgestellt, welche sich Über die Varianten in den verschiedenen Epochen erbeben und auf welche nicht einmal die Uebertragung der älteren Neumen-Notation in die Nota quodrala einen Einfluss hatte. Diese Grundsätze sind in Folge der wissenschaftlichen Vergleichung der sogenannten Neumen-Notation a points superposes mit der guidonischen Notation festgestellt worden. Vor Allem der Grundsatz, dass der Rhythmus des gregorianischen Gesanges analog dem Rhythmus der Rede ist. Mit dieser Erkenntniss ist viel Licht in die Beschaffenheit des ältesten Kirchengesanges gebracht. Der zweite Grundsatz ist negativer Art: Die Form der Neu- men zeigt weder den proportioneilen Werth der Lunge, noch den der Tonstärke an. Wohl ist es aber durch andere Hilfsmittel, wie die Tonarien und die späteren Schlusselbezeichnungen, möglich, die Tonalität der einzelnen Gesänge festzustellen. Die übrigen Grundsätze betreffen die nähere Beschaffenheit der Neumen, ihre Einlhei- lung in Gruppen und ihre Separirung. Es wird zunächst die Aufgabe sein, mit diesen Behelfen ein Werk herauszugeben, in welchem die einzelnen Notationen der verschiedenen Jahrhunderte untereinander gestellt, die Verschiedenheiten und die Gleichartigkeiten nachgewiesen werden. Vielleicht gelangt man auf diesem Wege zu einer Vulgata, einer Handschrift, welche der ältesten und echtesten Tradition so nahe als möglich kommt. Dies muss man sich aber stets vor Augen halten, dass die mundliche Tradition durchbrochen ist, dass nicht einmal die Benedictiner und Cistercienser eine authentische mündliche Tradition vindiciren können. Die Feststellung der letzteren wäre dann die Sache der Praktiker, welche auf Grund der wissenschaftlichen Ergebnisse die fragmentarische mündliche Ueber- lieferung rectiliciren und unificiren könnten. Jedoch werden dann wahrscheinlich die Forderungen der modernen Praxis von den Ergebnissen der aufgefundenen Tradition abweichen, und zwar werden die einzelnen Nationen, entsprechend ihren physiologischen und ethnographischen EigenthUmlichkeiten, Veränderungen vornehmen, wie es sich schon jetzt bei der Ausführung des Chorales am Congresse gezeigt hat. Die Deutschen sangen in einfachen Tongängen, ohne jene reiche Ornamentirung, welche die herrlichen Gesänge der französischen Benedictiner aufzuweisen hatten. Nichtsdestoweniger war der Gesang der Deutschen (bei welchen Übrigens ein Hollander, ein Irlander, ein Slave und zwei Deutsche sich be- tbeiliglenj, erhebend, einfach, würdig. Man musste sich sagen, dass der Choral, wenn er in Deutschland und Oesterreich so vorgetragen würde, nicht so viele Gegner hätte, als es jetzt der Fall ist. Ich hörte in deutschen Ländern noch nie den Choral so schön vortragen. Die Franzosen declamirten besser, fiorirten feiner; aber war es Zufall oder Regel, Ihre Stimmen erreichten beiweitem nicht die Klangfülle der Deutschen; sie sangen so, was man mit dem Kapellmeisterausspruche »ohne Ton* zu bezeichnen pflegt. Mit Ton, aber mit schrillem, schnarrendem Tone sangen die Italiener, vielmehr hämmerten die Italiener den Choral. Wer die italienischen Kleriker singen hörte, hätte nimmermehr geglaubt, dass er im Lande des »bel canto« sei ; nur ein Umstand erinnerte an den »Canlus floralus«, nämlich die geschmacklosen Orgelslücke mit den lästigen Passagen und Fiorituren. In einer musikalischen Hinsicht zeichneten sich die Italiener aus: sie modulirten oft nach eigenem Ermessen in beliebigen Tongängen, welche aber nichts weniger als dem Charakter des gregorianischen Cantus Planas entsprachen. Zumeist waren es Gänge auf Tónica und Dominante.

Die einzelnen Nationen werden wohl immer ihre EigenthUmlichkeiten im Gesänge behalten; die Bestrebungen nach vollkommener Vereinheitlichung des Cantus Planus in allen Ländern scheiterten vorzüglich an diesen EigenthUmlichkeiten, gegen welche selbst ein energischer Kaiser wie Karl der Grosse vergebens .ifocht. Man acceplirte damals den »römischen Gesang«, aber modiflcirte ihn nach den natürlichen Bedürfnissen der Kehle und des Geschmackes.

Eine andere Frage, und zwar eine Frage von höchster Bedeutung ist, ob es möglich sein wird, das Stadium des frei zu reciti- renden Chorales mit dem Stadium der mensurirten, laktschlag- roassigen, mehrstimmigen Musik zu vereinbaren. Der Congress beschäftigte sich nicht mit dieser Frage; ihm war die Aufgabe gestellt, über den »wahren Charakter des gregorianischen Chorales« zu debattiren und er kümmerte sich nicht weiter um die übrigen Arten der liturgischen Musik. Ja Einige gingen sogar so weit, zu erklären, es gäbe, oder vielmehr es solle keine andere liturgische Musik geben, als den einstimmigen gregorianischen Gesang. Dieser solle die musikalische Bibel aller Kirchenmusiker sein, was nicht in ihr enthalten sei, solle in Bann und Acht gesprochen sein. Heisst das nicht geradezu der historischen Entwicklung der Musik, der Menschheit ins Gesicht schlagen? Sollte dies etwa der Satz besagen: »Reverti- irnni ad fontem St. Gregorii«? Die grossie Hochachtung vor dem unsterblichen Kunstwerke des Chorales vorausgeschickt, muss man doch zugeben, dass die heutige Zeit mit der Polyphonie doch zu eng verwachsen ist und nun dieses erhabene Natur- und Geistesproduct der abendländischen Völker denn doch nicht so geradehin aas der Kirche werfen kann. Selbst zugegeben, die Kirche müsse vor Allem den Text der Gesänge zu Gehör bringen, was bei der mehrstimmigen Ausführung nicht möglich sei, so muss man doch die Frage stellen : Wer vom Volke versteht denn den lateinischen Text? Die romanischen Völker vielleicht eher, die deutschen aber gar nicht. Die vorangestellte Trage geht aber dahin, ob es möglich ist, in den Seminarien und Kircbenmusikschnlen den Choral der Tradition getreu zu lehren. Bigher sind keine ausreichenden Beispiele für die Vereinigung der beiden Gesangsarten in Einer Schule gegeben. Verhältnissmässig leicht durfte sich die Sache in den Klerikersemmarien bewilligen lassen, da in denselben eventuell nur Choral gelehrt werden könnte und schon hieraus der Liturgik ein wesentlicher Vortheil erwachsen würde. Denn wer unsere Zustande kennt, wird in den Schmerzens- ruf der Congressmen Über den gänzlichen Verfall des Chorales mit einstimmen. Aber wie die Vereinigung in den eigentlichen Kirchen- musikschnlen, deren Hauptaufgabe vorläufig doch die Pflege der men- snrirten Musik ist, vor sich gehen wird, darüber werden erst die Versuche eine Aufklärung verschaffen. Keinesfalls darf man die wahrhaft grossen Schwierigkeiten, welche einem modern geschulten Sänger das Studium des Chorales bereiten wird, über die Achsel ansehen. Es wird wahrscheinlich nöthig sein, die kleinen Sänger schon im ersten Jahrgange Choral zu lehren, damit sich der Tonsinn gleich vom Anfange der musikalischen Studien an die freie Rbytbmisirung und die fremde Tonalität gewöhne. Selbst da werden die Schwierigkeilen schon bedeutend'sein, immerhin aber leichter zu bewältigen, gerade so wie ein Kind, dessen Eltern verschiedene Muttersprachen sprechen, beide Sprachen leichter und mit richtigerer Betonung sich aneignet, als ein mit einer Sprache grossgezogenes Kind, welches schon erwachsen eine zweite Sprache lernt. Diesem wird man schon den «Ausländer«, den »Fremdling« in dem neuen Sprachbereiche anhören. Alle jene Chöre, welche heute in einem relativ vollendeten Maasse den gregorianischen Choral gemäss den alleren Traditionen vortragen, wie die Benedictiner in Solesmes und in Ernaus, üben gar keine andere Musik als nur Choral, und die Novizen müssen erst allmälig der ihnen angeborenen und anerzogenen Rhythmik und TonalitMt entwöhnt werden. Wurden dieselben nicht immerfort und ausschliesslich darin Uebungen machen, würden ihre mönchischen Gewohnheiten nicht dem Charakter des Chorales conform sein|, sie sängen nie und nimmer den Choral in der angegebenen Weise.

Dies kann man aber nicht von den modernen Kirchensängern verlangen, welche theils von der Kirche nicht einmal das tägliche Brod für das Leben verdienen, sondern im Theater und in »Vergnü- g'ungsorten« ihr Einkommen erwerben müssen, theils aber Dilettanten sind, welch letzteren man am allerwenigsten zumulhen kann, Ihre angeborene und anerzogene musikalische Fertigkeit durch ein äusserst schwieriges Studium zu metamorphosiren, weil dieser letztgenannte Theil der Kirchensänger gar oft nur aus Selbstgefälligkeit und in der Hoffnung eines zu erhaschenden Solos zur Verherrlichung des Gottesdienstes beiträgt. Man sieht also, die Ursachen liegen sehr tief. Will die Kirche einen entsprechenden Gesang haben, dann muss sie auch alle jene Institute ausgiebig unterstützen . welche es sich für andankbaren Aufgabe machen, Kirchengesang zu pflegen und zu tradiren. Die alten scholar cantorum müssen im modernen Sinne neuerrichtet, respective hinreichend dotirt werden. Sonst bleiben alle Wünsche und Vota des Congresses auf dem Papiere, und der blinde Eifer derjenigen Heisssporne, welche nur Choral in der Kirche hören wollen, findet in der Wirklichkeit sein helles Gegenspiel darin, dass nur »moderne« Kirchenmusik aufgeführt wird. Schon zu der Möglichkeit der Ausführung in der Weise derjenigen deutschen und anderen Sänger, welche in Arezzo den Choral nach der Regensburger Ausgabe vorgetragen haben, gehört ein gehörigesStUck Vorarbeit, in starker Wille und eine grosse Hingebung. Um nur diese Muster in Oesterreich und Deutschland zu erreichen, bedarf es der soeben angegebenen Mittel im vollen Maasse.

Unter diejenigen Fragen, welche der Congress berührt hat, über deren Beantwortung er aber nicht klar wurde, weil die Vorstudien noch nicht genügend gediehen sind, gehörte auch diejenige in Betreff der Orgelbegleitung zum Chorale. Die Einen behaupteten, es и! Überhaupt dieselbe nicht zuzulassen, höchstens als Vor-, Zwischen- und Nachspiel, die Anderen hielten dieselbe für nothwendig and dem Charakter des Chorales entsprechend. Diejenigen, welche für die Orgelbegleitung sind , differenziren über die Art derselben. Sollen alle Töne des Chorales auf der Orgel mitgespielt werden oder nur die wichtigeren? Welche sind aber als die wichtigeren zu bezeichnen? fragen Andere. Sollen Dissonanzen in der Harmonie oder nur als Vorhalt, am Anfang und Ende oder nur in der Mitte zugelassen werden ? Die allergrösslen Schwierigkeiten bieten aber die Fragen Über die Cadenzirung der verschiedenen Kirchentöne und die Anwendung der Subsemitonien. Eine ganze Fülle ungelöster Probleme reibt sich an diese Frage an. In der That haben Diejenigen, welche den Choral ohne Orgelbegleitnng ausführen wollen, vom historischen

Standpunkte aus vollkommen Recht. Die Orgelbegleitung entspricht durchaus nicht dem' ursprünglichen traditionellen Wesen des Chorales, welcher einstimmig in freier rhythmischer Weise vorgetragen worden ist und dessen Finaltöne sich der mehrstimmigen Behandlung widersetzen. Gerade die mehrstimmige Ueber- und Durcharbeitung des Chorales hat Ihn zum Falle gebracht und nicht ohne historische Berechtigung ist das sechzehnte Jahrhundert die Zeit des Verfalles des Chorales. Von da an war der Choral sowohl tonal als rhythmisch durchbrochen. Und wenn der berühmte Organist und Accompagnateur des Chorales, Herr Couturier aas Langres, behauptet, dass die Begleitung sich an die Art der Mehrstimmigkeit Pa lestrina's halten solle, so sticht er mit dieser These — ganz abgesehen davon, dass die Regeln der Zeit Palestrina's allen damaligen Ton künstlern zukommen und «s ein Unrecht an den mit Palestrina gleichzeitig schaffenden und ihm vorangehenden Meistern der Tonkunst ist, nur von der Polyphonie Paleslrina's zu sprechen — in ein Wespennest, denn Palestrina ist zum grossen Thelle deshalb so volkstuUm- lich, well er dem Zuge seiner Zeit beiweitem mehr nachgab, als viele seiner Zeitgenossen, um von seinen Vorgängern zu schweigen. Nichtsdestoweniger ist aber heute die Orgelbegleitung, wenn sie auch dem historischen Charakter des Chorales nicht entspricht, nothwendig, weil eben der Geschmack der modernen Zuhörer unbedingt dieses Salz verlangt und ohne dieses die dargebotene Speise nicht gustirt, vielleicht auch nicht einmal verdaut. Und ¡n der Art der Begleitung wird es nöthig sein, wenn der Organist die Ohren der Hörer nicht in Unruhe versetzen will durch seine ungewohnten Harmoniegänge and die sonderbare Art der jetzt ungewohnten Begleitung im altdiatonischen Sinne, vorläufig dem modernen Geschmacke Rechnung zu tragen, was in der Thal bisher bei der Orgelbegleitung des Chorales von den Benedictinern in Emaus beobachtet worden ist. Sollte aber der Choral nur ab und zu oder nur zu einem Theile der liturgischen Gesänge verwendet werden, dann könnte allerdings der Choral nn- begleitet vorgetragen werden, und es könnte zur Rechtfertigung hiefür das ästhetische Gesetz des Gegensalzes oder jenes der Abwechslung angerufen werden.

Diese und ähnliche Fragen sind nur Nebenfragen im Verhältnisse zu den bereits oben berührten grundlegenden Principien. Von nicht zu unterschätzender Bedeutung sind auch die didaktisch-pädagogischen Fragen über die Unterrichtsmethode, die Behandlung der Stimmen überhaupt, die Organisirung des ganzen Cboralunlerrichtes ¡n zeitlicher, örtlicher und sonstiger Beziehung. Alle diese vitalen Punkte wurden am Congresse entweder nur mit wenigen Worten oder gar nicht berührt. Füglich konnte dies auch nicht von dem Congresse verlangt werden, welcher aber immerhin, anstatt manche unnütze Debatte zu führen, die durch fünf Tage in fünfzehn langen Sitzungen übermassig bis zur Abspannung angestrengten Kräfte fruchtbringender hält« verwerthen sollen, als es geschah; nicht wenig Schuld daran hat die ganz unparlamentarische Fuhrung des Congresses und die Art der Behandlung der Gegenstände, wenn auch der Präsident vom besten Willen beseelt war, aber in Folge der Unkennt- niss der nöthigen Formen die Verhandlungen unnütz hinauszog.

So bot denn der europäische Congress fur liturgischen Gesang ein Doppelgesicht : das eine hell und klar, das andere finster und dunkel. Hoffentlich gelingt es künftigen Bestrebungen, die hässlichcn Züge des zweiten Antlitzes zu verwischen, dieselben dem ersten Gesichte gleich zu formen. Solltediesabernichtder Fallsein, sollten die Schattenrisse nicht erhelltwerden können, dann würde das Bedauern, dem Congresse angewohnt zu haben, ein dauerndes, bleibendes.

»Non lasciale ogni speranza, voi ch' entratel« hiess es bei unserem Eingange zum Congresse; wir aben wollen jetzt rufen: »Non lasciamo ogni speranza, noi ehe usciamo l« (»Lassen wir, die wir hinaustreten, nicht alle Hoffnung l«)

Berichte. Leipzig1.

Der vierteKammermusikabend im Gewandhaus (î. Dec.) wies ein vorzügliches Ensemblespiel auf; das innige, anmuthig heitere Gdur-Quartett von Mozart und Beethoven's grossartig angelegtes Esdur-Qnartett Op. 7* erfuhren eine ladellose Wiedergabe. Zwischen beiden stand das Ciavierquintett Op. 70 von S. Jadassohn, das in seinem leichten Fluss viel Ansprechendes hat und von den ausübenden Künstlern meisterlich vorgeführt wurde, bei gründlicher Prüfung jedoch eine gewisse Oberflächlichkeit nicht verläugnet.

Am 3. December hielt der Bach-Ve rein unter der bewährten Leitung seines Dirigenten Herrn Heinrich vonHerzogen- berg sein erstes Kirchenconcert in diesem Winter ab und zwar wie herkümmlich in der Thomaskirche. Gleich der Eingangschor .Sie werden aus Saba Alle kommen« (aus der gleichnamigen Cantate) war eine (glänzende Leistung des vortrefflich einstudirten Chores, ihr schlössen sich der Choral »Ei nun, mein Gott, so fall ich dir*, sowie nus den beiden anderen Cantalcn die Chöre »Aus liefer Noth schrei ich zu dir», »Wenn meine Trübsal« und »Wachet auf, ruft uns die Summe«, endlich der Scblussclioral »Gloria sei dir gesungen« ebenbürtig an. Der Ho'rcr empfing hierin der That einen tiefgehenden Eindruck von der Kraft, Majestät und Schönheit Bach'scher Kunst; auf der ändern Seile aber kann sich der Unparteiische im Hinblick anf die stabile Gleichförmigkeit des Programms nicht der Wahrnehmung verschliefen, dass die Concerte des Bachvereins, dem

ausserdem so ausgezeichnete Kräfte wie das Gewandhausorchester zur Verfügung stehen, noch mehr Anziehungskraft und Leben gewinnen könnten, sobald ausser den Cantaten auch die übrigen Gattungen Bach'scber Werke in belebender Abwechslung dem Programme einverleibt würden und, um noch einen Schritt weiter zu gehen, auch die kleineren Schöpfungen Handel's. Zum Schluss sei in Kürze der Solisten lobend gedacht, welche zum Gelingen wesentlich beitrugen: der Sopranistin Frl. Luise Verhulsl, des Bassisten Herrn Joseph Waldner und des Organisten Herrn Paul Homeyer.

í55¡ Hamburg, 7. Dec. 488!.

Geuiáss den Bestimmungen des Programms beehrt sich das unterzeichnete Comité hiermit die Namen derjenigen Herren Sub- scribcnlen zur Kenntnis» zu bringen, welche ihr Unternehmen durch Baar-Reilrage gefordert haben. Dieselbe Liste nebsl einem Verzeichnis der Subscribentcn auf die Preiswerke und Cassa-Berichl wird ausserdem allen Subscribenlen Anfang n. J. direct zugestellt werden.

Das Comité

ntr die Preis-l'oiKMirrenz für sechg Violoncello- Composltionen.

Verzeichniss der Baar-Subscribenten :

Herr J. Bieter-Biedermann in Leipzig und Winterthur . .ff 800. —

Die Philharmonische Gesellschaft in Hamburg ... - too. —

Herr Karl Grädener in Hamburg ........ - so. —

- Dr. 6. Hacbmann in Hamburg ....... - 400. —

- G. S. Kopeke in Hamburg ......... - SO. —

- J. Llpman in Hamburg ......... - 50. —

- Heinr. v. Oblendorff in Hamburg ...... -400.—

- Jacob Fini m Hamburg ......... -40.—

- Jnl. Schnitt in Hamburg ......... -400.—

- Senator A. Tesdorpf in Hamburg ...... - 50. —

- Plus Warburg ¡n Aliona ......... - 400. —

- Beinhold Begas in Berlin ......... - so. —

- Assessor Herrn. Heyl in Berlin ....... - SO. —

- Jul. Beichenheim in Berlin ........ - SO. —

- J. R. Bridion in Bollón le Moors ...... - 4S3. —

- Assessor B. Baldj in Coin ........ - SO. —

- ilfr. Schlieper in Elberfeld ........ - SO. —

- Commerzienreth Ladenborg in Frankfurt a. M. . - 50. —

- Dr. Roderich Zeilf in Jena ........ - 5. —

- Herrn. Ziegenhain in Karlsruhe ....... - 5. —

- Cons. С. Schneekloth in Kiel ....... - so. —

- Reg.-Präsident V. Dielt in Merseburg ..... - SO. —

Frau Strove in Moskau ........ 5 Rb. — - 40. —

Herr Joseph Werner, Kammermusiker, ¡n München . . - 5. —

- Otto Bondy in Wien .......... - 40. —

- Otto BondT, 4t Graben, in Prag ...... - 5t. —

- Dr. B. Dnrege, Prof., in Prag ....... - <o. —

- F. Hegenbarth in Prag .......... - 40. —

- int Razek, TonkUnstler, in Prag ...... - S. —

- Brnno Wilfert, Tonkünsller, in Prag ..... - SO. —

- Dr. Engen Herzfeld in Wien ....... - 5. —

- Commerzienralh i. Simons in Wiesbaden ... - 50. —

- Dr. Bruns in Coburg .......... - 400. —

[Í56J Im Verlage von Julius Haitianer, König!. Hof- musikalienhandlung in B r e s l a u , ist erschienen :

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Für gemischten Chor , Soli und Orchester

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Op. 22.

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Choretimmen ......... - 4.

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Athalia.*

Clavier-Anszug i Jt n. Chorstimmen a 75 fy n.

Belsazar.*

Ciavier-Auszug 4 Jt n. Chorstimmen à ( Jt n.

Cäcilien-Ode.

Ciavier-Auszug S Л n. Chorstimmen à 50 3} n.

Deborah.

Chorstimmen à 4 Jt SO ф n. (Der CUvier-Aaezug erscheint iptter.)

Dettinger Te Deiini.

Ciavier-Auszug t .ff ч. Chorstimmen a 50 ^ n.

Herakles.*

Ciavier-Auszug * ./' n. Chorstimmen à 4 Л п.

Josna.

Clavier-Auszng » Л n. Chorstimmen à 1 Л п.

Israel in Aegypten.*

Ciavier-Auszug 3 Л n. Chorstimmen à 4 Л SO Эр п.

Judas Мнп-iilmus."

Ciavier-Auszug 8 Л n. Chorstimmen à 90 ф п.

Salomo.*

Ciavier-Auszug * Л n. Chorstimmen à 4 Jt 20 Sp n.

Samson.*

Clavier-Anszug » Jf n. Chorstimmen à 90 Эр п.

Saul.*

Ciavier-Auszug 8 Л n. Chorstimmen à 75 3Ï n.

Susanna.

Ciavier-Auszug t Jftt. Chorstimmen à 75 ^ n.

Theodora.

Ciavier-Auszug » Л n. Chorstimmen a 75 ^ n.

Trauerhj-mne.

Ciavier-Auszug 2 Л n. Chorstimmen à 75 ^ n.

Textbücher zu den mit * bezeichneten Werken à 40 ^ n.

Indem ich mir erlaube, auf diese billige und correcte Prachtausgabe aufmerksam zu machen, bemerke ich, dass dieselbe die einzige Ausgabe ist, welche mit der Partitur der Deutschen Handel-Gesellschaft völlig übereinstimmt, wesshalb ich sie ganz besonders auch zum Gebrauche bei Aufführungen empfehle.

Auorinlir bet ürutfiiini í)«tibrlar!rlird|nft.

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	 	(Oratorien, etc.	 	XIII. XIII	3 îe Denm ¡n D, в р«ь Aduri 37

I. tf fiorflimnifH, £fdinrrausii0 uno Íril fino bn Э. Kitler- Bifbrrmann in L'firjig мнЬ EDinKrlfiur erfóiau«. 9 i'.ilrimírtK tiirilinimiilik 3S XI. AUrtuibrr aulne . 33 15 12 I. ïammtlid)c ïlanirrftnrtu 2 12 IV. A In a iiöcrt'rrt Cucilif node 12 VII. IX. X. Concerte fiir ®rdjcftcr 2l 12 12 15 (Efprfliamifti, (£iapjfrau»j. n. (nl 0ci Siflft-Sitbfrmanit. 1^ (Dr«elconccrtc 2S II. П. Allegro /roliftnn unb 3d)mtrmutl) . . 6 12 15 15 9 12 ¡irolif Concerte fiir Stretdjmflrnraentf . ¿[anitrau«! g. (til hi Hidfr-Bifbirainit. rir vTrrfirllrrilinimfn Qitrjg hi Hitttr*Bîtbeniiann. Athalia ' 5 XIX. tinninicrinnlik. 3? Sonaten nub Crios für tiiolincn. /löten ober Oboen, mit 6aii 27 vn. CQorllinmtn, druintgtj. «. (nl hi Httftc-Bicbcraann. ßtl'nuiu 19 flfjorfliniintii, (Eiapitrogij. g. (nl hi Rirlrr*Birbmnanit. ruf« Banb (Ш64П ig bn 6 Sonaltg fur î ITS«« nb BeO ¿Kinkel'» Ítii6((lf ¿omtofiuertn, «u* ftigtra H. i:, VIU. X. Cäcilienobc kleine 23 ¿fiorflimmtn, ^fapitmnf j. g. (nl hi Hidtr-Biibmgdng. ílanintrnuiifih für (Orfitiiq. 3ámmtlid)e 22 italtenifri)e Dnrtte nnb 2 Crios. jiurite, otrooUftünbigte Ausgabe ... 32 ïlebora 29 íljorflimnun, ŒCapifragtj. g. (tit hi nidn-Bicbtrmagn. 15 XX. 12 XXII. СЭДег. Qfrfie ßearbeihmg (1720) .... 40 if filier. Broeiiz fiearbeitmtg (1732). ... 41 jQeraklee 4 12 12 15 ©pern. XXII. lïii dirunulogifiljtr folge IjfrnusgrgrtEn.) Aîimeto .... 73 II. (tfiorllimmtn, Œfacitrainj. g. (nl hi Sitltr-Bitbinganii. XVII. XIV. IX. XVII. XIII. XIV. XXI. XXI. XXII. XXII. XX. XV. XVI. XV. XIX. XIV. XXI. XXI. XIX. XVI. XX. XV. XVII. XIV. XVI. XIII. XVII. XV. XVIII. XX. XVI. XIV. XVIII. Agrippina 57 9 9 VI. VI. ujeraklee' ttab,l 18 9 15 "11 rinn fiß 12 3ofua 17 ¿iornimmm, CCCapitraiU}. g. (nl hi Hitltr-Bitbtrmorg. 1.|>Л*лплгй 79 lo W 9

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IV. V. Ш. Samfon 10 15 15 15 Cetario 77 (EQorfliffimtg, (£fotitran»j. g. (nl hi Hitltr-Bitbtrmang. jtlujio Sceoola 64 Sanl 13 ¿Corflimmtii, (Erapitraiuj. g. (til hi Tliflfr-Biibtrmann. Мг|лп\л СО

	 	(Ottone 66
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	 	lünaloo 58
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Musikalische Zeitung.

Verantwortlicher Rédacteur: Friedrich Chrysander.

Leipzig, 27. December 1882.

Nr. 52.

Ausgegeben im März 1884.

XVII. Jahrgang.

l ii h a U :

Die Erfindung des accompagnirten Recitatives durch Aleseandro Scarlatti. — V. F. Cerveny in Königgriitz und sein Reich von Blechblasinstrumenten. (Mit 27 Abbildungen.) — Deutsche Musiker in Schweden. Von Dr. Л. Lindgren. II. J. G. Naumann. (Schluss.) III. J. M. Kraus. IV. G. J. Vogler. — Bernhard Gugler. — Cnrl Emil v. Sdiafhuull. — Kranz von Holsleiu's Lieder- composilionen. — Unvollendete Aufsätze dieser Zeitung. — Nachwort des Hcrousgobers. — Anzeiger.

Die Erfindung des accompagnirten Recitatives durch Alessandro Scarlatti.

Die Einführung des accompagnirlen, <1. h. mit vier Saiteninstrumenten begleiteten Kecitativs in die Bühnenmusik, und l. i ii ni in die Musik überhaupt, wird dem »Iteren Scarlatti zugeschrieben. Seine Erfindung ist freilich noch niegenaudefinirt ; die Angaben darüber sind vielmehr höchst unbestimmt. Dies bezieht sich zunächst auf das Aeusserliche, auf Werke und Daten. Man bezeichnet eine Oper Namens Teodoro vom Jahre 1695 als das Werk, welches die erwähnte Neuerung enthalten soll. Niemand hat diese Oper gesehen oder die Erfindung bezeugt.

Scarlatti hat wirklich ein solches Werk geschrieben ; es hrisst aber Teodora, nicht Teodoro, oder mit vollem Titel »La Teodora Augusta" und ist im Jahre 4693 componirt. Mir glückte es, die Musik in einer gleichzeitigen Handschrift aufzufinden, welche diese Angaben enthält. Die Oper »Teodora Augusta« kam sch'on 1685 in Venedig auf die Bühne mit Dom. Gabrieli's Musik, und (687 in Bologna mit Perti's Zusätzen und Aende- rungen ; noch l 695 fand eine Aufführung in Turin statt. Es war also hinsichtlich des Textes oder Stoffes ein populäres Stück, an welchem sich verschiedene Componisten versuchten. In der Handlung kommt die Scene vor , welche später durch die Kaiserin Maria Theresia in die Geschichte eingeführt ist, dass die Fürstin ihren kleinen Sohn auf den Armen dem Volke ¿eigt und dadurch dasselbe zum Kriege entflammt. Was nun Scarlatti's Musik anlangt, so ist in derselben ein begleitetes Hecilativ der angedeuteten Art überhaupt nicht zu finden. Demnach ist diese Oper bisher nicht nur irrthümlich betitelt und datirt, sondern auch ohne Grund zu einer geschichtlichen Berühmtheit erhoben.

Dadurch möchte man nun veranlasst werden, denen beizustimmen, welche die Erfindung des accompagnirlen Kecitativs dem Alessandro Scarlatti überhaupt und zwar schon deshalb absprechen, weil dasselbe zu seiner Zeit, ja bereits vor ihm, allgemein vorhanden. war. Die Thalsach« ist nicht zu bestreiten ; schon ein Blick auf Lully's und Purcell's Compo- sitionen bezeugt dieselbe. Aber eine genauere Kenntniss lehrt zugleich, dass dies doch etwas Anderes ist, als das, was man im folgenden Jahrhundert unier einem accompagnirten Recitativ verstand ; denn letzteres besitzt eine formell abgeschlossene feste Form, die dem Recilativ Lully's und seiner Zeit und Vorzeit fehlt, deutet daher auf Jemand, der dasselbe zuerst mit XVII.

einem Stempel versah, welcher dann von den folgenden Componisten als Norm betrachtet wurde. Und ich habe nie bezweifelt, dass nach seiner ganzen Art und Kraft Alessandro Scarlatti dieser Mann gewesen ist und dass er den Versuch schon in seiner früheren Periode gemacht hat; mit anderen Worten, ich habe immer geglaubt, dass für die auf uns gekommene Nachricht über seine Erfindung wirklich ein Ihatsäch- licher Grund vorhanden war. Nachdem sich die Angabe hinsichtlich der »Teodora Augusta« als Irrlhum erwies, konnte es sich also für mich nur darum handeln, das Vermisste in einer anderen Scarlatti'schen Oper zu suchen, und zwar in einer noch im 17 Jahrhundert geschriebenenen.

Das früheste Werk dieser Art von Scarlalli, welches mir zu Gesichte kam, ist ¡n einer gleichzeitigen Handschrift betiteil :

La Rosaura

Melodrama del Sigr. Alessandro Scarlatti.

Die erwähnte Handschrift befindet sich im Britischen Museum (Add. MSS. U.liiT'. Dieselbe ist undatirt und um (690 geschrieben. Gleichzeitig nenne ich sie, weil die Musik aus demselben Jahre stammen dürfte. Auch bei Rosaura handelte es sich um eine beliebte Handlung für die damaligen Theater. Eine Rosaura erschien 4689 in Venedig und Brescia, verändert in Bologna 4692 und anderswo; gleichfalls 4689 kam in Wien eine Oper Rosaura heraus, die einen anderen Componisten und sogar einen anderen Dichter hatte. Welchen dieser beiden Texte Scarlatti aufs neue in Musik setzte, vermag ich nicht anzugeben, es dürfte aber wohl noch zu entscheiden sein. Für uns kann hier zur Feststellung der Zeit der Composition genügen, dass »Rosaura« in den Jahren 4689-—4691 die Theater lebhaft beschäftigte, denn in jene Zeit weist uns auch die ganze Fassung der Musik. Das Werk hal den bescheidenen Umfang der Opern, die in den Jahren 4 680—4 690 geschrieben wurden und die offenbar Scarlatti's Vorbilder waren. Vieles zeichnet er ihnen mit Glück nach, aber Einiges auch so, dass man die Nachahmung als solche nicht verkennen kann. Dies lässt sich u. a. bei den strophischen Liederp bemerken, von denen drei in Rosaura vorkommen. Sie sind recht hübsch, namentlich das erste »/n quri bei lumi* Act I, Se. 4; aber die Melodien sind nicht eigentlich liedmässig, sondern ganz aricnhaft gehalten. Hätte Scarlatli sich völlig frei gefühlt, so würde er hier also nicht Lieder, sondern Arien geschrieben haben. Aber Lieder standen im Text, und einige meisterhafte Sätze solcher Art zierten die besten damaligen Opern.

Die Arien haben meistens die reifere Uncapo-CJeslall. iinlrr-

II

scheiden sich aber nicht merklich von denen seiner Zeitgenossen. Schon der Anfang zeigt dies. Zwei Takte Recilativ beginnen das Werk, worauf eine kleine, von kleinen vierstimmigen Zwi- schenspielen durchflochtene Arie einsetzt. Aehnlich haben viele andere Stücke rilornell - artige Instrumentalspiele, die während des Gesanges pausiren, welcher nur vom Basse und vom Cembalisten begleitet wird. Der ganze erste Act verläuft in einer Weise, die Scarlatti's Vorgängern und älteren Zeit- genossen wesentlich gleich ist ; Melodiebildung, Begleitung, Gesangschmuck, Arienform, Recitativ, alles ist so ziemlich das- selbe. Dabei gewährt es nun ein besonderes Vergnügen, die Züge wahrzunehmen, die von dem bisherigen musikalischen Gesichte der Zeit abweichen — und diese sind es, welche dem Werke seinen eigentlichen Werlh verleihen. Das Duett gegen Schluss des ersten Acts zwischen Celindo (Tenor) und Rosaura (Sopran) »So» fedele — Son delusa« hat ein kleines Recitativ zur Einleitung und endet in einem zweistimmigen Recitativ, deutet also, wenn auch erst schüchtern, die freier dramatisch gehaltenen Duette der späteren neapolitanischen Schule an, für welche Scarlatti die ersten wirksamen Vorbilder lieferte. Ein noch reicheres Beispiel dieser Art erscheint im zweiten Acte (Se. 3) und wird von denselben Hauptpersonen gesungen ; ein einfaches Recitativ des Celindo leitet es ein, darauf folgt reci- tativisches und sodann arioses Duo, letzteres mit einem ordent- lichen Da Capo, so dass hier sämmtliche Formen vereinigt sind. Auch das Duett, mit welchem die Oper schliesst, gehört der freieren oder — wie wir im Hinblick auf Steffani und Händel sagen müssen — leichteren und kunstloseren Form an, die von Späteren nachgeahmt und bis zur modernsten Gestalt unab- lässig weiter ausgebildet wurde.

Aria. Largo aitai.

7*FF&=

¡Violino 1.)

'Violino H.)

(Viola.)

Rosaura. (Soprano.)

(Bassi.)

Aber wichtiger, als die genannten Duette, sind andere Sätze dieser Oper. Dem zweiten Duett vorauf geht eine Arie der Rosaura in E-moIl : das Largo 4/4 wird durch ein Andante 12/s als Mittellheil abgelöst, worauf jenes Largo als Vorder- und Hauptsatz wiederkehrt, aber nicht ein einfaches da Capo macht, sondern recilativisch abbricht und so in die folgende Scene verläuft. In der voraufgehenden ersten Scene dieses zweiten Actes spricht Rosaura ihre schmerzliche Unruhe »ГА? pena che dolor* etc. noch in herkömmlicher Weise arios aus, obwohl dies Worte sind, die von späteren Componisten immer recitativisch gegeben wurden. Wird hier also gleichsam die Grenzscheide sichtbar zwischen dem alten Arioso und dem neueren accompagnirten Recitaliv, so muss man zugleich sagen, dass Scarlatti dieselbe nicht überschritten, mithin die Möglichkeit, welche der Text ihm bot, nicht benutzt hat und insofern hinter seinem Dichter zurückgeblieben ist. Aber das hier anscheinend Versäumte holte er später vollauf wieder ein. Der Hauptreiz dieses kleinen Werkes liegt eben darin, dass dem Tonsetzer mit jedem Acte der Mullí zu wachsen scheint, und zwar in denjenigen Aeusserungen, die im Dramatisch-Musikalischen über das Bisherige hinausschritten.

Erst der dritte Act bringt in seiner letzten Hälfte dasjenige, worauf es uns eigentlich ankommt. In der achten Scene, welche die klagende und endlich verzweifelnde Rosaura mit Arien und Recitativen allein ausfüllt, sehen wir, wie zum Schluss, mitten in einer Arie, das wahre accompagnirte Recitativ plötzlich und völlig unerwartet durchbricht. Das ganze Stück, und damit der Schluss dieser Scene, sei hier mitgetheill.

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So etwas war bisher ¡n keiner Oper geboten. Es lägst sich also wobl begreifen, dass dieser kühne Versuch einen unaus-' löschlichen Eindruck auf die Hörer machte und deshalb auch in der Erinnerung ha (leu blieb. Stellte sich doch das unerwartete

zugleich so schön, so musikalisch ergreifend und so natürlich vor! Wie sollte man ihm also nicht sofort Heiioathsrecht zuerkennen? — Nachgeahmt wurde es anfangs freilich sehr selten, selbst von Scarlatti — was meiner Ansicht nach daher rührte, dass es hier als ein Aeussersles der Seelenerregnng auftrat und deshalb längere Zeit auch nur für eine derartige Situation passend befunden wurde. Aber auch hierin liegt, dass Scarlatti mit seinem Wagniss ein Wegweiser wurde und etwas ganz Anderes lieferte, als das bisherige ungeklärte Gemisch von Hecitaliv und Arioso.

Hiermit glaube ich nun das Stück gefunden zu haben, an welchem sich die Tradition von Scarlatti's Erfindung des accom- pagnirten Hecitativs bildete, und zugleich dürfte damit der Sinn dieser Erfindung genügend definir! sein.

Die historische Wichtigkeit und der musikalische Werth dieser kleinen Oper veranlassten mich, Hrn. Robert Eitner auf seine Anfrage nach einem passenden Scarlatti'schen Werke zunächst diese Rosaura zur Herausgabe vorzuschlagen. Die Freunde der älteren Opernmusik werden das Werk also demnächst in Hrn. Eilner'}. Sammlung älterer Opernpartituren gedruckt vor sich haben.

V. F. Cerveiiy in Königgrutz und sein Reich von Blechblaainstrumenten.

Von Prof. Dr. T. SchafhïnU.

Wir haben es hier mit einer in der Welt sehr wohl, ¡n den musikalischen Zeitungen beinahe unbekannten grossarligcn Fabrik musikalischer Instrumente zu Ниш. die in ihrer Leistung und dem neuen Weg, den .-ie bahnte, wohl einzig dasteht. Sie hat uns eine ganz neue Welt von ßlechblasinstru- nicnlen geliefert, mit einer Mannigfaltigkeit von Tonfarben, gegen welche selbst das Saitenquartetl oder -(juinlelt farblos dasteht. Dieses neue Reich von Blechblasinstrumenlen in ihrer ganzen Fülle und Mannigfaltigkeit nahm seinen Ursprung wenige Jahre vor der Mitte dieses Jahrhunderts, nämlich im Jahre 1842.

Die erste Trompete in unserer historischen Zeit war wohl die Trilonschnecke'), sie besteht aus einer konischen Röhre, die aber, wie bei allen Schnecken, spiralförmig zusammen gewunden ist. Die Schale dieser Schnecke wird oft 45 Centimeter lang. Die Spitze der Schale ist beim vorrückenden Alter sehr häufig abgebrochen und bietet da ein natürliches Mundstück. Man findet auf antiken Gemälden den Triton , einen Sohn des Neptun, gewöhnlich m Begleitung seines Vaters Neptun, mit seiner Tritonschnecke, in die er bläst, das aufgeregte Meer beruhigend. Davon hat unsere Schnecke den Namen Schnecke des Triton erhallen, in dessen Mund man sie immer fand. Noch bedienen sich die Talaren hie und da solcher Schnecken als Kriegslrompeten. Auch in Ceram, dergrössten Insel aus der Amboina-Gruppe , benutzen die Alforesen diese Schneckenschalen als Kriegstrompeten, indem sie in die oberste Windung ein Loch hineinschneiden und da die Schale anblasen. Neben diesen Schalen wurden Thierhörner, hohle Zähne vom Narwal gebraucht. Es sind alles einfache konische Röhren, die oben angeblasen ihrer Form halber einen durchdringenden, weithin vernehmbaren Ton geben, der im Stande ist, die weit von einander entfernt liegenden Truppen zusammen zu rufen ; denn ich habe nachgewiesen, dass sich die Kraft des Tones bei Lippensprechinslrumenten allgemein verhalle wie die Dicke der vibrirenden Luftsäule und wie die Fläche, durch welche die Tonwelle in die Luft dringt. Die Blasinstrumente der Hebräer waren nur verlängerte Thierhörner; Thierhörner, selbst ein Ochsenhorn gebrauchten die Jäger zu ihren Rufen, und unser r.ornelto (Zinken) , ein kleines Hörnchen , wurde noch bis zu Anfang des Jahrhunderts gebraucht. Es gab raill-

Linné nennt sie Murex Trilonium, Lamarck: Trilonium va- ricgalum.

1ère und hohe Zinken, die Bas^ziuke bildete unser Surpent. Es ist nahezu i Heier lang, ohne Mundstück, ein ('.onus aus Holz von 10,8 Centimeter Weite unten. Es ¡et also «o lang, dass es ein Mann nicht bandhaben kann, da es linger ist als ein Mensch im Durchschnitte.

Erst der Canonicus von Auxerre, Eduard Lmllmtme. kam auf den Einfall, das lange Rohr scblangenarlig zu krAamen, so dass die sechs Grifflöcher, von denen es an der Seite durchbohrt war, in den Bereich der beiden Hände kamen, während das Mundstück an den Mund des Bläsers reichte.

Es wurde schlangenförmig in zwei gleichen LängeobSIflen aus zwei Bohlen von Nussbaumholz herausgeschnitten, auegehöhlt und dann die zwei gleichen Hälften zusammengeleimt, zuletzt mit Leder überzogen, dass die beiden Hälften fest an- einartder haften blieben, wenn Speichel in die Röhre k.tm.

Die Röhre unseres Fagotts, der aus dem Serpent hervorgegangen , auch von gleicher Länge ist, nämlich 2,6 Meier (8 Fuss) hat man einfach über 4er Mitte zusammengefaltet, die Messingröhre, welche den Anfang des Fagotts bildet, schlangenförmig dem Mund zu gebogen, das S genannt, so dass das Fagott nur noch 1,.У Meter (i Fuss) lang Ist.

Das Instrument batte, wie alle allen Blasinstrumente, blos 6 Grifflöcher für die diatonische Scala, von denen drei auf der ersten untersten Krümmung des Serpents (der sogenannten Feldschlange) für die Finger der rechten Hand, die drei anderen für die Finger der linken Hand an der zweiten der ersten entgegengesetzten Krümmung der Schlange angebracht waren.

Wir sehen, die sechs Grifflöcher sind in zwei Partiea ver- iIn-ill, jede zu drei Grifflöchern. In jeder Partie steht ein Griffloch von dem anderen ca. 5 Centimeter entfernt — die beiden Partien sind aber durch einen Abstand von 33 Centunelern von einander getrennt, obwohl, wie es natürlicher erscheint, zwischen beiden Partien auch nur der gewöhnliche Zwischenraum von 5 Centimeter^ staltfinden sollte, denn die Töne der Scala folgen phne Unterbrechung gleichmässig aufeinander.

Der flrundlon des Serpents war das grosse G; der gewandte Bläser konnte aber noch zwei Töne unter dem Grundlone mittelst seiner Lippen hervorbringen, nämlich das P und /.'. Voni a an sprang die Luftsäule ¡n die Octave bis </' über, die indessen nur durch einen »gepresslen« Ton erhalten werden konnte.

Alle ausgesprochen konischen Röhren haben die Eigenschaft, durch kesselförmige oder Rohrmundslücke angeblasen, den Grundion anzugeben, der ihrer Länge entspricht, dagegen geht die Theilung in Aliquoltheile schwieriger von statten, da die Aliquotlheile im Conus von verschiedener L'ange und deshalb bald länger, bald kürzer werden; denn wenn der Schwin- gungsknoten einer cylindrischen Pfeife in der Mille der Röhre liegt, so rückt er im konischen Trichter, vom Kerne aus gemessen, über die Mitte hinauf und zwar, wie ich nachgewiesen habe, verkehrt, im Verbällniss der Quadrate des Durchmessers der Pfeife in der Mitte und des Quadrates des Durchmessers der oberen Mündung.

Cer veny war es , der systematisch diesen Conus seiner Röhre zu Grunde legte, indem er die Kunst erfand , koniscbt Messingröhren in allen beliebigen Verhältnissen und Dimensionen aus einem Slücke zu ziehen. ('Vru-ny's neue Instrumente unterscheiden sich von denen der Blechblasinstrumente des vergangenen Jahrhunderts dadurch, dass sie den Grimillón angeben, der ihrer Länge enlspricht, während unsere Trompeten und Hörner noch einmal so lang gemacht werden müssen. Ich habe deshalb schon vor 28 Jahren in einem Berichte über die musikalischen Instrumente in der Allgemeinen deutschen Industrie-Ausstellung in München vom Jahre l s:ii, IV. Abschnitt S. <70 vorgeschlagen, unsere gegenwärtigen Blechblasinslru- menle in Halb-Instrumente und Ganz-Instrumente einzuteilen. Zu den1 Halb-Inslrumenten gehören alle unsere früheren Blechblasinstrumente, Trompeten, Homer etc. Wir sehen, die Blechblasinslrumente, bei welchen beide Lippen fun- giren, reichen aus der grauen Vorzeit bis zu Anfang dieses Jahrhunderts unverändert in ihrer einfachen Urkraft bis zu uns herauf. Sie charakterisiren die Zeiten, aus welchen sie in unsere HUnde kamen, in ihrer Kraft, Macht, in ihrer ernsten grossen Würde. Der hebräische Priester blies zum Gottesdienste, verkündete mit seiner Tuba die Stunde des Tages und der Nacht. Die Kriegslrompele ermulhigte das feurige Schlacht- ross, das Hörn im Kriege leitete die Aclionen der Truppenkörper (später Flügelhorn) und rief unter dem Getümmel der fürstlichen Parforce-Jagden die in dem Walde zerstreuten Jäger zusammen ; selbst die Jagdhunde, die Rüden, comman- dirle das Jagd-Cornett.

An fürstlichen Höfen war die Trompete das allgemeine musikalische Jubeliostrument, gewöhnlich aus Silber gebaut. Der Trompeter lud zur Tafel des Mittags und Abends ; Trompeter zogen, unter Paukenschläger! auf Rossen jedem fürstlichen Fest- zug voraus, führten die glänzenden Ritter zum Turniere, Trompeten begleiteten den Fürsten zu seiner Braut und mit Sour- dinen in den Trompeten die Leiche des Landeshemi zu Grabe. Die Hoflrompeter gehörten zum fürstlichen Haushalt, und unser bayerischer Hof unterhält noch vier Hoflrompeler und einen Hofpauker.

Man kannte eigentlich im (5. Jahrhundert in Deutschland nur drei Arten von Trompeten :

1. die Feldtrompele (tuba campestris),

Î. die Clárela, Hochtrompete, und

3. das Thürmerhorn, die tiefste Trompete.

Als sich die Harmonie immer mehr zu entwickeln begann, vereinigten sich Trompeter mit ihren Trompeteii_yerschiedener Stimmung zu einem Chore ; sie bildeten eine /.null, zugleich mit den Paukern, vom Gesetz geschützt, mit Privilegien, und Kaiser Ferdinand II. war der erste, welcher 1623 der Zunft der Trompeter viele Privilegien ertheilte. Diese Zunft stand zu ihrer Zeit in hoher Achtung, ebenso die Künstler auf der Trompete. Der Italiener Hon. Fantino war als künstlicher Trompeter, der die ganze Scala auf seiner Trómpele blies, durch ganz Italien berühmt, und man erzählt mit grosser Bewunderung von dem Spiele Fanlino's, den unser Hieronymus Frescobaldi, überaus lieblich, auf der Orgel des Cardinais Bourges begleitete.

Nachdem bei fortschreitender Entwicklung der Civilisation das menschliche Gefühl weicher, schlaffer wurde, begann sich auch die Musik mehr zu entwickeln und sich in ihren mannigfaltigen Formen den mannigfaltigen Nuancen des verfeinerten Gefühles anzuschmiegen, und da war es natürlich, dass man auch die Instrumentalmusik mehr in das Bereich des Gesanges zu ziehen anfing und deshalb auch unablässig an der Vervollkommnung der musikalischen Instrumente arbeitete.

Wir sehen, die Blasinstrumente, bei welchen beide Lippen fungiren, haben sich vorzüglich als kriegerische und Jagd- Instrumente durch Jahrlausende in ihrer Einfachheit und unvollkommenen Besonderheil erhalten , bis sie erst mit Anfang dieses Jahrhunderts nach vielen misslungenen Versuchen immer weiter geführt und nach der Mitte dieses Jahrhunderts auf einen so hohen Grad der Vollendung gebracht worden sind, dass an die Stelle der Kriegslrompelen und Jagdhörner mit ihren mangelhaften Naturscalen eine Reihe und ein Complex von Blechblasinstrumenlen getreten ist, die unser Satlenquar- telt, dabei aber in der ganzen Eigentümlichkeit ihres Toncharak- lers, ihrer Tonfarbe repräsentiren.

Wir haben ?.. B. in Cerveny'sBaroxylon, das unsern Sailen- Conlrabass reprüsentirt, ein (6füssiges Dis, im Phonikon Cer- venv's ein l 6füssiges G durch die ganze chromatische Scala bis

zum dreigeslrichenen a. Ja, iVrvmy hat ein Quartett aus seinen neuen Cornells zusammengestellt, die ein charakteristisches Seitenslück zu unserm Saitenquartelt bilden, und er hat 'auf Wunsch des.Kaisers Alexander III. von Russland noch einen tiefen Bass dazu erfunden, der unsern Contrabass repräsentin, daher Contrabass-Cornell genannt, das schon durch seine Leichtigkeit und seinen geringen Umfang sich merkwürdig von den übrigen Contrabass-Instrumenten unterscheidet. Schon in ihrem ersten Ansehen bilden diese fünf Cornett-lnstrumente in ihrer verhältnissmässig abnehmenden Grosse zu einander einen gewissermaassen ästhetischeren Anblick, besser noch als unser Contrabass, das Violoncell, die Bratsche und die Violine. Ueber- haupt sind alle Metall-Blasinstrumente in einer ganz neuen verbesserten, auf einem wissenschaftlichen Princip gegründeten Form aus der Öerven^'schen Fabrik im letzten Jahrzehnte hervorgegangen.

Die Blech-Blasinstrumente gehören einer eigenen Art von akustischen Instrumenten an. Ich möchte sie Lippen-oder Sprech-Schna rr werke nennen: denn das Instrument, welches den Ton in diesem Instrumente erzeugt, das sind die zwei Lippen ; sie vibriren in der entgegengesetzteu Weise , in welcher die zwei Blällchen des Fagott- oder Hoboe-Mundslücks vibriren. Sie vibriren in eben der Weise, wie wenn man ¿. B. Wasser in den Mund nimmt und in feinen Tropfen wieder aus dem Munde heraussprilzl. Das Volk nennt dies humoristisch: einen spanischen Nebel machen.

Je weniger breit derjenige Theil der Lippe ist, den man wirken lassen will, desto höher wird der Ton ; je breiter der Theil der Lippe ist, der schwingen soll, desto tiefer wird der Ton. Diese verschiedene Breite wird durch das sogenannte Mundstück bestimmt. Ein Ring, der an die Lippe gedrückt wird und also die Breite des Theiles der Lippe bestimmt, der schwingen soll, dieser Ring verläuft sich in eine halbkugelförmige Verliefung, der Kessel genannt, oder verjüngt sich wie beim Hörn bis zum Durchmesser der Hornrühre, dass die Lippen ungehindert schwingen können. Aus diesem Kessel geht die vibrirende Luft durch eine Oelftiung ¡m Grunde des Kessels in das Blasinstrument selbst. So z. B. beträgt die OefT- nung des Mundstückes bei der c-Trómpele 16.5mm, die Lange der schwingenden Lippe ist deshalb ebenso gross, während bei den tiefen Blasinstrumenten, welche unsern Contrabass repräsenliren, das Mundstück 1,5 Centimeter weit ist. Die Schwingungszeit der vibrirenden Lippe wird regulirt durch die stehenden Schwingungen der Luftsäule im Instrumente, mit welchem das Mundstück verbunden ist.

Bei keinem musikalischen Blasinstrumente, vor Allem mil kesselförmigem Mundstück spielen die beiden Lippen eine so grosse, ja die Hauptrolle ; sie sind das eigentliche Wesen, das Leben, die Seele des löuenden Inslruinenles, ja bei der Trompete z. B. hat auch die Zunge mitzuwirken; der Zungenslos< bildet das Charaklerislische der Trómpele. Bei der Flüle brins! schon die eine Lippe Seele in die lodten Noten des Flageolets und der Blockflöte; allein sie können den Tönen ihres Instrumentes nur Ausdruck und Gefühl verleihen — den Ton. durch die Grifflöcher bedingt, nur wenig erhöhen und verliefen. Bei den eigentlichen Blasinstrumenten mit kesseiförmigen Mundstücken bilden die Lippen zum grossen Theil die Scala selbst. So haben wir z. B. bei unserni oben beschriebenen Serpent nur sechs Grifflöcher, also eine diatonische Scala von sieben Tönen ; aber die Lippen bewirken noch mehrere liefere Töne unter dem Naturlon unseres Instrumentes. Die neuen Serpents gaben das Contri-/', konnten aber noch wenigstens zwei Töne liefer blasen , nämlich das l und G ; über die Octave hinaus kann das Instrument wenigstens noch sieben Töne der Scala hervorbringen. Das Serpent haï, wie wir bereits gesehen, sechs Grifflöcher ¡n zwei Gruppen verlheilt. Von den erslen drei Grifflöchern liegt eins 5,4 Centimeter entfernt, dagegen ist die nächste Serie von Grifflöchern, d. h. das drille Griffloch vom vierten im Ganzen 32 Cenlimeler entfernt und trotz dieser sechsmal grösseren Entfernung des drillen vom vierten als die des ersten vom zweiten und die des zweiten vom dritten, betrügt der Unterschied, wenn man das drille Griffloch nach dem vierten öffnet oder schliesst, nur einen halben, höchstens bis einen ganzen Ton. Mersenne sagt, er wolle die Erklärung dieser sonderbaren Erscheinung einem glücklicheren Genie überlassen.

Das Rälhsel wäre leicht zu lösen gewesen. Mersenne hatte selbst alle seine damals üblichen Bassblasinstrumente mit derselben Stellung der sechs Löcher gezeichnet. Die drei unteren Grifflöcher, welche für die Finger der linken Hand gebohrt sind, stehen immer in einer bemerklichen Entfernung von den oberen drei Grifflöchern ab, welche der Finger der rechten Hand zu decken hat.

Die Grosse der Grifflöcher, welche, wie schon der Name sagt, die Finger zu decken haben, sind natürlich von einer solchen bcstiinmlen Grosse, dass sie der Finger vollkommen verschliessen kann.

Das Griffloch soll die Röhre des Instrumentes oder^seine Länge verkürzen, also höher stimmen , nämlich den unter dein Griffloche liegenden Theil des Luftkegels des Instrumentes un- tha'tig machen ; das würde jedoch nur nahezu gelingen, wenn das Griffloch so gross als der Durchmesser der Röhre wäre. Wenn wir jedoch ein kleines Griffloch, das durch einen Finger oder auch durch eine Klappe verschlossen werden soll, in die Röhre des Instrumentes bohren, so wird die Wirkung des unter dem Griffloche liegenden Luftkegels nur theilweise vernichte!, er wirkt noch immer vertiefend auf die Luftsäule des Instrumentes. Das Griffloch muss also so lang in die Höhe gerückt werden, bis der unter dem Griffloche liegende Luftkegel der Röhre auf die darüber liegende Luftsäule so gewirkt hat, dass die gesammle Vibrationszeit bis zur Schwingungszahl des verlangten Tones erhöhl geworden, also vermehrt worden ¡st.

Dass die Luftsäule nämlich unter dem offenen Griffloch noch weiter schwingt, mit dergesammten Luftsäule des Instru- menles, beweisen die sogenannlen Gabelgriffe an der alten Flöle und der gedrückte scntimenlale Ton des Instrumentes, der namentlich von der Zcil des Werlher her so viele Liebhaber zählt, dass der lebendige frische Ton der Böhm'schen Flöte, deren Grifflöcher an Grosse beinahe dem Durchmesser der Bohrung gleich kommen, anfangs nur schwierig als Flölenton anerkannt werden wollte. Darum liegt auch zum grossten Theil die grosse Entfernung des drillen vom vierten Griffloche an unserm Serpenl.

Dadurch ist auch das Rälhsel Mersenne's gelösl. Das un- tersle Griffloch der oberen Dreilöchergruppe ist 32 Centimeter von dem obersten der untersten Gruppe entfernl — das obere Griffloch hal also eine relardirende Luftsäule von .12 Centimeter hinler sich, während das obersle Griffloch der unlerslen Gruppe von dem nächslen unier ihm liegenden nur 5,4 Centimeter entfernt ist und ebenso von dem weiter hinler ihm liegenden wieder um 5,4 Cenlimeler enlfernl Hegt.

Bei einer gespannten tönenden Saite giebt die Hälfle der Saite die Octave. Bei der Pfeife ist dies nicht der Fall ; denn die Pfeife, wenn sie in ihrer Mitte abgeschnitlen wird, hal nun ir| Bezug auf die um die Hälfte verkürzte Länge einen doppelt so grossen Durchmesser oder eine doppelt so grosse Weite erhalten ; sie wird also deswegen an und für sich tiefer stimmen, das Griffloch also schon deshalb höher geselzl werden müssen. So sind unsere Fagott« im Durchschnitte etwa î'/j Meter lang, die Hälfte wäre also 1,3 Meter; an dieser Stelle möchte man meinen, sollte der Fagott die Octave geben ; 'allein das Griff

loch, welches die Octave ertönen lässt, liegl über Н'Д Cenli- meter höher gegen das Rohrmundslück zu.

Gerade bei unserm Serpent zeigt sich die ganze Macht des kesseiförmigen Mundstückes ; denn das Serpent gehört zu den unvollkommensten Blasinslrumenlen des vergangenen Jahrhunderts. Bei seinen sechs Grifflöchern musslen erst die Lippen eine eigentliche reine Scala hervorbringen.

Die Stellung der Grifflöcher über einander an der Seite des Inslrumenles hängt von der Form der Bohrung des Rohres und vom Verhällniss des Durchmessers des Bohrloches zum Durchmesser der Bohrung ab.

Je geringer der Durchmesser des Griffloches ist, desto höher muss-es an dem Instrumenle hinaufgerückt werden ; je grosser das Griffloch ist, desto liefer kommt es an dem Instrumente zu stehen. Man hat es deshalb innerhalb gewisser Grenzen ganz in seiner Gewalt, die Grifflöcher höher hinaufzariicken, wenn man sie kleiner macht. Bei Anwendung von Klappcu, welche die Locher bedecken, wie das Böhm bei seiner neuen Flöte zuerst gelhan, kann man natürlich die Grifflöcher beinahe so gross als den Durchmesser des Instrumentes nehmen, so dass der Ton so frei klingt, als wenn das Instrument bis zu diesem Tone abgeschnitlen worden wäre.

Deshalb erklärt La Borde : Der Bläser dieses Serpents muss das feinste musikalische Ohr besitzen, seine Töne bald durch Anspannen, bald durch Nachlassen der Lippen zu vertiefen oder zu erhöhen suchen. Will er mit einem ändern Instrumente blasen, so muss er die Tonhöhe des zu begleitenden Instrumentes wohl untersuchen, um seine Lippen nach der Tonhöhe des zu begleitenden Instrumentes zu reguliren, namentlich die Töne d, dis etc. mit dem zu begleitenden Instrumente in Einklang bringen.

Wegen der eigentümlichen Tonbildung durch die beiden Lippen, durch welche Tonbildung sich diese Art von Instrumente charakterisiren, habe ich diese Instrumente Lippen - oderSprech-Schnarrwerk* genannl.

Sie gehöre« eben darum zu den am schwierigsten zu erlernenden musikalischen Inslrumenlen ; denn der Bläser hat hier seine Töne nicht gebildet vor sich, wie z. B. auf dem Ciavier oder der Clarinelle — der Bläser muss sie auf seinem Inslrumente selbst schaffen ; ein gutes, gebildetes, musikalisches Gehör ist daher bei einem Bläser von Blech-Blasinstrumenten das erste Erforderniss.

Die vibrirende Luftsä'ule im Instrumente bildet entweder einen Conus, dessen enges Ende der Lippe zugekehrt ist, oder eine enge cylindrische Röhre, die sich zulelzl erweiternd immermehr in ein Conoid verläuft. Ein Zwanzigstel der ganzen Röhrenlänge unter der Hälfle der cylindrischen Röhre fängt sich dieser untere Theil des Instrumentes langsam zu erweitern an, bis er sich beinahe plötzlich 4 Cenlimetei vom untern Ende angefangen rasch zu einem Trichter mit einwärts gebogenen Seilen erweitert, deshalb Schalltrichter, Schallbecher, Stürze genannt. Bei vielen Metall-Blechinstrumenten erweitert sich das Rohr vom Anfange bis zum Ende langsam regelmässig zu einem Conus, wie z. B. beim Flügelborn, dagegen bei der Trompete geht diese Erweiterung beinahe plötzlich rasch von stallen. Diese Form bedingt ihren brillanten schmetternden Charakter; dagegen erhallen wir durch die rationelle Erweiterung des Inslrumenles eine merkwürdige Kraft und Fülle des Tones. Der Ton ¡m cylindrischen Theil der Trompete ohne Schallbecher isl unbedeutend, nur m der Nähe wahrnehmbar; die hölzernen Sourdinen, welche bei Trauermärschen in den Schallbecher der Trompeten gesleckl werden, liefern schon einen schlagenden Beweis. Erst wenn sich der Querschnitt der in der Röhre schwingenden Luftsäule erweitert, wächst der Ton mit dem Querschnitte, und am Ende, wenn der grossimögliche Querschnitt seine Schallwellen in die Luft sendet, wird der Schall zum Trompetenschall.

Bei lönendschwingender Luftsäule hängt natürlich die Starke des Schalls von der tönenden Masse ab, welche die Tonwellen aus dem Schallbecher sendet. So ist der Schall in der hohen ('.- Trompete 8(mal grosser, als ihn die Lippen im Mundstück erzeugen.

Von der Länge eines Blasinstrumentes hängt unter den bekannten Verhältnissen die relative Höhe des Tones ab, die Fülle des Tones von der Dicke der vibrirenden Luftsäule ; dagegen die Kraft des Tones von der Fläche, unter welcher die Tonwelle in die Luft tritt.

Ich muss hier wieder erinnern, was bisher nicht bekannt war, dass die relative Kraft des Tones oder der Schallwelle, welche aus der Pfeife tritt, von der Grosse der Pfeifenöffnung abhängt, aus welcher die Schallwelle in die Luft tritt. Bei gleichbleibendem Verhältnisse der Kraft, welche den Ton erregt, hängt der quantitative Ton immer von der Höhe der Pfeife ab.

Bei zwei Pfeifen, bei welchen alle lonerregenden Verhältnisse gleich sind, welche nämlich dieselben Verhältnisse im Aufschnitt, denselben gleichen Zufluss der Luft erbalten, hängt die Kraft des Tones lediglich von der Kreisfläche ab, durch welche die Schallwellen in die Luft treten.

Bei zwei Orgelpfeifen, welche dieselbe Länge, dieselbe Weile am Aufschnitt, dieselbe Kernspalte besitzen , hängt die Stärke des Tones nur von der obersten Kreisfläche ab, durch welche die Tonwellen in die Luft treten. Die Kraft desselben Tones, hier ohne seine Tonhöhe zu ändern, wächst, je mehr sich der Pfeifenkörper nach oben kegelförmig erweitert. Derselbe Ton nimmt immer mehr und mehr an-Kraft ab, ohne seine Tonhöhe zu ändern, je mehr sich die Pfeife kegelförmig zusammenzieht.

Bei einer verkehrt konischen Pfeife wächst der Ton so lange, als die wachsende Divergenz der Seiten noch мип musikalischen Too möglich macht oder die Existenz einer ehcnden Tonwelle innerhalb der Grenzen des Pfeifenkörpers möglich ist.

Wir finden dies Im Leben seihst «o Tiäufig bestätigt. Wir hören das Gerassel eines Wagens, der auf der Strasse z. B. vor der gewölbten Durchfahrt eines Palastes vorbeifahrt, auf der Sirasse zwischen dem Wagen und dem Thore des Gebäudes in gewohnter Weise. Stehen wir in der Durchfahrt selbst, so wird das Gerassel so stark, dass wir den Wagen neben uns rollen zu hören glauben, und das Gerassel wächst an Kraft, je höher, weiter und länger die gewölbte Durchfahrt ist.

Die Schallbecher sind deshalb bei allen röhrenförmigen Blech-Blasinstrumenten nolhwendig, bei welchen die erste erregende Tonwelle aus den Lippen strömt und eine bedeutende Kraft ausübt ; nur darf das Instrument keine Seitenöffnungen haben ; denn mit der Seilenöffnnng und der Zahl dieser Seiten- öHnungen verschwindet die Wirkung des Schallbechers immer mehr. Den schönsten Beweis giebt uns die Clarinette. Die Clarinette erhält durch den Schallbecher vier Register. Das erste Register, wenn alle Klappen geschlossen sind, ist das sogenannte Schalmei-Register oder, wie oft in der Partitur steht, Chalumeau. Hier ist der Schallbecher in seiner vollen Wirkung. Je mehr Grifflöcher geöffnet werden, desto mehr verliert der Schallbecher an seiner Wirkung. Nach der ersten Octave wirkt der Schallbecher nur noch schwach, und hier beginnt das zweite Register, und da wirkt der Schallbecher nur noch durch vier Töne der Clarinellscala bemerklich.

Beim drillen und vierten Register bat der Schallbecher seine Wirkung ganz verloren. Wenn wir mit dem Grundtone der Clarinette e anfangen, endet das Schalmei-Register mit der Octave e1 und begreift die Töne fl g1 a1 M. Das dritte bginnl mit Л1 c2 bis c3; das vierte beginnt mit d3 durch die ganze Octave

bis zum rf4. Daher ist die Stürze bei allen Blech-Blasinslrumen- ten mil Klappen nur bei den untersten Tönen von Wirkung, z. B. bei dem Klappen- oder Kenlborn, gerade so wie bei den Clarinelten. Blech-Blasinstrumente mit Klappen kommen auch mehr und mehr ausser Uebung.

Eine interessante Erläuterung über die Wirkung des Schall- bechers liefert uns Cerveny's S с h a 11 h o r n — es ist eine Art Baryton. Cerveny hat aber den Schalltrichter oben wieder kugelförmig zusammengezogen, wie dies beim Becher des sogenannten englischen Horns der Fall ist, so dass die OefTnung wieder kleiner wird, so wie eben der Durchmesser war, da, wo er sich am Ende des Instrumentes in die Kugel des Schallbechers auszuweiten beginnt. Der Ton des so kräftigen Barytons ist dadurch äusserst weich und milde geworden, tonvoll, aber ohne das Durchdringende des gewöhnlichen Barytons.

Bei den ersten Metall-Blasinstrumenten unserer Zeit war der grossie Theil der Messingröhre cylindrisch, nur am Ende begann die Röhre konoidisch zu werden und breitete sich zuletzt zu der sogenannten Stürze aus, wie unsere alten Jagdhörner beweisen und die ältesten Trompeten. Erst Öerveny verstand es, die Röhre seiner Metall-Blasinstrumente durch den grösslen Theil ihrer Länge und zuletzt ganz konisch und zwar aus einem Stücke zu ziehen, und schon dadurch gewann sie an Fülle des Tones, den man unter gleichen Umständen bei allen gleichen Blasinstrumenten vermisste, obwohl dadurch wieder neue Schwierigkeiten anderer Art entstanden, welche Cerven^ gleichfalls glücklich bemeisterle.

Alle Metall-Blasinstrumente, Lippen-Schnarrwerke, geben im Allgemeinen ihre Töne nur dadurch, dass sich die Luftsäule fort und fort in immer gleiche Theile theilt, in die sogenannten Aliquotlheile, wie bei den Orgelpfeifen durch Labien angeblasen. Die Luftsäule in der cylindrischen Röhre theilt sich bei starker Pressung der Lippe zuerst im cylindrischen Rohre in vier gleich lange Theile, sobald die Trompete oder das Hörn ihren eigentlichen Grundion angeben, den aber nur höchst selten Bläser zur Ansprache bringen können. Beim weitern Spiele der Lippen theilfsich die tönende Luftsäule in acht Theile, welche die Oclave des Grundtones geben, welcher der ganzen Länge der Röhre entspricht. Es ist dies die Oclave des Grundtones, die man eigentlich bei unserer Trompete, Waldhorn als Grundton benutzt, den wir z. B. 6' nennen wollen. Wenn sich bei starker Anspannung der Lippen die Luftsäule in zwölf gleiche Theile theill, so erhallen wir die Quinte G. Theilt sich die Luftsäule in \ б Theile, so erhallen wir die Oclave vom sogenannten Grundton der Trómpele, nämliche. Theilt sich die vibrirende Luftsäule in îi Theile, so erhalten wir g, und dies ist der eigentliche Grundton, von dem man im Orchester Gebrauch macht.

Die vibrirende Saite theill sich in

l 4 U J J_ t 4 А А Л Л Л »"quote Theile Ccgcegbcd e f g a 4S3456789<OH<2<3 Schwingungsidten.

An einer tönenden cylindrischen Luftsäule finden wir beim Erscheinen des Grundtons die Luftsäule in zwei gleiche Theile getheilt, die durch eine ruhende Luftschicht in der Mitte ihrer Länge geschieden sind. Man kann also unter diesen Umständen die Anzahl der Schwingungsknolen in einer solchen Luftsäule durch die obigen Schwinguugszahlen ausdrücken. Wir haben beim Grundion einen Schwingungsknoten, bei der Oclave zwei Schwingungsknolen u. s. w.

Man sieht, die Töne rücken immer näher zusammen, je kleiner die Aliquotlheile werden. Die erste Theilung der Saite in zwei Theile giebt uns die Oclave, und nur bei Lippenblasinstrumenten gelingt es, diesen grossen Sprung durch die Quinte zu vermitteln. Erst in der zweigestrichenen OcUve treten die Töne so nahe zusammen , dass sie 'unsere Scala bilden ; allein auch da ist die Quarte zu hoch, sie ist mehr fit als f; dagegen die Sexte und Septime zu tief.

Dies ist indessen die eigentliche Lage, in welcher die Trompeten , Hürner etc. im Stande sind, eine Melodie zu blasen, wie sie z. B. Händel oft von seinen Trompeten fordert. In unseren Tagen, wo die Trompeten mehr als Tonfarben benutzt werden, ¡st unter hundert Trompetern nicht Einer im Stande, diese Töne rein zu blasen.

Man sieht, die Hörner, Trompeten konnten mit ihrer mangelhaften Scala nie in eine andere Scala und andere Stimmung gebracht werden als in die, welche der Grundton angab. Man musste deshalb für jede Stimmung ein besonderes Hörn bereit hallen. Das erste Hörn stimmte £ (die früheren bei der Jagd gebrauchten Waldhörner stimmten Es), und man hatte dazu Hörner, die /'. G und B stimmten. Wegen der Kostspieligkeit kam man auf den naheliegenden Gedanken, an das hohe Hörn Hohrstücke anzustecken, um es so zu verlängern und also tiefer zu stimmen. Da diese angesetzten Rohre immer länger wurden, je liefer man das Instrument stimmen wollte, so wand man auch diese Ansatzstücke wie das Hörn selbst kreisförmig zusammen, weshalb diese Stücke in der gewöhnlichen Sprache Krtimmbogen oder einfach Bogen hiesseo, die man an die obere Oeffnung des Horns steckte und auf diese erst das Mundstück. Da mit jedem Schritt weiter in die Tiefe die Aufsatzstücke länger werden mussten, so musste man sie, um sie handhaben zu können, in mehrere Windungen krümmen. Setzte man diese Aufsätze oder Krummbogen alle mit einander zusammen vereinigt auf das Hörn, so konnte man das Hörn sogar um eine Octave vertiefen. Denn die Hörner und Trompeten bestanden früher aus einer geraden Röhre, die so lang war, dass sie auf eine Unterlage gelegt oder beim Umzüge von einem Manne auf der Schulter getragen werden mussten, wenn sie der Hornist benutzen sollte. Der Gebrauch dieser Hörner svar deshalb sehr beschränkt. Die Alten hatten schon in einen Halbkreis gekrümmte Hörner; die Kunst, das Rohr zu krümmen, war aber wieder verloren gegangen ; denn Röhren aus Silber oder Messing Hessen sich nicht krümmen, ohne abzuknicken! Da kam ein Instrumentenmacuer in Paris 4660 auf den Einfalt, seine Hornröhren mit Blei auszugiessen ; nun Messen sie sich vorsichtig biegen und in jede Form bringen. Hatte die Röhre ihre Kreisform erhalten , so schmolz man das Blei vorsichtig und liess es wieder aus der Röhre herauslaufen.

Erst in den neuesten Zeiten kam man auf den glücklichen Gedanken, diese verschiedenen Aufsatzbogen mit einem einzigen Hörn und mit einander zu verbinden , so dass man die Tonwellen aus dem Mundstücke einfach durch das Hörn oder zuerst durch jeden beliebigen Ansatzbogen und dann erst ins Hörn dringen lassen konnte.

Schon im Jahre 4790 hatte Clagget in London zwei Herner mit einander verbunden, die nach Belieben, jedes für sich, durch ein einziges Mundstück angeblasen werden konnlen. Das eine Hörn, das längere, stimmte d, das zweite es. Ein Ventil, wie man es in der neuesten Zeit braucht, mit einem Drücker verseben, leitete, wenn man es seitwärts drückte, die Tonwelle des Mundstückes, statt in das d-Horn, in das es-Horn.

Abt Vogler hat im Finale seiner Symphonie aus C-dur blos die diatonische Scala als Thema benutzt. Kein Hörn konnte natürlich die diatonische Scala angeben. Vogler benulzle deshalb zwei Hörner in F und G.

Der Bass hatte die absteigende Scala

Г Г

Zur Ausführung dieser Scala standen ihm im F-Horoe der Dreiklang c-a-f. im G-Horne der Dreiklang h-g-d zu Gebote. Diese zwischen .einander geschoben, gaben die Scala

cafo h g d.

Es fehlte noch das e, das durch die C-Trompete ersetzt wurde, wie die folgende Partitur deutlich zeigt :

Aus dem Finale von Vogler's C-Symphonie.

Tromba in С.

Corn! in С.

Corni in F.

Bass.

Dieser Mühe, zur Herstellung einer Scala zwei Hörner und eine Trompete verwenden zu müssen, wurde man, wie schon bemerkt, durch die Ausführung der sogenannten Maschine überhoben, welche alle Krummbogen mit sich verband, und durch sie war es möglich, wie schon bemerkt, die Tonwellen aus dem Mundstück nach Belieben durch das Natur- horn, oder durch den ersten, zweiten, dritten, oder durch den zweiten und -dritten Bogen, oder durch alle drei Krummbogen gehen zu lassen.

Die Krummbogen des Nalurhorns sind hier beim Schritt durch einen Halblon lang gezogen zu einer Art Gabel gebogen, Fig. IV ggg — beim Schritt durch einen Ganzion in einfacher, zuneh-

mend in die Länge ge-

Fig. I.

zogener Windung am Hörne befestigt, Fig. IV üi, da ihre beiden Enden immer nach einander mit demselben PUloncylinder oder mit demselben Walzencyliuder verbunden werden müssen.

Die sogenannte Maschine besteht gewöhnlich au> drei neben einander angebrachten Ventilen , Fig. I ni: r. Der Haupttheil der Maschine besteht aus einem kurzen Cylinder aus Messing, den im Querschnitt Fig. II zeigt und welcher recht- winklig auf seine Achse zweimal von krummen Röhrchen durchbohrt ist. Ihre1 Windungen liegen um einen Quadranten der Peripherie des

Ht

Cylinders auseinander. Diese Höhrchen sind von der Röhre des Instrumentes gleichsam eine Fortsetzung. Dieser doppelt durchbohrte Cylinder, den die Mechaniker Piston nennen, bewegt sich in einem äusscrn dicht anschliessenden Cylinder luftdicht und wird in demselben auf- und niedergeschoben wie der untere Theil der Zugposaunen.

In die äussere Hülse, in welcher sich der Piston auf und nieder bewegt, mündet von der linken Seile der Anfang der Hornröhre i, auf der rechten Seile die Forlsetzung des ganzen Homes e. Man sieh,! in der Figur, der tönende Luftstrom, der aus dem Mundstücke von der Seite d kommt, wird nun nach rechts abgeleitet und wird gezwungen, durch den absteigenden Krummbogen zu gehen, aus welchem er auf der linken Seite wieder zurückkehrt und nach rechts abgeleitet in das Horn e zurückkehrt. Etwas tiefer darunter, etwa (5 mm, ist der Cylinder von einer geraden Röhre durchbohrt, die nur eine Fortsetzung der Hornrölire ist, wie die punktirlen Linien in der Figur I anzeigen. Eine Spiralfeder im untern Tbeile des äusse- ren Cylinders drückt den Piston in die Höhe, so dass die einfache gerade Röhre, von welcher der Pistón unten durchbohrt ist, mit der Hornröhre communicirt. Oben aus dem Piston steigt als Verlängerung seiner Achse ein Draht empor mit einem Knopfe, g, g, g, auf welchen sich der Finger legt. Will der Spieler einen Krummbogen benutzen, so drückt er den Knopf und mit ihm den Piston so weit nieder, bis die doppelle Durchbohrung 6 с mit dem Hornröhre communicirend als Fortsetzung derselben gilt.

Statt des Pistons bedient man sich in neuerer Zeit ebenfalls eines sehr niedern Cylinders, der in derselben Weise doppelt durchbohrt, sich jedoch um seine Achse dreht, also nicht mehr auf- und abgeschoben wild. Er ist gleichfalls doppelt durchbohrt, aber in anderer Weise. Die durchbohrenden Röhren sind nun in einem flachen Bogenstück gekrümmt nach Fig. III A und /( Sie sind wieder Fortsetzung der Hornröhre b, c, d. Dreht man das kurze Cylinderchen oder Ra'dcben A um

Kig. 111.

den vierten Theil seines Umfanges von der rechten zur linken, so kommt die Oeffnung der Röhre a über die Mündung der Robre e zu stehen. Die Röhrenslückchen im Rädchen erhallen nun die Stellung in Fig. II, d. b. die tönende Luftsäule wird nun genöthigl, durch den Krummbogen e hinab imd durch den ändern Theil des Krummbogens /' wieder herauf durch den zweiten Canal wieder in die Fortsetzung der Hornröhre </ zu treten. Wie in der Zeichnung I und IV zu ersehen, sind gewöhnlich drei Gabelbogen an einem Instrument mit einander verbunden.

Die Pistons-Schubventile werden blos mittels des Fingers niedergedrückt oder geschoben ; eine Spiralfeder unter dem Piston in der Hülse drückt den Piston wieder in seine ursprüng

liche Stellung empor, wo er die vibrirende LufUäule ungehindert in das Naturhorn ziehen lässl.

DieCylinderventile werden stall des Drückers durch Tasten mittels eines Stechers um den vierten Theil ihres Umfangs gedreht. Die Walzenmaschine kann und darf überhaupt nur an dem obersten Theile der Röhre der Blasinstrumente angebracht werden ; sie kommt deshalb immer innerhalb der Windung des Blasinstruments, d. h. zwischen der äusseren Windung desselben zu liegen, Fig. IV а, Ь, с. Bei den Pistons kann man die Achse der Pistons mil ihrem Knopfe so weit verlängern, bis sie ins Bereich der äussersten Windung und der Finger kommt.

Fig. IV.

Bei den Rädchen oderCylindern ist eine compilarte Vorrichtung nöthig, bei kleinen Rädchenmaschinen ist auf die Achse des Rädchens eine Kurbel, wie z. B. an einem Spinnrade, oder ein Scheibchen, Fig. ]\' k k k, gesteckt. Ueber der Kurbel ist an der äussersten Windung eine Taste d e f befestigt, die sich um ihre Achse niederdrücken lässt. Um die Achse ist in einem Federhause / / l eine Uhrfeder gewunden , welche die niedergedrückte Taste wieder in die Höhe hebt und in ihre alte Lage bringt. Das Ende der Taste ist hinter der Achse rechtwinklig abgebogen und drückt mit diesem Ende einen Stift nieder, der an seinem anderen Ende mit der Kurbel oder dem Scheibchen kkk verbunden ist. Drückt man die Taste nieder, so schiebt das Stäbchen die Kurbel des Rädchens und somit das Rädchen um den vierten Theil des Umfanges des Rädchens abwärts in der Richtung des Pfeils Fig. III A und die beiden Oeffoungeo der Durchbohrung des Rädchens kommen nun mit den <MI- nungen des Krummbogens in Verbindung, Fig. III B e f.

Diese sogenannte Maschine ist von ausserordenllicher Wichtigkeit für unsere gegenwärtige, so glänzende und gleissende Farbenmusik herangewachsen. Durch sie sind unsere Melall- blasinstrumente zu einer Vollkommenheit gebracht worden, die sie den Holzblasinstrumenten ebenbürtig macht, ja sie bieten uns einen so ausserordentlichen Reichlhum ¡n den verschiedensten Tonfarben und Tonnüancen, die wir mit unseren Holzblasinstrumenten nie erreichen können, und darum sind sie in ihrer ausserordentlichen Mannigfaltigkeit integrirende Theile unseres modernen Orchesters geworden.

Eines Schubventiles hatte sich schon, wie wir gesehen, Charles Clagget bedient ; aber erst der ursprünglich deutsche Joseph Meifeid, Hornvirtuose und Lehrer des Horns am Pariser Conseivatorium, gest. <867, hatte eigentlich die drei Schub- ventile an seinem, Hörne angebracht; nur gebrauchte er, da seine Ventile den Durchmesser der Hornröhre hatten, statt für jeden Krummbogen ein Ventil, deren zwei, das eine, welches niedergedrückt der vibrirenden Luftsäule den Weg ¡n den Krummbogen öffnete, das andere, welches den Strom aus dem Krummbogen wieder ¡n die Hornröhre zurückleitete.

Der ausgezeichnete Blasinstrumentenmacher Adolph Sax gab seinen Ventilen einen grösseren Durchmesser und seinen grossen Pistons, wie wir gesehen, eine horizontale doppelte Durchbohrung; er verwandelte also die zwei Ventile Meifeld's in eines, wie wir sie bei unseren Luftpumpen längst gebraucht, und begründete dadurch unsere gegenwärtige Maschine mit Pistons.

Man erhält mit den drei Ventilen und ihren Drückern oder Tasten sechs Scalen. Bei dem Ö-Horn z. B. haben wir die Nalurscala in D. Sie heissl :

dadftsacdeßsgacd.

Drückt man den ersten Hebel nieder, benutzt also den ersten Bogen, so wird das Hörn um einen Ton liefer, man erhält nun die Scala С ; drückt man den zweiten Hebel, giebt es die Scala des CVi-Ilorncs, drückt man den dritten Hebel nieder, so bekommen wir die Я-Scala. Verbindet man den ersten und dritten Hebel mit einander, also den C-Hebel mit dem Я-Ilebel, so haben wir eine Verbindung von zwei Tonen mehr, nämlich die /1-Scala.

Verbinden wir die drei Hebel mit einander, so erhalten wir die Л«-8са|а.

Die drei Hebel schreiten nämlich mit einander immer um einen ganzen und einen halben Ton in die Tiefe, vomßausdurch Ci* nach dem ganzen Ton H, fügen wir also zur Stimmung des dritten Hebels Я noch den ganzen Ton hinzu , so sind wir im A, und einen halben Ton weiter gelangen wir zum zweiten und dritten der zwei Hebel, also alle drei mit einander verbunden ins A. Jede dieser Scalen hat ihre eigenen Halblöne, welche den übrigen Scalen fehlen, und so erhalten wir durch die drei Hebel eine vollkommen chromatische Scala, die natürlich aus den sechs Veränderungen dieser Krummbogen einfach ausgewählt und zusammengesetzt wird, wie die .nachstehende Notenlabelle lehrt.

C'-Horn. 1. Drücker.

H-Horn. 3. Drücker.

B-Horn. 2. Drücker.

Cu-Horn.

2. Drucker.

A-Horn.

1. n. 3. Drücker.

As-Horn.

1.2.3. Drucker.

Scala des D-Domes mit der lisehlie.

2121 2

0333212033

—^k

F * P

^

HP

1203120120

Die Zahlen über den Noten zeigen die Drücker oder Tasten der Maschine an.

So benutzte nämlich Adolph Sax, früher in Paris, die Idee des Pariser Hornisten Meifeld und verwandelte die zwei Ventile für jeden Ton in eins, indem er den Durchmesser seines Schubventils vergrösserte und dasselbe mit zweiCanälen durchbohrte, also die beiden Ventile in eins verwandelte. Sax brachte dann solche Schubventile an seinem Hörn und den übrigen Blechblasinstrumenlen an.*) Schon Carl Joseph Sax, der Vater Adolph's, machte eine Reihe von Versuchen, die besten Verhältnisse bei Verfertigung der Blasinstrumente aufzusuchen, und setzte dabei sein Vermögen zu. Der Sohn Adolph baute auf den Versuchen seines Vaters fort, benutzte vor allem die drei Pistous an seinem Instrumente, wodurch er eine ganz chromatische Scala erhielt — und dies ist eigentlich sein wahres Verdienst. Diese drei Ventile brachte er an allen seinen Instrumenten an und schuf eine Menge modiHcirter Blechblas- instrumente, denen er seinen kurzen Namen vorsetzte. So haben wir von l s l:t an ein kleines Saxhorn, ein Saxhorn in B, ein Tenor- , ein Baryton-, ein Bass- und ein Contrabass-Saxhorn, ein Saxophon; unter den gewöhnlichen Blechblasinstru- menlen Posaunen, Cornets à l'iston, Trompeten etc., die er alle mit seinen Pistons versah. Die Instrumente von Adolph Sax

  • ) In Oesterreich erfand Prof. Keil am Prager Conservatorium der Musik im Jahre 1836 die erste Cylitidermaschme. Die Erfindung verkaufte er in Jos. Pel. Hit-del in Wien, der sie prmlegirle.

verbreiteten sieb rasch in Frankreich. alte Musikkörper der Armee wurden mil den Instrumenten von Sax versehen.

Die Er6ndung des Sax wurde, auch ausserhalb Frankreichs, überall, wo Blephblasiuslrumente.. gebaut wurden, mit Jubel aufgenommen. Die Instrumente des Sax gelbst aber erfreuten sich in Deutschland keiner brillanten Aufnahme; die Qualität ihres Tones war bei den Deutschen nicht beliebt.

Die Haschine ermöglicht es, dass z. B. auf dem Hörn die ganze chromatische Scala hervorgebracht werden kann ; allein die Reinheit gewisser Töne dieser Nalurscala hängt von zwei Hauptbedingnissen ab : von der Stellung der Maschine am Rohre des Blechinstrumentes und von der Form der Röhre selbst.

Der Reinheil der Scala im Ventilhorn halber selzte der ehemals berühmte Blechblasinslromenlenmacher Leopold Uhl- maan in Wien (im Jahre 1854) unter die Scala seiner Blechblasinstrumente nothgedrungen folgende Zeichen bei, welche, um immer rein zu blasen, genau beobachtet werden musslen. Töne, welche durch etwas Treiben des Alhems höber gestimmt werden müssen ; Töne, welche durch starkes Nachlassen des Alhems entweder theilweise oder ganz gebildet werden müssen ; Töne, welche durch starkes Treiben des Athems entweder Iheilweise oder gañí gebildet werden müssen. Daher kam es, dass an das gewöhnliche Instrument gewöhnte Bläser auf den ganz rein gestimmten Instrumenten Oerven^'s gewisse Töne immer unrein wiedergaben, weil sie gewohnt waren, z. B. bei dem Ophikle'id in P die Töne В, С, Ci» mit schwachem, mit abgeschwächtem Albern zu blasen.

Wenzel Franz Gervenf.

Es war der tüchtige Bläser aller Bleohblasmstrumenle und zugleich Fabrikant von Melallblechblasinslrumenten zu Köiiig- grätz bei Prag, Wenzel Franz Öenieny, der seine Blechblas- inslrumente nach einem neuen Princip zu conslruiren sn6ng. Wahrend die Messingrohre der früheren Blechblasinslrumenle immer cylindrisch von engem Durchmesser sich erst spater oder gar zuletzt konisch zu erweitern begannen, gab er seinen Blech- blasinstrumenlen eine viel regelmäßigere weitere konische Form; die tönende Luftsäule war deshalb voluminöser, die Töne darin voll, dick und klingend. Allein damit erwuchs eme kaum zu überwindende Schwierigkeit in Bezug auf die Construction der sogenannten Maschine und auf, die Stelle des Rohres, an welcher die Maschine angebracht werden muss te. Während die Schwingungsknoten in einer cylindriscben Pfeife in der Hälfte der Pfeifenlänge oder in regelmäßige» Unter* abtheilungen liegen, rücken die Sdiwingungskooten in einer nach oben sich erweiternden Röhre aus der Mitle nach oben, und ich habe bereits entwickeil, dass die Länge oder Höhe der konischen Pfeife zu der Höhe, in welcher sich der Schwingungsknoten von dem Kerne an gerechnet in der Pfeife findet, sich zu einander verhallen wie das Quadrat des grössleq oberen Durchmessers der Pfeife zum kleinsten über dem Kerne.

Die konischen weiten Röhren .geben ihren eigentlichen Grundion, den man bei gewöhnlichen Blechblasinstrumenten nie hört, sehr leicht an, dagegen erhält man die hohen Aliquot- theile nur schwierig oder in gewöhnlicher Weise gar nicht, während man bei den gewöhnlichen Blechblasinslrumenten, Hörn und Trompete, den Grundion gar nicht berücksichtigt, dagegen die hohen Aliquollheile der Scala sehr leicht erhall.

Der Ton, die Klangfarbe der neueren Ganzinstrumenle ist deshalb eine andere, vollere, eigentümliche geworden, mit unserem gegenwärtig musikalisch gewöhnten Gefühle im vollsten Einklang sich befindend, die anders geworden sind als zur kräftigeren Zeit des verflossenen Jahrhunderts. Unser Serpent z. B. stammt aus den alten Zeilen. Der Serpent wurde, seit ihn der Kanoniker Ed. Guillaume (590 tragbar in Schlangenform gebracht, in Frankreich vorzüglich in den Kirchen zur

Begleitung des Chorales gebraucht (ich habe ihn z. B. noch in den dreissiger Jahren im Dome zu Lyon gehört), auch bei den Mililärmnsiken sah ich ihn noch In meiner Jugend verwendet. Dies Instrument allein ist ein Beweis, wie sehr sich das musikalische Ohr mit der Zeit verändert lut. Mersenne (4640) bewundert dies Instrument, und wenn er auch sagt, dass der so kräftige Ton zwanzig Sänger beherrsche, so kann er, von einem Knaben angeblasen, durch die susse Zartheit seiner Töne den zartesten Gesang, des Singers lebende Stimme nachahmen. Anders H. Berlioz, 130 Jahre darnach. Er ist wütbend über die Wildheit des Instruments. iDer in der Thal barbarische Ton dieses Instrumentes«, sagt er, »halte viel besser zu dem blutigen Gottesdienste der Druiden, als zum Kalholicismus ge- passt, ein ungeheuerliches Denkmal des Verstandes und der Geschmacks- und Gefüblswa'hrheil, welche seit unvordenklichen Zeiten über den Gebrauch der Tonkunst beim Gottesdienste in unseren Tempeln entschieden habe.i*)

Unsere Zeit hat aas dem für den sel. Berlioz so schrecklichen barbarischen Instrumente .durch Cerveny ein Instrument gebaut, wie «s Mersenne vor 230 Jahren gehört. Das Serpent der neuesten Zeit hat (.Vrveny Phonikon genannt.

Zugleich nahm Cerven^ seit dem Jahre 1843 mit der Maschine aus den bisher üblichen Pislon-Cylindern bestehend, eine neue Umformung, eine grosse Verbesserung vor, die er im Jahre 4873 zur Vollendung brachte und ein Patent dafür erhielt. Es gelang endlich Cervcny, die Cylindermaschine in liegender Form herzustellen, wie er selbst sagt. Mit dieser Walzenmaschine, wie er sie nennt und auf der Londoner Ausstellung l 850 noch nicht gefunden, gelang es ihm endlich 1873 seiner Walzenmaschine die lange gesuchte Vollendung zu geben und sie bei der Wiener Ausstellung zur Geltung zu bringen.

Die Hebelverbindung des Tastens mit der. Peripherie der Walze oder des Rades kam nicht seilen bald in Unordnung. Um diesem Uebel abzuhelfen, erfand der ältere Sohn öerven^'s, Jaroslav, eine höchst sinnreiche Vereinfachung des sonst com- plicirlen Hebelmechanismus in der Art, dass der Finger direct mittelst eines Stechers auf das Scheibchen oder den Krummzapfen der Achsen dar Walze wirkt. Der Tasten liegt also gerade über der Walze, die nun auf den ersten Tbeil des Ro'hres gestellt, ist, während das Federhaus dee Hebels, das mit dem Tasten verbunden, die Walze wieder in ihre alte Siellang zurückzieht und an der ehemalige» Stelle der Walze steht. Dabei bat er eine einfache Vorrichtung zur beliebigen Spannung der Uhrfeder angebracht, welche den Hebel and die Walze wieder in ihre alle Stellung zurückführt, wenn der Finger darüber nachlässl. Ausserdem hatte er die sich drehende Walze konisch geformt, wobei eine Feder sie in ihre Lagen drückte, so dass sie auch bei dem längsten Gebrauche nie undicht werden kann. Die Figur V zeigt ÍVmMiy's neueste Walzenmaschine , drei Walzen unten mit ihren Drückern darüber,, welche von drei Federhäu- 8'

scrn ausgehen, welche die Drücker heben und dadurch die Walzen wieder zurück drehen.

Die Stelle, an welcher eigentlich die sogenannte Maschine

P, »,-«,

  • ) Berlioz konnte missen dem Serpent noch manches andere Be- silzlhum der alleren Tonkunst nicht ausstehen, z. B. Orgeln und Fugen. Als er einmal in Cherubini's Gegenwart ausserle »Ich mag die Fugen nicht leiden» — erwiederte dieser: »Seien Sie unbesorgt, die Fuge mag Sie ebenfalls nicht leiden.« Chr.

angebracht werden musste, war bei diesen weiten Röhren ausserordentlich schwierig zu finden, um die Maschine so zu construire», dass alle Töne der ganzen chromatischen Scala rein erschienen, was vor Öerveny nie der Fall war.

Auch die Hörner, Trompeten etc. mit der Maschine fiflêgle man durch aufgesetzte Krummbogen noch tiefer zu stimmen. (Vrvrny erfand seine Tonwechselmaschine.

Cmeny's „Tonwechsel".

Ein Triumph des Scharfsinnes unseres Meisters ist der To n Wechsel*), patenlirt im Jahre (846, den er an seinen liefen Instrumenten, dem Harmoniebass, Cornon, Bombardon angebracht hat ; hier stellt er die successive Communication der Hauplröhre mit drei bis fünf Tonbogen her, und der Hahn muss deshalb wenigstens von vier krummen Oeffnungen durchbohrt sein, welche etwa folgende Stellung haben könnten : )д(

Die Zahl der möglichen Verbindungen mittels dieses Tonwechsels ist immer gleich der Anzahl der Röhren, von welchen er durchbohrt ist, weniger einer. So lässt ein Tonwechsel mit zwei Honren nur eine Verbindung zu, einer mit 3 Röhren zwei, einer mit 4 Röhren drei, einer mit S Röhren vier, einer mit 6 Röhren fünf, einer mit 7 Röhren sechs. Natürlich muss dann mit der Zahl der Röhren der Wechsel oder das Rad immer einen grösseren Durchmesser erhalten.

Die Hauptsache ist, dass der Rand des Rades immer in eine Anzahl von gleichen Theilen getbeilt wird, so dass die Röhren- ölTnungen gleich weit von einander zu stehen kommen. Die Tonbogen werden dann im Kreise gabelförmig mit ihren Oeffnungen in das Gehäuse des Rades befestigt, und es werden da immer vier Oeffnungen so zusammen treffen, dass sie den bestimmten Tonbogen in die Hornröhre «Is Continuum einschalten.

Allein mittels dieser höchst sinnreichen Erfindung ist noch nicht alles gethan.

Der Tonwechsel muss an der richtigen Stelle angebracht, und das Verhältniss der Röhrendurchmesser wohl darnach abgeglichen sein, sonst stimmen die einzelnen Töne der neuen Scala nicht mehr rein, und das war die Ursache, dass manche Nachahmungen der С e r v en y ' sehen Tonwechsel-Maschioe misslangen und so die Inslrumentenmacher sich und Andere mit dem Glauben trösteten : mittelst des Tonwecbsels könne keine reine Stimmung hervorgebracht werden.

Allein Instrumente, aus der Hand des Erfinders selbst hervorgegangen, beweisen sehr leicht das Irrige dieser Meinung, und noch mehr die allgemeine Anerkennung, welche seine Instrumente bei der österreichischen, bayerischen, ja selbst spanischen und nordamerikanischen Regierung gefunden haben.

Wenn man beim gewöhnlichen Hörn einen Bogen aufsteckt, um dasselbe z. B. um einen halben Ton tiefer zu stimmen, so tritt derselbe Fall ein , als ob man bei gleichbleibender Länge des Instrumentes den konischen Tlieil des Schallbechers, welcher die Röhre liefer stimmt, verkürzt hätte ; das Hörn wird dadurch etwas zu hoch werden. Deshalb ist das Gesetz in Hinsicht auf SaitenlUngen, dass sich die Töne der Scala verkehrt wie die Saitenlängen selbst verhallen, bei Blasinstrumenten nicht mehr anwendbar. Wenn wir z. B. ein Hörn annehmen, 8 Fuss oder 96 Zoll lang, das in С stimmt, welches l in.'.) Schwingungen in der Secunde macht, und wir wünschen die Länge des Homes für den nächst lieferen halben Ton zu erhalten, so wird die Rechnung, wenn wir die Luftsäule für eine Saite ansehen, für das H 10(,7 Zoll geben, das heisst: man musste eine Röhre von 5,7 Zoll ansetzen, um das Я zu

  • ) Aus einem Bericht über die musikalischen Instrumente der allgemeinen deutschen Industrie-Ausstellung in München vom Jenre 185«, IV. Abschnitt, S. 178.

erhallen. Bei Blasinstrumenten würde aber dieser Tod, welcher bei Saiten rein stimmen muss, sich zu hoch finden, und wir müssen anslatt einer Röhre von nur 5,7 Zoll eine solche von 6 Zoll ansetzen. In derselben Weise giebt die Rechnung für Luftsäulen : Die Röhre oder der Krummbogen

für B muss l 4,5"

- A_ - 19,35"

- As - Î6.53Î"

- G - 34,190"

- Get - 4S,20"

- F 50,7&"

- E - 59,85"

- Et - 69,45"

- D - 79,6î"

- Des_- 90,37"

- С - 101,8 O" lang sein.

Der Krummbogen oder die Röhre, welche das Hörn um eine ganze Octave verlieft, musste demnach um 9,8" länger sein, als das 8-füssige Hörn selbst.

Man hat deshalb an den sogenannten Invenlionshörnern einen Theil der Windung unterbrochen, und die beiden Röhrenenden zu parallelen Schenkeln aufwärts gekrümmt. Die Verbindung dieser zwei Schenkel wird nun durch ein zweites Bogenslück mil parallelen Schenkeln, Gabel genannl, lierge- stelll. Die parallelen Schenkel dieses Röhrenslückes bewegen sich luftdicht in den oben beschriebenen aufwärts gekrümmten Schenkelröhren des Hornes, und so braucht der Hornist nur dieses Gabelstück hineinzuschieben, um sein Hörn höher zu stimmen. Noch bemerklicher wird der Uebelsland, wenn man zwei Krummbogen mit einander verbindet und auf das Instrument setzt. Wenn auch jeder Krummbogen einzeln rein stimmt : beide verbunden erscheinen wieder zu hoch, mit Hinzufügung eines dritten wird die Stimmung noch unreiner. Da muss denn so viel als möglich mittelst einer kleineren Röhre oder des Gabelstücks nachgeholfen werden.

Je liefer man die Maschine in die Hornröhre einsetzt, desto geringer wird im Ganzen der Einfluss, den die Haschine auf die Reinheil der Scala ausübt, da bei konischen Röhren meistens auch die Röhren and die Cylinder weiter würden. Die Reinheil der Scala des Maschinenhornes hüngt deshalb grösslen- theils davon ab, dass die Maschine an den rechten Platz gesetzt und dass jede Röhre die erforderlich» Weite erhalte.

Wegen der grösstenlheils neuen, auf eine rationelle Basis gegründeten Bauart der Blechblasinstrumente Cerveny's und der ausgezeichneten mechanischen Ausführung derselben, die alles übertraf, was zur Ausstellung gekommen, wurde dem Erfinder die grosse Denkmünze zuerkannt.

Wir wollen zuerst die früheren neuconstruirten Melall- blechblasinslrumente ins Auge fassen, wie sie Oerveny in der allgemeinen deutschen Industrie-Ausstellung zu München im Jahre 4854 zur Geltung brachte.*)

Cerveny^ hal ein voluminöses Verzeichniss seiner so zahlreichen und von ihm völlig neu conslruirten Instrumente mil ihren genauen Abbildungen und deren Maassstab publicirt.

Er (heilt darin seine Instrumente in zwei Abtheilungen ; in der ersten finden wir die Instrumente für Cavallerie- und Artillerie-Musik ; in der zweiten Instrumente für Infanterie-, Jäger- und Pionier-Chöre. Wir werden unsere Angaben auf

  • ) Mein Bericht über die musikalischen Instrumente in der obigen Ausstellung, IV. Abschnitt, S. 187.

dieses Yeneichoiss beziehen, ohne ans sireng an die Oerveny- scbe Ablbeilungsweise zu liallen.

Betrachlen wir zuerst das von Oerveny sogenannte «Baroxy- loni (Fig. VI). Es giebt uns guten Aufschlags über die geniale ¿er'cny'scbiî Anordnung der Ventile and der darauf sich gründenden Tabulatur.

Du Bsroijton СегкпуЧ

ist ein von demselben im Jahre 4853 erfundenes Instrument, auf welches er auch ein kaiserliches Privitegium erhielt. Es vertritt die Stelle der kolossalen Bombardons und Conlrabässe, 1 die 42, 16 bis 32

Fuss lang und so weit gemacht wurden, dass sie zuletzt kaum mehr transportabel waren. Dazu kommt noch, dass das Blasen dieser kolossalen Instrumente der Gesundheit in hohem Grade nachtheilig wird. Es müssen die Lungen in die

grösslmöglicbe Thätigkeil versetzt werden, um eine 32 Fuss lange Luftsäule in stehende Schwingungen zu versetzen. Es wird mit jeder Contraction der . Lungen denselben eine unglaubliche Menge Wassergas entzogen ; der Bläser fiihlt sich bald wie von einem Sirocco ausgedörrt, und es ist natürlich , dass er verleitet wird,

den Mangel ал Wasser im Organismus aul eipe andere Weise zu ersetzen und seine Erschöpfung durch geistige Gelränke zu vertreiben.

CY-m'iiy's Baroxyton ist das erste l 6füssige Blecbblasinstru- ment mit Kessel, dessen Röhre nur 8 Fuss lang ist; dagegen mag es wohl das verhällnissroässig weiteste aller ähnlichen Instrumente sein. Was der Luftsäule an Länge mangelt, das Ut ihr an Weite zugegeben.

Es ist elliptisch weil gewunden, so dass es nur 28 Zoll Höhe besitzt, und der weite, starke und lange Schallbecber ist nach oben gewendet.

Die Windungen der vier Krummbögen sind alle nach oben gerichtet. Da, wo die Luft aus der Maschine in den stark konischen Theil der Hauptröhre übergeht, ist eine Klappe angebracht, welche gleichfalls Oerveny ausgedacht bat, und die, so einfach der Gedanke sein mussle, der sie ins Leben rief, dennoch von Wichligkeil ist.

(.'erveny nennt sie Wasserklappe, und sie braucht blos geöffnet za werden, um dem Wasser, das sich stets nach nur einigermaasseo länger fortgesetztem Blasen im Instrumente sammelt, zum sichern Abflussorle zu dienen.

Es ist schon obeo gesagt worden, dass auch die Krummbögen so Kpslplll sind, dass alles Wasser aus ihnen der Wasser-

Fig. VI.

klappe zufliessl. Wer sich erinnert, welches Drehen und Wenden bei den gewöhnlichen kolossalen Instrumenten, welches Blasen und Schnauben nolhwendig ist, um das Wasser aus den Windungen der Röhren und den Cylindern zu bringen, der wird die Wichtigkeit dieser neuen Klappe recht gut einsehen. Bei den Pistons und sogenannten Pumpen ist es oft kaum möglich , das Wasser aus der Maschine zu bringen, und der Ton wird zuletzt vollkommen rasselnd und bollernd.

Ein solches Baroxylon koslel t 20 11 Das in der Ausslel- lung stand inB\, war aus Neusilber überaus vollendet gearbeitet und kostete 300 II

Es ersetzt die Bombardons vortrefflich , ja es leistet viel mehr als dieselben ; die Töne sprechen leichter und reiner an, es bringt melodische Nolentiguren ohne grosse Schwierigkeit und in vollem Klange hervor ; es erlaubt den nüancirlesten musikalischen Vertrag, und man braucht nur das Mundstück zu ändern, um es in ein Concertinstrument umzuscliaffen.

Nur ist es, wie bei allen neuen Instrumenten, nolhwendig, dass sich der Bläser zuerst durch hinreichende Uebung mit dem neuen Instrumente und seiner Applicatur bekannt mache. Der Bläser eines gewöhnlichen Bombardons wird natürlich zuerst immer falsch blasen , da er gewöhnt ist, die drei ersten Töne und Ton 8, 9 und <0 millelsl seines Ansatzes liefer zu nehmen.

St»l» dei BanivUi in B

(mit Bombardon-Mundstück von Oerveny).

und so weiter.

Die Zahlen über den Noten bedeuten die Hebel, die der Finger niederzudrücken hat.

Du Phonikoa

Eine zweite nicht weniger merkwürdige Erfindung 0er- veny's ist das Phon ikon, auch Zvukoroh-Phonikon oder Schallhorn genannt, aus dem Jahre <848. Es ist eine Art von Euphonien für die Каштег. Die gewöhnlichen Euphonions besitzen einen parabolisch sich erweiternden Schalltrichter; beim Phonikon ist der Schalltrichter in Form einer lang gedrückten Kugel gebildet , wie der Becher des englischen Horns , so dass sich also die Mündung des zuletzt kugelförmig erweiternden Schaustückes wieder verengt.

Dadurch wird der Ton weich und angenehm auch in kleinen RUiimen zu hören und macht das Instrument geschickt, selbst mit Saiteninstrumenten verbunden zu werden. Es stimmt in Bt und i, und reicht bis ins c2. Es besitzt 5 Claves und also auch 5 Maschinen. Zwei davon für die linke Hand stehen an der obersten Krümmung des Instrumentes; dann folgt die TonWechselmaschine und unten für die rechte Hand sind die drei gewöhnlichen Claves.

Das Verhältniss der einzelnen Krummbögen ist hier wieder ein ganz eigenes, höchst sinnreich ausgedachtes.

Obwohl das Instrument S Tasten besitzt, so sind es doch nur eigentlich 4 , welche hier zur Hervorbringung der ganzen Scala dienen.

Der Clavis Nr. 4 ist der oberste und erniedrigt das Instrument um ^ Ton; dasselbe thut Clavis i. Es befinden sich also an dem Instrumente 2 Claves, welche dieselbe Wirkung äussern, nämlich das Instrument um einen halben Ton zu erniedrigen.

Eine dieser Klappen wird also immer frei bleiben können und dazu dienen, die anderen 4 Klappen zu unterstützen oder überhaupt das Instrument um einen halben Ton zu erniedrigen, wo es nölhig ist.

Clavis { dienl aber nur bei Verbindung sa'mmtlicher Claves; 2, 3, 4, 5, um den durch diese Verbindung entstehenden Ton rein zu machen; denn 2, 3, i, S ist eigentlich um einen halben Ton zu hoch. Nimmt man aber die oberste erste Klappe dazu, so wird der Ton wieder um einen halben Ton berab- gedrückt und wird rein.

Clavis 2 erniedrigt nämlich das Instrument .um 2^ Töne, Clavis 3 um 4 Ton, Clavis 3 um l Ton und Clavis 5 um Ц Ton, so dass also die fortschreitende regelmassige Erniedrigung folgendermaassen geschieht:

/Ton ¿4 Ц. \Clavis 435, nun aber springt der Clavis 2 über den Ton ï auf 2^.

Verbindet man alle vier Tasten mit einander, nämlich 4, 3,

2, 5, so erhalten wir II, . das aber wegen des kleinen Mundstücks nicht mehr anspricht. Gut spricht die Octave //, an, der zweite Ton vom Grundton ; er ist aber nach dem früher entwickelten Naturgesetze um einen halben Ton zu hoch, deshalb nimmt man den ersten Clavis dazu und erhält nun den zweiten Ton der Scala rein. 3,2,5 wieder mit dem ersten Clavis verbunden, geben Cj. In dieser Tiefe ist es mit dem Mundstück nicht zu gebrauchen, aber die Octave C. Clavis 4, 5, 2 sind i ' Töne vom Grundton entfernt unS geben mit dem ersten Clavis verbunden in der Oclave Des. D ist vom Grundton um vier Töne entfernt. Verbindet man den fünften Clavis, welcher um l i Ton erniedrigt, mit dem zweiten, welcher um ¿J- erniedrigt, so erhallen wir Л ¡- H - ¿> also D nach Zugabe der ersten Klappe.

Es wird auf ähnliche Art erzeugt durch Verbindung von Clavis 2 und 3 mit Hinzugabe von Clavis 4 , E ganz natürlich aus Clavis 4 und 2 ; weiter hinauf ist Clavis l nicht mehr nölhig.

Das sinnreiche Arrangement dieser Claves bat das Gute, dass man alle die einzelnen Töne der chromatischen Scala blos mittels eines einzigen Clavis erzeugen kann, Wodurch jeder Ton freier und klingender wird. Han kann dies sehr leicht sehen und überhaupt erfahren, auf wievielerlei Arten die Töne der chromatischen Scala durch die Wahl dieser Claves erzeugt werden können, wenn man einen Streifen Papier mit horizontalen Linien anfertigt, welche soweit von einander entfernt sind, als die in Tafel II.

Zwischen je zwei Linien trägt лап die Zahlen der Claves und ihre Verbindungen aus dem Schema der Tafel I, so dass das B des Schema mit dem B der Tafel II zusammenfällt.

P kann blos erzeugt werden durch Clavis 2 ; Fis durch Clavfs 4 und 5 ; G durch Clavis 6 oder auch durch Clavis 3 und 4 nuil 3, 5, 2 + ) ; A durch Clavis 4, 5 und î + 4 u.s. f.; B ist Naturton, H entsteht durch Clavis 4 'und 2, 4 und l, 4,

3, 5, 2 ; с durch Clavie 2 ; eis durch Clavis 4 und б ; d durch Clavis 5; dis durch Clavis 3; e durch Clavis 4, 2, 4, t und 4 etc. ; /'ist Naturton, fis entsieht durch Clavis 4 und 5;

g durch Clavis 5 ; gis durch Clavis 3 ; a durch Clavis 4 ; b ist Nalurlon; A durch Clavis 3 und 4; c1 durch Clavis 3; cw1 durch Clavis 4 ; d ist Naturion ; dis1 durch Clavis 3 ; «' durch Clavis 4 ; fl ist Naturton; fis1 durch Clavis 4 und 5 ; g1 durch Clavis 5 ; gis1 durch Clavis 3 ; o1 durch Clavis 4 ; 61 ist Nalur- ton; h durch Clavis 5 ; c2 durch Clavis 3.

Dabei gewährt Clavis 4 noch den Vortheil, dass er stets den nächsten Ton der Scala um einen halben Ton vertieft, also als Trillerklappe für halbe Tontriller für A, As, Cis vortrefflich gebraucht werden kann.

Ein Instrument der Art kostete mit alter Maschine und Aufsatzbögen 95 fl., mit Tonwechsel 400 fl., mil Cylinder und Aufsatzbögen 4450., mit Tonwechsel 120 fl. Das Ausgestellte war von Neusilber so vortrefflich gearbeitet, als wäre es aus den Händen des Drehers hervorgegangen und kostete 260 fl.

Du Euphonien.

An diese Tenorsoloinstrumente reihen wir das Euphonien (Abbildung I 3, Nr. 8 des ôerveny'sehen Verzeichnisses) an, anderwärts auch Baryton genannt.

Es war wohl das erste Ganzinstrument, dessen Ton einer Orgelpfeife von gleicher Länge entsprach.

Es wurde als Octavophiklei'de mit Ventilen zuerst von dem Concertislen F. Sommer aus Preussisch-Schlesien angegeben und 4843 von einem Blasinstrumentenmacber auf dem Lande, wenn auch ziemlich unvollkommen ausgeführt. Sommer ging mit dem Instrumente nach Wien. Er Hess sich ein neues, vollkommeneres von dem tnstrumentenmacher Franz Bock daselbst anfertigen und gab, da es besser gelungen war, in Wien zuerst Concerte darauf. Da sich noch immer Mängel an dem Instrumente fanden, trat Sommer .mit dem Blechblasinslrumenten- macher Franz Hell in Wien zusammen und liess sich hier ein anderes, verbessertes Instrument anfertigen, auf welche Verbesserung Hell ein kaiserliches Privilegium nahm.

Nachdem Sommer auf diesem Instrumente in Wien noch einige^,Concerte gegeben halte, ging er nach Prag, kam 4844 nach Königgrälz, besuchte unter anderen Städten Deutschlands auch München und liess sich in London nieder, wo er eines seiner Instrumente zur Ausstellung brachte und dafür eine Ebrenerwähnung erhielt, obwohl er sicher mehr verdient hätte.

Sommer hielt die Construction und die Mensur seines Instrumentes sehr geheim ; indessen wurden Instrumente dieser Art bald sehr häutig nachgemacht und erhielten in Deutschland den Namen Baryton.

Die Euphonious, wie sie gewöhnlich gebaul werden, stehen in B und reichen bis ras F. Sie besitzen vier halbtönig abwärts steigende Maschinen, welche indessen nur dazu dienen, die Lücken zwischen der ersten Octave auszufüllen. Ihre Weite ist von der Art, dass der Grundton des Ganzinstrtimentes noch gut anspricht.

Öerveny's Euphonions zeichneten sich wieder durch etwas weitere Mensur und durch eine eigenthümliche Anwendung seiner Maschine, deren Tonfolge durch einen Sprung unterbrochen ist, so wie durch reine Stimmung, schönen Ton und bedeutenden Umfang aus.

Seine Instrumente kosten nach alter Art 65 fl., mit Tonwechsel 70 0.-;. mit Cylinder und Krummbögen 80 fl., mit Tonwechsel 85 fl.

Der Bombardon.

V. F. Cervcny halte Bombardons ausgestellt. Zwei Bombardons in P (Harmoniebass) mit ToDwechsel und Stimmzug (Abbildung II 4, Nr. 49) im Preise zu 50 fl., hatten die engere Dimension der ersten Bombardons, waren aber von vortrefflichem Tone, Scala rein und äussersl leicht ansprechend.

Ein Bombardon weitester Mensur mit vier Pistons (Abbildung II i, Nr. 4M Vod außerordentlich kräftigem Tone und sehr reiner Scala. Preis < 40 fl.

Die Basstuba.

Basstuba in С (Abbildung I Í, Nr. 3) von Öerveny in KöniggrUlz. Bin Contrabass in fi, 168 fl. weitester Mensur mit vier Maschinen, schönem vollen Ton, äusserst leichter Ansprache

und reiner Scala.

Der Contribuí.

Wir wollen nun Öervenfs Instrumente vorführen, welche «r seit (854 neu geschaffen, umgeformt oder verbessert hat und deren Bau wir durch Abbildungen versinnlichen können.

Fig. VII.

Dazu gebörl vor Allem der Contrabass in B (Kig. VII). Er besitzt vier öerveny/'sche Cyliadermaschinen. Sein Tonumfang ist von /-'i bis 6. Cerveny halte das Instrument auf Verlangen des k. k. Kapellmeisters Alscber gebaut, der einen

dicken, durchdringenden Basston wünschte. Oervern entsprach dem Verlangen und baute seinen Contrabass zuerst in F und C, zuletzt in B. Das Instrument schliesst die dickste vibrirende Luftsäule ein, die noch von dem Athem des Menschen vollständig bewältigt werden kann. Durch dieses Instrument war einem grossen Bedürfniss in der Blasinslru- mentalmusik Rechnung getragen und das Instrument fand so vielen Beifall, dass schon ein Jahr darauf eine nicht geringe Anzahl von Imitationen ins Leben trat, die in der Hauptsache denselben Bau mit unwesentlichen Abänderungen in der Maschine etc. zu Grunde legten, dabei aber ihren Instrumenten einen anderen Namen gaben, z. B. Helicon, Pelliton, Saiborn- Contrabass. Das gewaltige Instrument ist nicht ganz einen Meter, nämlich 90,3 Centimeter lioch. Du Cornon.

Neu ist ferner das Co r non; das erste stammt bereits aas dem Jahre l Hi*. Der Name weist schon darauf hin, dass das Instrument zu den Hörnern gehöre. Es ist ein Hörn, wird mittelst eines Hornmundstückes angeblasen und reicht von D bis c1. Es besitzt den charakteristischen Hornlon, aber dieser Hornton bat eine viel grössere Fülle, als der der gewöhnlichen Homer.

Oer\ony hatte die Erfahrung gemacht, dass die Töne der gewöhnlichen engmensurirten Hörner sehr häufig mit ihren Tönen von den Klängen der Melallblasinslru- menle unserer Mililä'r- musiken bedeckt werden und verschwinden, die Hörner selbst aber für den Cavalle- risten höchst unbe* quem werden.

Die neue Form gewährt noch überdies den Vortheil, dass der Scballbecher nach oben zu sieben kommt. Abt Vogler beklagte schon im vorigen Jahr» hunderte den Miss stand , dass die Hornbläser die Schallbecher anstatt nach oben rückwärts kehren und auch häufig die Hand in dem Schallbecher, des etwa erforderlichen Stopfens halber ruhen liessen. Dieser Liebelstand rührt von der Form der Hörner her, die ehemals Jagdhörner waren und von den Jägern um die Schulter getragen wurden. Vogler Hess bei Aufführungen, wo er das Orchester leitete, den Schallbecher der Hörner immer nach oben kehren.

Das erste Cornon wurde bald verbessert und fierveny fertigte später solche Hörner auch in E, Es, D, auch für die Tenorlage in С und H. In der Figur VIII sehen wir das Cornon nach den neuesten Ver-

Fig. VIII.

Fig. IX.

besserungen. Es besitzt vier Cylinder und auf seinem unleren Theile die Toawecbselmaschine oder das Wechselrad mit seinem Zeiger angebracht.

Hörner.

Für einen eigenen Zweck hat Cerveny die gewöhnliche Form des Homes beibehalten , jedoch wieder in einer

merkwürdigen Slruclur. Er hal es Prim-Horn genannt (Fig. IX) ; es stammt aus dem Jahre <873 and steht in /' oder /-.'* und besitzt vier Walzen und einen Tonumfang von с Iih i/'-'. Abgewickelt als gerade Röhre missl es Î ( 0 Centimeter, also nicht ganz 6'/2 Pariser Fuss.

Das erste Hörn bat gewöhnliche melodiöse Sätze in den hnharen Tonlagen auszuführen, aber gerade in diesen hohen

Tonlagen sind die Töne a des e f fs g gis a nur vom Meister rein und sicher zu in- loniren. Bei Militär- musikern, bei welchen die Dienstzeit des Ногт nisten nur drei Jahre dauert, ist es selten möglich, so gewandle Hornisten aufzufinden, denen diese hohen Töne anvertraut werdenkönnen, man muss sie deshalb oft anderen Instrumenten übertragen. Auch in kleinen Orchestern hat man nicht immer Meister auf dem Hörne.

Öerveny construirte deshalb sein sogenanntes Prim-Horn, d. h. ein um eine Octave höher gestimmtes Hörn in P. Die eigentlichen gefährlichen Töne a d des etc. kommen nun in die MitlL-llage des Homes als eigentliche Herztöne des Hornee.

Fig. X. voller Sicherheit inloniren kann.

welche jeder nur mit- telmässige Hornist mit

Die Abbildung des Prim-

Hornes trägt im Uervenj'schon Verzeichaisse die Nr. 9.

Ucber den Effect dieses Horns giebt ein Schreiben des Prinzen Alexander von Württemberg- vom 48. Dec. (873 an

öerven^ das beste Zeugniss. Der Prinz schreibt: »Ihr Prim- horn ist ein ganz vorzüglich gelungenem Instrument : denn wer es bis jetzt gehört hat, fand, dass e$ reizend singe 'und sich ¡m Salon für CJavierbegleituug viel besser eigne, als das Flügel- horn. Es spricht überaus leicht an in Höhe und Tiefe, stimmt äusserst rein und klingt wie Waldhorn.« Dieses merkwürdige Hörn wurde nach einem Verlaufe von zehn Jahren in Breslau in Schlesien genau copirt und als eine ganz neue Erfindung in die Welt gesandt.

Noch interessanter ist das Kaieerbarytob (Fig. X), erst im Jahre issj aus der Fabrik hervorgegangen, in Coder Д,. Es besitzt vier Walzen und hat einen Umfang von drei Octaven von B bis d2.

Es ist das erste theoretisch rationell gebaute Instrument, und sein Rohr ist vom Schallbecher an bis zum Mundstück rein konisch. Der Ton, durch die reine Form bestimmt, ist ausser- ordenllich rund, von einer merkwürdigen reinen und charakteristischen Tonfarbe, der wohl etwas an die Töne des Cello erinnert und selbst im Salon außerordentlich reizend klingt, obscbon es selbst im Chore der Mililärmusiker sich echt charakteristisch bemerkbar macht.

Ihm verwandt, aber sehr eigenthümUch, ist das Obliga t- Alt-Horn (Fig. XI) aus dem Jahre (861.

Es ist in der äusseren Gestalt dem vorausgebenden Kaiserbarytou ähnlich , jedoch als All-Instrument von geringerem Umfange, obwohl es mit seinen drei Walzen von À bis jj reicht. Es ist gerade als meiodieführendes Instrument wegen seines markigen weichen Tones sehr beliebt geworden.

Wir wenden uns nun, nachdem wir die Eigen- thümlichkeiten der Cer- ven^'schen Bauart, namentlich in den schwierigeren tiefen Blasinstrumenten gezeigt, den einfacheren an die ältesten erinnernden Blasinstrumenten zu, die sich bald in Blasinstrumente mit der »Maschinen verwandelten.

Das R o s с h e k , Signal hörn , Cor- nett, war ursprünglich ein verjüngtes, mit einer Hand zu behandelndes Hörn, das beim Militär benutzt ward, um Signale zu geben, die auch in der Ferne bemerkbar waren; besonders wurde es angewendet, die Bewegungen der Flügel der Infanterie zu lenken, daher es auch Kl ü gelhur n beissl. Als kurzes Hörn wurde es natürlich zu (musi- kaiischen) Märschen aus Blasinstrumenten zusammengesetzt angewendet, daher waren solche Hörner von verschiedener Stimmung nöthig. Auch als Jagdhorn wurde es benutzt, und das Postborn ist ein kurzes Signalhorn.

Diese Hörner wurden wie gewöhnlich den grössten Thell ihrer Unge aus einer cylindrischen Röhre, wie dies bei den Hörnern, Trompeten und Posaunen der Fall war, gebildet, die sich in einer kurzen konoidischen Partie -und zuletzt in den

Mb

Fig. ХГ.

Schallbecher verlief. So verhält sich z. B. beim französischen Cornell der konoidische- theil des Cornells zum langen cylin- drisrhen wie 88 zu l :u).

Das alte einfache Signalhorn halle natürlich nur die Töne „i gi ¿i ei дг Ь1 сз.

Dagegen führte Cerveny sein einfaches Cornett bereits im Jahre < 867 durch die ganze Lunge des Instrumentes konoidisch durch und nannte es, dis für JSgerlruppe bestimmt, »Jiigerhorn«. Der Ton desJ'agerhorns ist trotz seiner Kraft sehr ansprechend, sodass es als Signalhorn in der kaiserlich österreichischen Armee eingeführt wurde. Es ist nur 30,8 Centimeter noch.

Am einfachen Flügelhorn wurde natürlich bald die sogenannte Maschine, die Ventil- oder endlich Walzmaschine angebracht, um mehrstimmige Märsche damit auszuführen ; indessen behielten die alten iranzösischen Gornette mit ihren cylindrischen Trompeteiiröhren einen unangenehmen schreienden Ton, der für die Ohren der Engländer und Deutschen weniger angenehm klingt als für die Ohren der Franzosen. Cerveny baute deshalb auch hier seine Cornells mit seiner konisch konoidischen Röhre ; der schreiende Ton verschwand und das Cornell war sogar recht gut im Concertsanl zu hören.

Wir sehen hier das Cerveny'sche Cornett (Fig. XII) mit seinen drei Walzen und das Cornell von Sax mit seinen drei Pistons (Fig. XIII).

Fig. XII

Fig. XIII.

Noch müssen wir einer neuen Verbesserung, die Cerveny an seinen Cornetts angebracht bat, erwähnen.

Bei allen Flügelhörnern gewöhnlicher Art bildet der Speichel, der sich in den Bögen, in der Hauptbiegung und in allen Röhren der Maschine endlich sammell, ein Haupthinderniss beim fortgesetzten Blasen. Die Töne sprechen endlich schwer an und verlieren an Reinheit.

Cerveny hat nun die Krümmung der Röhre und die Stellung der Maschine so angeordnet, dass der Speichel sich nur an einer Stelle sammeln kann, wo er durch Niederdrücken einer Klappe sogleich ohne alte Störung aus dem Hörne ent- fernl wird. Die Klappe liegl an dem beim Blasen des Inslrumentes tiefsten Thcile des Bogeos.

In Fig. XIV isl das Flügelhorn in С mit der neuen Walzenmaschine zu sehen.

Ermuntert durch den Erfolg, dessen er sich mil seinen Cornells in verschiedener Slim- mung erfreute, kam Cerveny auf den Gedanken, ein ganzes Concert-Register aus seinen Cornetts zu bilden. Cerveny wählte für seine Cornells die Kreisform des alten Homes; dabei begann sich der Durchmesser des Rohres viel

. XIV.

rascher zu erweilern, als dies bei den übrigen Blasinstrumenten der Fall war, wodurch der Ton Irolz alles Markes sehr weil vernehmbar wurde.

Er baute ein Cornell in Es für den ersten und ein etwas grösseres in B für den zweiten Sopran, eines in Es für den Alt und das »rosse in R für den Tenor.

Fig. XV.

Fig. XVI.

Fig. XVII.

Das erste Flü'gelhorn für den ersten Discant sehen wir in Fig. XV in Es; für den zweilen Discanl haben wir das Instrument Fig. XVI, für den Alt das Flügelhorn in Es, Fig. XVII, und für den Tenor das Flügelhorn Kig. XVIII.

Kaiser Alexander III. war so erfreut über den Ton und die Wirkung der Instrumente, dass er Cerveny erlaubte, das Quartett nach seinem Namen »Kaiser Alexander-Quartell « zu nennen ; König Wilhelm I. von Preussen belohnte Cerveny für die Erfindung dieses Cornell - Quartetts mit dem Ritlerkreuze des kgl. preussischen Kronenordens. — Kaiser Alexander III. äusserle endlich den Wunsch, zu dem Quarlell noch ein Contrabass Cornett zu erhalten, wenn es überhaupt möglich wäre, einen solchen Contrabass zu bauen, der in seiner Grosse sich den übrigen Instrumenten von so gefälliger und so leicht zu handhabender Form anschlösse. Cerveny überwand alle Schwierigkeilen und schuf sein Con- trabass-Cornett in H, das von f, bis f1 reicht. Wir sehen es unter Fig. XIX mil einer ebenfalls nur aus drei Walzen bestehenden Walzenmaschine.

Dieser merkwürdige Contrabass ist von bewunderungswürdigem kleinen Umfang. Der Durchmesser des Kreises, in welchem das Rohr aufgewickelt ist, betragt nur 6'/2 Decimeter, die Oeffnung des Schallbechers beträgt nur 200 mm, während der gewöhnliche Contrabass der Blechinstrumente Î90 mm im Durchmesser missl; dabei ist er

Fig. XVIII. überhaupt um die Hälfte leichter als ein gewöhnlicher Contrabass der Militärmusik.

Das erste Uiscant-Cornell ist sogar sehr niedlich ; sein Kreis hat nur ï '/j Decimeter, das Tenor-Cornett ist ebenfalls sehr klein; seine Kreiswindung hat nur 3'/2 Decimeter Durchmesser. Cerven^ hat überdies das .Quartett noch bedeutend vervollständigt; er hat zu seinem Quartetl-Cornett noch einen Baryton in B und einen Bass-Cornelt in Es hinzugefügt. Nicht weniger merkwürdig sind die Längen dieser seiner Cornell- rohre, wenn wir sie uns abgewickelt als gerade Röhren denken.

Fig. XIX.

So hat das erste Discant-Cornett in Ki eine Länge von 100 Centimeter. Das zweite Sopran-Cornelt in B eine Länge von 135 Centimeter. Das Alt-Cornell in Es ist SOI Centimeter lang. Das Barylon-Cornett hat S70 Centimeter ja Länge. Das Bass-Cornelt in Es ist Í10 Cenlimeter lang. Das Contrabass- Cornell 558 Cenlimeter, also über mehr als 17 Pariser Fuss.

In Böhmen sind die Turnvereine, die Lucal-Turnvereine sehr häufig, so dass sie zu ihren gesellschaftlichen Evoluljonen stall der so verschiedenen gewöhnlichen Signalhörner ein Signalhorn wünschten, das durch seinen Toncharakler schon für ihren Zwecksich von dem gewöhnlichen Signalhorn unterschied.

Cerveny erfand deshalb für die Turner sein Turnerhorn, seinen Sokolovka. Das erste war ein i-Allhorn, das zweile ein f-Horn als Bass.

Um diese zwei eigentümlich ausgeführten musikalischen Hörner noch zu vervollkommnen, hat Cerveny auch die sogenannte Maschine an beide Hörner angesetzt, jede mit drei Walzen, deren Drücker sinnreich angebracht sind.

Der All-Sokolovka, Fig. XX, reicht von с bis f1, der rçass- Sokolovka, Fig. XXI, von G bis c'.

Trompeten, Posaunen, Fagotte.

Zu den Blechblasinstrumenlen mil cylindrischer Röhre, die in einen konischen Schallberher endet, gehören die Trom- pelen, Posaunen und auch die Fagotte aus Blech.

Trompeten hat (.Vrvnnv mehrere, jede mit drei CyUndern

gebaut : Sopran-Trompete in C, Basßtrompele in C, Orchesler- Irompcle in /'. Accompagnemenl-Trompete in £>. Sie finden sich im Kataloge abgebildet Nr. 66, 73, 7Í, 71

Fig. XX

Fig. XXI.

Die richtige Stellung der Maschine bewirkt allein eine leichle, richlige Ansprache durch die ganze Scala.

Die Armee-Posaunen haben durch Cerveny eine ganz neue Geslall erhalten. Die Hauplröhre isl auch da cylindrisch ; aber Cerveny hat eine weitere Mensur angenommen, wodurch der Ton, ohne an seinem Charakter zu verlieren, voller und weiter dringend wird.

In der neuen Form sind sie für die Cavallcrie ebenso bequem zu gebrauchen wie für das Orchester. Die Röhre ¡st in parallele kurze Windungen gelegt wie bei der Trompete. Die grossie Länge hat der letzte konische Theil mit dem Schallbecher ; er ist, deshalb vorwärts übergebogen, so dass die Mündung des Scballbechers vom Bläser abgewendet nach vorwärts gerichtet ist. Sie haben alle eine Maschine mit vier Walzen.

Die Aruiee-Bassposaune in F, Fig. XXII, reicht von //, bis c2 und ist ««(gewickelt 365 Centimeter lang.

Die Armee-Tenorposaune, Fig. XXIII, in B beginnl mit Esj und reicht bis zu ./: ihre Länge aufgewickelt misst Ï7Î Centimeler.

('.tm-uv hal auch einen vollständigen Chor von seinen Armee-Posaunen hergestellt. So hat

die Armee-Altposaune in Et eipe Lunge von 105 Cenlimeler, die Tenorposaune in Л - --17t

die Bissposaune in A' - --365

die Contrabassposaune in B - - - 665 also nahezu П'/j Pariser Fuss.

Wir kommen endlich zu einem Instrumente, dessen qiuai- kalischer Ton nur noch miltelbar durch die Lippen eneugl wird. Das Mundslück, von den Musikern überhaupt das Rohr genannt, besteht aus zwei dünn geschnittenen elastischen, etwas gebogenen Blättchen aus dem sogenannten spanischen Hobr geschnitten, unten zu einem Röhrchen aufeinander gebunden, oben daumennagelbreit und nur mil den Rändern einander Ы-- rührend, so dass zwischen den beiden Blällchen eine OelTnuag, dem Umrisse eines Gerstenkornes ähnlich für den Eintritt der Luft bleibt, da beide einander berührende Blällchen durch den Durchsloss der l.uft zusammengedriickl und sogleich ihre alte Form annehmend vibriren. Dieses Mundslück giebt, angeblasen für siqh, zwar einen sehr hohen Ton, der sich aber mil der langsam schwingenden Luflsäule des Instrumentes vereinigend gezwungen wird, sich der langsam schwingenden Luflsäule zu uocninuilin'M, muí unier gewissen Umständen geslaltel, dae Instrument sogar kürzer zu bauen, als wenn der Ton allein durch

M h »

die Lippen erzeugt worden -wäre. Die Lippen reguliren hier gewissermaassen die Schwingungen der vibrirenden Blällcben, indem sie dieselben nach Umstanden verlangsamen oder auch rascher machen.

Fig. XXII.

In früheren Zeiten schloss man das Rohr mit seinen vibrirenden Blättchen einfach in eine Kapsel ein, die ebenfalls mit dem Instrumente luftdicht verbunden, oben in einen Schnabel verlief, den der Spieler gleich einer Labialpfeife in den Mund steckte. Eine Nüancirung des musikalischen Tones Hess sich natürlich nicht bewirken, eben so wenig wie z. B. beim Flageolet.

Wir haben es hier ferner nicht mehr mit den Aliquottönen einer Luftsäule allein zu thun ; bei diesen Instrumenten sind die Seiten des Instrumentes durchbohrt und mit Klappen versehen. Die Luftsäule wird hier mit jedem geöffneten Griffloche kürzer und kürzer abgeschnitten und immer höher gemacht, und durch die Klappen, welche das Griffloch nacheinander ver- schliessen, wird die Luftsäule immer mehr und mehr verlängert, also vertieft, bis sie ihren ursprünglichen Umfang wieder erreicht.

Da die Grifflöcher bei langen Instrumenten mittelst der Finger nicht mehr erreicht werden können, wenn die Finger sie auch zu bedecken im Stande wären, so hat man sich, wie soeben bemerkt, der sogenannten Klappen bedient, welche, durch ein Syslem von Hebelverbindungen regulirt, stall der Finger die Oeffnung schliessen.

Die interessantesten dieser Rohnnslrumente sind um deslo schwieriger zu verfertigen, je länger sie werden müssen und deslo tiefer sie slimmen. Zu diesen schwer herzuslellenden

Instrumenten gehört das Contra-Fagott für Hilitärmusiker. Man hat es Harmoniebass und Schellast hat dasselbe Tri to n ikon genannt, was wahrscheinlich an Triton erinnern soll (Fig. XXIV).

Wir sprechen hier vorzüglich von dem Contra-Fagotl, das trotz seines merkwürdigen Toncharakters von den früheren classischen Tonsetzern zu un- serm grössten Leidwesen ganz vernachlässigt worden und, wo es vorgeschrieben war, gewöhnlich, durch das Bombardon ersetzt werden musste, vorzüglich weil es wegen seiner kolossalen Form schwer zu handhaben war, auch viele Töne schwer oder stets unrein ansprachen.

Stehle in Wien hat im Jahre «835 zuerst ein Metall- Contra- Fagott gebaut, das leicht und rein ansprach, aher wegen seines gros- sen Umfanges Wenige fand, die sich mit seinem Studium beschäftigen wollten.

Cerveny, der dem ¡ntcrrss.-mio» charakteristischen Instrumente wieder zu eineta Platze im Orchester verhelfen wollte, baute nun ein Instrument, das schon im Jahre 1839 fast um die Hälfte kürzer geworden war als das Stehle'sche Contra- Fagott und im Jahre ( 856 zu einer Vollendung gebracht wurde, die auch der Generalmusikdirector Wieprecht bewunderte.

Da das Schallstück bei Instrumenten mit SeitenöfTnungen nur für die untersten Töne von Bedeutung ¡st, machte ÍVrvruy die Seitenöffnung nach dem System Böhm's so gross als es anging, ordnete die Stellung der Grifflöcher ralionell und ' machte dadurch die Spielart nach dem Syslem Böhm's sehr bequem und leicht.

Das Contra-Fagott aus dem Jahre 1856 steht in Es mit 44 Klappen nach Böhm's Syslem. Es ist nur 7,9 Decimeter hoch und reicht von Es bis es.

An diese sieb anschliessend, erfand <Vr\rny 4871 endlich sein Sub-Contrafagott. Es ist das tiefste aller musikalischen Instrumente; denn es intonirt noch recht gut das 6i- füssige B3 und reicht bis zum /'. Es ist deshalb noch um einen ganzen Ton tiefer als die grossie Orgel bei einer Höhe von nur 10 Decimeter.

Das 3zfüssige С der Orgel ist, für sich angespielt, mehr ein musikalisches Beben, Summen und erhält erst seine Bedeutung, wenn es mit seiner Octave, Quinte zusammen erklingt. Vogler sagt, er habe nie einen absolut bestimmt abgegrenzten musikalischen Ton von einer Pfeife gehört, deren Länge 16 Fuss übertraf. Das neue Instrument ist schon deshalb von grosser theoretischer und praktischer Bedeutung.

Das Tritonikon ist bei Militärmusikern in Oesterreich,

Fig. XXIII.

Holland, Spanien und Russland ein sehr beliebtes Instrument geworden.

Faiken, Trommeln etc.

Auch krustischen Instrumenten wandte Cerveny seine geniale Kraft zu und auch hier wirkte seine Hand verbessernd und veredelnd.

Wir wollen hier nur seine verbesserten Pauken, Heerpauke und Kesselpauke (englisch Kettel drums], erwähnen. Die Trommel, die Pauke sind Instrumente, beinahe so alt als das historische

Menschengeschlecht selbst. Ein Thierfell über einen Reif gespannt (Tamburin) , dieses einfache Instrument finden wir in der HandderTänzerinnen der alten und neuen Welt, bei den ältesten Aegyp- lern und den spanischen Tänzerinnen der.neuesten Zeit. Die Finger, -ja die Hand selbst, brachte das gespannte Fell zum Schwingen oder Tönen.

Die wilden Völker spannten ihre Tbierfelle über einen ausgehöhlten Baumstamm. Die Finger der Hand waren hier nicht kräftig genug; man bediente sich eines Stockes, der am Ende zugerundet war, dass er kein Loch in das Fell schlug, und sie fanden sogleich, dass der Ton ein viel vollerer, fcrif- tigerer und weiter tragend ' erschien als der eiMs Reifens, über weichen ein Fell gespannt wer. Man spannte zuletzt noch ein zweites Fell über das raten offene Ende des Baumstammes. Die Kraft de* Instrumentes war dadurch bedeutend vergrößert ; denn schlug man auf das obere Fell, so setzte sich auch das unlere in Bewegung.

Der durchdringende,

weilhin Iragende Ton dieses einfachen Instrumentes machte es bald zu einem unentbehrlichen Instrumente im Kriege, um den Schrill, die Bewegung der Truppen, ja ihre Funclionen zu teilen und zu reguliren. Man spannle später noch über das unlere Fell der Trommel ein paar Darmsailen, die geschwinder vibrirten als das Fell, bei jeder Schwingung derselben auf das Fell schlugen und den eigentümlich rasselnden, schnarrenden Ton der Kriegslrommel hervorbrachten, weshalb man diese Saiten auch gewöhnlich Schnarrsaiten nennt. Dieser rasselnde, rollende, wirbelnde Schall ist das Charakteristische der MilitSrtrommel ; aber ihr eigentlicher

Fig. XXIV.

voller, kräftiger Ton hängt von der Luftmasse ab, die zwischen beiden Fellen eingeschlossen ist.

Dieser Luftcylinder, zwischen beiden Fellen eingeschlossen, muss an Höhe wenigstens dem Durchmesser des schwingenden Felles gleichkommen ; erst dann übt das oben durch den Schlägel in Schwingung versetzte Fell seine volle Wirkung auf das untere aus, was sich auch durch ein sehr einfaches Experiment nachweisen lässt. Erst in der allerneuesten Zeit hat man es unternommen, die Trommel immer kürzer zu machen, damit sie leichter werde ; der Luftcylinder erreicht gegenwärtig in seiner Höbe kaum die Hälfte des Durchmessers des Felles. Dadurch geht die eigentliche Fülle des Tones verloren und man hört nur noch die Schnarrsailen eines grossen Tamburins. Der Ton unserer gegenwärtigen Trommeln erinnert mich immer an unsere Trommeln, wenn wir als Kinder Soldaten spielten.

Die früheren Zeiten hatten da die Erfahrung viel richtiger benutzt.

Die Chinesen besitzen acht Sorten von Trommeln, die bis auf ein paar sehr gross sind. Der Körper, über welchen die Felle gespannt sind, ist fassartig gebaut (die Perser bedienen sich eines wirklichen Fasses), also ist in der Mitte des Trommelkörpers der grossie Durchmesser. Die grossie Trommel der Chinesen ist das Yng-kou. Es ist <2 chinesische Fuss (9 Meter) lang. Jedes Fell hat 4 Fuss (< Meter) im Durchmesser, dabei hat die Mitte des Fasses 6 Fuss im Durchmesser.

Die zweite Trommel ist 6 '/2 Fuss lang. Das Fell hat wieder i Fuss im Durchmesser, die Mille des fassartigen Körpers dagegen hat 6'/г Fuss Durchmesser; sie heisst Lei-kou, denn man bedient sich ihrer, um den Donner, Sturm und Gewitter zu charakterisireu wie auf unseren Thealern.

Die dritte Trommel ist 3 Fuss lang, der Durchmesser der Felle beträgt wieder i Fuss. Der Durchmesser des fassartigen Körpers in seiner Mitte wieder 61/} Fuss. Sie war bereits 3105 Jahre vor Chr. unter der Dynastie Hia in Gebrauch.

, Von der kleinen Trommel Tao-kou giebt es vier Sorten. Eine kleine Trommel Chbuo-pi repräsenlirt unsere grosse ehemalige Cavallerietrommel, die kleine Yng-pi ist von der Grosse unserer ehemaligen Infanterietrommel. Die Trommel Ya-kou ist ) '/i Fuss lang, und das Fell hat 7 Zoll im Durchmesser. Diese allein wird an einem Band getragen ; die übrigen stehen auf Ailier hölzernen Säule. Die kleinste ist ein Fuss lang, das Fell jedoch hat ebenfalls einen Fuss im Durchmesser. Die kleinste Trommel Tao-kou ist 7 Zoll lang, ebenso hat das Fell 7 Zoll im Durchmesser.

Man sieht, die scharfsinnigen Chinesen haben das Verhält- niss der Länge des Gerasses, über welches das Fell gespannl ist, zum Durchmesser des Felles besser getreuen, als die neuesten Umformer unserer TrommeL^

Die Afrikaner Araber, endlich spannten das Fell über irdene Gefässe oder solche aus Metall, und diese Halblrommeln waren die Vorläufer unserer Pauken. Erst als sich das Trompeten- 'spiel entwickelte,begann man auch die Pauken zu vergrössern, grössere Gefässe von Holz oder zuletzt aus Metaljblech zu verwenden und Vorrichtungen anzubringen, um die Pauken zu den Trompeten stimmen zu können, die dazu einen energischen Bass bildeten.

Die Trompeten und deshalb auch die Pauken waren Eigen- thuni des Kriegers und deshalb auch des Kriegsherrn. Zu den Trompeten der Cavallerie gehörten immer ein Paar Pauken. Sie hingen an dem Sattel des Cavallerislen ; die eine an der recbleu, die andere an der linken Schulter des Pferdes.

An den Höfen wurde einst das Zeichen zur Tafel durch die Trompeter und Pauker des Hofes gegeben. Bei jeder feierticheu Erscheinung des Fürsten, wann er in den Krieg zog, immer rillen oder gingen die Hoflrompeter und Pauker dem Zuge des Fürsten voraus.

Im bürgerlichen Leben durften daher Pauken gar nicht geschlagen werden. Nur die Gegenwart einer fürstlichen Person oder wenigstens eines Doctors oder Magisters, die damals dem niedern Adel angereiht wurden , machte eine Ausnahme vom Gesetze. Anfangs waren Pauken. die beim Hofe angewendet wurden, wahre tiefe Kessel, die oben manchmal auch etwas eingezogen waren. Später machte man sie niedriger, so dass der Paukenkessel eine Halbkugel bildete. Die Pauken ruhen auf einem eisernen Hinge, der von drei Küssen getragen wird, oder die eisernen Fusse sind an den Kessel selbst angenietet.

Wird nun bei dieser Stellung der Pauken nicht für eine unterstützende Unterlage gesorgt, auf welche die Fusse der Pauke zu stehen kommen, so wird jede freie Vibration, jedes Klingen des Tones oder eigentlich ,die Entwicklung des Tones gehemmt, und der Paukenschlag klingt, als ob man auf ein Bret geschlagen hätte, d. i. hölzern, klanglos. Diese ArtKlang- losigkeil ist auch die Schaltenseite der Maschinenpauken. Entweder wird der Kessel durch ein Schrauben- oder Hebelwerk von unten hinauf an das Paukenfcll gedrückt, oder der Paukcn- kessel steht unverrückbar auf einer Unterlage fest, und das Paukenfell wird über seine Mündung durch Maschinenkrafl herabgezogen ; in jedem Falle ist der Pnukenkcssel noch unfreier, als wenn er auf seinen drei Füssen angenietet ist oder in seinem Kranzgestelle steht.

<Vr\ni\ hat diesem Uebelstande sinnreich abgeholfen (vgl. Fig. XXV), indem er den Pdukenkessel frei in ein drei- füssiges Gestelle aufhing, dessen Kranz erst oben unter dem Ringe des Felles den Kessel selbst trägt. Statt der 10 Schrauben, welche gewöhnlich das Fell über den Kessel spannen und mittelst eines Schlüssels gedreht werden müssen, hat Öerveny nur sechs Schrauben angebracht, oben mit breiten Köpfen versehen, welche mit der Hand gefassl werden können. Der Schraubenschlüssel und das Klappern beim Anstecken des Schlüssels an die ) 0 Schraubenzapfen ist dadurch vermieden und das Summen der Pauken äusserst leicht geworden.

Auch die Form des Paukenkossels hat Cervcny vereinfacht. An die Stelle des aus Kupferblech getriebenen halbkugelförmigen Paukenkessels hat er einen abgestumpften verkehrten Kegel gelegt, auf dessen breiter Oeiïnung das Paukenfell liegt. Die untere Oeffnung ist durch eine dem Paukenfclle parollel liegende Blechplatte geschlossen, welche das zweite unlere Fell der Trommel repräsentirl.

Hg XXV.

Cerveny hat ein Paar solcher Pauken ¡n die V'olivkirche des

Kaisers Franz Joseph I. ex voló (876 geliefert, nebst einer

Menge anderer musikalischer Inslrumenle so reich als möglich

und, wo Ihiinlirli, im reichsten (¡ethischen Stile ausgeslaltet.

erveny hat da mit einer Art von Begeisterung für seinen Kai

ser gearbeitet, und so ist in seiner Hand das Einfachste zu einer Art Blumenstrauss geworden. — In der Volivkirche zu Wien hat Cerveny statt der Glocke an der Sakrisleithüre. weJche das Heraustreten des Priesters dem Volke anzeigl, eine Glockenpyramide construirl, die auf einer reichen, ingothi- schem Stile ausgeführten Console steht. Die Pyramide besteht aus acht Glocken, an welche beim Anziehen am Zugbrete acht Hämmerzugleich schlagen. Die Glockenpyramidc lässl in der Wiener V'olivkirche den Aiuoll- Accord und seine Octave erklingen : асе a. Cerveny hat es Glocken - Accordion genannt (siehe Fig. XXVI).

Wir wollen zum Schluss nur noch seiner selbst verfertigten und gut gelungenen türkischen Becken, Cinellen. (Piatli), sei- nerTriaugel u. dgl. erwähnen , die alle vom Scharfsinne des Technikers zeugen.

Wenn wir des fünfzigjährige Wirken unseres genialen Er- limiers betrachten, der, erst zulelzl von seinen zwei Söhnen Jaroslav und Slanislav unterstütz!, unter unablässigen Versuchen, Arbeiten und Mühen zu seinem Ziele gelangle, so muss man den unerschütterlichen Mullí des Mannes bewundern, der tausendfache Schwierigkeilen überwand, um zu diesem lelzlen Ziele zu gelangen. Wer aus eigener Erfahrung weiss, wie viel Mühe, Zeil und Geld jeder ralionell angestellte Versuch koslel, und oftmalige Enttäuschung lias Résultai langer Mühen ist, der wird den Muth und die Ausdauer Cerveny's zu wiigen wissen. Diese Ausdauer bat den einfachen Blechblasinstrunienlen- m.M h,т zu einem weltberühmten Fabrikanten pe- iii.u-lit Bei der Weltausslellung in Paris prangle eine Auswahl von 60 der Öcrveny'schen mit aller Eleganz ausgeführten Instrumente. Bei einem Wellkampf der Mililarmusiker in Brüssel vom ÎI. bis 30. Juli (880 trug die k. k. österreichische Musikkapelle des 36. Infanterie-Regiments den Sieg davon mil ihren Instrumenten, welche die Kapelle seit I86S aus der eervcnyschen Fabrik bezieht.

Seine grossarlige, ralionell angelegte Fabrik ist wohl das Anziehendste in der Fe.slungssladt Könipgrälz.

Weil über hundert Arbeiter sind beschäftigt an Schneid-, Zieh - Maschinen , üilliofen , Gussöfen , Schmelzöfen, Fallen-Maschinen zum Biegen der mit Blei ausgegossenen Röhren.

Nur dieser grossnrtipc Maschinenbetrieb machle es miig-

lieh, die grosse Zahl von Melallblasinstrumenlen zu liefern, mit welchen er beinahe die ganze Well versehen hal.

So gingen in zwei Jahren 6000 Metall-Blasinstrumente allein für die Armee ab, daneben wurden für Sibirien, Blagowjesch- tschensk im Amur-Gebiet, Turkistan, China, Honolulu auf den Sandwich-Inseln, die spanische Flutte auf Cuba, die Schiffsmannschaft von Paraguay, zahlreiche Blasinstrumente der verschiedensten Art geliefert; in Nordamerika kennt man allenthalben Instrumente aus öerveny's Fabrik. Auf allen Wellausstellungen erhielt er die höchste Auszeichnung. Sein Kaiser Franz Joseph, der die Fabrik Cerveny's am 9. Juni 1880 besuchte und sieb in das einzelnste Detail einführen liess, zeichnete ihn durch den Franz Joseph-Orden und das goldene Verdienstkreuz mit der Krone aus. Ebenso haben fremde Monarchen ihn geehrt: vom Kaiser Wilhelm I. erhielt er das Rillerkreuz des preussi- schen Kroneuordens, vom König Dom Luis von Portugal das Ritterkreuz des Ordens de Cristo, vom Kaiser Alexander U. von Russland die grosse Goldmedaille am St. Annen-Ordensbande u. s. w.

Dieser hochverdiente Mann, der im Jahre ( 883 sein fünfzigjähriges Jubiläum feierte, ist also in den Kreisen, für welche er hauptsächlich arbeitete, sehr wohl bekannt und auch nach Verdienst geschätzt ; nur unserer musikalischen Literatur scheint er bisher fast unbekannt geblieben zu sein. Um so mehr dürfte man die gegenwärtige Beschreibung willkommen heissen. Handelt es sich hier doch um Leistungen, welche nicht blos in technischer und geschäftlicher Hinsicht grossartig dastehen, sondern die gleichsam aus dem Geiste der Musik unserer Zeit hervorgegangen sind.

Nachtrag.

Soeben, als wir unseren Bericht schlössen, überrascht uns Öerveny mit einer weiteren Frucht des neuen Princips, nach welchem er seine neuen Instrumente baut. Es ist eine Bass-Tuba, vom Erfinder Kaiser-Tuba genannt (Fig. XXVII). Sie reicht vom (Gfüssigen Es bis ins eingestrichene/1 und ist nur 1ÎO Centimeter lang, so dass sie einem Manne von mittlerer Grosse höchstens an die Brust reicht.

Die neue Tuba soll einen überaus angenehmen, einschmeichelnden Ton bei voller Kraft besitzen und ebenso leicht ansprechen. Dies bezeugen z. B. dur kgl. preussische Musik - meisler Lebede im Eisenbahn-Regimente (14.Dec. (883), der Kapellmeister des schleswig-holsleinischen Füsilier-Regimenls Nr. 86, Kosubeck (Sept. 1883); der Musikdirigent ¡m badischen Infanterieregiment Nr. 114, Handloser ((8. Dec. 1883).

Alle sind einstimmig im Ruhme des weichen, vollen, brei- len, in allen Lagen reinen Tones, der dabei den Strich eines Contrabasses besitze und in jeder Lage so leicht hervorzubringen sei.

Die Wirkung des Instruments verhältnissmässig von so geringem Umfange, dass es ebenso gut beim Marschiren als beim Silzen des Bläsers auf dem Pferde verwendel werden kann, ist um so bewundernswerter, wenn wir die Leistungen Anderer, z. B. des wellberühmten Sax, des Schreckens Rossini's*), vergleichen, der ¡mJahre 1855 eine Basstuba von 10 PariserFuss, also über 3 Meter Länge, ausstellte, ein Ungethüm, von welchem der öslerreichische Berichlerstatler meinte, um den Ko- loss anzublasen, müssle man eine Dampfmaschine in Anspruch nehmen.

Das Instrument ist nalürlich durchaus konisch gebaut — am oberen Ende 36 Cenlimeter, weiter von da 50 Centimeler herab gegen das Mundstück belrägl sein Durchmesser 18 Centimeter und am'Mundslück selbst haben wir noch 13 Millimeter.

  • } »Ich bin ein armer Melodist*, klagte er, »und Sax mit seinem Saxophon und Berlioz mit anderen Kolossen unserer neuen Orchester schlagen alle meine Melodien todl.n

Mil diesem Conlrabass-Inslrumente wären wir wohl im lelzlen Sladium der Entwicklung musikalischer Blasinslrumenle angekommen ; denn die unübersteigllche Grenze bildet die Organisation des Menschen — die menschliche Lunge. Bei

Fig. XXVII.

Ueberschreitung dieser Grenze müsstcn wir, wie der öslerreichische Berichterstatter andeutete, zur Dampfmaschine unsere Zuflucht nehmen, da wäre dann die Instrumentalmusik vollständig aus dem Gebiele der schönen Künste herausgerückl — und hier hätten wir mit ihnen auf unserm Felde nichts weiter zu verhandeln.

Mit der fortschreitenden Entwicklung des Menschenlebens entwickelt und ändert sich auch ihr geistiges Leben ; ihre Gefönte und ihre Sinnesorgane dagegen werden stumpfer. Wenn wir nur ein Jahrhundert zurückblicken zwischen einem Fari- nelli und einem Wachtel und deren Publikum, welch eine un- ermessliche Kluft zwischen beiden; zwischen der unbehilflichen Feldschlange und der Kaiser-Tuba, zwischen dem Flügel Mozart's und einem französischen Erard oder einem englischen Broadwood, welch «ine ungeheure Kluft l Selbst der Flügel Hummel's scheint beinahe ein kindisches Instrument zu sein gegen unsere modernen Kolosse. Wenn mich in meiner ersten Jugend der Klavierlehrer alle Augenblicke erinnerte : »schlag1 nicht so d'rein«, so muss jetzt der angebende Klaviervirtuose Tage lang am Flügel sitzen und seine Arme und Hände üben, um so stark als möglich drein zH'schlagen. Ich erinnere mich noch mit Vergnügen an unseren ausgezeichneten Ciavierfabrikanten Biber, dem der Schweiss über die Slirne herab lief, als Hans von Bülow einen seiner Flügel probirle. Die Stimmung und die Saiten hielten aus, trotz aller möglichen Versuche, sie reissen zu machen. Vor 60 Jahren murrte der Director unseres Hoforchesters, Moral! : »wenn sie den Frauen- thurm (er meinte einen der 330 hohen Thürme unseres Frauen- müosters) blasen könnten, sie brächten ihn auch noch in unsere Orchester.« Und jetzt, Berlioz, Wagner l Ein Kritiker Beelhoven'scher Instrumentalwerke in dieser Zeitung meint: Beethoven sei bereits an die Grenze musikalischer Instrumcnti- rung gerückt — ein Schritt darüber hinaus führ? zum Halsbrechen— und doch hat Wagner diesen Schritt gethan und dadurch den grössten Theil unserer musikalischen Geschöpfe erst recht dem Himmel nahe gerückt. Allein die Linie, in welcher die Entwicklung des menschlichen Geistes fortzuschreiten scheint, so sehr sie einer geraden Linie gleicht, ist nur ein Theil einer Ellipse oder Parabel. Die Linie der Entwicklung kehrt wieder in sich zurück zu ihrem Anfange oder sje verläuft in die Unendlichkeit. Es scheint, wir sind nicht mehr so weit von der Grenze entfernt, von welcher an sie sich wieder ihrem Ursprung zuzuwenden beginnt oder sich endlich in der allgemeinen Wellenbewegung verliert.

Deutsche Musiker in Schweden.

Von Dr. A. Lindfffen in Stockholm.

II. J. G. Naimuinn.

(Schluss von Nr. 82.)

Eine ebenso bedeutende Thäligkeit, wie als Organisator der Kapelle, entfaltete Naumann hier auch als Componist. Mit seiner bekannten Oper »Coran wurde die neue Opernbühne in Stockholm (I78Î) eröffnet, und für Schweden — wohin er später nie wieder zurückkehrte — schrieb er dann sein Meislerwerk Gustav Wasa, welches jedoch erst am (9. Januar 1786 über die Bühne ging und einen Triumph feierte, wie ihn keines seiner früheren Werke gefeiert hat, und wie ein solcher vielleicht nie wieder von unserer königlichen Oper erlebt worden ist. »Gebildete Zeitgenossen«, sagt Geijer, »wusslen einen grossen Theil der Oper, sowohl der Musik wie auch des Textes auswendig.a Und noch in unseren Tagen konnte dieselbe mit entschiedenem Erfolg gegeben werden, wozu zwar die vaterländische Begeisterung, Kellgren's schöne Lyrik und die glänzende Scenerie viel beigetragen haben, was aber auch zum g rosse n Theil auf Rechnung der Naumann'schen Musik zu schreiben i-t Wennschon Vieles veraltet ist, so wirken die Höhepunkte gleichwohl

noch immer mit kaum verminderter Kraft. Es ist überall genug dramatische Stärke und musikalischer Adel vorhanden, dass des Auslandes ziemlich geringschätzige Beurtheilung Niumann's alsOperncomponist eine hellere Färbung erhallen haben müsste, wäre dem Auslande sein »Gustav Wasa с bekannt gewesen. Nun ist inzwischen das Seltsame eingetroffen, dass eine von einem d eu tscben Meisler componirte Oper, welche unter den Schöpfungen i h rar Zeit nur mit denen G luck's zu vergleichen gewesen und nur von denen Mozart's übertroffen worden sein dürfte, nor auf schwedischer Bühne zur Aufführung gelangt ist.

Doch auch im Auslande ist Naumann noch nicht gänzlich vergessen. Seine Kirchencompositionen werden noch jetzt in Dresden aufgeführt. Am höchsten werden wohl die Cantate Paler Noster und das Oratorium / Pellegrini geschätzt. Roch- lilz sieht in Naumann den letzten vollgewichligen und am besten eingepassten Schlussslein in der Periode, deren Geschmacksrichtung von Hasse und Graun bestimmt wurde. Dieses Unheil ist wohl im Grossen und Ganzen richtig, doch muss hinzugefügt werden, dass Naumann von einzelnen Eingebungen hoch über dieses Niveau erhoben wird. Besonders ist die unvergängliche Hymne aus Gustav Wasa »Edle Schatten« — schon in der ursprünglichen Instrumentation, welche spätere Zusätze nicht zu verbessern vermochten — von einer so erhabenen und ergreifenden Schönheit, dass selbst Händel seinen Namen hätte darunter setzen können.

Im Jahre (785 führte Naumann in Dänemark denselben Auftrag aus wie früher in Schweden, nämlich die Hofkapelle zu organisiren und eine Oper (Orphve} zu schreiben. Ungeachtet glänzender Anerbietungen sowohl von diesen beiden Ländern, wie auch von Friedrich dem Grossen, konnte er nicht dazu vermocht werden, seine Stellung in Dresden aufzugeben, sondern blieb derselben treu bis an den Tod . welcher am 13.October l Hd) erfolgte.

HI. J. M. Kraus.

Eine vor mehi .топ Jahren herausgegebene, sehr angenehme Biographie (von F. S. SilfverstolpeJ hat den in seinem kräftigsten Alter dahingerafften Meister, von dessen Werken selbst Gluck äusserte : «dieser Mann hat einen g rossen Stil«, vortrefflich geschildert. Wir wissen also nicht nur, dass er im Zeilalter Gustav's III., nachdem er trotz mehrfacher, dem Neide entsprossener Kabalen die Gunst dieses Fürsten gewonnen und wiedergewonnen halte, immer mehr als die grossie Zierde desselben hervorstrahlle ; wir wissen auch, dass er als Student in Göltingen um П70, also zur Zeit des berühmten Göltinger Dichterblindes , der gerade damals seine grossie Wirksanikeil entwickelte, durch innige Freundschaftsbande mit zweien seiner Mitglieder, dem von Bürger, Hölty und Voss geschätzten und zu früh vom Tode ereilten Hahn und dem Grafen Friedrich Leopold von Slolberg vereint gewesen ; dass er zusammen mil Hahn auf echte » Hainbundweise« Feenmärchen gelesen, den Klopstock declamirt, gegen Religionsverächler gedonnert und Wieland's »Agathon« feierlich verbrannt hatte; wir wissen schliesslich , dass dieser Tonkünstler, gleich humanistisch gebildet, wie in seiner Kunst grundgelehrt, eine sehr einnehmende und geistreiche Persönlichkeit war; dass sein Leben eine unauflösliche Vereinigung des feurigsten und weichsten Empfindens mil dem edelsten Charakter und den angenehmsten Gesellschaflslalenten bildele. Fassen wir nun dieses Alles zusammen und fügen wir hinzu , dass er sich in Kurzem eine gründliche Kennlniss der Sprache, der schönen Künste und Geschichte Schwedens erworben hatte, so wird es leicht zu verstehen sein, dass der Dichter Kellgren sich bald zu ihm hingezogen fühlen und sich eben so bald in immer bedeutenderem Maasse von ihm beeinflusse finden mussle.«

Mil diesen wenigen Worten hat unser Literalurforscher Atterbom iu »Siare och Skalden (Seher und Dichter) die persönliche wie auch die literarische und musikalische Bedeutung des Meisters treffend gezeichnet ; uns kommt hier nur zu, die letztere etwas näher zu entwickeln. Dass dieselbe für die schwedische Oper nicht so gross wurde, als man auf Grund der Fähigkeilen dieses Künstlers hätte erwarten können, dürfte seine Erklärung wohl in erster Reihe in dem kurzen Leben desselben finden , wovon uns nur ein Drilttheil zugehört bat, von dem noch obendrein der dritte Tbeil auf Reisen zugebracht wurde.

Joseph Martin Kraus wurde am 10. Juni 4756 in Miltenberg am Main geboren. Er verrieth schon zeitig ungewöhnliche Begabung und schrieb bereits im Alter von 47 Jahren poetische Idyllen und componirte ein Miserere. Seine musikalischen Studien bei Vogler in Mannheim waren jedoch ursprünglich nur dem Zeitvertreib gewidmet, indem als Beruf für ihn die Jurisprudenz in Aussicht genommen war, welche er auch an drei Universitäten (Mainz, Erfurt, Göltingen) sludirt bat. Sein selbständiger Sinn sträubte sich jedoch gegen die Be- amlenlaufbahn und hierzu kam noch, dass ihn eine ungerechte Verfolgung seines Vaters, welcher von seinem Amte suspendirt wurde, mit Widerwillen gegen sein Vaterland erfüllte. Unter solchen umständen hörte er gern auf den von einem schwedischen Studenten in Göttingen gemachten Vorschlag, sein Glück in Schweden zu versuchen, and reiste auch 1778 dahin ab. Hier eröffneten sich ihm jedoch Anfangs so geringe Aussichten, dass er bald im Begriff stand, wieder zurück zu kehren. Als aber seine zu Kellgren's Text componirte Oper »Proser- pinac auf dem Schlosse Ulriksdal vor dem König aufgeführt worden war, wurde er im Jahre (78) zum zweiten Kapellmeister ernannt. Contractuel) war ihm ein jährliches Gebalt von 500 Species-Reicbslhalern und für jede von ihm componirle neue Oper das Einkommen von der dritten Repräsentation zugesichert, auch ihm versprochen worden, dass er das folgende Jahr eine Reise nach dem Auslande antreten dürfe, um Geschmack und Einsicht noch mehr zu vervollkommnen. Er seinerseits hatte sich verbunden, nach der Rückkehr von seiner Reise wenigstens (0 Jahre im Dienste des Königs zu verbleiben und unter dieser Zeit die Lehranstalt an der musikalischen Akademie oder der Oper einzurichten und in bester Ordnung zu halten, geschickte und taugliche Lehrer vorzuschlagen, solche Schüler auszusuchen, welche natürliche Anlagen und Neigung besässen, die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass für die vorkommenden Rollen stets gute Sänger vorhanden wären und jederzeit einen Eleven in der Theorie der Musik auszubilden.

Dieser Contract scheint inzwischen nur in Betreff des Gehaltes und der Reise, welche 1782 — 87 nach Deutschland, Italien, Frankreich and England unternommen wurde, in Erfüllung ge- gaogen, im Uebrigen. aber unerfüllt geblieben zu sein. Was den beabsichtigten Unterricht betrifft, so war zwar Kraus auf seiner Reise für denselben wirksam, was aus seinem Briefe an den Regierungsrath Ziehet ersichtlich ist, wo er unter Anderem sagt: »ich untersuche nun mit grösstem Fleisse den Entwurf zu meinem Uoterrichtsplan , den ich Holzbauer und anderen Kennern dieser Sache communicirt habe«; als er aber zurückkam, hatte Vogler, welcher unvermulhet nach Stockholm gerufen worden, bereits eine Musikschule eingerichtet, und von Kraue und seinem Wirken in dieser Angelegenheit hört man nun nichts mehr, wenn nicht vielleicht folgende Worte in einem 1791 an seine Angehörigen geschriebenen Briefe darauf hindeuten : »ein und ein halbes Jahr habe ich den Dienst für

meinen Mitbruder gratis gelhao.« Nun liesse sich zwar annehmen, dass nach (788, wo er nach Utlini als erster Kapellmeister eintrat, seine Zeit ausschließlich für diesen Dienst in Anspruch genommen gewesen sei. Hier aber machen wir wieder eine überraschende Entdeckung, nämlich dass — soweit ich zu erforschen vermochte — während der vier Jahre, wo Kraus Kapellmeister war, keine einzige neue Oper aufgeführt wurde, wohingegen früher jährlich eine oder mehrere zur Aufführung kamen. Bis zu einem gewissen Grade kann zwar auch hier die Erklärung in Kellgren's Vorrede zu »Aeneas in Carthago» (oder »Dido und Aeneas«) Gellung haben, welche als die Ursache, dass diese Oper unter der Regierung Guslav's III. nicbl zur Aufführung gelangt ist, angiebt, dass dazu »Begebenheiten beigetragen haben, die auf den ganzen Staat von Einfluss gewesen sind«, und wenn man mit Atterbom diese Begebenheiten als «erstens des Königs Reisen nach dem Auslande und dann als allerlei politische Unruhen« deuten darf, so möge man nur nicht vergessen, dass letztgenannte gerade während der vier letzten Lebensjahre Guslav's III., während denen Kraus Kapellmeister war, besonders drohend gewesen sind, so dass sie wohl auf die Wirksamkeit des Theaters hindernd einwirken konnten. Aber auch dann, wenn man diese Erklärung gelten lässt, verbleibt der Mangel an Thäligkeil für unsere Oper, von dem Kraus — sowohl als Leiter, wie auch als Componisl (er componirle nur die Oper »Dido und Aeneas», die jedoch erst 1799 gegeben wurde, ausserdem nur Singstücke und Divertissements für kleinere Theater) — nicht freigesprochen werden kann, noch immer so merkwürdig, dass man wohl die Behauptung wagen darf, dass seine Kräfte absichtlich so wenig in Anspruch genommen worden sind und er trotz der Gunst des Königs, der Bewunderung verschiedener Freundeskreise und der von der Musikalischen Akademie am Í4. Mai 1798 veranstalteten Gedächtnissfeier zurückgesetzt gewesen ist.

Die Veranlassung zu diesem Verhältnis dürfte man in dem von Alterbom angedeuteten »Neide« finden können. Aus mehreren Briefen wird es ersichtlich, dass der lange Aufenthalt, den Kraus m Paris genommen, von Stockholm aus veranlasst war. Hier halle man das Gerüchl verbreitet, dass Kraus selbst seine Rückkehr verzögere und beabsichtige nicht mehr wiederzukehren. Er selbst schrieb nach seiner schliesslich erfolgten Rückkehr an seine Angehörigen Folgendes: »Gesund und munier bin ich endlich wieder in Schweden angelangt. Meinen Freunden war ich willkommen, weniger aber denen, die gern gewünscht hätlen, mich niemals wiederzusehen. Und diese ebrenwertbe Brüderschaft war es, welche Vogler hercabalirl halte, um mich fortzubekommen. Aber zur grössten Verwunderung dieses guten Volkes bekam die Sache eine ganz andere Wendung, denn ich nahm sie von ihrer rechten Seite und machte mit Vogler Eins. Aufrichtig gesagt — wir sind herzliche Freunde und vermeiden allen Anlass zu Streiligkeiten zwischen uns — und dies zum Aerger für unsere schadenfrohen Gönner. Was unsern Dienst betrifft, so halle ich keinen nachgiebigeren Menschen finden können. Sein Einkommen isl zwar ein und ein halb mal so gross, als das meine ; aber was Ihul diesTi

Ein anderer Grund, dass Kraus während seines Lebens in Schweden nichl nach Verdienst geschätzl war, obgleich im Auslande Männer wie Gluck und N en komm für Hin das beste Lob hatten, der Padre Martini sein Portrait malen, Professor Klein seine vortrefflichen Briefe über Piccinni's »Didonc in das »Pfälzische Museum« einrücken liess, und Breilkopf und Härtel seine Composilionen druckten*), dürfte darin zu finden sein, dass er es nicht verstand, sich einzuschmeicheln,

) Son patosa e »то amante, aus Mclaslasio's »Nilliti«; Vingt airs et chantont pour le clavecin ; Symphonie aus C-moll. Samml- lich gedruckt 478«.

sondera ebenso stolz wie rSnk«irei ebenso gefühlvoll wie sorglos war. Ein driller Grund dürfte auch der seto, dass die Art seiner- Küitsllerinlage nichl anschlug ; tbeils fand maa ihn in seinem Slil etwas zu dunkel, was mil Unrecht mit mangelnder Tiefe und Energie verwechselt wurde, Iheils (adelte man an seinen Schöpfungen »eine gewisse Ausführlichkeit». Das erslere sprach wohl das lebendige und leichte Gustavia- nische Zeitalter nicht an, das letztere dagegen war ein berechtigter Tadel, welchen auch die Nachwelt theilen muss. Kraus war nämlich trotz seiner reichen musikalischen Begabung oder vielleicht gerade infolge derselben eigentlich nicht zum Op erncomponislen berufen. So sehr auch immer fein Slil an Gluck erinnert, so fehlte ihm doch dessen scenische Schlagfertigkeit und musikalische Selbstverleugnung, und seine conlra- punktische Starke, derjenigen Gluck'» weit überlegen, verlei- lele ihn auf der ändern Seite zu eine/ Weitläufigkeit, die nur in der Inslrumentalmusik am Platze sein kann. Will man daher seine wirkliche Grosse kennen lernen, so darf.man sich nicht bei seinen Opern, in denen er, besonders was die Behandlung der Arie betrifft, oft schwach und conventionell .ist. ja nicht einmal bei seiner mit Recht berühmten Musik zn Gust.i % 's 111. Leichenbegängniss aufhalten, sondern muss zu seinen Symphonien und der Ouvertüre zu oDido und Aeneas« gehen. Die letztere wird von Frigel der Ouvertüre zu.riphi- genie In Aiilisa gleichgestellt und soll jedes Jehr топ H л j d n aufgeführt worden sein.*} Die ersteren, die Symphonien, von denen ein T heil [in der Musikalischen Akademie hier verwahrt wird, werden von Frigel mit Recht gepriesen. »Die K raus1 sehen Symphonien,« sagt er, »haben alle grossen Werlh und sind vol- ler Charakler, bald feierlich und prachlvoll (D-d~nr 4789), bald brillant und naiv (Es-dar], bald ernst und düster (D-mollj, bald traurig und herzzerreißend (C-m oll пк.г.к Wenn wir die genannte Dmoll-Symphonie —* als zum grössten Theil von Albrechteberger — ausscbliessen, so ist dieses Urlheil vollkommen berechligt; damals, als Kraus die С moll- Symphonie verfassle, halte keiner seiner Zeitgenossen , Mozart nic-b t ausgenommen , eine gleich groesarlige Symphonie geschaffen ; wären die Mittel und die; Mannigfaltigkeil etwas reicher, so würde man beinahe glauben, Beethoven zu hören. Ich hebe nicht aufgehört, die schwedischen Concerl- geber unserer Tage zu ermahnen, anstatt über den Kluss nach Wasser zu gehen und die Jugendarbeiten Fremder hervorzu- suchen, doch aus dem Schranke zu nehmen, was wir selbst besitzen und dadurch vor unverdienter Vergessenheit einen Tonsetzer zu bewahren, welcher zu den bedeutendsten zählt, die wir gehabt haben und der, falls er länger gelebt, und die Umstände günstiger gewesen wären, vielleicht einem С h er n bin i gleichstehen würde. Wahrscheinlich würde sich auch seine Kammermusik hören lassen und dies um so mehr, da gerade die Behandlung der Streichinstrumente seine starke Seite war, ja, es lässt sich sogar behaupten, dass die würdigste Weise, jetzt das Sacularfest des Grossen Theaters in Stockholm") zu feiern, die Aufführung gerade der Oper gewesen sein würde, mit welcher, ЬаИед es nicht zufällige Umstände (das Entweichen der Sängerin Frau Müller) unmöglich gemacht, dieses Theater eingeweiht worden wäre. Bei all ihren Schwächen, welche durch bedeutende Abkürzungen neutrali- sirt werden könnten, enthäll nämlich die Oper »Dido und Aeneas« mehr wirkliche Musik als »Cora und Alonzo«.

Jene Oper hal übrigens zufolge der (meiner Meinung nach

  • ) In dem bis jetzt erschienenen Theil von Pohl's Haydn-Biographie ist jedoch hiervon nicht.« gesagt.
    • ) Dieses Söcularfesl wurde am 30. September 1882 begangen. Leider zog man bei dieser Gelegenheit vor, Neumann's schwächere Cora und Alonzo« zugeben, Hie freilich factisch die Einweihungsoper war.

unnötigerweise) bezweifelten Echtheit verschiedener Theile des fünften Actes ihre eigene Geschichte erbalten. Dass gewisse Theile dieses Actes später in die Partitur des königlichen Theaters (wahrscheinlich von Haeffner) eingeschoben worden sind, lasst sich wohl nicht bestreuen, die Faclur aber rmil ihrer grossartigen Einfachheit, mit ihren, dem Uebrigen analogen Gedanken, ihren vielen Unisonen, repetirten Noten und blitzähnlichen Slreicbscalen u. s. w.) ist so unverkennbar die Kraus'sche, dass seine Originalcomposition offenbar allen von Haeffner vorgenommenen Veränderungen und Einschiebungen selbst da zu Grunde gelegen haben muss, wo ein eigenhändiger Entwarf von Kraus nicht mehr vorbanden sein Mille, was nachweisbar noch bei vier Nummern der Fall ist. Entscheidend erscheint mir der Umstand, dass überall, wo in die Partitur der königlichen Oper neue Blätter eingebunden werden, offenbar die entsprechenden allen Butter vorher erst b eraos- genommen sind, welche gewiss nicht leer waren, sondern die ursprünglichen Composilionen in der Ordnungsfolge bis zu dem unverändert gebliebenen Sehluss enthielten. Also : die Oper war unzweifelhaft von Krau« fertig eomponirl, und dann würde es sich nui darum baedela, ab HaefTner die aoe der Partitur herausgenommenen Stücke v e r w o r f en und gänzlich neu componir* hal, was jedoch, selbst wenn man von den inneren Kriterien gana absieht, unwahrscheinlich ist, oder, was glaublicher erscheint, sich auf (mag sein durchgreifende) Streichungen, Zusamiueoziehungtn und Ausfüllung dor Instrumentation beschränkt bat.

Der Raum Verbietet uns, fernere Beiträge aus den der Biographie Silfv.erstóp«'» bei;<egebenen Briefen von Kraus .¡nл|- führen, welche von der liebenswürdigem Persönlichkeit, der hohen Bildung und dem scharfen UrtUeil desselben ein treffendes Bild geben. Wir scbliessen mit einer uns zu Händen gekommenen privaten MiltheUnng :

Auf dem Grabe des Kapellmeister Kraus bei Tivoli auf dem Slrande des Sees Brunsesviken (nnweil Stockholm! stand noch im Jahre 18Í6 eine kleine, morsche, weissgetünchte Holzpyramide mit der Inschrift : »Hier ruhet der Kapellmeister Josef Kraus,,geboren 4756 — gestorben am 45. Dec. 4791. Durch ausgezeichnete Verdienste geehrt von Fürsten, geschätzt von Kennern, durch sanften Umgang geliebt von Allen.i Wahrscheinlich wurde dieses Monument von dem derzeitigen Besitzer von Tivoli, dem Grafen N. Burok, errichtet, bei dem sich, wie man weise, sowohl Kraus wie auch Naumann gern aufhielten und bei dem Naumann auch den gröeslen TbeU von »Gustav Wasa< componirt hat. — 48Í6 wurde dieses Monument durch ein anderes von Sandstein ersetzt.

IV.

G. J. Vogler.

ADtió Vogler, der Mann mit den vielen Titeln*) und die widerspruchsvollste Vereinigung von Gelehrten und Effect- sucher, von Genie und Gaukler, Künstler und Jesuit, gehört, wie so viele andere Fremdlinge, während eines Theils seines wechselreichen Lebens der schwedischen Musikgeschichte an. Der Schwerpunkt seines Wirkens liegt aber nicht, wie bei den meisten anderen in dem, was er als Componist geschaffen hat, sondern in seiner Merkwürdigkeit als Theoretiker, Lehrer und Virtuos.

Es war am 45. Juni I7Í9, als Georg Joseph Vogler in Würzbnrg das Licht der Welt erblickte. Zeitig schon trat

  • ) Er war bei seinem Tode »päpstlicher Erzzeuge, Kämmerer des apostolischen Palastes , bayerischer geistlicher Rath und Hof- kapellmcister, öffentlicher Tonlehrer zu Mannheim und Prag, grossherzoglich hessischer geistlicher Geheimer Rath, Kapellmeister und Ritter, Ritter vom goldenen Sporen« u. s. w.

seine unruhige Versuchslust zu Tage, als er ohne Anleitung verschiedene Instrumente spielen lernte und eine neue Fingersetzung erfand. Im Jahre 4774 componirt er in Mannheim ein Ballet und beginnt bereits Unterricht zu ertbeilen (u. a. Kraus) ; zwei Jahre späleiMinden wir ihn in Bologna als Schüler Padre Martini's, dessen Unterricht er aber zu umständlich findet und schon nach sechs Wochen wieder verlässl, um nach Padua zu Vallotti zu gehen, bei dem er einige Monate aushält. '. Wahrscheinlich schon Trüber in den Orden Jesu eingetreten, tritt er jetzt in Rom auf und wird apostolischer Protonotar, päpstlicher Kammerherr und Ritter des goldenen Sporeos, worauf er sich nach Mannheim begiebt, wo er eine Tonschule gründet und Anstellung als Hofkaplan und, '.rotz des geringen Erfolges, den sein Miserere hatte, als zweiler Kapellmeister erhält. 4783 gehl er auf Reisen nach Paris (wo seine Oper *Le Kermesse^ Fiasco macht), nach Spanien und nach dem Orient, um den alten Choralgesang zu Studiren, und 1786 nimmt er in Stockholm Anstellung als »Director der Musik«.

Sein erster Contract mit der schwedischen Uper verpflichtete ihn, nicht nur die gewöhnlichen Obliegenheiten eines Kapellmeisters zu verrichten, sondern auch jedes Jahr eine neue grosse Oper für das königliche Theater zu componiren, wofür er ein Jahresgehalt von 2000 Reichsthalern nebst Futter für zwei Pferde und sechs Monate Dienstfreiheit erhalten sollte, um reisen zu können, wohin es ihm beliebte ; ausserdem sollte er nach Ausgang der Anslellungszeit bis zu seinem Tode eine jährliche Pension von <000 Reichsthalern zu beziehen haben. Die Pensioossumme wurde jedoch im folgenden Jahre auf die Hälfte herabgesetzt. Am (. Juli 4791 wurde er verabschiedet, 1793 aber mit einem Gehalt von 1700 Reichsthalern und der Zusicherung einer jährlichen Pension von 500 Reichsllialern wieder auf vier Jahre angestellt, welcher Contract später bis <799 verlängert wurde, in welchem Jahre Vogler Schweden für immer verliess. Während seines Aufenthalts hierselbst hatte er 400 Orgelconcerte gegeben, davon 32 in Stockholm, eine Musikschule eingerichtet, componirt (doch keine Oper ausser Gustav Adolf und Ebba Brahea, 4788), Bücher geschrieben, Vorlesungengebalten und 4 794 die Wittwen- und Waisenunter- stützungskasse der Hofkapelle gegründet. Ebenso hatte er die ihm in so reichem Maasse bewilligte Dienslfreibeit zu fleissigen Reisen nach dem Auslande benutzt und gelegentlich derselben in Holland, England und Dänemark auf einer kleinen, transportablen Orgel, »Orchestrion« genannt, sein »Simplifications- systemir für den Orgelbau vorgezeigt. 4794 schrieb er für Mannheim »Castor und Pollux«, 4800 für Kopenhagen »Hermann von Unna«; 4807 übernahm erden HofkapellmeisterplaU in Darmstadt, wo er seine dritte »Tonscbule« errichtete und am 6. Mai 4814 starb.

Schon dieser kurze Bericht dürfte einen Begriff von dem wechselreichen Leben und der vielseitigen Wirksamkeit Vogler's geben. Hier wollen wir nur die letztere etwas eingehender betrachten.

Ist Kraus in unserm Lande nicht nach Verdienst gewürdigt worden, so scheint man Vogler dagegen überschätzt zu haben. Dass das persönliche Verhältniss zwischen Beiden das beste war, haben wir schon oben gesehen (cfr. J. M. Kraus). Inwiefern das Officielle eine Art Subordination mit sich führte, ist aus ihren Contracten nicht ersichtlich; inzwischen wurde Vogler's Oper aufgeführt, Kraus' nicht, und es war der Erstere, nicht der Letztere, welcher 4787 mit der Composition des

  • ) Und dessen Lehren die Grundlage seines eignen Systems worden — was Prof. v. Schalhüutl näher auseinander gesetzt hat in dem gediegenen Aufsatze »Holt und Dur in der Natur, und in der Geschichte der neuern und neuesten Harmonielehre; mit besonderer Berücksichtigung der Systeme von Vallotti und Abt Vogler» — in der Allg. Mus. Ztg., Jahrg. 4878, Nr. 4—9.

Prologs zum Geburtstage des Königs betraut wurde. In schwedischen Biographien wird Vogler noch in neuerer Zeit ein »grosser Tonsetzer« genannt, seine kirchlichen Compositionen werden als »ungewöhnlich schön» beschrieben und seine bizarren Tongemälde auf der Orgel, wenn nicht gerühmt, so doch sehr mild oder auch humoristisch beurtheilt. Anders lauten die ausländischen Urtheile, wenn wir nämlich von einigen früheren Quellen, wie Schilling's Lexikon oder C. M. v. Weber absehen, welcher letztgenannte durch sein bezauberndes Wesen beein- flusst war. F (.'lis spricht seinen Tonschöpfungen Originalität der Ideen ab, tadelt sein Harmoniesystem stark und schenkt nur seinen Verbesserungen der Orgel und seinem Lehrertalent einige Anerkennung. In historischen Compendien u. a. ist Vogler nicht einmal erwähnt. Beide Richtungen in der Beurtheilung Vogler's sind ungerecht und dürften nur in seiner widerspruchsvollen Persönlichkeit ihre Erklärung finden. Ich für meinen Theil sehe in Vogler freilich gar keinen grossen und ungewöhnlichen Componisten, wohl aber einen Theoretiker mit einem ebenso grossen Zukunftsblick wie mit abstracten Einseitigkeiten, sowie einen Lehrer, für dessen grosse Bedeutung Namen wie Haeffner, Kraus, Weber und Meyerbeer mehr als hinreichend zeugen dürften.

Vogler's Tonsetzungen entbehren, was Geist und Eingebung anbelangt, im Grossen und Ganzen grösserer Tiefe, wennschon die Form eine grosse Routine, eine mehr leicht ansprechende als originelle Melodik und nicht selten eine Harmonisirung ver- räth, welche, besonders für die damalige Zeit, pikant genannt zu werden verdient. Er kann unterhaltend, aber selten ergreifend sein ; ein sehr bedeutendes «avoir faire muss oft den Mangel einer tieferen., schaffenden Kraft oder eines höheren Fluges ersetzen. Daher ist auch , entgegen der herrschenden Vorstellung, seine Operomusik besser als seine Kirchenmusik, welche nicht selten in die ausgeartete banale Manier der neapolitanischen Schule verfallt. Einige glänzende Ausnahmen hiervon haben sich inzwischen der Nachwelt erhalten, so das bekannte »Hosianna« und ein Theil seiner Choralbearbeitungen, unter denen die ¡m Andante der Symphonie i-i.it scata« besonders hervorzuheben sein dürften.

Von seinem Ciavierspiel wird es der Nachwelt schwer sich einen Begriff zu bilden, besonders da die Urlheile seiner Zeitgenossen sehr widersprechend waren. Auf der einen Seite feierte er als Ciavierspieler tbatsächlich bedeutende Triumphe, und von den Vorschriften, die er in seiner Claver Schola (Stockholm, 4798) giebt, ist wenigstens der grössere Theil gesund und richtig.*) Auf der anderen Seite haben wir von Mozart, welcher ihn 4778 in Mannheim hörte, folgenden scharfen Tadel : »NB. Vor dem Tische hat er mein Concert (das von der Lilzau ist) prima vista — berabgehudelt. Das erste Stück ging prestissimo, das Andante allegro und das Rondo wahrlich prestissimo. Den Bass spielle er meistens anders als es [geschrieben] stand, und bisweilen machte er eine ganz andere Harmonie und auch Melodie. — Seine Applicatur ist auch miserabel ; der linke Daumen ist wie beim seligen Adlgasser, und alle Läufe herab mit der rechten Hand macht er mit dem ersten Finger [Zeigefinger] und Daumen.« Letzteres stimmt mit seinen angegebenen Vorschriften für die Fingersetzung in B-dur überein. Hier dürfte nur zu bemerken sein, dass Mozart gegen Vogler im Voraus eingenommen war.

Als Orgelspieler dagegen war sein eminentes Talent unbestritten , wennschon man die Gemälde tadelte, welche er vom afrikanischen Reisstampfen, dem Einstürzen der Mauern Jerichos u. s. w. entrollte. Sogar Haeffner, welcher Vogler im Allgemeinen nicht besonders gewogen war, zollte ihm eine

"l Sonderbar ist nur seine Fingersetzung in der Bdur-Leiter: er will den Daumen auf C, F u n d A. setzen l

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Art den Tadel nicht vermissender Anerkennung : «Der Herr Abbale Vogler hat durch seinen Aufenthalt in Schweden das Orgelspiel in der Kirche unglaublich verhunzt. Nach ihm kann kein.Organist als untadelhafl passiren, sobald er auf der Orgel nicht Hirlengesänge spielen, das Rollen des Donners und das Tosen des Sturmes hören lassen, kurz, Himmel und Erde in Bewegung setzen kann. Vogler wusste recht gut, dass dieser Hocuspocus nicht zur Musik gehört und nur dann angewendet werden darf, wenn das Publikum die erschlafften Sinne gegen contante Bezahlung durch unnatürliche Mittel gekitzelt haben will. Wie gewöhnlich beeilte man sich auch hier seine Ungereimtheiten zu in»tiren, sein Talent aber, eine Melodie zu con- trapunktiren und Fugen zu exequiren, blieb den Herren Organisten ein Gebeimniss.« Hieraus scheint hervorzugehen, dase Vogler ein ebenso tüchtiger Fngirer wie Schlachten- und Un- gewillermaler war. Dass er es verstand, sein Publikum besonders mit diesem letztgenannten Talente zu gewinnen, ist aus den die Naturwabrheit seines Spieles schildernden komischen Anekdoten ersichtlich. Es wird z. B. unter Anderen erzählt, dass er einmal das Prasseln des Regens so täuschend nachgeahmt habe, dass die Herren in der Kirche die Hüte aufsetzten ; ein anderes Mal habe er auf der Orgel ein Gewitter so nalur- wahr hären lassen, dass in den nahegelegenen Hausern die Milch sauer wurde ! Darf man einer ErzShlung des Präsidenten von Rosen Glauben schenken, so war die Hervorbringung des Donners nicht so schwer und geschah dadurch, dass mehrere der nebeneinander liegenden Pedaltangenten auf einmal hinabgedrückt wurden. Eigentümlich genug sucht Vogler diesen krassen Kunstgriff in seiner Lection für den Choralschü- ler M. H. (Stockholm (799)*) allen Ernstes folgendermaassen zu vertheidigen : »Dass man auf dem Orgelwerk ein musikalisches Gemälde hervorbringen und mit einer Deutlichkeit, dass es selbst ungeübte O'iren zu unterscheiden vermögen, z. B. den Donner, das Poltern einstürzender Mauern, das Heulendes Sturmes u. s. w. hören lassen kann, ist ein Yorlneil für dieses Alles umfassende Instrument und so zu sagen das Monopolium des Orgelwerkes.«

Mehr Genialität wie als Tonsetzer,und Virtuos zeigt Vogler meines Dafürhaltens als Theoretiker. Seine Schriften sind anregend , interessant zu lesen und zeigen, wenn er Ideen entwickelt, welche man einer späteren Zeit vorbehalten glaubt, zuweilen einen wirklichen Seherblick. Wer würde wohl erwartet haben, in Vogler's Clavierschule die Handstellungen für das Legato und Staccato zu finden, welche erst viel später als Chopin's Methode beschrieben worden sind? Wer würde geglaubt haben, dass schon Vogler die Nalurlöne als Grundlage für die Harmonie anlicipirl hatte und dies in einer Weise, dass er weiter geht als die modernen Naturwissenschaften* Gleichwohl ist dieses der Fall.

Vogler ging sogar so weit (»Meaning til Harmoniens känne- dom« [Einleitung zur Kenntniss der Harmonie], Stockholm 1794), dass er das Fis in die C-Scala aufnehmen wollte, weil der elfte Partiallon des С «dem Fis näher liege als dem F« ! So reich nun auch Vogler hierin an kühnen, ja verwegenen Zukunftsgedanken sein mag, so lilt er doch, was bei einem speculaliven Dogma- tiker erklärlich genug ist, auf der ändern Seite Mangel an historischem Sinn und vorurtheilsfreier Auffassung, als er (»Organist Schola«, Stockholm 1798) das Heimathsland des Chorais in Griechenland gefunden zu haben glaubte und Bach zu meislern suchte, weil er in dessen Choralaccompagnement nicht die »geringste Unterscheidung und Auswahl der zum Choral passenden Harmonien finden konnte« ! Dasselbe rastlose Be-

  • ) Diese Lection ist für HaefTner bestimmt, welcher M(ayema) H(uh) genannt wird, weil er mit diesem hübschen hotlenlotlischcn 'itheton Vogler's Choralwerk angegriffen hatte. Södling sagt, doss lier Schweden aus Aerger Über Haeffner verlassen habe.

dürfniss, umwiäodern und neu zu bilden, zeigt steh auch in seinem »Simplificalionssystem«, welches darauf hinauslief, die Prospecte, die Mixturen u. dgl. aus der Orgel zu entfernen, die Pfeifen direct hinter ihre Tangenten zu stellen, wodurch die weitläufige »Regierung« verschwinde, nnd die tiefsten Stimmen durch Combinalionstnne zu ersetzen. Dieses System gewann keine Nachfolge, «rief inzwischen aber in der genannten Kunst ein mehr wissenschaftlich geordnetes Verfahren hervor.«

Ist Vogler auch in allen bisher geschilderten Eigenschaften ohne sichtbar directe Einwirkung auf die Nachwell geblieben, so lebte und wirkte sein reformatorischer Geist doch anberechenbar auf eine andere Weise, nämlich durch seine Schäler. Weber und Meyerbeer zählen zu den grösslen Namen unseres Jahrhunderts; wer aber kann sagen, bis zu welchem Grade sie für ihre epochemachenden Ideen bei ihren Lehrern in Schuld stehen T Selbst Haeffner hat, ungeachtet seiner Abneigung gegen Vogler, gar nicht wenig von dessen Principien für die Choralselzung sich angeeignet. Besonders ist Schweden Vogler dafür Dank schuldig, dass er 4 786, zu einer Zeit, wo die Lehranstalt der musikalischen Akademie gänzlich darniederlag, eine Musikschule errichtete , wo auf jedem beliebigen Instrument gratis unterrichtet werden sollte , um auf diese Weise die für die Hofkapelle erforderlichen Musiker, welche vom Auslande verschrieben werden musslen, im Lande selbst erhallen zu können. Der Zulauf zu dieser Schule wurde so gross, dass der Unterricht schon im December desselben Jahres auf diejenigen beschränkt werden musste, welche die Musik zu ihrem Berufe wählen wollten. Ausserdem war Vogler wahrscheinlich der erste, welcher Vorlesungen über Musik in schwedischer Sprache hielt und, wie wir gesehen haben, Schriften über diesen Gegenstand in derselben herausgab.

Dass der Beruf des Lehrers für ihn der vornehmste war, sah er selbst ein, und es liegt eine Art rührender, tragischer Resignation in den Worten, die er gegen Ende seines Lebens in Bezug auf Meyerbeer und Weber geäussert haben soll : >Es ruht etwas in mir, was ich nicht herausrufen konnte. Diese beiden werden es thun ! Was wäre Perugino ohne Rafael?«

Bernhard Gugler.

Einer der treuesten und werthvollsten Mitarbeiter dieser Zeitung, und einer der besten wissenschaftlichen Freunde den Herausgebers, soll nicht dahin gegangen sein, ohne hier, wenn auch spät, einen kleinen Gedenkstein erhalten zu haben. Gugler's \ndenken wird bei denen, die ihn näher kennen lernten, nur mit ihrer eignen Erinnerung erlöschen. Namentlich in der Musik waren bei ihm Empfänglichkeit und wissenschaftlicher Sinn gleich hoch ausgebildet, was um so bemerkens- werlher ist, da er durch seine eigentliche Berufstätigkeit dieser Kunst fern stand.

Geboren zu Nürnberg am 5. März (8IÎ , erhielt er bis zum vierzehnten Jahre den Unterricht in der Volksschule, besuchte dann eine Vorbereitungsanstalt für das Lehrfach, später aber das Gymnasium und die polytechnische Schule seiner Vaterstadt, und darauf die Universitäten Erlangen, Wien und München. Sein Berufsfach wurde die Mathematik. Vom Jahre <835 bis zu seinem am ^î. März 4880 erfolgten Tode war er Lehrer derselben, zuerst an der Gewerbeschule in seiner Vaterstadt und sodann (seit l к l i an der damaligen Gewerbeschule, jetzt technischen Hochschule ¡n Stuttgart. Als Lehrer und später als Rector dieser Ansialt entfaltete er eine weithin bemerkbare, segensreiche Wirksamkeit.

In den musikalischen Kreisen ist Gugler wohl am meisten bekannt geworden durch seine Ueberselzung des Mozarl'schen Don Giovanni, sowie durch Hie Herausgabe der Partitur dieser Oper. Und wabrlich, schon dieser einen Arbeit, wegen verdient er, dass wir sein Andenken in Ehren halten. Sowohl über die Uebersetzung wie über die Partilurausgabe ist in dieser Zeitung so wiederholt und eingehend gesprochen, dass es den Lesern nicht ganz aus der Erinnerung geschwunden sein kann. Wenn nun Gugler's Mozarlwerk weder als Ueberselzung, noch als gereinigte Partitur ganz den verdienten Erfolg gehabt hat, so ist das Zusammentreffen ungünstiger Umstände hauptsächlich schuld daran. Für eine Reinigung Mozart'scher Opern war bisher die Zeit nicht reif ; die Theater und sogar die damaligen Mozart-Autoritäten standen ihr ganz theilnahmlos gegenüber.

Gugler selber befreundete sich später mehr und mehr mit dem Gedanken, dass für die Herstellung einer originalgetreuen Praxis in der Musik nicht Mozart der richtige Ausgangspunkt sei, sondern dass man weiter, bis auf Händel zurückgehen müsse, um aus dem Vollen und so auch mit Aussicht auf Erfolg arbeiten zu können — und diese Ueberzeugung gab dann ungesucht ein festes Band ab für unsere gemeinsame Thälig- keit. Die Hemmung seiner früheren Mozart-Arbeiten beklage ich nichtsdestoweniger. Bei seiner Kenntniss, seinem Takt, seiner Arbeitslust und ausserordentlicheo kritischen Schärfe wäre er der geborne Herausgeber für einen grossen Theil der Breitkopf & Härte)'sehen Mozart-Edition gewesen.

Mit warmer Theilnabme kam er jeder wirklich musikalischen Erscheinung entgegen. Er war nicht einseitig und immerfort begierig, Neues zu lernen. Mit Leichtigkeit, anregend aber nicht verletzend, urtheille er über musikalische Tagesereignisse ; doch war sein eigentliches Gebiet, auf welches Neigung und Talent gleichmässig ihn hinwiesen, das rein wissenschaftliche. Seine eminente Begabung für die Musikwissenschaft sprach sich am sichersten darin aus, dass er bei einer Sache stets mit Leichtigkeit auf den Mittelpunkt kam. Ich konnte das am besten wahrnehmen bei Händel, der ihm früher ziemlich fern lag. Kaum hatte er angefangen, die Instrumentations- und Begleitungskunst desselben zu untersuchen, so war er hinsichtlich des Clavier-Accompagnements auch schon bei denjenigen Problemen angelangt, auf deren Lösung es hier hauptsächlich ankommt. Allerlei Material halle ich ihm bereits zugetragen und Huinches andere schon bezeichnet; aber der grausame Tod hat nicht gestattet, diese schlinen Studien bis zu irgend einem mit- theilbaren Resultat zu führen. Durch die gediegene Kennlniss des Italienischen, welche der sel. Cingler sich erworben hatte, wurde er mir bei der Herausgabe Händel'scher Opern ein allzeit bereiter Helferund aufmunternder Berather, dessen,warme Theilnahme von der allgemeinen Gleichgültigkeit, mit welcher diese Werke noch immer betrachtet werden, wohllhuend abstach. Bei jeder Oper, die ich nach seinem Tode zum Druck bringe, macht sich das Gefühl des Verwaistseins aufs neue gellend : so anziehend war diese Persönlichkeit.

Wer dieses reiche Leben überblickt, der muss sich sagen, dass die äusserlicb sichtbar gewordene Frucht von der inneren Reife und Tüchtigkeit desselben kein völlig genügendes Bild giebt. Aber betin Jen sich nicht sämmtliche treue Arbeiter auf dem Felde der Musikwissenschaft mehr oder weniger in derselben Lage? Wenn der Einzelne reif, die Wissenschaft, in welcher er arbeitet, aber unreif ist und daher von der Ge- sammtheil nicht richtig geschätzt werden kann ; wenn die vorhandenen Kräfte in Folge dessen nicht als Glieder zusammen wirken, sondern durch Entfremdung oder Reibung einander aufheben : so entsteht ein Zustand, wie der ist, den wir in den letzten Decennien durchlebt haben. Man erkennt immer mehr, fühlt sich immer sicherer, versöhnlicher, unparteiischer, aber man kommt bei alledem üusserlich nicht weiter ; jeder Schritt vorwärts ist wie ein Walen im Sande. Was bleibt schliesslich übrig, als sich mit dem zu begnügen, was man an Schätzen der Erkennlniss erhingcn kann, der Welt aber mü;;i;Hisl \\en\K da

von milzulheilen, und garnichls von ihr dafür zu beanspruchen ? In dieser Anspruchslosigkeit dürfte der sei. Gugler wohl so leichl von niemand überlrofTen werden. Durch seine sämml- lichen musikalischen Arbeiten hat er eigentlich weiter nichts erworben, als die Hochachtung, Liebe und Dankbarkeit seiner Freunde. Dieser Erwerb ist allerdings ein dauernder, denn wir vergessen ihn nicht. ^r

Carl Emil von Schafháutl.

»Niemand kann zwei Herren dienen«, sagt ein alter Spruch. Und doch hat ein langjähriger Freund dieser Blätter den Beweis geliefert, dass man, wenn auch nicht zwei Herren, doch — obwohl Cölibalär — drei Frauen : der .Wissenschaft, der Kunst und der Technik mit gleicher Liebe dienen und von jeder mit den schönsten Ruhmeskränzen geschmückt werden kann. Ein Rückblick auf den Lebensgang jenes Freundes, .der am < 6. Februar d.i. (1883) sein achtzigstes Jahr vollendet hat, möge diese Behauptung rechtfertigen.

Am Mi. Februar «803 wurde Carl Emil Schafhäull zu Ingolstadt geboren. Sein Vater, Militärarzt im bayerischen Infanterie- Regimenté Graf Preysing, starb schon nach zwei Jahren und überliess der Wiltwe die Erziehung des Söhnchens. Nach beendigtem Elementarunterrichte brachte sie den Knaben in das Studien-Seminar zu Neuburg an der Donau, wo in ihm unter der Leitung des als Componisten hauptsächlich für vierstimmigen Männergesang bekannt gewordenen Professors Eisenhoferund im Verkehr mit dem ebenfalls als Zögling anwesenden, nachmals berühmten Franz Lachner frühzeitig Neigung zur Musik" geweckt und genährt wurde.

Nach Beendigung der Gymnasialstudien bezog Schafhäull die Universität Landshul und widmete sich dort in den zwanziger Jahren philosophischen, naturwissenschaftlichen und cameralistischen Studien, aus welchen er auch dort promevirle. Nach Verlegung der Universität von Landshut nach München zog unseren Schafhäutl die Pflege der Musik ¡n die Hauptstadt, wo er Ende des Jahres <827 eine Stelle als Scriptor an der Universiltlsbibliothek erhielt.

Schon innerhalb der Jahre <820 bis <830 regle sich sein Hang zu schriftstellerischer Thätigkeil; als Pseudonymiis : C. B. Pellisov (pellis ovis) veröffentlichte er mehrere Jugendschöffen und dramatische Stücke, als: Der Alte von den Bergen , eine Erzählung für Kinder; Vater Noah's Haarbeulel, eine Posse in l Akt ; Wingolf, Blätter einer kleinen Jugendakademie u. a. m.

Im Jahre (831 erschienen seine ersten musikalischen Abhandlungen : »Betrachtungen über den gegenwärtigen Staqd der Musik« und »Andeutungen zur Begründung der Theorie der Aeolsharfe«.

Die untergeordnete Stellung an der Universität konnte seinem strebsamen Geiste, sowie seinem Wissenslriebe in die Länge nicht genügen. Das Studium der Naturwissenschaften, insbesondere der Geologie und Geognosie, des Bergbaues, und der Hüttenkunde veranlassen ihn zu grossen Reisen in Belgien, Frankreich und England, welche über acht Jahre dauerten, und wovon er einen grossen Theil als Ingenieur in Hüttenwerken und Stahlfabriken in England zubrachte.

Anfangs der vierziger Jahre kehrte Schafhäull nach München zurück, nachdem er vorher noch in Dublin auf Grund einer Dissertation und Disputation über das Thema : de rabie canina zum Doctor der Medicin ernannt worden war. In München Wurde seine uogemein reiche wissenschaftliche und praktische Ausbildung alsbald erkannt. Schafhäutl wurde um l 84! zum ausser- onlentlichenund l 84 i zum ordentlichen Professor für Geognosie, Bergbau- und Hüttenkunde an der Universität und zugleich zum Conservator der geognoslischen Sammlungen ernannt. Die Akademie der Wissenschaften erwies ihm die Ehre, ilin schon um (842 als ausserordenlliches und l S4'i als ordentliches Mitglied für die mathematisch-physikalische Klasse aufzunehmen. Grössere Keisen unternahm Schafhäutl von da an nur noch im Jahre 1 844 im Auftrag des Königs Ludwig I. nach Horn und Neapel zum Studium der Technik der pompejanischen Wandmalereien, und im Jahre 1851 nach London als bayerischer Minislerialcommissär bei der ersten allgemeinen Weltausstellung. Seil dieser Zeit begnügte sich der in seinem eigentlichen berufe als Lehrer und Forscher rastlos thalige Gelehrle alljährlich mit kleineren Erholungsreisen nach seinen Lieblingsorten Salzburg und Einsiedeln in der Schweiz, wo er in den Bene- dicliner-Klöstern als hochgefeierler Gast gewöhnlich einige Wochen sich geistigem Ausruhen hingab.

Die Literatur sowohl im Bereiche der Wissenschaften, als auch in dem der Musik und der Technologie verdankt ihm eine ganz erstaunliche Anzahl höchst schäl/barer Werke, grösserer oder kleinerer Monographien, Abhandlungen und Aufsätze in deutscher, englischer und französischer Sprache, welche ausnahmslos von gründlichster Kennlniss der behandelten Gegenstände, tiefer Gelehrsamkeit und schärfster Beobachtungsgabe Zeugniss geben.

Auf dem Gebiete der Musik begegnen wir zunächst in den Jahrgängen l s:;.i bis (882 unserer Zeitung folgenden Abhandlungen :

483Í. S. 72Î u. f.: Heber die Kirchenmusik des katholischen Cullus ; «835. S. 716 u. f. : lieber das Musikfest zu Yoik und die

englische Musik ;

4836. S. .'i» l u. f. : Ueber den englischen Orgelbau und die grossen Orgeln zu Birmingham und York;

(Diese Aufsätze unter dem Namen: Pellisov.) <876. S. 593 u. f. : Ueber das Gul-komm, eine vierseitige chinesische Laute, und über chinesische Musik überhaupt; <878. S. ( u. f.: Dur und Moll in der Natur und in der Geschichte der neueren und der neuesten Harmonielehre ; 1879. S. 593 u. f. : Ist die Lehre von dem Einflüsse des Materials, aus welchem ein Blasinstrument verfertigt ist, auf den Ton desselben eine Kabel? (88*. S. 433 u. f.: Theobald Bourn, ein merkwürdiges

Künsllerleben.

Ausserdem veröffentlichte Schafhäull noch an grösseren musikalischen Schriften :

Ueber die antike Musik und ihren Ucbergang zum Modernen ; Ueber Mozart und die Musik der Neueren — ¡diese beiden

Abhandlungen in den gelehrten Anzeigen von 1846) ; W. A. Mozart's Offerlorium auf das Fest Johannis des Täufers. München (851 ; Der echte gregorianische Choral in seiner Entwicklung bis

zur Kirchenmusik unserer Zeit. München 1869; Die Kirchenmusik der Byzantiner vom 8. Jahrhundert bis

auf die Gegenwart; aus Handschriften entziffert, IN7I ; ferner eine grosse Anzahl von Nekrologen, musikalischen Skizzen und ßecensionen, hierunter die mit köstlichem Humor und feiner Satyre geschriebenen Aufsätze:

Ueber Tannhäuser und diu Musik der Zukunft (Beilage zur Augsburger Allgemeinen Zeitung von (856, Nr. J97u.f.); Ueber Meyerbeer's Afrikanerin (ibid. von l 8G7, Nr. 34 u. f.). Neben diesen der Oeffenllichkeit übergebenen Arbeiten auf dem Gebiete der Musik endlich auch Schafhäull's Schriften über naturwissenschaftliche, technologische und industrielle Gegenstände sämmtlich namhaft zu machen, würde den uns hier zugemessenen Raum weit überschreiten. Wir beschränken uns deshalb auf die Anführung, das.« dieselben die mannigfaltigsten Themata umfassen, als: Akustik, Dampfmaschinen, Chemie, Geologie, poinpejiinische Malerei, Slahlfabrikalion, Orgel- und

Ciavierbau, Zeitmessung durch Uhren, Scliafhäull's Erfindung eines Instruments zur Messung der Stärke des Tons und viele andere, deren einzelne Aufzählung in dem jüngsten Almanach der Akademie der Wissenschaften den Umfang von 13 Seiten einnimmt.

Die in jeder Hinsicht ganz hervorragenden Leistungen SchafhauH's h.iben von Slaatsregierungen und Corporationen die gebührende Anerkennung gefunden , indem unserem Gelehrten von Bayern der Kronorden nebst dem persönlichen Adel und der Verdienstorden vom heiligen Michael, von Preussen der i citiir Adlerorden , von Frankreich das Kreuz der Ehrenlegion, sowie von vielen gelehrten und industriellen Gesellschaften die lîhrenmitgliedschafl verliehen worden ist. Kein Wunder daher, dass die Vollendung des achtzigsten Lebensjahres dieses Mannes als willkommener Anlass zu zahlreichen Ovalionen, u. a. einer ehrenden Gratulalionsadres.se Seiten* des Magistrats der Haupl- und Residenzstadt München, freudigst benutzt wurde. Und nachdem sich Schafhäull. der in voller geistiger und körperlicher Gesundheil und Frische diese hohe Lebeusstufe erklommen hat, durch mehr als 50jährigen Aufenthalt in München, seine Anspruchslosigkeit, sein Wohlwollen gegen alle Menschen und seinen glücklichen Humor die allgemeinste Hochachtung und einen grossen Kreis von Freunden erworben hat, dabei aber sicher nicht einen Feind besitzt, konnte es sich dieser Freundeskreis nicht versagen, mit Sch.ii- häull dessen Jubelfest durch ein heiteres Mahl in dem von ihm seil vielen Jahrzehnten besuchten vormals Junemann'schen Gaslhause zu feiern, wobei die fröhlichste Stimmung herrschte, und alle Theilnehmer auf das Lebhafteste fühlten, dass niemand berechtigter, als der gefeierte Jubilar, im Rückblick auf seine Laufbahn den Spruch aus dem Quarlelle seines Lieblingslon- dichters Haydn auf sich anwenden konnte: Ein harmonischer Gesang War mein Lebenslauf.

München, irn März l 883. L. v. St.

Franz von Holsteiii's Liedercompositionen.

Т.К. Als Ergänzung zu unserm Aufsatze in Nr. 33, 3i, 36 des Jahrg. 1883 d. Bl. sei erwähnt, dass aus dem Nachlasse Fr. v. Holslein's seitdem noch erschienen sind :

1) „Ich schlief auf einer sriincu Wiese ein" (Gedicht von A/. Arnd), Lied für eine Singslimme ¡Sopran) mit Pianoforte; in der Zeitschrift »Vom Fels zum Meer« \. Jahrg.. 2. Bd., 1882, S. 312. (Stuttgart, Spernanu.)

2) Acht Lieder für zwei und drei Smgslimmen (Sopran- Tenor, Sopran-All, Sopran-Alt-Tenor) ohne Begleitung. Op.48. Nr. 10 der nachgelassenen Werke. Leipzig und Winterthur, J. Kieler-Biedermann. 1882. Pr. ¿t l. 50.

Diese schonen Duette und Terzette haben, wie uns milge- theill wird, ein eigentümliches Schicksal gehabt. In llalien componirl und handschriftlich in einem werthvollen Einbände vereinigt, kamen sie auf der Itcise abhanden und galten für verloren, bis ein glücklicher Kund die Entwürfe der Stimmen aus dem Nachlass zu Tage förderte, ausdehnen dieComposilioneu wieder zusammengeslellt werden konnten.

Unvollendete Aufsätze.

Eine Reihe von Arbeiten, grösseren oder geringeren Um- fanges, ist ¡n dieser Zeitung begonnen und zum Theil weit ge- förderl, ohne zum Abschluss gelangt zu sein. Bei dem Bestreben, das Blall mehr mil grösseren Aufsätzen als mit kleineren Miltheilungen zu füllen und bei dem verhällnissrnässig geringen l!.min. der für diesen Zweck zu Gebole stand, war ein solcher Uebelstand nicht wohl zu vermeiden. Mehrere Arbeiten Hessen an einen völligen Abschluss auch von vorne herein nicht denken. Dies gilt von den drei umfänglichsten, der Geschichte der Hamburgischen Oper, dem Bericht über Pergolese und der Kritik Mozart'scher Jugendwerke , während andere nur durch Zufall oder später eingetretene Nebenrücksichten nicht zu Ende gekommen sind.

I.

Die Geschichte der Hamburgischen Oper ist in ihren wichtigsten Perioden hier beschrieben, wenigstens was die Texte und den äusseren Verlauf betrifft. Sie wurde im Jahrgang (880 Nr. 6 geführt bis zum Jabre <706, wo Reinhard Reiser's Direction zu Ende ging. Zum Schlüsse, Sp. 88, wurden aber noch zwei Aufsätze verheissen, die nicht erschienen sind. (Zu den letzleren gehört auch der Nachweis der Benutzung Keiser'scher Motive durch Händel, der Sp. 388 in Aussicht gestellt wird.) Dagegen haben wir zwei andere mitgetheilt, welche ebenfalls die alte Hamburger Oper ill uslriren : 1) Hunold-Menantes' Bericht über gesellschaftliche Verhältnisse in der Oper zu Anfang des 18. Jahrhunderts (1880, Nr. 48 —50); und 2) eine technische Beschreibung aus der damaligen Zeit über theatralische Maschinen (1881, Nr. 15 und (6). Das hier zu einer vollständigen Geschichte der älteren Hamburger Oper von (678 bis 1738 noch Fehlende ist zum Theil schon ausgearbeitet, wird aber den Lesern wohl erst vorgelegt werden können, wenn ich das Ganze in Buchform erscheinen lasse.

Î. Giovanni Battista Pergolese

erfuhr im letzten Jahrgang von Nr. 5 an eine Besprechung, die bis Nr. 15 Sp. 231 fortgeführt wurde. Wenn sie auch hiermit bei weitem nicht zu Ende gebracht ist, so dürfte sie den Lesern doch über die wenig bekannten Kirchenwerke dieses merkwürdigen Autors manches Neue gesagt haben.

3.

W. A. Mozart.

Anlässlich der neuen Gesammtausgabe der Werke Mozart's, welche als die erste dieser Art in unserer Zeitung von Anfang an mit besonderer Theilnahme verfolgt wurde, unterzogen wir namentlich diejenigen Compositionen einer eingehenderen Besprechung, die am meisten geeignet waren, bisher übersehene Eigentümlichkeiten dieses Meisters in ein besseres Licht zu setzen oder unhaltbare Urtbeile auf ein richtigeres Maass zurückzuführen.

Die Litaneien und Vespern waren die ersten Stücke, welche ¡n diesem Sinne besprochen wurden, Jahrgang 1880, Nr. 35 bis 42. Mit Spalte 666 hörte dieser Bericht auf. Der Schluss desselben, den das Inhaltsverzeichnis* »im nächsten Jahrgänge« verbeisst, erfolgte nun aber nicht im Anschluss an diese Litaneien, sondern vielmehr als eine selbständige Besprechung der

deutschen Operette Zaide, welche 1881 von Nr. 40 bis 47 in acht Nummern ligurirt und Sp. 744 zu Ende gelangt. Eine Fortsetzung der bei den Litaneien begonnenen Erörterungen Mozarlischer Werke und Kunstweisen nenne ich sie in dem Sinne, dass sich ein rolher Faden hindurch zieht, der diesen anscheinend zusammenhangslosen Expeclorationeu eine gewisse Einheit sichert, was den Lesern auch wohl erkennbar geworden ist.

Mehr noch, als das Genannte, bot Mozart's erste italienische Oper Mitridate Gelegenheit, sein Verhältniss zu Vorgängern und Zeitgenossen zu beleuchten. Die 1881 mit Nr. 50 begonnene Kritik wurde bis Nr. 8 vom 22. Februar 1882 fortgeführt, ohne ihr Ende erreicht zu haben, da sie mit Sp. 1Ï4 abbricht. Wenn nun auch nicht ihr volles Ende, so hat sie vielleicht doch

einigermaassen ihren eigentlichen Zweck erreicht, welcher kein anderer ist, als der, den gutgläubigen Lesern die Ahnung zu erregen, dass vieles, was nach bisherigen Darstellungen ausgemachte Wahrheit zu sein schien, sich als ungeprüft und, wenn geprüft, als grundlos erweist. Es hat natürlich nicht an Solchen gefehlt, denen diese Kritik »peinlich« gewesen ist. Aber wenn in der ganzen Sache irgend etwas peinlich ist, so kann es nur dies sein, dass geschichtliche Darstellungen, welche zur Verherrlichung eines Einzelnen über ganze Kunstepochen den Stab brechen, ohne sie zu kennen oder in ihrer Eigen- tbümlicbkeil zu verstehen, noch allgemein Glauben finden.

4. Händel's zwölf Concert! grossi

für Streichinstrumente nebst Cembalo-Bass, welche in der Händelausgabe als Band 30 zum Druck gekommen sind, erhielten 1881 in 5 Nummern (Nr. 6—40) eine Besprechung, die sich aber nur auf die ersten vier Concerte erstreckte. Hit Sp. 148 hörte der Bericht auf, und die von dem Inhaltsver- zeichniss in Aussicht gestellte Fortsetzung desselben ist nicht erschienen. Diese Lücke bringt mir nun lebhaft die Vernachlässigung in Erinnerung, welche Händel bei meiner achtjährigen Redaction überhaupt erfahren hat. Als ich 1875 die Leitung dieses Blattes wieder übernahm , schickte der sei. Gugler als ersten Beitrag eine Arbeit über Händel — (es war die, welche 1875 Nr. 1Î unter dem Titel »Vorübergehender Taktwechsel bei Händeln gedruckt ¡st) — und bemerkte dabei scherzend : »Die Leser werden gewiss ausrufen : Nun geht's gleich wieder los mit Händel !« Es ist aber nichts losgegangen, sondern die überhaupt noch Belehrbaren haben hier, wie bei anderen musikalischen Fragen, die Wahrnehmung machen müssen, dass ihre bisherigen Vorurtheile auf Irrlhum beruhten.

5. Parsifal Literatur

wurde besprochen in den Nummern 38 und 39, dann aber Sp. 622 abgebrochen. Einer weiteren Unterhaltung über den Gegenstand, welche des mangelnden Raumes wegen nicht möglich war, sind wir damals nur ungern aus dem Wege gegangen, da das letzte Werk Wagner's sich in besonderem Maasse zu einem Rückblick auf seine gesummte Thätigkeit eignet.

6. Den beiden

deutschen Operngesellschaften,

die im Mai und Juni 1882 in London Vorstellungen giben, wurde in Nr. 31 ein Artikel gewidmet. Obwohl derselbe sich nur als der »Anfang« einer Reihe von Mittheilungen ankündigte, welche die beiden verfehlten Unternehmungen in ihrer wahren Gestalt zeigen sollten, hat die Redaction s!ch nachträglich doch entschlossen, jenen durchaus sachkundigen Bericht, der auf Quellen beruht, welche nur Wenigen zugänglich sein können, zurück zu stellen, weil der einzige Zweck desselben — Warnung und Belehrung für die Zukunft — doch nicht erreicht wird. Die mitgetheilte Erklärung B. Pollini's möge daher genügen. Dieser erfahrene, in schwierigen Geschäften erprobte Theaterdirector hat bei der Londoner Affaire 50,000 jl ein- gebüsst. Das ganze Deficit betrug nach einer Aufstellung der Music Publishers Association vom 12. Juli 1882 für die von Franke & Pollini geführte Opernunternehmung ca. 80,000.4, für die von H. Franke allein unternommenen Richter-Concerte über hunderttausend Mark. Angelo Neumann kam bei seinen gleichzeitig dort aufgeführten »Nibelungen« mit einem blauen Auge davon, doch nicht ohne Andere stark in Mitleidenschaft gezogen zu haben ; so lagern z. B. bei Schott & Co. in London noch 12,000 englische Textbücher und warten sehnlichst auf

Wiederholungen der Nibelungen. Londoner Opernunternehmer haben schon bedeutendere Summen verloren und stehen noch immer aufrecht. In einer solchen Stadt sind selbst grosse Verluste unter Umständen leicht wieder einzubringen. Aber was sich auf Jahre hinaus schwerlich wieder gut machen oder in Vergessenheit bringen läset, das ist die Schädigung des deutschen Namens. Es war der richtige Zeitpunkt, um mit einer deutschen Oper in London festen Boden zu gewinnen, und die Monate Mai bis Juli stellen an Solisten, Chor und Orchester das reichste Material zur Verfügung, weil unsere Theater dann Ferien haben. Wie willkommen den meisten Bühnenmitgliedern

ein derartiger Nebenerwerb, wie nützlich ihnen überhaupt als Künstlern eine solche Erweiterung ihres Horizontes gewesen wäre, braucht nicht erst gesagt zu werden. Das alles ist nun auf lange Zeit dahin. Einstweilen hört man dort also wieder das alte Lied, nach welchem die Deutschen zu einer richtigen Behandlung derartiger Unternehmungen unfähig sein sollen. Und wer mit eignen Augen sieht, wie selbst die Schaaren deutscher Strassenmusikanten in London nach und nach unter die Botmässigkeit italienischer Principale gekommen sind, von denen sie sich führen und füttern lassen — muss der nicht endlich selber glauben, dass jenes alle Lied die Wahrheit sagt?

Nachwort.

Durch unvorhergesehene Umstände ist die Ausgabe der Schlussnummer dieses Blattes Über Gebühr verzögert. Die Leser werden sich für ihr langes Warten vielleicht einigermaassen entschädigt finden durch den Umfang und Inhalt der letzten Nummer. Der.anfängliche Plan, dieselbe noch reicher auszustatten und gleichsam in ein Buch zu verwandeln, konnte wegen der geschäftlichen Bedenken, die sich dabei ergaben, leider nicht ausgeführt werden , und so muss der Herausgeber Manches, was zu ¡tuss,ern ihm am Herzen lag, schließlich doch unterdrucken.

Ais ich (875 die Redaction zum zweiten Male übernahm, bestimmte mich dazu lediglich der Wunsch meines sei. Freundes Rieter, und ich entschloss mich erst dann, als der Verleger erklärte, dass ohne meinen Eintritt die Zeitung unbedingt eingehen werde. Ein solches Eingehen war mir an, sich sehr gleichgültig ; hatte ich doch während der Redaction meines Vorgängers mich gewohnen müssen, das Blatt als ein mir völlig fremdes anzusehen, und war doch von den Bedingungen , unier welchen ich ihm die Redaction abtrat, nicht eine einzige erfüllt. Aber eben diese schiefe Wendung, welche das Blatt nahm, dieses Verlaufen in persönliche Animositäten, dieser Parteianstrich ohne die Macht einer wirklichen Partei hinter sich zu haben — konnte mir als Abschluss doch in keiner Weise erwünscht sein. Denn nur Wenige wussten, wie fern ich der Sache stand; die Meisten betrachteten mich immer noch als Hintermann und geheimen Leiter des Blatles. Ich hoffe, dass es mir in diesen acht Jahren gelungen ist, sie von ihrem Irrthum zu befreien und die wirklichen Grundsätze, die mich'leiten und durch welche ich, wie ich glaube, von Parteien unabhängig geworden bin, einigermaassen erkennen zu lassen.

Mit diesem Resultat will ich zufrieden Sein. Ein noch höheres zu erzielen, die Allgemeine Musikalische Zeitung ihrem Titel wahrhaft entsprechend zu gestalten und demgemäss auch ihre Wirksamkeit auszudehnen, war bei den bestehenden Verhältnissen unmöglich, konnte also nicht einmal versucht, viel weniger erreicht werden. Ich werde daher auch Keinem widersprechen, der den sachlichen Werth des hier Gebotenen nur gering anschlagen sollte. (y(j.

ANZEIGER.

Verzeichniss

der im Jahre 4883 im Verlage von J. Bieter-Biedermann in Leipzig und Winlerthur erschienenen neuen Werke.

B»rth, Richard, Op. 8. Serenade für Violine mit Begleitung <!.-s

Pianoforte. I Л.

Bartb, Bodolpb, Op. 7. Sonate für Pianoforte und Violoncell. 7Ж Far Pianoforte and Violine. 7 Л. Für Pianoforte und Viola. 7 Л. Bödecker, Lonls, Op. 48. Trio-Phantaiie für Pianoforte, Violine und Violoncell. i Л.

Op. 4». Deakxelchen trüber Standes. VierClavierstUcke. t.«.

Gernehelm, Friedr.. Op. 4t: Legende für Pianoforte. 4 Л.

Op. «7. (Uartett (No. I. F dur) für Pianoforte, Violine, Viola

und Violoncell. ЧЛ.

Hartog, Eduard de, Zwei Lieder für eine Singstimme mit Beglei- tung des Pianoforte. No. 4. Des warst Du: »Der Morgen kam auf rosigem Gefieder«,

von Theodor Körner, t Л 10 $jt.

No. 1. »Die Liebe tau als Nachtigall», топ Em. Geioei. 4 Л SO ty. Keljden, f. Í. Tu der, Op. il. Fünf Heder für eine Singstimme mit Begleitung des Pianofort«. S Л.

No. 4. Gefunden, von W. Goethe. No. 1. Letztes Glück, von Tenner. No. 1. Das Mädchen und der Schmetterling, von R. F. Wegentr. No. t. Grass, von H. Heine. No. 8. Frühlingslied, von l. И. С. НИЩ/.

Henogenberg, Heinrich топ, Op.. 17. Fünf Ciavierstücke (Neue Folge). 4 .«.

Op. 18. Duett« für Sopran und Tenor mit Begleitung des Pfte.

Heft«. ^.

No. 4. Die Waise (Lilhaulsch). No. 1. Begegnung (Ungarisch). No. 8. Abschied ¡Ungarisch). No. 4. Nachtlicher Besuch, von J. Kerner. No. 5. Der Kranke, von J. von Eichtndorff.

H e ft a. 4 Л.

No. в. Jäger und Jagerin, von J. von Eichmdorff. No. 7. Tanzlied, von Ff. Htickert. No. 8. Aeolsharfen, von W Goethe. No. 9. Im Abendrotb, von J. von Eichtndorff.

Henogenberg» Heinrich те«, Op. S9. Orgel-Phantasie über die Melodie: »Nun komm, der Heiden Heiland«, i Л 50 Я.

Op. 40. Tier Besänge für eine hohe Singstimme mit Begleitung

des Pianoforte. 4 Л.

No. I. Im FrUhling, von Ed. Murike. No. 1. Morgendämmerung, von Ed. ¡lenke. No. I. Lethe, von Nie. Lena». No. 4. An die Sonne, von Fr. Rücken.

Op. 44. Sieben Lieder für eine hohe Singstimme mit Begleitung des Pianoforte.

Hett 4. ï Jt $0 3f.

No. 4. Das Strausslein, von CI. Brentano. No. ». Scheidelied, von CI. Brentano. No. 3. Heimweh, von Ed. Mörite. No. 4. Frühzeitiger FrUhling, von W. Goethe.

Heft t. I Л 50 .( No. :.. Wehmulh, von W. Goethe. No. в. Abendständchen, von

Ci. Brentano. No. 7. Schifferlied, von Gott/r. Keller. Henbner, Konrad, Op. 4. Quartett (in A molí) für zwei Violinen, Bratsche und Violoncell. Partitur und Stimmen 7 Л SO Jf.

Op. i. Sechs Lieder von Goethe für eine mittlere Singstimme

mit Begleitung des Pianoforte.

Heft I. t Л 50 ф. No. 4. DieSprüdc. No. 2. Die Bekehrte. No. 8. Mailied.

He ft II. i.e.

No. 4. An die Entfernte. No. 5. Suleikas Traum. No. 6. Damm- миг- senkte sich von oben«.

Hermann-Rhelneck, Carl, Op. 3. Fünf Fantasieitflcke für Piano- forte. 3 л.

Hllle, «usUr, Op. 7. Serenade und Waller für Violine mit Beglei- tung des Pianoforle. No. 4. Serenade. 4 Л 50 Я. No. 1. Walzer. i Л. Hollaender, Gustar, Op. 4б. Zwei Goncertittcke für Violine mit

Begleitung des Orchesters oder des Pianoforte. No. 4. Romanze (No. 2. Hdur) Partitur (autograflrl). n. t Л. Mit Pianoforte, t Л 50 .ff.

(Orchesterstimmen in Abschrift.)

Hollaeuder, Gustar, Op. 46. Zwei Concertstückc für Violine mil Begleitung des Orchesters oder des Pianoforte. No. i. Tarantolle. Partitur ¡autografirl . n. * Л- Mit Pianoforle. 3 Л.

(Orchestcrstimmen in Abschrift.) Jensen, (instar, Op. U. Sonate (Allegro con brio, Romanze und

Rondo) für Pianoforte und Violine, 6 Л. Jlranek, Joeef F., Op. 5. Drei Stimmungsbilder für Violoncello

und Pianoforte. 6 Л.

KAan, Heinrich von, Op. 42. Drei Stücke für Pianoforte u. Violon- cello. 3 M 50 3jt.

Sickert, Ad., Op. 48. Variations de Concert sur l'hymne national néerlandais AVien neérlandsch bloed« composées pour Violon avec accompagnement d'orchestre ou de Piano. Pour Violon cl Piano. 5 ,//.

[Partition et Parties d'orchestre en copie.)

Oeuv. Л. Deux Choeurs pour trois voix de femmes avec accompagnement de Piano.

No. 4. Chant de Noël. ¡Paroles de Ad. Kückerl.)

No. 2. La reine des elfes. (Paroles de Ad. Kiickert d'après llul-

tkison.) Partition de Piano. 2 .tí. Soprano I, II, Allô à 80 9f.

Op. 22. Kriege» Heimkehr. (Le retour du soldat.) (The soldier's

return.) Harsch für MiliUiir-Orchesler oder Pianoforte. Partitur 3 Л netto. Kür Pianoforte 50 3jl.

Krug, 0., Tannhäuser s Schwanenlied von Jul. Wolff für eine Tenor-

slimme mit Begleitung des Pianoforle, 2 Л.

Lang, Henry Albert, Op. 42. Sonate für Pianoforte und Violon- cello 7 Л. Ausgabe für Pianoforle und Violine 7 Л. Lange, S. de, Op. 3t. Variationen über das Volkslied »God save

the queen« für die Orgel. 3 Л. Lanz, Frledr., Op. 4. Zwei Lieder für Männerchor.

No. 4. Jagdruf: »Der Morgen tagt, hinaus zur Jagd«. (Unbekann- ter Dichter.) Partilur 50 Я. Chorstimmen à 30 J/ No. 2. Vorfrühling: »Nun fangen die Weiden zu blühen an«,

von Fr. User. Partilur 50 ф". Chorstimmen à 45 Sf. Löw, Josef, Op. *77. Bilderbuch in Tönen. Kleine melodiöse, bei- lere Tonbüder für Ciavier (im Umfange von fünf Tonen und lang- sam fortschreitend, mit unterlegtem die Jugend anregendem Text) als angenehme und instructive Beigabe zum Unterricht componirt und mit Kingersatz versehen. 3 Л.

Nürnberg', Hermann, Op. 297. Zwölf nicht schwere and angenehme TonltÜCke für Piano zu vier Händen, für Schüler und Lehrer componirt und dem die Prime spielenden Schuler zur Gewinnung einer ruhigen und correcten Handhaltnng dargeboten.

Heft 4. î Л 50 S?. Heft ä. 2 Л 50 3>f.

Pergoleee, (Hov. Hu«., La sempadronaj Weiberlist). Intermezzo in zwei Aclen. Te~t von Gen. Anl. Federico.

Ciavierauszug gr. 8. [Zweite durch Ouvertüre und Arie be- reicherte Ausgabe), n. i Л 50 Sjt. Textbuch n. 30 $.

(Uebersetzung, Ciavierauszug und Bearbeitung für die deutsche Buhne von H. Sí. Srhleltcrer, Augsburg. Von ihm oder der Ver- lagshandlung ist allein die Orchester-Partitur zu beziehen.) Petergen, W., Vierstimmige Hannergesänge ohne Begleitung. Op. 2. Zwei Lieder aus V. von Scheffel'sTrompeter von Sackingen.

Im Volkston. No. 4. Lied Margaretha's. No. ï. Lied Werner's.

Chorstimmcn à 45 y'.

Op. S. No. 4. »Ich hör* ein Glöckleln durch den Wald«, von Otter- wald. Partitur 30 ^. Chorstimmen a 45 ^ No. ä. Hüte dich: »Nachtigall, o hüte dich«, von Lingg.

Partitur 30 :>)'. Chorstimmen à 45 3). Op. *. No. 4. »Abends, wenn die kinder mein«, yon Adolf Schult!.

Partitur 30 S?. No. 2. Ständchen : »Mach' auf l doch leise, mein Kind«, von

A. F. v. Schack.

Partilur 50 .-if. Chorstimmen à 45 ty. Filet, Charlen E., Six Caprices pour Violon seul, г Л so ф. Prüfer, Clemens, Tier Praelodien zu Luther's choral: »Ein' feste Burg« für die Orgel. 2 Л 50 ф.

Knmanu, Brnno, Op. 59. Drei Lieder and Gesänge für eine sing- stimme mit Begleitung des Pianoforle, t Л.

Schletterer, H. H., Op. 50. Die Tochter Pharao's (Pharao's daughter). Dramalisii les Märchen in drei Acten (nach einer Er- zähluug von Yillamaria) von Marie Schmidt. Kur Soli und Chor mit Begleitung des Pianoforle. Chorstimmen: Sopran, All à n. 50 Jj".

Stecher, Herrn, Op. 50. Zwölf Tonstücke für die Orgel, a.//30^.

Thieriot, Ferd.. Op. 29. Thema and Variationen für Pianoforle

und zwei Violoncelli, б Л.

Toller, Emet, Op. 430. Drei Stücke (Adagios) für Violoncello mit

Orgel- oder Harmonium-Begleitung. 2 M 50 Эр. Talle, Anselmo 0. del, Op. 4 7. Fantasie über Moli ve aus der Oper:

»Un Bailo in Maschera« von G. Verdi für Pianoforte. 5 Л. Tonllaire, Woldemar, Op. 8. Präludium and Fage für Pianoforte.

4 Л.

Op. 9. Fünf geistliche Lieder von Lucie Gräfin Pfeil für eine

Singslimme mil Begleitung des Pianoforte. 2 Л 50 Sfr.

Op. 40. Drei geistliche Gesänge. (Ich komm' in Demuth ber-

getreten — Choral: Deinen Frieden gieb uns, Herr l — Herr, ich glaube, hilf mir Schwachen!) für eine Sopranstimme und gemischten Chor mit Begleitung von Orgel oder Harmonium.

Partitur*.*. Chorstimmen à 50 .^.

Op. 44. Sechzehn Fraelndlen für Pianoforte.

Heft 4. :i .</ :-.o ,,/ Heft 2. 3 Л 50 5j/.

Wettig-, Carl, Op.23. Sechs Lieder für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte. (Nachgcl. Werk.) Daraus einzeln :

No. 2. Veilchen: »Veilchen unier Gras versteckt«, von Hoffmann von Fallersleben. 50 ty.

Wolf,Leopold Carl, Op. s. Zwölf charakteristische Clavlerstucke.

3 Л 50 #.

Op. 3. Fünf Gesänge (Gedichte von Herrn. Lingg) für eine hohe

Singstimme mit Begleitung des Pianoforte. 3 Л 50 ^.

No. 4. Vergessen und verlassen. No. 2. Schönster Lohn. No. 3. Julinacht. No. 4. Sommernacht. No. S. Krühlings- ahnung. Zilcher, Paul, Op. «o. Drei Melodien für Pianoforte. 4 л so Эр.

Delterg, Dr. H., Die Briefe Beethoven's an Bettina von Arnim.

(Separatabdruck aus der »Allgemeinen Musikalischen Zeitung« XVII. Jahrgang No. «9 —S4J. n. 4 Л.

Verlag von J. Rieter-Biedermann in Leipzig und Winterthur.

Duette für Pianoforte und Clarinette.

Beethoven, L.тан, Nenn Tonstücke. BearbeitetvonSchlelterer und Werner.

No. 4. Adagio cnnlabile. Aus der Sonate pathétique. Op. 48. .14,50. No. 3. Adagio. Aus dem Terzett für 2 Oboen und 'English-Horn. Op. 87. .«4,50. No. 5. Adagio. Aus dem Sextelt für Blasinstrumente. Op. 74. ,44,50. No. 7. Allegretto quasi Andante. Aus den Bagatellen für Ciavier. Op. 33, No. в. Л 4,50.

Vier Tonstücke. (2. Folge.) Bearbeitet von Schletterer und

Werner.

Heft l. Л 2,90.

No. 4. Largo aus der Claviersonale. Op. 40. No. 3. .44,80. No. 2. Menuett aus derselben. Л 4,50.

Heft II. Л 2,-.

No. >. Largo aas der Claviersonale. Op. 7. Л 4,60. No. *. Menuett aus der Claviersonale. Op. 34. No. 3. .* 4,30. Kliert, i.uiltt., Op. 3. Tier Stücke in Form einer Sonate. Л «,50. Klicken, Fr., Op. 70. Am Chiemsee. Drei Tpnbilder. Л l,50.

No. 4. Sommeiabend. Л 4,50. No. Ï. Auf dem Wasser. Л 4,80. No.3. Kirmes. Л 2,30.

Mozart, W. A., Fünf Divertissements für 2 Oboen, 2 Herner und 2 Fagolle. Bearbeitet von Schletterer. No. 4 in К Л 2,-. No. 2 in В Л 2,50. No. 3 ¡n Es Л 2,—. No. 4 in К Л 2,50. No. 5 in В Л 2,50.

Drei Tonstücke. Bearbeitet von Schletterer und Werner.

.13,50.

No. 4. Adagio aus der Serenade in Es dur fur Blasinstrumente. Л 2,—. No. Î. Andante aus der Serenade in С molí für Blasinstrumente. .44,50. No.3. Andante graziöse aus dem zweiten Divertissement für S Oboen, 2 Homer und 2 Fagolle. Л 4,50.

Drei Tonstücke '3. Folge) aus den Streichquartellen Op. ^^.

Bearbeitet von S с h I e lie rer und Werner.

No. 4. Poco Adagio. .44,50.

Für Pianoforte und Hörn (in F).

Noskowekl, Siegin., Op. 3. Melodie and Burlesk«.

No. 4. Melodie. Bearbeitung vom Componlelen. .44,50.