Weg nach Berlin – Birkenwerder, Januar 1948
Einführung
[Bearbeiten]Der Artikel Weg nach Berlin – Birkenwerder, Januar 1948 zeigt die von Stefan Isensee im Rahmen seines Werkes „Weg nach Berlin – Birkenwerder“ zusammengestellten Tagebuchauszüge vom Januar 1948. Textauslassungen wurden mit [...] gekennzeichnet, eingefügte Erläuterungen von Stefan Isensee in eckigen Klammern kursiv [Erläuterung].
Tagebuchauszüge
[Bearbeiten][1] Es ist wieder Tauwetter eingetreten, nach dem Rundfunk wird es noch wärmer werden.
Von Sandberg Antwort auf meinen letzten Brief. Er möchte gern in meiner Sache mit Protest an die Zentralleitung des Kulturbundes herangehen u. hat es bloß deshalb noch nicht getan, weil ich ihn gebeten hatte, meine Mitteilung vertraulich zu behandeln. Er bittet mich, ihn von dieser Hemmung zu entbinden. Sonst schreibt er ganz richtig, daß die Abgeschlossenheit Ahrenshoops meiner Arbeit viele günstiger wäre [2] als die Unruhe Berlins. Berlin, meint er, wäre ein gutes Pflaster für Menschen, deren Publizität sich auf den gegenwärtigen Tag bezieht. Er meint, daß z.B. Barlach in Berlin sicher nicht seine reifen u. ausgewogenen Werke geschaffen hätte. Dasselbe glaubt er von mir, womit er wohl recht haben dürfte. – Leider teilt er auch mit, daß er vorläufig das Bild „Leuchtturm“ wegen Papierverknappung nicht herausbringen kann, hofft aber, daß es bald möglich sein wird. Auch wegen Wohnungs= u. Arbeitsraum sieht er keine Aussichten für mich in Berlin. Jedenfalls bittet er mich um Antwort, da er der Meinung ist, daß es besser wäre, mit meiner Sache an die direkte u. dafür verantwortliche Stelle zu gehen. – Das werde ich mir nun überlegen müssen. [...]
[3][...] [3] Danach packte ich mit Fritz Bilder ein, die er mit nach Berlin nehmen soll. Er will am Dienstag fahren. Ich habe nur auf Sperrholz gemalte Bilder ausgesucht: „Vernichtung – Verblühte Salvie – Die Schiffbrüchigen – Stilleben mit Flasche – u. Stilleben mit Napfkuchen“. – Dazu noch mehrere Handzeichnungen u. auch Fotos der größeren Bilder. Ferner kommt noch der „Leuchtturm“ dazu, den Fritz vom Ulenspiegel abholen soll. Mit allen Bildern soll er zur Galerie Schüler gehen u. sehen, ob Schüler bereit ist, eine Ausstellung zu machen. [...]
[3][...] [3] Fritz ist beim Bäcker Saatmann wieder schwindlig geworden u. hingefallen. Er schickte Anni zurück, kam dann aber selbst bald nach. Es war klar, daß er nicht reisen konnte u. wir steckten ihn gleich ins Bett, er hat Veronal genommen u. schläft. Martha u. ich haben nun überlegt, daß es das Ratsamste sein wird, wenn sie nun selbst nach Bln. fährt. Nachdem nun einmal alles so weit vorbereitet ist u. eine Rücksprache mit der Galerie Schüler doch überaus wichtig erscheint, wird diese Reise unumgänglich sein. Sie wird wohl am Donnerstag früh fahren, u. zwar mit dem Motorboot ab Althagen das erst um 6 Uhr fährt, wobei allerdings die Gefahr besteht, den Anschluß an den Schweriner Zug nicht zu erreichen. Trude Dade soll mitfahren bis Ribnitz. In Schwerin kann Martha bei Frau Dr. v. Monroy übernachten u. am nächsten Morgen nach Bln. weiterfahren, sodaß sie dann Freitag Mittags in Bln. ist. Sie wird dann gleich nach Erledigung dieser Ausstellungsangelegenheiten wieder zurückkommen.
Abends kam wieder ein Brf. von W. Wauer. Er teilt mit, daß von Schwerin nach Bln. zweimal wöchentlich ein Lastautoverkehr bestehen soll u. daß er die Landesleitung Schwerin interessieren will, sich des Transportes anzunehmen. Er läßt also nicht locker! – Aber erstens wird die [4] Landesleitung ihm was husten –, ausgerechnet für meine Bilder soll sie sich interessieren! – Und dann sind damit die Bilder ja noch nicht in Schwerin, – u. das ist das allerschwerste. – Es hat heute wieder den ganzen Tag geregnet. Kurz vor 10 Uhr gab es bei uns Kurzschluß u. der Strom ist nicht zu bewegen, wieder in Gang zu kommen. Die Wege sind grundlos, sodaß ich keinen Fuhrmann bekommen würde, um die Bilder nur bis zum Kiehl zu bringen.
Dieser Wauer scheint unbedingt den Ehrgeiz zu haben, meine Bilder als erster in Bln. zu zeigen. Es ist natürlich peinlich, wenn Schüler sich zu einer Ausstellung entschließen sollte, Herr W. würde dann sehr verschnupft sein, nachdem er sich so große Mühe gegeben hat. Andererseits wäre es sehr töricht von mir, Herrn W. der Galerie Schüler vorzuziehen, denn Herr W. hat so gut wie garkeine Presse u. gilt auch sonst nicht besonders viel unter den berliner Kunstkritikern. Eine Ausstellung meiner Bilder bei ihm ist für ihn selbst vorteilhafter als für mich; aber dennoch möchte ich ihn nicht unnötig ärgern.
Ich ließ mir aus der alten Schranktür von Walter Papenhagen das Bildformat für das neue kleine Engelbild zurechtschneiden. Ich fragte gleichzeitig, ob er mir wohl Keilrahmen machen würde, obwohl ich selbst keine Leisten mehr habe. Ich glaube, daß Walter es schon tun würde, aber der Alte ist ein solcher Geizkragen, daß kaum damit zu rechnen ist. –
[4][4] Es ist helles, klares Wetter bei leichtem Frost. Martha wird morgen nach Bln. fahren, vorausgesetzt, daß der Bodden nicht über Nacht so zufriert, daß das Motorboot nicht fahren kann. Ich diesem Falle müßten wir die Sache endgültig aufgeben.
10 Uhr abends: Das Motorboot wird morgen wegen des zu befürchtenden Eises nicht fahren, es ist heute Nachmittag gleich wieder nach Ribnitz zurückgekehrt. Martha will dennoch versuchen, nach Bln. zu kommen mit Herrn Neuendorf aus Althagen, der ebenfalls nach Bln. will. Sie ist aus diesem Grunde noch heute abend zu Frau Kurth – Althagen, gegangen, um bei dieser zu übernachten. Herr N. will versuchen, morgen früh ein Auto nach Ribnitz zu bekommen. Ich habe Martha eben zu Frau K. gebracht Es ist nicht übermäßig kalt, windstill u. nicht so sehr dunkel.
[5][5] Von Martha Telegramm, daß sie erst am Montag, 26. Jan. über Stralsund zurückfährt. Sie ist also erst Dienstag wieder hier. Hoffentlich gibt es bis dahin Verbindung zwischen hier u. Ribnitz. Es herrscht leichter Frost, etwas Schnee, das Motorboot fährt nicht. M. telegraphiert, alles wäre in Ordnung, sie hätte am 20.1. Rücksprache in der Galerie Schüler. [...]
[6][...] [6] Mittags 1/2 12 Uhr traf Martha ein, von der anstrengenden Reise total erschöpft. Sie legte sich gleich [7] ins Bett, aß aber dann doch mit uns Mittag.
In der Galerie Schüler hat sie einen vollkommenen Mißerfolg gehabt. Schüler selbst war ablehnend u. wußte mit meinen Bildern nichts anzufangen, obgleich Sandberg sich die größte Mühe gab, ihn zu interessieren. Martha packte die Bilder wieder ein u. fuhr nun kurz entschlossen zu William Wauer. Dieser war, als er die Bilder sah, sofort aufs Höchste begeistert. Er behielt alle Bilder u. Zeichnungen da u. will nun unbedingt zum April eine Kollektiv-Ausstellung machen. Er hat sich bereits an die Landesleitung des K-B. in Schwerin gewandt wegen Transport-Erleichterung u. will alles aufbieten, um aus dieser Ausstellung für mich –, u. für sich –, einen großen Erfolg zu machen. Ich bin nun einverstanden, man muß sehen, was daraus wird. Diese Sache mit Wauer kommt mir derart entgegen, daß ich, wie ich glaube, mich nicht länger sträuben darf. Wenn Fritz gefahren wäre, wie es erst beabsichtigt war, wäre dieser ja nie zu Wauer gegangen, er hätte sich resultatlos von Schüler abfertigen lassen u. er wäre unverrichteter Dinge zurückgekommen. Wauer scheint wirklich der Weg zu sein, der mir gewiesen ist u. ich werde nun alles darauf einstellen.
[7][...] [7] Nachmittags an W. Wauer geschrieben u. den Ausstellungs-Prospekt überlegt. Ich möchte darin sechs Bilder unterbringen, dazu ein kurzer Text mit biographischen Daten, dann den Katalog der ausgestellten Bilder. W. Wauer hat einen sehr schlechten Drucker, seine Drucksachen sehen häßlich aus, ich will versuchen, ihm die Herstellung des Prospektes abzunehmen, da ich fürchte, daß es sonst nichts Gutes wird. Der Prospekt aber ist sehr wichtig, ich will ihn an viele Menschen senden. [...]
[8][...] [8] Katalog für die Ausstellung Wauer zusammengestellt. Ich habe 40 Oelbilder u. 20 Zeichnungen ausgewählt, habe dann aber kein Bild mehr hier, sodaß ich in der BuStu. nichts ausstellen kann. Das Selbst=Zeugnis für den Prospekt nochmals durchgearbeitet. [...]