Zum Inhalt springen

Vor der Berufswahl/Der Seemannsberuf

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Max Lay
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Der Seemannsberuf
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 16, S. 271, 274–275
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1895
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Bootsmann
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[271]

Vor der Berufswahl.

Warnungen und Ratschläge für unsere Großen.
Der Seemannsberuf.


Die urgermanische Sehnsucht in die weite Welt, der Drang nach Abenteuern in fernen Weltteilen steckt unserer deutschen Jugend auch heute so fest noch im Blute, daß ein großer Teil derselben aus dem Binnenlande unternehmend nach der Wasserkante blickt, um von dort aus das Glück zu versuchen. Mit diesen mehr oder weniger dunklen Trieben ins Unbekannte soll man bei einer Berufswahl nun wohl nicht ernstlich rechnen; es giebt aber andere Umstände, die eine nähere Betrachtung des Seefahrerberufs wohl angemessen erscheinen lassen. Es ist dies das in letzter Zeit immer mehr hervortretende Anwachsen unserer Kriegs- und Handelsmarine, das mit dem Ausbau unserer kolonialen und sonstigen überseeischen Beziehungen Hand in Hand geht. Nimmt man hierzu noch den immer lebhafter werdenden Wettbewerb der verfügbaren Kräfte im Erwerbsleben überhaupt, der die jungen Leute dazu drängt, [274] das Gute und Aussichtsvolle zu nehmen, wo es sich nur immer bietet, so müssen auch wir Deutschen im Binnenlande dem Seemannsstand schon mehr Aufmerksamkeit schenken als früher, wo man dieses Feld getrost den Bewohnern der Küstenländer allein überlassen konnte.

Soweit nur die Handelsmarine in Betracht kommt, könnte man das, allgemein genommen, auch jetzt noch. Die Leute in den Hafenstädten sind mit den Verhältnissen der Seefahrt völlig verwachsen, sie wissen auch, daß der Seemannsberuf sich nur für sie eignet, solange sie im Vollbesitz ihrer Gesundheit und Manneskraft sind. Werden sie erst einmal Halb- oder Ganzinvaliden, so müssen sie sehen, mit Hilfe des Ersparten am Lande einen anderen Beruf zu ergreifen, denn zum Rentner bringen es doch nur sehr wenige Glückliche, denen es gelungen ist, als Schiffsführer ein bescheidenes Vermögen zu sammeln. Diese Fälle sind aber zu selten, um hiermit irgendwie rechnen zu können, weit häufiger kommt es vor, daß irgend ein Unfall, eine Krankheit den Seemann zu weiterem Schiffsdienst untauglich macht, oder daß ein Schiffsführer, der sein Fahrzeug auf der See verliert, für immer brotlos wird. Mag er auch völlig schuldlos sein am Verlust des Schiffes, so betrachtet man ihn immerhin als „Pechvogel“, und bei dem Andrang von Kandidaten stellt der Reeder lieber einen anderen an. Da bleibt dann dem in doppelter Beziehung Schiffbrüchigen nur übrig, zu sehen, wie er auf dem Lande fortkommt, naturgemäß in den Hafenstädten, in den der Schiffahrt verwandten Gewerben, in welchen der dort Heimische mit seinen Beziehungen zu entsprechenden Kreisen am ehesten auf Erfolg hoffen darf. Diese Beziehungen und Protektionen stehen dem Hafenstädter auch viel leichter zu Gebote für das Vorwärtskommen als Offizier (Steuermann) und Kapitän der Handelsmarine als dem in Seemannskreisen gewissermaßen nur als Eindringling angesehenen Binnenländer, dem das Seeleben – schon als Schiffsjungen oft – bedeutend schwerer gemacht wird als dem „vollberechtigten“ Plattdeutschen.

In der Kriegsmarine liegen die Sachen ganz anders. Ihre ununterbrochene Vermehrung, die ja noch lange nicht ihren Höhepunkt erreicht hat, erfordert von Jahr zu Jahr mehr Kräfte, intelligente und thatkräftige junge Leute, denen bei guter Schulbildung oder tüchtiger Fachbildung als Maschinenbauer, Schlosser und dergleichen eine hoffnungsvolle Zukunft blüht. Bei wirklicher Tüchtigkeit kommen sie schnell vorwärts und in späteren Jahren in Beamtenstellen die ihnen mehr bieten als die meisten Erwerbszweige in anderen abhängigen Verhältnissen.

Die Einführung in die Marinelaufbahn (vom eigentlichen Seeoffizier sprechen wir später) kann in verschiedener Weise geschehen. Da haben wir zuerst die Schiffsjungenabteilung der Kriegsmarine. Aufgenommen werden nach Verhältnis der vorhandenen Vakanzen Knaben mit guter Elementarschulbildung im Alter von – nach den neuesten Bestimmungen – 16 Jahren. Sie müssen kräftig von Wuchs, von guter Gesundheit sein, mit fehlerfreiem Gehör und Gesicht (auch nicht farbenblind) und guten Sprachorganen. Wurden sie bei der Untersuchung (aus irgend einem Bezirkskommando) für tauglich befunden, so werden sie notiert und bei nächster Gelegenheit mit den nötigen Papieren, als Schulzeugnis, Geburtsschein und väterlicher Erlaubnis, nach Kiel geschickt, wo sie bisher drei, seit Einführung des neuen Dienstreglements in diesem Jahr aber nur zwei Jahre als Schiffsjunge zu lernen haben. Den ersten, etwa sechs Monate dauernden Unterricht erhalten sie in der Kaserne, dann auf einer etwa ebensolangen Sommerfahrt in unseren Küstengewässern. Darauf geht es auf eine längere Reise auf einem großen Schulschiff, das gewöhnlich mit 400 bis 500 Schiffsjungen bemannt ist, in die Oceane hinaus. Bei der Rückkehr ist der nun zum Matrosen oder Obermatrosen Ernannte verpflichtet, weitere sieben statt der bisherigen neun Jahre in der Kriegsmarine zu dienen. Drei Jahre entsprechen seiner Militärdienstpflicht, die weiteren vier Jahre gelten als Gegenleistung an den Staat für die empfangene Ausbildung. Nach diesen sieben Jahren erhält er mit dem Civilversorgungsschein die Berechtigung, als Beamter angestellt zu werden, und je nach seiner Befähigung und den erworbenen Kenntnissen in irgend einem Specialfache, zum Beispiel als Zahlmeister, im Feuerwerks- oder Werftdienst, sucht er nun ein Amt, kann daran denken, eine Familie zu gründen, und sich ein sorgenfreies Alter schaffen.

Da die eigentlichen Kriegsschiffe (mit Ausnahme weniger Schulschiffe, die nur Segel führen) mit einer immer größer werdenden Anzahl von Maschinen ausgerüstet sind, wächst auch das hierzu notwendige technische Personal und damit die Aussichten für die schon bezeichneten Handwerker, die am vorteilhaftesten bei einem tüchtigen Maschinenschlosser lernen und bei erreichtem militärpflichtigen Alter freiwillig in die Marine eintreten und nach erlangter Anstellungsberechtigung ebenfalls den Weg offen haben zu Stellen im Aufsichts- und Verwaltungspersonal der Werften der Marine.

Wir wollen hierbei gleich bemerken, daß die Soldverhältnisse in der Marine auch vom Matrosen an bis zum „Deckoffizier“ (der im Rang etwa den Oberfeuerwerkern der Artillerie, den Zeugfeldwebeln, Wallmeistern etc. gleichsteht) sich bedeutend günstiger stellen als in der Landarmee. Wenn vom hohen Solde auch vielfache Abzüge für Kleider und Menage gemacht werden, kann der Chargierte der Marine doch bei einiger Sparsamkeit mit seinen Effekten, die sämtlich Eigentum des Betreffenden sind, einen Ueberschuß ansammeln. Auch giebt es noch für vielerlei Posten Nebeneinnahmen, die bei längeren Reisen zu ganz erklecklichen Beträgen anwachsen.

Das spätere Fortkommen in der Kriegsmarine kann aber auch eingeleitet werden durch den Dienst in der Handelsflotte, und zwar in folgender Weise. Der Knabe, von dem natürlich wieder vorausgesetzt werden muß, daß er körperlich und geistig zum Seemann geeignet ist, wird, mit den schon bezeichneten Papieren versehen, in eine Hafenstadt, zum Beispiel nach Hamburg, in das Seemannshaus gebracht. In diesen Anstalten – die Hamburger ist auf einer wallähnlichen Anhöhe unmittelbar am Elbstrom gelegen und bietet dank der Unterstützung von seiten der Seehandel treibenden Kreise Hamburgs dem am Lande weilenden Seemann gegen billiges Kostgeld gute und bequeme Unterkunft – wird auch in jeder Weise für die Knaben gesorgt, die sich dem Seemannsberuf widmen wollen. Im Seemannshause befindet sich nämlich auch die Musterungsbehörde, vor welcher die Heuerverträge (Dienstverträge) mit den Mannschaften abgeschlossen werden. Der die Engagements vermittelnde Agent (Heuerbaas) geht auch den Angehörigen der zukünftigen Seeleute mit sachverständigem Rate zur Hand, indem er letztere den empfehlenswertesten Schiffen zuweist und den Angehörigen gleichzeitig die nötigen Auskünfte über die Ausrüstung der Schiffsjungen giebt. Im Seemannshause stehen die Knaben bis zu ihrer Einschiffung unter einer zweckdienlichen Aufsicht; hier befinden sich das Seemannsspital, die Navigationsschule und andere seemännische Institute.

Am besten geht der Knabe sofort als Decksjunge zur See. Als solcher erhält er etwa 15 Mark monatliche Heuer (Gehalt) und lernt den Schiffsdienst gründlich. Nicht so empfehlenswert ist die Verheuerung als Kajütsjunge (Steward), weil er hier – besonders auf größeren Schiffen – vorzugsweise zur Bedienung des Kapitäns verwandt wird, also mehr Kellner als Seemann ist. Ueberdies ist hier die Heuer niedriger als beim Decksjungen.

Beim Verheuern hat auch der Schiffsjunge die Wahl, ob er es erst einmal mit einer kürzeren Reise von drei bis vier Monaten versuchen will oder ob er eine solche auf Jahre hinaus – nach Indien, China etc. – vorzieht. Empfehlenswert bleibt wohl das erstere, denn vom Lande aus sieht sich für den Unerfahrenen der Schiffsdienst doch immer weit harmloser und gemütlicher an, als er sich in der Wirklichkeit darstellt. Die erhoffte Romantik des Seefahrens schrumpft sehr zusammen bei der oft recht schweren und unsauberen Arbeit, den vom Schiffsdienst unzertrennlichen Entbehrungen an Nachtruhe bei einer wenn auch kräftigen, aber sehr einförmigen Kost und einer oft recht unsanften Behandlung von seiten der Vorgesetzten. Jedenfalls ist es besser, bei zu arger Enttäuschung nach einer kürzeren Seereise – deren Beendigung auch das Engagement aufhebt – den „verfehlten Beruf“ mit einem zusagenderen zu vertauschen. Der Schiffsjunge auf den Handelsschiffen hat, wie schon erwähnt, seine Ausrüstung selbst zu beschaffen. Da nun von einer eigentlichen Uniform hier nicht die Rede ist, so kann manches an Jacken und Hosen, die für derbe Arbeit sich eignen, und an wollenen langen Strümpfen und Unterkleidern von Hause aus mitgebracht werden. Im anderen Fall stellt sich die im Hafenort für eine dreijährige Reise zu beschaffende Ausrüstung, an der auch Bettzeug und Eßgeschirr nicht fehlen darf, auf 200 bis 300 Mark.

Nach zweijähriger Fahrzeit avanciert der Schiffsjunge zum Leichtmatrosen mit einer Heuer von 30 bis 40 Mark. Nach wieder zwei Jahren wird er Vollmatrose. Seiner gesellschaftlichen Stellung nach steht er nun jedem ausgelernten Handwerksgesellen [275] gleich. Wie bei diesem richtet sich seine Bezahlung nach Angebot und Nachfrage und ist auch in den verschiedenen Hafenstädten verschieden. In nordamerikanischen Häfen betragen die Heuern (immer bei vollständiger Beköstigung) bis zu 45 Dollar den Monat, in Deutschland dagegen nur 50 bis 60 Mark. Gelernte Schiffsköche, Schiffszimmerleute und Segelmacher erhalten 6 bis 10 Mark mehr.

Nach zweijähriger Fahrzeit als Vollmatrose hat der Seemann die Berechtigung, auf seine Kosten die Navigationsschule zu besuchen, sich auf das Steuermannsexamen vorzubereiten. Später macht er die Schifferprüfung für kleine Fahrt, dann für große (überoceanische) Fahrt. Hierzu gehören außer den nautisch-mathematischen und geographischen Kenntnissen auch solche in der Heilkunde, Gesetzeskunde und fremden Sprachen, vor allem Englisch. Der Steuermann erhält etwa 70 bis 90 Mark Heuer den Monat, der Kapitän 1200 bis 1800 Mark jährlich nebst einem nach den in Betracht kommenden Umständen verschieden bemessenen Anteil am Gewinn aus den erzielten Frachten etc. Neben diesen Bezügen an Geld wird allen Seeleuten eine dem Range angemessene Kost geliefert, zu der bei den Offizieren auch Wein und allerlei Delikatessen gehören.

Soll nun die Seefahrt in der Handelsflotte nur zum Uebergang in die Kriegsmarine führen, so ist es von Vorteil, zuvor die Steuermannsprüfung abzulegen, da diese – die nicht zu großen Geldmittel hierzu vorausgesetzt – sich bei einer Fahrzeit vom vierzehnten bis zum einundzwanzigsten Jahre erreichen läßt und zum einjährigen Dienst in der Marine berechtigt, also das spätere Avancement wesentlich fördert. Zu aktiven Seeoffizieren der Kriegsflotte können diese Einjährigen jedoch nicht aufrücken.

Ratsam ist weiter, als Matrose stets auf Segelschiffen zu fahren, da die seemännische Ausbildung auf den Dampfern nur eine sehr unvollkommene ist, was den Segelmatrosen auch dazu veranlaßt, den Kameraden vom „Steamer“ verächtlich als „Dampferknecht“ zu bezeichnen. Etwas anderes ist es hingegen für die jungen Leute, die auf Handels- und Postdampfern im Maschinendienst arbeiten und später zur Kriegsmarine übergehen. Sie sind dann für ihr Fach schon gut eingeübt und erzielen hierdurch Vorteile für die Zukunft.

Trotz der seit Jahren ungünstigen Verhältnisse im Welthandel ist auch unsere Handelsflotte im steten Aufsteigen begriffen. Sie beziffert sich in runden Zahlen auf etwa 3000 Segelschiffe und 1000 Dampfer mit einer Gesamtmannschaft von etwa 45000 Köpfen. Am stärksten ist an diesen Ziffern Hamburg (dem Verkehr nach der vierte Hafen der Erde) beteiligt, das bei einer Vermehrung von zwölf Dampfern im letzten Jahre jetzt mit 640 Schiffen, die einen Gehalt von etwa 700 000 Tonnen haben, die See befährt. An Gelegenheit zur Unterbringung frischer Kräfte fehlt es also auch hier nicht, um so weniger als ein großer Teil der „befahrenen Leute“ später in die Kriegsmarine oder unter fremde Flaggen geht, z. B. zur englischen oder amerikanischen, wo die Gehaltsverhältnisse günstiger liegen und deutsche Seeleute wegen ihrer Diensttüchtigkeit und Nüchternheit sehr beliebt sind. So liederlicher Schiffsdienst, wie ihn die berüchtigte „Crathie“ bei dem unglücklichen Zusammenstoß mit der „Elbe“ bewies, ist bei einer deutschen Mannschaft und auf deutschem Schiffe nicht denkbar. Wir wollen hierbei bemerken, daß die Gefahren des Seelebens – mögen sie auch vielfältig genug sein – doch gemeinhin überschätzt werden. Der Fall der „Elbe“ ist eine beklagenswerte Ausnahme, gleichzustellen mit den Katastrophen, wie sie ja auch zuweilen im Eisenbahnverkehr vorkommen. Der bis ins Ungeheuerliche wachsende Verkehr vermehrt in der Gegenwart allerdings die Gefahren, auf dem Lande sowohl als auf der See, Verbesserung der Schiffe und Rettungsmittel sorgen aber dafür, daß die persönliche Sicherheit der Seeleute auch immer mehr zunimmt, so daß sie oftmals Schiffbruch leiden können, ohne das Leben dabei einbüßen zu müssen. Freilich darf man hierin nicht allen Erzählungen der alten „Fahrensleute“ glauben. Sie haben meistens eine ebenso lebhafte Phantasie wie gewisse Jäger. Immerhin muß vorausgesetzt werden, daß der zur See gehende Knabe die ihm bevorstehenden Gefahren keineswegs fürchtet und daß er selbst Lust und Liebe zu dem schweren Berufe hat. Ihn nur zur See zu schicken aus Erziehungsgründen, weil er am Lande vielleicht dumme Streiche gemacht hat, ist meist vollständig verfehlt, unter gewissen Umständen sogar eine Grausamkeit, die von sehr üblen Folgen begleitet sein kann. Der Knabe, dem es von Natur aus nicht gegeben ist, den Beschwerden und Gefahren des Seelebens zu trotzen, wird sich mit der zu Tage tretenden Zaghaftigkeit die Verachtung und eine Behandlungsweise von seiten der nicht allzu sanft veranlagten Seeleute zuziehen, welcher die Eltern auch einen mißratenen Jungen jedenfalls nicht ausgesetzt sehen wollen, so lange sie noch einen Funken von Liebe für ihn haben. Das Seeleben eines solchen von der Familie Ausgestoßenen führt selten zur Besserung, viel eher aber dazu, daß er in irgend einem fremden Hafen vom Schiffe desertiert und dann so oder so in der Fremde vollends untergeht.

Zum Schluß wollen wir noch einen Blick auf die Offizierscarriere in der Kriegsmarine werfen. Bei der stetigen Vermehrung der Flotte liegen die Avancementsaussichten auch hier verhältnismäßig günstiger als bei der Landarmee. Auch ist der Andrang von jungen Leuten hier nicht sehr groß, da die Anforderungen an dieselben in jeder Hinsicht ziemlich hoch gespannt sind. In der „kaiserlichen Verordnung über die Ergänzung des Seeoffizierkorps“ heißt es unter anderem: Der Äusbildungsgang vom Kadetten zum Seeoffizier vollzieht sich teils auf der Marineschule, teils an Bord von Kadetten- und Seekadetten-Schulschiffen. Die Einstellung als Kadett erfolgt einmal im Jahre, in der Regel im April. Der für den Eintritt als Kadett erforderliche wissenschaftliche Bildungsgrad, einschließlich Französisch und Englisch, ist nachzuweisen: entweder durch Vorlegung eines vollgültigen Abiturientenzeugnisses eines deutschen Gymnasiums oder Realgymnasiums (bei einem Alter bis zu 19 Jahren), oder durch Beibringung des Zeugnisses der Reife für die Prima einer solchen Lehranstalt und gleichzeitiges Ablegen der Kadetten-Eintrittsprüfung, oder durch Vorlage eines Zeugnisses über die bestandene Portepeefähnrichsprüfung der Armee (in beiden letzteren Fällen bis zu einem Alter von 18 Jahren).

Gleichzeitig mit der Anmeldung zur Einstellung als Kadett haben sich die Angehörigen zur Hergabe der für die Laufbahn erforderlichen Geldmittel zu verpflichten. Dieselben betragen für das erste Jahr 1770 Mark, das zweite Jahr 1220 Mark, das dritte Jahr 1620 Mark, mithin bis zur Beförderung zum Offizier etwa 4600 Mark. Nach erfolgter Beförderung zum Offizier ist für mindestens 10 Jahre eine jährliche Zulage von 600 Mark erforderlich, so daß für die Carriere im ganzen etwa 11000 Mark aufgewendet werden müssen, wofür der junge Mann freilich in allen Chargen finanziell besser gestellt wird als der Kamerad in der Landarmee – durch Tafelgelder, Kriegszulage bei Seefahrten und höhere Pensionsberechnung. Und schließlich hat er auch die Aussicht, einstmals die Admiralsflagge zu führen. Max Lay.