Vom christlichen Hausgottesdienste
II, 3.
Laßet das Wort Christi unter euch reichlich wohnen in aller Weisheit; lehret und vermahnet euch selbst mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen, lieblichen Liedern, und singet dem HErrn in euerm Herzen. Col. 3, 16. |
Sollen wir noch mehr zum Beweis und zur Besiegelung der Gottwohlgefälligkeit des Hausgottesdienstes hinzufügen? Es wird nach dem bisherigen fast überflüßig sein. Aber auf zwei Stücke wollen wir doch mit ein paar Worten aufmerksam machen. Das eine ist die Verheißung des HErrn: „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.“ (Matth. 18, 20.) Adelt die Verheißung nicht jede in JEsu Namen bestehende Gebetsgemeinschaft, also auch den Hausgottesdienst, zum seligsten Gottesdienste? – Das andere sind die Befehle des HErrn. Da lies 5 Mos. 6, 6–9. 11, 18–21. und vergleiche damit 1 Mos. 18, 19. 2 Mos. 12, 26. ff. 13, 14. Den Männern in Israel wird da geboten, das Gesetz des HErrn zu Herzen zu nehmen, es ihren Kindern zu schärfen und davon zu reden, wenn sie in ihrem Hause säßen, wenn sie sich niederlegten oder aufständen, es auch über ihrer Häuser Pfosten und an die Thore zu schreiben. So sollte also das Gesetz in allen Häusern wohnen. Wie viel mehr wird es des HErrn Wille sein, daß Sein heiliges, alleinseligmachendes Evangelium unter uns reichlich wohne sammt Psalmen und Lobgesängen und geistlichen, lieblichen Liedern, (Eph. 5, 19. Col. 3, 16.) Denn was Gottes Wort von der Hochachtung des Gesetzes sagt, das gilt doch gewiß um so viel mehr vom Evangelium, als das Evangelium eine größere Gnadenwohlthat ist für das verlorene Menschengeschlecht, denn das Gesetz.
| Die Gottwohlgefälligkeit des Hausgottesdienstes ist die beste Empfehlung desselben; er ist aber wohl auch zu empfehlen um seines Segens willen. Doch ehe wir davon weiter reden, wollen wir einige Einwürfe, die man dagegen machen könnte, nicht außer Acht laßen. Man könnte nämlich sagen: Der Hausgottesdienst ist allerdings Gott wohlgefällig und hat Segen, wenn er ist, wie er sein soll; aber so, wie er gewöhnlich ist, kann er weder Gott gefallen, noch Segen bringen. Denn man betet wohl noch hie und da in den Häusern regelmäßig, man ist es von alten Zeiten her gewohnt; hie und da ist auch der Hausgottesdienst wieder neu begonnen worden; aber er ist doch meistens nicht eine Frucht des Glaubens, nicht eine heilige Lust der Seele, sondern nur ein gesetzlicher Zwang, den man sich selbst nicht ohne innerliches Widerstreben auflegt, ein geistliches Joch, an dem man alle Morgen von neuem zieht. Sieh nun, wie sie es gleich nachher treiben. Ist am Sonntag die Predigt gelesen, so gehen die Männer zum Bier, auf die Kegelbahn, zum Kartenspiel; die Weiber gehen „in’s Dorf“ oder sonst auf Besuch. Da wird denn Gottes und seines Wortes schnell wieder vergeßen, da wird gelästert, verleumdet, es werden die Jugendsünden gegenseitig wieder hervorgezogen, und zwar nicht in Reue und bußfertiger Erinnerung, sondern mit Freuden und unter großem Gelächter. Nach dem Abendgebete gehen die jungen Leute ihrer Lust nach, singen mit demselben Munde, der vorher Gott lobte, schändliche Lieder, schwärmen auf den Gaßen, in Kammern und Unzucht, in Völlerei und Dieberei. Und kurz –, wer kann den schreienden Widerspruch, der zwischen dem Hausgottesdienst und dem Leben derselben Menschen stattfindet, stark und arg genug darstellen, – einen Widerspruch, der Gott aufs höchste beleidigt und allen Segen aufhebt! – Das alles leugnen wir nicht; es ist leider nur zu wahr und beklagenswerth genug; aber dennoch sagen wir: der Hausgottesdienst hat noch immer Segen genug, um aller| Empfehlung werth zu sein. Es kommt freilich bei allen Gnadenmitteln gar viel auf die Empfänglichkeit des Menschen an, auf den sie wirken sollen; widerstrebt er ihrer Einwirkung, so geht er nicht blos ohne Segen aus, sondern lädt auch noch Fluch auf sich. So ists auch mit dem Hausgottesdienste. Darum kann man freilich auch von ihm nicht behaupten, daß er gewiß an jedem Einzelnen Segen schaffen werde, aber eben so wenig, daß er überhaupt oder an diesem und jenem vergeblich sei. Darum müßen wir bescheidentlich urtheilen. Wir können schwerlich von irgend einem Menschen mit völliger Sicherheit wißen, wie viel Raum er dem Evangelium in seinem Herzen laße. Oft widerstrebt einer dem Geiste Gottes im äußern Leben grade dann am meisten, wenn inwendig die Kraft des Widerstandes bereits gebrochen ist; oft sind äußerlich erkennbare Verschuldungen die letzten gewaltsamen Kämpfe des bereits sterbenden alten Menschen; – oft ist der größte Spötter gerade ein solcher, der den Stachel der Wahrheit bereits tief im Herzen sitzen hat und sich sein nicht mehr erwehren kann. Nur der HErr kann das Herz ergründen. Ehe Er einen Menschen aufgegeben hat, dürfen auch wir ihn nicht aufgeben, ihm also auch die Gnadenmittel nicht vorenthalten, weil es ja (nach unserer Meinung) an ihm doch nichts hälfe. Soll denen, die Christum noch nicht haben, auch der Weg zu Ihm, die Erinnerung an Ihn, der Zuchtmeister auf Ihn genommen werden, damit sie gar nichts haben? Würde das dem langmüthigen, barmherzigen Gott gefallen? Das wird niemand behaupten wollen. Ist der Hausgottesdienst noch keine Frucht des Glaubens, so kann er ein Mittel, ein Same des Glaubens werden. Wohl ist das Beten, das man von innen heraus, aus der Tiefe der Seele vor Gott ergießt, allein das rechte; dennoch haben auch schon viele unter der Hand des gnädigen, verschonenden Gottes von außen nach innen beten gelernt, und die zuvor andacht-| und glaubenslosen Worten des Gebets sind oft schon unter Umständen und zur Stunde, die Gott gab, eine Erweckung zu andachtsvollem Beten geworden. Gottes Gnade ist mancherlei und hat mancherlei Mittel und Wege, sie ist mit nichten in Grenzen gebannt und an Methoden gebunden, wie sie die Menschen sich erdenken mögen. Darum wird es in keinem Fall recht und gut sein, einem Menschen seinen häuslichen Gottesdienst zu verachten und demselben allen Segen abzusprechen. Lippendienst soll man freilich nicht loben, aber man soll auch nicht alles gleich Lippendienst schelten, was einer zu sein scheint. Dem eigenen Gewißen mag man dadurch genug thun, daß man Leute, die auf falschem Wege zu wandeln scheinen, darauf aufmerksam mache und zum Beßern vermahne; aber man soll sich doch ja hüten, andern zum Anlaß zu werden, daß sie ihren Hausgottesdienst, weil er nicht rechter Art scheint, etwa gar abthun; dient ein solcher Hausgottesdienst auch Gott noch nicht, so kann er doch denen dienen, die ihn üben.2. Die nächste Frage wäre: Wann und wie oft soll man Hausgottesdienst halten?
Der Morgen, der Abend, dazu der Mittag sind von Alters her Gebetszeiten gewesen, und mit Recht; denn sie fordern, so zu sagen, von selbst jeden zu Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung auf. Der Morgen kommt auf die Nacht, da Gott an unserer Stelle wachte; er geht dem Tagwerk voraus, das wir ohne Gott nicht vollenden können. Der Abend sieht auf einen Tag, auf viele an demselben empfangenen Wohlthaten und auf viele Sünden zurück, und vorwärts auf eine geheimnisvolle Nacht, in welcher Gott allein uns Licht und Leben sein kann. Der Mittag gewährt einen Ruhepunkt zwischen der Arbeit, Erquickung und Speise dem, der des Tages halbe Last getragen hat. Fordern so diese drei Zeiten nicht mit aller Macht zum Gebet auf? Im Herzen dem Zuge zum Gebet folgen, ist wohl allezeit möglich, also auch an den benannten Zeiten; aber es wird, wenn nur guter Wille vorhanden ist, mit seltenen Ausnahmen auch möglich sein, gemeinschaftlich mit den Seinen den HErrn Morgens, Mittags und Abends anzubeten. Hundertmal gegen einmal wird es nur Unlust zum Gebet sein, wenn man es nicht möglich erachtet, den Hausgottesdienst zu veranstalten; – und gewiß irdischer Sclavensinn ist es, wenn man unbedenklich ganze Tage und Nächte auf den zeitlichen Beruf oder auf eitles Vergnügen verwenden kann, während man es für| das Zeichen eines Tagediebs ansieht, von den 24 Stunden drei Viertelstunden der gemeinschaftlichen Anbetung dessen zu widmen, der Tag und Nacht mit allen Seinen Kreaturen an unserm Heil und Segen arbeitet. Höchstens am Abend kann bei manchen Berufsarten Leib und Seele zu ermüdet sein, als daß ihnen eine längere Andacht zugemuthet werden könnte. Aber auch dann wird ein kurzes Gebetslied oder ein Psalm sammt dem Gebete des HErrn andachtwillige Beter nur desto sanfter betten und den Schlummer heiligen, des sie begehren. – Auch von außen kommende Störungen werden sich zu den genannten Zeiten am leichtesten vermeiden lassen. Wenn man nur den Muth hat für nichts und für niemand sonst Zeit zu haben, und fest und treu darauf bleibt, so werden die Störenfriede bald ausbleiben oder – unseres Sinnes werden.- 1) Gesang.
- 2) Das Aufsagen eines Hauptstückes des Katechismus, einiger Sprüche oder Liederverse.
- 3) Vorlesung eines Abschnittes aus dem Worte Gottes; am Sonntag auch wohl Evangelium oder Epistel.
- 4) Dazwischen hinein oder am Schluße erläuternde Bemerkungen zum Gelesenen, an Sonntagen nach Evangelium oder Epistel die Postille (d. i. Lesen der Predigt.) Im Monat October könnte auch einiges aus der Reformationsgeschichte, sonst auch wohl das Wichtigste vom Fortgange der Missionen mitgetheilt, d. i. vorgelesen werden.
- 5) Auf solch Vorlesen eine Lobpreisung Gottes, etwa der letzte Vers aus dem Liede: „Ach Gott vom Himmel sieh darein etc.“, entweder gesungen oder gesprochen.|
- 6) Der kurze Morgen- oder Abendsegen, am Sonntage wohl auch eine Danksagung für das Wort Gottes, für die heilige Kirche etc. hier wären auch die Fürbitten einzufügen.
- 7) Vater unser.
- 8) Gemeinsames Gebet um Segen (z. B.: „Der HErr segne uns und behüte uns“ etc.) oder ein gegenseitiger Friedenswunsch.
Zwischen 3 und 4, oder nach 4 anstatt 5 könnte auch wohl der Glaube als Antwort auf Gottes Wort gebetet oder kurz gesungen werden. Wiewohl –, die Lobpreisungen des dreieinigen Gottes, wie z. B. der letzte Vers von: „Ach Gott vom Himmel sieh darein“ etc., oder von: „Nun danket alle Gott“ etc., enthalten auch schon ein Bekenntnis des Glaubens!
Diese Ordnung nun sieht länger aus, als sichs beim Gebrauch finden wird. Je nachdem man mehr oder weniger lange Lieder und Bibelabschnitte etc. anwendet, wird man den Hausgottesdienst beliebig verlängern oder verkürzen können. Die Ordnung ist ohnehin nur für Morgen und Abend angerathen. Am Abend könnte bei großer Ermüdung etwa blos 6–8 (Abendsegen, Vaterunser, Friedens- oder Segenswunsch) genommen werden. Was den Hausgottesdienst von Mittag anlangt, so ist er hauptsächlich Tischgebet. Für ihn möchte Luthers schöne Ordnung, welche auch die Ordnung der Kirche vor ihm ist, wohl unübertrefflich sein. Sie ist folgende:
- A. Für das Gebet vor Tisch:
- a) ein Wort Gottes:
„Aller Augen warten auf Dich, HErr, und Du gibst ihnen ihre Speise zu seiner Zeit.
Du thust Deine milde Hand auf und sättigest alles, was lebt, mit Wohlgefallen.“
- b) Vater unser.|
- c) HErr Gott, himmlischer Vater, segne uns und diese Deine Gaben, die wir von Deiner milden Güte zu uns nehmen, durch Jesum Christum, unsern HErrn! Amen.
- B. Für das Gebet nach Tisch:
- a) ein Wort Gottes:
„Danket dem HErrn, denn Er ist freundlich und seine Güte währet ewiglich; der allem Fleisch Speise gibt, der dem Vieh sein Futter gibt, den jungen Raben, die Ihn anrufen. Er hat nicht Lust an der Stärke des Rosses, noch Gefallen an jemandes Beinen. Der HErr hat Gefallen an denen, die ihn fürchten und auf Seine Güte warten.“
- b) Vater unser.
- c) Wir danken Dir, HErr Gott, himmlischer Vater, durch Jesum Christum, unsern HErrn, für alle Deine Wohlthat, der du lebest und regierest in Ewigkeit! Amen.
Wenn die Speise auf den Tisch kommt, ist sie gemeine Speise; aber durch Gottes Wort und Gebet, welche beide in Luthers Gebeten vor und nach Tisch so schön vereinigt sind, wird sie geheiligt, den Leibern der Kinder Gottes zur Erhaltung zu dienen. – Luthers Gebet kann auch zum Abendeßen gebraucht werden, und unmittelbar ans Dankgebet könnte dann entweder die oben angegebene Ordnung oder wenigstens Nr. 6–8 angeschloßen werden.
Für Feste, sowohl der Kirche als des Hauses, ist keine andere Ordnung des Hausgottesdienstes nöthig. Wenn man die Gesänge, die Bibelabschnitte und Gebete darnach auswählt, und nur die Stimmung der Hausgenoßen auch festlich ist, dann sind die Festtage von den gewöhnlichen Tagen und Sonntagen genugsam unterschieden.
| 4. Für die einzelnen Theile des Hausgottesdienstes werden folgende Bemerkungen nicht überflüßig sein:a) Der Gesang. Wenn das eingeführte Gesangbuch für den öffentlichen Gottesdienst wirklich gut und brauchbar ist, wie z. B. das bayerische, so ist es auch gut und anwendbar für den Hausgottesdienst. So verschieden sind öffentlicher und häuslicher Gottesdienst nicht von einander, daß man für jeden besonderer Lieder bedürfte. Haus und Kirche haben vielmehr gemeinsame Bedürfnisse: das Haus oder die Familie ist ja nur ein Theil von der Kirche, die Kirche nur eine himmlische Vereinigung aller Häuser. Was Gott so innig verbunden, ja vereinigt hat, darf kein Mensch scheiden. Im Gegentheil, und namentlich in unsern Tagen, muß man alles vermeiden, was einem das Bewußtsein und Gefühl von der Einigkeit des Hauses mit der Kirche trüben könnte. – Wo aber das eingeführte Kirchengesangbuch im Widerspruch steht mit Lehre und Sinn der h. Kirche, wo also das Gesangbuch unkirchlich ist, wo es schwer wird, das wenige Reine und Schöne herauszusuchen, da fordert es gerade die Einigkeit des Hauses mit der wahren Kirche, daß ein Hausvater ein reines und wahrhaft kirchliches Gesangbuch bei seinem Hausgottesdienst brauche. Der Gesang ist ein Mittel, das Gedächtnis zu wecken; man singt sich Lieder viel leichter ein, als man sie sonst einlernt. Viele können Lieder nicht aufsagen, aber sie können sie mitsingen; so sehr wird ihr Gedächtnis durch die Melodie erweckt. Um so gewißenhafter muß man es mit den Liedern nehmen, damit nicht Falsches und Irrthümliches, das der Mensch ohnehin schon an und für sich leichter behält, noch überdies durch den Gesang eingeprägt werde. In Stuttgart bei S. G. Liesching ist unter dem Titel: „Geistliche Lieder,“ ein Gesangbüchlein erschienen, welches alte, reine und herrliche Lieder genug zu dem wohlfeilsten Preise darbietet. Dies kann zum Hausgottesdienste mit vollem Recht empfohlen werden.
| In manchen Häusern möchte es freilich unter den gegenwärtigen Umständen schwer sein, einen gemeinschaftlichen Gesang einzuführen. Bei allem Singunterricht in den Schulen gibt es doch nur selten Kinder, die Choralmelodieen richtig singen können. Wir sind trotz dem, daß man die neuern Schulen so sehr lobt, im Singen rückwärts gekommen. Indes, wo es sich nur immer machen läßt, sollte ein Hausvater seine Kinder im Gesang unterrichten laßen. Lieber dürfte in einem andern Stück des Unterrichts etwas mangeln, nur nicht im Gesang. Durch die Jugend muß der Gesang wieder in die Häuser kommen. Können dann auch fürs erste Väter und Mütter nicht mitsingen, so wird doch der Gesang der Kinder seine heilsame Gewalt über Elternherzen ausüben, dieselben zum Anhören des göttlichen Worts und zum Gebete bereiten, Sorge und Unmuth, Laune und Trübsinn verscheuchen; – und es fehlt dann doch immer weniger auf dem Hausaltar das wohlriechende Lob- und Dankopfer des geistlichen Gesangs. Mancher Vater läßt seine Söhne und Töchter singen, was sie nimmermehr vor ihm sagen dürften, Unsittliches und Schlechtes genug: sollten sie denn nicht auch oder lieber das lernen können, was Himmel und Erde erfreut, was eine heiligende Kraft auf Sänger und Hörer ausübt?Sind bei einem Hausgottesdienste Christen beisammen, welche über sich wachen, so hat ein gemeinschaftliches Sprechen des Gebets manche Vortheile. Man achtet beim lauten Sprechen mehr auf das, was man spricht, und weniger auf die übrigen Theilnehmer am Gebet und ihre Geberden; man wird eben damit mehr vor Zerstreuung bewahrt und kann die Gedanken leichter zusammenhalten und auf Einen Punkt hinrichten. Alles, was das Vorbeten eines Einzelnen für ihn und die andern nachtheiliges hat, auch alles Störende eines Buchgebets fällt weg, wenn alle zusammensprechen. Ist nur ausgemacht, daß keiner den andern überschreie, daß alle bescheidentlich Maß in der Stimme halten, so wird sich auch zeigen, daß ein gemeinschaftliches Sprechen nicht durch Uebellaut die Andacht stört und hindert. Freilich müßten dabei entweder alle die vorkommenden Gebete auswendig können, oder man müßte eine kleine Sammlung von Gebeten gebrauchen (wie z. B. die „Samenkörner“), die sich jedes leicht anschaffen könnte.
Mancher möchte es vielleicht vorziehen, daß der Hausvater frei bete. Allein das edle freie Gebet wird doch am besten im Kämmerlein und ohne Zeugen geübt. Wenn Gott alleine bei uns ist, hat unser Gespräch mit ihm, so frei es gehe, gewaltigere Kraft; und wenn wir thöricht beten, ist damit kein schwacher Mensch geärgert. Es ist mit solchen freien Gebeten, die man vor andern spricht, in der| Regel – (denn einzelne seltene Ausnahmen gestehen wir gerne zu) – nicht anders als mit vorgelesenen Gebeten, nur daß dabei noch mehr Gefahr ist, daß Herz und Sinne der Mitbetenden sich auf eine menschliche Persönlichkeit richten, und daß der Vorbetende wegen sorglicher Bedachtnahme auf seine Worte, eben um der andern willen, oft am wenigsten eigentliche Andacht hat. So hindert auch oft nicht allein die Ungeschicklichkeit des Beters und die Schwerfälligkeit des Mitbeters (so wie sie gewöhnlich sind), sondern auch viele Unreinigkeit beider, dem Gedankengange eines freien Gebetes zu folgen. Der Vorbetende hat ferner seine Lieblingsgedanken, seine Lieblingsworte, seine Launen, sein Temperament, seinen Hochmuth, welche sämmtlich sich im Beten nicht verläugnen können. Betet er mit all dem allein, so hat er zum Zuhören einen barmherzigen und langmüthigen Gott. Betet er vor andern, so werden diese, je nach ihrer Neigung zum Betenden und nach ihrer Eigentümlichkeit, entweder an seiner Schwachheit und Sünde theilnehmen und ihr eigenes Gebet verunreinigen, oder sie werden, – der Vorbeter mag nun so lebhaft und eindringlich beten, als er will – nur desto mehr zur „Kritik“, d. i. zum Urtheilen, zum Mustern und Meistern seiner Worte verleitet werden, was alles Mitbeten tödtet. Alles das fällt bei bereits bekannten, gemeinschaftlich gesprochenen Gebeten weg. Bereits bekannt müßen freilich gemeinsame Gebete sein, wenn sie mit Andacht gebetet werden sollen. Das können sie aber leicht sein und werden, wenn sie kurz sind, wenn im Anfange ihres Gebrauchs der Hausvater immer zuvor, ehe er eines betet, es seinen Leuten zum Durchsehen und Durchdenken empfiehlt, wenn er zuerst zwischen wenigen, und nur allmählich zwischen mehreren wechselt. Auf diese Weise werden die Hausgenoßen die Gebete nicht allein kennen lernen, sie werden sie durch das öftere Beten völlig auswendig lernen und je länger je mehr das geschriebene Blatt oder das gedruckte Büchlein| entbehren können. Auch mindert das Beten auswendig gelernter Gebete dem durchaus die Andacht nicht, der Andacht hat; wer sie aber nicht hat, kann dadurch aufgeweckt und andächtig werden. Oefterer Wechsel zwischen bekannten Gebeten macht sie überdies immer neu. – Zu Fürbitten eignet sich vortrefflich die Litanei, weil in unvorhergesehenen Fällen jede Noth mit ganz einfachen Worten leicht in die Reihe der kurzen Gebete eingeschaltet werden kann, und die Hausgemeinde dann eben so leicht und einfach ihr: „Erbarme Dich unser, o JEsu!“ oder „Erhöre uns, lieber HErre Gott!“ beifügen kann. Diese Weise des wechselseitigen Gebets ist uralt und überaus erhebend für die, so Sinn und Liebe für Gemeinschaft haben. Nur eins ist nöthig: daß man die Litanei kennt, ehe man sie braucht. Wer sie nicht kennt, kann sich leicht mit ihr bekannt machen; denn sie findet sich in den meisten Gebet- und Gesangbüchern, wie z. B. in den mehrgenannten „Samenkörnern“ [3]. Auch die Danksagung für besondere Wohlthaten ließe sich kurz und leicht in der Form der Litanei geben. Der Hausvater dürfte nur vor den Bitten den Gegenstand seines Dankes nennen und die Hausgemeinde kurz antworten, z. B. etwa folgendermaßen:- Hausvater: Für die Errettung unseres Bruders N. aus den Händen seiner Feinde –
- Hausgemeinde: Danken wir Dir, lieber HErr Gott!
Und nun, lieber Leser, laß dir hiemit den Hausgottesdienst empfohlen sein. Wer nicht beten kann, ist ein armer Mann. Wer aber beten kann, und nie mit seinen Angehörigen gemeinsam vor Gott zu treten und zu sagen im Stande ist: „Hier bin ich und die Du mir gegeben hast,“ wer mit seinem Gebete mitten unter den Seinen allein steht, ist doch auch arm genug daran. Es gibt Gebete, die man mit andern nicht beten kann; es sind die, welche am höchsten und tiefsten gehen, die nur der HErr versteht und erkennt. Für diese hat man das Kämmerlein, das ungestörte, stille Herz. Aber oft wird das Herz weit; es möchte sich ergießen; es hungert nach der Gemeinschaft des Gebets: und dann ists traurig, wenn rundum niemand ist, von dem zu erwarten und in Liebe zu fordern ist, daß er mit uns vor dem HErrn weine und fröhlich sei, daß unsere Sache auch seine, und er mit uns Ein Herz und Eine Seele sei; – traurig ists, wenn dann kein Vater, keine Mutter, kein Weib, kein Bruder, keine Schwester, kein Sohn, keine Tochter zu unserm Beten Amen spricht. Einen Ersatz gewährt freilich in solchen Fällen die Gebetsgemeinschaft mit Freunden, die nicht zur Familie gehören. Aber es ist das doch nur ein Ersatz; und ein Mensch, der nach Leib und Geist, der doppelt mit uns verwandt, doppelt Bruder ist, ist doch ein Mitbeter, der auch doppelt, der wie in zwei Herzen mit uns fühlt und mit uns betet; – und eine Familie, die leiblich und geistlich vereint vor Gott steht, ist eine Gemeinde, die gesegnet ist wie keine! So sei die deinige, lieber Leser! Amen.
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Hausvater: Kyrie,
Hausgem.: Eleison!
Hausvater: Christe,
Hausgem.: Eleison!
Hausvater: Kyrie,
Hausgem.: Eleison!
Hausvater: Christe,
Hausgem.: Erhöre uns!
Hausvater: HErr, Gott Vater im Himmel!
HErr, Gott Sohn, der Welt Heiland!
HErr, Gott heiliger Geist!
Hausgem.: Erbarm dich über uns!
Hausvater: Sei uns gnädig!
Hausgem.: Verschon uns, lieber HErre Gott!
Hausvater: Sei uns gnädig!
Hausgem.: Hilf uns, lieber HErre Gott!
Hausvater: Vor allen Sünden –
Vor allem Irrsal –
Vor allem Uebel –
Vor des Teufels Trug und List –
Vor bösem schnellen Tod –
Vor Pestilenz und theurer Zeit –
Vor Krieg und Blutvergießen –
Vor Aufruhr und Zwietracht –
Vor Hagel und Ungewitter –
Vor Feuer und Wassersnoth –
Vor dem ewigen Tod –
Hausgem.: Behüt uns, lieber HErre Gott!
Hausvater: Durch deine heilige Geburt –
Durch deinen Todeskampf und blutigen Schweiß –
Durch dein Kreuz und Tod –
Durch dein heiliges Auferstehen und Himmelfahrt –
In unsrer letzten Noth –
Am jüngsten Gericht –
Hausgem.: Hilf uns lieber HErre Gott!
Hausvater: Wir armen Sünder bitten:
Hausgem.: Du wollest uns erhören, lieber HErre Gott!
| Hausvater: Und deine heilige christliche Kirche regieren und führen – Alle Pfarrherren und Diener der Kirche im heilsamen Wort und heiligen Leben behalten, –
Allen Rotten und Aergernissen wehren –
Alle Irrigen und Verführten wieder bringen –
Den Satan unter unsere Füße treten –
Treue Arbeiter in deine Ernte senden –
Deinen Geist und Kraft zum Wort geben –
Allen Betrübten und Blöden helfen und sie trösten –
Allen Königen und Fürsten Fried und Eintracht geben –
Unsern Landesherrn mit allen seinen Gewaltigen leiten und schützen –
Unsre Obern, Schule und Gemeine segnen und behüten –
Allen, so in Noth und Gefahr sind, mit Hilf erscheinen –
Allen Schwangern und Säugenden fröhliche Frucht und Gedeihen geben –
Aller Kinder und Kranken pflegen und warten –
Alle unschuldig Gefangenen los und ledig lassen –
Alle Wittwen und Waisen vertheidigen und versorgen –
Aller Menschen dich erbarmen –
Unsern Feinden, Verfolgern und Lästerern vergeben und sie bekehren –
Die Früchte auf dem Lande geben und bewahren –
Und uns gnädiglich erhören.
Hausgem.: Erhör uns, lieber HErre Gott!
Hausvater: O Jesu Christe, Gottes Sohn,
Hausgem.: Erbarm dich über uns!
Hausvater: O du Gotteslamm, das der Welt Sünde trägt!
Hausgem.: Erbarm dich über uns!
Hausvater: O du Gotteslamm, das der Welt Sünde trägt!
Hausgem.: Erbarm dich über uns!
Hausvater: O du Gotteslamm, das der Welt Sünde trägt!
Hausgem.: Verleih uns steten Fried!
Hausvater: Christe,
Hausgem.: Erhöre uns!
Hausvater: Kyrie,
Hausgem.: Eleison!
Hausvater: Christe,
Hausgem.: Eleison!
Hausvater und Hausgem.: Kyrie, Eleison! Amen.
| 1. Ach bleib bei uns, Herr Jesu Christ, weil es nun Abend worden ist; dein göttlich Wort, das heile Licht, laß ja bei uns auslöschen nicht!
2. In dieser, schwern, betrübten Zeit verleih uns, Herr, Beständigkeit, daß wir dein Wort und Sacrament bhalten bis an unser End.
3. Du aber selbst dein Kirch erhalt, wir sind sonst sicher, faul und kalt; gib Glück und Heil zu deinem Wort, schaff, daß es schall an manchem Ort.
4. Erhalt uns nur bei deinem Wort und wehr des Teufels Trug und Mord. Gib deiner Kirchen Gnad und Huld, Fried, Einigkeit, Mut und Geduld!
5. Ach Gott, es geht gar übel zu: auf dieser Erd ist keine Ruh, viel Secten und groß Schwärmerei auf einen Haufen kommt herbei.
6. Den frechen Geistern wehre doch, die sich mit Gwalt erheben hoch, und bringen stets was Neues her, zu fälschen deine rechte Lehr.
7. Die Lehr und Ehr, Herr Jesu Christ, nicht unser, sondern ja dein ist; darum so steh du denen bei, die bei deim Wort sich finden frei!
8. Dein Wort ist unsers Herzens Trutz und deiner Kirche starker Schutz; dabei erhalt uns, lieber Herr, daß wir nichts Bessers suchen mehr.
9. Gib, daß wir leben in deim Wort und darauf muthig fahren fort von hinnen aus dem Jammertal zu dir in deinen Himmelssaal.
- ↑ Lies auch den Gesellschaftstractat: „Kurz und gut.“
- ↑ Der vollständige Titel der Hirschberger Bibel ist folgender: „Die Bibel oder die ganze h. Schrift A. und N. Testamentes, nach der deutschen Uebersetzung Dr. M. Luthers, mit jedem Kapitel vorhergesetzten kurzen Summarien, sorgfältigst ausgesuchten und zahlreich beigefügten Real- und Verbal-Parallelstellen, und vornehmlich bei allen schweren, von Spöttern gemishandelten oder sonst zweifelhaft scheinenden Stellen mit möglichst kurzgefaßten Anmerkungen nach und aus dem Grundtexte zu Anzeige des in demselben befindlichen Nachdrucks, zu Aufklärung des Zusammenhangs, Hebung scheinender Widersprüche und Abweisung schnöder Spöttereien, begleitet und erläutert. Ans Licht gestellt durch Ehrenfried Liebich, evang. Pastor zu Lomnitz bei Hirschberg. Mit einer Vorrede und in den Anmerkungen vorhergegangener Prüfung, auch größtentheils eignem Beitrage [25] und selbst geführter Feder von Dr. Johann Friedrich Burg, königl. preuß. Ober-Consistorialrath zu Breslau etc. Hirschberg, zu bekommen bei Immanuel Krahn, 1765. 8. 3 Thle.“ – Eine neue Ausgabe dieses Werks ist ebendaselbst 1848 erschienen (Preis 7 fl. in gutem Einband), zu beziehen durch jede Buchhandlung. – Doch ist nun auch eine neuere erklärte Bibel erschienen, die es mit den alten ganz wohl aufnehmen kann. Die ist von Otto Gerlach und nunmehr im Verlag von Gustav Schlawitz in Berlin zu haben.
- ↑ Sie ist auch am Schluß dieses Tractats abgedruckt.