Volapük und seine Verbreitung in der Welt
Zehn Jahre sind nun verflossen seitdem ein Gelehrter, der Pfarrer J. M. Schleyer, die Grammatik einer von ihm selbst erfundenen Sprache in die Welt sandte. Seine Erfindung sollte das allgemeine Verständigungsmittel aller Nationen werden. Das war eine grossartige, weltbeglückende Idee! Welche Erleichterung würde doch eine allgemeine Sprache für den internationalen Verkehr bieten! Doch wie jede neue Erfindung, hatte und hat auch noch diese viele und heftige Anfeindungen zu bestehen. Zuerst regnete es von allen Seiten nur Spott und Hohn. Als Volapük (so nannte Schleyer seine Erfindung – vol = Welt, pük = Sprache) aber trotzdem Wurzel zu fassen anfieng, begann der Kampf ernst zu werden. Man glaubte anfangs Schleyers Volapük wolle die Nationalsprachen verdrängen. Doch ist diese Idee dem Erfinder vollständig ferne gelegen. Volapük soll eben nur ein internationales Verständigungsmittel werden, vorerst für den schriftlichen und in weiterer Linie für den nothwendigsten mündlichen Verkehr. Die Eigenschaften hierzu hat Volapük vollkommen. Sein Hauptvorzug besteht in seiner leichten Erlernbarkeit, das heisst, es ist viel leichter erlernbar als irgend eine der lebenden Sprachen. Diese Eigenschaft ist die Ursache, dass Volapük trotz aller Anfeindung heute schon über den ganzen Erdball verbreitet ist und in allen Ländern Anhänger besitzt.
Obgleich Volapük noch thatsächliche Mängel aufweist, ist der Beweis für seine Brauchbarkeit dennoch schon gelungen[1].
Einen solchen Beweisversuch hat Dr. Böger in Hamburg unternommen. Die Berliner Zeitschrift »Echo«, Wochenschrift für Politik, Literatur, Kunst und Wissenschaft, enthielt in einer ihrer Nummern eine Herausforderung an die Volapükisten, mit zwei im »Echo« vorgeschlagenen Aufgaben in folgender Weise den Versuch zu machen:
Die vorgeschlagenen Texte werden von einem Volapükisten ins Volapük übertragen und diese Übersetzungen je einem ausländischen Volapükisten zur Übertragung in seine Muttersprache übermittelt. Diese Übersetzungen in die verschiedenen Landessprachen werden sodann von Sprachkundigen verglichen und aus dem Resultate dieser Untersuchung wird sich dann ergeben, ob Volapük thatsächlich für den internationalen Verkehr taugt oder nicht.
Dr. Böger übersetzte nun die Herausforderungstexte und noch ausserdem einige Aussprüche von Schopenhauer und sandte dieselben an Volapükisten folgender Länder: Bosnien, Bulgarien, Dänemark, England, Finnland, Frankreich, Italien, Kaukasien, Niederlande, Norwegen, Rumänien, Russland, Schweden, Spanien und Ungarn.
Diese übertrugen die Texte aus dem Volapük in ihre Landessprache und sandten diese Übertragungen wieder an Dr. Böger. Die verschiedenen Übersetzungen wurden nun geprüft und es ergab sich, dass Volapük den Sinn des deutschen Urtextes genau übermittelt hatte. Dr. Böger gab dann alle diese Übersetzungen sammt dem Originaltexte in einem Büchlein heraus und es steht jedermann frei sich von der Wahrheit des Gesagten selbst zu überzeugen. Das Buchlein ist unter dem Titel: »Eine Probe auf die Leistungsfähigkeit des Volapük.« (Hamburg 1889. Herold’sche Buchhandlung, Rathhausstrasse 5. 43 Seiten. Preis 30 Pfg.) erschienen.
Eine weittragende Anerkennung hat Volapük durch die Londoner philologische Gesellschaft erhalten. Das Urtheil derselben hat folgende Ursache:
Die amerikanische philosophische Gesellschaft zu Philadelphia hatte am 21. Oktober 1887 ein Comité eingesetzt, welches den wissenschaftlichen Wert des Volapük prüfen sollte. Das Ergebnis dieser Untersuchung war, dass auf Antrag des Comités die Gesellschaft an alle diesbezüglichen Vereine ein Schreiben richtete mit der Aufforderung, Delegirte zu einer Versammlung in Paris oder London zu senden, welche Versammlung über die Grundzüge einer neuen Weltsprache zu berathen hätte, auf welchen dann dieselbe aufgebaut werden sollte.
Eine solche Aufforderung kam auch an die Londoner philologische Gesellschaft, welche das Referat hierüber ihrem, als Sprachforscher hervorragenden Mitgliede Alexander John Ellis übergab. Dieser wies in seinem Referate auf Volapük hin, als schon existierende und sehr brauchbare Weltsprache. Wir wollen nur einige seiner Aussprüche über Volapük hier anfügen. Ellis sagt:
»Volapük ist unter all’ den Versuchen, das Weltsprache-Problem zu lösen, der einzige, der seine Anhänger nach vielen Tausenden zählt. In allen europäischen und auch anderen Sprachen sind Lehrbücher veröffentlicht worden.«
»Wenn das Weltsprache-Problem in Erwägung gezogen wird, dann hat Volapük den ersten Anspruch auf Berücksichtigung und darf nicht kurzweg verworfen werden.«
»Zwei Vorbedingungen – ohne welche eine Weltsprache undenkbar ist – sind bei Volapük erfüllt: es ist erfunden und es ist weithin angenommen.«
»Eine sorgfältige Prüfung des Volapük ergibt mir, dass es den Zwecken, denen es dienen soll, vorzüglich angemessen ist und in seiner Construction grossen Scharfsinn verräth. Wir haben in Volapük eine Weltsprache, höchst genial construiert, ausgezeichnet für ihre Endabsicht geeignet, mit dem Charakter einer lebenden Sprache ausgestattet, durchaus fest gefügt und organisch, nicht mühsam zusammengestoppelt oder aus Bruchstücken zusammengeleimt. Alle anderen Vorschläge dagegen präsentieren sich lediglich als Nothbehelfe, wertvoll nur in den Augen des Berichterstatters. Deshalb hat Volapük den ersten Anspruch auf unsere Beachtung und all’ diejenigen, welche die Verwirklichung der Weltsprache-Idee, die schon so viele Geister beschäftigt hat, anstreben, sollten mit einstimmen in den Ruf: »volapük lifomös,« d. i. Volapük lebe hoch!«
»Ich erlaube mir also zu beantragen, dass unser hochgeehrter Secretär Dr. Furnivall freundlichst beauftragt werde, der amerikanischen philosophischen Gesellschaft für ihre Einladung den Dank auszudrücken, mit dem Bemerken, dass die philologische Gesellschaft zu London, nach gebührender Prüfung der Einladung und der ihr beigelegten Berichte, beschlossen habe, dem Vorschlage fern zu bleiben, weil der ganze Wert einer Weltsprache in ihrer allgemeinen Annahme beruht. Der Versuch ein neues System mit Hilfe aller gelehrten Gesellschaften zu errichten, würde dem Vorwärtsschreiten des Volapük wesentlich hinderlich sein, selbst wenn er in gewisser Hinsicht erfolgreich wäre; es ist aber möglich, dass dieser Versuch sein Ziel verfehlt.«
Dieses Urtheil über Volapük von Seite der philologischen Gesellschaft in London ist in einer, in englischer Sprache erschienenen, Broschüre niedergelegt und an alle wissenschaftlichen Körperschaften versendet worden.
Um zu zeigen, wieweit Volapük verbreitet ist, lassen wir
hier im Auszuge eine Statistik über die bis jetzt existierenden
Vereine (Bureaux), Zeitungen und Bücher folgen:
Vertreter des Volapük finden sich schon in folgenden Ländern (die beigegebenen Zahlen bedeuten die Menge der Orte in diesen Ländern, wo Volapükisten existieren): Belgien 51, Bulgarien 2, Dänemark 26, Deutschland 477, England 36, Frankreich 137, Griechenland 3, Italien 68, Niederlande 90, Österreich-Ungarn 302, Portugal 5, Rumänien 3, Russland 71, Schweden und Norwegen 24, Schweiz 77, Spanien 66, Türkei 2, Afrika 13, Amerika 83, Asien 13, Australien 3.
Vereine bestehen bereits in folgenden Ländern: Baden 5, Bayern 39, Würtembert 8, im übrigen Deutschland 37, Belgien 2, Dänemark 7, England 3, Frankreich 2, Italien 18, Österreich 12, Schweden 5, Schweiz 12, Spanien 7, Amerika 13 und Australien 1.
Volapük-Bureaux[2] wurden errichtet in folgenden Städten: Amoy (China), Antwerpen, Hamburg, Kopenhagen, Madrid, Mailand, München, New-York, Nürnberg, Paris, San Francisco, St. Louis, Stockholm, Turin und Wien.
Die grosse Ausstellung der Volapük-Literatur und Correspondenz, welche der Weltsprache-Verein in Leipzig im Vorjahre (29.–31. October) veranstaltet hat, zeigte wieweit Volapük vorgeschritten ist.
Es waren ausgestellt:
2000 weltsprachliche Postkarten und Briefe aus allen Ländern der Erde;
250 Bücher und Broschüren für und gegen Volapük, neuere Versuche und andere Systeme;
26 verschiedene Volapük-Zeitungen;
500 deutsche und weltsprachliche Flugblätter und Drucksachen;
100 Zeitungen aller Länder mit Artikeln über Volapük u. s. f.
Aus dem Gesagten ergibt sich, dass Volapük seit den zehn
Jahren seines Bestandes überraschende Erfolge errungen hat.
Möge es auch fernerhin gedeihen und sich viele treue Anhänger
erwerben!
Verlagswerbung
[8]
Empfehlenswerte Volapük-Lehrbücher.
|
---|
Unterrichtsbriefe für das Selbststudium der Weltsprache Volapük. Von Dr. M. Obhlidal. 5. Aufl. Dieses Buch enthält einen vollständigen Lehrgang und wird nicht nur Anfängern, sondern auch Vorgeschrittenen bestens empfohlen. Preis 60 kr., per Post 65 kr.
Beide Bücher sind durch den Verfasser
Dr. M. Obhlidal, Wien-Meidling, Ruckergasse 4,
sowie durch sämmtliche Buchhandlungen zu beziehen.
|
Correspondenzkarten
mit zehnerlei Volapük-Aufschriften und Wahlspruch, versendet Anton Reisel in Meidling, Schönbrunner Hauptstrasse 106, gegen vorherige Einsendung des Betrages. Preis 100 St. 45 kr., 50 St. 30 kr. |
»Volapükagased«.
Nichtpolitische weltsprachliche Monatsschrift.
Redigirt von
Dr. M. Obhlidal.
Erscheint am 15. jeden Monats.
Abonnementsspreis: jährlich fl. 1•20, halbjährl. 65 kr.
sammt Zustellung.
Redaction: Wien-Meidling, Ruckergasse 4.
Administration und Expedition:
Wien-Meidling, Schönbrunner Hauptstrasse 106.
|
Anmerkungen
- ↑ Die vom Münchener Volapükcongress im Jahre 1887 geschaffene Volapükakademie ist bestrebt diese Mängel zu verbessern und es wird ihr auch gelingen. Die Akademie besteht aus Mitgliedern der hervorragendsten Nationen. Herr Prof. Kerckhoffs in Paris ist Director derselben.
- ↑ Jeder Volapükist erhält in diesen Bureaux Auskunft (bei schriftlichen oder mündlichen Anfragen) über volapükische Angelegenheiten. Auch andere Anfragen werden, so weit es den Bureaux möglich ist, beantwortet.