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Viehseuchengesetz. Vom 26. Juni 1909

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Gesetzestext
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Titel: Viehseuchengesetz.
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Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1909, Nr. 34, Seite 519–542
Fassung vom: 26. Juni 1909
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Bekanntmachung: 5. Juli 1909
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(Nr. 3626.) Viehseuchengesetz. Vom 26. Juni 1909.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc.

verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesrats und des Reichstags, was folgt:

§ 1.

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Das nachstehende Gesetz regelt das Verfahren zur Bekämpfung übertragbarer Viehseuchen, mit Ausnahme der Rinderpest.
Vieh im Sinne dieses Gesetzes sind alle nutzbaren Haustiere einschließlich der Hunde, der Katzen und des Geflügels. [520]
Schlachtvieh im Sinne dieses Gesetzes ist Vieh, von dem anzunehmen ist, daß es behufs Verwendung des Fleisches zum Genusse für Menschen alsbald geschlachtet werden soll.
Als verdächtige Tiere gelten im Sinne dieses Gesetzes:
Tiere, an denen sich Erscheinungen zeigen, die den Ausbruch einer übertragbaren Seuche befürchten lassen (der Seuche verdächtige Tiere);
Tiere, an denen sich solche Erscheinungen zwar nicht zeigen, rücksichtlich deren jedoch die Vermutung vorliegt, daß sie den Ansteckungsstoff aufgenommen haben (der Ansteckung verdächtige Tiere).

§ 2.

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Die Anordnung und die Durchführung der Bekämpfungsmaßregeln liegen den Landesregierungen und deren Organen ob.
Die Mitwirkung der Tierärzte, die vom Staate angestellt sind oder deren Anstellung vom Staate bestätigt ist (beamtete Tierärzte), richtet sich nach den Vorschriften dieses Gesetzes. An Stelle der beamteten Tierärzte können im Falle ihrer Behinderung oder aus sonstigen Gründen andere approbierte Tierärzte zugezogen werden. Diese sind innerhalb des ihnen erteilten Auftrags befugt und verpflichtet, alle Amtsverrichtungen wahrzunehmen, die in diesem Gesetze den beamteten Tierärzten übertragen sind.
Die näheren Bestimmungen über das Verfahren, über die Form, von deren Beobachtung die Gültigkeit der auf Grund dieses Gesetzes zu erlassenden Anordnungen abhängt, über die Zuständigkeit der Behörden und Beamten und über die Bestreitung der durch das Verfahren entstehenden Kosten sind von den Einzelstaaten mit der Maßgabe zu treffen, daß gegen die Anordnungen der Polizeibehörden zur Bekämpfung der Viehseuchen im Inlande (§§ 9 ff.) ein Beschwerdeverfahren zuzulassen ist.

§ 3.

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Rücksichtlich der eigenen Viehbestände der Militärverwaltung, in den Remontedepots nur rücksichtlich der eigenen Pferdebestände, bleiben die Maßregeln zur Ermittlung und Unterdrückung von Seuchen, soweit davon nur das Eigentum dieser Verwaltung betroffen wird, den Militärbehörden überlassen.
Die gleichen Befugnisse haben das Kaiserliche Gesundheitsamt und diejenigen zur wissenschaftlichen Erforschung übertragbarer Krankheiten bestimmten staatlichen Anstalten, bei denen ein Tierarzt angestellt ist, rücksichtlich aller eigenen Viehbestände.
Ferner können
1. den Vorständen der landesherrlichen und Staatsgestüte,
2. den Vorständen der tierärztlichen Lehranstalten und der zu diesen gehörigen Institute,
3. mit Zustimmung des Reichskanzlers den Vorständen anderer Anstalten von ähnlicher Art wie die im Abs. 2 und im Abs. 3 Nr. 2 bezeichneten [521] von den Landesregierungen die gleichen Befugnisse rücksichtlich aller dort aufgestellten Viehbestände übertragen werden.
In den Fällen der Abs. 1 bis 3 finden die ferneren Bestimmungen dieses Gesetzes sinngemäße Anwendung, in den Fällen des Abs. 2 und des Abs. 3 Nr. 2, 3 jedoch nur mit den Einschränkungen, die sich aus dem Zwecke der wissenschaftlichen Arbeiten ergeben.
Die Militärbehörden haben die Polizeibehörden der Stand-, Unterkunfts- und Marschorte von dem Auftreten eines Seuchenverdachts und von dem Ausbruch einer Seuche, sowie bei Seuchenausbrüchen in nicht kasernenmäßig untergebrachten Viehbeständen auch von den getroffenen Schutzmaßregeln, sofort zu benachrichtigen und von dem Verlaufe sowie dem Erlöschen der Seuche in Kenntnis zu setzen.
Die Pflicht der Benachrichtigung der Polizeibehörden vom Verdacht, Ausbruch, Verlauf und Erlöschen einer Seuche liegt auch den im Abs. 2 genannten Anstalten und den nach Abs. 3 mit selbständigen Befugnissen versehenen Vorständen ob, falls die Seuche oder der Seuchenverdacht nicht das Ergebnis wissenschaftlicher Versuche ist, die zu den Aufgaben der Anstalten und Institute gehören.

§ 4.

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Dem Reichskanzler liegt ob, die Ausführung dieses Gesetzes und der auf Grund desselben erlassenen Anordnungen zu überwachen.
Tritt die Seuche in einem für den inländischen Viehbestand bedrohlichen Umfang im Ausland auf, so hat der Reichskanzlei die Regierungen der beteiligten Bundesstaaten zur Anordnung und einheitlichen Durchführung der nach Maßgabe dieses Gesetzes erforderlichen Abwehrmaßregeln zu veranlassen.
Tritt die Seuche in einer solchen Gegend des Reichsgebiets oder in einer solchen Ausdehnung auf, daß von den zu ergreifenden Maßregeln notwendig die Gebiete mehrerer Bundesstaaten betroffen werden müssen, so hat der Reichskanzler oder ein von ihm bestellter Reichskommissar für Herstellung und Erhaltung der Einheit in den seitens der Landesbehörden zu treffenden oder getroffenen Maßregeln zu sorgen und zu diesem Behufe das Erforderliche anzuordnen, nötigenfalls auch die Behörden der beteiligten Bundesstaaten unmittelbar mit Weisungen zu versehen.

§ 5.

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Die Behörden der Bundesstaaten sind verpflichtet, sich bei der Bekämpfung der Viehseuchen gegenseitig zu unterstützen.

I. Abwehr der Einschleppung aus dem Auslande.

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§ 6.

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Die Einfuhr von Tieren, die an einer übertragbaren Seuche leiden, und von verdächtigen Tieren (§ 1 Abs. 4) sowie von Erzeugnissen solcher Tiere ist verboten. Dasselbe gilt für die Kadaver und Teile von Tieren, die an einer übertragbaren Seuche gefallen sind oder zur Zeit des Todes an einer solchen [522] gelitten haben oder seuchenverdächtig gewesen sind, endlich für Gegenstände jeder Art, von denen nach den Umständen des Falles anzunehmen ist, daß sie Träger des Ansteckungsstoffs sind.

§ 7.

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Zum Schutze gegen die Gefahr der Einschleppung von übertragbaren Seuchen der Haustiere aus dem Auslande kann die Einfuhr lebender oder toter Tiere, tierischer Erzeugnisse oder Rohstoffe sowie von Gegenständen, die Träger des Ansteckungsstoffe sein können, allgemein oder für bestimmte Grenzstrecken verboten oder beschränkt werden.
Zu demselben Zwecke kann der Verkehr mit Tieren im Grenzbezirke solchen Bestimmungen unterworfen werden, die geeignet sind, im Falle der Einschleppung einer Weiterverbreitung der Seuche vorzubeugen. Die Bestimmungen sind, soweit erforderlich, auch auf tierische Erzeugnisse und Rohstoffe sowie auf solche Gegenstände auszudehnen, die Träger von Ansteckungsstoffen sein können. Auch kann für die Grenzbezirke eine Revision des vorhandenen Viehbestandes und eine regelmäßige Kontrolle über den Ab- und Zugang von Vieh angeordnet werden.
Die nach Abs. 2 zulässigen Bestimmungen können nur getroffen werden, wenn und solange gegenüber dem angrenzenden Ausland Einfuhrverbote oder Beschränkungen gemäß Abs. 1 angeordnet sind.

§ 8.

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Von dem Erlasse, der Aufhebung oder Veränderung einer der im § 7 bezeichneten Anordnungen ist unverzüglich dem Reichskanzler Mitteilung zu machen.
Die verfügten Verbote und Beschränkungen sind ohne Verzug öffentlich bekannt zu machen.

II. Bekämpfung von Viehseuchen im Inlande.

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1. Allgemeine Vorschriften.

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a) Anzeigepflicht.

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§ 9.

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Bricht eine Seuche aus, auf die sich die Anzeigepflicht erstreckt (§ 10), oder zeigen sich Erscheinungen, die den Ausbruch einer solchen Seuche befürchten lassen, so hat der Besitzer des betroffenen Viehes unverzüglich der Polizeibehörde oder einer anderen von der Landesregierung zu bezeichnenden Stelle Anzeige zu machen, auch die kranken und verdächtigen Tiere von Orten, an denen die Gefahr der Ansteckung fremder Tiere besteht, fernzuhalten.
Die gleichen Pflichten hat, wer in Vertretung des Besitzers der Wirtschaft vorsteht, wer mit der Aufsicht über Vieh an Stelle des Besitzers beauftragt ist, wer als Hirt, Schäfer, Schweizer, Senne entweder Vieh von mehreren Besitzern oder solches Vieh eines Besitzers, das sich seit mehr als vierundzwanzig Stunden außerhalb der Feldmark des Wirtschaftsbetriebs des Besitzers befindet, in Obhut [523] hat, ferner für die auf dem Transporte befindlichen Tiere deren Begleiter und für die in fremdem Gewahrsam befindlichen Tiere der Besitzer der betreffenden Gehöfte, Stallungen, Koppeln oder Weideflächen.
Zur unverzüglichen Anzeige sind auch die Tierärzte und alle Personen verpflichtet, die sich mit der Ausübung der Tierheilkunde oder gewerbsmäßig mit der Kastration von Tieren beschäftigen, ingleichen die Fleischbeschauer einschließlich der Trichinenschauer, ferner die Personen, die das Schlächtergewerbe betreiben sowie solche, die sich gewerbsmäßig mit der Bearbeitung, Verwertung oder Beseitigung geschlachteter, getöteter oder verendeter Tiere oder tierischer Bestandteile beschäftigen, wenn sie, bevor ein polizeiliches Einschreiten stattgefunden hat, von dem Ausbruch einer der Anzeigepflicht unterliegenden Seuche (§ 10) oder von Erscheinungen, die den Ausbruch einer solchen Seuche befürchten lassen, Kenntnis erhalten.

§ 10.

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Seuchen, auf die sich die Anzeigepflicht erstreckt, sind:
1. Milzbrand, Rauschbrand, Wild- und Rinderseuche;
2. Tollwut;
3. Rotz;
4. Maul- und Klauenseuche;
5. Lungenseuche des Rindviehs;
6. Pockenseuche der Schafe;
7. Beschälseuche der Pferde, Bläschenausschlag der Pferde und des Rindviehs;
8. Räude der Einhufer und der Schafe;
9. Schweineseuche, sofern sie mit erheblichen Störungen des Allgemeinbefindens der erkrankten Tiere verbunden ist, und Schweinepest;
10. Rotlauf der Schweine einschließlich des Nesselfiebers (Backsteinblattern);
11. Geflügelcholera und Hühnerpest;
12. äußerlich erkennbare Tuberkulose des Rindviehs, sofern sie sich in der Lunge in vorgeschrittenem Zustande befindet oder Euter, Gebärmutter oder Darm ergriffen hat.
Der Reichskanzler ist befugt, die Anzeigepflicht auch für andere Seuchen einzuführen und für einzelne Seuchen widerruflich aufzuheben.

b) Ermittlung der Seuchenausbrüche.

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§ 11.

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Ist eine Anzeige erfolgt (§§ 9, 10) oder der Ausbruch einer Seuche oder der Verdacht eines Seuchenausbruchs sonst zur Kenntnis der Polizeibehörde gelangt, so hat diese sofort den beamteten Tierarzt zuzuziehen (vgl. jedoch § 14) und inzwischen dafür zu sorgen, daß die kranken und, abgesehen von der Tuberkulose (§ 10 Abs. 1 Nr. 12), auch die verdächtigen Tiere mit Tieren aus anderen Ställen nicht in Berührung kommen. Der beamtete Tierarzt hat die Art, den [524] Stand und die Ursachen der Krankheit zu ermitteln und sein Gutachten darüber abzugeben, ob durch den Befund der Ausbruch der Seuche festgestellt oder der Verdacht eines Seuchenausbruchs begründet ist und welche besonderen Maßregeln zur Bekämpfung der Seuche erforderlich erscheinen.
In eiligen Fällen kann der beamtete Tierarzt schon vor polizeilichem Einschreiten die sofortige vorläufige Einsperrung und Absonderung der erkrankten und verdächtigen Tiere, nötigenfalls auch deren Bewachung sowie nach Vorschrift der Landesregierungen sonstige dringliche Maßnahmen zur Verhütung der Weiterverbreitung der Seuche anordnen. Die getroffenen vorläufigen Anordnungen sind dem Besitzer der Tiere oder dessen Vertreter entweder zu Protokoll oder durch schriftliche Verfügung zu eröffnen, auch ist davon der Polizeibehörde unverzüglich Anzeige zu machen.
Auf Ersuchen des beamteten Tierarztes hat der Vorsteher des Seuchenorts für die vorläufige Bewachung der erkrankten und verdächtigen Tiere sowie für die Durchführung der dringlichen Maßregeln zu sorgen.

§ 12.

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Wenn über den Ausbruch einer Seuche nach dem Gutachten des beamteten Tierarztes nur mittels Tötung und Zerlegung eines verdächtigen Tieres oder nur mittels Impf- oder Blutprobe Gewißheit zu erlangen ist, so können diese Maßregeln von der Polizeibehörde angeordnet werden.

§ 13.

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Auf die gutachtliche Erklärung des beamteten Tierarztes, daß der Ausbruch der Seuche festgestellt sei, oder daß der begründete Verdacht eines Seuchenausbruchs vorliege, hat die Polizeibehörde die erforderlichen Schutzmaßregeln nach diesem Gesetz und den zu dessen Ausführung erlassenen Vorschriften (§ 79) zu treffen und wirksam durchzuführen.

§ 14.

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Ist der Ausbruch der Maul- und Klauenseuche, des Bläschenausschlags der Pferde oder des Rindviehs, des Rotlaufs der Schweine, der Geflügelcholera oder der Hühnerpest (§ 10 Abs. 1 Nr. 4, 7, 10, 11) durch das Gutachten des beamteten Tierarztes festgestellt, so kann die Polizeibehörde auf die Anzeige neuer Seuchenausbrüche in dem Seuchenorte selbst oder in unmittelbar angrenzenden Ortschaften sofort die erforderlichen Schutzmaßregeln anordnen, ohne daß es einer nochmaligen Zuziehung des beamteten Tierarztes bedarf. Dieser ist jedoch durch die Polizeibehörde von jedem weiteren Seuchenfalle zu benachrichtigen.
Das Gleiche kann für die Schweineseuche (§ 10 Abs. 1 Nr. 9) und für diejenigen Seuchen, auf die gemäß § 10 Abs. 2 die Anzeigepflicht ausgedehnt worden ist, von den Landesregierungen bestimmt werden. [525]

§ 15.

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In allen Fällen, in denen dem beamteten Tierarzte die Feststellung des Krankheitszustandes eines verdächtigen Tieres obliegt, ist es dem Besitzer unbenommen, das Gutachten eines anderen approbierten Tierarztes einzuholen. Die Anordnung und die Ausführung der Schutzmaßregeln werden hierdurch nicht aufgehalten. Bei Ermittlung einer Seuche durch Zerlegung eines Tieres sind aber die für die Feststellung der Seuche erforderlichen Teile aufzubewahren, falls der Besitzer oder dessen Vertreter bei Mitteilung des amtstierärztlichen Befundes sofort erklärt, daß er das Gutachten eines anderen approbierten Tierarztes einzuholen beabsichtigt. Die Aufbewahrung hat unter sicherem Verschluß oder unter Überwachung auf Kosten des Besitzers so zu geschehen, daß eine Verschleppung von Krankheitskeimen nach Möglichkeit vermieden wird.
Die vorgesetzte Behörde hat im Falle erheblicher Meinungsverschiedenheit zwischen dem beamteten Tierarzt und dem von dem Besitzer zugezogenen approbierten Tierarzt über den Ausbruch oder Verdacht einer Seuche, oder wenn aus sonstigen Gründen erhebliche Zweifel über die Richtigkeit der Angaben des beamteten Tierarztes obwalten, sofort ein tierärztliches Obergutachten einzuziehen und dementsprechend das Verfahren zu regeln.

§ 16.

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Alle Viehmärkte sowie die Viehhöfe und Schlachthöfe einschließlich der öffentlichen Schlachthäuser sind durch beamtete Tierärzte zu beaufsichtigen.
Jahr- und Wochenmärkte, auf denen Vieh nur in geringem Umfange gehandelt wird, können von den Landesregierungen ausnahmsweise von der Beaufsichtigung befreit werden.
Die Beaufsichtigung kann auf die zu Handelszwecken oder zum öffentlichen Verkaufe zusammengebrachten Viehbestände, auf die zu Zuchtzwecken öffentlich aufgestellten männlichen Zuchttiere, auf öffentliche Tierschauen, auf die durch obrigkeitliche Anordnung veranlaßten Zusammenziehungen von Vieh, auf private Schlachthäuser und Gastställe, auf Ställe und Betriebe von Viehhändlern und Abdeckern sowie auf gewerbliche Viehmästereien ausgedehnt werden.

c) Schutzmaßregeln gegen Seuchengefahr.

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§ 17.

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Zum Schutze gegen die ständige Gefährdung der Viehbestände durch Viehseuchen können folgende Maßnahmen angeordnet werden:
1. Amtstierärztliche oder tierärztliche Untersuchung von Vieh vor dem Verladen und vor oder nach dem Entladen im Eisenbahn- und Schiffsverkehre;
2. Verbot oder Beschränkung des Treibens von Vieh, das sich im Besitze von Viehhändlern befindet, auf öffentlichen Wegen und des Treibens von Vieh auf dem Wege zum oder vom Markte sowie Beschränkung des Treibens von Wanderherden; [526]
3. Beibringung von Ursprungs- und Gesundheitszeugnissen für das im Besitze von Viehhändlern befindliche und für das auf Märkte oder öffentliche Tierschauen gebrachte Vieh;
4. Führung von Kontrollbüchern durch die Viehhändler und Kennzeichnung von Vieh;
5. Regelung der Einrichtung und des Betriebs von Molkereien, insbesondere für Sammelmolkereien das Verbot der Abgabe oder der sonstigen Verwertung von Magermilch und anderen Milchrückständen, sofern nicht vorher eine Erhitzung bis zu einem bestimmten Wärmegrad und für eine bestimmte Zeitdauer stattgefunden hat;
6. Verbot des Umherziehens mit Zuchthengsten zum Decken von Stuten und Beschränkung des Handels mit Vieh, der ohne vorgängige Bestellung entweder außerhalb des Gemeindebezirkes der gewerblichen Niederlassung des Händlers oder ohne Begründung einer solchen stattfindet;
7. Überwachung der beim Bergwerks- oder Schiffahrtsbetrieb und der beim Gewerbebetrieb im Umherziehen benutzten Zugtiere;
8. Bezeichnung der Hunde durch Halsbänder mit Namen und Wohnort oder Wohnung des Besitzers;
9. Einführung von Deckregistern für Pferde und Rindvieh;
10. Herstellung von undurchlässigem Boden auf Viehladestellen für den öffentlichen Verkehr;
11. Reinigung und Desinfektion der zur Beförderung von Vieh, tierischen Erzeugnissen oder tierischen Rohstoffen dienenden Fahrzeuge mit Einschluß von Schiffen sowie der bei einer solchen Beförderung benutzten Behältnisse und Gerätschaften und der Ladeplätze;
12. Regelung der Einrichtung und des Betriebs von Viehausstellungen, Viehmärkten, Viehhöfen, Schlachthöfen und gewerblichen Schlachtstätten, insbesondere auch räumliche Trennung der Viehhöfe von den Schlachthöfen, Anlegung getrennter Zu- und Abfuhrwege für Viehmärkte, Viehhöfe und Schlachthöfe sowie Verbot des Abtriebs von Vieh von Schlachtviehmärkten zu anderen Zwecken als zur Schlachtung oder zum Auftrieb auf andere Schlachtviehmärkte;
13. Regelung der Einrichtung und des Betriebs von Gastställen und Ställen von Viehhändlern;
14. Regelung der Einrichtung und des Betriebs von Abdeckereien einschließlich der Anlagen zur gewerbsmäßigen Beseitigung oder Verarbeitung von Kadavern und tierischen Teilen;
15. Regelung der Beseitigung oder der Reinigung von Abwässern und Abfällen in Gerbereien, Fell- und Häutehandlungen; [527]
16. Regelung des Verkehrs mit Viehseuchenerregern und ihrer Aufbewahrung sowie Bestimmung der Vorsichtsmaßregeln, die bei der Ausführung wissenschaftlicher Arbeiten mit solchen Erregern zu beobachten sind;
17. Regelung der Herstellung und Verwendung von Impfstoffen, die zum Schutze gegen Viehseuchen oder zu deren Heilung bestimmt sind;
18. Regelung des Gewerbebetriebs der Viehkastrierer.

§ 18.

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Zum Schutze gegen eine besondere Seuchengefahr und für deren Dauer können unter Berücksichtigung der beteiligten Wirtschafts- und Verkehrsinteressen die nachstehenden Maßregeln (§§ 19 bis 30) angeordnet werden.

§ 19.

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1. Absonderung, Bewachung oder polizeiliche Beobachtung der an der Seuche erkrankten, der verdächtigen und der für die Seuche empfänglichen Tiere.
Beschränkungen des Personenverkehrs innerhalb der Räumlichkeiten (Gehöft, Stall, Standort, Hofraum, Weidefläche, Viehausstellung, Marktplatz usw.), in denen sich derartige Tiere befinden, und auf öffentlichen Wegen.
Für Räumlichkeiten, in denen sich nicht kranke oder verdächtige, sondern nur für die Seuche empfängliche Tiere befinden, und auf öffentlichen Wegen darf die Beschränkung des Personenverkehrs nur angeordnet werden, soweit sie in diesem Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist.
Der Besitzer eines der Absonderung oder polizeilichen Beobachtung unterworfenen Tieres ist verpflichtet, solche Einrichtungen zu treffen, daß das Tier für die Dauer der Absonderung oder Beobachtung die ihm bestimmte Räumlichkeit nicht verlassen kann und außer aller Berührung und Gemeinschaft mit anderen Tieren bleibt. Auch dürfen die Kadaver abgesonderter, bewachter oder polizeilich beobachteter Tiere nicht ohne polizeiliche Genehmigung geöffnet oder beseitigt werden.

§ 20.

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2. Beschränkungen der Benutzung, der Verwertung oder des Transports kranker oder verdächtiger Tiere, ihrer Kadaver, der von ihnen stammenden Erzeugnisse oder solcher Gegenstände, die mit kranken oder verdächtigen Tieren oder ihren Kadavern in Berührung gekommen oder sonst geeignet sind, die Seuche zu verschleppen.
Beschränkungen des Transports und der Benutzung der für die Seuche empfänglichen und solcher Tiere, die geeignet sind, die Seuche zu verschleppen.
Verbot oder Beschränkung des Handels mit Tieren, der ohne vorgängige Bestellung entweder außerhalb des Gemeindebezirkes der gewerblichen Niederlassung des Händlers oder ohne Begründung einer solchen stattfindet. [528]

§ 21.

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3. Verbot des gemeinschaftlichen Weideganges von Tieren aus den Viehbeständen verschiedener Besitzer und der Benutzung bestimmter Weideflächen, ferner der gemeinschaftlichen Benutzung von Brunnen, Tränken und Schwemmen und des Verkehrs mit seuchenkranken oder verdächtigen Tieren auf öffentlichen oder gemeinschaftlichen Straßen und Triften.
Verbot des freien Umherlaufens der Haustiere mit Ausnahme der Katzen und des Geflügels.

§ 22.

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4. Sperre des Stalles oder sonstigen Standorts seuchenkranker oder verdächtiger Tiere, des Gehöfts, des Ortes, der Weidefläche, der Feldmark oder eines ohne Rücksicht auf Feldmarkgrenzen bestimmten, tunlichst eng zu bemessenden Gebiets gegen den Verkehr mit Tieren und mit solchen Gegenständen, die Träger des Ansteckungsstoffs sein können.
Die Sperre der Feldmark oder eines über die Feldmark hinausgehenden Gebiets darf erst dann verfügt werden, wenn der Ausbruch der Seuche durch das Gutachten des beamteten Tierarztes festgestellt ist und wenn die Seuche ihrer Beschaffenheit nach eine größere und allgemeinere Gefahr einschließt.
Die Sperre kann auf einzelne Straßen oder Teile des Ortes oder der Feldmark beschränkt werden.
Die Sperre eines Stalles oder sonstigen Standorts, eines Gehöfts oder einer Weidefläche verpflichtet den Besitzer, die zur wirksamen Durchführung der Sperre vorgeschriebenen Einrichtungen zu treffen.

§ 23.

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5. Impfung der für die Seuche empfänglichen Tiere, tierärztliche Behandlung der erkrankten und der verdächtigen Tiere sowie Beschränkungen in der Befugnis zur Vornahme von Heilversuchen.

§ 24.

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6. Tötung der an der Seuche erkrankten oder verdächtigen Tiere.
Die Tötung darf nur in den Fällen angeordnet werden, die in diesem Gesetz ausdrücklich vorgesehen sind.
Die Vorschrift unverzüglicher Tötung der an einer Seuche erkrankten oder verdächtigen Tiere findet, wo sie in diesem Gesetz enthalten ist, keine Anwendung auf Tiere, die einer der Staatsaufsicht unterworfenen höheren Lehranstalt übergeben sind, um dort für deren Zwecke verwendet zu werden, ferner auf Tiere, die unter staatlicher Aufsicht für die Erforschung oder Bekämpfung von Seuchen benutzt werden.

§ 25.

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7. Tötung von Tieren, die bestimmten Verkehrs- oder Nutzungsbeschränkungen oder der Absperrung unterworfen sind und in verbotswidriger Benutzung [529] oder außerhalb der ihnen angewiesenen Räumlichkeit oder an Orten betroffen werden, zu denen der Zutritt verboten ist.

§ 26.

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8. Unschädliche Beseitigung der Kadaver oder Kadaverteile (Fleisch, Häute, Blut, Eingeweide, Hörner, Klauen usw.), der Streu, des Düngers oder anderer Abfälle von kranken oder verdächtigen Tieren.

§ 27.

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9. Reinigung und Desinfektion der Ställe, Standorte, Ladestellen, Marktplätze und Wege, die von kranken oder verdächtigen oder von zusammengebrachten und für die Seuche empfänglichen Tieren benutzt sind.
Reinigung und Desinfektion oder, falls diese Maßnahmen sich nicht wirksam durchführen lassen, unschädliche Beseitigung des Düngers, der Streu- und Futtervorräte, der Gerätschaften, Kleidungsstücke und sonstigen Gegenstände, die mit kranken oder verdächtigen Tieren in Berührung gekommen sind oder von denen sonst anzunehmen ist, daß sie Ansteckungsstoffe enthalten.
Erforderlichenfalls auch Reinigung und Desinfektion von Tieren, die Träger des Ansteckungsstoffs sein können, und von Personen, die mit kranken oder verdächtigen Tieren in Berührung gekommen sind.
Die Durchführung dieser Maßregeln erfolgt unter Beobachtung etwaiger Anordnungen des beamteten Tierarztes und unter polizeilicher Überwachung.

§ 28.

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10. Einstellung oder Beschränkung der Viehmärkte, der Jahr- und Wochenmärkte, der Körungen, Viehversteigerungen und öffentlichen Tierschauen. Viehversteigerungen auf dem eigenen nicht gesperrten Gehöfte des Besitzers können nur dann verboten werden, wenn Tiere zum Verkaufe kommen, die sich weniger als drei Monate im Besitze des Versteigerers befinden.

§ 29.

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11. Amtstierärztliche oder tierärztliche Untersuchung der am Seuchenort oder in dessen Umgegend vorhandenen, für die Seuche empfänglichen Tiere.

§ 30.

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12. Öffentliche Bekanntmachung des Ausbruchs der Seuche. Ist diese Bekanntmachung erfolgt, so muß auch das Erlöschen der Seuche unverzüglich öffentlich bekannt gemacht werden.

2. Besondere Vorschriften für einzelne Seuchen.

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§ 31.

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Bei den nachbenannten Seuchen greifen folgende besonderen Vorschriften mit der Maßgabe Platz, daß außerdem alle nach den sonstigen Vorschriften dieses Gesetzes zulässigen Maßregeln angeordnet werden können.[530]

a) Milzbrand, Rauschbrand, Wild- und Rinderseuche.

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§ 32.

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Tiere, die an Milzbrand oder Rauschbrand erkrankt oder einer dieser Seuchen verdächtig sind, dürfen nicht geschlachtet werden.

§ 33.

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Die Vornahme blutiger Operationen an Tieren, die an Milzbrand oder Rauschbrand erkrankt oder einer dieser Seuchen verdächtig sind, ist nur approbierten Tierärzten gestattet.
Eine Öffnung des Kadavers darf ohne polizeiliche Erlaubnis nur von approbierten Tierärzten vorgenommen werden.

§ 34.

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Die Kadaver gefallener oder getöteter Tiere, die mit Milzbrand oder Rauschbrand behaftet waren oder bei denen der Verdacht einer dieser Seuchen vorliegt, müssen sofort nach Anweisung des beamteten Tierarztes unschädlich beseitigt werden. Bis dahin ist für eine Aufbewahrung Sorge zu tragen, durch die eine Verschleppung von Krankheitskeimen nach Möglichkeit vermieden wird.
Das Abhäuten der Kadaver ist verboten. Jedoch kann das Abhäuten von Rauschbrandkadavern unter ausreichenden Vorsichtsmaßregeln gestattet werden.
Die gleichen Vorschriften finden beim Ausbruche des Milzbrandes oder Rauschbrandes unter Wildständen auf das gefallene oder getötete Wild Anwendung.

§ 35.

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Die Vorschriften der §§ 32 bis 34 können auf die Wild- und Rinderseuche ausgedehnt werden.

b) Tollwut.

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§ 36.

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Hunde oder sonstige Haustiere, die der Seuche verdächtig sind, müssen von dem Besitzer oder demjenigen, unter dessen Aufsicht sie stehen, sofort getötet oder bis zu polizeilichem Einschreiten in einem sicheren Behältnis eingesperrt werden.

§ 37.

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Vor polizeilichem Einschreiten dürfen bei wutkranken oder der Seuche verdächtigen Tieren keinerlei Heilversuche angestellt weiden.

§ 38.

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Das Schlachten wutkranker oder der Seuche verdächtiger Tiere und jeder Verkauf oder Verbrauch einzelner Teile, der Milch oder sonstiger Erzeugnisse solcher Tiere sind verboten. [531]

§ 39.

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Für Tiere, bei denen die Tollwut festgestellt ist, ist die sofortige Tötung polizeilich anzuordnen, für Hunde und Katzen auch dann, wenn das tierärztliche Gutachten nur auf Verdacht der Seuche lautet. Wenn ein der Seuche verdächtiger Hund oder eine der Seuche verdächtige Katze einen Menschen gebissen hat, so kann das Tier eingesperrt und bis zur Bestätigung oder Beseitigung des Verdachts polizeilich beobachtet werden.
Für Hunde und Katzen, von denen anzunehmen ist, daß sie mit wutkranken Tieren oder der Seuche verdächtigen Hunden oder Katzen (Abs. 1) in Berührung gekommen sind, ist gleichfalls die sofortige Tötung polizeilich anzuordnen. Andere Tiere sind unter der gleichen Voraussetzung sofort der polizeilichen Beobachtung zu unterstellen. Auch kann für Hunde statt der Tötung ausnahmsweise eine mindestens dreimonatige Einsperrung gestattet werden, falls sie nach dem Ermessen der Polizeibehörde mit genügender Sicherheit durchzuführen ist, und der Besitzer des Hundes die daraus und aus der polizeilichen Überwachung erwachsenden Lasten trägt.

§ 40.

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Ist ein wutkranker oder der Seuche verdächtiger Hund frei umhergelaufen, so muß für die Dauer der Gefahr die Festlegung aller in dem gefährdeten Bezirke vorhandenen Hunde polizeilich angeordnet werden. Der Festlegung ist das Führen der mit einem sicheren Maulkorbe versehenen Hunde an der Leine gleich zu erachten. Auch kann für mindergefährdete Bezirksteile zugelassen werden, daß die Hunde entweder ohne Maulkorb an der Leine geführt werden oder mit Maulkorb unter gewissenhafter Überwachung frei laufen dürfen. Es kann angeordnet werden, daß Hunde, die diesen Vorschriften zuwider umherlaufend betroffen werden, sofort zu töten sind.

§ 41.

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Die Kadaver der gefallenen oder getöteten wutkranken oder der Seuche verdächtigen Tiere müssen sofort unschädlich beseitigt werden.
Das Abhäuten solcher Kadaver ist verboten.

c) Rotz.

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§ 42.

[Bearbeiten]
Sobald der Rotz bei Tieren festgestellt ist, muß deren unverzügliche Tötung angeordnet werden.

§ 48.

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Verdächtige Tiere unterliegen der Absonderung und polizeilichen Beobachtung mit den nach Lage des Falles erforderlichen Verkehrs- und Nutzungsbeschränkungen oder der Sperre (§§ 19 bis 22).
Das Schlachten rotzkranker oder der Seuche verdächtiger Tiere ist verboten. [532]

§ 44.

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Die Tötung verdächtiger Tiere muß von der Polizeibehörde angeordnet werden,
wenn von dem beamteten Tierarzte der Ausbruch der Rotzkrankheit auf Grund der vorliegenden Anzeichen für wahrscheinlich erklärt wird oder
wenn durch anderweite, den Vorschriften dieses Gesetzes entsprechende Maßregeln ein wirksamer Schutz gegen die Verbreitung der Seuche nach Lage des Falles nicht erzielt werden kann;
sie darf außerdem angeordnet werden,
wenn die beschleunigte Unterdrückung der Seuche im öffentlichen Interesse erforderlich ist.

§ 45.

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Die Kadaver gefallener oder getöteter rotzkranker oder der Seuche verdächtiger Tiere müssen sofort nach Anweisung des beamteten Tierarztes unschädlich beseitigt werden. Bis dahin ist für eine Aufbewahrung Sorge zu tragen, durch die eine Verschleppung von Krankheitskeimen nach Möglichkeit vermieden wird. Das Abhäuten solcher Kadaver ist verboten.

§ 46.

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Die Polizeibehörde hat von jedem ersten Seuchenverdacht und von jedem ersten Seuchenausbruch in einer Ortschaft sowie von dem Verlauf und von dem Erlöschen der Seuche dem Generalkommando desjenigen Armeekorps sowie dem Vorstande desjenigen landesherrlichen oder Staatsgestüts, in dessen Bezirke der Seuchenort liegt, sofort schriftlich Mitteilung zu machen. Ist der Seuchenort ein Truppenstandort, so ist die Mitteilung auch dem Gouverneur, Kommandanten oder Garnisonältesten zu machen.

d) Maul- und Klauenseuche.

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§ 47.

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Für einen verseuchten Ort oder einen bestimmten gefährdeten Bezirk kann der Verkehr von Personen auch in Räumlichkeiten (Gehöft, Stall, Standort, Hofraum, Weidefläche, Viehausstellung, Marktplatz usw.), in denen sich für die Seuche empfängliche Tiere befinden, beschränkt oder insoweit ausgeschlossen werden, als er nicht zur Wartung und Pflege des Viehes sowie zur Einbringung der Ernte erforderlich ist.
Innerhalb eines gefährdeten Bezirkes dürfen, unbeschadet der nach den allgemeinen Vorschriften zulässigen Beschränkungen des Verkehrs mit Tieren, öffentliche Wege vorübergehend gegen den Verkehr auch von Personen gesperrt werden, wenn dadurch die Benutzung von Tieren, die einer Sperre (§ 22) unterliegen, zur Feldarbeit oder der Auftrieb solcher Tiere auf die Weide ermöglicht oder erleichtert wird. [533]

§ 48.

[Bearbeiten]
Das Weggeben roher Milch aus Sammelmolkereien und die sonstige Verwertung solcher Milch können in Zeiten der Seuchengefahr und für deren Dauer verboten werden.
Ist der Ausbruch der Maul- und Klauenseuche festgestellt, so muß das Weggeben von Milch aus dem Seuchengehöft an die Bedingung der vorherigen Erhitzung bis zu einem bestimmten Wärmegrad und für eine bestimmte Zeitdauer geknüpft werden. Kann eine wirksame Erhitzung nicht gewährleistet werden, so ist das Weggeben von Milch aus dem Seuchengehöfte zu verbieten. Für die Abgabe von Milch an Sammelmolkereien, in denen eine wirksame Erhitzung der gesamten Milch gewährleistet ist, können Ausnahmen zugelassen werden.
Für Gehöfte, in denen die Seuche nicht herrscht, die jedoch in einem Sperrgebiete (§ 22) liegen, können die nach Abs. 2 zulässigen Anordnungen getroffen werden.

§ 49.

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Wenn die Maul- und Klauenseuche in einer sonst seuchenfreien Gegend nur vereinzelt herrscht, so kann die Tötung der seuchenkranken und der verdächtigen Tiere angeordnet werden, sofern anzunehmen ist, daß die Seuche dadurch getilgt werden kann.

e) Lungenseuche des Rindviehs.

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§ 50.

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Die Vorschrift des § 47 Abs. 2 findet sinngemäße Anwendung.

§ 51.

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Die Polizeibehörde hat die Tötung der nach dem Gutachten des beamteten Tierarztes an der Lungenseuche erkrankten Tiere anzuordnen und kann auch die Tötung verdächtiger Tiere anordnen.
Außer in dem Falle polizeilicher Anordnung darf eine Lungenseuche-Impfung nicht vorgenommen werden.

f) Pockenseuche der Schafe.

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§ 52.

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Die Vorschrift des § 47 Abs. 2 findet sinngemäße Anwendung.

§ 53.

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Ist die Pockenseuche in einer Schafherde festgestellt, so muß die Impfung aller zur Zeit noch seuchenfreien Stücke der Herde angeordnet werden.
Auf den Antrag des Besitzers der Herde oder seines Vertreters kann für die Vornahme der Impfung eine Frist gewährt werden, wenn nach dem Gutachten des beamteten Tierarztes die sofortige Impfung nicht zweckmäßig ist. [534]
Auch kann auf den Antrag des Besitzers oder seines Vertreters von der Anwendung der Impfung ganz Abstand genommen werden, sofern die Abschlachtung der noch seuchenfreien Stücke der Herde innerhalb 10 Tagen nach Feststellung des Seuchenausbruchs gesichert ist.

§ 54.

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Gewinnt die Seuche eine größere Ausdehnung oder ist nach den örtlichen Verhältnissen die Gefahr einer Verschleppung der Seuche in die benachbarten Schafherden nicht auszuschließen, so kann die Impfung der von der Seuche bedrohten Herden und aller in demselben Orte befindlichen Schafe polizeilich angeordnet werden.

§ 55.

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Die geimpften Schafe sind rücksichtlich der polizeilichen Schutzmaßregeln den pockenkranken gleich zu behandeln.

§ 56.

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Außer in dem Falle polizeilicher Anordnung (§§ 53, 54) darf eine Pockenimpfung der Schafe nicht vorgenommen werden.

g) Beschälseuche der Pferde und Bläschenausschlag der Pferde und des Rindviehs.

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§ 57.

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Pferde, die an der Beschälseuche, und Pferde oder Rindviehstücke, die an dem Bläschenausschlage der Geschlechtsteile leiden, sowie Tiere der genannten Arten, die einer dieser Seuchen oder der Ansteckung verdächtig sind, dürfen so lange nicht zur Begattung zugelassen werden, als nicht durch den beamteten Tierarzt die vollständige Heilung und Unverdächtigkeit der Tiere festgestellt ist.

§ 58.

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Tritt die Beschälseuche in einem Bezirk in größerer Ausdehnung auf, so kann die Zulassung der Pferde zur Begattung für die Dauer der Gefahr allgemein von einer vorgängigen Untersuchung durch den beamteten Tierarzt abhängig gemacht werden.

h) Räude der Einhufer und der Schafe.

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§ 59.

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Wird die Räude bei Einhufern (sarcoptes- oder dermatocoptes-Räude) oder Schafen (dermatocoptes-Räude) festgestellt, so kann der Besitzer angehalten werden, die räudekranken und verdächtigen Tiere und die Schafherden, in denen die Räude herrscht, sofort dem Heilverfahren eines approbierten Tierarztes zu unterwerfen, sofern er nicht die Tötung der Tiere vorzieht. [535]
Bei Schafherden, in denen die Räude herrscht, soll die Auswahl des Heilverfahrens dem Besitzer auf dessen Verlangen zunächst überlassen werden. Wird durch das vom Besitzer gewählte Heilverfahren die Räude nicht binnen drei Monaten nach ihrer Feststellung getilgt, so kann die Polizeibehörde die Anwendung eines bestimmten Heilverfahrens vorschreiben.

i) Rotlauf der Schweine einschließlich des Nesselfiebers (Backsteinblattern).

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§ 60.

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Gewinnt der Rotlauf der Schweine eine größere Ausdehnung, so kann die Impfung der gefährdeten Schweinebestände eines Gehöfts, einer Ortschaft oder eines größeren Bezirkes angeordnet werden.
Den Landesregierungen bleibt die Bestimmung überlassen, ob und unter welchen Bedingungen eine Schutzimpfung in anderen Fällen polizeilich angeordnet werden darf.

k) Tuberkulose des Rindviehs (§ 10 Abs. 1 Nr. 12).

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§ 61.

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Die Tötung von Tieren, bei denen das Vorhandensein der Tuberkulose im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 12 festgestellt oder in hohem Grade wahrscheinlich ist, kann polizeilich angeordnet werden.
Wird die Tötung nicht angeordnet oder wird sie aufgeschoben, so sind gegen die Weiterverbreitung der Krankheit Schutzmaßregeln zu erlassen (§§ 19, 20, 27); insbesondere ist die Kennzeichnung der Tiere anzuordnen.
Die Milch von Kühen, bei denen das Vorhandensein der Tuberkulose im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 12 festgestellt oder in hohem Grade wahrscheinlich ist, darf nicht weggegeben oder verwertet werden, bevor sie bis zu einem bestimmten Wärmegrad und für eine bestimmte Zeitdauer erhitzt worden ist.
Die Milch der mit Eutertuberkulose behafteten Kühe darf auch nach dem Erhitzen weder als Nahrungsmittel für Menschen weggegeben noch zur Herstellung von Molkereierzeugnissen verwendet werden.

3. Besondere Vorschriften für Viehhöfe und Schlachthöfe einschließlich öffentlicher Schlachthäuser.

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§ 62.

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Auf die Viehhöfe und Schlachthöfe einschließlich der öffentlichen Schlachthäuser und auf das daselbst aufgestellte Vieh finden die vorstehenden Bestimmungen dieses Gesetzes mit den Änderungen Anwendung, die sich aus den nachfolgenden besonderen Vorschriften ergeben. [536]

§ 63.

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Wird unter dem daselbst aufgestellten Vieh der Ausbruch einer übertragbaren Seuche ermittelt oder zeigen sich bei solchem Vieh Erscheinungen, die nach dem Gutachten des beamteten Tierarztes den Ausbruch einer solchen Seuche befürchten lassen, so sind die erkrankten und alle verdächtigen Tiere sofort in polizeiliche Verwahrung zu nehmen und von jeder Berührung mit den übrigen auszuschließen.

§ 64.

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Nach Feststellung des Seuchenausbruchs können Viehhöfe und Schlachthöfe einschließlich der öffentlichen Schlachthäuser ganz oder teilweise für die Dauer der Seuchengefahr gegen den Abtrieb der für die Seuche empfänglichen Tiere gesperrt werden.

§ 65.

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Soweit Schlachtvieh in Frage kommt und die Art der Krankheit es gestattet (vgl. §§ 32, 35, 38, 43 Abs. 2), kann der Besitzer der erkrankten oder verdächtigen Tiere oder sein Vertreter angehalten werden, die sofortige Schlachtung unter Aufsicht des beamteten Tierarztes in den dazu bestimmten Räumen vorzunehmen.
Die Schlachtung kann in dringenden Fällen auch ohne vorherige Benachrichtigung des Besitzers oder seines Vertreters vorgenommen und auf alles andere in der betreffenden Räumlichkeit vorhandene, für die Seuche empfängliche Schlachtvieh ausgedehnt werden. Den Besitzern der so geschlachteten Tiere ist unverzüglich von der Schlachtung Mitteilung zu machen.

4. Entschädigung für Viehverluste.

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§ 66.

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Vorbehaltlich der in diesem Gesetze bezeichneten Ausnahmen ist eine Entschädigung zu gewähren:
1. für Tiere, die auf polizeiliche Anordnung getötet oder nach dieser Anordnung an derjenigen Krankheit gefallen sind, die zu der Anordnung Veranlassung gegeben hat;
2. für Tiere, die nach rechtzeitig erstatteter Anzeige an Rotz oder Lungenseuche gefallen sind, wenn die Voraussetzungen gegeben waren, unter denen die polizeiliche Anordnung der Tötung erfolgen muß;
3. für Tiere, von denen anzunehmen ist, daß sie infolge einer polizeilich angeordneten Impfung eingegangen sind;
4. für Rinder und Pferde, die an Milzbrand oder Rauschbrand gefallen sind oder an denen nach dem Tode eine dieser Krankheiten festgestellt worden ist. [537]

§ 67.

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Die Bestimmungen darüber:
1. von wem die Entschädigung zu gewähren und wie sie aufzubringen ist,
2. wie die Entschädigung im einzelnen Falle zu ermitteln und festzustellen ist,
sind von den Einzelstaaten zu treffen, jedoch mit der Maßgabe, daß die Entschädigungen für Tiere, die auf polizeiliche Anordnung getötet worden sind, aus Staatsmitteln bestritten werden müssen:
a) in vollem Umfange, wenn die Tiere nicht mit der Seuche behaftet waren, derentwegen die Tötung angeordnet worden ist,
b) mindestens zur Hälfte, wenn sie mit Maul- und Klauenseuche behaftet waren,
c) mindestens zu einem Drittel, wenn sie mit Tuberkulose (§ 10 Abs. 1 Nr. 12) behaftet waren,
und wenn in den Fällen zu b und c die Tötung wegen der dort genannten Seuche erfolgt ist.
Mit diesen Maßgaben bleiben die in dieser Hinsicht in den Einzelstaaten bestehenden Vorschriften unberührt. Mit der gleichen Einschränkung und insoweit solche Vorschriften nicht entgegenstehen, sind die Landesregierungen befugt, zu bestimmen, daß die Entschädigungen bis zum Eintritt einer anderweiten landesverfassungsmäßigen Regelung durch Beiträge der Besitzer der betreffenden Tiergattungen nach Maßgabe der über die Verteilung und Erhebung der Beiträge von der Landesregierung zu treffenden näheren Anordnung aufgebracht werden.
In allen Fällen sollen jedoch die Vorschriften der §§ 68 bis 73 dieses Gesetzes dabei maßgebend sein.

§ 68.

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Der Entschädigung wird der gemeine Wert des Tieres zu Grunde gelegt, und zwar, abgesehen von der Tuberkulose (§ 10 Abs. 1 Nr. 12), ohne Rücksicht auf den Minderwert, den das Tier dadurch erlitten hat, daß es von der Seuche ergriffen oder der Impfung unterworfen worden ist. Die Entschädigung beträgt bei den mit Rotz behafteten Tieren drei Viertel, bei den mit Milzbrand, Rauschbrand, Lungenseuche oder Tuberkulose (§ 10 Abs. 1 Nr. 12) behafteten Tieren vier Fünftel, im übrigen die volle Höhe des in der angegebenen Weise berechneten Wertes.
Auf die zu leistende Entschädigung werden angerechnet:
1. die aus Privatverträgen zahlbare Versicherungssumme, und zwar bei Rotz zu drei Viertel, bei Milzbrand, Rauschbrand, Lungenseuche und Tuberkulose (§ 10 Abs. 1 Nr. 12) zu vier Fünftel, in allen anderen Fällen zum vollen Betrage; [538]
2. der Wert derjenigen Teile des getöteten Tieres, welche dem Besitzer nach Maßgabe der polizeilichen Anordnungen zur Verfügung bleiben.

§ 69.

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Die zu leistende Entschädigung wird, sofern ein anderer Berechtigter nicht bekannt ist, demjenigen gezahlt, in dessen Gewahrsam oder Obhut sich das Tier zur Zeit des Todes befand.
Mit dieser Zahlung ist jeder Entschädigungsanspruch Dritter erloschen.

§ 70.

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Keine Entschädigung wird gewährt:
1. für Tiere, die dem Reiche, den Einzelstaaten oder zu den landesherrlichen Gestüten gehören;
2. für Tiere, die der Vorschrift des § 6 zuwider in das Reichsgebiet eingeführt sind;
3. für Tiere, die innerhalb einer bestimmten Frist vor der Feststellung der Seuche in das Reichsgebiet eingeführt sind, wenn nicht der Nachweis erbracht wird, daß ihre Ansteckung erst nach der Einführung in das Reichsgebiet stattgefunden hat. Diese Frist beträgt bei Milzbrand, Rauschbrand und bei Maul- und Klauenseuche 14 Tage, bei Rotz 90 Tage, bei Lungenseuche 180 Tage und bei Tuberkulose (§ 10 Abs. 1 Nr. 12) 270 Tage.

§ 71.

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Durch Landesrecht kann die Entschädigung versagt werden:
1. für Tiere, die an einer ihrer Art oder dem Grade nach unheilbaren und unbedingt tödlichen Krankheit gelitten haben, es sei denn, daß diese Krankheit bestanden hat in Milzbrand, Rauschbrand, Rotz, Lungenseuche, Maul- und Klauenseuche oder Tuberkulose (§ 10 Abs. 1 Nr. 12), oder daß das Tier an einer infolge polizeilich angeordneter Impfung aufgetretenen Krankheit verendet ist;
2. für das in Viehhöfen oder in Schlachthöfen einschließlich der öffentlichen Schlachthäuser aufgestellte Schlachtvieh;
3. für Hunde und Katzen, die aus Anlaß der Tollwut getötet sind (§§ 12, 36, 39, 40).

§ 72.

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Der Anspruch auf Entschädigung fällt weg:
1. wenn der Besitzer der Tiere oder der Vorsteher der Wirtschaft, der die Tiere angehören, oder der mit der Aufsicht über die Tiere an Stelle [539] des Besitzers Beauftragte vorsätzlich oder fahrlässig den Vorschriften der §§ 9, 10 zuwider die ihm obliegende Anzeige unterläßt oder länger als vierundzwanzig Stunden, nachdem er von der anzuzeigenden Tatsache Kenntnis erhalten hat, verzögert, es sei denn, daß die Anzeige von einem anderen Verpflichteten rechtzeitig gemacht worden ist;
2. wenn der Besitzer eines der Tiere mit der Seuche behaftet gekauft oder durch ein anderes Rechtsgeschäft unter Lebenden erworben hat und von diesem kranken Zustande beim Erwerbe des Tieres Kenntnis hatte;
3. im Falle des § 25, oder wenn dem Besitzer oder dessen Vertreter die Nichtbefolgung oder Übertretung der angeordneten Schutzmaßregeln zur Abwehr der Seuchengefahr zur Last fällt.

§ 73.

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Wenn zur Bestreitung der Entschädigungen Beiträge nach Maßgabe des vorhandenen Tierbestandes erhoben werden, dürfen diese Beiträge für Tiere, die dem Reiche, den Einzelstaaten oder zu den landesherrlichen Gestüten gehören, und im Falle des § 71 Nr. 2 für das in Viehhöfen oder in Schlachthöfen einschließlich öffentlicher Schlachthäuser aufgestellte Schlachtvieh nicht beansprucht werden.

III. Strafvorschriften.

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§ 74.

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Mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe von fünfzehn bis zu dreitausend Mark wird bestraft:
1. wer vorsätzlich den Vorschriften der §§ 6, 32 bis 34, 36 bis 38, 41, des § 43 Abs. 2, des § 45, des § 51 Abs. 2, der §§ 56, 57, des § 61 Abs. 3, 4 zuwiderhandelt;
2. wer vorsätzlich den Vorschriften der §§ 9, 10 zuwider die ihm obliegende Anzeige unterläßt oder länger als vierundzwanzig Stunden, nachdem er von der anzuzeigenden Tatsache Kenntnis erhalten hat, verzögert oder es unterläßt, die kranken und die verdächtigen Tiere von Orten, an denen die Gefahr der Ansteckung fremder Tiere besteht, fernzuhalten; die Strafverfolgung wegen unterlassener oder verzögerter Anzeige tritt nicht ein, wenn die Anzeige von einem anderen Verpflichteten rechtzeitig gemacht worden ist;
3. wer vorsätzlich den auf Grund des § 7 Abs. 1, des § 11 Abs. 1, 2, der §§ 19 bis 23, 26 bis 28, 35, 39, 40, des § 43 Abs. 1, der [540] 47, 48, 58, 59, des § 61 Abs. 2, der §§ 63, 64, 78 von der zuständigen Behörde oder dem beamteten Tierarzte getroffenen Anordnungen zuwiderhandelt;
4. wer vorsätzlich die gemäß § 17 Nr. 4, § 61 Abs. 2 angebrachten Kennzeichen unbefugterweise beseitigt oder verändert;
5. wer vorsätzlich Kadaver, die auf polizeiliche Anordnung vergraben sind, oder Teile von solchen unbefugterweise ausgräbt oder wer vorsätzlich Kadaver, die auf polizeiliche Anordnung vergraben waren, oder Teile von solchen unbefugterweise an andere überläßt oder an sich bringt.
Neben der Gefängnisstrafe kann auf Geldstrafe bis zu eintausendfünfhundert Mark erkannt werden.

§ 75.

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Mit Geldstrafe von zehn bis einhundertfünfzig Mark oder mit Haft nicht unter einer Woche wird bestraft, wer den im § 74 Abs. 1 Nr. 1, 2 bezeichneten Vorschriften aus Fahrlässigkeit zuwiderhandelt.
Eine Bestrafung wegen fahrlässiger Verzögerung der in den §§ 9, 10 vorgeschriebenen Anzeige findet nur statt, wenn die Anzeige länger als vierundzwanzig Stunden nach erhaltener Kenntnis von der anzuzeigenden Tatsache verzögert worden ist. Die Strafverfolgung wegen fahrlässiger Unterlassung oder Verzögerung der Anzeige tritt nicht ein, wenn die Anzeige von einem anderen Verpflichteten rechtzeitig gemacht worden ist.

§ 76.

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Mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder mit Haft wird bestraft:
1. wer außer den Fällen des § 74 Abs. 1 Nr. 3 den auf Grund dieses Gesetzes getroffenen Anordnungen zuwiderhandelt;
2. wer eine der im § 74 Abs. 1 Nr. 4, 5 bezeichneten Handlungen aus Fahrlässigkeit begeht.

§ 77.

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Im Falle der Zuwiderhandlung gegen die Vorschriften des § 6 oder gegen die auf Grund des § 7 Abs. 1 getroffenen Anordnungen ist neben der Strafe auf die Einziehung der verbotswidrig eingeführten Tiere, Kadaver und Teile von Tieren, tierischen Erzeugnisse und Rohstoffe sowie der Gegenstände, die Träger des Ansteckungsstoffs sein können, zu erkennen, ohne Unterschied, ob sie dem Verurteilten gehören oder nicht.
Ist die Verfolgung oder Verurteilung einer bestimmten Person nicht ausführbar, so kann auf die Einziehung selbständig erkannt werden. [541]

IV. Schlußbestimmungen.

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§ 78.

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Zur wirksamen Ausführung der in den §§ 7, 16, 17, 19 bis 29 bezeichneten Maßregeln kann eine Anzeige über das Vorhandensein, den Ab- und Zugang oder über Ortsveränderungen von Tieren oder über die in den §§ 16 und 17 aufgeführten Betriebe, Unternehmungen und Veranstaltungen vorgeschrieben werden.

§ 79.

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Die näheren Vorschriften über die Anwendung und Ausführung der nach den §§ 16 bis 30 zulässigen Maßregeln erläßt der Bundesrat unter Berücksichtigung der in den §§ 32 bis 65 gegebenen besonderen Bestimmungen. Das Gleiche gilt für die nach § 78 zulässigen Maßregeln, soweit sie sich auf die vorstehend bezeichneten Paragraphen beziehen.
Weitergehende Vorschriften über die Anwendung und Ausführung der im Abs. 1 bezeichneten Bestimmungen können die obersten Landesbehörden oder mit deren Ermächtigung die höheren Polizeibehörden innerhalb der Schranken dieses Gesetzes anordnen.
Vor dem Erlasse der im Abs. 1 bezeichneten Vorschriften und vor der Entscheidung der obersten Landesbehörden über solche nach Abs. 2 zulässige weitergehende Vorschriften, die auf Grund der §§ 16, 17 ergehen, sind Vertretungen der beteiligten Berufsstände zu hören. Bei Gefahr im Verzuge kann die vorherige Anhörung unterbleiben; die Anhörung muß alsdann aber sobald als möglich nachgeholt werden. Welche Vertretungen zu hören sind, wird im Falle des Abs. 1 vom Bundesrat, im Falle des Abs. 2 von den obersten Landesbehörden bestimmt. Die Gültigkeit der Vorschriften hängt von der vorgeschriebenen Anhörung nicht ab.

§ 80.

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Beschwerden des Besitzers gegen Anordnungen, die auf Grund der §§ 7, 11 bis 15, 18 bis 65, des § 78, soweit dieser sich auf die vorstehend bezeichneten Paragraphen bezieht, oder der dazu erlassenen Ausführungsbestimmungen getroffen sind, haben keine aufschiebende Wirkung.
Beschwerden gegen Anordnungen auf Grund anderer Bestimmungen haben nur dann aufschiebende Wirkung, wenn die Ausführung ohne Nachteil für das Gemeinwohl ausgesetzt bleiben kann.

§ 81.

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Das Gesetz, betreffend die Beseitigung von Ansteckungsstoffen bei Viehbeförderungen auf Eisenbahnen, vom 25. Februar 1876 (Reichs-Gesetzbl. S. 163) wird durch das gegenwärtige Gesetz nicht berührt. [542]

§ 82.

[Bearbeiten]
Der Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes wird durch Kaiserliche Verordnung mit Zustimmung des Bundesrats bestimmt.
Mit demselben Zeitpunkte tritt das Gesetz vom 23. Juni 1880/1. Mai 1894, betreffend die Abwehr und Unterdrückung von Viehseuchen (Reichs-Gesetzbl. 1894 S. 409), außer Kraft.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.
Gegeben Kiel an Bord M. Y. „Hohenzollern“, den 26. Juni 1909.
(L. S.)  Wilhelm.

  von Bethmann Hollweg.