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Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen/Einleitung

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Vorrede Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen (1752) von Johann Joachim Quantz
Einleitung
I. Hauptstück


[XIII]

Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen.

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Einleitung.

Von den Eigenschaften, die von einem, der sich der Musik widmen will, erfodert werden.


1. §.

Ehe ich noch meine Anweisung die Flöte zu spielen, und bey dieser Gelegenheit zugleich ein guter Musikus zu werden, anfange; finde ich für nöthig, denen, die die Musik zu studiren, und durch dieselbe nützliche Mitglieder des gemeinen Wesens zu werden gedenken, zu Gefallen, eine Anleitung zu geben, nach welcher sie sich untersuchen können, ob sie auch mit allen, einem rechtschaffenen Musikus nöthigen Eigenschaften begabet sind: damit sie sich, in der [2] Wahl dieser Lebensart nicht irren; und, wenn dieselbe übel getroffen worden, Schaden und Schande zu befürchten haben mögen.

2. §.

Ich rede aber hier nur von solchen, welche eigentlich die Musik zu ihrem Hauptwerke machen, und in derselben mit der Zeit vortrefflich werden wollen. Wer hingegen die Musik nur als ein Nebenwerk, zu seinem Vergnügen, treiben will, von dem wird zwar in diesem Stücke, nicht so viel, als von jenen, gefodert: doch, wofern er sich alles, was hier und in folgendem gesaget werden wird, zu Nutze machen kann und will; wird es ihm desto mehr Ehre und Vergnügen bringen.

3. §.

Die Wahl der Lebensart, und der Entschluß, diese oder jene, und folglich auch die Musik zu ergreifen, muß mit großer Behutsamkeit angestellet werden. Die wenigsten Menschen haben das Glück derjenigen Wissenschaft oder Profeßion gewidmet zu werden, wozu sie von Natur am allermeisten ausgeleget sind. Oefters rühret dieses Uebel aus Mangel der Erkenntniß, von Seiten der Eltern oder Vorgesetzten, her. Diese zwingen nicht selten die Jugend zu dem, woran sie, die Vorgesetzten, selbst nur einen Gefallen haben; oder sie glauben diese oder jene Wissenschaft oder Profeßion bringe mehr Ehre, oder größere Vortheile, als eine andere; oder sie verlangen, daß die Kinder eben dasjenige erlernen sollen, wovon die Eltern Werk machen; und zwingen sie also eine Sache zu ergreifen, wozu sie, die Kinder, weder Lust noch Geschicke haben. Man darf sich also nicht wundern, wenn die ausserordentlichen Gelehrten, und die besonders hervorragenden Künstler so rar sind. Gäbe man aber auf die Neigung junger Leute fleißig Achtung; suchte man zu erforschen, womit sie sich aus eigenem Antriebe am allermeisten zu beschäftigen pflegen; ließe man ihnen die Freyheit, selbst zu wählen, wozu sie die größte Lust zeigen: so würden sowohl mehr nützliche, als glückliche Leute in der Welt gefunden werden. Denn daß mancher sogenannter Gelehrter, oder Künstler, sich kaum zu einem gemeinen Handwerker geschicket hätte: mancher Handwerker hingegen, ein Gelehrter, oder geschikter Künstler hätte werden können, wenn anders bey beyden die rechte Wahl getroffen worden wäre; bedarf wohl keines Beweises. Mir selbst ist ein Beyspiel von zween Tonkünstlern bekannt, die zugleicher Zeit, vor ohngefähr vierzig Jahren, bey einem Meister gelernet haben, und deren beyder Väter [3] Schmiede gewesen sind. Der eine wurde von seinem Vater, welcher Vermögen hatte, und nicht wollte, daß sein Sohn ein gemeiner Handwerker werden sollte, der Musik gewidmet. Von Seiten des Vaters wurden keine Kosten gesparet. Es wurden noch mehrere Meister gehalten, um den Sohn zugleich neben andern Instrumenten, auch in der Wissenschaft des Generalbasses, und in der Composition zu unterrichten. Ob nun der Lehrling gleich viel Lust zur Musik bezeigte, und allen Fleiß anwendete; so blieb er doch nur ein ganz gemeiner Musikus, und würde sich zu seines Vaters Handwerke viel besser als zur Musik geschicket haben. Der andere wurde hingegen von seinem Vater, der nicht so viel Vermögen als jener hatte, dem Schmiedehandwerke bestimmet. Es würde auch solches unfehlbar erfüllet worden seyn, wenn er nicht durch das frühzeitige Absterben seines Vaters, die Freyheit erlanget hätte, sich selbst nach seinem eigenen Gefallen eine Lebensart zu erwählen. Zu dem Ende wurde ihm von seinen Anverwandten viererley vorgeschlagen, nämlich, ob er ein Schmidt, oder ein Schneider, oder ein Musikus werden wollte, oder ob er Lust zum Studiren hätte; weil von jeder Art, unter seinen Anverwandten, sich einige befanden. Weil er aber zur Musik die größte Neigung bey sich verspürete, so ergriff er auch glücklicher Weise diese Wissenschaft, und kam zu obengemeldetem Meister in die Lehre. Was ihm hier an guter Anweisung, und am Vermögen andere Meister zu halten, abgieng; das ersetzte sein Talent, Lust, Begierde und Fleiß, ingleichen die glückliche Gelegenheit, bald an solche Orte zu kommen, wo er viel gutes hören konnte, und des Umgangs vieler brafen Musikverständigen theilhaftig[WS 1] wurde. Hätte sein Vater noch ein paar Jahre länger gelebet; so hätte dieser Schmidtssohn auch ein Schmidt werden müssen: folglich würde sein Talent zur Musik seyn vergraben worden; und seine nachher verfertigten musikalischen Werke, würden niemals das Licht erblicket haben. Ich geschweige vieler andern Exempel, da es nämlich Leute gegeben hat, welche zwar die Hälfte ihrer Lebensjahre auf die Musik gewendet, und Profeßion davon gemacht, sich aber erst, in ihrem männlichen Alter, auf eine andere Wissenschaft geleget haben; in welcher es ihnen ohne sonderliche Anweisung besser gelungen ist, als in der Musik. Wären nun diese Leute gleich in der Jugend zu demjenigen angehalten worden, was sie nachhero erst ergriffen haben; so hätten sie unfehlbar die größten Künstler werden müssen.

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4. §.

Das erste was zu einem, der ein guter Musikus werden will, erfordert wird, ist: ein besonders gutes Talent, oder Naturgaben. Wer sich auf die Composition legen will, muß einen muntern und feurigen Geist, der mit einer zärtlichen Empfindung der Seele verknüpft ist; eine gute Vermischung der sogenannten Temperamente, in welchen nicht zu viel Melancholie ist; viel Einbildungs-Erfindungs-Beurtheilungs- und Entscheidungskraft; ein gut Gedächtniß; ein gutes und zartes Gehör; ein scharfes und fertiges Gesicht; und einen gelehrigen, alles bald und leicht fassenden Kopf, besitzen. Wer sich auf ein Instrument legen will, muß ausser vielen von obengemeldeten Gemüthskräften, auch nach eines jeden Instruments Eigenschaft, noch mit unterschiedenen Leibesgaben ausgerüstet seyn. Zum Exempel: ein Blasinstrument, und insonderheit die Flöte, erfordert: einen vollkommen gesunden Körper; eine offene starke Brust; einen langen Athem; gleiche Zähne, die weder zu lang noch zu kurz sind; nicht aufgeworfene und dicke, sondern dünne, glatte und feine Lippen, die weder zu viel noch zu wenig Fleisch haben, und den Mund ohne Zwang zuschließen können; eine geläufige und geschikte Zunge; wohlgestallte Finger, die weder zu lang, noch zu kurz, noch zu dickfleischig, noch zu spitzig, sondern die mit starken Nerven versehen sind; und eine offene Nase, um den Athem sowohl leicht zu schöpfen, als von sich zu geben. Ein Sänger muß mit dem Blasinstrumentisten die starke Brust, den langen Athem und die fertige Zunge: ein Seyten- und Bogeninstrumentist aber, die geschikten Finger und starken Nerven gemein haben; der erstere muß über dieses noch mit einer schönen Stimme, der letztere aber mit geläufigen Gelenken der Hände und Arme begabet seyn.

5. §.

Finden sich nun diese guten Eigenschaften bey einem Menschen; so ist er zwar überhaupt zur Musik geschikt: allein, da die Naturgaben so verschieden sind, und selten alle, in so reichem Maaß, bey einem Menschen einzukehren pflegen; so wird sich immer befinden, daß einer zu diesem, der andere zu jenem mehr aufgelegt ist. Z. E. Es kann einer ein gutes Naturell zur Composition haben; zu Handhabung der Instrumente aber nicht geschikt seyn: ein anderer kann viel Geschiklichkeit zu Instrumenten besitzen; zur Composition aber gar keine Fähigkeit haben: ein anderer hat mehr Naturell zu diesem, als zu jenem Instrumente: ein anderer hat zu allen Instrumenten; ein anderer zu keinem einzigen Geschiklichkeit. [5] Wer aber sowohl zur Setzkunst, als zum Singen und den Instrumenten zugleich, das gehörige Talent hat; von diesem kann man eigentlich, im genauesten Verstande sagen, daß er zur Musik gebohren sey.

6. §.

Nun wird erfodert, daß ein jeder, ehe er sich in der Musik zu etwas entschließet, recht erforsche, wozu sich sein Talent am meisten neiget. Geschähe dieses allezeit mit rechtem Bedacht; so würde die Unvollkommenheit in der Musik nicht so groß seyn, als sie zur Zeit noch ist, und vielleicht noch ferner seyn wird. Denn wer sich in der Musik auf etwas leget, wozu er die Gaben nicht hat, der bleibt bey aller guten Anweisung und Bemühung doch nur immer ein mittelmäßiger Musikus.

7. §.

Zu einem geschikten und gelehrten Musikus wird nun, wie aus obengesagtem erhellet, ein besonder Talent erfodert. Unter dem Worte: geschikter Musikus, verstehe ich einen guten Sänger oder Instrumentisten: ein gelehrter Musikus hingegen heißt bey mir, einer der die Composition gründlich erlernet hat. Weil man aber nicht lauter Helden in der Musik nöthig hat; und auch ein mittelmäßiger Musikus einen guten Ripienisten oder Ausführer der Ausfüllungsstimmen abgeben kann: so ist zu merken, daß zu einem, der auf nichts weiter sein Absehen gerichtet hat, als einen tüchtigen Ripienisten vorzustellen, ein so besonder Talent eben nicht erfodert werde: Denn wer einen gesunden Körper, und gerade und gesunde Gliedmaßen hat; dabey aber nur nicht dumm, oder blödes Verstandes ist; der kann das, was man in der Musik mechanisch nennet, und was eigentlich zu einem Ripienisten erfodert wird, durch vielen Fleiß erlernen. Alles was hierbey zu wissen nöthig ist, z. E. das Zeitmaaß; die Geltung und Eintheilung der Noten, und was sonst mit diesen verknüpfet ist; der Bogenstrich auf Seyteninstrumenten, und der Zungenstoß, Ansatz, und Fingerordnung auf blasenden Instrumenten, kann durch Regeln, welche man deutlich und vollständig erklären kann, begriffen werden. Daß es so viele giebt, die weder von dem einen noch von dem andern rechte Begriffe haben, ist der meisten eigene Schuld: und muß man sich daher wundern, wenn mancher Musikus das, was er in einer Zeit von zwey bis drey Jahren hätte fassen können, noch in seinem männlichen Alter schuldig bleibt; ohngeachtet es ihm an Gelegenheit dazu zu gelangen nicht gemangelt hätte. Man wolle aber, aus dem was ich oben gesaget habe, keinesweges eine Geringschätzung guter Ripienisten zu erzwingen suchen. [6] Wie viele sind nicht unter diesen, welche Talent haben, fleißig sind, und sich vor andern hervorthun, auch öfters würdig und fähig wären, einem Orchester mit Nutzen vorzustehen; dabey aber das Unglück empfinden müssen, aus Eifersucht, Geldbegierde, und unzähligen andern Ursachen unterdrücket und verhindert zu werden, daß ihr Talent zu keiner Reife gelangen kann. Nur diejenigen, welche bey ihrer Lust zur Musik, keine ausnehmenden Gaben dazu besitzen, können sich dieses zum Troste mercken, daß wenn ihnen auch die Natur nicht gestattet, grosse Lichter der Musik zu werden; sie dennoch, wenn sie nur gute Ripienisten abzugeben sich bemühen, sehr nützliche Leute seyn können. Wem aber eine ganz hölzerne und unempfindliche Seele, ganz plumpe Finger, und gar kein gut musikalisch Gehör zu Theil worden ist, der thäte besser, wenn er anstatt der Musik eine andere Wissenschaft erlernete.

8. §.

Wer in der Musik vortrefflich werden will, muß ferner eine unermüdete unaufhörliche Lust, Liebe, und Begierde, weder Fleiß noch Mühe zu ersparen, und alle, bey dieser Lebensart vorkommenden Beschwerlichkeiten, standhaft zu ertragen, bey sich empfinden. Die Musik giebt selten solche Vortheile, als andere Wissenschaften geben: und sollte es auch noch einigen dabey glücken, so ist doch solches Glück mehrentheils der Unbeständigkeit unterworfen. Die Veränderung des Geschmacks, das Abnehmen der Kräfte des Leibes, die verfliegende Jugend, der Verlust eines Liebhabers von welchem das Glück vieler Musikverständigen abhänget, sind alle vermögend, den Wachsthum der Musik zu verhindern. Die Erfahrung bestätiget dieses zur Gnüge; wenn man nur etwas über ein halbes Jahrhundert zurückdenket. Wie viele Veränderungen sind nicht in Deutschland in Ansehung der Musik vorgefallen? An wie viel Höfen, in wie viel Städten ist nicht ehedem die Musik im Flor gewesen, so daß so gar daselbst eine gute Anzahl geschickter Leute erzogen worden; wo in gegenwärtigen Zeiten in diesem Puncte nichts als Unwissenheit herrschet. An den meisten Höfen, welche ehemals noch, theils mit sehr berühmten, theils mit ziemlich geschikten Leuten versehen gewesen, nimmt es itziger Zeit leider überhand, daß die ersten Stellen in der Musik, mit solchen Menschen besetzet werden, die in einer guten Musik kaum die letzte Plätze verdieneten; mit Leuten, denen das Amt zwar bey Unwissenden, die sich durch den Titel blenden lassen, einiges Ansehen zu wege bringt; welche aber weder dem Amte Ehre machen, noch der Musik Vortheil schaffen, [7] noch das Vergnügen derer, von denen ihr Glück abhängt, befördern. Die Musik, ob sie gleich eine unergründliche Wissenschaft ist, hat doch nicht das Glück, so wie andere, theils höhere, theils ihr gleiche Wissenschaften, öffentlich gelehret zu werden. Die finstern Köpfe unter den neuen Weltweisen halten es nicht, wie die Alten, für eine Nothwendigkeit, dieselbe zu wissen. Bemittelte Leute begeben sich selten dazu: und Arme haben nicht das Vermögen gleich Anfangs gute Meister zu halten, und an solche Orte zu reisen, wo Musik von gutem Geschmacke im Schwange geht. Jedoch, an einigen Orten hat die Musik schon angefangen wieder empor zu kommen. Sie hat daselbst schon wieder ihre hohen Kenner, Beschützer, und Beförderer erhalten. Ihre Ehre fängt schon an, durch diejenigen aufgeklärten Weltweisen, welche sie den schönen Wissenschaften wieder zuzählen, auch von dieser Seite hergestellet zu werden. Der Geschmack an diesen schönen Wissenschaften, wird in Deutschland absonderlich, immer mehr und mehr aufgeheitert und ausgebreitet. Wer was rechtschaffenes gelernet hat, findet allezeit sein Brod.

9. §.

Wer Talent und Lust zur Musik hat, muß um einen guten Meister in derselben bekümmert seyn. Es würde zu weitläuftig seyn, wenn ich von den Meistern in allen Arten der Musik hier handeln wollte. Deswegen werde ich mich nur, um ein Beyspiel zu geben, bey dem aufhalten, der zur Erlernung der Flöte erfodert wird. Es ist wahr, dieses Instrument ist seit dreyßig bis vierzig Jahren, absonderlich in Deutschland sehr üblich worden. Man leidet nicht mehr, wie anfangs, da es empor kam, an solchen Stücken Mangel, wodurch ein Scholar die gehörige Geschiklichkeit, so dieses Instrument, in Ansehung der Zunge, der Finger, des Ansatzes, erfodert, mit leichter Mühe erlangen könnte. Dem ungeachtet giebt es noch sehr wenige, die dasselbe nach seiner Eigenschaft, und rechten Art, zu spielen wissen. Scheint es nicht, als wenn die meisten der heutigen Flötenspieler, zwar Finger und Zungen, aber keine Köpfe hätten? Es ist unumgänglich nöthig, daß derjenige, der auf diesem Instrumente etwas rechtschaffenes zu erlernen gedenket, einen guten Meister habe: und ich verlange denselben auch bey einem, der sich dieser meiner Anweisung bedienen will, noch ausdrücklich. Allein, wie viel giebt es denn derer, welchen man den Namen der Meister mit Rechte beylegen kann? Sind nicht die meisten, wenn man sie genau betrachtet, in Ansehung der Wissenschaft, selbst noch Scholaren? Wie können denn [8] diejenigen die Musik verbessern, die selbst noch in der Unwissenheit stecken? Finden sich auch ja einige, die das Instrument gut, oder zum wenigsten leidlich spielen; so fehlet es doch noch vielen an der Gabe, das, was sie selbst wissen, andern beyzubringen. Es ist möglich, daß einer, der zwar gut spielet, doch schlecht zu informiren wisse. Ein anderer kann vielleicht besser informiren als selbst spielen. Nun ist ein Scholar nicht fähig einen Meister zu beurtheilen, ob er gut oder schlecht unterrichte: deswegen ist es ein Glück, wenn er zufälliger Weise den besten erwählet. Wie aber ein Meister beschaffen seyn müsse, wenn er gute Scholaren ziehen soll, ist zwar schwer, ausführlich zu bestimmen; doch wird man es aus folgendem Verzeichniße der Fehler, die er vermeiden muß, ohngefähr abnehmen können: und ein Anfänger thut wohl, wenn er sich bey unpartheyischen Leuten, die aber in die Musik Einsicht haben, deswegen Raths erholet. Ein Meister, der von der Harmonie nichts versteht, und nur ein blosser Instrumentist ist; der seine Wissenschaft nicht gründlich, und durch richtige Grundsätze erlernet hat; der von dem Ansatze, der Fingerordnung, dem Athemholen, und Zungenstoße, keinen richtigen Begriff hat; der weder die Paßagien im Allegro, noch die kleinen Auszierungen und Feinigkeiten im Adagio deutlich und rund zu spielen weis; der keinen annehmlichen und deutlichen Vortrag, und überhaupt keinen feinen Geschmack hat; der, um die Flöte rein zu spielen, von dem Verhältniße der Töne keine Erkenntniß besitzet; der das Zeitmaaß nicht in der äussersten Strenge zu beobachten weis; der nicht die Einsicht hat, einen simpeln Gesang an einander hangend zu spielen, und die Vorschläge, pincemens, battemens, flattemens, doublez und Triller an gehörigen Orten anzubringen; der bey einem Adagio, dessen Gesang trocken, das ist ohne Auszierungen, geschrieben ist, nicht, so wie es der Gesang und die Harmonie erfodert, die willkürlichen Manieren zuzusetzen, und nebst den Manieren, durch das abwechselnde forte und piano, Schatten und Licht zu unterhalten fähig ist; Ein Meister, der nicht jede Sache, so dem Scholaren noch schwer zu begreiffen fällt, deutlich und gründlich zu erklären im Stande ist: sondern demselben nur alles nach dem Gehöre, und durch das Nachahmen, wie man etwa einen Vogel abzurichten pfleget, beyzubringen suchet; Ein Meister, der dem Lehrlinge schmeichelt, und alle Fehler übersieht; der nicht Gedult hat, dem Scholaren eine Sache öfters zu zeigen, und sie wiederholen zu lassen; der nicht solche Stücke, die sich von Zeit zu Zeit für des Untergebenen Fähigkeit schicken, zu wählen, und [9] jedes Stück in seinem Geschmacke zu spielen weis; der die Scholaren aufzuhalten suchet; der nicht die Ehre dem Eigennutz, die Beschwerlichkeit der Bequemlichkeit, und den Dienst des Nächsten der Eifersucht und Misgunst vorzieht; überhaupt, der nicht das Wachsthum der Musik zu seinem Endzwecke hat; ein solcher Meister, sage ich, kann keine guten Scholaren ziehen. Findet man aber einen Meister, dessen Scholaren nicht nur reinlich und deutlich spielen, sondern auch im Zeitmaaße recht sicher sind: so hat man gegründete Ursache, sich von diesem Meister gute Hofnung zu machen.

10. §.

Ein großer Vortheil ist es für einen der sich mit Nutzen auf die Musik legen will, wenn er gleich im Anfange einem guten Meister in die Hände geräth. Einige haben das schädliche Vorurtheil, es sey nicht nöthig, zur Erlernung der Anfangsgründe gleich einen guten Meister zu haben. Sie nehmen öfters aus Sparsamkeit den wohlfeilsten, und folglich nicht selten einen solchen, der selbst noch nichts weis: da denn ein Blinder dem andern den Weg weiset. Ich rathe das Gegentheil an. Man nehme gleich beym Anfange den besten Meister, den man nur bekommen kann; sollte man demselben auch zwey oder dreymal mehr bezahlen müssen, als andern. Es wird erstlich in der Folge nichts mehr kosten: zum andern ersparet man sowohl Zeit, als Mühe. Bey einem guten Meister kann man es in einem Jahre weiter bringen, als bey einem schlechten vielleicht in zehn Jahren.

11. §.

Ob nun zwar, wie hier gezeiget worden, an einem guten Meister, der seine Lehrlinge gründlich unterweisen kann, sehr vieles liegt: so kommt es[WS 2] doch fast noch mehr auf den Scholaren selbst an. Denn man hat Exempel, daß gute Meister oftmals schlechte Scholaren; schlechte Meister hingegen gute Scholaren gezogen haben. Man weis, daß sich viele brafe Tonkünstler bekannt gemacht, die eigentlich keinen andern Meister gehabt haben, als ihr großes Naturell, und die Gelegenheit viel Gutes zu hören; die aber durch Mühe, Fleiß, Begierde und beständiges Nachforschen weiter gekommen sind, als manche, die von mehr als einem Meister unterrichtet worden. Deswegen wird von einem Scholaren ferner: ein besonderer Fleiß und Aufmerksamkeit erfodert. Wem es hieran fehlet, dem ist zu rathen, sich mit der Musik gar nicht zu beschäftigen; in sofern er sein Glück dadurch zu machen gedenket. Wer Faulheit, Müßiggang, [10] oder andere unnütze Dinge mehr als die Musik liebet, der hat sich keinen besondern Fortgang zu versprechen. Viele, welche sich der Musik widmen, versehen es in diesem Stücke. Sie verabscheuen die damit verknüpften Beschwerlichkeiten. Sie möchten wohl gerne geschikt werden: den gehörigen Fleiß aber wollen sie nicht anwenden. Sie glauben die Musik führe nichts als lauter Vergnügen mit sich; es sey nur ein Spielwerk dieselbe zu erlernen; und brauche weder Kräfte des Leibes, noch der Seele; es gehöre weder Wissenschaft noch Erfahrung dazu; und komme nur blos auf die Lust und ein gutes Naturell an. Es ist wahr, Naturell und Lust sind die ersten Gründe, auf welche eine gründliche Wissenschaft gebauet werden muß. Allein um dieses Gebäude völlig aufzuführen, wird eine gründliche Anweisung, und von seiten des Lernenden viel Fleiß und Nachdenken unumgänglich erfordert. Hat ein Lehrbegieriger das Glück, gleich anfangs einen guten Meister angetroffen zu haben; so muß er ein vollkommenes Vertrauen zu ihm fassen. Er muß nicht widerspenstig, sondern in allem folgsam seyn; daß er das, was ihm sein Meister aufgiebt, nicht nur in währender Lection mit allem Eifer und Begierde auszuüben und nachzumachen suche: sondern er muß solches auch vor sich allein, mit vielem Fleiß oftmals wiederholen; und sofern er etwas nicht recht begriffen, oder vergessen haben sollte, muß er den Meister bey der folgenden Lection darum befragen. Ein Lehrbegieriger muß sich nicht verdrießen lassen, wenn er wegen einerley Sache öfter ermahnet wird, sondern er muß solche Erinnerungen für ein übles Merckmaal seiner Unachtsamkeit, und für des Meisters Schuldigkeit; den Meister selber aber, der ihn so öfters verbessert, für den besten halten. Er muß deswegen auf seine Fehler wohl Achtung geben: Denn wenn er solche zu erkennen anfängt, hat er schon halb gewonnen. Erfodert es aber die Nothwendigkeit, daß der Meister ihn über einerley Sache öfters verbessern muß; so kann er gewiß versichert seyn, daß er es in der Musik nicht weit bringen wird: weil er darinne unzählige Dinge zu erlernen hat, die ihm kein Meister zeigen wird, noch zeigen kann; sondern die er gleichsam abstehlen muß. Dieser erlaubte Diebstahl macht eigentlich die größten Meister. Dasjenige was ihm öfters verwiesen worden, muß er nicht eher verlassen, bis er es so spielen kann, wie es der Meister verlanget. Er muß dem Meister nicht vorschreiben, was für Stücke er ihm aufgeben soll: Denn der Meister muß am besten wissen, was dem Scholaren vortheilhaft seyn kann. Hat er, wie [11] ich voraus setze, das Glück gehabt, einen guten Meister zu treffen, muß er denselben so lange zu erhalten suchen, als er einer Unterweisung nöthig hat. Es ist nichts schädlicher, als wenn ein Scholar sich bald bey diesem bald bey jenem Meister in die Unterweisung begiebt. Denn wegen des verschiedenen Vortrages und der verschiedenen Art zu spielen, macht dieses bey einem Anfänger Verwirrung; indem derselbe, so zu sagen allezeit von neuem wieder anfangen muß. Es sind zwar viele, die sich was besonderes draus machen, wenn sie, von vielen großen Meistern gelernet zu haben, sich rühmen können; allein man findet selten, daß sie auch zugleich von denselben vieles profitiret haben. Denn wer von einem Meister zum andern läuft, dem gefällt es bey keinem; und er hat zu keinem ein Vertrauen: zu wem man aber kein Vertrauen hat, dessen Lehrsätze pflegt man nicht gerne anzunehmen. Hat man aber einmal zu einem guten Meister ein rechtes Vertrauen gefasset, und läßt ihm die gehörige Zeit, seine Wissenschaft offenbar zu machen; so wird man, wenn man dabey die wahre Begierde hat zu einer Vollkommenheit zu gelangen, von Zeit zu Zeit immer mehr Vortheile entdecken, die man vorher einzusehen nicht fähig gewesen; die aber zu weiterm Nachforschen Gelegenheit geben.

12. §.

Dieses weitere Nachforschen muß sich auch ein angehender Musikus theuer empfohlen seyn lassen. Auch der Fleiß macht es noch nicht allein aus. Man kann ein gutes Naturell, gute Anweisung, großen Fleiß, gute Gelegenheit viel schönes zu hören, haben, und doch immer mittelmäßig bleiben. Man kann viel componiren, viel singen, und viel spielen, ohne in der Erkenntniß und Geschiklichkeit zuzunehmen. Denn alles was in der Musik ohne Nachdenken und ohne Ueberlegung, gleichsam nur zum Zeitvertreib geschieht, ist ohne Nutzen. Ein Fleiß also, der eine brennende Liebe und unersättliche Begierde zur Musik zum Grunde hat, muß mit einem beständigen und eifrigen Nachforschen, und reifem Nachdenken und Untersuchen verknüpfet werden. Es muß ein edler Eigensinn dabey herrschen, welcher nicht erlaubet, daß man sogleich in allen Stücken mit sich selbst zufrieden sey; sondern immer vollkommener zu werden trachte. Denn wer die Musik nur auf das Gerathewohl, nicht als eine Wissenschaft, sondern nur als ein Handwerk treiben will, der wird lebenslang ein Stümper bleiben.

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13. §.

Bey dem Bemühen weiter zu kommen, muß sich aber nicht etwan eine Ungedult einschleichen; daß man Lust bekäme da anzufangen, wo andere aufhören. Einige begehen diesen Fehler. Sie erwählen entweder solche schwere Stücke zu ihrer Uebung, denen sie noch nicht gewachsen sind, und wodurch sie sich gewöhnen, die Noten zu überruscheln, und undeutlich vorzutragen: oder sie wollen vor der Zeit galant thun, und verfallen auf allzuleichte Stücke, welche weiter keinen Vortheil geben, als dem Gehöre zu schmeicheln: Diejenigen Stücke hingegen, die den musikalischen Verstand schärfen, die Einsicht in die Harmonie befördern, den Bogenstrich, Zungenstoß, Ansatz, und Finger geschikt machen; die zum Notenlesen, Eintheilung der Noten, und zur Erlernung des Zeitmaaßes bequem sind; die aber nicht sogleich die Sinne so kützeln wie jene; solche Stücke, sage ich, verabsäumen sie, und halten sie wohl gar für einen Zeitverlust: ungeachtet man ohne solche Stücke, weder einen guten Vortrag, noch einen guten Geschmack in der Ausführung erlangen kann.

14. §.

Eine große Hinderniß des Fleißes und weitern Nachdenkens ist es, wenn man sich zu viel auf sein Talent verläßt. Die Erfahrung lehret, daß man unter denjenigen, welche besonders gute Naturgaben besitzen, mehr Unwißende antrifft, als unter denen, die ihrem mittelmäßigen Talente durch Fleiß und Nachdenken zu Hülfe gekommen sind. Manchen gereichet das besonders gute Naturell mehr zum Schaden als zum Vortheile. Wer davon Beweis verlanget, der betrachte nur die meisten Componisten nach der Mode, itziger Zeit. Wie viele findet man unter ihnen: die die Setzkunst nach den Regeln erlernet haben? Sind nicht die meisten fast pure Naturalisten? Wenn es hoch kömmt, so verstehen sie etwan den Generalbaß; und glauben es sey in einer so tiefsinnigen Wissenschaft, als die Composition ist, nichts mehr zu wissen nöthig, als daß man nur so viel Einsicht besitze, verbothene Quinten und Octaven zu vermeiden, und etwan einen Trummelbaß, und zu demselben eine oder zwo magere Mittelstimmen dazu zu setzen: das übrige sey eine schädliche Pedanterey, die nur am guten Geschmacke und am guten Gesange hindere. Wenn keine Wissenschaft nöthig, und das pure Naturell hinlänglich wäre; wie kömmt es denn, daß die Stücke von erfahrnen Componisten mehr Eindruck machen, allgemeiner werden, und sich länger im Credit erhalten, als die von selbst gewachsenen Naturalisten; und daß eines jeden guten Componisten erstere [13] Ausarbeitungen, den letztern nicht beykommen? Ist dieses dem puren Naturell, oder zugleich der Wissenschaft zuzuschreiben? Das Naturell wird mit angebohren; und die Wissenschaft wird durch gute Unterweisung, und durch fleißiges Nachforschen erlernet: beydes aber gehöret zu einem guten Componisten. Durch den Operstyl hat zwar der Geschmack zu, die Wissenschaft aber abgenommen. Denn weil man geglaubet hat, daß zu dieser Art Musik, mehr Genie und Erfindung, als Wissenschaft der Setzkunst erfodert würde; auch weil dieselbe gemeiniglich bey den Musikliebhabern mehr Beyfall findet, als eine Kirchen- oder Instrumental-Musik: so haben sich mehrentheils die jungen und selbst gewachsenen Componisten in Italien damit am ersten beschäftiget; um sowohl bald einen Credit zu erlangen, als auch in kurzer Zeit vor Meister, oder, nach ihrer Art, Maestri zu paßiren. Es hat aber die unzeitige Bemühung nach diesem Titel verursachet, daß die meisten Maestri niemals Scholaren gewesen: indem sie anfänglich keine richtigen Grundsätze erlernet haben, und nach erhaltenem Beyfall der Unverständigen, sich der Unterweisung nun schämen. Deswegen ahmet einer dem andern nach, schreibt seine Arbeit aus, oder giebt wohl gar fremde Arbeit für seine eigene aus, wie die Erfahrung lehret; zumal wenn dergleichen Naturalisten sich genöthiget finden, ihr Glück in fremden Landen zu suchen; und die Erfindungen nicht im Kopfe, sondern im Koffer mit sich führen. Haben sie auch allenfalls noch die Fähigkeit etwas aus ihrem Kopfe zu erfinden, ohne sich mit fremden Federn zu schmücken; so wenden sie doch selten die gehörige Zeit an, die ein so weitläufiges Werk, als eine Oper ist, erfodert: sondern es wird oftmals für eine besondere Geschiklichkeit gehalten, wenn einer die Fähigkeit besitzet, in zehn oder zwölf Tagen ein ganz Singespiel hinzuschmieren; und nur darauf bedacht ist, daß es, wenn es auch weder schön noch vernünftig seyn sollte, doch zum wenigsten etwas neues sey. Es läßt sich aber sehr leicht begreifen, was in solcher Eil für gutes hervorgebracht werden könne. Die Gedanken müssen ja, so zu sagen, nur in der Luft erschnappet werden, wie etwan ein Raubthier einen Vogel erhaschet. Wo bleibt da die Ordnung, der Zusammenhang, und die Säuberung der Gedanken? Endlich ist es denn auch dahin gekommen, daß gegenwärtig in Italien nicht mehr so viel vortreffliche Componisten anzutreffen sind, als vormals. Fehlet es aber an erfahrnen Componisten: wie kann da der gute Geschmack erhalten, oder fortgepflanzet werden? Wer da weis, was zu einer vollkommenen Oper gehöret, der wird gestehen [14] müssen, daß ein solches Werk nicht einen Anfänger, sondern einen erfahrnen Componisten, und mehr Zeit als wenig Tage erfordert. Allein die Componisten haben mehrentheils das Unglück, daß, wenn sie anfangen vernünftig zu schreiben, und das Wilde und Freche abzulegen, man sie beschuldigt, sie hätten das Feuer verlohren; sie hätten sich erschöpfet; sie dächten nicht mehr so sinnreich; sie wären arm an Erfindung. Es kann seyn, daß solches bey vielen eintrifft: wollte man aber die Sache genau untersuchen, so würde man finden, daß dergleichen Unglück nur den oben beschriebenen Componisten wiederfährt, welche die Setzkunst niemals gründlich erlernet haben. Denn wo kein guter Grund vorhanden ist; da kann auch das Gebäude nicht lange Bestand haben. Ist aber Talent, Wissenschaft und Erfahrung mit einander vereiniget, so wird daraus ein solcher Brunnen, der nicht leicht zu erschöpfen ist. Es wird ja in allen Handlungen, in allen Wissenschaften, und Profeßionen die Erfahrung so sehr geachtet: warum denn nicht auch in der Musik, und insonderheit in der Composition? Wer da glaubet, daß es in derselben nur auf ein Gerathewohl und auf einen blinden Einfall ankomme, der irret sich sehr, und hat von dieser Sache nicht den geringsten Begriff. Die Erfindungen und Einfälle sind zwar zufällig, und können durch Anweisung nicht erlanget werden: die Säuberung und Reinigung, die Wahl und Vermischung der Gedanken aber, sind nicht zufällig; sondern sie müssen durch Wissenschaft und Erfahrung erlernet werden: und diese sind eigentlich das Hauptwerk, wodurch sich der Meister vom Schüler unterscheidet, und woran es noch einer großen Anzahl von Componisten mangelt. Die Regeln der Composition, und was zum Satze gehöret, kann ein jeder erlernen; ohne eben allzuviel Zeit darauf zu wenden. Der Contrapunct behält seine unveränderlichen Regeln, so lange als vielleicht Musik seyn wird: Die Säuberung, Reinigung, der Zusammenhang, die Ordnung, die Vermischung der Gedanken hingegen, erfodern fast bey einem jeden Stücke neue Regeln. Es pfleget also denenjenigen, die sich auf das Ausschreiben legen, oft fehl zu schlagen: so daß man bald merken kann, ob die Gedanken aus einem einzigen Kopfe ihren Ursprung haben; oder ob sie nur auf eine mechanische Art zusammen gesetzet worden sind.

15. §.

In vorigen Zeiten wurde die Setzkunst nicht so gering geachtet, wie in gegenwärtigen: Es wurden aber auch nicht so viel Stümper in derselben [15] angetroffen, als itzo. Die Alten glaubeten nicht, daß man die Setzkunst ohne Unterweisung lernen könnte. Man hielte, den Generalbaß zu wissen, für nöthig, aber nicht für zulänglich, die Composition dadurch ohne weitere Anweisung, zu erlernen. Es waren nur wenige, die sich mit der Composition zu schaffen machten; und die, so es unternahmen, bemüheten sich dieselbe gründlich zu erlernen. Heut zu Tage aber, will fast ein jeder, der nur etwas mittelmäßiges auf einem Instrumente zu spielen weis, zu gleicher Zeit auch die Composition erlernet haben. Hierdurch kommen eben so viele Misgeburten zur Welt; so daß es kein Wunder seyn würde, wenn die Musik mehr ab, als zunähme. Denn, wenn die gelehrten und erfahrnen Componisten nach und nach abgehen; wenn die neuern, wie itzo von vielen geschieht, sich auf das pure Naturell verlassen, und die Regeln der Setzkunst zu erlernen für überflüßig, oder wohl gar dem guten Geschmacke, und guten Gesange, für schädlich halten; wenn der, an sich selbst vortreffliche, Opernstyl gemisbrauchet, und in Stücke eingemischet wird, wohin er nicht gehöret, so daß, wie in Welschland bereits geschieht, die Kirchen- und die Instrumentalmusiken nach demselben eingerichtet werden, und alles nach Opernarien schmecken muß: so hat man gegründete Ursachen zu befürchten, daß die Musik ihren vorigen Glanz nach und nach verlieren dörfte; und daß es mit dieser Kunst bey den Deutschen, und bey andern Völkern, endlich ergehen möchte, wie es mit andern verlohrnen Künsten ergangen ist. Die Italiäner haben in vorigen Zeiten den Deutschen allezeit den Ruhm beygeleget, daß, wenn sie auch nicht so viel Geschmack besäßen, sie doch die Regeln der Setzkunst gründlicher verstünden, als ihre Nachbarn. Sollte nun die deutsche Nation, bey welcher der gute Geschmack in den Wissenschaften sich immer weiter ausbreitet, sich nicht bestreben, einem Vorwurfe, der ihr, wenn ihre angehenden Componisten die Unterweisung und ein fleißiges Nachforschen verabsäumen, und sich dem puren Naturelle ganz und gar anvertrauen, vielleicht mit der Zeit gemacht werden könnte, vorzubeugen; und sollte sie sich nicht bemühen, den Ruhm ihrer Vorfahren zu erhalten? denn nur dadurch, wenn ein hervorragendes Naturell, durch gründliche Anweisung, durch Fleiß, Mühe, und Nachforschen unterstützet wird; nur dadurch, sage ich, kann ein besonderer Grad der Vollkommenheit erreichet werden.

[16]
16. §.

Es wolle niemand auf die Gedanken gerathen, als wenn ich verlangete, daß ein jedes musikalisches Stück nach den steifen Regeln des doppelten Contrapuncts, das ist, nach den Regeln, wie die Stimmen einzurichten sind, welche zugleich mit einander, auf eine wohlklingende Art, umgekehret, verwechselt, und versetzet werden sollen, abgemeßen werden müßte. Nein, dieses wäre eine verwerfliche Pedanterey. Ich behaupte nur, daß ein jeder Componist solche Regeln zu wissen schuldig sey; die Künsteleyen aber da, wo es der gute Gesang erlaubet, so zu untermischen suchen müsse, daß weder am schönen Gesange, noch an der guten Ausnahme, irgend einiger Abbruch verspüret werde; und daß der Zuhörer keinen ängstlichen Fleiß dabey bemerke: sondern daß überall die Natur hervorleuchte. Das Wort: Contrapunct, pfleget sonst bey denen, die nur dem bloßen Naturell zu folgen gedenken, mehrentheils einen widrigen Eindruck zu machen, und für überflüßige Schulfüchserey gehalten zu werden. Die Ursache ist, weil ihnen nur der Name, nicht aber die Eigenschaft und der Nutzen davon, bekannt ist. Hätten sie nur eine kleine Erkenntnis davon erlanget; so würde ihnen dieses Wort nicht so fürchterlich klingen. Ich will eben keinen Lobredner aller Arten der doppelten Contrapuncte überhaupt abgeben: obgleich ein jeder davon, in gewisser Art, und zu rechter Zeit, seinen Nutzen haben kann. Doch kann ich auch nicht umhin, absonderlich dem Contrapunct all’Ottava sein Recht wiederfahren zu lassen, und die genaue Kenntniß deßelben, als eine unentbehrliche Sache, einem jeden angehenden Componisten anzupreißen: weil dieser Contrapunct nicht nur bey Fugen und andern künstlichen Stücken höchst nöthig ist, sondern auch bey vielen galanten Nachahmungen und Verkehrungen der Stimmen treffliche Dienste thut. Daß aber die Alten in den musikalischen Künsteleyen sich zu sehr vertiefet haben, und zu weit darinne gegangen sind; so daß sie darüber das Nothwendigste in der Musik, ich meyne das Rührende und Gefällige, fast verabsäumet haben; ist an dem. Allein, was kann der Contrapunct dafür, wenn die Contrapunctisten mit demselben nicht recht umzugehen wissen, oder einen Misbrauch daraus machen; und wenn die Liebhaber der Musik, aus Mangel der Erkenntniß, keinen Geschmack daran finden? Haben es nicht alle übrigen Wissenschaften mit dem Contrapuncte gemein, daß man ohne die Kenntniß derselben, auch kein Vergnügen davon haben kann? Z. E. Wer kann sagen, daß er an der Trigonometrie, oder der Algebra Geschmack finde, wenn [17] er gar nichts davon erlernet hat? Mit der Erkenntniß und Einsicht aber, wächst auch die Achtung und Liebe zu einer Sache. Vornehme Personen laßen ihre Kinder wohl nicht allemal in der Absicht in vielerley Wissenschaften unterrichten, um Werk davon zu machen: sondern es geschieht vielmehr deswegen, daß sie in vielerley Wissenschaften eine Einsicht erlangen sollen, um bey Gelegenheit davon sprechen zu können. Wären nun alle Musikmeister auch zugleich Musikverständige; wüßten sie ihren Untergebenen von einer künstlichen Musik richtige Begriffe beyzubringen; ließen sie dieselben beyzeiten wohl ausgearbeitete Stücke spielen, und erkläreten ihnen den Inhalt davon: so würden sie die Liebhaber nicht nur nach und nach an solche Arten von Musik gewöhnen; sondern die Liebhaber würden auch überhaupt mehr Einsicht in die Musik erlangen, und mehr Vergnügen daran finden. Die Musik würde dadurch in eine größere Achtung kommen, als sie nicht ist: und die wahren Tonkünstler würden für ihre Arbeit mehr Dank verdienen. Da aber die meisten Liebhaber die Musik nur mechanisch erlernen: so fällt dieser Vortheil weg; und die Musik bleibt in desto größerer Unvollkommenheit: weil es sowohl an guten Meistern, als an folgsamen Scholaren fehlet.

17. §.

Will man wißen, was denn nun eigentlich der Gegenstand des weitern Nachforschens seyn soll; so dienet zur Antwort: Wenn ein angehender Componist die Regeln der Harmonie, welche, ob es wohl vielen an der Kenntniß derselben fehlet, doch nur, wie gesagt, das wenigste und leichteste in der Composition sind, gründlich erlernet hat; so muß er sich befleißigen, eine gute Wahl und Vermischung der Gedanken, nach der Absicht eines jeden Stückes, vom Anfange bis ans Ende deßelben, zu treffen; die Gemüthsbewegungen gehörig auszudrücken; einen fließenden Gesang zu erhalten; in der Modulation zwar neu, doch natürlich, und im Metrum richtig zu seyn; Licht und Schatten beständig zu unterhalten; seine Erfindungen in eine gemäßigte Länge einzuschränken; in Ansehung der Abschnitte, und der Wiederholungen der Gedanken, keinen Misbrauch zu begehen; sowohl für die Stimme als Instrumente bequem zu setzen; in der Singmusik nicht wider das Sylbenmaaß, noch weniger wider den Sinn der Worte zu schreiben; und sowohl von der Singart, als von den Eigenschaften eines jeden Instruments, eine hinlängliche Erkenntniß zu erlangen. Ein Sänger oder Instrumentist aber muß sich angelegen seyn lassen, der Stimme oder des Instruments vollkommen mächtig [18] zu werden; die Verhältniße der Töne kennen zu lernen; in Haltung des Zeitmaaßes und im Notenlesen recht fest zu werden; die Harmonie zu erlernen, und vornehmlich, alles was zu einem guten Vortrage erfordert wird, recht in Ausübung zu bringen.

18. §.

Wer sich in der Musik hervor zu thun wünschet; der muß die Erlernung derselben nicht zu spät anfangen. Wer sich in solchen Jahren dazu begiebt, wenn die Gemüthskräfte nicht mehr im Wachsthume, oder wenn der Hals oder die Finger nicht mehr biegsam sind; und also keine rechte Fertigkeit erlangen können, weder die Triller, und die kleinen feinen Auszierungen oder Propretäten, noch die Paßagien rund und deutlich zu machen: der wird nicht sonderlich weit kommen.

19. §.

Ein Musikus muß sich ferner nicht mit allzuvielen andern Dingen beschäftigen. Fast eine jede Wissenschaft erfodert ihren eigenen Mann. Es ist zwar hier keinesweges die Meynung, als ob es eine Unmöglichkeit sey, in mehr als einer Wissenschaft zugleich, vortrefflich zu seyn. Es wird aber ein gleichsam ausserordentliches Talent dazu erfodert, dergleichen die Natur nur selten hervorbringt. Viele versehen es hierinne. Einige haben die Begierde alles zu erlernen, und fallen, ihrer veränderlichen Gemüthsbeschaffenheit zufolge, von einer Sache auf die andere; bald auf dieses, bald auf jenes Instrument; bald auf die Composition; bald auf andere Dinge ausser der Musik; und erlernen, wegen ihrer Wankelmuth, weder eins noch das andere aus dem Grunde. Einige, die sich anfänglich etwa einer der höhern Wißenschaften widmen, treiben die Musik viele Jahre als ein Nebenwerk. Sie können nicht die gehörige Zeit, so die Musik erfodert, darauf wenden; und haben weder Gelegenheit noch Mittel gute Meister zu halten, oder etwas gutes zu hören. Oefters lernen sie nichts mehr als etwa Noten lesen; und durch einige Schwierigkeiten, ohne guten Vortrag und Geschmack, ihren Zuhörern einen blauen Dunst vor die Augen zu malen: und sofern sie das Glück haben, im Lande der Blinden einäugige Könige zu werden, und einigen Beyfall zu erhalten; gerathen sie, aus Mangel der Erkenntniß, leicht auf den falschen Wahn, als ob sie wegen ihrer übrigen Wißenschaften, vor andern Tonkünstlern, die zwar nicht auf hohen Schulen studiret, aber doch mehr Musik als sie erlernet haben, einen Vorzug verdieneten. Einige treiben die Musik blos aus Mangel des Unterhalts, ohne den geringsten [19] Gefallen dran zu haben. Andere haben die Musik in ihrer Jugend mehr durch eigene Uebung, als durch richtige Grundsätze erlernet. Bey erwachsenen Jahren schämen sie sich des Unterrichts, oder glauben keiner Anweisung mehr benöthiget zu seyn. Deswegen lassen sie sich nicht gerne verbessern, sondern wollen vielmehr unter dem Namen der Liebhaber Lob verdienen. Füget es aber das Schicksal endlich nicht, daß sie durch ihre andern Wissenschaften zu einer Beförderung gelangen; so ergreifen sie aus Noth die Musik; mehrentheils aber bleiben sie, wegen des Verlusts der Zeit, die sie auf andere Wißenschaften haben wenden müssen; aus Mangel des Talents, welches zu andern Wißenschaften nicht hinreichend gewesen, und nun vielleicht zur Musik noch weniger zulänglich ist; oder aus Vorurtheil und falscher Einbildung, welche von andern keine Verbesserung ertragen kann, von der einen Seite nur halbe Gelehrte; von der andern aber, kaum halbe Musikverständige. Denn wer zum Studiren keine hinlänglichen Naturgaben besitzt; der hat deren vielleicht noch weniger zur Musik. Doch aber, hat ein solcher, der zugleich vom Studiren Werk machet, ein zureichendes Talent zur Musik; und wendet bey dieser eben den Fleiß an, wie er bey jenem gethan hatte: so hat er nicht nur vor andern Tonkünstlern einen Vortheil voraus; sondern er kann auch in der Musik überhaupt mehr Nutzen stiften, als andere: welches mit vielen Beyspielen dargethan werden kann. Denn wer da weis, wie viel Einfluß die Mathematik, sammt denen unter ihrem Bezirke stehenden Wißenschaften, die Weltweisheit, die Dichtkunst, und die Redekunst, in die Musik haben; der wird gestehen müssen, daß die Musik nicht nur einen größern Umfang habe, als viele glauben: sondern auch, daß der bey den meisten Musikverständigen verspürte Mangel obenbemeldeter Wissenschaften, das[WS 3] größte Hinderniß an weiterem Fortkommen, und die Ursache sey, warum die Musik noch nicht zu einer größern Vollkommenheit gebracht worden ist. Wie kann es aber anders seyn: da diejenigen, so die Theorie besitzen, selten in der Ausübung stark sind: und die, so sich in der Ausübung hervorthun, selten Meister in der Theorie abgeben können? Ist es möglich die Musik, bey so gestallten Sachen zu einiger Vollkommenheit zu bringen? Es ist demnach nöthig, jungen Leuten, die sich auf die Musik legen, ernstlich anzurathen, daß sie sich bemühen möchten, wenn ihnen[WS 4] auch die Zeit nicht erlaubet, sich in allen Studien zu üben, dennoch in den obengemeldeten Wißenschaften, und hiernächst auch, in einigen der ausländischen Sprachen, keine Fremdlinge [20] zu bleiben. Und wer sich die Composition zu seinem Augenmerke erwählet; dem wird eine gründliche Einsicht in die Schauspielkunst nicht undienlich seyn.

20. §.

Die Eigenliebe wohl zu ordnen und im Zaume zu halten, soll das letzte seyn, welches ich einem, der in der Musik weit zu kommen wünschet, anrathe. Ist eine unmäßige und übel geordnete Eigenliebe überhaupt sehr schädlich; indem sie leichtlich den Verstand verdunkeln, und an der wahren Erkenntniß hinderlich seyn kann: so ist sie es gewiß auch bey der Musik; und zwar dieses um so viel mehr, je mehr sie sich bey dieser einzuschleichen pfleget. Sie findet bey der Musik mehr Nahrung als bey andern Profeßionen, bey welchen man sich nicht, wie bey dieser, mit einem bloßen Bravo abspeisen, und aufgeblasen machen läßt. Wie viel Unordnungen hat sie nicht schon in der Musik angerichtet? Man gefällt sich anfangs meistentheils selbst mehr, als andern. Man ist schon zufrieden, wenn man nur etwa zur Noth eine Stimme mitspielen kann; Man läßt sich durch das unzeitige und überflüßige Loben verblenden; und nimmt es wohl gar für einen verdienten Lohn an. Man will durchaus keinen Widerspruch, keine Erinnerungen oder Verbesserungen leiden. Sollte jemand sich dergleichen etwan aus Noth, wenn es geschehen muß, oder aus guter Meynung unterfangen: so hält man denjenigen, der so verwegen ist, augenbliklich für einen Feind. Man schmeichelt sich oftmals, bey einer sehr geringen Erkenntniß, doch sehr vieles zu wissen, und suchet sich wohl über solche zu erheben, von denen man noch lernen könnte. Ja, was noch mehr ist, man verachtet wohl gar dieselben, aus Eifersucht, Neid und Misgunst. Sollte es aber genau untersuchet werden, so bestehet solches vermeynte Wissen, bey vielen, nur aus einer Marktschreyerey, nämlich: daß man etwan einige Kunstwörter aus theoretischen Schriften ins Gedächtniß gefaßet hat; oder daß man von den musikalischen Kunststücken zwar ein wenig zu reden, solche aber nicht zu machen weis. Hierdurch kann man sich nun zwar bey Unwissenden einiges Ansehen erwerben; bey Musikverständigen aber, steht man in Gefahr, lächerlich zu werden: weil man denen Handwerkern gleichet, die zwar das Handwerkszeug zu nennen, aber schlecht zu gebrauchen wissen. Wie es denn verschiedene Menschen giebt, welche von einer Kunst oder Wissenschaft zwar vieles zu reden im Stande sind: in der That aber, viel weniger in der Ausübung zeigen können, als vielleicht andere, [21] andere, welche weit weniger mit Worten davon pralen. Hat man es vielleicht endlich noch durch eine gute Anweisung dahin gebracht, daß man einigen Beyfall verdienet; so rechnet man sich sogleich unter die Anzahl der Virtuosen; und glaubet schon die erste Stufe des Parnasses überstiegen zu haben. Man schämet sich dahero eines fernern Unterrichts; oder hält denselben für unnöthig. Man verläßt den Meister in der besten Zeit, oder in der Blüte des Wachsthums. Man suchet nicht das Urtheil erfahrner Leute sich zu Nutzen zu machen: sondern man bleibt lieber in der Unwissenheit stecken, als daß man sich ein wenig herablaßen wollte, um noch Lehren anzunehmen. Und wenn man auch allenfalls noch jemanden um diesen oder jenen Zweifel befraget: so geschieht es doch oft mehr in der Absicht gelobet zu werden, als die Wahrheit zu hören. Wer wollte endlich alle das Unheil erzählen, welches eine verkehrte Eigenliebe anrichten kann. Es sey mir genug, dargethan zu haben, daß sie, ob sie auch gleich eine falsche Zufriedenheit wirket, dennoch eine der größten Hindernisse am Wachsthum in der Musik sey.

21. §.

Zum Beschluße muß ich noch einigen, die sich durch das Vorurtheil, als ob das Blasen auf der Flöte der Brust oder Lunge schädlich sey, zur Nachricht sagen: daß solches nicht nur nicht schädlich, sondern vielmehr zuträglich und vortheilhaft sey. Die Brust wird dadurch mehr und mehr eröfnet und stärker gemachet. Ich könnte, wenn es nöthig wäre, mit Exempeln beweisen, daß einige junge Leute, die einen sehr kurzen Athem hatten, und kaum fähig waren ein paar Tacte in einem Athem zu spielen, es endlich durch das Blasen der Flöte, in einigen Jahren, dahin gebracht haben, daß sie mehr als zwanzig Tacte in einem Athem zu spielen vermögend worden. Es ist also daraus zu schließen, daß das Blasen auf der Flöte der Lunge eben so wenig schade, als das Reuten, Fechten, Tanzen und Laufen. Man muß es nur nicht misbrauchen; und weder bald nach der Mahlzeit blasen, noch sogleich aufs Blasen, wenn die Lunge noch in einer starken Bewegung ist, einen kalten Trunk thun. Daß die Trompete eine stärkere Lunge, und noch weit mehr Kräfte des Leibes erfordere, als die Flöte; wird niemand in Abrede seyn. Dem ungeachtet zeiget die Erfahrung, daß Leute, so sich mit der Trompete abgeben, mehrentheis ein sehr hohes Alter erreichen. Ich weis mich selbst, von meiner Jugend an, zu erinnern, daß ein junger Mensch, von sehr schwacher Leibesbeschaffenheit, ein Trompeter worden; [22] und aus diesem Instrumente, nicht nur sich sehr fleißig geübet, sondern es auch ziemlich weit gebracht hat. Dieser ist nicht nur bis itzo noch am Leben; sondern befindet sich auch wohl, und bey guten Kräften. Daß aber die Ausübung der Flöte, oder der Trompete, so wie die vorhin erwähnten Leibesübungen, einen gesunden Cörper erfodere, und keinen, der schon die Schwindsucht hat, weder heile, noch ihm sonst anzurathen sey: wird auch nicht geläugnet. Ich habe schon oben angeführet, daß zu einem jeden Musikus überhaupt, er spiele welches Instrument er wolle, kein schwacher oder siecher, sondern ein vollkommen gesunder Körper, und ein munterer und aufgeweckter Geist erfordert werde: weil beyde gemeinschaftlich wirken müssen.




Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: theihaftig
  2. „es“ fehlt in der Vorlage
  3. Vorlage: die
  4. Vorlage: ihn n
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