Verräterisches Parfüm
[207] Verräterisches Parfüm spielt in der Kriminalgeschichte aller Länder fortgesetzt eine große Rolle. Besonders Hochstapler und Diebe beiderlei Geschlechts, die in eleganter Kleidung „arbeiten“, pflegen sich vielfach in übertriebener Weise zu parfümieren, um ihre „Vornehmheit“ zu vervollständigen. Häufig schon ist ihnen gerade diese Angewohnheit zum Verhängnis geworden.
Eine Bande von Juwelendieben verfuhr derart, daß sie echte Stücke gegen Nachahmungen vertauschte. Waren, die im Schaufenster auslagen, wurden genau nachgezeichnet, täuschend ähnlich aus unedlem Metall nachgeahmt und dann im Laden beim Auswählen aus den vorgelegten Stücken mit den echten vertauscht. In dieser Weise gingen auch der zu derselben Bande gehörige gefährliche Dieb Alexius Lugoscu und seine Begleiterin, die Chansonette Nannette Michalescu zu Werke, indem sie im Laden eines Berliner Hofjuweliers in einem unbewachten Augenblicke ein aus dem Schaufenster kopiertes echtes Perlenkollier [208] im Werte von 24 000 Mark mit dem mitgebrachten, in der Form und Fassung durchaus gleichen Falsifikat vertauschten. Unerkannt verschwanden sie mit der Beute aus Berlin.
Sie verrieten sich aber durch eine kleine Unvorsichtigkeit. Die Michalescu gebrauchte stets ein bestimmtes Parfüm, und zwar Opoponax, das ihr zum Verhängnis wurde, denn nach diesem dufteten die unechten Perlen, die sie gegen das echte Kollier eingetauscht hatte. Und dieses Parfüm führte die Verhaftung der hochstaplerischen Rumänin herbei. Die Berliner Kriminalpolizei richtete nämlich sofort nach dem Diebstahl eine Anfrage an die Polizeiämter der europäischen Großstädte, ob dort vielleicht eine Gaunerin bekannt sei, die sich stark mir Opoponax zu parfümieren pflege. Aus Wien kam umgehend[WS 1] die Antwort, daß die mitgemeldete ungefähre Personalbeschreibung und das Parfüm auf eine gewisse Nannette Michalescu passe. Drei Tage später konnte das Paar in Czernowitz verhaftet werden. Von den einundsechzig gestohlenen Perlen, die übrigens die Michalescu verschluckt hatte, konnten achtundfünfzig beigebracht werden. Die unhöfliche Polizei förderte die Perlen nämlich durch starke Abführmittel, die man der Schwindlerin gewaltsam einflößte, wieder zutage. –
Eine junge Dame in Genf, die sich verheiraten wollte, hatte ihre Freundinnen eingeladen, sich die Hochzeitsgeschenke anzusehen. Als die Gäste fort waren, merkte sie, daß ein wertvolles goldenes Armband, das Geschenk ihres zukünftigen Gatten, fehlte. Während die junge Braut das leere Kästchen emporhob, empfand sie, wie diesem ein starkes Veilchenparfüm entströmte, und sie wußte, daß es das Lieblingsparfüm einer ihrer Freundinnen war. So erfuhr sie, wer der Dieb gewesen. Die stark parfümierte Hand hatte zu deutliche Spuren hinterlassen, als sie den diebischen Griff ausführte. Törichterweise leugnete das junge Mädchen die Verfehlung entrüstet ab, so daß die Sache der Polizei gemeldet werden mußte. Das Armband fand sich in der Erde eines Blumentopfes im Zimmer der Diebin, die, zu Gefängnis verurteilt, sich durch ihr hartnäckiges Abstreiten ihr ganzes Leben zerstört hatte. –
Ein angeblich belgischer Graf kaufte in London mehrere [209] Geschmeide und ließ sie sich sofort durch einen Angestellten in seine Wohnung bringen. Dort verschloß der „Graf“ die Kästchen mit den Pretiosen vor den Augen des von dem Geschäftsinhaber zu besonderer Vorsicht ermahnten Angestellten in einen Schreibsekretär, reichte dem jungen Manne den Schlüssel und ging ins Nebenzimmer, um das Geld zur sofortigen Begleichung der Rechnung zu holen. Als der Spitzbube nach einer Viertelstunde nicht zurückkehrte, begab sich der Angestellte in das Nebenzimmer, das er völlig unmöbliert fand. Dafür entdeckte er aber in der Wand ein Loch, durch das der Schwindler die Juwelenkästchen aus dem seiner Rückwand beraubten Schreibtisch geholt hatte. Die Wohnung war nur zum Schein gemietet und nur das eine Zimmer möbliert worden. Die Londoner Polizei fand aber in dem möblierten Raum als einziges Andenken, das der Spitzbube zurückgelassen hatte, ein Paar Glacéhandschuhe, die auffallend nach Patschuli rochen. Nach diesem Merkmal wurde in den Aufzeichnungen des Verbrecheralbums gesucht, wo man wirklich neben dem Bilde eines vielfach vorbestraften Pariser Hochstaplers eine Bemerkung fand, die auf dessen Leidenschaft für jenes Parfüm hinwies. Wenige Tage später saß der Gauner hinter Schloß und Riegel. –
Auch Mörder sind schon durch Parfüm von der strafenden Gerechtigkeit ereilt worden. Ein klassisches Beispiel hiefür ist der Fall Kremser. In Wien wurden im Herbst 1902 eine ältere adelige Dame und ihre Dienerin ermordet aufgefunden. Von dem Täter, der Bargeld und Juwelen im Werte von mehreren tausend Kronen geraubt hatte, fehlte jede Spur. Bei Feststellung der gestohlenen Sachen machte nun der Sohn der ermordeten Dame, ein Legationssekretär, die Polizei darauf aufmerksam, daß auch ein mit Rubinen besetztes Fläschchen fehle, das ein Parfüm enthalten habe, das er seiner Mutter aus Japan mitgebracht hätte. Nach einiger Zeit wurde einem Kommissär eine Fabrikarbeiterin namens Anna Kremser wegen eines kleinen Vergehens vorgeführt, die so auffällig nach einem dem Beamten ganz unbekannten Parfüm duftete, daß dieser sie fragte, woher sie das eigenartige Parfüm bezogen habe. Ahnungslos erwiderte das Mädchen, daß ihr Bruder es ihr geschenkt habe. [210] Der Kommissär ließ schleunigst den Legationssekretär holen, und dieser erkannte sofort das in Europa kaum erhältliche japanische Parfüm wieder. Der Bruder der Fabrikarbeiterin, ein arbeitsscheuer Mensch, wurde daraufhin verhaftet und sehr bald auch des Doppelmordes überführt. –
Im Schlafzimmer des 1905 in Paris ermordeten Rentiers Bartelle fand die Polizei ein leeres Parfümfläschchen, das nach Aussage des Dieners des Toten noch am Abend vorher halb gefüllt gewesen war. Das Fläschchen hatte Peau d’Espagne enthalten. Die Polizei nahm nun an, daß der Mörder sich mit dem Inhalt des Fläschchens die Kleider besprengt habe, und forschte in aller Heimlichkeit überall nach, ob ein Mitglied der Pariser Verbrecherkreise vielleicht am Tage nach dem Morde durch starken Parfümgeruch jemandem aufgefallen sei. Der Kellner eines Restaurants, das von fragwürdigen Elementen gern aufgesucht wurde, erzählte einem Beamten, daß ein als Taschendieb bekannter gewisser Ferrol von seinen Genossen beim Billardspiel letztens gehänselt worden sei, weil seine Weste gar so „fein“ duftete. Ferrol, verhaftet und in ein strenges Verhör genommen, verwickelte sich bei dem Versuch, sein Alibi in der fraglichen Nacht nachzuweisen, in Widersprüche und legte schließlich ein Geständnis ab.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: umgebend