Verordnung, betreffend die Rechtsverhältnisse in dem Schutzgebiete der Neu-Guinea-Kompagnie
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(Nr. 1667.) Verordnung, betreffend die Rechtsverhältnisse in dem Schutzgebiete der Neu-Guinea-Kompagnie. Vom 5. Juni 1886.
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc.
verordnen auf Grund des Gesetzes, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete, vom 17. April 1886 (Reichs-Gesetzbl. S. 75) im Namen des Reichs, was folgt:
§. 1.
- Das Gesetz über die Konsulargerichtsbarkeit vom 10. Juli 1879 (Reichs-Gesetzbl. S. 179) tritt für das Schutzgebiet der Neu-Guinea-Kompagnie in Gemäßheit des §. 2 des Gesetzes, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete, mit den in dieser Verordnung vorgesehenen Abänderungen am 1. September 1886 in Kraft.
§. 2.
- Der Gerichtsbarkeit (§. 1) unterliegen alle Personen, welche in dem Schutzgebiete wohnen oder sich aufhalten oder bezüglich deren, hiervon abgesehen, ein Gerichtsstand innerhalb des Schutzgebietes nach den zur Geltung kommenden Gesetzen begründet ist, die Eingeborenen jedoch nur, soweit sie dieser Gerichtsbarkeit besonders unterstellt werden.
- Der Reichskanzler bestimmt nach Anhörung der Direktion der Neu-Guinea-Kompagnie, wer als Eingeborener im Sinne dieser Verordnung anzusehen ist, und inwieweit auch Eingeborene der Gerichtsbarkeit (§. 1) zu unterstellen sind.
§. 3.
- Dem zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten steht die Befugniß zu, bei Erlaß polizeilicher Vorschriften (§. 4 des Gesetzes über die [188] Konsulargerichtsbarkeit) gegen die Nichtbefolgung derselben Gefängniß bis zu drei Monaten, Haft, Geldstrafe und Einziehung einzelner Gegenstande anzudrohen, soweit ihm diese Befugniß durch besondere Anordnung des Reichskanzlers ertheilt wird.
§. 4.
- Als Berufungs- und Beschwerdegericht in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in Konkurssachen und in den zur streitigen Gerichtsbarkeit nicht gehörenden Angelegenheiten wird das deutsche Konsulargericht in Apia bestimmt.
- In dem Verfahren vor dem Berufungs- und Beschwerdegericht finden bezüglich der Zustellungen die für das Verfahren vor dem Konsulargericht in erster Instanz geltenden Vorschriften Anwendung. Eine Vertretung durch Anwälte ist nicht geboten.
§. 5.
- Der zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigte Beamte hat dafür zu sorgen, daß die Zustellungen in dem Schutzgebiete mit der nach den vorhandenen Mitteln möglichen Sicherheit erfolgen. Er erläßt die für die Ausführung erforderlichen Anordnungen und überwacht deren Befolgung.
§. 6.
- In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten sind in dem Verfahren vor den Gerichtsbehörden im Schutzgebiete die auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergehenden Beschlüsse von Amtswegen zuzustellen. Für Beschlüsse, welche lediglich die Prozeß- oder Sachleitung einschließlich der Bestimmung oder Aenderung von Terminen betreffen, genügt die Verkündung.
- Die Beglaubigung der zuzustellenden Schriftstücke kann in allen Fällen durch den Gerichtsschreiber erfolgen.
- Soll durch eine Zustellung eine Frist gewahrt oder der Lauf der Verjährung oder einer Frist unterbrochen werden, so treten die Wirkungen der Zustellung bereits mit der Einreichung des zuzustellenden Schriftstücks bei der Gerichtsbehörde ein, sofern die Zustellung demnächst bewirkt wird.
- Bei Bewilligung der öffentlichen Zustellung einer Ladung kann die Gerichtsbehörde anordnen, daß eine Einrückung in öffentliche Blätter nicht erforderlich sei.
- Zustellungen außerhalb des Schutzgebietes erfolgen im Wege des Ersuchens.
- Wohnt eine Partei außerhalb des Schutzgebietes, so kann, falls sie nicht einen daselbst wohnhaften Prozeßbevollmächtigten bestellt hat, angeordnet werden, daß sie eine daselbst wohnhafte Person zum Empfange der für sie bestimmten Schriftstücke bevollmächtige. Diese Anordnung kann ohne mündliche Verhandlung erfolgen. Eine Anfechtung des Beschlusses findet nicht statt. Der Zustellungsbevollmächtigte ist bei der nächsten gerichtlichen Verhandlung oder, wenn die Partei vorher dem Gegner einen Schriftsatz zustellen läßt, in diesem zu benennen. Geschieht [189] dies nicht, so können alle späteren Zustellungen bis zur nachträglichen Benennung durch Anheftung an die Gerichtstafel bewirkt werden.
- Der Nachweis über die erfolgte Zustellung ist zu den Gerichtsakten zu bringen.
§. 7.
- Die Zwangsvollstreckung im Schutzgebiete erfolgt ausschließlich durch den zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten. Der Beibringung einer vollstreckbaren Ausfertigung bedarf es nicht, soweit dieselbe von dem Gerichtsschreiber der Gerichtsbehörde im Schutzgebiete zu ertheilen sein würde.
- Der Beamte kann nach Anordnung der Zwangsvollstreckung mit der Ausführung andere Personen beauftragen, welche nach seinen Anweisungen zu verfahren haben.
§. 8.
- Vollstreckbare Ausfertigungen dürfen von dem Gerichtsschreiber der Gerichtsbehörde im Schutzgebiete nur auf Anordnung des zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten ertheilt werden.
§. 9.
- In dem Verfahren vor den Gerichtsbehörden im Schutzgebiete finden das Gerichtskostengesetz und die Gebührenordnungen für Gerichtsvollzieher, für Zeugen und Sachverständige sowie für Rechtsanwälte keine Anwendung. Bis auf Weiteres werden nur die wirklich aufgewendeten Auslagen erhoben, im Uebrigen bestimmt der Reichskanzler, welche Vorschriften an Stelle der bezeichneten Gesetze zu treten haben.
§. 10.
- Das Gesetz, betreffend die Eheschließung und die Beurkundung des Personenstandes von Reichsangehörigen im Auslande, vom 4. Mai 1870 (Bundes-Gesetzbl. S. 599) tritt für das Schutzgebiet der Neu-Guinea-Kompagnie bezüglich aller Personen, welche nicht Eingeborene (§. 2 Abs. 2) sind, am 1. September 1886 in Kraft.
- Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.
- Gegeben Berlin, den 5. Juni 1886.