Vermächtniß (Goethe)
Kein Wesen kann zu nichts zerfallen,
Das Ew’ge regt sich fort in allen,
Am Seyn erhalte dich beglückt!
Das Seyn ist ewig, denn Gesetze
Aus welchen sich das All geschmückt.
Das Wahre war schon längst gefunden,
Hat edle Geisterschaft verbunden,
Das alte Wahre fass’ es an.
Der ihr die Sonne zu umkreisen
Und dem Geschwister wies die Bahn.
Sofort nun wende dich nach innen,
Das Centrum findest du da drinnen
Wirst keine Regel da vermissen,
Denn das selbstständige Gewissen
Ist Sonne deinem Sittentag.
Wenn dein Verstand dich wach erhält.
Mit frischem Blick bemerke freudig,
Und wandle, sicher wie geschmeidig,
Durch Auen reichbegabter Welt.
Vernunft sey überall zugegen
Wo Leben sich des Lebens freut.
Dann ist Vergangenheit beständig,
Das Künftige voraus lebendig,
Und war es endlich dir gelungen,
Und bist du vom Gefühl durchdrungen:
Was fruchtbar ist allein ist wahr;
Du prüfst das allgemeine Walten,
Geselle dich zur kleinsten Schaar.
Und wie von Alters her, im stillen,
Ein Liebewerk, nach eignem Willen,
Der Philosoph, der Dichter schuf;
Denn edlen Seelen vorzufühlen
Ist wünschenswerthester Beruf.