Venus Anadyomene
[204]
VENUS ANADYOMENE
Das ist die alte Stimme wieder,
aus langen Träumen jung erwacht;
sie sang die allerersten Lieder,
trunken und schüchtern, – sie singt und lacht:
wiegte die Glut zwei Pfauenaugen,
blühend roch die brütende Leere;
tief im grünen Roggenmeere
lag ein Knabe mit blauen Augen.
noch alte Furcht und fremde Scham,
als du noch keine Seele hattest,
die nur aus Deinem Blute kam.
Aber du sahst die Falter leuchten,
träumte dir von zwei dunkelfeuchten
Augen, und die sahst du leuchten
unter bunten, flatternden Schleifen.
[205] Das war die Zeit des Schaums der Säfte,
vieltausendjährige Ueberkräfte
erregten schwellend einen Keim;
ahntest unterm andern Kleide
andre nackte Glieder klopfen,
in die einsam heiße Haide
quoll ein erster Samentropfen.
Das that die Sehnsucht dieser Erde,
die opfernd um die Sonne schweift;
beichte! die Sprache der Mannheit reift.“