Unterwegs (Die Gartenlaube 1885)
[104] Unterwegs. (Mit Illustration S. 93.) Eine eigene Sache ist’s mit dem Urlaub im Herrendienste, denn dieser ging in der „guten alten Zeit“, wie männiglich bekannt, zuweilen „vor Gottesdienst“. Und doch hat Franz, der Reitknecht des gnädigen Herrn, Urlaub, denn daheim heirathet seine Schwester, die blonde Liese, Nachbars August. Ja, nicht einmal zu Fuß braucht er die fünf langen Stunden Weges abzumachen, er durfte einen Ackergaul nehmen. Zwar ist’s ein „Werfer“, man fliegt im Sattel drei Fäuste hoch, und schwer ist er auch im Trabe mit seinen gewaltigen Knochen. Aber was thut’s, Franz nimmt eine Hetzpeitsche, und die großen Sporen an den langen Reiterstiefeln werden das Weitere besorgen. Nun noch den Hochzeitsstrauß an den Hut, den reinen weißen Hemdenkragen weit übers Kollet geschlagen, und mit Hussa gehts los, gefolgt von Diana und Nimrod, die anzunehmen scheinen, daß ihre Begleitung von der Hetzpeitsche unzertrennlich sei. Eilig hat’s der Franz, sehr eilig.
Gleichwohl aber macht er eine kurze Rast auf dem Wege, denn des Schenkwirths muntere, dralle Tochter stand, als er vorüber reiten wollte, gerade am Brunnen und lud ihn ein, sich und seinem Rosse einen Trunk zu gönnen, und – das Mädel war gar so hübsch; er konnte nicht anders.
Jetzt steht er denn bei der ländlichen Schönen, die dienstbeflissen dem durstenden Rosse seinen vom Nimrod beneideten Trank reicht, und macht ihr einige „Flattusen“, welche die hübsche Wirthstochter – obgleich sie in halber Verlegenheit den Blick abwendet – ihrem Lächeln nach zu schließen, nicht ungern zu hören scheint. Die Antwort aber, welche sie dem Franz giebt, scheint gerade nicht darnach angethan, denselben daran zu mahnen, daß er höchstens fünf Minuten Rast machen wolle. Ob Franz unter diesen Umständen am Ende gar zu spät oder – gar nicht zur Hochzeit reitet?