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Ulrich von Hutten (Karl Henckell)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Karl Henckell
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Titel: Ulrich von Hutten
Untertitel:
aus: Karl Henckell: Gesammelte Werke Bd. 2 München 1921 S. 67–70
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum: 1883-1886
Erscheinungsdatum: 1921
Verlag: J. M. Müller
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Erscheinungsort: München
Übersetzer:
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Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung: Gedicht über den Humanisten Ulrich von Hutten, begraben auf der Insel Ufenau im Zürichsee
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[67]
 Ulrich von Hutten
 Ufenau

Ein Vöglein zwitschert. Eine Wespe brummt.
Sonst regt kein Laut sich. Alles scheint verstummt.
Verloren tiefe, träumende Mittagsruh –
Im Schatten lagr’ ich lässig. Hier hast du,

5
Vieledler Held, dein Tagewerk beschieden

Und fandest Frieden, müder Kämpfer, Frieden.
Mit deinem letzten Hauch hast du geweiht
Die Einsamkeit.

Das Kirchlein, die Kapelle schaun mich an:

10
Hier betete der schwergeprüfte Mann.

Die Wiesenblumen nicken fernen Gruß:
Hier ging, hier wandelte sein siecher Fuß.
Hier glitt, lichtarm, dann trüber, immer trüber,
Sein Leben noch an seinem Blick vorüber,

15
Hier zuckte sein gequältes, müdes Herz

Im Todesschmerz.

O Hutten, selig unglückseliger Held,
Schwertlilie auf der Freiheit Blütenfeld!
Du brachst, an Mut als Knabe schon ein Mann,

20
Der Klosterschule starren Geistesbann.

[68] Von Fulda irrtest du in deutschen Gauen,
Ein Bild des Elends, jammervoll zu schauen.
Weh! dich befiel, das Schuld und Unschuld trifft,
Der Seuche Gift.

25
Verfemt vom Vater, ohne Heim und Rast,

Beladen mit des Unglücks Riesenlast,
Gemeiner Söldner, Bettler, hin und her
Gejagt, gehetzt fern über Land und Meer,
Mit Pest und Schiffbruch, Feindeswut geschlagen,

30
Und dennoch Sieger! Todgewaltig Wagen

Riß auf des Lebens Kuppe dich empor
Aus Nebelmoor.

Da trat das Glück, die schöne Schmeichlerin,
Mit ihrem Rosenstrauße vor dich hin.

35
Der Vater starb, du durftest Erbe sein,

Die gute Mutter weinte: „Werde mein!“
Zum Dichter krönt’ in Augsburg dich Konstanze
Holdlächelnd mit des Ruhmes Lorbeerkranze,
Die Anmut lockte: „Wilder Pilgrim du,

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Süß ist die Ruh.“


Zurück! Hinweg! Wer war wie du so treu?
„Ich habs gewagt und trag des noch kein Reu.“
Die Sache rief, dein Los nahm seinen Lauf:
„Wach auf, du edle Freiheit, wache auf!“

45
[69] Ein Falk warst du, kein girrend schwacher Täuber,

Stoßfertig auf den römischen Straßenräuber;
Von eurer Ebernburg Empörersitz
Schoß Blitz auf Blitz.

O dreimal edles deutsches Freundespaar,

50
Gesellt in gleicher Liebe und Gefahr,

Franz Sickingen und Ulrich Hutten – Geist
Und kühne Waffenführerschaft verschweißt!
Wie durftet ihr in trotzigen Entwürfen
Der freien Tatenfreude Wollust schlürfen!

55
Rag vor, Herberge der Gerechtigkeit,

In diese Zeit!

Kalt niederlächelte der Kaiserthron –
Da schuft ihr sie, die Revolution.
Mit Bürger, Bauer wider Fürstenmacht

60
Und unfehlbare Pfaffenniedertracht.

Da schlugt ihr los – und schlugt zu früh. Verderben!
Auf Landstuhl, Franz, das war ein traurig Sterben.
Es irrt der Freund umher im Schweizerland,
Qualübermannt.

65
Hilflos armseliger Flüchtling – dich verriet

Der Basler Studienfreund. Ihn preist kein Lied.
Erasmus, deine feine Bildung war
Der feinern Bildung des Gemütes bar;
[70] Riet dir dein Griechisch denn so arge Listen,

70
Zu scheun den armen Bruder Humanisten?

Gelehrter Mann, lieh dir dein Wissen Macht
Zur Niedertracht?

Ein Zornschrei noch, ein glühender, für das!
Die Feder tauchtest du in heiligen Haß.

75
Zu Zwingli schlepptest du dich todkrank fort,

Der wies dir deinen letzten Ruheport.
Hier starbst du, hier umstürzte deine Zeder,
Man fand kein Buch, Gerät, nur eine Feder –
Schriftsteller Ulrich Hutten, niemals feil,

80
Heil, Toter, Heil!