Zum Inhalt springen

Ulinger

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Ulinger
Untertitel:
aus: Deutscher Liederhort,
S. 93–94
Herausgeber: Ludwig Erk
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Th. Chr. Fr. Enslin
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google und Wikimedia Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[93]
28b. Ulinger.
(Flieg. Bl. 8. 4 Bl. „Ein hübsch Lied von dem Blinger.“ Am Ende: „Gedruckt zu Nürnberg, durch Friedrich Gutknecht.“ Zwischen 1554 und 1580.)
1.
Gut Ritter der reit durch das Ried,

er sang ein schönes Tagelied,
er sang von heller Stimme,
daß in der Burg erklinget.

2.
Die Jungfrau an dem Laden lag,

sie hört gut Ritter singen:
„Ja wer ist der da singet?
mit dem will ich von hinnen.“

3.
‚‚‚O Jungfrau, wöllt ihr mit mir gahn?

ich will euch lernen was ich kann,
ich will euch lernen singen,
daß gegen der Burg thut klingen.‘‘‘

4.
Die Jungfrau in ihr Schlafkammer trat,

ihr gelbes Haar sie in Seiden band,
sie kleidt sich in Silber und rothes Gold
gleich wie Eine die von hinnen wollt.

5.
Er schwang sein grünen Schild neben ihn,

sein schöne Jungfrau hinter ihn,
er eilet also balde
zu einem grünen Walde.

6.
Und da sie in den Wald ein kam,

und da sie leider Niemand fand
dann nur ein weiße Tauben
auf einer Haselstauden:

7.
Ja hör und hör, du Friedburg,

ja hör und hör, du Jungfrau gut!
der Ulinger hat eilf Jungfrauen gehangen,
die zwölft hat er gefangen.

8.
„Ja hör so hör, du Ulinger,

ja hör so hör, du trauter Herr!
was sagt die weiße Tauben
auf jener Haselstauden?“

9.
‚‚‚Ja jene Taube leugt mich an,

sie ficht mich für ein Andern an,
sie leugt in ihren rothen Schnabel;
ach schöne Jungfrau, reit fürbaß!‘‘‘

10.
Er breit sein Mantel in das Gras,

er bat sie, daß sie zu ihm saß;
er sprach: sie sollt ihm lausen,
sein gelbes Haar zerzausen!

11.
Er sach ihr unter die Augen da:

‚‚‚Was weinet ihr, schöne Jungfrau?
weint ihr um euern traurigen Mann?
ich hab euch nie kein Leids gethan.‘‘‘

12.
„Ich wein nicht um mein traurigen Mann,

ihr habt mir nie kein Leids gethan,
ich sich dort einher reiten
ein große Schaar mit Leuten.

13.
„Ja willt du zu ihn reiten,

oder willt du mit ihn streiten?
oder willt du von der Liebe stahn,
dein Schwert zu beiden Händen han?“

14.
‚‚‚Ich will nicht zu ihn reiten,

ich will nicht mit ihn streiten,
ich will wol bei der Liebe stahn,
mein Schwert zu beiden Händen han.‘‘‘

15.
Sie reit ein wenig baß hindan,

und da sie leider Niemand fand
dann nur ein hohe Tannen,
daran eilf Jungfrauen hangen.

16.
Sie wand ihr Händ, rauft aus ihr Haar,

sie klagt Gott ihr Leid offenbar:
„Ich bin so ferr in tiefem Thal,
daß mich kein Mensch nit hören mag.

[94]
17.
„So bitt ich dich, mein Ulinger,

so bitt ich dich, mein trauter Herr,
du wöllest mich lassen hangen
in Kleidern da ich in gange!“

18.
‚‚‚Das bitt mich nit, du Friedburg,

das bitt mich nit, du Jungfrau gut!
dein schwarzer Rock und Scharlahmantel
staht meiner jungen Schwester wol an.‘‘‘

19.
„So bitt ich dich, du Ulinger,

so bitt ich dich, du trauter Herr,
du wöllest mir erlauben
ein Schrei zween oder dreie!“

20.
‚‚‚Das solle dir erlaubet sein,

du bist so ferr in tiefem Thal;
du bist so ferr in tiefem Thal,
daß dich kein Mensch nit hören mag.‘‘‘

21.
Den ersten Schrei und den sie thät:

„Hilf Jesu, Marie Sohne!
und kommst du nicht so balde,
so bleib ich in diesem Walde.“

22.
Den andern Schrei und den sie thät:

„Hilf Maria, du reine Maid!
und kommst du nicht so behende,
mein Leben hat schier ein Ende.“

23.
Den dritten Schrei und den sie thät:

„Hilf allerliebster Bruder mein!
und kommst du nicht so drate,
mein Leben würd mir zu spate.“

24.
Ihr Bruder über den Hof einreit

und Einer zu dem Andern seit:
„„Mich dunkt in allem meim Sinne,
ich hör meiner Schwester Stimme.““

25.
Er ließ seinen Falken fliegen,

er ließ seine Winde stieben,
er eilet also balde
zu einem finstern Walde.

26.
„„Was thust du hie, mein Ulinger,

was thust du hie, mein trauter Herr?““
‚‚‚So stand ich hie und wind ein Wied,
daran ich meinen Fohlen bind.‘‘‘

27.
„„Und stahst du hie und windst ein Wied,

da du dein Fohlen an binden willt,
so red ichs auf die Treue mein:
du sollt mir selber der Fohlen sein!““

28.
‚‚‚So bitt ich dich, mein Friedburger,

so bitt ich dich, mein trauter Herr,
du wollest mich lassen hangen
in Kleidern da ich jetz stande!‘‘‘

29.
„„Das bitt mich nicht, du Ulinger,

das bitt mich nicht, du falscher Herr!
dein schwarzer Rock und Scharlahmantel
staht meinem Kuchenbuben wol an.““

30.
Er schwang sein grünen Schild neben ihn,

sein schöne Schwester hinter ihn,
er eilet also feste
da er seins Vaters Königreich weste.

1. Reit, ritt. Tagelied, Morgenlied auf das Scheiden zweier Geliebten beim Anbruch des Tages. – 3. gegen, s. S. 5. – 5. ihn, sich. – 9. sicht, sieht. fürbaß, mhd. fürbaz, fürder, hinfort (baz, besser, Comp von wel). – 11. sach, sah. – 16. ferr, mhd. vërre, fern, weit. – 17. gange, gehe. – 18. In: Scharlah ist statt der Aspirata die Spirans gesetzt, ähnlich wie in sah und sach, oder wie im ahd. und mhd. joh und joch, noh und noch. – 23. drate, mhd. drâte, schnell, alsbald. – 26. stand, stande, (ich) stehe. Wied, mhd. wit, f., Reis, Zweig, besonders von zähem Holze zum Binden. – 30. weste, mhd. wëste, wußte.