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Ueber die Pfuscher-Sprache des Pseudo-Esperanto

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Autor: Johann Martin Schleyer
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Titel: Ueber die Pfuscher-Sprache des Pseudo-Esperanto
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Erscheinungsdatum: 1900
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Erscheinungsort: Konstanz
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Ueber die
Pfuscher-Sprache
des
Pseudo-Esperanto.
794.

Sämtliche Nachäffungen des Volapük sind, wie dessen Vorläufer, so ziemlich alle wieder von der Bildfläche der öffentlichen Beachtung und Anwendung verschwunden. — Nur das ‚Esperanto‘ des Herrn S. i. W. spukt und vegetirt noch hie und da etwas in unklaren, befangenen Köpfen. Und doch ist nun auch dessen Organ, das Blatt ‚Lingvo internacia‘ in Upsala (Schweden) bereits eingegangen und ad acta gelegt. — Es langweilt uns daher unendlich, noch etliche Worte über das ‚Esperanto‘-Kauderwelsch zu verlieren. Doch wollen wir es hiemit nocheinmal (hoffentlich zum letztenmale) tun, weil uns einige allzu ängstliche Vpns. dazu aufforderten. —

Vergleichen wir in 30 Punkten das Volapük mit ‚Esperanto‘: so ergibt sich jedem Unparteiischen und Vorurteilsfreien folgendes als Resultàt dieser Vergleichung:

  1. Vp. setzt keine Kenntnis anderer Sprachen voraus, als nur die grammatikalische Kenntnis seiner Muttersprache. — Esp. aber setzt die Kenntnis von wenigstens 2 bis 3 romanischen … Sprachen neben der Muttersprache voraus, und ist eigentlich nichts anderes, als ein Sammelsùrium, Mischmasch und Kauderwelsch aus 2–3 entstellten romanischen … Natùrsprachen.
  2. Vp. ist bedeutend kürzer, als Esp. Denn, wo das Vp. nur 4 Zeilen braucht, benötigt Pseudo-Esperanto’s Pfuschersprache 6–7 Zeilen, und in einem von den Esperantisten selber ausgewählten und abgedruckten Probesatze enthält die Pseudo-Esperanto-Sprache 24 Wörter; dagegen Volapük nur 17; Volapük also in einem einzigen Satze 7 Wörter weniger, was doch gewiss fürs Telegrafiren, Postkartenschreiben, Drucken und Stenografiren viel heißen will. Sonach ist Esp. eine reine Schwätzersprache, wie manche modérne, und ist also im Telegrafiren … die reinste Verschwendung.
  3. Das Spitzwinkelzeichen über den 5 Buchstaben c, g, h, j, s ist sehr hässlich, genìrend, und slavisch im Esp.; ebenso das Kürzezeichen über dem u (z. B. in aud …). Vp. hat nichts dergleichen nötig, und gebraucht Aehnliches nur, um Natursprachwortlaute zu erklären, nicht aber im wirklichen Vp.
  4. Die vielen Wort’teilungsstriche auf den Esp.-Wörtern, z. B. im Worte libr'óten'antó … sind sehr unschön und störend.
  5. Die Lesung aller Wörter ist im Vp. sehr sicher und bestimmt. Im Esp. aber weiß man nicht, ob man z. B. lingv lesen soll: ling’v oder lin’gv, oder lin’gvo
  6. Der Laut ch (c͜h) hat in einer Allsprache keine Berechtigung, da er seltener in Natursprachen vorkommt, und für manche schwer auszusprechen ist, z. B. für Franzosen … Darum ließ ihn Vp. fallen. — Esp. aber hat ihn, und zwar als h mit einem Spitzwinkelzeichen oder Dächlein über sich.
  7. Ebenso überflüssig sind des Esp. Buchstaben und Laute sh und tsch. — Dafür hat Vp. einfach nur j und c.
  8. Desgleichen ist jeder Ablativ in einer Allsprache zu tadeln. — Esp. aber spricht davon.
  9. Vp. duldet nur 2 Konsonanten nebeneinander. — Esp. hat 3–6 solche unmittelbar nacheinander, z. B. kompreneble, sanktan, kontrau, obstinaj, ekstrem, fingrn, membrjn, schtrumpjn, orandschjn … Soviele Konsonanten aber unmittelbar nacheinander können eine Sprache nur hässlich und schwer aussprechbar machen.
  10. Vp. duldet keine gleichen Konsonanten oder Vokale nebeneinander. — Esp. hat solche, z. B. grenn, dissaltos, mallonga …
  11. Diphthonge sind in einer Allsprache überflüssig, und werden allzu verschiedentlich ausgesprochen. Vp. hat sie darum verschmäht. — Esp. besitzt solche, z.B. adiau, aud, auskult, nau … (hässlich!).
  12. Eine Sprache aber ohne alle Umlaute tönt einförmig, hart und langweilig mit ihren ewigen dumpfen u und o, oder dem breiten a und spitzen i … Eine Sprache mit Umlauten ist mannigfaltiger, wohltönender, klangreicher, tonfarbenprächtiger, und ermöglicht einen viel größeren Wortreichtum und kürzere Wörter, sowie sich ähnliche transitive und intransitive Verba … Vp. hat darum Umlaute; — Esp. keine.
  13. Vp. legt den Ton, den Akzént immer auf die letzte Silbe, und verhütet so die Abschleifung und das allmähliche Verlorengehen seiner wichtigen Endsilben. — Esp. kann dies nicht verhüten; denn es verlegte den Ton auf die vorletzte Silbe.
  14. Vp. hat nur einen bestimmten Artikel, und dieser ist nur selten nötig (el). — Esp. hat deren 2, nämlich la und l’.
  15. Vp. hat auch einen unbestimmten Artikel, der zwar nicht immer, aber doch zuweilen nötig ist. — Esp. hat keinen solchen.
  16. Vp. hat nur wirkliche Kasùs zum Deklinìren, keine Vorwörter, die (zweideutig) als Kasus dienen müssen. — Esp. zieht, um den Wessen- und Wemfall darzustellen, die Vorwörter de und al herbei, was Wortverschwendung ist.
  17. Vp. besitzt nur eine Form für je einen Beugfall. — Esp. hat für den Wessenfall de und da.
  18. Das Wort ili als Mehrzahl von li ist im Esp. ganz ínkonsequént, weil sonst die Mehrzahl im Esp. der Buchstabe j ist. Wie dieses j aber auszusprechen sei, weiß man nicht. — Solche Inkonsequenzen findet man in Vp. nicht.
  19. Vp. hat nur eine Endung für Weibliches (of); — Esp. aber überflüssigerweise zwei, nämlich in und nj. Wie man aber nj liest, wird nicht gesagt, ebensowenig, wie dieses: ob man die Endung –ing lese, wie das deutsche –ing im Worte Ding, oder wie in’g. — Der schwierige und seltenere Laut ng aber gehört in keine Allsprache, ebensowenig wie die Nasal’laute im Französischen (mon, on …). Sagen doch selbst manche Deutsche lieber Bemerkunk, als Bemerkung. —
  20. Vp. braucht keine 2 Wörter zur Steigerung der Eigenschaftswörter. — Esp. sagt: pli blanka und plei blanka für viedikum, viedikün (weißer, am weißesten).
  21. Die Wörter schi (sie) und oni entnahm Esp. vom Vp., resp. vom Englischen und Französischen; ebenso entlieh Esp. die Endung an vom Vp.
  22. Infinitiv und Plural sind im Vp. grundverschieden, und niemals verwechselbar (—ön und —s). — Im Esp. können sie leicht verwechselt werden (in Schrift und Ohr); denn sie lauten sehr ungeschickt: i und j.
  23. Der Konjunktiv und der Konditionalis gelten dem Esp. als einerlei Modus; denn für beides soll die Endung -us gelten. – Im Vp. sind beide durch die 2 verschiedenen Endungen -la und -öv streng geschieden.
  24. Die vielen Einschiebungen von Suffixen mitten in die Wörter machen im Esp. die betreffenden Wörter sehr schwer verständlich und unklar, oder leicht verwechselbar… z. B. babilado, faronta, kredinda, triobla … Vp. dagegen hat nur Präfixa und Suffixa mit bestimmter Bedeutung, ohne Einschiebungen in die Mitte einfacher Wörter. –
  25. Die Endung -um wird im Esp. erklärt als ein »Suffix von verschiedener Bedeutung«. Was aber eigentlich damit bezweckt werden soll, wird nicht angegeben. Solcher Unklarheiten würde sich Vp. wirklich schämen. – –
  26. Esp. verlangt, von einem Worte, das aus 3 Wörtern besteht, solle jedes einzeln im Wörterbuche aufgesucht werden. Welch eine Umständlichkeit und Zeitrauberei!! — So etwas kommt im Vp. nicht vor.
  27. Vp. hat lauter klarbestimmte Vorwörter ohne 2–6 Bedeutungen. Esperanto’s unbestimmtes Vorwort je ist durchaus unklar und unbrauchbar. — Man sieht, dass Herr S. i. W. bedeutend weniger Sprachstudien gemacht hat, als der Ersinner des Vp. —
  28. Rein lateinische … Wörter einfach in eine Pfuschersprache nur so herübernehmen, wie homo, sed, u. dgl., das kann jeder Sprachen-Pfuscher, der sich die Sache leicht machen und etwa nur Geld verdienen will, und das haben vor S. schon viele andere Vp.nachäffer unternommen, jedoch auch erfolglos.
  29. Die Wörter des Vp. sind alle gut und leicht aus’sprechbar, da das rasselnde, harte, knöcherne r … darin sehr vermieden ist, schon der asiatischen … Völker wegen. – Im Esp. aber kommen sehr viele harte, schwer auszusprechende Wörter vor, z. B. mit tschj und dergleichen harten Lautverbindungen, nämlich ajljn, akv’, ankrjn, bestn, borsn, brantschn, doltschn, ekscit, estr, kajln, haladzn, kadrn, kankrn, kaprn, kavernjn, kovertjn, membrjn, Mitschjn, ojstrjn, onkljn, orandschjn, ostrjn, palpebrjn, perdrikjn, pingljn, plastrjn, popljn, poschtjn, pugnjn, pulmjn, punktjn, rangjn, ringjn, salajrjn, sciencjn, semajnj, sojljn, spongjn, sturnjn, schinkjn, schtrumpjn, schultrjn, tigrjn, ulnjn, ungjn, vaksjn, ventrin, vintrjn … Man sieht: Esp. stammt aus Polen; das Vp. dagegen ersann ein Musikkenner, Tonsetzer und Dichter. –
  30. Aus allen Vergleichungen des Vp. mit seinen Nachäffern und Vorläufern geht nun klar dieses hervor: Am Vp. hat ein guter Genius, der zu großen und tiefen Sprachstudien antrieb, sich geoffenbart und bestätigt; an den Sistèmen seiner Äffer aber die bloße Willkür, Laune und das benausische, niedrige Streben, sich einen Namen oder Geld … zu verschaffen. – Darum schossen diese Nachäffereien wie Pilze übernacht aus dem Boden dumpfer Gehirne, und verschwanden rasch wieder.

Schlussfolgerung. Wer demnach eine kostspielige, zeitraubende, unbrauchbare und unschön klingende Sammelsurium-, Mischmasch- und Schwätzer-Sprache liebt: der lerne die prahlerisch ausposaunte Reklamesprache des Pseudoesp. oder andere Nachäffersprachen des Vp.! – Wer dagegen eine wirklich rasch erlernbare, Zeit, Raum, Mühe und Geld ersparende, kräftig und voll klingende und ohne Reklame eingeführte wirkliche Welt- oder Allsprache, eine weitverbreitete, einfache, kurze und praktische Denkersprache will: der lernt freudigst Volapük und bleibt bei Volapük, das von Tag zu Tag auf der ganzen Erde immer größere Verbreitung findet und nahezu 1800 diplomìrte Lehrer und Lehrerinen besitzt.