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Ueber die Hoffnungen deutscher Industrie auf einen Handelsverkehr mit China

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Textdaten
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Titel: Ueber die Hoffnungen deutscher Industrie auf einen Handelsverkehr mit China
Untertitel:
aus: Illustrirte Zeitung, Nr. 6 vom 5. August 1843, S. 87–88
Herausgeber: Johann Jacob Weber
Auflage:
Entstehungsdatum: 1843
Erscheinungsdatum: 1843
Verlag: J. J. Weber
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: MDZ München, Commons
Kurzbeschreibung:
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Ueber die Hoffnungen deutscher Industrie auf einen Handelsverkehr mit China.

Durch die Siege Englands in China ist dieses unermeßliche Reich, das mehr Einwohner zählt, als ganz Europa, wider des Kaisers und seiner Mandarinen Willen genöthigt worden, seine Häfen dem Handel mit den Fremden, die früher mit dem Ehrentitel „rothborstige Barbaren“ belegt wurden, zu öffnen. Zunächst genießt allerdings England die möglichen Vortheile des sich entwickelnden Handels; es ist inzwischen zu hoffen, daß dasselbe auch andere Nationen an demselben wird Theil nehmen lassen, und zwar vornehmlich aus dem schlagenden Grunde, weil es diese Handelstheilnahme, ohne Krieg zu führen, nicht wird verhindern können. Es ist daher allen Schiffen der Weg aufgethan, China’s Häfen zu besuchen und zu versuchen, ob dort mit Vortheil zu kaufen und zu verkaufen sein wird. – Sollte Deutschland nun ein ruhiger Zuschauer dieses sich aufthuenden Verkehrs bleiben, während Amerika und Frankreich, Holländer und Portugiesen insbesondere sich rüsten, mit England in Handelsmitbewerbung zu treten? Wir hoffen nicht, glauben vielmehr, daß nicht allein unsere Hansestädte und die preußischen Handelsvereine nach Kräften thätig sein werden, sondern daß auch von Triest aus und endlich sogar auf dem Landwege sich indirecte Handelsbeziehungen mit China anknüpfen lassen werden.

Sobald es möglich sein wird, gewisse Industrieerzeugnisse Deutschlands, über die wir weiterhin einige Andeutungen geben werden, mit Nutzen in China zu verkaufen, wird es sicher Rechnung geben, directe Verschiffungen von Hamburg und Bremen zu bewirken, um dagegen chinesische Producte, zunächst Thee und Seide, vielleicht später noch andere Erzeugnisse, die der Handel nach und nach ans Tageslicht bringt, zurück zu bringen. Triest wird einerseits direct ums Vorgebirge der guten Hoffnung, andererseits aber auch über Suez verschiffen können. Schon hat vor Kurzem die östreichische Brigg Pylades eine Ladung Thee, Reiß und Indigo, welche von Indien nach Suez durch das indische Schiff: Bengalen, und von Suez nach Kairo auf Kameelrücken gebracht wurde, von Alexandria nach Triest geführt. – Dies giebt den Beweis, daß deutsche Waaren über Ostindien nach China, statt sie lange in holländischen, englischen und Hamburger Speichern aufzulagern, in der kurzen Zeit von zwei Monaten nach Ostindien geschafft werden können. Daß über Rußland, welches mit China einen lebhaften Tauschhandel treibt, so wie über Persien, wo allem Vermuthen nach früher schon Handelsverbindungen mit China bestanden, sich Geschäfte machen lassen werden, ist nicht unmöglich. Allerdings dürfen wir von Rußland nicht zu viel erwarten, da dieses große Reich Handel und Industrie wohl für die eigenen Einwohner mit allen Kräften zu befördern sucht, inzwischen alle fremde Mitbewerbung so viel wie nur immer möglich von sich abhält.

Kenner des chinesischen Handels, unter andern der preußische Generalconsul O’Swald in Hamburg, sind nicht ohne Hoffnung für Entwicklung eines gedeihlichen Handelsverkehrs zwischen Deutschland und China, ohne sich gerade zu übertriebenen Hoffnungen hinzugeben. Letzterer sagt unter Anderem: „Ich hege eine vollkommen günstige Meinung für die allmälige Entwicklung der deutsch-chinesischen Handelsverhältnisse, welche mit der nothwendigen Unterstützung der betreffenden Regierungen und unter richtiger Auffassung und Benutzung der Verhältnisse selbst zu einer großen und imposanten Ausdehnung gelangen, und das materielle Wohl Deutschlands, welches in vielen Artikeln der Concurrenz Englands siegreich entgegenzutreten fähig ist, und alle Elemente, vorzugsweise vor anderen europäischen Staaten, England ausgenommen, zu einem lebhaften Verkehr mit China in sich trägt, auf eine hohe Stufe des Gedeihens führen können.“ – Um dahin zu gelangen, sind inzwischen nicht geringe Anstrengungen und nicht gewöhnliche Ausdauer vonnöthen. Auf ein Entgegenkommen von Seiten Englands, deutschen Gewerbserzeugnissen Eingang in China zu verschaffen, ist auf keine Weise zu rechnen. Selbst wenn deutsche Waaren besser und wohlfeiler wie englische sind, nimmt der englische Kaufmann Anstand, sich jener zur Verschiffung zu bedienen, und – für Geld – sind die Kosten der Verschiffung und der Rücksendung über England zu groß, um auf diese Weise mit China zu verkehren. Es kann daher nur von Deutschland geradaus geschehen. Es ist dies auch um so nöthiger, weil nur durch eigene Anschauung die deutschen Geschäftsleute den chinesischen Markt kennen und beurtheilen zu lernen im Stande sind, und weil viel [88] darauf ankommt, die Waare dem chinesischen Geschmack angenehm zu machen, und zwar ohne Frage weit mehr ankommt, als auf den Preis. Die einer Kundschaft angenehme Aeußerlichkeit besiegt die Mitbewerbung viel eher, als die Innerlichkeit der Waaren; erstere aber herzustellen kostet weniger, als die Erzielung dieser.

In der Würdigung und angemessenen Ausführung dieses Erfahrungssatzes beruht ein großes Geheimniß der englischen überwiegenden Concurrenz.

Deutschland fabricirt viele Artikel, in denen man England die Spitze bieten kann, und höchst wahrscheinlich sind dies glücklicher Weise solche Artikel, welche in China Aufnahme finden können. – Glatte wollene Waaren, Tuche, feine Thibets, Mousseline, Linnen, Bijouterie-Artikel, Uhren, Stahlwaaren, Musikinstrumente, Stickereien, vielleicht auch baumwollene oder leinene Strümpfe dürften wohl Artikel sein, welche zunächst von Deutschland mit einiger Sicherheit des Erfolgs abzurichten wären. – Ob es möglich ist, die Starrheit des chinesischen Geschmacks bis zu dem Grade zu erweichen, daß unsere europäische Mode einigen Eindruck machen kann, ist allerdings nicht im Voraus zu sagen. Unwahrscheinlich ist es inzwischen nicht. Die Neigung des Menschen zur Abwechselung ist nicht ganz zu unterdrücken. Sehen wir doch, wie nach und nach die festgewurzelten Nationaltrachten unter uns doch der Mode eine Einwirkung auf sich gestatten. Sollte dies in China ganz und gar anders sein, wo die Frauen ganz besonders viele Sorgfalt auf ihr Aeußeres wenden und die Männer nicht minder an Prunk und Aeußerlichkeiten Gefallen finden? Die europäische Civilisation wird zwar langsam aber sicher ihren überwältigenden Einfluß auch auf China zu äußern nicht verfehlen, nachdem seine lang behauptete luftdichte Absperrung einmal durchbrochen ist. Dem Handelsgeist wird es vorbehalten bleiben, die gewonnenen Erfolge sofort für die heimische Industrie nützlich weiterzuführen. – Fragen wir nun endlich, was in Deutschland geschehen, um die Hoffnungen deutschen Handels und deutschen Gewerbfleißes auf China der Erfüllung näher zu bringen, so ist die Antwort nicht ganz unbefriedigend. Erste Schritte sind bereits gethan, und die betreffenden Regierungen zeigen regen Eifer, was an ihnen liegt, zu thun, um die nächsten Wege anzubahnen. Von Triest aus sind bereits Agenten unterwegs. Ein Hamburger Haus, Andreson & Höber ist im Begriff, eine Commandite in irgend einem der fünf bis jetzt offenen chines. Häfen, wahrscheinlich in Hong-kong, zu errichten; denn diese Insel wird unstreitig, wenigstens noch für einige Zeit, den Hauptniederlagplatz für die ausländischen Waaren bilden, und von dort aus wird man die anderen Häfen erforschen. Hong-kong hat sich in sehr kurzer Zeit so gehoben, daß die früher kaum der Erwähnung werthe Bevölkerung bis auf 21,000 Menschen gestiegen ist. Der Handel mit den anderen Häfen dürfte für den Anfang von hier aus durch schnellsegelnde Schiffe, mit Supercargos und gewandten Capitainen, geführt werden. Ein Associé des genannten Hauses ist bereits über Aegypten nach China abgereist. Das Haus Harkort in Leipzig, in Verein mit Hirzel, betreibt ebenfalls eine Aussendung und hat bereits Fabrikanten, deren Waaren sich für den Markt zu eignen scheinen, zu Mitsendungen ermuntert; auch haben diese Häuser sich erboten, Auskünfte über den Markt anderer Waaren in China, gegen eine mäßige Commission, zu verschaffen. Nicht minder hat sich außer Bremen auch die preußische Seehandlung beeilt, eine Verschiffung nach China zu unternehmen. Es ist von derselben schon zu Anfang dieses Jahres das ihr gehörige Schiff „Prinzessin Louise“, Capitain Rodbertus, nach China abgesendet worden, um die dortigen Märkte kennen zu lernen; auch ist bereits in der Person eines mit dem chinesischen Handel vertrauten rheinländischen Beamten ein Generalconsul designirt, welcher die Handelsinteressen Preußens und des Zollvereines in China vertreten soll, wie sich denn überdies mit Gewißheit erwarten läßt, daß der in den Zeitungen oft genannte, in England viel geltende Missionär Gützlaf, der aus Stettin gebürtig ist, das deutsche Interesse unterstützen wird, soweit es seine besondern Verpflichtungen gegen England gestatten.

Die deutsche Vorsicht und die Beschränktheit des deutschen Eigenhandels über Meer werden nicht zu rasche Erfolge herbeiführen, sondern viele Kaufleute und Fabrikanten nur zunächst Erkundigungen über Bedarf, Geschmacksrichtungen und Preise einziehen – andere sich englischen Unternehmungen anschließen. Nur erst nach und nach werden selbst wohlbegründete Erwartungen zeitigen und zur Frucht reifen; allein es würde thöricht sein, auf ein künftiges mögliches Ereigniß schon jetzt seine Speculationen zu bauen, und diese müssen sich vielmehr, für den ersten Anfang namentlich, ganz der chinesischen Sitte und selbst den chines. Vorurtheilen anschmiegen. Wollen die Deutschen Erfolg haben, so müssen sie die Magnetnadel nach Süden weisen lassen, ihre Strümpfe hiesigen Klumpfüßen anpassen, und eben deshalb ihre eifrigsten Bemühungen auf das Studium chinesischer Art und Weise und auf die Anschaffung chinesischer Muster richten. 67.