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Ueber das Bluten des Rebstockes

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Annalen der Physik und Chemie
Band LXIII, Heft 10, Seite 177–214
Ernst Wilhelm von Brücke
Ueber das Bluten des Rebstockes
Rebtränen
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[177]
I. Ueber das Bluten des Rebstockes;
von Ernst Brücke.

Wenn das warme Frühlingswetter unsere Fluren von Neuem belebt, bemerken wir, daß sich in den Bäumen eine so bedeutende Menge Saft anhäuft, daß derselbe in einigen von ihnen aus gemachten Wunden nicht nur hervorquillt, sondern sogar mit einer bedeutenden Kraft aus ihnen hervorgetrieben wird. Zu dieser Zeit sagen wir der Saft steige, und das Hervorquellen desselben nennen wir das Bluten der Bäume. An diese Erscheinung haben sich zu allen Zeiten für die Physiologie zwei Fragen geknüpft, nämlich die: Welche ist die Kraft, die das Wasser aus der Erde bis in die Wipfel der Bäume hinauftreibt? und welche sind die Wege, die dasselbe hierbei durch Wurzeln, Stamm und Aeste verfolgt? Alle Antworten, welche auf die erste dieser beiden Fragen vor dem Jahre 1826 gegeben wurden, bestanden in todtgeborenen Hypothesen, die nicht einmal die bereits beobachteten Erscheinungen zu erklären vermochten; in dem erwähnten Jahre aber geschah ein plötzlicher und außerordentlicher Schritt in der Pflanzenphysiologie, indem H. Dutrochet sein Agent immédiat du mouvement vital[WS 1] veröffentlichte, ein Werk, das bei allen seinen Irrthümern ein ungeahnetes Licht über ein noch völlig dunkles Feld der Wissenschaft verbreitete. Dutrochet ist nicht der Entdecker der hydro-mechanischen Wirkungen, welche die Diffusion tropfbar flüssiger Körper mit sich führt, aber er hat das hohe Verdienst, dieselben als Ursache des Saftsteigens erkannt zu haben. In Bezug auf die zweite unserer Fragen gaben die von Malpighi [178] und Henshaw entdeckten Spiralröhren sehr bald Veranlassung, sie als wohlgebahnte Wege für den aufsteigenden Saft anzusehen. Dutrochet, der zuerst die Mittel in Händen hatte, diesen Irrthum zu beseitigen, ließ sich durch vorgefaßte Meinungen und durch das Hervorquellen des Saftes aus durchschnittenen Spiralröhren verleiten, in demselben zu verharren. Das Wesentliche seiner Ansichten über die Wege des Saftes (les routes de la sève) besteht darin, daß er, wie Andere vor und nach ihm, zwei Saftarten unterschied, den rohen und den unter andauernder Berührung mit der Atmosphäre bereits elaborirten Nahrungssaft; ersterer sollte in den Spiralröhren (von denen er jedoch die früher sogenannten Tracheen oder echten Spiralröhren als eigenthümliche Organe abtrennt) auf-, der letztere in den Holzzellen, namentlich in den jüngeren, absteigen, und beide sollten sich in allen Theilen des Baumes mit einander diffundiren. Seit jener Zeit wurde die Lehre vom Aufsteigen des Saftes, oder richtiger des Wassers, obgleich für sie eine neue Aera begonnen hatte, wenig gefördert, indem man sich hauptsächlich damit beschäftigte, auszumalen, wie bequem es für den Saft seyn müsse, in den Spiralröhren zu steigen, da ihn hier keine Querscheidewände behinderten, bis endlich Schleiden in seinen „Grundzügen der wissenschaftlichen Botanik“[WS 2] in einer für einen großen Theil der Pflanzenphysiologen nicht eben schmeichelhaften Weise auf das Haltlose der gangbaren Theorien über die Saftbewegung aufmerksam machte. Wenn dieser reichbegabte Naturforscher bei seinen vielfachen anderweitigen Beschäftigungen Zeit gefunden hätte, seine trefflichen allgemeinen Ansichten durch eigene Versuche im Einzelnen zu vervollkommnen und eindringlich zu machen, so würde es seinem kritischen Geiste ohne Zweifel gelungen seyn, der ganzen Lehre vom Aufsteigen des Saftes eine neue Gestalt zu geben; bis jetzt aber scheinen seine rauhen Mahnungen noch kein hinreichendes Gehör gefunden zu haben, [179] indem noch jüngst in der sonst fleißigen und gewissenhaften Preisschrift von Rominger (Botanische Zeitung den 17. März 1843[WS 3]) die Spiralröhren als die das Aufsteigen des Saftes im Frühlinge vermittelnden Organe dargestellt wurden. Ich habe es mir deshalb zur Aufgabe gemacht, so viel, wie in meinen schwachen Kräften steht, über die wahren Wege der in die Bäume hineinsteigenden Wassermasse, über ihre wahren Bewegungen in den verschiedenen Jahreszeiten und deren Ursachen zu erforschen. Was ich in diesem Augenblicke dem Leser vorlege, ist nichts als eine Reihe von Beobachtungen, welche ich in diesem Frühjahre angestellt habe, mit den Folgerungen, die sich aus denselben ableiten lassen; ich habe aber denselben noch einige Bemerkungen voranzuschicken.

Die absolute Wassermenge, welche jeder Baum zu jeder Jahres- und Tageszeit enthält, oder wenigstens, wenn er sie fassen könnte, enthalten würde, ist eine Function dreier fortwährend variirender Größen: der Summe von Anziehung, welche er in allen seinen Theilen auf eine bestimmte Wassermenge ausübt, der Wassermenge, welche mit seinen verschiedenen Theilen in so nahe Berührung kommt, daß die anziehenden Kräfte wirksam werden können, und endlich der Summe von Kräften, welche das Wasser theils aus dem Baume zu entfernen, theils ihm dasselbe vorzuenthalten streben. Jeder Baum enthält ferner in sich eine gewisse Menge Raum in welchem er das Wasser beherbergen kann. Zwischen diesem Raum und der absoluten Wassermenge können drei Verhältnisse stattfinden: entweder das Volumen der absoluten Wassermenge ist kleiner als der Raum, oder sie füllt ihn gerade aus, oder die Wassermenge ist zu groß für den Raum, der Baum vermag sie nicht aufzunehmen, und seine wirkliche Wassermenge entspricht also nicht den actuellen Werthen der drei obigen Variabeln. Wenn man nun aber dem Wasser künstlich einen Ausweg [180] bahnt, so wird es anfangen auszufließen oder vielmehr überzufließen, gerade so wie es aus der Röhre eines Endosmometers ausfließt, nachdem sich dasselbe völlig mit Flüssigkeit angefüllt hat, und dieß wird so lange andauern, bis sich die Function in der Weise geändert hat, daß kein Wasser mehr auszufließen braucht. Es ist jedoch zu bemerken, daß zwar ein Baum, der mehr Wasser anzuziehen sucht, als er beherbergen kann, sich immer im Stadium des Blutens befindet, daß aber keineswegs jeder Baum, der blutet, schon durch und durch völlig mit Wasser angefüllt ist. Dieß hat darin seinen Grund, daß in einzelnen Räumen oft Luft in der Weise eingeschlossen ist, daß sie schwer aus denselben verdrängt werden kann, wie dieses z. B. in dem abgestorbenen Marke der Internodien der Fall ist, theils darin, daß die einzelnen Räume überhaupt unvollkommen mit einander communicirien, so daß einzelne Theile des Baumes schon bluten können, während andere noch nicht vollkommen mit Flüssigkeit erfüllt sind. Da nun die Bäume den ganzen Winter hindurch in allen Höhen bis zum Wipfel hinauf Wasser enthalten, und dieses nur in den verschiedenen Elementargebilden, also wesentlich in den verschiedenen Theilen des Querschnittes, verschieden vertheilt ist, so leuchtet es nach der obigen Auseinandersetzung ein, daß man bei der Betrachtung des Ueberganges aus dem Stadium der Saftarmuth in das des Saftreichthums der Frage: Auf welchem Wege steigt der Saft in die Bäume? einfach die zu substiuiren hat: Wie und in welcher Reihenfolge füllen sich die verschiedenen Elementargebilde des Baumes mit Saft? Zu Anfang des Frühlings sind nur die Lumina derjenigen Zellen völlig mit Saft angefüllt, welche eine größere Menge löslicher vegetabilischer Substanzen enthalten. Dieß sind die Zellen, welche noch in der Vegetation begriffen sind, also die der Knospen, der Anlage des jungen Holzringes und der jüngsten Rindenschicht. In den übrigen Zellen sind [181] meist nur die Wände und die etwa in ihnen abgelagerten festen Substanzen, je nach ihren hygroscopischen Eigenschaften, mehr oder weniger mit Flüssigkeit durchzogen; sobald aber die Metamorphose des Amylons beginnt, bilden sich in denjenigen Zellen, in denen es abgelagert ist, lösliche Substanzen, die Wasser in großer Menge und mit großer Kraft anziehen, und so die Höhle der Zelle mit Flüssigkeit erfüllen. Für die Zufuhr des Wassers sind keine besonderen Gefäße nöthig, in denen der Saft steigt; denn es ist in allen Höhen, ja in jeder Zellenwand vorhanden, und wird fortwährend durch neues ersetzt. Wenn diese Zellen sich mit Flüssigkeit erfüllt haben, so verbreitet sich der Ueberschuß derselben, welchen die kräftige Anziehung der löslichen Substanzen auf das Wasser bedingt, in diejenigen, welche kein Amylum enthielten, und in die Spiralröhren, aber in diese letzteren im Allgemeinen später als in die Zellen, indem das Wasser in einem Aggregat von capillaren Räumen mit benetzbaren oder gar schon von Wasser durchzogenen Wänden immer die engsten Räume zuerst ausfüllt, und erst dann, wenn noch ein Ueberschuß von Wasser vorhanden ist, die weiteren, wie dieses aus der Capillaritätslehre bekannt ist. Nachdem sich nun so die verschiedenen Theile des Baumes, welche überhaupt noch Saft aufnehmen, mit demselben erfüllt haben, beginnt das Stadium des Saftreichthums, in dem wir an einigen unserer Bäume das Bluten beobachten.

In der folgenden Abhandlung, welche die Erscheinung des Blutens von ihrem Anfange bis zu ihrem Erlöschen verfolgt, habe ich den Weinstock als Paradigma gewählt, theils weil sich an ihm die Versuche am bequemsten anstellen lassen, theils weil frühere Beobachtungen über diesen Gegenstand, welche ich mit den meinigen zu vergleichen wünschte, an ihm angestellt worden sind. Alle meine Angaben beziehen sich also speciell auf ihn. Wenn die Erscheinungen erst an einer [182] Pflanze genau und gründlich studirt sind, so wird es leicht seyn, die gewonnenen Resultate durch Versuche an anderen und durch Vergleichung ihres inneren Baues mit dem des Rebstockes zu verallgemeinern, und auch auf die monokotyledonischen Gewächse anderer Länder, welche zum Theil sehr stark und oft das ganze Jahr hindurch bluten, auszudehnen. Für den Anfang habe ich es für nöthig gehalten, unter möglichst einfachen und bekannten Bedingungen zu arbeiten, da dieß der einzige Weg ist, um sichere und exacte Resultate zu erhalten. Ich gehe jetzt zur Beschreibung fremder und eigener Beobachtungen und Versuche in der gehörigen Reihenfolge über, indem ich schließlich bitte, aus denselben keine directen Schlüsse auf die Saftbewegung zu andern Jahreszeiten zu machen, weil dieselben zu wesentlichen Irrthümern führen könnten.

Wenn man im Frühlinge, kurz vor der Zeit, in welcher das Bluten des Rebstockes beginnt, an irgend einer Stelle desselben einen Zweig abschneidet, so findet man, daß alle Zellen des Holzkörpers mit Flüssigkeit durchtränkt sind, zu derselben Zeit aber sind die Spiralröhren bis in die Wurzel hinunter noch völlig leer, oder vielmehr sie enthalten nichts als Luft. Diese Thatsache, von der sich jeder in der entsprechenden Jahreszeit leicht überzeugen kann, schließt von vorn herein jede Hypothese über das primäre Aufsteigen des Saftes in den Spiralröhren aus; denn es wäre wahrlich ein Kunststück, ein Gefäß durch eine Röhre mit Wasser zu füllen, ohne daß dasselbe in sie hineingelangte. Wir werden später sehen, daß die Behauptung, es steige der Saft in den Spiralröhren, sich keineswegs auf falsche Beobachtungen, aber wohl auf unrichtige Deutung des richtig Gesehenen gründet. Wenn man nun Tag für Tag Zweige vom Weinstock abschneidet, so gewahrt man eines Morgens, daß die Schnittfläche nicht wie gewöhnlich nur feucht ist, sondern daß aus ihr etwas Flüssigkeit langsam hervorquillt, [183] und das Bluten hat begonnen. Will man sicher seyn, die ersten Anfänge desselben genau zu beobachten, so muß man mehrjährige Triebe nicht zu hoch über der Erde abschneiden, weil das Ausfließen des Saftes in den höheren Theilen später beginnt als in den niederen, ein Umstand, der später als natürliche Folge der hydrostatischen Gesetze erscheinen wird, und weil sich an den weiteren Spiralröhren der älteren Aeste, die folgende Beobachtung leichter machen läßt, als an den engeren der einjährigen[1]. Man sieht nämlich häufig mit der Lupe und bisweilen schon mit bloßen Augen den Saft ganz deutlich aus den durchschnittenen Spiralröhren hervorquellen, wie dieses schon Dutrochet beobachtete, und wie es jüngst C. L. Rominger (l. c.) genau und vortrefflich beschrieben hat. Der ausfließende Saft ist eine klare farblose Flüssigkeit, deren Gewicht erst in der dritten oder vierten Decimale von dem des destillirten Wassers abweicht[2]. Schon vor mehr als hundert [184] Jahren stellte ein unvergleichlicher Beobachter, Stephan Hales, Versuche über die Kraft an, mit welcher der Saft zu verschiedenen Zeiten aus den Spiralröhren hervorquillt, indem er auf eine, in seinem unsterblichen Werke (Vegetable Staticks or an account of some statical Experiments on the sap in vegetables being an Essay towards a natural history of Vegetation also a Specimen of an attempt to analyse the air by a great Variety of chimico-statical Experiments. London MDCCXXVII[WS 6]) näher beschriebene Weise, Glasröhren auf Stümpfen oder gekappten Aesten von Rebstöcken befestigte, und in ihnen entweder den steigenden Saft unmittelbar, oder die Bewegungen einer Quecksilbersäule, die demselben das Gleichgewicht hielt, beobachtete. Seine Versuche und die daraus gezogenen Schlüsse sind in Kurzem folgende:

Erstens befestigte er am 30. März auf dem ¾ Zoll dicken Stumpfe eines 7 Zoll über der Erde, unterhalb aller Verzweigungen abgeschnittenen Weinstockes ein System von der Länge nach zusammengesetzten Glasröhren, in denen der Saft nach und nach bis auf 21 Fuß stieg. Der Stock war der Abendsonne ausgesetzt, das Steigen war den Tag über am stärksten, besonders zur Zeit der größten Tageswärme, nach Sonnenuntergang ließ es nach, ja der Saft fiel bisweilen um zwei bis drei Zoll.

Zweitens setzte er am 6. April ein doppelt gebogenes [185] Rohr, das zur Hälfte mit Quecksilber gefüllt war, auf den ⅞ Zoll dicken Stamm eines gegen Süden gelegenen Weinstocks, den er zwei und dreiviertel Fuß über der Erde und ebenfalls unterhalb aller Verzweigungen abgeschnitten hatte. Das Quecksilber erreichte am 15. April 7 Uhr Morgens sein Maximum von 32½ Zoll; es fiel bei diesem Versuche jedesmal am Tage um einige Zolle, nur am 17. April bei warmem Regen stieg es den ganzen Tag über.

Hales zieht aus diesen beiden Versuchen den richtigen Schluß, daß das Saftsteigen an sich durch die Tageswärme begünstigt werde, und nur die Verdunstung, die in dem zweiten Versuche wegen der größeren Länge des Stammes größer war, das Quecksilber während eines Theiles des Tages fallen mache. Dieß stimmt vollkommen damit überein, daß, wie schon Dutrochet gezeigt hat, die hydro-mechanischen Wirkungen der Diffusion bei steigender Temperatur wachsen, wenigstens innerhalb der Gränzen, zwischen welchen sich die Variationen unserer Lufttemperatur bewegen. Ich muß übrigens gestehen, daß es mir überaus wahrscheinlich ist, daß bei dem zweiten Versuche der abgeschnittene Weinstock durch die Wurzel mit einem anderen zusammenhing, was bei Spalierstöcken sehr häufig der Fall ist, und worauf Hales wohl keine besondere Aufmerksamkeit richtete, da ihm die möglichen Folgen dieses Umstandes für seinen Versuch wenigstens damals noch unbekannt gewesen zu seyn scheinen. Ich vermuthe dieß deshalb, weil mir das tägliche Sinken, welches am 11., 14. und 16. April 6½ und 6¾ Zoll Quecksilber betrug, viel zu beträchtlich scheint, um der Verdunstung eines alten 2¾ Fuß langen Stammes zugeschrieben zu werden, während, wenn eine Verbindung mit einem andern Stocke stattfand, die Verdunstung dieses ganzen Stockes mit in Betracht kommen konnte, wie sich dieses aus meinen Versuchen ergeben wird.

[186] Drittens befestigte Hales ein Glasrohr, wie das vorige, dicht über der Erde an einen Weinstock von 20 Fuß Höhe (a Vine wich run 20 feet high, was Buffon sehr zum Nachtheile des Verständnisses mit une vigne qui portait un cep de 20 pieds de longueur übersetzt)[3], und das Quecksilber erreichte in ihm ein Maximum von 38 Zoll.

Viertens befestigte er am 4. April drei Röhren auf drei Zweigen eines Weinstockes, von denen der eine ein alter Ast, die beiden anderen zweijährige Triebe waren. Er beobachtete hierbei, daß die Variationen, welche durch Temperaturwechsel und Tageszeiten hervorgebracht werden, sich an dem alten Aste stärker markirten, als an den beiden jüngeren. Mit den drei Maximis von 21, 26 und 26 Zoll Quecksilber, welche er angiebt, läßt sich leider nicht viel anfangen, da man zwar die Höhe des Weinstockes aus der Höhe der Mauer (11½ Fuß), an der er gezogen war, errathen kann, es aber unmöglich ist, die Erhebung der Nullpunkte der Quecksilberflächen über dem Erdboden aus den Angaben von Hales zu bestimmen, indem er nur die Entfernungen der Schnittflächen von der Wurzel, den Stamm und die Aeste entlang gemessen hat, Größen, die, wie wir bald sehen werden, vollkommen unwesentlich sind.

Fünftens machte Hales noch verschiedene Versuche, bei denen er theils eine, theils mehrere Röhren auf Weinstöcken befestigte, über die aber kein hinreichendes Detail vorhanden ist, um die numerischen Resultate mit anderweitigen Beobachtungen zu vergleichen. Er machte dabei folgende Wahrnehmungen:

Je frischer die Schnittfläche war, um so mehr stieg und fiel der Saft binnen 24 Stunden, so daß sich die Differenz zwischen täglichem Maximum und täglichem Minimum auf 4 bis 6 Fuß (Saft) belief, aber nach 5 bis 6 Tagen war die Differenz nicht mehr so groß, weil [187] sich die Gefäße auf dem Querschnitt angefüllt und zusammengezogen hatten (the sap-vessels at the transverse cut being saturate and contracted). Wenn er dann den Ast um ein oder zwei Knoten tiefer abschnitt und das Rohr von Neuem befestigte, war das Steigen und Fallen wieder sehr beträchtlich.

Warme und feuchte Luft begünstigte das Steigen des Saftes. – Wenn zu Anfang oder in der Mitte der Zeit des Blutens die Witterung günstig war, so stieg der Saft sehr kräftig, die Kraft ward aber durch kalte Ostwinde vermindert.

Wenn am Morgen während des Saftsteigens ein kalter Wind wehte bei abwechselndem Wolkenschatten und Sonnenschein, so sank und stieg der Saft plötzlich, wie das Quecksilber im Thermometer, um einen oder mehrere Zolle (Saft), je nachdem Schatten eintrat oder die Sonne wieder frei wurde.

Der Beginn des täglichen Sinkens fiel früher an den Weinstöcken die gegen Morgen sahen, als in denen gegen Mittag, am spätesten in denen gegen Abend.

Warmer Regen nach einem kalten Tage machte, daß der Saft gegen Mittag nicht fiel, sondern nur langsamer stieg.

Als in einem Zwischenraume von vier bis fünf Tagen auf zwei Aeste desselben Stammes Röhren gesetzt wurden, stieg der Saft in der zuletzt aufgesetzten am höchsten; aber als die zweite aufgesetzt wurde, wobei viel Saft ausfloß, sank der Saft in der zuerst aufgesetzten, und setzte sich hernach nicht wieder in’s Gleichgewicht (i. e. surface of the sap in each was at very unequal heights), was von der Schwierigkeit herrührte, mit der der Saft durch die angefüllten und contrahirten Gefäße des zuerst abgeschnittenen Astes drang.

Bei sehr warmem Wetter stieg eine so große Menge von Luftblasen in dem Safte auf, daß sie einen zollhohen Schaum auf denselben bildeten.

So weit Stephan Hales.

[188] Brisseau Mirbel (Elements de physiologie végétale et de Botanique. à Paris 1815. p. 198[WS 8]) machte im April 1811 einen Versuch, bei welchem das Quecksilber bis auf 29 Zoll gehoben wurde, über den aber alle weiteren Bestimmungen fehlen.

Meyen (Neues System der Pflanzenphysiologie. Berlin 1838. Bd. II S. 59[WS 9]) wiederholte im April 1837 die Versuche von Hales, und bestätigt dessen Resultate; seine Beschreibung der Versuche ist aber so unvollkommen, daß man aus denselben nichts Sicheres mehr entnehmen kann.

Meine eigenen Versuche habe ich im April und Mai dieses Jahres an den Weinstöcken des Hrn. Geheimrath Mitscherlich, der mir mit gewohnter Bereitwilligkeit und Güte die Erlaubniß dazu ertheilte, angestellt. Die
Röhren, welcher ich mich bediente, hatten die in nebenstehender Figur abgebildete Form. Der Durchmesser des dickeren Theiles der Röhre war größer oder geringer, je nach der Dicke des Zweiges auf den dieselbe gesetzt wurde, der innere Durchmesser des dünneren Theiles belief sich auf 1 bis 1,3 Millimeter. Diese Röhren wurden so weit mit Quecksilber gefüllt, daß dasselbe, wenn sie vertical standen, den Raum abc ausfüllte, und die durch den engeren Theil gesetzte Capillardepression bemerkt. Dann wurde auf das Ende des dicken Schenkels ein vierfaches Kautschuckrohr von etwas mehr als einem Zoll Länge gesteckt, das, nach Mitscherlich’s Methode, mit entgegengesetzten Näthen gefertigt war, und durch dieses das Glasrohr auf dem gekappten Aste befestigt, so daß das Ende des absteigenden Schenkels unmittelbar auf der Schnittfläche stand. Um das Kautschuckrohr wurde alsdann noch ein zollbreiter Streifen Kartenpapier gewickelt und mit Bindfaden befestigt. Unterläßt

[189] man diese Vorsichtsmaßregel, so wird das Kautschuckrohr durch den wachsenden Druck von innen zwischen den Ligaturen bauchig ausgedehnt, was zwar an sich nichts zu bedeuten hat, weil es dem Weinstocke auf die Production von einem Cubikcentimeter Saft mehr oder weniger nicht ankommt, und der Druck dadurch nicht verändert wird, was aber leicht ein Zerreißen des Kautschucks nach sich zieht, wenn derselbe durch die Sonnenhitze erweicht wird.

Die Umstände erlaubten mir nicht, die Versuche, welche Hales mit einzelnen astlosen Stämmen angestellt hat, zu wiederholen, doch läßt die unübertreffliche Genauigkeit dieses Naturforschers keinen Zweifel an der Richtigkeit des Beobachteten aufkommen. Was in Rücksicht auf die Bedingungen des zweiten Versuchs zu bemerken ist, das ist oben erwähnt worden, und ich kann deshalb denselben später nicht zur Vergleichung mit anderen Beobachtungen benutzen.

Meine Versuche wurden sämmtlich an Spalierstöcken gemacht, von denen die, auf welchen die Röhren No. I bis V standen, an einer Mauer gegen Osten, die, auf denen die Röhren No. VI bis XV standen, an einer Mauer gegen Süden gezogen waren.

Die an den verschiedenen Röhren zu verschiedenen Zeiten gemessenen Differenzen zwischen den Quecksilberständen in beiden Schenkeln sind in der Tabelle am Schlusse dieser Abhandlung nach Pariser Linien verzeichnet. Ueber die näheren Bedingungen der Versuche habe ich noch Folgendes hinzuzufügen.

Die Röhre No. I wurde am Morgen des 18. April auf einen mehrjährigen Ast, dessen größter Durchmesser 6 Par. Linien, der kleinste 4½ Lin. betrug, 2¼ Par. Fuß über der Erde aufgesetzt.

Die Röhre No. II wurde an demselben Morgen in gleicher Höhe auf einen einjährigen Trieb von 3½ Lin. Dicke eines anderen Weinstockes aufgesetzt.

[190] Die Röhre No. III wurde an demselben Morgen in einer Höhe von 10 Fuß über der Erde auf einen einjährigen Trieb (dessen größter Durchmesser 3½ Lin., der kleinste 2½ Lin. betrug) eines dritten Weinstockes aufgesetzt.

Die Röhren No. IV und V wurden am Abend des 19. April aufgesetzt, erstere 6¾ Fuß über der Erde auf einen einjährigen Trieb von 2½ Lin. Dicke, letztere auf einen einjährigen Schößling von derselben Dicke, der aus derselben Wurzel sproßte, 1¾ Fuß über der Erde.

Alle vier Stöcke hatten die Sonne von Morgens 7 Uhr bis Mittags 12 Uhr.

Die Röhren No. VI und VII wurden am Vormittage des 23. April auf zwei einjährige Triebe eines und desselben Stockes gesetzt, von denen der für VI als größten Durchmesser 4 Lin., als kleinsten 3 Lin. hatte, der zweite als größten 3 Lin., als kleinsten 2½ Lin. No. VI stand 8 Fuß über der Erde, No. VII 6 Fuß 8 Zoll darunter, also 1′4″ über der Erde. Der Stock bekam die Sonne Morgens zwischen 7 und 8 Uhr, verlor sie Mittags nach 12 Uhr.

Die Röhren No. VIII und IX wurden am Morgen des 27. April auf zwei einjährige Triebe eines und desselben Stockes aufgesetzt, von denen der, auf dem No. VIII stand, als größten Durchmesser 3½ Lin. als kleinsten 3 Lin. hatte, und der, auf dem No. IX stand 3 Lin. dick war. No. VIII stand 7 Fuß über der Erde, No. IX 4¼ Fuß darunter. Der Stock bekam die Sonne um 9 Uhr, verlor sie nach 1 Uhr. No. IX ward am Abend des 1. Mai nach 8 Uhr zerschlagen, weshalb hier die Beobachtungen abbrechen.

Die Röhre No. X ward am Morgen des 30. April 6¼ Fuß über der Erde auf einen einjährigen Trieb aufgesetzt, dessen größter Durchmesser 4 Lin., der kleinste 3 Lin. betrug.

Die Röhre No. XI wurde zu derselben Zeit 3¾ Fuß [191] unter X auf denselben Stock, aber auf einen zweijährigen Trieb aufgesetzt, dessen größter Durchmesser 4 Lin., der kleinste 3½ Lin. betrug. Der Stock bekam die Sonne zwischen 9 und 10 Uhr, verlor sie zwischen 1 und 2 Uhr.

Die Röhre No. XII wurde am 3. Mai Nachmittags 3 Uhr auf einen einjährigen Trieb von 2 Lin. Dicke 2 Fuß über der Erde aufgesetzt. Als am Abend 7 Uhr von dem benachbarten Stocke 4¾ Fuß über der Erde ein einjähriger Trieb (dessen größter Durchmesser 3¾ Lin., der kleinste 3½ Lin. betrug) für die Röhre No. XIII abgeschnitten[WS 10] wurde, stand das Quecksilber in XII schon auf 17″5′′′, fing aber nach dem Abschneiden plötzlich an zu fallen. Nachdem XIII möglichst schnell aufgesetzt war und das Quecksilber in ihr zu steigen begonnen hatte, fing es auch in XII allmälig wieder an zu steigen, und erhob sich in ziemlich kurzer Zeit wieder bis auf 17″1′′′, in XIII aber stieg es in derselben Zeit auf 15″.

Die Röhren No. XIV und XV wurden am 8. Mai zwischen 8 und 9 Uhr Morgens in gleicher Höhe (3′7″ über der Erde) auf zwei benachbarte Stöcke aufgesetzt. Beide Triebe waren einjährig, der auf den XIV gesetzt wurde, hatte als Durchmesser 4 Lin. und 3 Lin., der auf den XV gesetzt wurde 2¾ Lin. und 2½ Lin. Während des Befestigens stieg das Quecksilber außerordentlich schnell, und erreichte in sehr kurzer Zeit in XIV die Höhe von II, in XV, das einige Minuten früher aufgesetzt wurde, die Höhe von 13 Zoll.

Sucht man nun zuvörderst die Angabe von Hales, daß die tägliche Periode um so stärker markirt sey, je frischer der Schnitt ist, an meinen Beobachtungen zu prüfen, so findet man sie überall bestätigt. Als Grund dieser Erscheinung führt Hales an, daß sich die Spiralgefäße contrahirten und verstopften. Was ich darüber beobachtet habe, ist Folgendes. Als am Abend des 1. Mai die Röhre No. IX zerschlagen war, hing ich am andern Morgen unter dem zurückgebliebenen Stücke Glasrohr, [192] das noch bis an sein erstes Knie mit Saft gefüllt war, eine Flasche auf, um zu sehen wie stark der Ast noch blute, und fand nach 24 Stunden nur wenige Tropfen Saft in der Flasche. Hierauf nahm ich mehrere andere alte Röhren ab, und fand, daß ihre Aeste fast gar nicht mehr bluteten. Die mikroskopische Untersuchung der Aeste zeigte, daß die Spiralröhren an der Schnittfläche mit einer körnigen, undurchsichtigen, braungefärbten Masse erfüllt waren, welche die kleinen ganz verstopfte, in den größeren in der Mitte ein kleines Loch zurückließ. Diese Masse konnte indeß nicht die alleinige Ursache der Verstopfung seyn, denn wenn man einen Querschnitt von einer Linie und mehr Dicke von einem solchen Aste abtrug, so begann der Saft noch nicht wieder hervorzudringen, sondern man mußte, wie Hales angiebt, meist ein ganzes Internodium wegnehmen, um den Zweig wieder kräftig bluten zu machen. Daß die älteren Aeste diesem Uebelstande weniger unterworfen sind, als die jüngeren, und deshalb die tägliche Variation länger richtig angeben, wie solches schon von Hales beobachtet wurde, hat wohl hauptsächlich darin seinen Grund, daß sich in älteren Zweigen viel größere Spiralröhren ausbilden als in jungen. Dieß Undurchgängigwerden der Spiralröhren enthält den Grund, aus dem die Beobachtungen an den ersten elf Röhren mit dem 3. Mai abgebrochen sind, und an den übrigen vier nur einige Tage umfassen.

Nachdem wir nun so einen Umstand kennen gelernt haben, der zu sehr falschen Angaben über den Werth der täglichen Variation führen kann, betrachten wir die wahren Veränderungen desselben im Laufe der Zeit des Blutens. Diese Veränderungen lassen sich eintheilen in wesentliche oder constante, das heißt in solche, die mit der Vegetationsperiode des Weinstockes unmittelbar zusammenhängen, und also in allen Jahren dieselben bleiben müssen, und in accidentelle, welche von dem jedesmaligen [193] Wasserreichthum des Bodens und der Atmosphäre, und von der Temperatur abhängig sind. Die constanten Veränderungen bestehen darin, daß der Werth der täglichen Variation vom Anfange der Zeit des Blutens bis zum Ende derselben fortwährend wächst, so daß der Unterschied zwischen täglichem Maximum und täglichem Minimum zuletzt einen Fuß Quecksilber und mehr beträgt, während er anfangs nur einige Linien betrug. Dieß Wachsen ist langsam bis zur Zeit des jährlichen Maximums, des heißt bis zu der Zeit, in der die Knospen aufbrechen und die Blätter sich zu entwickeln beginnen; dann aber wird es plötzlich sehr rasch durch die reichliche Verdunstung, welche durch die jungen Blätter gesetzt wird. Diese außerordentliche Zunahme der täglichen Variation gegen das Ende der Zeit des Blutens ist der Beobachtung von Hales und von Meyen entgangen, indem sie nur anführen, daß das Quecksilber nach und nach bis unter Null gefallen sey. Dieß hat darin seinen Grund, daß beide zu der betreffenden Zeit keine neue Röhren mehr aufsetzten, sondern nur an solchen beobachteten, die schon längere Zeit auf ihren Aesten gestanden hatten, und deshalb die tägliche Variation nicht mehr richtig angaben. Die zu dieser Zeit angestellten Beobachtungen zeigen zugleich, auf welche Weise das Bluten sein Ende erreicht. Man sieht nämlich, daß die Kraft, welche das Wasser aus der Erde in den Stock hineinhebt, keineswegs schon erlischt, sondern daß dieselbe gerade zu dieser Zeit sehr groß ist, daß aber so viel Saft für die Vegetation verwendet wird, und den Tag über so viel Wasser verdunstet, daß der Holzkörper in jeden 24 Stunden einen Verlust an Füssigkeit erleidet, bis sich dieses Verhältniß so steigert, daß der Saft zu keiner Tageszeit mehr aus gekappten Aesten hervorquellen kann.

Ueber die accidentellen Veränderungen des Werthes der täglichen Variation läßt sich für jetzt nur sagen, daß [194] derselbe durch Regen und feuchte Luft verringert, durch trocknes Wetter vergrößert wird, wie dieses schon Hales beobachtete. Den Beweis dafür kann jeder Leser in der Vergleichung mit den meteorologischen Beobachtungen des betreffenden Zeitabschnittes finden; der Grund davon leuchtet aus dem Vorhergehenden ohne weiteres ein.

Ich brauche wohl nicht anzuführen, daß man über die Lage der täglichen Periode eben so wenig wie über die Größe der Variation Röhren zu Rathe ziehen darf, die schon längere Zeit auf ihren Zweigen gestanden haben; denn in ihnen steigt das Quecksilber oft plötzlich, wenn es in den frisch aufgesetzten schon anfängt zu fallen, weil Saft, Luft und Quecksilber in der Röhre durch die Sonnenhitze ausgedehnt werden, und wegen der mangelhaften Communication der wachsende Druck der Quecksilbersäule geraume Zeit braucht, um die Differenz wieder auszugleichen. Täuschungen der Art scheinen nicht ohne Antheil an den Angaben zu seyn, welche uns von Hales über den verstärkenden Einfluß der Morgensonne auf die Druckkraft des Saftes überliefert sind. Die Zahl der Beobachtungen, welche ich im Laufe jedes Tages anstellen konnte, ist zu gering, als daß sich aus ihnen die Zeit des täglichen Minimums genau bestimmen ließe; doch läßt sich aus ihnen ersehen, daß dasselbe im Allgemeinen um so später eintritt, je später der Stock die Sonne bekommt, wie dieses schon von Hales mit großer Genauigkeit beobachtet worden ist.

Wir kommen jetzt zu zwei Fragen, welche durch die früheren Beobachtungen nicht hinreichend entschieden sind, nämlich zu denen: Wie verhält sich die Kraft des Saftes in verschiedenen Höhen, und wie verhält sie sich, wenn man zu den Versuchen Zweige von verschiedenem Alter oder verschiedener Dicke benutzt?

Wir wollen zuvörderst die erste dieser beiden Fragen zu beantworten suchen.

[195] Betrachten wir die Beobachtungen, welche an den Röhren No. VI und VII, die in verschiedenen Höhen auf ein und demselben Stocke standen, gemacht worden sind, so zeigt es sich, daß bis zum 25. April Nachmittags 3 Uhr, von wo an die Bewegungen des Quecksilbers aus weiter oben erwähnten Gründen anfangen unregelmäßig und unzuverlässig zu werden, No. VII immer 69 bis 74 Lin. mehr angab als No. VI. Da sich also die Curven, welche beide Quecksilberniveaus in den ersten Tagen beschrieben, so sehr dem Parallelismus nähern, daß man zwischen dem Gange beider einen inneren Zusammenhang vermuthen muß, so wäre es interessant ihren mittleren Abstand von einander genau zu kennen, um ihn mit der Erhebung des Nullpunktes beider Röhren über der Erde zu vergleichen.

Die Zahl der Beobachtungen ist viel zu gering, um aus ihnen den wahren Gang der Curven mit einiger Sicherheit zu bestimmen, und ihren mittleren Abstand nach der üblichen Methode zu berechnen; ich habe mich deshalb begnügt unmittelbar aus den Beobachtungen die mittlere Differenz nach der Formel

zu berechnen, indem ich mit ; ; , und so fort die beobachteten Differenzen bezeichnete, mit ; ; die Zeitabschnitte, welche zwischen je zwei Beobachtungen lagen, und mit endlich die gesuchte mittlere Differenz. Ich fand dieselbe =70′′′,8. Wenn nun der Saft dieser beiden Aeste im Innern des Stockes frei communicirte, so mußte der Druck einer Saftsäule, die so hoch war, wie der Nullpunkt von No. VI über dem von No. VII lag, dem einer Quecksilbersäule von 70′′′,8 Höhe entsprechen. Der Saft wog zu dieser Zeit 1,0008, die Höhe der Säule war 6 Fuß 8 Zoll, sie entsprach also 70′′′,6 Quecksilber. Man darf jedoch nicht hoffen, diese außerordentlich genaue Uebereinstimmung überall wiederzufinden; [196] denn ich weiß sehr wohl, daß sie hier zum Theil auf Rechnung des Zufalls kommt, da das Mittel von 70,8 nach einer an und für sich unvollkommenen Methode aus Größen berechnet wurde, unter denen die größte von der kleinsten um 5 Ganze verschieden ist.

Betrachten wir nun die Röhren No. VIII und IX, so wissen wir, daß der Nullpunkt von VIII 4½ Fuß über dem von IX stand, der Saft wog am 27. April, als die Röhren aufgesetzt wurden, in dem zunächst benachbarten Stocke 1,0009; berechnet man also den Druck der Saftsäule zwischen beiden Röhren, so findet man ihn =45 Lin. Quecksilber, und in der That giebt auch die Röhre No. IX am Morgen des 28. April 44, am Mittag 46 Linien Quecksilber mehr an als No. VIII.

Ich muß hinzufügen, daß ich mich in diesem Falle direct überzeugt habe, daß der Saft nicht nur der beiden Aeste, auf denen die Röhren standen, communicirte, sondern daß er auch mit dem des Nachbarstockes durch eine unter der Erde fortkriechende Wurzel in Verbindung stand; denn als ich die Röhren aufgesetzt hatte, stieg in ihnen das Quecksilber sogleich sehr lebhaft, als ich aber von dem Nachbarstocke einen zweijährigen Trieb abgeschnitten hatte, um Saft für die Bestimmung des specifischen Gewichts zu sammeln, fing das Quecksilber in beiden Röhren an zu fallen, und war in beiden am Abend bis auf Null zurückgekommen. Hierauf verband ich die Wunde des Nachbarstockes mit einem Kautschuckrohr, in dem ein Stück eines dicken Glasstabes befestigt war, das Quecksilber fing in beiden Röhren wieder an zu steigen, und zeigte am andern Morgen die in der Tabelle verzeichneten Höhen. Ich kann also mit Sicherheit behaupten, daß das spätere Abweichen vom Parallelismus, welches die Curven von VIII und IX zeigen, nur in der bekannten Verstopfung der Spiralgefäße seinen Grund hat. Auch wird man mich nicht unmotivirter Conjecturen über fremde Versuche beschuldigen, wenn ich es [197] wahrscheinlich finde, daß Hales in dem Experimente, welches ich als zweites angeführt habe, nicht, wie er glaubte, die Wirkung der Wurzel und des Stammes allein, sondern zugleich die Wirkung eines ganzen benachbarten Stockes beobachtete. Möglich ist dieses, weil Hales ebenfalls an Spalierstöcken beobachtete, und nicht angiebt, daß er sich auf irgend eine Weise von der Isolation seines Stockes überzeugt habe, wahrscheinlich wird es dadurch, daß er am 11., 14. und 16. April, nachdem die Röhre schon 5, 8 und 10 Tage auf ihrem Stocke gestanden hatte, das Quecksilber durch Verdunstung um 6½ und 6¾ Zoll fallen sah. Ja es ist unmöglich, dieses Fallen der Verdunstung eines 2¾ Fuß langen, alten, astlosen Stumpfes zuzuschreiben, wenn man liest, daß der Saft in der Röhre auf dem andern Stamme von 7 Zoll Länge gar kein durch Verdunstung bedingtes tägliches Sinken zeigte, sondern gerade zur Zeit der größten Tageswärme am lebhaftesten stieg, und daß die betreffenden Differenzen von 6½ und 6¾ Zoll 2, 4 und 7 Tage vor dem jährlichen Maximum beobachtet wurden, also keineswegs zu einer Zeit, wo die täglichen Variationen schon sehr groß sind.

Die Röhren No. XII und XIII, die auf zwei benachbarten Stöcken standen, zeigten ebenfalls, wie oben bemerkt ist, schon beim Aufsetzen, daß der Saft beider Stöcke communicirte, und am Morgen des 4. Mai zeigten die Quecksilbersäulen ihre richtige Differenz von 29′′′, welche der Höhendifferenz ihrer Nullpunkte von 2¾ Fuß, das Gewicht des Saftes zu 1,001 berechnet, entspricht. Am Nachmittage 3 Uhr war die Differenz nur 24′′′, weil die durch die verschiedene Verdunstung beider Stöcke gesetzte Unregelmäßigkeit nicht sogleich wieder ausgeglichen wurde. Am andern Morgen war die Differenz wieder 29′′′, von da an aber wird die Beweglichkeit der Quecksilbersäulen mangelhaft und der Gang der Curven unregelmäßig.

[198] Betrachten wir dagegen die Röhren No. X und XI, welche auf einem und demselben Stocke standen, so zeigt sich in dem Gange beider Quecksilberstände von vorn herein nur eine geringe Uebereinstimmung, und die Differenz derselben ist gleich am ersten Tage 6″9′′′ und 5″11′′′, welches keineswegs der Höhendifferenz der Nullpunkte von 2½ Fuß entspricht, sondern für sie viel zu bedeutend ist. Ich lege jedoch auf die mit diesen Röhren angestellten Versuche kein besonderes Gewicht, da der Kautschuckverschluß von No. X undicht wurde und ihm durch einen neuen Verband nachgeholfen werden mußte. Entschieden habe ich dagegen den entgegengesetzten Fall einer zu kleinen Differenz an den Röhren IV und V beobachtet, die sich ebenfalls auf ein und demselben Stocke 4¼ Fuß über einander befanden, und in denen die Differenz des Druckes am ersten Tage 1⅓ Zoll nicht übersteigt. In diesen Röhren glich sich also keineswegs der Druck nach den Gesetzen der Hydrostatik aus.

Wir haben uns nunmehr zunächst die Frage zu beantworten: Wie geht es zu, daß der Saft zweier Aeste eines und desselben Stockes bisweilen nicht so frei communicirt, daß sich der Druck in denselben nach den hydrostatischen Gesetzen ausgleicht, während dieses häufig nicht nur bei Aesten eines und desselben Stockes, sondern sogar bei Aesten zweier verschiedener Stöcke, die eine gemeinschaftliche Wurzel haben, der Fall ist? Hierüber giebt die anatomische Untersuchung des Holzkörpers vollkommenen Aufschluß. Betrachten wir nämlich den Querschnitt des trocknen Holzkörpers des Rebstockes mit bloßen Augen oder unter der Lupe, so sehen wir, daß ihn helle radiale Streifen durchsetzen, die an der Peripherie anfangen und allmälig immer feiner werdend, theils an den Gränzen der Jahresringe verschwinden, theils das Mark erreichen und sich um dasselbe in einem weißlichen Ring vereinigen. Diese radialen Streifen sind bekanntlich die Querschnitte der sogenannten [199] Markstrahlen, das heißt der horizontal und zugleich radial gelagerten Zellen des Holzkörpers; der weißliche Ring ist der Querschnitt der Markscheide, das heißt der mit Amylum gefüllten, mehr oder weniger in der Längsaxe verlängerten Zellen, welche das abgestorbene Mark der Internodien zunächst umgeben, und in den Knoten unmittelbar in die polygonalen, ebenfalls mit Amylum gefüllten Markzellen derselben übergehen. Diejenigen Markstrahlen, welche das Mark erreichen, theilen den Holzkörper in eben so viele Fächer, welche ihrerseits wieder durch die Markstrahlen der späteren Jahresringe in Unterabtheilungen getheilt werden. In den Markstrahlen finden sich niemals Spiralröhren, sondern diese liegen sämmtlich mit den vertical gelagerten Zellen in den so eben beschriebenen Fächern, und in diesen oft so dicht neben einander, daß sie nur durch ein einfaches Gitterwerk, von queren, etwas schräg verlaufenden Spiralfasern getrennt werden, die unter sich durch eine so dünne Membran verbunden sind, daß es in den älteren Theilen des Holzes oft schwer ist, sich von ihrer Existenz zu überzeugen. Fragen wir uns nun, welche Aufklärung uns diese Anordnung der Spiralröhren über die mehr oder weniger vollkommene Ausgleichung des hydrostatischen Druckes in zwei auf verschiedene Aeste ein und desselben Stockes aufgesetzten Röhren liefert, so ist es klar, daß dieselbe um so leichter von Statten gehen muß, je näher die Spiralröhren beider Aeste, oder wenn man will ihre mehr oder weniger directen Fortsetzungen[4] [200] im Stamme und dem Wurzelstocke neben einander verlaufen, und je weniger sie durch Holzzellen und besonders durch Markstrahlen von einander getrennt sind, was wiederum von ihrer Stellung zur Axe des Stockes abhängt. Man sieht also ein, daß der Quecksilberstand in einer aufgesetzten Röhre der mittelbare Ausdruck für die Kraft des Saftes in dem ganzen Stocke ist, und der unmittelbare für die Kraft des Saftes einer Parthie des Stockes, welche einem bestimmten Theile des Querschnitts des Stammes entspricht. – Hieraus ergiebt sich zugleich [201] die Lösung unserer anderen Frage, nämlich der, ob das Alter und die Dicke der angewendeten Aeste einen directen Einfluß auf den Stand des Quecksilbers üben, denn es leuchtet ohne weitere Auseinandersetzung ein, daß dieß nicht der Fall seyn kann, womit auch die Versuche von Hales und von mir, bei denen überall genau die Durchmesser der Zweige angegeben sind, vollkommen übereinstimmen.

Wir haben nun in dem Bisherigen gesehen, daß sich zuerst der ganze Holzkörper des Weinstocks, mit Ausnahme der Spiralröhren, mit Flüssigkeit füllt, und daß sich zuletzt auch diese anfüllen; wir haben aber nicht gesehen, daß der Saft in ihnen eine eigenthümliche Steigkraft oder eine Bewegung nach oben zeigt, sondern nur, daß er in ihnen unter einen, nach und nach immer beträchtlicher werdenden Druck gesetzt wird. Denn wenn man einen Ast abschneidet, so dringt in ihm allerdings der Saft mit einer beträchtlichen Kraft aus den Spiralröhren hervor, und zeigt also dann eine Bewegung nach oben, wenigstens in dem abgeschnittenen Aste; es ist aber längst bekannt, daß, wenn man eine Wurzel abschneidet, der Saft in derselben Weise aus der Wurzel hervorgetrieben wird, daß er hier also eine Bewegung nach unten zeigt. Ja meine Versuche haben sogar bewiesen, daß die Kraft, mit der der Saft hervordringt, nach abwärts von dem Stock zu-, nach aufwärts abnimmt, und zwar nach dem einfachen Gesetze des Wasserdruckes. Es fragt sich nun: Wie ist man zu der Ansicht gekommen, der Saft steige während der Zeit des Blutens in den Spiralröhren? Man denke sich ein vertical stehendes Rohr, das oben und unten mit einem Hahn verschlossen ist. Von diesem gehe zwischen beiden Hähnen ein horizontales Rohr ab, das es mit einem Gefäß voll Wasser in Verbindung setzt, welches höher ist als das verticale Rohr. Oeffnet man nun den oberen Hahn, so läuft natürlich Wasser oben aus der Röhre heraus, und man [202] schließt, daß das Wasser, auch als der Hahn noch geschlossen war, fortwährend in der Röhre gestiegen sey. – Diese Schlußfolgerung erscheint gewiß nicht sehr sinnreich, und doch war es die einer Reihe von Physiologen, welche glaubten, der Saft steige zur Zeit des Blutens in den Spiralröhren, weil er in angeschnittenen Aesten aus denselben hervorquoll. Ja diese Naturforscher öffneten sogar den unteren Hahn unseres Rohres, indem sie die Wurzel des Weinstocks abschnitten, und sahen das Wasser auch unten herauslaufen, aber dieß vermochte nicht ihre Ueberzeugung zu beeinträchtigen. Schon die morphologische Betrachtung, und die sonst in der Physiologie so beliebte Methode der Analogien und der Probabilität hätte über dieß seltsame Mißverständniß aufklären müssen. Die zur Zeit des Blutens vorhandenen Spiralröhren gehören nämlich sämmtlich den früheren Jahresringen an, sie führen nicht zu den Knospen, sondern die älteren von ihnen endigen blind im Holze, die des zunächst verflossenen Jahres in den Narben abgefallener Blätter, Fruchtstiele und Ranken. Die Anfänge der Spiralröhren des laufenden Jahres bilden sich in den noch in den Knospen verhüllten jungen Trieben, sie treten nie mit den alten Spiralröhren in Verbindung, sondern verbreiten sich am Ende der Zeit des Blutens, wenn sich die Knospe erschließt und der junge Trieb anfängt sich zu entwickeln, mit außerordentlicher Schnelligkeit in allen Theilen des Stockes über den jungen Jahresring, der bis dahin noch gar keine Spiralgefäße hatte. Bringt man hiezu das doch ziemlich allgemein bekannte Factum, daß sich die Spiralröhren gerade zu allerletzt mit Saft füllen, so ist es in der That schwer einzusehen, wie die Mehrzahl der Gelehrten diesen alten verbrauchten Organen früherer Jahrgänge die wichtige Rolle zugetheilt hat, dem Stocke die reichliche Saftmenge zuzuführen, welche er vor der Entwicklung der jungen Triebe in sich aufnimmt.

Da wir nun also wissen, daß der Saft aus den Zellen [203] in die Spiralröhren übergeht, und zwar erst nachdem sich sämmtliche Zellen des Stockes, welche überhaupt noch Saft aufnehmen, gefüllt haben, so handelt es sich darum, die Frage zu entscheiden, ob die Kraft, welche diesen Uebergang des Saftes aus den Zellen in die Spiralröhren bewirkt, den ersteren inhärirt oder den letzteren, oder mit anderen Worten, ob die Spiralröhren den Saft aus den Zellen aufsaugen, oder ob derselbe aus den Zellen in die Spiralröhren gepreßt wird. Die Spiralgefäße enthalten während des Winters nichts als Luft, sie enthalten keine löslichen Substanzen, in ihnen wird niemals Amylon abgelagert, es können sich also auch die Stoffe, in welche dasselbe in den Zellen verwandelt wird, nicht in ihnen bilden. Die einzige ihnen inhärirende Kraft, durch welche sie sich mit Saft füllen könnten, ist die Capillarattraction. Der Durchmesser der Spiralröhren ist immer größer, oft um das Fünf-, Sechs- und Mehrfache, als der sämmtlicher angränzender Zellen; wer also meint, daß die Spiralröhren den Zellen das Wasser durch Capillarattraction entziehen, der verlangt nichts anderes als der, welcher behauptet, daß, wenn man in ein U-förmig umgebogenes Capillarrohr mit ungleich weiten Schenkeln Wasser gießt, dieses in dem weiteren Schenkel höher stehe als in dem engeren. Zu bemerken ist überdieß, daß die Zellen ihrerseits nicht mit einer freien Wassermasse in Berührung stehen, sondern nur mit der Flüssigkeit, welche in den capillaren Räumen des Bodens zwischen den einzelnen Erdpartikeln enthalten ist. Sollte etwa Jemand den Einwand machen, daß das durch Capillarattraction in die darüber liegenden Erdschichten gehobene Unterwasser auch noch durch Capillarattraction in die Zellen und Spiralgefäße dringen könne, und sich hierbei wie Wasser verhalten, welches in einem capillaren Rohre steigt, das an einzelnen Stellen weiter, an anderen enger ist, so mag sich derselbe nur fragen: warum das Wasser denn nicht auch in die Spiralröhren abgestorbener [204] Weinstöcke eindringt? Diese Widerlegung ist allerdings wenig wissenschaftlich, sie wird aber dadurch entschuldigt, daß eine wissenschaftlichere auf die subjective Ueberzeugung dessen, der einen solchen Einwand macht, wahrscheinlich von geringerem Einfluß seyn würde, und diese ist es, auf welche es hier allein ankommen kann. Schließlich habe ich noch zu bemerken, daß die meisten Spiralröhren des Weinstockes so weit sind, daß das Wasser in ihnen nur wenige Zolle durch Capillarattraction steigen würde, wenn man sie auch mit offenen Enden unter einen Wasserspiegel tauchte.

Da wir nun gesehen haben, daß der Uebergang des Saftes in die Spiralröhren in keiner Weise durch die Capillarattraction erklärt werden kann, und denselben keine andere Kraft als diese inhärirt, so sind wir gezwungen die Ursache dieser Bewegung[WS 12] außerhalb derselben zu suchen. Wir wissen, daß von den Zellen des Holzkörpers die der Knoten fast sämmtlich, und in den Internodien namentlich die horizontal gelagerten, ferner die der Markscheide und noch ein großer Theil der übrigen vertical gelagerten, während des Winters mit Amylon, einer im Wasser unlöslichen Substanz, angefüllt sind. Kurz vor und während der Zeit des Blutens verschwindet ein Theil dieses Amylons, und an seine Stelle treten Stoffe, welche theils im Wasser aufquellen, theils mit ihm unechte oder echte Lösungen bilden, und alle die Fähigkeit haben, eine bedeutende Wassermenge mit großer Kraft an sich zu ziehen. Wir werden in der Folge in einer andern Abhandlung näher betrachten, wie sich die Zellen vermittelst dieser löslichen und aufquellenden Substanzen zuerst strotzend mit Wasser anfüllen, und wie dann, indem sie immer noch mehr Wasser anziehen, das was sie in ihrer Höhle nicht mehr beherbergen können, mit einem Theile der gelösten Substanzen als Saft in die benachbarten Spiralröhren hineingedrängt wird, und werden näher die Art betrachten, auf welche mit anscheinend [205] geringen Mitteln die bedeutende Druckkraft aufgebracht wird, welche die aufgesetzten Röhren anzeigen. Wir wollen uns hier nur noch mit einigen Fragen beschäftigen, welche sich uns zunächst bei unseren am lebenden Weinstocke gemachten Versuchen aufdrängen. Zuerst fragt es sich: wo bleibt die Luft, welche in den Spiralröhren enthalten war? Es ist nicht zu bezweifeln, daß ein großer Theil derselben von der umgebenden Flüssigkeit nach und nach absorbirt wird, auf der andern Seite ist es aber auch eben so wahrscheinlich, daß bei dem wachsenden Drucke ein Theil durch die Blattstielnarben und die Schnittflächen herausgedrängt wird, denn die die Spiralröhren verschließende Masse bildet, wenn sie nicht durchnäßt ist, für Gase keineswegs einen hermetischen Verschluß, sondern die Luft drang in Stephan Hales Versuchen schon unter einem Druck von einigen Zollen Quecksilber mit Leichtigkeit durch sie hindurch (l. c. Cap. II und V)[5]. Zu bemerken ist noch das schon von Hales beobachtete Aufsteigen von Luftblasen in der über der Schnittfläche stehenden Saftsäule, welches man besonders bei warmen Wetter und wenn die Sonne auf den Stock scheint, beobachtet. Es ist möglich, daß diese Luft von dem von allen Seiten eindringenden Saft in den Spiralröhren mechanisch eingeschlossen war; es ist aber auch eben so möglich, daß sie von dem Safte absorbirt war, und durch die erhöhte Temperatur frei wurde.

Zweitens fragt es sich: wie geht es zu, daß der Saft in angeschnittenen Aesten so vorzugsweise aus den Spiralröhren, und nicht eben sowohl aus den Zellen hervordringt, da doch die Kraft, welche ihn hervortreibt, innerhalb der Zellen ihren Sitz hat? Diese Frage löst [206] sich aber sogleich von selbst, wenn man bedenkt, wie außerordentlich groß die Zahl der Zellen ist, welche ihren Ueberschuß an Saft unmittelbar in ein Spiralgefäß ergießen. Wenn nämlich das Bluten noch so gering ist, daß die aus den durchschnittenen Holzzellen hervordringende Flüssigkeitsmenge unmerklich ist, so fließt der Saft in den durchschnittenen Spiralröhren doch zusehens über, weil die Oberfläche, welche sie dem eindringenden Safte darbieten, im Verhältniß zu ihrem Querschnitte sehr groß ist. Ist der Druck des Saftes schon etwas stärker, so wird alsobald die ganze Schnittfläche überflutet, so daß man nicht mehr beobachten kann woher der Saft kommt.

Richten wir nun endlich die Frage an uns, was wir von der Bewegung des Saftes in den Spiralröhren zur Zeit des Blutens wissen, so fällt die aufrichtige Antwort freilich sehr unbefriedigend aus. Zuvörderst wissen wir, daß die unteren Parthien der Stöcke im Allgemeinen früher bluten als die oberen. Dieß lehrt nun aber keineswegs, daß der Saft zuerst unten durch die Wurzeln in die Spiralröhre gelange, sondern er kann eben so gut zuerst in den Aesten in sie ergossen werden, und sich nach den Gesetzen der Schwere senken: sind dann die Spiralröhren auf diese Weise bis zu einer gewissen Höhe gefüllt, so muß ein unterhalb derselben abgeschnittener Ast bluten. Sind die Spiralröhren einmal völlig mit Flüssigkeit gefüllt, so ist dieses bei der Durchgängigkeit ihrer Wände keineswegs ein Grund, daß die Bewegungen des Saftes in denselben aufhöhren; welcher Art diese Bewegungen aber sind, läßt sich vorläufig schwer entscheiden. Von einer speciellen Verfolgung der Bewegungen des Saftes in den einzelnen Spiralröhren kann gar keine Rede seyn. Die Verschiedenheit der Spiralröhren unter sich, an Größe und Structur, die Verschiedenartigkeit der Nachbargebilde, die sie umgeben, und endlich der Mangel aller Anhaltspunkte machen diese Aufgabe so [207] schwierig, daß die Analyse der Saftbewegung in den Zellen der Charen, die bis jetzt noch Keinem gelang, im Vergleich mit ihr, als leicht und einfach erscheinen muß. Wir dürfen uns daher nur die Frage stellen: Ist die Bewegung des Saftes in einem bestimmten Systeme von Spiralröhren, welche als unter sich vereinigt und unabhängig von den übrigen betrachtet werden, während der Zeit des Blutens im Allgemeinen eine aufsteigende oder eine absteigende, oder ist sie bisweilen eine aufsteigende, bisweilen eine absteigende, und zu welchen Zeiten ist sie auf-, zu welchen absteigend? Denken wir uns zuvörderst, daß die Kraft, mit der der Saft in die Spiralröhren hineingepreßt wird, in jeder Höhe des Stockes ausgedrückt werde durch die Gleichung:

,

in der eine Constante für den actuellen Saftreichthum des Stockes, das specifische Gewicht des Saftes und die Differenz zwischen der Erhebung des betrachteten Punktes und der des höchsten Punktes der Spiralröhren über der Erde bedeutet, das heißt, stellen wir uns vor, daß die Kraft nach aufwärts in der Weise abnimmt, daß sie dem Gegendrucke (den ich mit bezeichnet habe) des in den Spiralröhren befindlichen Saftes überall das Gleichgewicht hält, so wird sich dieser weder nach oben noch nach unten bewegen. Denken wir uns dagegen sey nicht , sondern sey allgemein ausgedrückt unter der Form , so wird die Curve, deren Gleichung ist , die gerade Linie, deren Gleichung ist , in einem oder in mehreren Punkten schneiden. Kennt man nun die Curve , so kann man für jede Höhe () erfahren, ob sich in derselben der Saft in den betrachteten Spiralröhren nach aufwärts, nach abwärts oder gar nicht bewegt. Ist nämlich, wenn wir mit den obersten, mit den untersten Punkt der Spiralröhren bezeichnen, der Werth von: [208]

positiv, so bewegt sich der Saft in der Höhe nach aufwärts, ist der Werth Null, so steht er still, ist der Werth negativ, so bewegt er sich nach abwärts. Es ist klar, daß, wenn es für beide Linien nur einen Intersectionspunkt giebt, die Bewegung in allen Höhen nur eine aufsteigende oder nur eine absteigende seyn kann. Es ist ferner klar, daß durch die tägliche Verdunstung zunächst der Werth von in den oberen Theilen des Stockes beeinträchtigt wird, daß also, falls der Saft in den Spiralröhren zu verschiedenen Tageszeiten auf- und absteigt, das tägliche Minimum in die Periode des Aufsteigens, das Maximum in die Periode des Absteigens fällt, das heißt, daß der Saft gerade zu der Zeit am meisten Ursache hat, sich in den Spiralröhren nach abwärts zu bewegen, in welcher er nach der früheren Theorie in ihnen am stärksten steigen sollte, und in der That liegen schon jetzt Facta vor, welche es überaus wahrscheinlich machen, daß der Saft gerade zur Zeit des jährlichen Maximums, das heißt zur Zeit des größten aller täglichen Maxima, in den Spiralröhren absteigt, und man muß vermuthen, daß dieses während des größten Theiles der Zeit des Blutens der Fall ist, und das Aufsteigen auf einige kurze Perioden einer sehr überwiegenden Verdunstung eingeschränkt werden muß. Ich habe nämlich schließlich noch eines merkwürdigen Resultates aus Beobachtungen von Hales und von mir zu erwähnen, zu welchem wir bis jetzt den Schlüssel noch nicht kennen, an das sich aber wiederum verschiedene Fragen knüpfen, welche verdienen das Interesse der Physiologen in Anspruch zu nehmen. Wir besitzen nämlich vier Beobachtungen von jährlichen Maximis, bei denen die Erhebung der Schnittfläche über der Erde und zugleich die Höhe des ganzen Stockes bemerkt ist, so daß man die Differenz zwischen dieser und dem idealen Niveau [209] des Saftes, welche nach den Notationen unserer vorigen Betrachtungen durch repräsentirt werden würde, zur Zeit des jährlichen Maximums berechnen kann.

Diese Versuche sind:

Erstens das von mir als erstes angeführte Experiment von Hales[6], bei dem die Erhebung der Schnittfläche, und zugleich die des ganzen Stockes oder vielmehr Stumpfes über der Erde 7 englische Zoll betrug. In aufgesetzten Röhren stieg der Saft noch 21 englische Fuß oder 237 Par. Zoll. Dieß war also die Differenz zwischen der Höhe des Stockes und dem Niveau des Saftes.

Zweitens war in dem von mir als dritten aufgeführten Experiment von Hales der Stock 20 englische Fuß hoch; ein Quecksilberrohr dicht über der Erde aufgesetzt, zeigte als Maximum 38 englische Zoll Quecksilber, dieß entspricht, das Gewicht des Saftes zu 1,001, wie ich es zur Zeit der Maxima fand, berechnet, einer Saftsäule von 485 Par. Zoll, es bleiben also für die Differnz 259 Par. Zoll.

Drittens stand der Nullpunkt meines Rohres No. XI dreißig Par. Zoll über der Erde; der Stock war, wie alle Stöcke an der Wand gegen Süden, 9 Fuß hoch, das Maximum, welches das Rohr angab, war 24″ Quecksilber oder 326″ Saft, es bleiben also für die Differenz 248 Par. Zoll.

[210] Viertens stand mein Rohr No. XII 2 Fuß über der Erde, der Stock war ebenfalls 9 Fuß hoch, das Rohr gab als Maximum 24″ 3′′′ Quecksilber oder 329″ Saft an, es bleiben also für die Differenz 245″.

Es ist schon an sich merkwürdig, daß sich das ideale Niveau des Saftes 20 Fuß und darüber über die höchsten Punkte der untersuchten Weinstöcke erhob; noch auffallender ist es aber, daß sich dieses Verhältniß gerade in den vier einzigen vergleichbaren Versuchen, welche wir besitzen, so wiederholt, daß der Unterschied zwischen größtem und kleinstem Werth nur 22 Zoll beträgt. Es ist möglich, daß die seltsame Uebereinstimmung dieser vier Beobachtungen auf einem Zufall beruht; es ist aber auch möglich, daß derselben ein Gesetz zum Grunde liegt, welches über die Mechanik der Saftbewegung während der Zeit des Blutens ein seltenes Licht verbreiten kann. Dieser Zweifel ist es, welcher mich getrieben hat, die vorliegenden Versuche als einen Theil einer größeren, noch unvollendeten Arbeit frühzeitig zu veröffentlichen, indem ich hoffe, die Pflanzenphysiologen, welche von jeher ihre Wissenschaft mit so großem Eifer angebaut haben, für Versuche auf einem Felde zu gewinnen, das für sie eben so wichtig seyn muß, wie dem Zoophysiologen die Statik und Mechanik der Lymphe und des Blutes. Die Zeit für diese Versuche ist beschränkt auf einen kurzen Abschnitt jedes Jahres, und numerische Resultate, wie sie hier verlangt werden, können nur Werth haben, wenn sie in größerer Menge vorliegen; es sind daher die vereinten Kräfte Mehrerer nöthig, um Licht über ein bis jetzt noch dunkles Capitel der Wissenschaft zu verbreiten. Ich weiß sehr wohl, wie viele auf experimentellem Wege zu entscheidende Fragen meine Arbeit noch ungelöst läßt, und es kann nicht undankbar erscheinen, sich mit denselben zu beschäftigen, nachdem einmal der Anfang gemacht ist, das Feld der Untersuchung planmäßig anzubauen.

[211] Zuerst wird zu untersuchen seyn, wie sich im Allgemeinen Stöcke von verschiedener Größe und verschiedenem Alter verhalten; zweitens wie sich Stöcke an verschiedenen Standörtern verhalten, und in wie weit man durch fleißiges Begießen die Druckkraft des Saftes steigern kann; drittens wie sich zwei Stöcke von gleicher Größe und gleichem Alter, und unter übrigens gleichen Bedingungen verhalten, wenn man den einen bis auf einen Ast, auf den man das Quecksilberrohr setzt, unversehrt läßt, den andern aber in einer gewissen Höhe über der Erde abschneidet. Ich halte es jedoch nicht für zweckmäßig, zu diesem letzten Versuche nur einen Stumpf ohne alle Augen zurückzubehalten, da man noch nicht weiß, von welchem Einflusse der Vegetationsproceß in der Knospen auf die Metamorphose des Amylums in dem ganzen Stocke ist. Viertens wäre endlich noch zu untersuchen, ob und in wiefern die Kraft des Saftes dadurch verändert wird, daß man die Höhe des Stockes verändert, ohne seine Masse zu beeinträchtigen, indem man seine Zweige aufrichtet, wenn sie horizontal gezogen waren, oder herunterbeugt, wenn sie vertical gezogen waren.

Zu allen diesen Versuchen müssen Stöcke angewendet werden, von denen man gewiß weiß, daß sie keine Wurzelverbindung mit anderen haben. Man muß ferner nicht, wie Hales und größtentheils auch ich, bei diesen Versuchen an Röhren beobachten, die schon längere Zeit auf dem Stocke gestanden haben, sondern man thut am besten, die Röhren immer gegen Abend aufzusetzen, vom andern Morgen an einige Tage an ihnen zu beobachten, und sie dann, nachdem die alten Wunden sorgfältig verbunden sind, durch neue, auf anderen Aesten befestigte zu ersetzen.

Dieß sind mit den Anweisungen, welche ich oben über das Befestigen der Röhren gegeben habe, die wenigen Andeutungen, welche ich denjenigen Gelehrten, [212] welche sich mit diesen Versuchen beschäftigen wollen, überliefern kann, und ich hoffe im künftigen Jahre durch die wissenschaftlichen Blätter zu erfahren, daß ich nicht umsonst die Unterstützung fremder Naturforscher, besonders der glücklichen Bewohner der Weinländer, zur Lösung wichtiger und interessanter Probleme angerufen habe.

Tabelle zur S. 189 gehörig.

Tag. Stunde. I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII.
Apr. In Pariser Linien.
18 06 A. 052 081 000
19 10 M. 052 084 012
01 050 084 000
03 057 102 015
06 057 105 024
20 07 088 132 058 045 061
10½ 093 141 066 045 066
01 084 126 048 042 060
04 087 129 048 045 063
0 090 126 054 048 066
21 0 103 131 072 061 077
10 084 153 045 054 066
12 081 141 027 036 054
05 102 135 063 042 069
07 111 132 078 048 075
22 07 123 131 109 072 096
11 108 144 099 084 087
01 099 138 078 075 078
04 108 138 081 075 081
06 114 135 087 072 081
23 0 108 136 136 070 097
11 144 135 111 072 105
01 141 138 108 075 105
03 138 135 108 075 105
06 135 135 102 075 105 026 099
24 07 152 131 105 070 112 056 130
10 170 147 118 088 127 053 125
01 138 144 099 088 120 017 088
05 113 129 085 079 110 029 101
07 115 129 086 073 111 045 117

[213]

Tag. Stunde. I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII.
Apr. In Pariser Linien.
25 07 M. 147 118 072 065 98 105 174
11 174 132 81 76 108 103 176
03 159 130 78 78 108 86 156
08 152 125 74 75 104 98 164
26 07 160 116 64 63 121 141 204
10 195 138 78 85 113 86 174
0 163 128 69 69 109 93 138
08 156 124 66 82 108 125 151
10 152 117 106 141 161
27 01 N. 148 166
04 148 115 59 67 97 168 177
07 152 117 60 71 99 183 186
10 180 138 75 93 120 141 165
0 140 121 59 82 105 60 114
28 07 138 106 50 65 96 106 156 165
02 159 115 50 75 101 120 176 123
08 159 108 45 72 98 123 180 156
29 07 167 101 39 60 90 126 195 191
10 198 120 57 80 103 144 210 214
06 174 113 42 75 101 123 181 126
30 07 162 108 39 67 96 123 186 175
10 177 118 48 80 102 125 191 174
0 163 109 38 75 99 117 167 91
08 156 102 34 70 94 113 163 142
Mai
1 07 147 95 27 62 90 72 156 194
01 166 112 39 81 105 108 162 60
08 154 106 33 73 94 101 155 121
2 07 157 102 29 66 88 98 153 194
0 158 106 31 72 94 99 156 174
3 10 159 105 27 67 91 98 151 201

[214]

Tag. Stunde. IX. X. XI. XII. XIII. XIV. XV.
Apr. In Pariser Linien.
28 07 M. 209
02 169
08 204
29 07 236
10 267
06 164
30 07 221
10 239
0 144 60 141
08 156 85 156
Mai
1 07 195 108 196
01 184 120 180
08 167 140 227
2 07 149 288
0 150 262
3 10 129 285
4 07 291 262
03 170 146
5 0 255 226
6 10 A. 204 173
0 204 168
7 10 212 180
01 212 171
201 148
8 07 191 132
0 198 132 003 010
0 012 021
0 015 +065
07 036 +191
09 +043 +097
9 07 +134 +165
10 +132 +150
12½ +085 022
06 +017 033
11 +021 +146
10 07 +022 +177
09 +025 +171
01 +026 +153
11 07 +023 +130
10 +024 +135
01 +024 +101
12 07 014 +018
  1. Man hat bisweilen Gelegenheit zu beobachten, daß dicke Aeste schon bluten, wenn einjährige Triebe in gleicher Höhe noch nicht bluten. Dutrochet schreibt dieses einer mangelhaften Durchgängigkeit der Spiralröhren in den jungen Trieben zu; ich zweifle jedoch, daß man ihm hierin beipflichten kann. Spätere Beobachtungen müssen erst näheren Aufschluß über die wahre Ursache dieser Erscheinung geben.
  2. Knight[WS 4] fand bei Versuchen an der Sykomore und Birke, daß der Saft, welchen er in verschiedenen Höhen zapfte, ungleiche Dichtigkeit hatte, und zwar so, daß die Dichtigkeit mit der Höhe zunahm. Dieses Resultat ist neuerlich von Biot bestätigt worden (Comptes rendus du séances de l’Academie des sciences, 22 Febrier 1841[WS 5]). So wahrscheinlich es mir auch aus anderweitigen Gründen ist, daß der in den Zellen befindliche Saft in den oberen Theilen der Bäume concentrirter ist, als in den unteren, so muß ich doch gestehen, daß ich die angestellten Versuche nicht für besonders conclusiv halte; da der Saft, den man aus jedem Bohrloche zapfte, in der That aus sehr verschiedenen Höhen mit großer Geschwindigkeit zusammenströmte, und es überdieß ungewiß ist, ob er analogen Theilen des Querschnittes des Stammes angehörte, was bei diesen Versuchen von großer Bedeutung seyn kann. Eben so fand Knight, daß der Saft, der aus einem und demselben Bohrloche ausfließt, mit der Zeit verdünnter wird, was vielleicht von dem Verluste, welchen der Baum in der zunächst betheiligten Parthie an löslichen Substanzen erlitt, herrührt. Auch dieß wird an demselben Orte von Biot bestätigt. Bei meinen wenigen Versuchen zapfte ich zu verschiedenen Zeiten Saft aus verschiedenen Weinstöcken in ziemlich gleichen Höhen, und fand das Gewicht desselben mit dem Vorrücken der Vegetationsperiode um etwas wachsen. Die Versuche sind jedoch nur gemacht, um das Gewicht einer Saftsäule von gegebener Höhe für anderweitige Zwecke annähernd zu bestimmen, und machen auf weitere Folgerungen keinen Anspruch.
  3. Statique des vegetaux p. M. Hales, traduit de l’Anglais par Buffon. A Paris MDCCXXXV.[WS 7]
  4. Die sich neu bildenden Spiralröhren verbinden sich bekanntlich niemals mit schon vorhandenen, sondern die Gefäße jedes Jahresringes verlaufen vollkommen isolirt von denen des vorhergehenden und denen des zunächst darauf folgenden, ja die longitudinale Verbindung zwischen den Spiralröhren eines und desselben Jahresringes ist keineswegs im Einzelnen immer vollkommen. Von der Meinung der älteren Phytotomen, daß jede Spiralröhre einzeln für sich den ganzen Stock von einer oberen Extrimität bis zu einer unteren durchsetze, ist man ziemlich allgemein zurückgekommen, und diese Ansicht [200] wird schon durch das Mißverhältniß in der Zahl der Spiralröhren eines und desselben Jahresringes in Stamm, Aesten und Blättern widerlegt. Man kann sich übrigens durch die mikroskopische Untersuchung leicht überzeugen, daß es in den Knoten unter den die Röhren constituirenden Zellen häufig an irgend einer Stelle nicht zur vollkommenen Verwachsung mit Schwinden der Querscheidewand kommt, indem dieselben nicht genau senkrecht über einanderliegen. Die Hindernisse, welche auf diesem Wege dem hydrostatischen Drucke entgegengesetzt werden, müssen indessen nicht sehr bedeutend seyn, da derselbe, wie mir meine Versuche gezeigt haben, sich bisweilen durch eine große Menge von Knoten hiedurch sehr rasch und vollkommen ausgleicht. Für die Leichtigkeit der Bewegung des Saftes parallel der Axe spricht, außer vielen Experimenten über Tränkung der Hölzer und Durchgang der Flüssigkeiten durch die Spiralröhren, ein bekannter Versuch von Dutrochet. Wenn man nämlich zur Zeit des Blutens einen, mehrere Internodien langen Stab von einem Weinstocke abschneidet und ihn beugt, so sieht man sogleich den Saft aus beiden Schnittflächen an der der Concavität entsprechenden Seite aus den Spiralröhren hervorquellen. Wahrscheinlich werden die Folgen der Discontinuität einzelner Spiralröhren durch die zunächst benachbarten ausgeglichen, indem bei der sehr großen Länge, in der diese Röhren neben einander verlaufen, ein geringer Druck hinreichend ist, um eine in Bezug auf ihren Querschnitt sehr bedeutende Saftmenge aus einer Röhre in die andere zu pressen. Andere Spiralröhren gehen in der That ohne Unterbrechung durch die Knoten hindurch, da man Haare durch sie von Zweig zu Nebenzweig führen kann. (Vergleiche Gaudichaud: Note relativement à quelques points de la dernière communication de M. le Docteur Boucherie sur la vascularité des végétaux. Comtes rendus, 22 Febr. 1841.[WS 11])
  5. Da die vernarbten Spiralröhren auch bei bedeutendem Drucke kein Wasser durchlassen, so muß man vermuthen, daß die sie verstopfende Substanz in Wasser aufquillt, und dadurch der Verschluß vollkommen wird.
  6. Ich muß bemerken, daß die von Hales angegebenen Maxima in keinem Falle zu groß, vielleicht aber um etwas zu klein sind, da man nicht weiß, wie lange die Röhren schon aufgesetzt waren, als die Maxima beobachtet wurden. Ueberdieß bemerkt Hales, daß bei seinem ersten Versuche die Verbindungsstelle einige Male undicht geworden sey, was jedoch von geringerem Einfluß auf das Maximum ist als Hales glaubt, da der Stock, wenn die Communication an der Schnittfläche noch frei ist, den Saft bald wieder ersetzt. In der That führt auch Hales an, daß nach dem Verkitten der Saft wieder sehr rasch gestiegen sey.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. H. Dutrochet: L’agent immédiat du mouvement vital dévoilé dans sa nature et dans son mode d’action, chez les végétaux et chez les animaux. Dentu, Paris 1826 Google
  2. M. J. Schleiden: Grundzüge der Wissenschaftlichen Botanik nebst einer Methodologischen Einleitung als Anleitung zum Studium der Pflanze (Erster Teil). Wilhelm Engelmann, Leipzig 1842 Google
  3. C. L. Rominger: Versuche über die Saftführung der Gefässe. In: Botanische Zeitung. 1. Jg. (1843) 11. St., Sp. 177–185 Biodiversity Heritage Library
  4. Thomas Andrew Knight: Observations on the State in Which the True Sap of Trees is Deposited During Winter. In: A Selection From the Physiological and Horticultural Papers, Published in the Transactions of the Royal and Horticultural Societies. Longman u. a., London 1841, S. 109–119 Google
  5. Biot: Remarques scientifiques, à l’occasion de la lettre de M. Boucherie insérée au dernier numéro du Compte rendu. In: Compte rendu des séances de l’Académie des sciences. Bd. 12 (1841), S. 357–369 Internet Archive
  6. Stephan Hales: Vegetable Staticks: Or, An Account of some Statical Experiments on the Sap in Vegetables […]. W. & J. Innys / T. Woodward, London 1727 Internet Archive, Biodiversity Heritage Library
  7. Hales: La statique des vegetaux, et l’analyse de l’air. Übersetzt von de Buffon. Debure, Paris 1735 Google
  8. C. F. Brisseau-Mirbel: Élémens de Physiologie végétale et de Botanique. Magimel, Paris 1815 Gallica (planches), New York (1e partie), Google (2e partie)
  9. F. J. F. Meyen: Neues System der Pflanzen-Physiologie. 2. Bd. Haude und Spenersche Buchhandlung, Berlin 1838 Google
  10. Vorlage: abgeschitten
  11. Gaudichaud: Note relativement à quelques points de la dernière communication de M. le docteur Boucherie, sur la vasularité des végétaux. In: Compte rendu des séances de l’Académie des sciences. Bd. 12 (1841), S. 369 Gallica
  12. Vorlage: Bewegurg