Triumph der Tugend, Erste Erzählung
- Triumph der Tugend
Erste Erzählung.
- Triumph der Tugend
Von stiller Wollust eingeladen
Drang in den Tempel der Dryaden
Mit seinem Mädgen Daphnis ein,
Um zärtlich ohnbemerkt zu seyn.
Nur Vögel hüpften auf den Zweigen,
Rings um sie her lag feyerliches Schweigen,
Sie sasen tändelnd in dem Kühlen.
Wem Amor solch ein Glükke giebt,
Wird der nicht mehr als sonsten fühlen?
Und unser Paar fieng bald an mehr zu fühlen.
Des Mädgens zärtlich Herz lag ganz in ihrem Blikke,
Sein Herz von heissem Blut erfüllt
Drükt sich an ihr’s, lässt nach, drükt wieder;
Und wenn das Blut einmal von Liebe schwillt,
Reißt es gar leicht der Ehrfurcht Gränzen nieder.
Bey jedem Kusse ward er freyer,
Und sie - und sie - ließ es geschehn.
Der Schäfer fühlt ein taumelndes Entzükken,
Anstatt der Munterkeit ein sanfter Kummer liegt,
Glaubt er sie auf dem Grad von feurigen Entzükken,
Sie war an seine Brust gesunken,
Erbat sich, Amor, Sieg von Dir.
Doch schnell entriß sie sich den Armen,
Die sie umfassten: Aus Erbarmen,
Rief sie, komm, eile weg von hier.
Da sprach sie zärtlich: Laß nicht mehr
O Freund, ich liebe dich zu sehr,
Um dich unwürdig zu verlieren.