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Träumerei auf einem Havelsee

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Textdaten
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Autor: Kurt Tucholsky
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Titel: Träumerei auf einem Havelsee
Untertitel:
aus: Das Lächeln der Mona Lisa, S. 363–364
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1929
Verlag: Rowohlt
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Erscheinungsort: Berlin
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Originalherkunft:
Quelle: ULB Düsseldorf = Commons
Kurzbeschreibung:
Erstdruck in: Weltbühne, 11. September 1928
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Träumerei auf einem Havelsee


Ich bin Prokurist einer Wäschefabrik,
Sternberg, Guttmann & Sohn.
Mein Segelboot heißt „Heil und Sieg“,
zwei Stunden lieg ich hier schon

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     und seh auf die Kiefern und in das Wasser hinein –

 auf meinem Boot ganz allein.

Urlaub hatte ich im August,
ich war in Norderney,
mit Lilly… ihre linke Brust

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sieht aus wie ein kleines Ei.

     Wenn man sie da kneift, dann wird sie gemein –
 auf meinem Boot ganz allein.

Graske ist ein gemeiner Hund,
ein falsches Aas – er tut bloß so…

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er weiß, der Alte ist nicht ganz gesund;

wenn mans merkt, bleibt er länger im Bureau.
     Und dem Junior kriecht er jetzt auch hinten rein –
 auf meinem Boot ganz allein.

Mutter wird alt. Wie alt… warte mal:

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vierundsechzig, nein: achtundsechzig, genau.

Grete soll ganz still sein; sie pöbelt mit ihrem Personal
wie eine Schlächtersfrau.
     Ich frage mich: muß eigentlich Verwandtschaft sein?
 auf meinem Boot ganz allein.

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Ich habe es schließlich zu was gebracht,

ich geh auf den Presseball;
auf Reisen fahre ich Zweiter; die Jacht
hier hieß früher „Nachtigall“.

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Quatsch. Jetzt heißt sie richtig. Manchmal lade ich Willi und Ottmar ein –
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nein, Ottmar nicht, der hat mich bei den jungen Aktien

nicht mitgenommen – schließlich werde ich dem Affen doch
nicht nachlaufen, das hab ich nicht nötig; stehen jetzt 192,
193… wo ist denn die Zeitung? –
     auf meinem Boot ganz allein.

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Das ist meine liebste Erholungszeit,

     auf meinem Boot ganz allein.
Kein Mensch ist zu sehen weit und breit –
     kann man einsamer sein?
Eine Welle gluckst. Ich bin einsam. Zwar

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     die Inventur beginnt morgen,

und wie die Sirenen mit schwimmendem Haar
     ziehen im See meine Sorgen:

Lilly, Mama und die Wäschefabrik,
die Reparatur von „Heil und Sieg“,

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Graske und Ottmar, der Egoist;

wer im Silbenrätsel „Fayence-Maler“ ist –;
der Krach mit dem Chef von der Expedition;
die Weihnachtsgratifikation –
sonst aber schwimme ich hier im märkischen Sonnenschein –

50
     auf meinem Boot ganz allein.