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Topographia Westphaliae: Camerach

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Topographia Germaniae
Camerach (heute: Cambrai)
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aus: Matthäus Merian (Herausgeber und Illustrator) und Martin Zeiller (Textautor):
Merian, Frankfurt am Main 1647, S. 75–77.
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[T41]

[75] Camerach / Camerick / Cameracum, Cambray. Daß wir diese Reichs- vnd Westphälische Craiß-Statt hieher in den Anhang setzen / geschicht daher / weiln sie in Spanischem Gewalt / vnd schlechte Hoffnung ist / daß solche noch so bald dem Reich restituirt werden möchte. So hat sie auch schon längsten / ihren Reichs-Anschlag / der Monatlich seyn solte / zween zu Rossz / vnd achtzehen zu Fuß / nicht erlegt / sondern wolte vnter ihres Bischoffs Anschlag begriffen seyn. Sie ligt zum Theil in einer Ebene / Theils auch an einem Hügel / vnd hat breyte Gassen. Die Innwohner reden Frantzösisch / aber gar vbel. Es seynd da fünff Thor. Das Castell ligt nächst an der Statt / doch etwas hoch; ist gegen der Statt mit Erdenberg dermassen außgearbeitet / vnnd vergleichet / daß niemands hinauff / oder an der Statt hingehen kan / daß man ihn auff den Wällen / oder auß dem bedeckten Weg / nicht solte sehen können. Gegen der Statt seynd zwey Bollwerck / vnnd gegen das Feld auch zwey. Doch ist zwischen denselben beyden / vber dem [76] Graben / so trucken / ein starcker Ravelin / der verwahret das Thor daselbst / welches dahin gemacht / daß man Proviant / vnnd anders / ins Castell bringen kan. Die Bollwerck seynd auß den Streichen gezogen. Carolus V. der Keyser / hat solches erstlich / da angeben. Die Ertzbischoffliche alte / vnnd köstliche Hauptkirch / zu vnser Frawen / hat der Bischöffe / so allhie in langer Ordnung nacheinander gefolgt seyn / Gräber; auch ein feines Vhrwerck / vnd ein fürtreffliche Tafel / so S. Lucas solle gemahlet haben. Der Thurn an dieser Kirchen ist spitzig oben hinauß / wie ein Pyramis, von Quadersteinen / durchsichtig gebawet / vnd ein schönes Werck. Neben dieser Kirch / hat es allhie auch neun Pfarrkirchen / drey Abteyen / drey Manns vnd drey FrawenKlöster / ein Jesuiter Collegium, viel Spitäl / vnd dergleichen Häuser. So seyn da zusehen deß Ertzbischoffs Pallast / vnnd das Rahthauß auff dem Marckt; so ein alter hoher Thurn / auff beyden Seiten / mit zweyen schönen newen Gebäwen nach der Bawkunst. Hat vnten ein groß Thor / vber demselben stehet ein Reichs-Adler in Stein gehawen: Oben auff dem Thurn hangen viel kleine / vnd grosse Glocken: Wann die Vhr schlagen wil / so musicieren sie zuvor ein Lied; die Stunden schlagen zween grosse Männer mit Hämmern. Vor solchem ist allezeit eine Wacht von fünffzig Spaniern. Die Herrn deß Rahts / tragen lange schwartze Röck / vornen herab mit Sammet gefüttert / auff dem Haupt aber ein schwartz Sammet Paretlein; dergleichen man sonst in andern Stätten nicht siehet. Die Schelde / oder Scaldis, laufft mitten durch die Statt / welche sieben Meilen von Valensin / oder Valencenis, gelegen. Obgedachtes Castell / so schön / vnnd starck / hat Keyser Carl obgedacht / auff deß Berges Spitzen zuerbawen angeben / wo S. Medardi Kirchen / von S. Gaugerico, dem Bischoff allhie / gestifftet / gestanden. Dahero die Thumbherrn zu S. Gaugerico, als sie diese ihre Kirch verlassen musten / sich in die Pfarrkirchen S. Vedasti begeben / allda sie in dem prächtigen Chor / den sie erbawet / deß gedachten heiligen Gaugerici Cörper beygesetzt haben; daß also jetzt deß heiligen Vedasti; auch S. Gaugerici Kirch genannt wird. Es ist ein reiche Statt / darinn grosser Handel / vnnd Gewerb getrieben wird. Die Häuser seyn schön; vnd gehöret der Statt ein gantzes Ländlein herumb / so Cambresium, Cambresis, genannt wird / in welchem viel Dörffer / vnd andere fürnehme Ort / vnd vnter denselben das Schloß Cambresii, oder Cambresi, sechs Frantzösischer Meilen von der Statt gelegen / daselbsten auch vor Zeiten / als an einem sonderbaren / zu den Berahtschlagungen / von Bündnüssen / Anständen / Krieg / Frieden / vnd dergleichen hochwichtigen Sachen / man vnterweilen zusammen kommen / welche Schluß auch daher den Namen bekommen; als Anno 1508. 1529. vnd zu andern Zeiten / geschehen. Es ist die Statt vor Jahren zum Hennegäw gerechnet worden. Hernach aber haben die Teutschen Keyser sie von selbiger Herrschafft vnderschieden / vnd auß ihr ein freye / vnnd Keyserliche Statt gemacht. Aber es war deßwegen / sonderlich / zwischen den Teutschen / vnd Frantzosen / stätiger Zanck. Vnd waren die Graffen in Flandern der Camerachischen Kirchen-Vögte / vnd Beschützer. Der Hertzog von Alentzon / der Könige Caroli deß Nenndten / vnnd Henrici deß Dritten / in Franckreich / Bruder / hat Anno 1581. solche einbekommen / vnd als er gestorben / sie seiner Mutter Catharinae hinderlassen. Aber Anno 1595. ist sie von den Graffen von Fuentes / vnnd den Spaniern / den Frantzosen entzogen worden. Dann / nach deme ein Vnwillen zwischen den Bürgern / vnd Frantzosen / oder der Frantzösischen Besatzung / sich ereygnete / vnd die Bürger die Schweitzer auff ihre Seiten brachten / so gaben sie die Statt bemeltem Graffen / der sie belägerte / auff. Die Frantzosen wehreten sich zwar noch eine weil im Castell / aber endlich ergaben sie sich auch / vnnd wurde der Bischoff meistentheils allein zur Geistlichen Inspection wider eingesetzt; im vbrigen / vnd Weltlichem aber / bliebe die Statt / sampt dem besagten Ländlein herumb / doch mit seiner Maß / dem König in Hispanien; vnd wird heutiges Tags von den meisten zu Artois / oder Artesia, gerechnet. Siehe hievon / vnd auch dem Obrigen / J. A. Thuanum, Joan. Serreum, Eman. Meteranum, in ihren Historien / Adrianum Romanum, in Theatro Urbium, Casp. Ens, in deliciis apodemicis, Johan. Wilh. Newmeyer / in der Sächsischen Reyse / p. 246. G. Braun im vierdten vnd fünfften Theil seines Stättbuchs (bey welchem auch ein weitläufftige Beschreibung von dieser Statt Zuständen / Glück / vnnd Vnglück / so wol / als beym gedachten Romano, zufinden) vnd andere mehr. Obgedachtes Schloß Cambresi, haben Anno 1637. die Frantzosen wider erobert. Die schöne / zarte Leinwat / so man Cammerleinwat nennet / wird allhie gemacht. Vnd helt besagter Thuanus lib. 89. Histor. darfür / daß Jährlich derselben für vier vnd zwantzig hundert tausend Niderländischer Gülden / zu seyner Zeit in dieser Statt bereytet worden seye. In deß Abrahami Gölnitzii Itinerario BelgicoGallico (daselbsten p. 148. seqq. auch dieser Statt Beschreibung zufinden) wird auß deß obbesagten Meterani fünffzehenden Buch gemeldet / daß / nach etlicher Observation / Jährlich allhie auffs wenigste sechszig tausend Stücklein der zarten Leinwat gemacht werden / deren eines fast auff viertzig Niderländische Gülden / geschätzt werde / also / daß die Summa deß Gelts / sich auff die vier vnd zwantzig hundert tausend Gülden belauffe. Bißweilen mache man auch Stücklein solcher zarten Leinwat von zwey vnd zwantzig Elen in der Länge / vnnd in der Schwäre von sechs / sieben / oder auffs meiste acht Vntzen / oder sechszehen Loth / deres eines gleichwol auff dreyhundert Niderländische Gülden komme.

Was das obgedachte Bischthumb allhie anbelangt / so wird für desselben ersten Vorsteher / [77] der heiligen Märtyrer Diogenes gehalten. Auß dessen Nachfolgern gewesen / S. Vedastus, vnd S. Vedulphus, welcher den Bischofflichen Sitz von Atrecht hieher gelegt. Ferners obgedachter S. Gaugericus, der für den vierdten / oder fünfften Bischoff allhie gehalten wird. Vnd der vmbs Jahr 595. gelebt haben solle. S. Autbertus, so die Kirch zu Atrecht erbawet / vnd das Hennegäw zum Christlichen Glauben bekehret hat. Vnd ist seine Abtey allhie zu Cambray wol zusehen / darinn Ertzhertzog Albertus von Oesterreich / vnd die Infantin / als sie Anno 1600. allhie den Eyd geleystet / vnd ihnen hergegen huldigen lassen / eingekehret haben. Heutiges Tags ist allhie ein Ertzbischthumb / vnter deme seyn die Bischtümber Atrecht / Tornick / S. Omer / vnd Namur. Es erscheinte vorhin auch der Bischoff / als ein Ertzbischoff / vnd Hertzog / bey vnsern Reichstägen / hatte im Fürstenraht seine Session, vnd Votum, vnd erfuhre alle Geheimnüß; wiewol er nichts mehr contribuirte; da er vorhin / dem in Anno 1521. gemachten Anschlag nach / Monatlich 22. zu Rossz / vnd 82. zu Fuß geben. In dem Abschied aber deß nächsten Reichstage zu Regenspurg in Anno 1641. findet er sich gleichwol nicht: Die Vrsach dessen / ist vns vnbewust.