Topographia Circuli Burgundici: Von den Graffschafften Artois
Zu nächst an Flandern / so wir in dem nächstvorgehendem beschrieben / stosset / die Graffschafft Artois / Lateinisch Artesia, genannt / so vor Jahren ein Theil deß Flanderlands gewesen / heutigs Tags aber ein besondere Graffschafft / nemblich eine auß den 17. Provintzen in Niederland / und dem König in Hispania gehörig ist. Carolus Calvus hat gantz Flandern dem Balduino von Ardenne zum Heurath-Gut geben / da er die Judith geheurahtet. Als aber hernach Philippus Alsatius, Graff in Flandern / seine Enicklin / Isabellam, deß Königs Ludovici VII. in Franckreich Sohn Philippo, verehelicht / hat er ihme damit auch West-Flandern / das ist / die Gegend / die da gehet von dem neuen Graben (so ein sehr grosser Canal / der entweder durch Menschen-Hände / beedes der Feinde Außfällen dardurch zusteuren / und die Länder Artois / und Flandern / zu unterscheiden gemacht worden; oder aber ein Busen eines eingeschlossenen Meers ist /) biß in die Picardi / gehen. Und hat König Philippus Augustus in Franckreich solchen Strich hernach Anno 1198. zu einer Graffschafft gemacht / und seinem Sohn / König Ludwigs deß Neundten / und Heiligen / Vattern / überlassen; welcher S. Ludovicus diese Graffschafft seinem Bruder Roberto geben / von dessen Nachkommen Elias Reusnerus in Stemmat. Witichind. zu lesen. Anno 1382. bekame solches Ludovicus Malanus, Graff zu Flandern / nach Ableben seiner Frau Mutter Margarethen auß Franckreich / erblich / und wurde also Artois wieder zu Flandern gebracht: dessen einige Tochter / auch Margareth genannt / zu Hertzog Philippo dem Kühnen von Burgund / König Johannsen in Franckreich Sohn / geheurahtet / und ist folgends Artois beym Hauß Burgund geblieben / biß auff den Tod Hertzogs Carls deß Letzten von Burgund / da König Ludwig XII. in Franckreich Artois eingenommen; so aber endlich durch vertrag seines Sohns / Königs Caroli VIII. mit Käyser Maximiliano I. Anno 1492. gemacht / deß Käysers Sohn Philippo, als deß vorgedachten Hertzogs Caroli von Burgund Enick Sohn / geben worden / von welcher Zeit an / auch dieses Land bey dem Hauß Oesterreich verblieben / ausser / was in den Kriegen zwischen den beeden Cronen / Franckreich und Spanien / bißweilen davon die Frantzosen eingenommen haben. Es seynd aber die Gräntzen desselben / von Mitternacht Flandern; von Mittag die Picardi; von Morgen wieder Flandern / und das Land Camerach oder Camerich; und vom Abend wieder die Picardi. Ist ein gutes fruchtbares Land / sonderlich an Getreyd / welches es auch den benachbarten / sonderlich [193] den Antorffern / und Mechlinern / mittheilet. Hat 9. Burg-Vogteyen oder Castellaneyen. Der Stände seyn drey / als der Praelaten / darunter 2. Bischöffe / der zu Atrecht / und S. Omer. 2. Pröbst. 20. Aebbt. 10. Collegia Canonicorum, auß welchen das zu S. Paul eines ist. 2. Deß Adels / so groß / und darunter der Hertzog von Espinoy, der Marggraff von Renty / der Graff von S. Paul / Graff von Bucquoy, der von Falckenberg / und andere Graffen mehr seyn. 3. Die Stätte / auß denen die vornehmste seyn / Arras / oder Atrecht / S. Omer / Bethune / Hera oder Aria / Beaupame, oder Bapalma, Heßdin / Bassee / Lens / und drey Stättlein / so Privat-Herrn gehörig / als S. Paul / Perne und Lillers. Der Flecken so Statt-Recht haben / und auch zu den Conventen der Stände erfordert werden / seyn acht und zwantzig / als: Arques, Aubigny, Avesnes, Aussi, Beaurains, Blangy en Turnois, Busquoy, Carvin, Caumont, Choques, Dourier, Fauquenberghe, Fressin, Fleurbay, Frevene, Frages, Gorgue, Hennin, Lietard, Heuchin, Housdain, Labroie, Libourg, Oisy, Pas, Richenburg, Tornehem, Ventie, und Vitry. So sollen auch im Lande mehr als 800. Dörffen seyn. Die Sprach im Lande ist grob Frantzösisch. Wer deß Ferreoli Locri descriptionem Artesiae haben kan / die mir gemangelt / der wird / sonders zweiffels / seinem Begehren darauß gnug thun können.
II Hennegöu / Hannonia, von den Inwohnern / und den Frantzosen Hainault genant / ist auch eine auß den so genanten 17. Niederländischen Provintzen / und dem König in Spanien gehörig. Es schreibet Jacobus Lessabaeus, in einem besondern Büchlein davon gemacht / daß diß Land / wegen Verehrung deß Abgotts Pan, anfangs Pannonia, hernach der Kolwald / und folgends die untere Picardei seye genant worden / biß es den jetzigen Nahmen bekommen / so vom Wasser Hene / oder Haina / und dem Teutschen Wort Göw / so eine Landschafft bedeutet / herkommet. Die Gräntzen seyn von Mitternacht Brabant / und Flandern; von Mittag Champagne, und die Picardi; von Morgen Namen und Lüttich; und vom Abend der Fluß Schelde / mit einem Theil von Flandern / und Artois / vermittelst deß Stiffts Camerich. Die Länge ist von 20. und die Breite von 16 Meilen. Ist ein herrliches gutes Land / darinn die Flüsse Schelde / Samra / Denre / etc. Item ein Vberfluß an Seen / Weyern / und lebendigen Brunnen / viel schöne Wälde / sehr viel lustige Wiesen / etc. mit allem Geschlecht von Viehzucht; Item fruchtbare Bäum / herrlich Korn und Weitzen / Eisen / Bley / Steinbrüche / Probier- und Streichstein / guter Kalch / und Steinkolen zu finden. Man macht auch da schöne und gute Gläser in grosser Menge. Die Stätte darinn seyn / Bergen / Valensin / (wiewol / wie hernach folgt / diese für absonderlich zu halten ist) Bouchain, Quesnoi, Landresi, Avenes, Chimay, Marienburg / Philippeville, Beaumont, Mabuge, oder Maubeuge, Bavais, Bins, Reus, Soigni, Breine le Comte, Enghien, Hall / Lessine, Cheure, Atte oder Attum, S. Guillein, Conde, und Leuse. Theils zehlen 2200. Dörffer / so alle Kirchthürn hätten. Andere setzen 950. grosse / schöne / und reiche Dörffer. Es ligen auch in diesem Lande die Stätte Tuin / und Covine / so aber dem Stifft Lüttich zuständig: Item Vallencourt nach Namur gehörig. Der Schlösser hat es auch nicht wenig / wie dann allda ein grosser Adel / darunter der Fürst von Chimay. die Graffen / und Freyherren von Lalein, Beaumont, Barbanson, Barlemont, Bossu, Montigni, Reux, Haure, Fontaine, S. Aldegonde etc. und gar viel Abbteyen. Die Stände bestehen in 5. Gliedern / als 12. Pairien, oder Genoßschafften / Praelaten / Adel / 4. Haupt-Officirern und den Stätten. Ist gantz Lehenfrey: daher man sagt: Pays de Henaut tenu de Dieu, et du Soleil, daß nemblich Hennegöw allein Gott / und die Sonn / zum Lehenherrn habe. Man redet da grob Frantzösisch. Die Inwohner seyn getrew / und streitbar; der
[194] gemeine Pövel aber zimlich neidisch / und von böser Natur wie zwar Guicciardinus will. Der Lufft ist lieblich / und heiter. Johannes Bochius, in hist. narrat. de Alberto et Isabella Archiducibus, sagt fol. 486. daß diese Graffschafft / und derselben Hauptstatt / Bergen / ihren Vrsprung bekommen von Alberico Clodionis Sohn / dessen Stammen immer fort gewäret / biß auff die H. Waldetrudem, so von den Albertis herkommen / und sich mit dem H. Madelgario, so sonsten Vincentius genant / auß Bewilligung Königs Dagoberti, verheurathet / deren H. Waldetrudis Reliquien / zu besagtem Bergen / in ihrer Kirchen ligen. Mit der Zeit sey diß Land / durch Heurath der Grävin Richildis von Hennegöw / mit Balduino von Bergen / Graffens Balduini Barbati auß Flandern Sohn / an Flandern kommen / deren ander gebohrne Sonn Balduinus I. Hierosolymitanus gewesen / der verlassen Balduinum II. Magnanimum, Graffen zu Hennegöw / und Valensin / dessen Sohn Balduinus III. Aedificator, verlassen Balduinum IV. und dieser / von Margarita Elsatia, Graffens Philippi Elsatii in Flandern Schwester / und Erbin / Balduinum V. den Constantinopolitanischen Käyser / Graffen zu Flandren / Hennegöw / und Valensin; dessen Töchter / Joanna, und Margarita, gewesen / deren die letztere Bouchardum Avesnensem geheuratet / und mit ihme Joannem Avesnensem I. und dieser von Aleide / Käysers Wilhelmi Tochter / Johannem Avesnensem II. Graffen zu Hennegöw und Valensin / erzeuget / dessen Sohn Wihelmus I. oder Bonus gewesen / deme sein Sohn Wilhelmus II. succedirt hat; dessen Schwester Margarita zu Käyser Ludovico Bavaro geheuratet / und / als eine Erbin / diese beede Landschafften ans Hauß Bayern bracht hat; welcher ihr Sohn Guilelmus III. Bavarus, und diesem sein Bruder Albertus Bavarus r und deme sein Sohn Guilelmus I, V. Ihme aber seine Tochter Jacoba Bavara, succedirt haben. Auff die gefolget Philippus Bonus, Hertzog zu Burgund / dessen Mutter Margaretha Bavara, Hertzogs Alberti, Graffens zu Hennegöw / etc. Tochter und die Anfraw Margaretha Flandra Hertzogs Philippi Audacis zu Burgund Gemahlin gewesem. Und hat diesen Philippo Bono sein Sohn Carolus Audax, und deme seine Tochter Maria, Käysers Maximiliani I. Gemahlin / succedirt / so dieses Land an das Hauß Oesterreich gebracht hat.
III. Das Stifft Camerich / betreffende / obwoln dasselbe dem Römischen Reich / und in den Westphälischen Craise gehörig / in dessen Beschreibung auch desselben gedacht worden; und der Bischoff dieses Stiffts / und dessen in Geist- und Weltlichen Herr / seinen Sitz / und Stimmen / bey den Reichstägen hat; Gleichwoln weiln die Hauptstatt Camerich / oder Cameracum, anjetzo ein Spanische Besatzung hat / und solches Bistumb / als zwischen den obgedachten beeden Graffschafften Artois / und Hennegöw gelegen / unter Spanischem Schutz; und benebens vom Guicciardino zu Artois; von andern aber zu Hennegöw / referirt wird: So wollen wir desselben auch allhie gedencken; zwar deß Ländleins Beschreibung zu der Statt Camerach hinab versparen; und nunmehr dieser drey Länder vornehmste Ort nach dem A. B. C. setzen.