Todte verhelfen Lebenden zu ihrem Recht
Im Jahre 1694 hat man in einer Bergstadt von der Frau eines Fleischers erzählt, daß sie vier Wochen nach ihrem Begräbniß wiedergekommen sei. Dieselbe hinterließ den Ruf eines frommen und eingezogenen Lebens, beklagte sich auch verschiedene Male über das böse Wesen, was ihr zweiter Mann mit Fluchen und Streiten nebst den Kindern treibe und sagte, sie werde sich ein Leid thun müssen. Kurz darauf starb sie und hinterließ eine arme Schwester, welche bei dem Wittwer allerhand Erbstücke suchte, aber nichts erhalten konnte. Trotzdem daß diese Erbforderung gerichtlich beigelegt war, wollte sich doch die blutarme Schwester nicht abweisen lassen und vergoß viele Thränen. Der Wittwer lag aber krank nebst seinem Sohne allein in der Unterstube. Da kommt um Mitternacht ein Gespenst in Gestalt der Verstorbenen und setzt sich vor sein Bette; er erschrickt und fängt an zu beten: „Gott der Vater, wohne uns bei!“ Dies thut er drei Male, aber die gespenstige Frau will nicht weichen, der Kranke kann nicht fort und schwitzt gar sehr. Es schlägt 12 Uhr, da meint er, nun werde sie fortgehen, aber sie bleibt bis nach 2 Uhr sitzen, da fängt er an: „alle guten Geister loben Gott den Herrn!“ Sie antwortet zwei Schritte zurücktretend: „ich auch!“ Der Kranke fragt: „was wollt Ihr hier? gehet hin, wo Ihr hingehört.“ Sie antwortet: „Ihr sollt meiner Magdalena (so hieß ihre arme Schwester) nicht Alles nehmen!“ Und damit fuhr der Geist zum vordern [485] Fenster hinaus. Eine Hausgenossin wohnte in der Oberstube, die auf der Bank lag und dasselbe Gespenst sah, welches sie angriff und begehrte, man solle ihre Schwester nicht kränken; damit warf es ein Biermaaß nach ihr und blieb außen.