Zum Inhalt springen

Timbuktu

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
CCCXXX. Jona und Staffa; – die Fingalshöhle Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band (1841) von Joseph Meyer
CCCXXXI. Timbuktu
CCCXXXII. Triest
  Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
[Ξ]

TIMBUCTU
in Africa

[7]
CCCXXXI. Timbuktu.




Nicht ist so häufig falsch, als der menschliche Ruhm. Wie viele Betrüger, Schurken und Tyrannen feiert die Geschichte als groß; wie Viele hat sie zu Helden gemacht, die, thut man den Nimbus des Erfolgs von ihnen weg, nichts übrig lassen, als Tollköpfe, welche in eine Mordlotterie so lange Leib’ und Leben einsetzten, bis sie zufälliger Weise einen Lorbeerkranz als Treffer zogen; wie Viele auch brachte bloßes Adlersklauen-Gelüst, Hab-, Raub- und Mordsucht, mit hündischem Sklavensinn gepaart, an den Heroenpranger! Solchen mögen Leute, die dergleichen Berühmtheiten zu nutzen wissen, Bild- und Ehrensäulen bestellen, und sie, wie andere Wappenthiere, vor die Thore der Städte und Palläste setzen; der Vernünftige wendet sich alle Zeit mit Verachtung oder mit Abscheu von ihnen ab. Er neigt nur vor dem wahren Ruhme das Haupt in Ehrfurcht: vor den großen Männern und Märtyrern des Rechts und der Wahrheit.

Wenn, wie Niemand bestreiten wird, auch das Märtyrerthum der Wissenschaft ein ächter Palmzweig ist, so dürfen wir auch Jenen unsere Verwunderung nicht versagen, welche, unerschrocken und eben so sehr im Interesse der Wissenschaft als der Humanität, die Erforschung früher unbekannter Regionen des geheimnisvollsten Erdtheils zum Ziele ihres Strebens gemacht haben, eines Strebens, während dessen sie fast Alle die Marken ihres Lebens fanden. Caillé und John Lander leben noch; alle andere afrikanische Entdecker (Touristen und solche, welche betretene Pfade gingen, gehören in eine andere Categorie), von Ledyard an: Houghton, der große Mungo-Park, Hornemann, Röntgen, Ritchie, Denham, Clapperton, Toole, Oudeney, Lamy, der eine der beiden Lander – und endlich fast die sämmtlichen Glieder der von der brittischen Regierung zu verschiedenen Zeiten ausgehenden Entdeckungs-Expeditionen: Astronomen, Geologen, Botaniker, Zoologen, Zeichner – fanden in dem Erdtheil ihres Ruhms auch ihr Grab.

Einer der beiden Glücklichen, welche ihren Forschungseifer nicht mit ihrem Leben büßten, Caillé, hatte, indem er den Nigerlauf verfolgte, Timbuktu erreicht, und von ihm besitzen wir ein lebendiges Bild dieser, zu seiner Zeit noch ansehnlichen Stadt Centralafrika’s, von der schon lange her wundervolle Sagen im Schwange gingen. Und doch war zu Caillé’s Anwesenheit ihr Glanz schon längst dahin. Es gab eine Zeit, wo Timbuktu der Markt war, auf dem ganz Nordafrika mit den Nationen des Innern Erzeugnisse und Waaren [8] tauschte; er war das Ziel von unzählichen Karavanen, welche die große Wüste, an deren Saum Timbuktu liegt, von allen Seiten her durchschnitten, und einen Verkehr veranlaßten, der, ältern Nachrichten nach, unglaublich scheint. Timbuktu galt als Emporium Afrika’s, der Sitz des Reichthums und Glanzes; man legte ihm 300,000 Bewohner zu. – Die Colonisirung der afrikanischen Westküste durch Europäer, die Einrichtung von Sklavenmärkten in ihren Niederlassungen und andere Ursachen, gaben dem Handel eine veränderte Bahn; Timbuktu verlor allmählich die frühere Bedeutung; innere Kriege, die das Land (Sudan) verwüsteten, vollendeten seinen Ruin. Jetzt ist Timbuktu, das noch von Caillé vor 3 Jahrzehnten gepriesene, ein armseliger Ort, wo 20,000 Menschen, meistens in schlechten Erdhütten, zwischen den Trümmern wohnen, welche von der alten Herrlichkeit übrig sind. Vom einst unermeßlichen Verkehr hat sich nicht viel mehr erhalten, als ein noch von den Caravanen Nordafrika’s besuchter Sklavenmarkt, wo die Handelsleute aus Marokko, Fez, Tunis, Tripolis und Cairo Heerden von menschlichen Wesen aufkaufen, um die Märkte Nordafrika’s damit zu versorgen. Ehedem sollen hier jährlich über 200,000 Sklaven verkauft worden seyn; jetzt ist wohl der zwanzigste Theil das Maximum. Bevor die englische Regierung dies Gewerbe brandmarkte, schlichen auch Christen in Menge dahin, ihre Mitgeschöpfe wie Vieh einzuhandeln. – Britische Protestanten, holländische Calvinisten, deutsche Lutheraner, die Katholiken Spaniens und Portugals: sie alle kamen voll Gier nach Menschenfleisch, tauschten dagegen ihre Waaren und meinten noch, sie trieben ein ehrliches Gewerbe, da die christlichen Könige es erlaubt, da sie den Sklavenhandel in gesetzlichen Schutz genommen hatten. Diese Zeit ist vergangen, und in dem Verhältniß, wie der Genius der Gesittung auch in Nordafrika wurzelt und Eroberungen macht, wird der älteste Mittelpunkt jenes ruchlosen Verkehrs von der Erde verschwinden.