Thränen der Rose
Thränen der Rose.
Willst Du im Blumenschmuck der Au’n
Des Frühlings Bild, das schönste, schau’n,
O, wolle zu der Rose gehn,
Wenn ihr im Aug’ die Thränen stehn.
Sie kennt auch Deine Himmelsfreud’,
Und sie, der Blumen schönste Zier,
Theilt gerne Leid und Freud’ mit Dir.
Sieh’ dorten unterm Lindenbaum
Davor, allein mit seinem Schmerz,
Ein gramgebrochen Mutterherz.
Die bleiche Mutter, ganz verarmt,
Sie hält das kleine Grab umarmt,
Hat man versenkt ihr einzig Kind.
Der Abend thaut aus Himmelshöh’n –
Rings blühn die Rosen wunderschön –
Wie sie den Schmerz der Mutter sehn –
Des Vaterlandes schönster Tag –!
O Gott, wer ihn erleben mag!
Der alte Traum seit tausend Jahr
Ist Wahrheit worden golden klar;
Begrüßt zum allerersten Mal
Vom Nordmeer bis zur Alpenwand,
Vom Elsaß bis zum Dünastrand
Ein freies deutsches Vaterland;
Im ganzen Reiche fallen ein –
Es ist ein Morgen, dessen Freuden
Im Himmel Gottes Engel neiden,
Es ist ein Morgen, eine Pracht
Daß das urältste Herze lacht
Und allen Rosen wunderschön
Vor Freuden die Thränen im Auge stehn.