Zum Inhalt springen

Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band/Vom Kloster Memleben

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Vom Kloster Oldisleben Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band
von Ludwig Bechstein
Die lebende Mauer
{{{ANMERKUNG}}}
  Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
[270]
400.
Vom Kloster Memleben.

In friedlich heiterer Gegend liegt das Dorf Memleben hart an der Unstrut, und nahe am Dorfe eine der schönsten thüringischen Klostertrümmer, die gleichen Namen mit dem Dorfe theilt. Von einer großen gewaltigen Zeit zeugen diese großen gewaltigen Gewölbebogen der hohen Basilika, deren Decke jetzt das Gewölbe des Himmels ist. Die deutsche Kaisersage durchweht und durchflüstert mit ihrem Ernst diese stolze Ruine. Kaiser Heinrich I. Gemahlin, Mechtildis, war Memlebens Gründerin; sie räumte dem Benedictinerorden das neue Kloster ein. In diesem Kloster sah der ruhmreiche Gemahl der Gründerin seinen letzten Erdentag. Er kam, bereits zu Bodfelde von einem Schlaganfalle getroffen, von einer Synode zu Erfurt mit geringem Gefolge nach Memleben. Da verlor die Sonne am hellen Himmel ihren Schein, und warf bleiche blutige Strahlen in das Gotteshaus. Ein Berg bei Quedlinburg warf Flammen aus, derselbe Berg, auf dem das Kloster stand, darin Heinrich I. dann beigesetzt wurde. Nach schmerzlichem Abschiede von seinem treuen Ehegemahl verschied der ruhmreiche Hunnensieger, Deutschlands Befreier, am 7. Juli 936.

Und wunderbar, Kaiser Heinrichs großer Sohn, Kaiser Otto I., dem es gelang, Päpste ab- und einzusetzen, die römische Kaiserkrone aufs neue deutschen Herrscherhäuptern zu sichern, der Böhmen beugte und Dänemark niederdrückte, [271] unter dessen Regierung das Harzgebirge den reichen Segen seiner Berge aufschloß – dieser berühmte Herrscher kam nach dem stillen, kleinen Memleben, von seiner Gemahlin Adelheid und seinem Sohne Otto begleitet, von Merseburg, um nach Quedlinburg zu reisen. In der Nacht sang er mit den Mönchen die Hora in der Klosterkirche, wohnte der Frühmette, dann dem Hochamte bei, theilte Almosen aus an die Armen, verbrachte heiter den Tag und besuchte die Vesper. Da wandelte ihn eine Schwäche an, und kaum war er mit den Sterbesacramenten versehen, so war er an derselben Stätte dem Vater nach gefolgt. Das geschahe am Mittwoch vor dem heiligen Pfingstfeste des Jahres 973. Sein Sohn Otto wurde nach ihm Kaiser. Kaum erkennbar sind noch die alten Kaiserbilder wie Geistergestalten an den Pfeilern der Rundbogen der ehemaligen Klosterkirche sichtbar, Heinrich I. und Mechtilde, Otto I. und Editha und andere.

Noch wird ein altes hölzernes Marienbild mit dem Kinde und einem es krönenden Engel im Klosterhofe zu Memleben aufbewahrt, von welchem mancherlei Sagen gehen. Es läßt sich dasselbe nicht ungestraft beleidigen.