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Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band/Silberglocken

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Der tiefe Brunnen Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band
von Ludwig Bechstein
Das Seil des Zimmergesellen
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202.
Silberglocken.

Auf der Stadtkirche zu St. Lorenzen in Elsterberg hing ein silbernes Glöckchen, damit läutete man in katholischen Zeiten die Messe ein. Das wurde auch das Gnadenglöcklein geheißen, darum, weil sich der Ablaß so weit erstreckte, als des Glockleins Schall vernommen ward. Da man unter andern auch im Dorfe Bünau das Glöcklein hörte, so gaben die Bünauer Bauern dafür der Geistlichkeit alljährlich ein Fuder Getreide. Nun ist zwar Bünau jetzt nach Dobia eingepfarrt, welches Dorf Bünau ganz nahe liegt, doch ist in Folge jenes Ablasses noch heute üblich, daß es an das Elsterberger Pastorat einen Zehnten leistet. Dabei ist wieder die Bedingung, daß der Pfarrer von Elsterberg diesen Zehnten in eigener Person mit seinem Geschirre abholt, und jedem Kind unter 14 Jahren einen Pfennig mitbringt. Der Elsterberger Ablaß war so berühmt, daß sogar, wie die Sage geht, Bürger von Nürnberg sich auf dem dasigen Kirchhof begraben ließen, um [76] dessen theilhaftig, und desto eher aus dem Fegfeuer erlöst zu werden. Auch haben, so sagt man, Nürnberger Kaufleute das Spital, das unten bei der großen Brücke im sogenannten Spitalgarten stand, erbauen lassen und unterhalten.

Von der mittleren Glocke zu Elsterberg erzählt man für wahr, daß sie zur Hälfte aus Silber bestehe. Ein General, des Namens Bose, nahm im dreißigjährigen Kriege die Stadt Großglogau in Schlesien ein, und entführte von dort nicht nur diese mittlere Glocke, sondern auch die übrigen Kirchenglocken, und schenkte die erstere nach Elsterberg, die andern dem nahen Orte Netschkau. Vergebens forderte später die Bürgerschaft von Großglogau ihre Glocken zurück, und als sie dieselben nicht erhielt, erließ sie ein Gebot, daß weder ein Elsterberger, noch ein Netschkauer ihre Stadt jemals betreten solle.