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Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band/Die goldene Wiege

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Perchtha, die Heimchenkönigin Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band
von Ludwig Bechstein
Das vertriebene Holzweibel
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[189]
321.
Die goldene Wiege.

Eine Wilhelmsdorfer Bauernfrau ging in’s Holzlesen auf den Hungersberg. Als sie bei ihrer Arbeit war, hörte sie was wimmern, und fand, wie sie der Stimme nach ging, tief im Walde ein niedlich Kindlein, das weinte und lag in einer Baumrinde. Die Bäuerin hatte selbst daheim einen Säugling, und so erbarmte sie sich des Hilflosen, dachte, seine Mutter werde sich auch im Walde befinden, oder vielleicht weit weggegangen sein, und reichte dem kleinen zarten Schreier die Brust. Es war aber eines Waldweibleins Kind, und plötzlich kam dieses und freute sich gar sehr über die gutthätige Bäuerin. Als es sein gesättigtes Kindlein wieder in Empfang genommen hatte, reichte es der Bauernfrau die Wiege des Kindes als eine Belohnung dar, diese lächelte aber und sagte, sie habe Holz genug gelesen, bedürfe der geringen [190] Rinde nicht, doch brach sie ein Stückchen davon ab und warf es auf ihr übriges Reissig, worauf sie den Heimweg antrat. Als sie des andern Tages einheizte, glitzerte etwas ganz hell in der Reissigwelle, und mit Verwunderung sah die Bäuerin, daß es der Splitter jener Wiege und von gediegenem Golde war.