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Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band/Die Teufelstreppe

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Der weiße Reiter Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band
von Ludwig Bechstein
Riesenspielzeug
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[210]
344.
Die Teufelstreppe.

Vor langer, langer Zeit wohnte im Schwarzathale ein Fischer in einem kleinen mit Stroh gedeckten Hause. Seine Frau, die Tochter des Thurmwarts auf Greifenstein, war eben ihres ersten Söhnleins genesen, deshalb eilte der erfreute Vater in die Stadt, um den Erstgebornen zur Taufe zu melden und dann auf die Burg, um seinen Schwiegervater zu Gevatter zu bitten. Als er das Schwarzathal wieder betrat, brauste darin ein gewaltiger Sturm, daß die Tannen sich tief zur Erde beugten und die Felsen zitterten; die Schwarza aber wogte und schäumte, daß der Mann kaum den Steg zu überschreiten wagte, der an’s jenseitige Ufer zu seiner Hütte führte. Davor stand seine Frau, die Hände ringend und wehklagend, und deutete nach dem Flusse. Da sprang der Teufel, der schon oft im Thale getobt hatte, so eben mit einem riesigen Schritte über den Fluß, und in seinen Krallen hielt er – den wimmernden Säugling. Die Mutter war neben der Wiege [211] eingeschlummert und hatte vergessen, das Gebetbuch unter des Kindes Kopfkissen zu legen, denn es war ja noch nicht getauft. Schon stieg der Teufel den steilen Berg am andern Ufer hinan, aber selbst ihm wurde derselbe unersteigbar. Da griff er mit der Rechten neben sich, riß Felsblöcke aus dem Boden und legte sie stufenweise an einander, während er mit der Linken das Knäblein hielt. Schon hat er sieben Stufen gebaut und die siebente erstiegen – da hemmt das inbrünstige Gebet der Eltern seine Macht, er zittert, schwindelt und der Raub entsinkt der Hand. Er verschwand, und Engel trugen das Knäblein unversehrt in der Mutter Schoos. Augenblicklich legte sich der Sturm, der Fluß glitt ruhig dahin, und die ganze Natur ward wieder heiter. Des andern Tages wurde der Knabe zur Taufe gebracht.